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„Wie kannst du nur sagen, dass alles wieder gut wird?“, fragte Kevin seinen Ex-Freund Daniel zornig. „Ich bin HIV positiv. Nichts wird mehr gut. Ich werde sterben. Elend verrecken. Und das ist alles nur deine Schuld.“
„Kev, bitte glaube mir, ich liebe dich immer noch. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Es tut mir leid was passiert ist.“, sagte Daniel völlig in Tränen aufgelöst.
„Es tut dir leid? Du liebst mich immer noch?“, entgegnete Kev in einem sarkastischem Ton. „Und wie lange? Bis sich der nächste Arbeitskollege an dich ranmacht? Da scheiss ich drauf.“ Er spuckte Daniel vor die Füsse. „Am besten mache ich meinem Leben hier und jetzt ein Ende. Es hält mich ja nichts mehr hier. Gar nichts mehr.“

7 Monate früher



„Schatz, ich bin langsam müde, und die Musik ist scheisse hier.“, sagte Daniel zu seinem Freund. Er und Daniel waren an einer Gay - Party in Bern, die einmal im Monat im ISC stattfindet. Es war bereits 3 Uhr morgens.
„Okay. Trink du noch dein Bier fertig, ich hole dann mal unsere Jacken.“, sagte Kevin. Er wollte gerade zur Garderobe laufen, da sah er jemanden, den er Irgendwoher kannte.
„Sag mal Schatz. Dieser Typ dort, der arbeitet doch mit dir zusammen, oder?“
Daniel sah sich den Mann, den sein Freund meinte, genauer an.
„Tatsächlich, das muss er sein. Ich kenne ihn zwar nicht näher, aber ich habe ihn schon öfters gesehen. Dann bin ich nicht mehr der einzige Schwule im Laden.“, sagte Daniel und grinste.
Ohne zögern ging Kevin auf diesen Typ zu, der zusammen mit seinem Begleiter gerade von der Tanzfläche kam und zur Garderobe zulief.
„Hey. Ich hab dich schon öfters in der Migros gesehen. Kann es sein, dass du mit meinem Freund zusammenarbeitest?“, fragte Kevin direkt.
„Ähm, keine Ahnung. Wer ist denn dein Freund?“, fragte dieser etwas verdutzt. Kevin zeigte zu seinem Freund hinüber.
„Warte, den muss ich mir etwas genauer ansehen.“, sagte der Mann. Er und Kevin gingen zu Daniel an die Bar. Thomas, so hiess der Mann, sah sich Daniel genauer an.
„Hm, kann sein, dass wir uns schon über den Weg gelaufen sind, aber ich könnte mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern.“; sagte Thomas.
„Schon gut.“, entgegnete Daniel. „Ich arbeite nicht direkt im Laden, sondern in der Bäckerei. Deswegen sehen wir uns kaum. Ich bin übrigens Daniel.“
„Freut mich, ich bin Tom.“ Auch Kevin stellt sich dem neuen Bekannten vor.
„Ihr müsst mich entschuldigen, aber ich sollte langsam gehen.“, sagte Tom. „ Ich habe heute echt zu viel getrunken. Sprich mich doch das nächste Mal einfach an, okay?“
„Alles klar, wird ich machen.“, sagte Daniel. Tom verabschiedete sich von den beiden und ging zurück zu seinem Begleiter, der in der Zwischenzeit ihre Jacken geholt hatte.
„Tja, jetzt habe ich Konkurrenz bekommen.“, sagte Daniel grinsend zu Kevin.
„Idiot.“, sagte dieser und streckte ihm die Zunge raus. „So, nun komm, lass uns auch gehen.“

Daniel und Tom sahen sich am folgenden Montag in der Migros wieder. Seitdem versuchten sie so oft es ging, zusammen Pause zu machen, damit sie sich etwas näher kennen lernen konnten. Da Daniels Freund am kommenden Wochenende schon verplant war, fragte er Tom, ob sie gemeinsam etwas unternehmen wollen.
„Klar, warum nicht?“, antwortete Thomas. „Hast du auf etwas bestimmtes Lust?“
„Das überlasse ich ganz dir.“
„Nun denn, wir könnten in die Samurai – Bar in Bern gehen. Kennst du das?“
„Aber sicher doch, welcher Schwule kennt die nicht?“, antwortete Daniel mit einem Augenzwinkern.
„Das stimmt, obwohl ich auch erst seit knapp einem Jahr dorthin gehe. Soll ich dich abholen oder wollen wir uns in Bern treffen?“, fragte Tom.
„Ich würde vorschlagen, wir treffen uns beim Treffpunkt am Bahnhof, dann können wir gemeinsam hingehen.“
„Einverstanden. Ich freue mich schon.“, sagte Thomas mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
„Ich mich auch.“ Auch Daniel lächelte. Er verabschiedete sich mit einem Kuss auf dem Mund von Tom, da er nun Feierabend hatte.

