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Es war ein warmer Sommer morgen, als Amelie Winkler zur Schule ging. Sie besuchte die zweite Klasse der Astrid-Lindgren-Grundschule und das Lernen machte ihr sehr viel Spaß.
„Sei immer vorsichtig, Amy, Liebes. Steig nie bei fremden Leuten ins Auto“, sagte ihre Mutter immer, bevor sie zur Schule ging, die etwa ein Kilometer von ihrer Wohnung entfernt war.
„Ja, Mama, ich passe auf. Bis später, hab dich lieb.“
Sie hatte die Schule fast erreicht, als ihre Freundin Cindy auf sie zugelaufen kam.
„Hallo, Amy, da bist du ja. Ich habe schon auf dich gewartet. Komm, ich muss dir was zeigen, ich habe einen Frosch gefunden.“ „Hallo, Cindy. Ich bin ja schon da. Wo ist denn der Frosch?“ „Frau Berg hat gesagt, dass ich in in die Klasse mitnehmen darf und wir heute über Frösche sprechen. Er ist in einer Dose auf meinem Platz.“
Zusammen und fröhlich lachend liefen die Mädchen in ihr Klassenzimmer. Doch ganz anders sah das Gesicht des Mannes aus, der die beiden beobachtet hatte. Er drehte sich um und ging mit finsterem Blick in die entgegengesetzte Richtung, aus der Amelie gekommen war.

Das Telefon im Sekretariat klingelt.
„Astrid-Lindgren-Schule, Sekreteriat, Sie sprechen mit Frau Meyer, was kann ich für sie tun?“
„Äh, hallo, hier ist der Onkel von Cindy aus der 2. Klasse. Ich wollte sie überraschen und sie von der Schule abholen. Wann hat sie denn Schulschluss?“
„Oh, dass ist aber nett. Warten Sie mal … sie hat um elf Uhr dreißig Schluss. Da wird sie sich aber freuen. Ich werde dem Busfahrer Bescheid geben, dass Cindy nicht mit fährt. Auf wieder hören.“
„Hahahahaha. Das hätten wir. In einer Stunde rufe ich nochmal an.“

In der Pause war Amelie sehr still, während Cindy nicht genug davon bekam, von ihren Fröschen zu erzählen. Sie kam zu Amelie und fragte sie: „Was ist nur los mit dir? Du bist so still.“
„Ach nichts, ich denke nur nach. Ich hatte heute Nacht so einen komischen Traum.“
„Was hast du denn geträumt?“
„Ein Mann, ich weiß nicht, wer das ist, hat mich mitgenommen, in ein anderes Land. Und dort haben wir gewohnt. Ich hatte alles, was ich wollte.“
„Das ist doch ein schöner Traum. Warum denkst du denn darüber nach? Es war ja eh nur ein Traum.“
„Ich habe den Mann heute gesehen, von dem ich geträumt habe. Ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn heute zum ersten mal gesehen.“
„Das ist doch lustig. Ich habe auch schon mal von Menschen geträumt, die nachher auch getroffen habe.“
„Echt? Von wem denn.“
„Na, von Frau Haucke, unserer Klassenlehrerin. Ich wusste genau, wie sie aussah. Das war richtig lustig. …“
„Cindy, Amelie, die Pause ist zu ende. Geht in eure Klasse.“
Die beiden liefen fröhlich plaudernd in ihre Klasse.

„Astrid-Lindgren-Schule, Sekreteriat, Sie sprechen mit Frau Meyer, was kann ich für sie tun?“
„Hallo, hier ist der Onkel von Cindy nochmal. Ich kann sie leider doch nicht von der Schule abholen, weil mein Auto kaputt gegangen ist und zu Fuß kann ich sie nicht abholen. Der Weg ist zu weit.“
„Ach so, alles klar.“
„Bitte sagen Sie ihr nichts. Sie wird sonst nur unnötig enttäuscht sein, weil wir uns sehr selten sehen.“
„Ja, dass geht in Ordnung, Herr … wie heißen sie eigentlich? … Aufgelegt. Komisch, der hat sich gar nicht vorgestellt. Vielleicht hat er ja einen komischen Namen und wollte nicht, dass ich darüber lache. Ja, dass wird’s sein.“ Frau Meyer dachte nicht weiter über das Telefongespräch nach und arbeitete weiter.

