Letztens unterhielt ich mich mit einer guten Freundin, ob Sex denn überhaupt lustig sei. Ich sagte ihr, dass ich mich nicht erinnern konnte, jemals beim Sex gelacht zu haben. Sie versicherte mir jedoch ausdrücklich, dass sie schon einmal bei einem phantastischen Sex richtig gelacht habe, was zu glauben mir jedoch schwer fiel. Es war zwar meistens schön, aber so richtig herzerfrischend lustig, das war es allerdings jedoch nie...
...jedenfalls nicht bis zu jenem Tag...
Vor etwa einem Jahr verstarb unser netter Nachbar, der alte Opa Krause. Kurz darauf zog Susanne Wendel in die freigewordene, gut geschnittene Zwei-Zimmer-Wohnung ein. Sie hatte einen hübschen Balkon, der nach Süden zeigte. Na ja, nicht die Susi, die Wohnung, meinte ich. Wie auch immer, Susi räkelte sich jedenfalls auf ihrem Balkon, wann immer es das Wetter und die Sonne gut mit ihr meinten, stets unbekümmert und meistens jedoch nackt.
Nun muss man wissen, Susi ist ein erklärtes Single, aber von Zeit zu Zeit auch gewissen kurzlebigen Abenteuern mit adäquaten männlichen Pendants nicht gerade abgeneigt. Denn sie ist ein gar heißes Knusperflöckchen von noch nicht einmal dreißig, sehr gut gebaut und sieht echt top aus.
Ihren Job als 'Zapperin' bei der U-Bahn hatte sie verloren, weil die Verkehrsbetriebe vermehrt auf Elektronik setzten und nun überall im Berliner Underground Kameras installiert hatten, die eine Zugabfertigerin überflüssig machten.
Die hübsche Rothaarige kassierte eine angemessene Entschädigung von der BVG und hoffte nun darauf, von RTL als Soap-Schauspielerin entdeckt zu werden. Okay, mindestens aber als ein neues It-girl, wie weil sie denn immer wieder nächtelang durch die einschlägigen Heavy-Metal-Clubs der Berliner Szene tingelte und dort bald schon bekannter war, als ein bunter Hund. Vielleicht wurde sie ja eines schönen Tages doch noch entdeckt, denn die Figur und das Aussehen dazu hatte sie, wie ich unschwer über die Balkonbrüstung hinweg erkennen konnte. Leider ließen sich die Scouts von RTL mit der Suche nach einem neuen rothaarigen It-girl gehörig Zeit und so ging der warme Sommer in dieser Hinsicht ereignislos ins Land. Während sich Nachbarin Susi Anfang September zur voyeuristischen Freude der meisten männlichen Hausbewohner immer noch hüllenlos auf ihrem Balkon räkelte.
Eines Tages klingelte sie an meiner Tür und griente mir direkt ins Gesicht. Leider hatte ich meine Brille auf dem Schreibtisch liegen gelassen und so konnte ich nur erkennen, wie sie mit dem Zeigefinger immerzu auf ihre Nase zeigte. Ach Gott, dachte ich, da hat sie wohl eine üble Sommergrippe erwischt, die Ärmste. Ich griff schnell hinter mir nach einer Packung Papiertaschentücher, die immer auf unserem Sideboard im Flur lag und riss die Lasche der Verpackung auf, damit sie sich ein sauberes Taschentuch entnehmen konnte.
»Was soll das, Robbi? Sag mal, spinnst du?«, sagte sie in einem beleidigten Tonfall und zeigte wieder auf ihre Nase. »Nun guck' doch mal richtig hin!« Dieser Aufforderung wollte ich gerne nachkommen und schaute ihr nun etwas genauer in ihr hübsches Gesicht. Ich glaubte zwei dicke Tropfen zu erkennen, die unterhalb ihrer Nase hingen.
»Okay, wenn es so dringend ist, kannst du auch die ganze Packung haben«, brummte ich und reichte ihr das blau-weiße Päckchen. Susi zeigte mir glatt einen Vogel.