Die Samurai – Bar war noch nicht sehr voll als Daniel und Thomas eintrafen. Sie holten sich einen Drink von der Bar und setzten sich auf eine Couch, welche sich gleich hinter der Bar befand.
„Sag mal, wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen, du und Kevin?“, fragte Tom.
Daniel überlegte kurz. „Hm, bald ist es ein Jahr.“, antwortete er.
Tom hob die Augenbrauen. „Wow, nicht übel. Meine längste und bisher einzige Beziehung dauerte gerade mal zwei Wochen.“
„Abwarten, der Richtige kommt sicher irgendwann einmal. Immerhin bin ich auch schon ein paar Jährchen älter als du.“
„Ja, du bist schon ein alter Sack.“, sagte Tom lachend und streckte ihm die Zunge raus.
„Ein Zungenpiercing? Sexy!“, sagte Daniel. „Ich hatte auch mein eins. Leider musste ich es wieder herausnehmen, da ich ziemliche Probleme damit hatte.“
„Schade.“, sagte Tom mit einem traurigen Ton. „Jemanden zu küssen, der auch ein Zungenpiercing hat, ist einfach ein geiles Gefühl. Aber ja, deine Lippen sind leider so oder so versiegelt, da du einen Freund hast.“
„Nun, es stimmt schon, dass ich einen Freund habe, aber ich habe nie gesagt, dass wir eine geschlossene Beziehung haben.“, sagte Daniel grinsend.
„Dann habt ihr eine offene Beziehung?“, fragte Tom neugierig und sah Daniel in seine leuchtenden blau-grünen Augen. Dieser gab ihm aber keine Antwort, sondern zog ihn an seinem Shirt zu sich heran und küsste ihn intensiv.
„Und, beantwortet das deine Frage?“, fragte Daniel, nachdem sie sich wieder voneinander lösen konnten.
„O ja.“, antwortete Tom und presste seine Lippen erneut auf die seinen.
„Habt ihr beiden Turteltäubchen denn kein Zuhause?“, hörten sie plötzlich eine Frauenstimme neben sich. Widerwillig löste sich Tom erneut von Daniel und blickte nach links. Vor ihm stand eine bis über beide Ohren grinsende Sarah. Erfreut sprang er vom Sofa auf und umarmte sie.
„Hey Süsse. Ich habe dich schon doll vermisst.“, sagte Tom und küsste sie zur Begrüssung.
„Na du scheinst dich ja prima von der Sehnsucht abgelenkt zu haben.“, sagte Sarah mit einem zwinkernden Auge zu Daniel.
„Hehe, ja das kann man so sagen. Wir arbeiten sogar zusammen.“ Er stellte Daniel seine beste Freundin vor.
„Na ich wäre die glücklichste Lesbe von der ganzen Uni, wenn ich solch hübsche Frauen in meiner Klasse hätte wie du Arbeitskollegen.“, sagte sie zu Tom. „Nun denn, ich will euch nicht länger belästigen. Auf Wiedertschüss.“ Winkend verschwand sie zur Tanzfläche und fing an zu tanzen, auch wenn sie zur Zeit die Einzige war.
„Sie ist… nett.“, sagte Daniel etwas verlegen. Thomas setzte sich wieder neben ihn auf die Couch.
„Sie ist mehr als das.“, schwärmte Tom. „Sie ist mein Ein und Alles. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte, schon sooft war sie für mich da. Ihr vertraue ich blind.“
„Es ist schön, wenn man einen solchen Menschen in seinem Leben hat.“, sagte Daniel.
„Ja, das ist es. Doch genug von ihr, wo waren wir stehen geblieben?“
„Ich glaube hier.“, sagte Daniel und küsste Tom erneut.
Nach und nach trafen mehr Gäste ein, doch Thomas hatte keine Zeit und Lust zu schauen, ob er jemanden davon kannte, zu sehr genoss er die leidenschaftlichen Küsse von Daniel. Um 1 Uhr jedoch musste Daniel abbrechen, da er seinen letzten Zug erwischen musste. Nur ungern liess Tom ihn gehen.
„Wir sehen uns ja am Montag wieder.“, sagte Daniel. Auch er wollte diesen Abend nicht schon zu Ende gehen lassen, aber sein Freund wartete Zuhause auf ihn.
„Immerhin.“, sagte Tom etwas enttäuscht. Mit einem letzten leidenschaftlichen Kuss verabschiedeten sie sich. Thomas blieb noch in der Bar und ging zu Sarah. Sie sass an der Bar und unterhielt sich mit einer Bekannten.
„Mensch Kleiner, was machst du denn für ein Gesicht? Hat er dir den Laufpass gegeben?“, fragte sie leicht besorgt, als sie sein enttäuschtes Gesicht sah.
„Nein, das nicht. Ich wusste ja schon vorher, dass nichts daraus werden kann, da er einen Freund hat.“, sagte Tom. „Und dennoch…“
„Dennoch was?“, fragte sie, jedoch ahnte sie bereits die Antwort. „Du hast dich in ihn verliebt?“
„Ich befürchte… Ja…“

