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„Frau Herren, Frau Bigler und Frau Steudler. Ich habe euch drei schon oft genug verwarnt.“, sprach der Schuldirektor mit zorniger Stimme. „Nun denn, ihr wolltet es offenbar nicht anders, nun seh ich mich gezwungen, eure Eltern zu informieren.“
„Na dann mach doch.“, zischte die 16-jährige Karin Herren und zog genüsslich an ihrer Zigarette weiter. Es war nicht das erste Mal, dass der Direktor Helmut Leuzinger die drei Mädchen beim Rauchen auf dem Schulgelände erwischt hatte. Doch der Mädchengang, der auch die gleichaltrige Simona Bigler und die ein Jahr jüngere Monika Steudler angehörte, war diese Drohung gleichgültig. Mit einem lauten Schnauben drehte sich der Direktor um und ging zurück zum Schulhaus.
„Pisser.“, flüsterte Karin ihm verächtlich nach. Die beiden anderen Mädchen kicherten…

„Karin, nun iss doch bitte etwas.“, bat Eva ihre Tochter. Lustlos stocherte diese in ihrem Abendessen rum.
„Warum?“, fragte sie zornig zurück. „Damit ich noch fetter werde? Ich hab doch schon einen Schwabbelbauch.“ Mit einem giftigen Blick starrte sie gegenüber zu ihrer jüngeren Schwester Audrey. Karin war nicht pummelig, doch im Gegensatz zu ihrer dünnen Schwester kam sie sich fett vor. Ausserdem hatte Audrey ausgeprägtere Brüste als sie, was für eine 14-jährige doch eher eine Seltenheit war. Audrey bemerkte die bösen Blicke, doch ignorierte sie sie und ass ruhig weiter.
„Ach, ihr könnt mich doch alle mal.“, sagte Karin genervt, stand auf und rannte die Treppe hoch in ihr Zimmer.
„Karin, bitte.“, rief die Mutter hinterher, doch da war nur doch das laute knallen der Türe zu hören. Eva wand sich an ihren Mann Adam. „Schatz, bitte sag doch du auch mal was.“
„Was soll ich denn schon sagen? Sie ist halt in der Pubertät. Mädchen spielen halt in dem Alter verrückt.“
„Aber ich mache mir wirklich Sorgen um sie. In vier Monaten ist die Schule zu Ende. Aufs Gymnasium wird sie nicht kommen, dafür sind ihre Noten zu schlecht. Und eine Lehrstelle hat sie bisher auch noch nicht gefunden.“
Audrey hatte währenddessen fertig gegessen und räumte den Teller ab. Sie wusste, dass nun wieder eine Diskussion folgen würde, wie es mit ihrer Schwester weitergehen sollte, deshalb verzog sie sich still und unauffällig vom Tisch.
„Schatz, auch ich mache mir Sorgen um ihre Zukunft.“, sagte Adam. „Aber wir können sie zu nichts zwingen. Eines Tages wird sie es hoffentlich einsehen und sich bessern.“
„Der Schuldirektor hat mich heute Nachmittag angerufen. Er hatte Karin und ihre beiden Freundinnen in der Pause beim Rauchen auf dem Schulgelände erwischt. Was hab ich bei ihr bloss falsch gemacht?“
Adam stand auf und umarmte seine Frau. „Gar nichts hast du falsch gemacht. Sie rebelliert. Gegen uns, gegen die Gesellschaft, gegen ihre Schwester, schlussendlich gegen sich selbst. Du wirst schon sehen, eines Tages macht es bei ihr ‚klick’ und sie wird einsehen, dass ihr Verhalten verkehrt war.“
„Ich hoffe so sehr, dass du recht hast.“, sagte Eva. Eine kleine Träne kullerte ihre Wangen herunter…

Samstag. Einer von Karins Lieblingstage in der Woche. An diesem Tag durfte sie der Schule fernbleiben, ohne dass es Konsequenzen haben könnte. Den Morgen verbrachte sie schlafend im Bett. Erst gegen Mittag hatte sie Lust aufzustehen. Danach wurde das Badezimmer zwei Stunden lang verbarrikadiert, damit sie sich ihre langen, dunkelbraunen Haare wusch, föhnte, anschliessend hübsch schminkte. Nur mit Make-up fand sie sich ansehnlich, weshalb sie auch nur geschminkt in die Schule ging. Als sie mit dem Programm fertig war und sich angezogen hatte, verliess sie wortlos die Wohnung und machte sich auf den Weg zu ihrem Freund Markus…