»Sag mal, du schnallst es wohl immer noch nicht, was? Das ist ein Nasenpiercing, du Knaller. Setz‘ mal besser deine Brille auf. Ich hab mir heute nämlich ein Loch durch die Nasenscheidewand stechen lassen.«
Ich verzog das Gesicht, als hätte ich soeben ein ganzes Wasserglas voller gepresster Zitrone auf Ex ausgetrunken.
»Igitt, das ist ja… so was von... ...hastig«, gab ich rasch zu Protokoll und spürte, wie sich mir sofort die Nackenhaare sträubten.
»Dann hab' ich mir in das Loch diesen Hufeisenring aus poliertem Titan mit Kugeln zum Anschrauben einsetzen lassen. Der neuste Schrei, sieht doch geil aus, oder?«, strahlte sie mich an.
Sofort blitzte in mir aus der Ferne der Kindheit eine Erinnerung auf, als ich meinen Großvater, der auf dem Lande lebte und Fleischbeschauer war, einmal bei seiner Arbeit auf einen Bauernhof begleiten durfte. Jener Bauer hatte im Stall einen Zuchtbullen zu stehen, der einen dicken eisernen Nasenring trug, durch den man eine dünne Leine gezogen und das gehörnte Tier damit in seinem Verschlag fest angebunden hatte.
»Der muckst sich nicht an diesem Ring«, keckerte der Bauer, als er die Tabakspfeife aus dem Mund genommen hatte, den Bullen losband und das massige Tier gehorsam hinter ihm an der Strippe über den Hof trottete. Der Bulle hatte damals nur genauso die Augen verdreht, wie ich jetzt in diesem Moment…
»Du Susi, bitte nicht böse sein, aber das passt mir jetzt gerade ganz schlecht, ich hab auch noch einiges zu erledigen…«
Umgehend machte sie auf ihren High Heels kehrt und stakste mit ihrem attraktiven Hinterteil wackelnd, über den Flur des Treppenhauses zurück in ihre Wohnung.
»Tssss, Männer…«, meinte sie enttäuscht und knallte ihre Wohnungstür hinter sich zu. Ich wusste, dass sie längst schon auf eine günstige Gelegenheit wartete. Tief in meinem Innersten wusste auch ich, dass es mit Sicherheit bestimmt nur ein Frage der Zeit sein würde, denn sie setzte ziemlich ungeniert all ihre weiblichen Attribute als Waffe ein, um mich stückchenweise weichzukochen.
Eine Woche später, als meine Freundin gerade Spätschicht hatte, klingelte Susi wieder an meiner Tür.
Als ich öffnete, stand sie echt verführerisch aufgedonnert und förmlich nach "Love potion number nine" lechzend, im roten Morgenmantel und in ihren schwarzen High Heels vor mir,
»Robert, dich schickt der Himmel, du bist mein Retter. Ich wollte gerade in die Wanne steigen, um ein Bad zu nehmen und da ist mir doch rein zufällig beim Einschalten das Licht im Bad kaputt gegangen...«
Ich linste sie mit schrägem Kopf an.
»Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass mich irgendwer geschickt hätte und schon gar nicht, dass ich irgendwo hingegangen wäre, ich gucke nämlich im Moment grade richtig guten Fußball«, sinnierte ich vor mich hin.
»Robbilein, wo du doch Elektriker bist, bitte«, flötete sie zum Steinerweichen. Natürlich erahnte ich sofort die dunkle Gefahr, die hinter diesem scheinbar harmlosen, aber dennoch wolkenverhangenen Horizont heraufzog. Aber sollte ich sie deswegen jetzt hängen lassen?
»Na gut«, sagte ich, »weil du es bist und auch nur, weil es ein Notfall ist. Wenn es aber doch länger dauern sollte, dann musst du halt den Hausmeister rufen, klaro? Du hast zudem auch noch das unverschämte Glück, dass im Augenblick gerade die Halbzeitpause zwischen Bayern und Dortmund begonnen hat. Aber dieses Spitzenspiel will ich mir auf gar keinen Fall durch die Lappen gehen lassen«, tönte ich.