Max Schulze stand grinsend neben der Telefonzelle, aus der er gerade die Astrid-Lindgren-Schule angerufen hatte. Dann schaute er auf die Uhr und ging schnell zu seinem Auto und fuhr weg.
Vor der Schule parkte er sein Auto und wartete.
„Auf Wiedersehen Kinder, bis morgen. Macht bitte alle eure Hausaufgaben.“
„Los Cindy, jetzt komm doch endlich. Was trödelst du denn so? Wir wollten doch zu mir nach Hause gehen.“
„Geh schon mal vor, ich komme gleich nach. Ich habe etwas in der Klasse vergessen.“
Amelie ging also alleine vom Schulhof. Plötzlich war ein Schatten über ihr. Eine Hand legte sich grob auf ihre Schulter, während die andere Hand ihr den Mund zu hielt.
Max Schulze zerrte Amelie in sein Auto und fesselte sie dort. Keiner hatte etwas gesehen.
Da kam Cindy schon vom Schulhof gelaufen und suchte Amelie.
„Amy, wo bist du denn? Amy.“ Doch Amelie antwortete nicht. Cindy lief so schnell sie konnte zu der Wohnung der Winklers und klingelte.
„Hallo Cindy, schön, dass du kommst. Wo ist denn Amelie?“
„Guten Tag Frau Winckler. Ich weiß nicht, wo Amelie ist. Sie müsste doch schon hier sein. Sie ist vor mir losgegangen, weil ich noch etwas aus der Klasse holen musste.“
„Na, dann hat sie sich bestimmt versteckt und kommt auch gleich. Du kannst deine Sachen schon mal in ihr Zimmer bringen.“
Nach einer halben Stunde war Amelie immer noch nicht da. Ihre Mutter machte sich schon große Sorgen.
„Wo bleibt sie nur? Ich werde mal in der Schule anrufen. ... Ja, guten Tag, meine Tochter Amelie ist nicht nach Hause gekommen und wir machen uns schon große Sorgen um sie. Wissen Sie vielleicht, wo sie sein könnte? ... Nein? Oh, ich werde gleich meinen Mann verständigen.“