Währenddessen traf sich Eva mit ihrer besten Freundin Solange Spring. Die beiden Frauen waren seit mehreren Jahren miteinander befreundet und auch ihre Männer verstanden sich sehr gut miteinander. Bei einem Kaffee in der Stadt sprachen sie über alles Mögliche miteinander. Solange sah ihrer Freundin schon beim ersten Blick an, dass es ihr sehr schlecht ging. Eva erzählte Solange von ihren Sorgen über ihre Tochter. Ihre Freundin hörte aufmerksam zu.
„Eva. Ich weiss, dass du dir viel Gedanken um deine Tochter machst, aber ich muss sagen, ich mache mir mittlerweile grosse Sorgen um dich.“
„Wie meinst du das?“, fragte Eva erstaunt.
„Nun.“, fuhr Solange fort. „Du opferst viel Zeit und Energie in deine Familie. Wann hast du dir das letzte Mal etwas Entspannung gegönnt?“
„Ich habe keine Ahnung.“, antwortete Eva und zuckte mit ihren Schultern. „Adam arbeitet ja beinahe jeden Tag und kommt erst am Abend nach Hause. Ich will mich ja nicht beschweren, denn schliesslich verdient er nicht schlecht dabei. Aber ich fühle mich mit den beiden Kindern allein gelassen. Audrey ist kein Problem. Sie ist sehr selbstständig, hat sehr gute Noten und hat viele Freunde. Ich hab nur keine Ahnung was mit Karin los ist. Sie verschliesst sich ganz und gar. “
Solange unterbricht sie. „Du bist ja völlig verspannt. Kein Wunder, dass du keine Energie mehr hast.“
„Das kannst du laut sagen. Ich bin mit meinen Nerven langsam am Ende.“
„Ich hab da eine Idee.“, sagte Solange mit einem glitzern in den Augen.
„Was denn?“, fragte Eva neugierig.
„Nun, ich habe vor kurzem einen Massagekurs abgeschlossen und nun Zuhause ein Zimmer eingerichtet. Wenn du willst, kann ich dir eine Ganzkörpermassage machen. Das wird dir sicher gut tun.“
Eva ist begeistert von dieser Idee. „Davon hast du mir ja gar nichts erzählt.“
„Nun, es gibt noch einiges, dass du nicht von mir weißt.“, grinste Solange.
Die beiden Frauen bezahlten ihre Kaffees und machten sich auf den Weg zu Solanges Haus…

„Wie bitte?“, schrie Karin aufgebracht. „Du machst einfach mit mir Schluss?“. Sie fiel aus allen Wolken. Ihr Freund Markus Jenni beendete gerade ihre Beziehung.
„Es tut mir ja leid, aber ich habe einfach keine Gefühle mehr für dich.“, sprach Markus reumütig.
„Dir tut es leid? Nein, mein Lieber. Mir tut es leid, dass ich meine Zeit mit einem solchen Versager wie dir verschwendet habe.“ Gekränkt und verletzt rannte sie aus dem Zimmer und schlug die Türe hinter sich zu. Mit einem Seufzer liess sich Markus auf sein Bett fallen. Karin hatte noch keine Ahnung, dass ihr Ex-Freund bereits eine neue Beziehung hatte…

„Zieh dich aus. Komplett.“, sagte Solange, nachdem sie in ihrem Haus in dem Massagezimmer angekommen waren. Eva tat wie geheissen. Sie hatte keine Hemmungen, ihren nackten Körper einer anderen Frau zu zeigen, schon gar nicht ihrer besten Freundin. Während sie sich auszog, kramte Solange ein Massageöl aus einem Wandkästchen.
„Lavendel.“, präsentierte sie. „Wirkt ausgleichend und entspannend. Nun leg dich auf den Bauch auf die Liege. Keine Angst, die Liege wurde nach dem letzten Gebrauch desinfiziert.“ Beide lachten. Eva legte sich hin. Solange liess ein wenig von dem Öl auf ihre Hände fallen und verrieb es. Danach begann sie, es auf den Rücken von Eva zu verteilen. Diese stöhnte auf.
„Aaaaaah, das tut jetzt schon gut.“, sagte Eva entspannt.
„Warts ab bis wir fertig sind.“, sagte Solange. „Danach fühlst du dich wie neu geboren.“
Solange wanderte mit ihren Händen vom Po aufwärts bis hin zu den Schultern, um den ganzen Rückenmuskel strecken zu können. Ungewohnt von diesen Berührungen zuckte Eva die ersten Male zusammen, doch sie konnte sich schnell wieder lockern. Nach einer ausgiebigen Rückenmassage, fuhr Solange weiter mit den Oberschenkeln, den Waden und anschliessend mit den Füssen.
„So, die Rückseite hätten wir. Nun dreh dich um.“ Eva gehorchte den auffordernden Worten.
Solange begann mit dem Bauch und fuhr weiter nach oben, durch die Brüste hindurch bis hin zu den Schulterblättern und wieder zurück über die Brüste bis hin zum Bauch. Eva empfand diese zärtlichen und doch starken Hände als sehr wohltuend, gar erogen. Leise stöhnte sie auf.
Da bemerkte Eva, dass die massierenden Hände zwischen ihre Beine glitten. Erschrocken blickte sie auf. „Was…?“
Solange blickte sie an, hörte aber nicht auf mit den Liebkosungen mit ihren Händen.
„Du brauchst nur ein Wort zu sagen, und ich höre sofort auf damit.“, sagte sie mit einem erotischen, aber bestimmten Ton.
Einerseits war Eva völlig überrascht und geschockt, andererseits wuchs die Neugier und sexuelle Anspannung in ihr. Sie schloss die Augen und liess ihren Kopf zurück auf die Liege fallen. Solange verstand und sank den Kopf zwischen Evas Beinen…