Susi klimperte mich mit ihren frisch angetuschten Wimpern an.
»Du bist ein echter Schatz«, hauchte sie und machte dabei ein Schmollmund, wie weiland Marylin Monroe damals am Strand von Miami in dem Film, "Manche mögen‘s heiß" ...
Ich schnappte mir meine kleine Notfall-Werkzeugtasche, langte nach dem Bund des Haustürschlüssels und folgte der Susi kopfschüttelnd in ihr hübsches Badezimmer.
Sie hatte bereits ein winziges Teelicht in einem blauen Glasbecher angezündet und es geschickt auf dem Spiegelboard platziert. Das Teelicht verbreitete ein romantisch flackerndes, kleines blaues Schummerlicht in die ansonsten stockdunkle Finsternis ihres Badezimmers. Außerdem duftete es in ihrem Bad süßlich nach sanfte Briese Hawaii-Schaumbad und der knisternde Schaumberg auf den blauen Wogen ihres Mini-Pazifiks drohte bereits über den weißen Wannenrand zu quellen. Ich betätigte ein paar Mal vergeblich den Lichtschalter in Susis Bad.
»Ich hab‘ zwar keine Leiter, aber wenn du dich breitbeinig auf die Wannenränder stellst, müsstest du eigentlich an die Lampe heranreichen, Robbi«, versuchte sie mir auf eine geradezu hinterhältige Weise angeblich technische Hilfestellung zu leisten.
Ich meine, wie blöd muss man eigentlich sein, um auf einen glitschig nassen Wannenrand zu klettern, sich dann auch noch breitbeinig direkt über einer vollen Badewanne zu positionieren und währenddessen sogar noch an einer defekten Deckenbeleuchtung herumzubasteln. Das bringt tatsächlich nur ein halbwegs dämlicher Elektriker fertig. Ich schaute auf meine Armbanduhr, in knapp zehn Minuten würde das spannendste Spiel des Jahres weitergehen und ich hatte noch nicht einmal den breiten Glasteller unter der Decke abgeschraubt. So entschloss ich mich kurzerhand zu einem Wagnis, steckte mir einen Seitenschneider und einen kleinen Schraubendreher hinter den Ledergürtel an meinem Hosenbund. Um den Hals hatte ich mir mein Prüfgerät gehängt. So gerüstet stieg ich vorsichtig auf den nassen Wannenrand und begann den weißen Milchglasteller an der Deckenlampe abzuschrauben. Ich reichte Susi das gute Stück hinab und kontrollierte anschließend die Lampenfassung, ebenso den Sitz der angeschlossenen Leitungen. Alles schien da zu sein, wo es hingehörte. Seltsamerweise war auch die Glühlampe völlig intakt. Sie steckte nur locker in ihrem Fassungsgewinde, so als hätte sie jemand ganz bewusst nur um eine halbe Umdrehung herausgeschraubt. Eine simple Glühlampe bringt solch ein Zauberkunststückchen natürlich niemals von alleine fertig. Ein kurzer Griff an den lockeren Glaskolben und das helle, grelle Licht einer 100-Watt-Glühlampe flammte gehorsam wieder auf. Simsalabim…
Genau in diesem Moment planschte es heftig unter mir und Susi saß grinsend, nackt in ihrer Badewanne. Schnell hatte sie mit beiden Händen vor ihrem Busen eine gehörige Portion knisternden Seifenschaum zusammengeschoben und mir dann diese Riesenschneeflocke gegen meine Jeans geworfen, wo sie an exponierter Stelle hängenblieb. Susi lachte, als ich langsam, wie in Zeitlupe an mir herunterschaute und den nassen, dunklen Fleck an ebendieser Stelle betrachtete. Durch das Loch im Schaumberg waren ihre überaus hübschen Brüste wie zwei liebliche Inseln im blauen Wasser vor Hawaii freigelegt worden. Als wäre ein leichter Wind aufgekommen und hätte den Nebel von dem Insel-Paradies im Pazifik hinweggepustet, so prall und fest glänzten sie unter der von mir wiederhergestellten Pracht der elektrischen Sonne. Das Auge wurde magisch auf die linke ihrer famosen Inseln gelenkt, denn dort prangte an der Erhabenheit ihrer erregenden Brustwarze ein goldenes Ringlein, welches mit einem quer durch den Nippel geschobenen goldenen Stift in Position gehalten wurde.
