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Wie jeden Tag griff Jens auch heute zum Glas. Er freute sich schon auf dieses angenehm betäubende Gefühl, das ihm half, alles zu vergessen. Für eine Weile jedenfalls. Lächelnd goss er die goldbraune, klare Flüssigkeit in den Behälter. Vor Freude zitterte seine Hand. Einen großen Schluck nahm er, dann noch einen und noch einen und dann war das Glas leer. Die Hand hatte er schon wieder ausgestreckt. Ausgestreckt, um eine weitere Portion zu nehmen. Ausgestreckt, um zu beruhigen. Ausgestreckt, um zu vergessen. Das wollte er. Vergessen was er gesehen hatte, vergessen was er erlebt hatte, vergessen was er verloren hatte.
Nur noch ein paar Tropfen, dann war das Glas leer. Ein erstes Zeichen von dem Nebel meldete sich. Warum tat er das nochmal? Der Blick fiel auf ein Bild von ihm. Und von einer Frau. Und von einem Jungen. Jens taumelte auf das Foto zu, nahm es in die Hand. Unten links stand ein Schriftzug. Krk – 2011

. Die Erinnerung durchfuhr ihn wie ein Blitzschlag. Er, seine Frau, sein Sohn. Der letzte Urlaub, bevor es geschah, bevor es den Unfall gegeben hatte, bevor es passiert war. Doch daran wollte er nicht denken.
„Was wollte ich nochmal? Ach so, das Mittel...“ Er taukelte zum Schrank. Er holte die nächste Flasche. Er öffnete sie. Es roch zu gut, dieses scharfe und betäubende Gebräu. Noch ein Glas, nur noch eins.
Ein lautes und schrilles Geräusch riss ihn hoch. Der wohlbekannte, stechende Schmerz zuckte durch seinen Kopf. „Was’n los?“ Jens erinnerte sich nicht mehr an gestern Abend. Er wusste nicht mehr was passiert war. Zitternd stemmte er sich hoch. um ihn herum lagen vier Flaschen. Eine große Lache des Gebräus aus einer war dort, wo sein Kopf gewesen war. Er hatte auf dem Boden gelegen.
Ohne dass er es bemerkt hatte liefen Tränen über seine Wangen. Wie lange ging es jetzt schon so? Seit wann trank er so viel? Er wusste es nicht. Genauso wenig wie er den Tod vergessen konnte. Konnte nicht vergessen, was er ihm genommen hatte, was er ihm nie zurück geben würde. Entschlossen ging er in die Küche und nahm ein Messer. Im Himmel würde er sie wieder sehen.


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