„Ich liebe dich.“, sagte Markus zu seiner Freundin. Kurz nachdem Karin gegangen war, rief er sie an. Sie kam unverzüglich bei ihm vorbei.
„Ich liebe dich auch.“, sagte sie und küsste ihn. „Aber wir müssen vorsichtig sein, dass sie das mit uns nicht erfährt. Sie würde das nicht verstehen.“
„Früher oder später wird sie es erfahren. Auch wenn sie wütend auf uns sein wird, sie wird es akzeptieren müssen.“, sagte Markus. „Ich möchte es auf Dauer nicht verheimlichen müssen.“
„Ich doch auch nicht.“, sagte sie. „Aber lass ihr ein wenig Zeit…“

„Du hattest recht, ich fühle mich wirklich wie neu geboren.“, sagte Eva, während sie sich wieder anzog. „Aber weiss dein Mann davon?“
„Von der Massage oder von dem anderen Ereignis?“, grinste Solange.
„Na du weisst schon…“
„Ja, er weiss es. Wir haben öfters solche Erlebnisse mit anderen, auch mit Paaren. Wir sind nämlich beide bisexuell.“
Eva blickte überrascht. „Nun, ja, davon hast du mir wirklich nichts erzählt.“
Solange erklärte sich. „Es ist so, wir machen es nicht mit jedem, wir haben einen auserlesenen Kreis dafür. Und wir möchten euch, dich und Adam, auch dazu einladen.“
Eva zögerte. „Ich weiss nicht, ob er da mitmachen würde. Mit einer anderen Frau vielleicht schon, aber mit einem anderen Mann…“
„Es ist nicht jedermanns Sache, das geb ich zu. Aber du wirst überrascht sein, wohin einen die Neugier bringen kann.“ Solange grinste. „Hier, nimm das.“ Sie überreichte ihr eine Flasche mit Massageöl. „Verwöhne ihn ein bisschen und erzähle ihm von meinem Angebot. Ich bin gespannt, was er davon hält. Egal was passiert, es bleibt unter uns, und es wird nichts geschehen, was niemand will. Wir werden jederzeit damit aufhören, wenn es jemanden unangenehm dabei wird.“
Eva nahm die Flasche an sich. „Ich werde es meinem Mann mitteilen. Meine Neugier hast du jedenfalls schon geweckt.“
„Kommt doch morgen Abend zum Essen. Keine Sorge, wir werden nicht gleich über euch herfallen.“ Solange grinste. „Einfach ein unbeschwertes und unkompliziertes Abendessen, ohne Hintergedanken. Wie es sich weiterentwickelt werden wir ja dann schon sehen...“

„Wo bleibt denn Karin?“, fragte Eva ihre Tochter Audrey. „Ihr Essen wird langsam kalt.“
„Sie ist oben in ihrem Zimmer.“, antwortete sie knapp.
Eva stöhnte auf, aber sagte nichts mehr und ass weiter.