In den nächsten Tagen versuchte Thomas Daniel so wenig wie möglich über den Weg zu laufen. Zu verwirrt wurde er am vergangenen Wochenende zurückgelassen, so dass er sich erst mal selbst mit seinen neu aufgekommenen Gefühlen auseinander setzen wollte. Daniel fiel jedoch das veränderte Verhalten von Tom auf. Nach einer Woche stellte er ihn zur Rede.
„Sag mal Tom, was ist los? Seit einer Woche gehst du mir aus dem Weg. Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Daniel.
„Doch, alles Bestens.“, log Thomas, doch Daniel bemerkte dies.
„Lüg mich nicht an. Du musst mir nichts sagen, wenn du nicht willst, aber hat es etwas mit mir zu tun?“
„Ja verdammt noch mal, das hat es leider.“, sagte Thomas mit Tränen in den Augen. Langsam dämmerte es Daniel. Auch er wusste nun, was Sache war.
„Nun, vielleicht ist es zur Zeit doch besser, wenn wir ein wenig Distanz zwischen uns bringen.“, sagte Daniel.
„Es tut mir leid, aber du kannst ja nichts dafür.“, sagte Tom. „Ich muss mir nur Klarheit über meine Gefühle schaffen, das ist alles, das wird schon wieder.“
„Das hoffe ich, denn du bist ein echt netter Typ. Ich möchte dich auf jeden Fall als Freund behalten.“
„Ich dich auch. Wie gesagt, das wird wieder.“, sagte Tom und ging.