„Was wollen Sie von mir? Bitte lassen Sie mich nach Hause. Ich will zu Mama.“
„Da kommst nicht mehr hin. Du bleibst jetzt für immer bei mir. Da hast du es besser, als bei deiner Mutter. Hahahaha. Die wird vielleicht sauer sein.“
„Nein, sie wird Angst haben. Weil ich nicht nach Hause gekommen bin. Und sie wird Papa anrufen und die Polizei und ...“
„Ach sein doch still. Du hast doch gar keine Ahnung.“
Den Rest der Autofahrt schwiegen Max Schulze und Amelie. Bald darauf kamen sie an ein Backstein Haus und Max zerrte Amelie aus dem Wagen. Er schleppte sie, so schnell er konnte, in seine Wohnung im zweiten Stock und sperrte sie in das Badezimmer, nachdem er ihre Fesseln gelöst hatte. Dann schloß er die Haustür und atmete erleichtert auf.
„Ich werde Diana anrufen. Aber nicht heute. Morgen, oder Übermorgen. Und dann werde ich mit Amy nach Ägypten ziehen. Dort wird mich keiner vermuten. Und da mir mein Chef schon lange angeboten hat, dort für seine Firma zu arbeiten, passt mir das sehr gut.“
Während er so seinen Gedanken nach hing, versuchte Amelie verzweifelt, sich zu befreien. Dann fing sie an zu schreien:
„Mama, ich will zu Mama, lassen Sie mich gehen. Hilfe! Hiiiilfe!“
„Halt den Mund, oder ich klebe ihn dir zu. Du sollst die Klappe halten.“
Dann zerrte Max Amelie aus dem Badezimmer und schlug sie.
„Nein, nicht. Lassen Sie mich los. Das können Sie nicht machen. Ich will zu meiner Mama. Aua, Sie tun mir weh. Nicht schlagen.“
„Dann halte jetzt die Klappe, sonst werde ich dich totschlagen.“ Und wieder sperrte er sie ins Badezimmer, wo Amelie sich wimmernd in eine Ecke kauerte und versuchte irgendwie, das Blut, das aus ihrer Nase lief, zu stoppen. Sie wagte es nicht, noch mal zu schreien, sie wollte nicht noch einmal geschlagen, schon gar nicht totgeschlagen werden.
Inzwischen klingelte Max' Telefon.
„Schulze?“
„Ach Max, endlich erreiche ich dich mal. Hier ist Pete. Ich wollte nur noch mal nachfragen, ob du die Montage in Ägypten machen willst. Ich muss spätestens heute Abend wissen, sonst frage ich deine Kollegen.“ Max grinste vor sich hin. Es war sein Chef. Jetzt hatte er gleich die Möglichkeit, seinen Plan durchzusetzen.
„Hi, ich habe mich entschieden. Ich fahre. Das hört sich so an, als ob du den Flug schon gebucht hast. Wann solls denn losgehen?“
„Ne gebucht hab ich noch nichts, aber ich wollte, dass du in drei Monaten in Ägypten bist.“
Max sagte seinem Chef, dass er den Flug selber buchen würde und legte schließlich auf. Es klappte besser, als er gedacht hätte.
„Gut, dass der noch nicht gebucht hatte, sonst hätte ich jetzt ein Problem. Aber ich bin so gut, dass ich das auch geschafft hätte. Wenn ich es schon geschafft habe, Susanne ausfindig zu machen.“


„Maik, Maik, Amelie ist verschwunden“, rief Diana, als Maik die Wohnung betrat.
„Diana. Bitte beruhige dich. Ich fahre gleich zur Schule und danach rufe ich die Polizei an. Bitte, reg dich nicht so auf. Das ist schlecht für deine Gesundheit. Ich werde alles tun, um sie zu finden.“
Und schon war Maik wieder weg. Er fuhr so schnell er konnte zur Schule um zu fragen, ob Amelie sich irgendwo dort aufhielt.
„Nein, Herr Winckler, Amelie ist nicht mehr in der Schule.“
„Ist denn heute irgendetwas komisches passiert? Etwas, dass mit Amelie zu tun haben könnte?“
„Ja, ein Mann hat angerufen, er wollte ... Nein, dass hatte etwas mit Cindy zu tun, Amelies Freundin.“
„Was wollte er denn?“
„Er rief erst an, weil er Cindy von der Schule abholen wollte und dann rief er wieder an, weil er sie doch nicht abholen wollte. Das hat bestimmt nichts mit Amelie zu tun.“
„Darf ich bitte Ihr Telefon benutzen? Ich muss die Polizei anrufen.“
„Aber sicher doch.“ Die Sekretärin lächelte und reichte Maik das Telefon. Nachdem er die Polizei informiert hatte, fuhr er nach Hause zu seiner Frau. Kurz nach ihm traf auch die Polizei ein.
„Guten Tag, mein Name ist Joachim Falk. Hauptkommissar.“
„Guten Tag, ich bin Maik Winckler. Ich habe Sie benachrichtigt.“
„Herr Winckler, dann erzählen Sie mir mal, was genau passiert ist.“
„Ich weiß nichts genaues, meine Frau sagte mir, dass unsere Tochter verschwunden ist.“
„Ja, die Freundin meiner Tochter kam heute ohne Amelie zu uns. Sie wollten eigentlich zusammen nach Hause kommen.“
„Um welche Uhrzeit war das denn?“
„So um zwölf Uhr.“
„Können Sie mir sagen, wo Cindy wohnt? Wir müssen Sie auch befragen.“