„Schatz, wir müssen reden.“, sagte Eva. Sie lag bereits im Bett, ihr Mann kam gerade vom Badezimmer.
„Was ist denn los? Geht es um Karin?“, fragte er.
„Nein, diesmal nicht. Diesmal geht es um uns.“
Er zog sich aus und legte sich neben ihr ins Bett. „Um uns?“, fragte er überrascht.
„Ja, um uns.“ Eva atmete tief durch. „Hör zu. Du weisst, ich liebe dich, und ich werde dich immer lieben. Aber dennoch hatte ich schon länger gewisse Fantasien, was meine Sexualität anbelangt.“
Eva berichtete, was sie heute Nachmittag mit Solange erlebt hatte. Adam hörte ich schweigend und interessiert zu. Er wirkte nicht mal gekränkt davon, dass ihn seine Frau betrogen hatte.
„Schatz, nun muss ich dir auch mal was sagen.“, sagte Adam, nachdem Eva ihm von dem Vorschlag von Solange erzählt hatte. „Auch ich hatte schon desöfteren Fantasien davon, dass ich mal Sex mit einem anderen Mann haben könnte. Aber bisher wusste ich nie, ob und wie ich dir davon erzählen sollte. Und, ich meine, jeder hat doch seine Fantasien.“
„Und, könntest du dir vorstellen, diese Fantasien auch Realität werden lassen?“
„Ich weiss nicht. Mit Stefan? Er ist mein bester Freund.“
„Genau deswegen. Wem sonst könntest du so blind vertrauen, dass er nichts machen würde, was du nicht möchtest?“, sagte Eva.
„Stimmt, da hast du völlig recht.“, antwortete er.
„Also, wie gesagt, morgen Abend treffen wir uns. Dass es womöglich zu sexuellen Handlungen kommen könnte, daran sollten wir gar nicht erst denken. Alles kann, aber nichts muss.“, sagte sie. Adam küsste seine Frau.
„Ja, lassen wir uns überraschen…“

„Audrey, wir werden heute Abend nicht da sein. Dein Vater und ich sind bei den Springs zum Abendessen eingeladen.“, sagte Eva zu ihrer Tochter am nächsten Abend. „Ich habe euch etwas gekocht, ihr braucht es bloss in der Mikrowelle aufzuwärmen.“
„Okey Mama, ist gut.“, sagte Audrey. „Wann kommt ihr denn wieder?“
„Das wissen wir noch nicht, aber es könnte spät werden. Geh einfach nicht zu spät ins Bett, morgen ist schon wieder Schule. Bitte sag doch auch Karin darüber bescheid, falls sie heute noch aus ihrem Zimmer kommt. Weisst du, was mit ihr los ist? Ich hab sie den ganzen Sonntag über noch nicht gesehen.“
„Ja, das weiss ich, aber das sollte sie dir lieber selbst erzählen. Es geht ihr jedenfalls zurzeit nicht sehr gut.“, sagte sie zu ihrer Mutter.
„Na ja, ich bin ja noch einen Moment da. Wenn sie mit mir reden will, dann soll sie zu mir kommen. Ich bin schon genug oft auf sie zugegangen, und jedes Mal hat sie mich abgewiesen. Nun liegt es an ihr.“ Eva verliess das Wohnzimmer und ging nach draussen in den Garten…

Das Abendessen bei den Springs verlief sehr unbeschwert, so wie es bisher immer der Fall war. Adam hatte seine Gedanken an ein mögliches Homoerotisches Erlebnis fast vergessen. Sie assen, tranken, redeten, lachten zusammen über alles Mögliche. Langsam wurde es Nacht. Die vier sassen auf der Couch zusammen. Die Männer genehmigten sich ein Bier, die Frauen tranken ein Glas Rotwein. Langsam wuchs auch die sexuelle Anspannung im Raum, das bemerkten alle Personen. Ein bedrückendes Schweigen machte sich breit.
Solange brach als erstes das Eis. „Nun Adam, ich nehme mal an, deine Frau hat dir erzählt, was wir gestern Nachmittag gemacht haben.“
„Ja, das hat sie.“, antwortete er mit einem Nicken. „Und sie hat mir auch von deinem Vorschlag erzählt.“
„Und?“
„Wie soll ich sagen?“, Adam rang nach Worten. „Es ist nicht so, dass ich noch nie den Gedanken hatte, Sex mit einem anderen Mann zu haben. Aber… Ich weiss nicht, es ist doch nur ein Gedanke.“
„Adam, hör zu.“, lenkte Stefan ein. „Es wird nichts geschehen, was du nicht möchtest. Du kannst jederzeit Stopp sagen, und ich werde sofort aufhören. Und egal was passiert, es bleibt unter uns, niemand wird davon erfahren, was da passiert.“
Solange fügte noch hinzu. „Überleg mal, Adam. Sind Fantasien nicht da, um sie mal zu erleben, sie auszuprobieren?“
Adam nickte erneut. Das ganze klang sehr logisch, und doch hatte er gewisse Zweifel daran. Er schaute seine Frau an. In ihren Augen sah er Sorge und Entschlossenheit. Entschlossenheit, dass sie sich auf das Experiment einlassen würde und Sorge um ihn.
„Ich würde vorschlagen, ihr beide geht nun ins Schlafzimmer und besprecht das nochmals unter euch.“, sagte Stefan. „Dazu geben wir euch 5 Minuten. Wenn die Neugier siegt und ihr beide euch darauf einlassen möchtet, dann zieht euch aus, legt euch aufs Bett und schliesst die Augen. Wenn nicht, dann bleibt angezogen, wir holen euch da wieder raus und verbringen den Rest wie vorher hier im Wohnzimmer.“
„Okey, das ist gut so.“, sagte Adam. Er stellte sein Bier hin und nahm seine Frau an der Hand. „Dann bis nachher.“