„Und wehe du lässt mich da alleine.“, sagte Sabrina zu Tom. „Ich kenne dort doch niemanden.“
„Wer weiss, vielleicht erlebst du die eine oder andere Überraschung.“, grinste Tom ihr zu. Zusammen mit seiner Kollegin lief er zur Samurai – Bar. Sabrina war noch nie vorher in dieser Bar, Thomas konnte sie dazu überreden, ihn zu begleiten. Da ihr Freund an diesem Wochenende zu Besuch bei seinen Eltern war, hatte sie nichts Weiteres zu tun und entschloss sich, mit ihm zu gehen.
Da sie erst um 11 Uhr nachts in der Bar eintrafen, waren schon viele Gäste dort. Sie drängten sich zur Theke hervor und bestellten zwei Colas. Dann gingen die beiden zur Tanzfläche, wo schon Toms beste Freundin und weitere Gäste ausgelassen am tanzen waren. Thomas hatte Sabrina bereits im Vorfeld gewarnt, dass Sarah etwas „schräg“ einfahren könnte, doch Sabrina war daraufhin nur noch neugieriger geworden, seine Frau, wie er Sarah nennt, kennen zu lernen. Sarah machte ihrem Ruf alle Ehre, begrüsste Sabrina stürmisch mit drei Küsschen auf die Wange und zog sie zu sich heran um mit ihr zu tanzen. Sabrina war in voller Partylaune, so dass sie das Spiel mitspielte. Grinsend schaute Tom den beiden Frauen zu. Da wurde er von hinten an der Schulter angetippt. Er drehte sich um und sah Daniel. Dieser blickte sehr ernst.
„Kann ich mit dir reden?“
„Aber sicher.“, sagte Thomas sichtlich überrascht. Er gab sein Getränk Sarah in die Hand und ging mit Daniel nach draussen.
„Was ist los?“, fragte Tom.
Daniel rang mit den Worten. „Ich hatte heute Abend einen heftigen Streit mit Kevin.“, sagte er stotternd. „So heftig war es noch nie.“
„Worum ging es denn?“, fragte Thomas.
„Wenn ich ehrlich sein soll, ging es um dich.“
„Um mich?“ Tom war überrascht. „Um was denn genau?“
„Nun.“ Daniel kullerten die Tränen runter. „Wir führen erst seit kurzem eine offene Beziehung, da Kevin lange Zeit Bedenken hatte, dass sich jemand von uns in eine andere Person verlieben könnte deswegen. Ich war immer derjenige, der diese Zweifel beiseite geschoben hatte, und nun ist es passiert… Ich habe mich in jemand anderen verliebt.“
Einerseits freute Thomas diese Nachricht, andererseits bedauerte er diese Situation. Er konnte Daniel gut verstehen, in welchem Zwiespalt er sich befand.
„Und wie geht es nun weiter?“, fragte er.
„Ich weiss es nicht. Er hat Schluss gemacht und mich aus der Wohnung geworfen. Da es seine Wohnung ist, ist es leider berechtigt.“
„Du kannst selbstverständlich bei mir übernachten wenn du willst.“, bot ihm Thomas an.
„Danke.“, sagte Daniel seufzend, „Aber ich weiss nicht, ob dies zur Zeit eine gute Idee wäre.“
„Als bevor ich dich in einem Hotel oder unter einer Brücke übernachten lasse, kommst du zu mir. Ich habe ein Gästezimmer bei mir, wo du schlafen kannst.“
„Okay, dann nehme ich dieses Angebot gerne an.“
„Warte kurz hier, ich muss erst etwas mit meiner Kollegin besprechen, dann können wir gleich gehen.“, sagte Tom und ging wieder in die Bar. Nach wenigen Minuten kam er wieder heraus. „Alles klar, wir können gehen. Sarah wird sie nach Hause begleiten.“

Während der ganzen Fahrt zu Thomas’ Wohnung sprachen sie kein Wort. Bei ihm Zuhause zeigte er Daniel kurz seine Wohnung und das Gästezimmer.
„Am Besten, wir schlafen erst einmal eine Nacht darüber, wir reden morgen dann, okay?“, fragte Tom.
„In Ordnung.“, sagte Daniel. „Gute Nacht. Und danke nochmals für das Angebot.“
„Keine Ursache.“, sagte Thomas, schloss die Tür des Gästezimmers und verzog sich in sein Schlafzimmer.
Thomas schlief bereits, als ihn eine sanfte Berührung wieder zum Erwachen brachte. Daniel hatte sich in sein Schlafzimmer geschlichen und sich zu ihm ins Bett gelegt. Ohne dass ein Wort fiel, schliefen sie Arm in Arm zusammen ein.

In den kommenden drei Monaten veränderte sich viel. Thomas und Daniel wurden ein Paar, Daniel zog aus der Wohnung von Kevin zurück zu seinen Eltern, und auch zwischen Sarah und Sabrina funkte es gewaltig. Der Kontakt zwischen Daniel und Kevin brach komplett ab.

Zu viert trafen sie sich an einem Wochenende in der Samurai – Bar. Ausgelassen tanzten sie zur Musik von Madonnas „Hang up“, so dass niemand bemerkte, dass auch Kevin in der Bar, zusammen mit seinem besten Freund Marcel, auftauchte. Schnell entdeckte er seinen Ex-Freund und dessen neuen Liebhaber. Auf der Stelle machten die beiden kehrt und gingen wieder nach draussen. Vor der Tür brach Kevin in Tränen aus.
„Ich dachte, ich wäre über ihn hinweg.“, schluchzte er, während Marcel ihn umarmte. „Er war meine erste grosse Liebe, der erste Mensch, dem ich mein Herz völlig anvertraut hatte. Wie konnte er mir das nur antun?“
„Shhhh.“, sagte Marcel und versuchte Kevin zu beruhigen. „Das braucht alles seine Zeit.“
„Ich weiss. Aber warum musste ich ihn ausgerechnet heute Abend sehen? Morgen fliegen wir beide nach Berlin in den Urlaub, wollten uns schöne Ferien machen, und nun das hier.“, sagte Kevin immer noch weinend.
„Vielleicht wird dich eine fremde Stadt ein wenig ablenken.“, sagte Marcel.
„Vielleicht ja. Hoffen wir’s.“