Als Susi merkte, wie gebannt ich auf ihre gülden dekorierte linke Brustwarze starrte, fragte sie mich schelmisch,
»Gefällt dir nun besser, was du jetzt siehst?«
Ich hatte plötzlich einen trocknen Mund und nickte. Spontan fiel mir aber das kühle Bier ein, welches drüben jenseits des Pazifiks auf mich wartete und natürlich auch das Spiel, das soeben wieder angepfiffen wurde.
Mit einem Satz sprang ich vom Wannenrand herunter und stand in ihrer Badezimmertür.
»Sollten dir noch öfter solche Scherze einfallen, Süße, dann verleg sie doch bitte in die spielfreie Zeit, da hab ich dann bestimmt auch etwas mehr Muße, deinen Intentionen zu folgen. Sorry, aber ich muss nun wieder…«
Im grellen Licht der nackten Glühlampe konnte ich noch sehen, wie das Lächeln in ihrem sexy gestylten Gesicht enttäuscht erstarb. Es klatschte unterdessen ziemlich laut auf den blauen Wassern des Pazifiks, als ich ihre Wohnungstür hinter mir ins Schloss zog. Ich setzte mich vor den Fernseher und genoss bei einem zünftigen Schluck Bier, den Fortgang des Spiels, als es jedoch kurze Zeit später erneut an meiner Wohnungstür schellte.
Es nervt, das kleine süße Luderchen, dachte ich und rief stattdessen laut in den Flur hinein,
»Tut mir leid, aber ich bin nicht da!«
Einen Moment später rasselte bereits lautstark ein Schlüsselbund und die Tür wurde aufgeschlossen. Marion, meine langjährige Frau-Freundin schaute mich vorwurfsvoll aus dem Flur an,
»Also weißte, wenn ich dir schon dein Bier mit nach oben schleppe, dann kannst du mir auch wenigstens die Tür öffnen, oder ist das schon zu viel verlangt?«, fragte sie mich entrüstet.
»Sorry, Schatz, das Spiel war grad‘ so spannend und da…« Just in diesem Augenblick schossen die Bayern das erste Tor. »Siehste, siehste, genau das meine ich…«, sagte ich mit einem gewissen Grad der Erleichterung und wies mit überzeugender Geste auf die Glotze. »Und überhaupt, wieso bist du denn schon da? Ich dachte, du hättest heute spät…«
Marion winkte aber nur müde ab,
»Männer und ihr Fußball! So also hörst du mir zu, wenn ich etwas zu dir sage. Erst gestern habe ich dir erklärt, dass ich Anne heute nur für ein paar Stunden in ihrer Schicht vertreten werde«, sagte sie verstimmt und verschwand in der Küche.
Als hätte ich ein verschärftes Chili con Carne gegessen, fächelte ich mir frische Luft zu. Heijeijei, das hätte aber auch voll in die Hose gehen können, dachte ich und trank auf diesen Schrecken das frisch gefüllte Bierglas in einem Zug leer.
Am Samstag darauf, meine Freundin hatte diesmal tatsächlich ihren regulären Spätdienst, lag Susi wieder mal allein und so wie Gott sie geschaffen hatte in ihrem Liegestuhl auf ihrem Balkon und ließ sich von der späten Nachmittagssonne ihre bezaubernde nackte Haut liebkosen. Ein mir längst vertrautes Bild bot sich meinem verzehrenden Blick, als ich sie erneut so im Evaskostüm erblickte. Susi hatte sich einen breitkrempigen Strohhut aufgesetzt und ihre langen roten Haare wurden eingerahmt von einer dunklen Sonnenbrille mit riesigen Gläsern, die allerdings so dunkel waren, dass man ihre Augen dahinter kaum erkennen konnte. Plötzlich riss ich aber dafür meine Augen auf und glaubte ihnen nicht mehr zu trauen. Zunächst war ich so perplex, dass ich dachte, ich sei im falschen Film… Susi hatte sich nämlich ein weiteres Piercing stechen lassen und zwar… quer durch die Klitoris.