„Und, was meinst du?“, fragte Eva ihn. „Wärst du bereit dazu?“
„Ja und Nein. Es ist nicht so, dass keine Neugier da wäre, aber… Ich weiss nicht. Könntest du denn damit umgehen?“
„Schatz, es ist doch nur Sex. Da wird sich zwischen uns nichts ändern. Und auch nicht zwischen der Freundschaft zu Stefan und Solange. Sie werden weiterhin unsere Freunde bleiben. Die Sexualität und sexuellen Vorlieben sind ja nur ein kleiner Teil eines Menschen.“, sagte sie.
Adam liess sich diese Worte durch den Kopf gehen. Einen kurzen Moment zögerte er noch, dann hatte er seine Entscheidung getroffen.
Die 5 Minuten Bedenkzeit waren um. Solange und Stefan traten ins Schlafzimmer ein. Ihre beiden Freunde lagen nebeneinander nackt auf dem Bett und hielten die Augen geschlossen. Sie hörten, wie sie entspannt aus- und einatmeten. Das noch bekleidete Ehepaar schaute sich an und küsste sich. Dann gingen sie auseinander, Solange zu Eva auf der rechten Seite des Bettes und Stefan zur Linken zu Adam…

„Mama?“, rief Karin. Keine Antwort. „Mama, bist du da?“ Audreys Türe ging auf.
„Sie sind nicht da. Sie sind bei Stefan und Solange zu Besuch.“, sagte sie.
„Und wann kommen sie wieder?“, fragte ihre Schwester.
„Keine Ahnung. Sie haben nur gesagt, dass es spät werden könnte.“, antwortete Audrey.
„Na dann halt nicht.“, fluchte Karin vor sich hin, zog sich wieder in ihr Zimmer zurück und fluchte leise vor sich hin. Sie warf sich auf ihr Bett und begann wieder zu weinen. Die Whiskyflasche war in greifbarer Nähe…

„Das war wirklich… geil.“, sagte Adam mit einem fetten Grinsen zu seiner Frau. Soeben hatte er sein erstes sexuelles Erlebnis mit einem Mann gehabt.
„Und, was denkst du?“, fragte Eva. „Möchtest du es wiederholen?“
„Nun ja, warum nicht? Hat es dir denn auch gefallen?“
Eva grinste auch. „Ja, das hat es. Es tat gut, sich mal einfach gehen lassen zu können.“ Doch da unterbrach sie. Der Weg zu ihrem Schlafzimmer führte neben dem Zimmer von Karin vorbei. Eva horchte. Sie hörte Karin reden. „Wahrscheinlich telefonierte sie mit einer ihrer Freundinnen.“, dachte sich Eva. Doch hörte sie auch, dass ihre Tochter mehrheitlich zusammenhanglose Sätze lallte. Kopfschüttelnd drehte sie sich zu ihrem Mann um.
„Sie hat schon wieder getrunken.“ Der Abend hörte für Eva trotz allen positiven Erlebnissen wieder mit Sorgenfalten im Gesicht auf...

„Schatz, du isst ja schon wieder nichts.“, sagte Eva beim Frühstück. Lustlos stocherte Karin in ihrem Müsli rum. „Was ist denn los?“, fragte ihre Mutter.
„Nichts. Ich habe einfach keinen Hunger.“, antwortete die ältere Tochter. Ihr Kopf dröhnte. Audrey blickte zu Karin. Diese bemerkte den Blick. „Was glotzt du denn so?“, schnaubte sie ihre Schwester an. Verschämt schaute diese weg.
„Nun kommt, wir müssen los, sonst kommen wir zu spät zur Schule.“, sagte Eva. Audrey stand auf und verräumte ihr schmutziges Geschirr. Karin sass weiterhin am Tisch und rührte sich nicht.
„Komm Karin.“, forderte ihre Mutter sie auf.
„Ich mag aber nicht in diese verdammte Schule.“, blaffte sie.
„Nur noch vier Monate. Nur noch vier gottverdammte Monate, dann hast du es endlich hinter dir.“, schrie Eva und klopfte auf den Tisch. Es war das erste Mal, dass sie die Beherrschung verlor und sich so energisch verhielt. Karin erschrak. Sie schaute in die Augen ihrer Mutter und sah, dass es ihr ernst war. Wortlos stand sie auf, schnappte sich den Rucksack und ging zum Auto.
Eva atmete tief durch. „Komm Audrey, wir müssen los...“