Doch dieser Urlaub wurde Kevin zu einem Höllentrip. Um sich von den Gedanken an Daniel ablenken zu können, griff er auf sein bisher gewährtes Geheimrezept, um einen Menschen am besten vergessen zu können: SEX. In Berlin trieb er sich hauptsächlich in den Darkrooms herum und schnappte sich jeden x-beliebigen Typen, den er kriegen konnte. Am Anfang achtete er noch darauf, doch fing er an, die Safer - Sex Regeln immer mehr zu ignorieren. Marcel redete auf ihn ein, doch hörte er nicht mehr auf ihn. Zu tief sass der Schmerz in deinem Herzen, den Daniel ihm zugefügt hatte, sodass er nichts mehr hören wollte. Er wollte nur noch vergessen.

3 Monate später



In der Stadt hatte ein neuer Gay – Club eröffnet, das A…13. Zu diesem Anlass nahmen sich auch Thomas und Daniel die Zeit dafür, am zweiten Eröffnungstag mal wieder in den Ausgang zu gehen. Die beiden hatten in den letzten Wochen viel Stress bei der Arbeit gehabt, was dazu führte, dass sie am Wochenende zu erschöpft waren, um noch auf Partys zu gehen. Auch hatte Daniel von Marcel erfahren, was Kevin in Berlin getan hatte. Ein schlechtes Gewissen nagte in ihm, doch wollte er an diesem Wochenende alle Sorgen einmal hinter sich lassen und die Eröffnung geniessen, erst recht, da Daniel den Besitzer gut kennt. Gegen 23 Uhr trafen sie ein. Die Party war schon voll im Gange, jedoch noch nicht zu sehr überfüllt, so dass sie noch einen Sitzplatz zwischen der Bar und der Tanzfläche ergattern konnten.
„Hey Sandro, hey Raffael“, rief Thomas. Er erkannte zwei gute Bekannte von ihm.
„Hey ihr beiden Hübschen, ihr auch hier?“, fragte Sandro gespielt überrascht. Sie begrüssten sich mit einem kurzen Schmatzer auf den Mund.
„Na klar, das Leben besteht nicht nur aus Arbeit, obwohl ich mir manchmal so vorkomme.“, scherzte Tom. „Ausserdem müssen mein Schatz und ich doch unser 6-monatiges Feiern.“
„Das ist ja grossartig.“, freute sich Sandro. „Da muss ich doch direkt mit meiner guten Nachricht kommen.“ Schweigepause.
„Na komm, spann uns nicht auf die Folter, sag schon.“, drängte Thomas.
„Nun gut. Wie du weisst, waren Raffael und ich in Köln, oder?“, fing Sandro an zu erzählen. Tom nickte.
„Und ja, in Köln passierte so einiges.“ Er grinste und blickte zu Raffael. Auch er fing an zu grinsen.
„Soll das heissen… nach 2 Jahren… endlich???“, fragte Thomas freudig erstaunt.
„Ja, genau das. Seit 5 Tagen sind wir ein Paar.“, bestätigte Raffael.
Thomas sprang auf vor Freude und umarmte die beiden. „Das ist ja grossartig. Ich freu mich wahnsinnig für euch.“ Sandro und Raffael sassen sich hin und feierten beide Ereignisse mit einem Glas Champagner. Als Raffaels Lieblingslied abgespielt wurde, konnte er sich jedoch nicht mehr auf dem Hocker halten, stürmte auf die Tanzfläche und riss seinen Freund gleich mit. Ausgiebig wurde die Stripteasestande auf der Bühne entweiht.
Daniel sah zur Bar hervor und entdeckte zwei weitere bekannte Gesichter. Er lief zur der Theke und fing an zu kreischen. Erschrocken drehten sich Sarah und Sabrina um.
„Hey Daniel. Ist ja eine Ewigkeit her, seit wir uns zuletzt gesehen haben.“, sagte Sarah und umarmte ihn.
„Das kannst du aber laut sagen. Sind sicher schon zwei Monate vergangen.“ Auch Sabrina wurde herzlich von ihm begrüsst. „Kommt, setzt euch zu uns.“, sagte er und zeigte dabei auf Tom. Sie folgten Daniel zu dem Tisch.
„Nun, erzählt mal, was habt ihr in letzter Zeit so getrieben?“, wollte Sarah von ihren Freunden wissen.
„Das übliche halt.“, antwortete Daniel. „Viel Arbeit, viel Arbeit und wenn’s schlimm war, kam noch viel Arbeit dazu. Deshalb waren wir in den letzten Wochen nicht im Ausgang, doch einmal muss man eine Ausnahme machen, vor allem wenn man etwas zu feiern hat.“ Er grinste.