Allmächtiger, dachte ich, wer macht denn so etwas? Ich mochte mir den martialischen Gedanken dahinter gar nicht erst vorstellen wollen, aber Susi schien es regelrecht zu genießen. Sie hatte ihre ohnehin schon langen Beine auf der Fußablage des Liegestuhls weit ausgestreckt und ihr linker Zeigefinger klappte den durch das gestochene Loch gezogenen Ring, mit einer Goldkugel in der Mitte, rasend schnell hoch und runter. Dabei drehte sie beständig ihren Kopf hin und her und ihr gelegentlich keuchender Atem klang bereits deutlich intensiver zu mir herüber.
»Hübsches Spiel, welches du da spielst, Susi«, krächzte ich mit heiserer Rabenstimme über die Balkonbrüstung hinweg.
»Komm doch rüber, kannst ja mitspielen, ist bestimmt auch viel interessanter zu zweit«, gab sie kess zur Antwort, ohne jedoch dabei mit dieser aufreizenden Klapperei aufzuhören. »Ach nee, geht ja nicht, heute ist ja Samstag, da wird ja wieder nur mit dem Fuß an einem einzelnen Ball herumgespielt«, provozierte sie mich grinsend.
»Diesmal nicht«, hörte ich mich zu meiner eigenen Überraschung sagen, »ich komme...«, gab ich ihr noch etwas unsicher zu verstehen.
»Ist das jetzt eine Drohung, oder ein Versprechen?«, grinste sie zurück. Das war echt ein Ticken zu viel. Ich schloss die Balkontür, griff nach meinem Schlüsselbund und stand drei Sekunden später, mit einem bis zum Hals schlagenden Herzen, vor ihrer Wohnungstür. Susi hatte im roten Morgenmantel ihre Tür einen Spalt weit geöffnet und fragte leise,
»Hat dich jemand gesehen?« Ich schüttelte meinen inzwischen hochrot angelaufenen Kopf, worauf sie mir die Tür noch ein Stückchen weiter öffnete, bis ich hindurchschlüpfen konnte. Noch im Flur rissen wir uns gegenseitig die Klamotten vom Leib und knutschten auf Teufel komm raus. Susi schleifte mich in ihr Schlafzimmer, wo es kein Halten mehr gab und alle Dämme brachen...
Bald schon hatten wir auch ohne den von "The Searchers" so häufig gespielten Titel, »Love Potion Number nine«, eine deutlich höhere Nummer erreicht, die exakt sechzig Ziffernpunkte darüber lag. Susi hatte sie eben kurz mal einfach nur dazu addiert und forderte von mir nun daraus das hinlänglich bekannte Ergebnis praktischerseits ab.
So fuhr denn die Spitze meiner Zunge durch ihren neuen güldenen Ring und das Schicksal nahm seinen Lauf. Plötzlich hatte sich, wahrscheinlich durch die endlose Klapperei, die goldene Kugel vom Ring gelöst und ehe ich mich recht versah, hatte ich versehentlich das Ding auch schon verschluckt. Vor Schreck zog ich meine Zunge leider wohl etwas überhastet zurück und nun passierte genau dass, was jedes Wochenende auf den zahlreichen Seen und Gewässern in und um Berlin herum unzählige Male passiert...
Das kurze Stück Gewinde mit der gnadenlosen Schärfe eines Angelhakens bohrte sich nach diesem heftigen Ruck in meine Zungenspitze. Sofort hing ich wie ein frisch geangelter, zappelnder Fisch an ihrem verdammten Ring fest, dessen goldenen Köder ich kurz zuvor schon geschluckt hatte.