„Hey Karin.“, rief Monika quer über den Schulhof. Sie rannte zu ihren beiden Freundinnen.
„Was ist denn?“, fragte Karin.
Völlig ausser Atem kam sie bei den Mädchen an. „Du wirst mir nicht glauben was ich soeben gesehen habe. Markus hat eine Neue, und ich weiss auch, wer es ist.“
„Wer?“, fragte Karin aufgeregt.
„Sieh es dir selbst an. Hinten, auf dem Fussballplatz.“
Karin, Simona und Monika rannten über den Schulhof, hinter das Schulgebäude zum Sportplatz. Leise schlichen sie die letzten Meter heran und versteckten sich in den Büschen. Karin verschlug es die Sprache, als sie sah, wen ihr Ex-Freund da küsste. Es war ihre Schwester.
„Diese verdammte kleine Hure.“, entfuhr es ihr flüsternd. Am liebsten wäre sie aus den Büschen gesprungen und hätte den beiden eine Szene gemacht. Doch ihre beiden Freundinnen hielten sie zurück. Sie zogen sich zurück.
Wieder zurück auf dem Hof fluchte Karin ununterbrochen.
„Dieses Miststück. Reicht es ihr denn nicht, dass sie schon Zuhause der Liebling ist? Muss sie sich nun ausgerechnet meinen Freund schnappen?“ Sie zündete sich eine Zigarette an. Direktor Leuzinger stand unmittelbar in der Nähe, doch wand er sich bewusst ab von den drei Mädchen.
„Ich wünschte, ich könnte es ihr irgendwie heimzahlen. Sie soll den Schmerz zu spüren bekommen, den sie mir angetan hat.“, fluchte Karin.
„Nun, das liesse sich durchaus einrichten.“, sagte Simona und grinste.
„Wie meinst du das?“, fragte Karin.
„Lass dich mal überraschen. Kommt heute Nachmittag zu mir und ich erkläre euch, was ich im Sinn habe…“

„O ja, damit kann man ihr eine ganz schöne Lektion erteilen.“, lachte Karin hämisch. Sie beachtete den Gegenstand, den Simona aus dem Zimmer ihres Bruders heimlich genommen hatte.
„Aber du musst damit aufpassen. Du willst ihr ja nur eine kleine Lektion erteilen, nicht gleich umbringen, oder?“ Etwas mulmig wurde es Simona schon, denn ihre Idee war nicht ganz ungefährlich.
„Spinnst du?“, erwiderte Karin. „Auch wenn sie eine dreckige Hure ist, ist sie dennoch meine Schwester. Nein. Ein paar blaue Flecken auf ihrem sonst so makellosen Körper machen sich besser.“
„Sehr gut.“, sagte Simona. „Dann schreib ihr eine SMS, sie soll um 16.00 Uhr in die alte Lagerhalle kommen.“

K: Hey Schwester. Komm doch heute Nachmittag zur alten Lagerhalle. Ich muss dir unbedingt etwas zeigen.
A: Was denn?
K: Verrat ich nicht, ist eine Überraschung. Komm einfach. 16.00 Uhr
A: Ok, bis dann

„Was ist denn?“, fragte Markus.
„Ich muss los. Karin will sich mit mir treffen.“, antwortete Audrey. Sie und ihr Freund machten es sich an dem freien Nachmittag gemütlich und lagen eng umschlungen auf seinem Bett.
„Mmmmh, muss das sein. Es war grad so schön mit dir.“
„Ja, muss es. Ich denke, sie will mit mir reden.“, sagte Audrey und löste sich aus der Umarmung.
„Na gut. Meldest du dich nachher noch?“, fragte er mit einem Hundeblick.
„Klar, mach ich. Bis dann.“ Sie gab ihm einen Kuss zum Abschied.
„Bis dann. Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch…“

Audrey kannte diese alte Lagerhalle. Karin war mit ihren Freundinnen oft hier um zu rauchen und Alkohol zu trinken. Schon öfters schlich sich Audrey heimlich in die Halle und hörte der Mädchengang zu. Wie gerne wäre sie doch auch in dieser Clique gewesen. Sie bewunderte ihre ältere Schwester, die keinen Gedanken an ihre Zukunft hegte und einfach ihr Ding machte. Am liebsten würde Audrey ihr „braves Mädchen“ – Image loswerden, doch dachte sie dabei stets an ihre Eltern, da sie jeden Tag mitbekam, wie viel Sorgen Karin ihnen bereitete. Wenn sie in dem Versteck war, stellte sie sich vor, sie wäre Karin. Vor einigen Tagen fing sie dann an, ihre Träume in die Realität umzusetzen und bandelte mit Markus an. Sie war nicht in ihn verliebt, sondern wollte ihn nur haben, weil er ihrer Schwester gehörte. Karin war für Audrey schon immer ein Idol gewesen, ein Vorbild. Doch das wird ihre ältere Schwester nie erfahren…