„Ja? Was denn?“, fragte Sabrina.
„Heute.“, grinste Daniel und blickte dabei zu seinem Freund, „Heute sind wir genau 6 Monate zusammen.“
„Das ist ja wunderbar.“, sagten Sabrina und Sarah gleichzeitig. Sie mussten lachen. „Nun, darauf müssen wir anstossen.“
„O ja, das müssen wir.“, sagte Thomas und stand auf. „Was wollt ihr? Auch ein Schlückchen Champagner?“
„Aber klar doch.“, sagte Sarah.
„Ihr Wunsch sei mir Befehl.“, entgegnete Thomas, machte einen Knicks und verschwand in Richtung der Bar.
Während Sabrina von Sandro begrüsst wurde, unterhielt sich Daniel mit Sarah. Ihr war seine Geschichte über ihn und Kevin sehr bekannt, auch dass dieses Thema in letzter Zeit wieder sehr aktuell wurde und hochexplosiven Zündstoff in diese Beziehung brachte.
In der Unterhaltung wurden sie von Sandro und Raffael gestört, da sich die beiden verabschieden wollten. Gleich darauf kam Thomas mit vier Champagnergläsern zurück.
„Auf wundervolle 6 Monate.“, sagte er und hielt sein Glas hoch. Sie stiessen miteinander an. Daniel und Tom sahen sich an und gaben sich einen Kuss.
Plötzlich stand Daniel auf und rief: „Kevin, warte.“ Auch Thomas stand auf und hielt seinen Freund fest.
„Was ist denn los?“, wollte er wissen.
„Das war Kevin, der gerade raus ging.“
„Kevin, dein Ex?“
„Ja, er. Und er sah gar nicht gut aus.“, sagte Daniel besorgt.
„Lass ihn. Er wollte nichts mehr mit dir zu tun haben. Nicht nach alldem, was passiert ist.“
„Er ist und bleibt ein wichtiger Mensch in meinem Leben.“
„Jetzt geht das schon wieder los.“, seufzte Thomas und setzte sich wieder hin.
„Kannst du das Kapitel Kevin nicht endlich einmal abschliessen?“
„Nein, das kann und will ich nicht. Kannst du das denn nicht kapieren?“ Daniel wurde langsam wütend. Auch Thomas war sichtlich genervt.
„Na dann renne ihm hinterher.“, schrie Thomas. „Aber wenn du ihm jetzt wieder nach gehst, dann brauchst du nicht mehr zurück zu kommen.“
„Schön, wie du meinst. Dann FICK DICH!“ Mit diesen Worten rannte Daniel zum Ausgang und rempelte dabei einen jungen Mann an.
Verdutzt blieben Sarah, Sabrina und Thomas in der Bar zurück. Thomas schlug sich die Hände vor die Augen und begann zu heulen.
„Scheisse, was habe ich Idiot da nur getan?“, schluchzte er. Sarah setzte sich neben ihn und nahm ihn in die Arme. Weder sie noch Sabrina verstanden die ganze Situation. Auch die anderen Gäste bekamen diese unschöne Szene zu sehen, kümmerten sich jedoch kaum darum und machten weiter, als ob nichts geschehen wäre.
„Was war da gerade passiert?“, fragte Sarah besorgt. Thomas schluchzte noch einen kurzen Moment, dann konnte er sich einigermassen fassen, um die Geschichte zu erzählen.
„Vor zwei Monaten hatte sich Daniel mit Marcel getroffen.“, fing er mit weinender Stimme an. „Ich weiss zwar bis heute nicht, worum es dabei ging, aber es war offensichtlich von Kevin die Rede. Als er von dem Treffen zurückkam, war er sehr verändert, sehr nachdenklich. Immer wieder dachte er über Kevin nach, aber er wollte mir nie sagen, worüber er sich Sorgen macht. Mit der Zeit ging mir das Thema gehörig auf die Nerven, was ich ihm auch sagte.“ Sarah nickte nur, denn Daniel hatte ihr schon vorher eine ähnliche Geschichte erzählt. Auch sie wusste keine genauen Details, aber wie sehr dieses Thema einen Knick in die Beziehung brachte. Doch dass es nun gleich zu einer solch gewaltigen Explosion kommen würde, damit hatte selbst sie nicht gerechnet. Sie beschlossen, dass es besser wäre, den Club zu verlassen.