Mit jedem weiteren Zurückziehen zog sich der Haken nur noch tiefer in das ohnehin schon schmerzende Fleisch meiner geschundenen Zunge, während Susi bei jedem weiteren Ruck lustvoll aufstöhnte.
Nach etwa zwanzig Minuten bösartigster Angelhakengefangenschaft war mir die Lust an der Lust endgültig abhandengekommen. Völlig entgeistert gab ich schließlich nach gut einem Dutzend erfolglosen Befreiungsversuchen auf.
»Eff hat kleilen Linn, luf an, Luli…«, stöhnte ich unter Schmerzen und ich schwöre, es hatte definitiv nichts mit Sadomasochismus zu tun, denn aus meiner frisch gepiercten Zunge tropfte schon das Blut.
»Wen soll ich denn anrufen Robbi?«, stöhnte sie lustvoll.
»Lumpelhlielzzhen, len lonzzt!«, gab ich daraufhin genervt zurück.
»Rumpelstielschen? Was soll das denn jetzt, Robbi?«
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich ihre Frage vernahm.
»Lu lollzzt einen Lotarzzt anlufen! Einzz, einzz, hwei…«
»Meinst du wirklich, muss denn das unbedingt sein?«
Während ich heftig nickte, stöhnte sie erneut sexuell erregt auf. Dann endlich hatte sie verstanden und wählte die Notrufnummer. Was sie dort den Kameraden von der Feuerwehr erzählt hatte, war mir längst schon piepegal. Ich wollte nur noch weg, weg von Susis Angelhaken.
Zwanzig Gefangenschaftsminuten später, klingelte die Notärztin an Susis Wohnungstür.
»Frau Wendel, hier ist der Notarzt, bitte öffnen Sie die Tür.«
»Ich kann nicht aufstehen!«, schrie Susi aus dem Schlafzimmer in den Wohnungsflur hinein.
»Bleiben Sie ruhig liegen, Frau Wendel, Hilfe ist unterwegs«, lautete die Antwort der Ärztin.
Nach weiteren fünfzehn Minuten wurde die Wohnungstür professionell von der Polizei geöffnet und vier Personen stiefelten zugleich in Susis Schlafzimmer. Beim Anblick unserer fatalen Lage, bekam einer der beiden Polizisten in Susis Schlafzimmer einen gesundheitsgefährdenden Dauer-Lachanfall und auch der andere Polizist hatte ebenfalls Mühe, sich wieder einzukriegen. Daraufhin sprach die Notärztin ein deutliches Machtwort und verbannte sowohl die Polizei, als auch ihren eigenen Rettungs-Sanitäter, der das Grinsen nicht mehr aus seinem Gesicht bekam, aus Susis rosarot gestyltem Schlafzimmer. Dann beugte sich die hübsche Blondine in den Mittdreißigern zu mir herunter und betrachtete aus allernächster Nähe ziemlich interessiert meine aufgespießte Zunge, die inzwischen schon geschwollen und blau angelaufen war. Aber auch diesen hinterhältigen güldenen Angelhaken, sowie jenen fleischlich sinnlichen Köder, an welchem der Haken befestigt war...
»Geile Position...«, sagte sie tonlos, »…hab' ich so allerdings auch noch nicht gesehen.«
Sie streifte sich ihre Latexhandschuhe über und versuchte vorsichtig meine Zunge von dem Gewindehaken zu lösen. Der Schweiß rann mir über die Stirn und Susi zuckte bei jedem weiteren Versuch der Ärztin lustvoll zusammen. Angeln war wohl eh' nicht grade die Stärke der Notärztin und so gab sie denn auch nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen endlich auf.
»Das ist viel zu gefährlich«, meinte sie und machte dabei ein skeptisches Gesicht, wie ein versierter Sprengmeister vom örtlichen Kampfmittelräumdienst, der den völlig vergammelten Zünder aus einer alten Fliegerbombe nicht herausbekam. »Womöglich reiße ich Ihnen dabei sogar noch etwas ab. Das muss definitiv ein Chirurg im Krankenhaus machen«, entschied sie dann mit kühner Entschlossenheit. Zugleich wies sie ihren Sani im Flur lautstark an, die große Trage aus dem Rettungswagen zu holen.