„Karin?“, rief Audrey in die leere, düstere Halle. „Bist du da?“
„Ja. Ich bin da.“, sagte sie leise. Ihre Stimme hallte durch den ganzen Raum.
Audrey erkannte die Umrisse ihrer Schwester und ihren beiden Freundinnen. Karins rechter Arm war hinter dem Rücken versteckt.
„Was wolltest du mir denn zeigen?“, fragte Audrey. Karin stand nun nah vor ihrer kleinen Schwester.
„Das hier!“, rief sie, nahm den Baseballschläger hinter ihrem Rücken hervor und schlug mit voller Wucht in Audreys Bauch.
Voller Schmerzen krümmte sie sich, während die beiden Beobachterinnen lauthals lachten.
„Du verdammtes Miststück.“ Karin schlug ihrer Schwester in den Rücken. „Du hast mir meinen Freund geklaut.“
Audrey hustete Blut. Sie sackte auf den Boden, wand sich vor Schmerzen.
„Hör auf.“, flehte sie. Mit tränenden Augen drehte sich Audrey um und schaute ihrer Angreiferin ins Gesicht. Diese lachte nur.
„Ach, hast du Angst um deine hübsche Visage?“, fragte sie hämisch. Audrey hustete erneut Blut. Einige Spritzer trafen Karins Gesicht. Da geriet sie in Rage. Voller Hass schlug sie mit dem Schläger auf Audreys Gesicht. Immer und immer wieder. Ihre Freundinnen lachten nicht mehr, sondern fingen an zu kreischen.
„Hör auf.“, verlangten sie. Doch Karin hörte sie nicht, sondern nur noch das Knacken von den Knochen.
„Du bist hübscher.“, schrie Karin. Schlag.
„Du bist dünner.“ Schlag.
„Du bist beliebter.“ Schlag.
„Du bist besser.“ Schlag.
„Du hast mir meinen Freund ausgespannt.“ Schlag.

Voller Panik flüchteten Monika und Simona aus der Lagerhalle. Die ganze Aktion war aus dem Ruder gelaufen. Karins Raserei legte sich allmählich. Sie warf den Baseballschläger hin und schaute zu ihrer Schwester hinunter. Überall war Blut, die Augen weit geöffnet mit einem leblosen Blick ins Leere. Karin atmete heftig.
„Audrey?“, fragte sie. Keine Antwort. „Audrey?“ Karins hämisches Grinsen verwandelte sich in blankes Entsetzen.
„Audrey?“, schrie sie durch die Halle. Sie kniete sich hin zu dem leblosen Körper.
„Hey, jetzt mach keinen Scheiss.“, sagte sie und rüttelte an dem Leib. Doch Audrey rührte sich nicht.

Karin rannte durch die Strassen. Sie konnte selbst nicht glauben, was sie da eben getan hatte. Ihre Schwester war tot, getötet von ihr. Blutüberströmt stürmte sie durch die Haustür. Ihre Mutter war zuhause. Sie hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und las ein Buch. Sie konnte ihre Tochter nur kurz sehen, wie sie direkt nach oben rannte. Eine Türe knallte. Eva erhob sich und lief ebenfalls hinauf, dabei bemerkte sie nicht, dass sich auf der Treppe und dem Geländer Spuren von Blut befanden. Behutsam öffnete sie Karins Zimmertüre. Leer. Ein lautes Schluchzen und Weinen waren aus dem Badezimmer zu hören. Eva klopfte.
„Karin? Karin, mach bitte auf.“. bat sie. Keine Reaktion. Eva versuchte die Türe zu öffnen, doch sie war verschlossen. Erneutes Klopfen.
„Karin, was ist los mit dir? Bitte mach auf.“ Wieder nichts. Langsam wurde das Schluchzen leiser. Eva gab auf und lief wieder die Treppe runter. Da erst bemerkte sie die Blutspritzer.
„Was zum…?“, entfuhr es ihr, doch da blickte sie erschrocken auf. In der offenen Haustüre standen zwei Personen, ein Mann und eine Frau.
„Frau Herren?“, fragte die fremde Frau.
„Ja?“, antwortete Eva überrascht.
„Mein Name ist Conny Niedrig, und das ist mein Partner Bernie Kuhnt. Wir sind von der Kriminalpolizei und ermitteln in einem Mordfall. Ist ihre Tochter Karin zuhause?“
Eva wurde kreidebleich im Gesicht. „Ehm… Ja… oben, im Bad. Mord? Was hat Karin mit einem Mord zu tun?“
Die Oberkommissarin reichte der geschockten Frau die Hand. „Kommen Sie, setzen wir uns.“ Wie in Trance folgte sie der Aufforderung. Während Eva langsam die Treppe hinunter ging, rannte Kommissar Kuhnt hinauf zum Badezimmer.
„Wir sind einem anonymen Hinweis gefolgt.“, fing KOK Niedrig an. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tochter Audrey ermordet wurde.“
Evas Herz bliebt stehen. „Audrey… tot…?“
Ein lautes Krachen war zu hören.
„Conny, ruf sofort einen Krankenwagen!“, rief die männliche Stimme.