„Kevin, warte doch.“ Daniel rannte ihm hinterher, doch dieser hielt nicht an und rannte weiter die Bahnhofstrasse runter, über die grosse Kreuzung auf die Lorrainebrücke. Da endlich stand er still. Keuchend kam auch Tom an, musste aber schockiert zusehen, wie Kevin auf das breite, steinerne Geländer stieg. Viele Meter unter ihnen rauschte die Aare.
„Mensch, was machst du da?“, fragte Daniel. „Komm da wieder runter. Egal was es ist, alles wird wieder gut.“ Totenstille. Daniel näherte sich ihm vorsichtig, doch Kevin gab ihm mit der Hand ein Zeichen der Ablehnung.
„Wie kannst du nur sagen, dass alles wieder gut wird?“, fragte Kevin zornig. „Ich bin HIV positiv. Nichts wird mehr gut. Ich werde sterben. Elend verrecken. Und das ist alles nur deine Schuld.“
„Kev, bitte glaube mir, ich liebe dich immer noch. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Es tut mir leid was passiert ist.“, sagte Daniel völlig in Tränen aufgelöst.
„Es tut dir leid? Du liebst mich immer noch?“, entgegnete Kev in einem sarkastischem Ton. „Und wie lange? Bis sich der nächste Arbeitskollege an dich ranmacht? Da scheiss ich drauf.“ Er spuckte Daniel vor die Füsse. „Am besten mache ich meinem Leben hier und jetzt ein Ende. Es hält mich ja nichts mehr hier. Gar nichts mehr.“
Daniel sah keine andere Wahl mehr und stieg ebenfalls auf das Geländer. „Wenn du springen willst, dann folge ich dir.“
Kevin sah ihn ungläubig an, doch erkannte er den ernst von Daniels Worten in seinen Augen. „Das würdest du tun?“
„Das und noch viel mehr.“
„Aber ich bin positiv. Gerade heute habe ich es erfahren…“
„Das ist mir egal.“, unterbrach ihn Daniel. „Ich liebe dich, dafür würde ich sogar sterben. Es tut mir leid, ich war ein Riesenidiot, doch habe ich endlich erkannt, dass mein Herz immer noch für dich schlägt.“
„Wirklich?“ Kevins Gesichtsausdruck verlor seinen Zorn. Andererseits nagten noch immer Zweifel.
„Wirklich.“, sagte Daniel und küsste ihn. Das war für Kevin Beweis genug, dass es Daniel ernst meinte. „Ich bleibe bei dir, egal was passiert. Aber lass uns bitte wieder von dieser Brüstung runter steigen, ich kriege langsam Angst hier oben.“
Gemeinsam sprangen sie herunter, auf den Gehsteig. Arm in Arm liefen sie zurück zu der grossen Kreuzung. Wenige Meter, bevor sie zu dieser gelangten, hörten sie einen lauten Knall. Er kam aus der Richtung der Reithalle, welche in der Nähe war. Doch direkt vor ihren Augen spielte sich eine weitere dramatische Szene ab. Von der Bahnhofstrasse her raste ein Auto über die rote Ampel und knallte direkt in ein korrekt fahrendes Fahrzeug in die Fahrerseite…

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Tag der Veröffentlichung: 02.07.2009

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