Mit viel Mühe gelangten wir dann mit Hilfe unserer vier freundlichen Helfer auf eine stabile Trage, die zu diesem Zweck quer über Susis Bett geschoben wurde. Anschließend legte die nette Notärztin noch eine große Rettungsdecke über unsere siamesisch verbundenen Körper, die nun nur noch Susis Gesicht für die Öffentlichkeit frei ließ. Dafür war ich ihr sehr dankbar, denn allein diese heikle Situation an sich, war ohnehin schon mehr als nur peinlich. Hurtig packten nun alle Vier fest an der Trage an und verfrachteten uns ächzend ins Treppenhaus, wo sich bereits die ersten Schaulustigen eingefunden hatten und zudem wild über diesen höchst seltsamen Mummenschanz zu spekulieren begannen. Es war einfach alles dabei, vom Doppelmord, bis hin zur Fehlgeburt einer Zwillings-Schwangerschaft. Zum Glück erkannte jedoch keiner der neugierigen Nachbarn die tatsächlichen Zusammenhänge jener ungewöhnlichen und hochdramatischen Rettungsaktion.
Dennoch, als sich unser kleiner Expeditions-Trupp endlich bis ins Erdgeschoss unseres Wohnhauses durchgeschlagen hatte, geschah tatsächlich jetzt erst die eigentliche Katastrophe. Denn just in diesem Moment kam Marion nämlich von der Schicht nachhause und erkannte in der notärztlich versorgten Person sofort ihre Nachbarin, die da ziemlich hilflos auf der Trage lag.
»Was ist mit dir, bist du krank, Susi?«, fragte sie und lupfte kurz die Decke, die Susis Geheimnis bislang so geschickt verbergen konnte. Sie schaute mir jetzt direkt ins Gesicht und erkannte mit einem Schlag, was geschehen war.
Das Geheimnis war nun keines mehr...
»Robert Neumann? Na das glaub‘ ich doch jetzt nicht wirklich!«, sagte sie und ich sah, wie ihr auf der Stelle sämtliche Gesichtszüge entgleisten.
»Eff ifft nicht daff, wonach eff auffieht, Fatz. Daff ifft ein Lotfall…«, brachte ich verzweifelt heraus.
»Schwein…«, sagte Marion nur und schlug die Decke wieder zurück.
»Verzeihung, aber ist der Herr Neumann zufällig Ihr Ehemann?«, fragte die Notärztin trotzdem sehr sachlich.
»Nein«, sagte sie in einem Anflug eiskalter Verachtung. »Ich heiße Siebert und kenne diesen Typen nicht.«
Im Rettungswagen gab mir die nette Notärztin noch ihre persönliche Karte. Wenn ich später noch Fragen hätte, könnte ich sie ja jederzeit anrufen. Im Krankenhaus auf der Unfall-Chirurgie waren wir natürlich Gegenstand eines köstlichen Heiterkeitsausbruches nach dem anderen, aber am Ende wurde der Haken entfernt, meine Zunge genäht und meine Beziehung zu Marion beendet. In einer schlichten SMS teilte sie mir nämlich lakonisch mit, dass ab jetzt alles anders sei, so also auch das neue Schloss zu ihrer Wohnungstür...
Seit jenem Eklat wohne ich nun bei der netten blonden Notärztin. Ich denke, wir passen auch sonst irgendwie gut zueinander, denn wir mögen beide keine Piercings, nirgendwo...
Dafür kommt es schon mal vor, dass ich gelegentlich mit stählernen Handschellen direkt an ihr Bett gefesselt werde…
***
Impressum
Cover: selfARTwork
Text: Bleistift
© by Louis 2014/4 last Update: 2022/9
Texte: © by Louis 2014/4 last Update: 2022/9
Cover: selfARTwork
Tag der Veröffentlichung: 20.09.2020
Alle Rechte vorbehalten