Die folgenden Minuten kamen Eva wie ein Albtraum vor. Die ganze Umgebung tauchte sich in einen grauen Nebel.

Audrey ermordet…
Karin schnitt sich die Pulsadern auf…
Ein Krankenwagen…
Blut…
Notärzte…
Karin auf einer Bahre…

Das war zuviel für sie.

Schwarz…

Eva wachte im Krankenhaus auf. „Was habe ich nur getan?“, fragte sie ihren Mann. „Warum hab ich nichts gemerkt?“.
Adam streichelte ihre Hand, aber konnte nichts sagen.
„Wie geht es ihr? Wie geht es Karin?“, fragte Eva und richtete sich auf.
„Sie hat viel Blut verloren, aber die Ärzte konnten sie retten. Sie wird durchkommen.“, sagte ihr Mann.
„Hat sie Audrey getötet?“, möchte sie wissen.
„Leider scheint es so.“, sagte er mit Tränen in den Augen. „Ihre beiden Freundinnen haben bereits eine Aussage bei der Polizei gemacht. Sie waren es auch, die den anonymen Hinweis gaben.“ Er konnte sich nicht mehr zusammenreissen und fing an zu schluchzen.
„Ich möchte zu ihr. Jetzt!“, sagte Eva energisch.
Adam blickte auf. „Bist du dir sicher?“
„Ja.“
Er half ihr auf die Beine. An seiner Schulter gestützt, liefen sie den Gang hinunter zu Karins Zimmer. Es war nicht schwer ausfindig zu machen, denn davor stand die Kriminaloberkommissarin Niedrig.
„Ich möchte zu ihr.“, sagte Eva zu ihr.
„Frau Herren, ich weiss nicht, ob das zurzeit eine gute Idee ist.“, sagte KOK Niedrig.
„ICH WILL SOFORT ZU IHR!“, schrie die aufgebrachte Mutter.
Adam sah zu KOK Niedrig, welche ein Nicken zur Zustimmung machte. Gemeinsam gingen sie in Karins Krankenzimmer. KOK Kuhnt stand neben Karins Bett und wachte über sie. Karin selbst starrte an die Decke. Als sie merkte, dass ihre Eltern durch die Türe kamen, drehte sie ihren Kopf zu ihnen.
„Es tut mir leid.“, flüsterte sie schwach.
„DU…“, fuhr es aus Eva heraus. Sie löste sich aus Adams Armen, sprang Karin an die Gurgel und fing an, sie zu würgen.
„Du hast meine Tochter umgebracht.“ Karin röchelte. Sie war noch zu schwach um sich zu verteidigen. Die beiden Kommissare packten Eva an den Armen und rissen sie von der Liegenden weg. Karin hustete und rang nach Luft.
„Frau Herren, bitte reissen Sie sich zusammen, das ist schliesslich ihre Tochter hier.“
„Mama, Papa. Es tut mir so leid was ich getan habe.“, sagte Karin.
„Meine Tochter wurde ermordet. Diese Person hier ist nicht mehr mein Kind.“, sagte Eva wütend zur Oberkommissarin.
„Mama, bitte nicht. Es tut mir leid. Bitte verzeih mir.“
Verächtlich blickte ihre Mutter auf sie hinab. Auch ihr Vater hatte denselben Blick in seinen Augen. Sie drehten sich um und verliessen das Zimmer.
„Mama. Papa. Ich brauche euch… Verlasst mich nicht… Nein…“ Karin brach in Tränen aus.
Adam und Eva schritten weg von Karins Zimmer. Sie hörten, wie ihre Tochter ihnen nachrief, doch sie ignorierten es. Je weiter sie den Gang entlang liefen, desto leiser wurde die Stimme…

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Tag der Veröffentlichung: 08.08.2010

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