In dem kleinen gemütlichen Caféhaus am Marktplatz trafen sich wie an jeden freien Samstagnachmittag die beiden besten Freundinnen Melissa und Elvira zu ihrem wöchentlichen Kaffeeplausch. Die erste Tasse Cappuccino hatten die beiden älteren und schon nicht mehr ganz so taufrischen Damen bei einem herrlichen Stück Schwarzwälder Kirschtorte und einer Pfirsich-Melba-Schnitte gerade eben erst genossen, als Melissa leise flüsternd, mit einer geradezu sinnbildlichen Verschwörermine, auf das wichtigste Ereignis der vergangenen Woche zu sprechen kam.
»Ich habe es wahrgemacht und bin am Mittwochabend beim Casting gewesen.«
»Was für ein Casting Mel, Moment mal, wovon redest du überhaupt?«, fragte Elvira, die sich gerade ein Stückchen von der Torte mit einem zitronengelben Gelee überzogenen Pfirsich auf ihre Kuchengabel gespießt hatte.
Genussvoll verdrehte sie die Augen und schob sich das leckere süße Tortenstückchen lustvoll in ihren Mund. Dass sie Süßes ohnehin gern mochte, das sah man ihrer Figur jetzt inzwischen auch schon etwas an. Schließlich war man ja auch keine knackige Zwanzig mehr. Aber Elvira mochte mittlerweile ihre etwas leicht überzähligen Pfunde. Wenn schon sonst nichts anderes Vernünftiges mehr in mich reinkommt, dann kann wenigstens der ganze übrige Rest so süß wie die Sünde sein, lautete ihr neues Lebensmotto, seit sie ihr deutlich jüngerer Lebensabschnittsgefährte Torsten, im vergangenen Jahr wegen einer vollbusigen schwedischen Blondine namens Britta, sozusagen von jetzt auf gleich auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte.
»Ich habe dir doch vorige Woche von der Begegnung mit diesem Filmfritzen aus der Hauptstadt erzählt, der mich neulich in der Bahn angesprochen hatte. Nun hat der mir doch tatsächlich eine Einladung für ein richtiges Casting geschickt. Und diese Woche fand nun am Mittwochabend hier bei uns im Hotel "Waldschlösschen" besagtes Casting statt. Sie suchten noch eine Frau in meinem Alter für diese eine Rolle. Ich hab mich natürlich bei dem Vorgespräch als für zehn Jahre jünger ausgegeben«, verriet ihr Melissa lächelnd. Elvira nickte interessiert, währenddessen sie sich ein weiteres Stückchen Torte aufspießte.
»Na und, nun erzähl schon, wie war's, Mel? Haben sie dich genommen?« Melissa schüttelte jedoch nur schwach lächelnd den Kopf,
»Wir waren sieben Bewerberinnen nur für diese Rolle und die meisten von ihnen waren allerdings deutlich jünger als ich. Die eine kannte ich sogar vom Sehen. Eine schicke Bäckerverkäuferin aus der Südvorstadt, ein hübsches Ding. Na da brauchte ich mir eigentlich gar keine Chancen auszumalen. Natürlich hätte ich mir das schon selbst denken können, als ich die Gruppe der Mitbewerberinnen gesehen hatte. Ich bin jetzt schon über die Fünfzig, auch zu dünn und außerdem mit meinen schon viel zu schlaffen Titten...«
Melissa winkte achselzuckend ab.
»Na und wenn schon, was hat das denn damit zu tun«, protestierte Elvira. »Du siehst doch immer noch fabelhaft aus und deine feuerroten Haare, die machen dich doch erst recht interessant, Süße oder etwa nicht?«
»Schon, aber ich glaube, die suchten eher wohl doch noch etwas anderes. Jedenfalls war ich die Zweite, die aufgerufen wurde. Als ich in den Raum kam, wo dieses Casting stattfinden sollte, war da zunächst ein richtiger Profi-Fotograf, der von mir aus allen möglichen Positionen jede Menge Fotos schoss. Dann waren da natürlich auch noch ein smarter Kameramann, der parallel alles mitfilmte, ein junger, bärtiger Tontechniker und noch zwei junge Assistentinnen. Also das war alles schon ziemlich aufregend, aber dann kam es…«, flüsterte Melissa und winkte Elvira etwas näher zu sich heran.
Die beiden Damen steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten noch eine Weile. Plötzlich prallte Elvira total überrascht zurück und schlug sich vor Schreck die Hand vor ihren offen stehen gebliebenen Mund, während zugleich ihre Kuchengabel aus Edelstahl laut klingelnd, wie ganz von selbst den Weg auf den terracottafarben gefliesten Fußboden des Cafés fand. Geradezu entsetzt entfuhr ihr ein äußerst vielsagendes,
»Nein…!«
»Doch...!«, bestätigte Melissa mit gelassener Mine und trank noch einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee.
»Hat er Dir etwa auch seinen…?, fragte Elvira höchst aufgeregt, während sie darauf ein deutlich genießerisches Grinsen in Melissas Gesicht gewahr wurde und Melissas Zunge sich zappelnd zwischen ihren roten Lippen hin und her bewegte.
»Und das, glaub mir meine Liebe, das war einfach nur der Hammer«, bestätigte Melissa lächelnd.
»Das glaube ich doch einfach nicht! Echt jetzt?« Elvira schien absolut fassungslos.
»Das ganze Programm, praktisch alles was sie so drauf hatten. Nach einer guten viertel Stunde war ich dann auch schon wieder draußen und obendrein gab es für das Casting sogar noch einhundertfünfzig Euro Spesengeld«, erklärte Melissa ihrer völlig überraschten Busenfreundin.
Elvira schüttelte jedoch nur ungläubig den Kopf,
»Und das von meiner besten Freundin…«
»Wieso«, entgegnete Melissa, »wann hattest du denn zuletzt mit einem unglaublich knackigen Fünfundzwanzigjährigen mit allem drum und dran so richtig geil gevögelt? Bei mir ist es leider schon mehr, als nur eine gefühlte Ewigkeit her und außerdem war es ja sowieso nur ein Casting für einen kurzen Erotikfilm, also absolut nichts von signifikanter Bedeutung. Aber Hallo, meine Liebe, wer lässt sich denn in unserem Alter eine so seltene Gelegenheit schon gern entgehen…«
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Impressum
Cover: selfARTwork
Text: Bleistift
© by Louis 2018/11 last Update: 2023/10
Texte: © by Louis 2018/11 last Update: 2023/10
Bildmaterialien: graphic inside : selfARTwork
Cover: selfARTwork
Tag der Veröffentlichung: 24.08.2020
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