„Hallo Schatz, ich bin wieder zu Hause.“
Caroline Falk, die Frau von Hauptkommissar Falk, kam ihrem Mann lächelnd entgegen.
„Du siehst müde aus.“
„Habe heute einen neuen Auftrag bekommen. Ein Kind ist nach der Schule nicht nach Hause gekommen.“
Caroline küsste ihn zärtlich. Sie waren schon seit zehn Jahren verheiratet, hatten aber keine Kinder.
„Die armen Eltern. Ist es vielleicht weggelaufen?“
„Nein. Die Freundin sollte ja mit nach Hause kommen. Das verschwundene Kind ist, nach Aussage der Freundin, schon vorgegangen, weil die Freundin etwas in der Schule vergessen hatte. Ich vermute, dass es entführt wurde.“
„Das arme Kind.“
Beide liebten Kinder über alles. Deshalb traf es auch Joachim so schwer, als ihm der Fall übertragen wurde. Seine Frau fragte ihn: „Was willst du denn jetzt machen?“
„Morgen fahre ich in die Schule und werde bei allen Lehrern und Schülern fragen, was die denn wissen.“
Es tat ihm weh, dass er so wenig herausgefunden hatte.
„Es muss ein Profi sein. Keiner hat was mitbekommen. Sonst wäre es bestimmt beobachtet worden und die Menschen hätten es ja der Polizei gemeldet.“
Traurig gingen er und seine Frau schlafen.


Eine Woche nach der Entführung Amelies hatte die Polizei immer noch keine Anhaltspunkte gefunden.
Max Schulze sah die Gelegenheit, Diana wegen dem verschwinden ihrer Tochter zu quälen. Er wählte ihre Nummer.
„Winckler“, meldete sich eine Männerstimme.
„Äh, hallo. Ich hätte gern Diana gesprochen.“
„Was wollen Sie von meiner Frau?“ Maik war Skeptisch. Er kannte die Stimme am anderen Ende nicht und wusste auch nicht, was der fremde Mann von seiner Diana wollte.
„Ihre Frau, soso. Nun ja, wenn Sie jetzt nicht zu sprechen ist, dann ruf ich ein anderes Mal noch mal an.“
Max Schulze legte wieder auf. Er wusste, der Mann von Diana war jetzt nervös, weil er nicht wusste, wer angerufen hatte. Er freute sich unbändig. Seine Rache hatte begonnen. Und sie sollte den Höhepunkt erreichen, bevor er mit Amelie nach Ägypten flog.


Und Amelie? Wie ging es ihr?
Sie war in einem schönen Zimmer eingeschlossen. Ein Zimmer mit allen Spielzeugen, die man sich nur wünschen konnte. Aber sie war immer alleine. Dreimal am Tag kam Max zu ihr und gab ihr etwas zu essen. Sie durfte sich sogar wünschen, was sie essen wollte. Aber sonst musste sie immer alleine sein. Das Fenster konnte sie nicht öffnen, weil es keinen Fenstergriff gab. Außerdem war es Panzerglas, also nicht so leicht einzuschlagen, schon gar nicht für ein kleines Mädchen.
„Naja, jetzt muss ich wenigstens nicht lernen und Hausaufgaben machen, sondern darf den ganzen Tag machen, was ich will. Aber ich vermisse Mama und Papa.“
Fast jeden Abend dachte sie an zu Hause. Sie hatte schon aufgehört zu weinen, da sie merkte, dass es ihr nichts brachte.


„Rache! Rache!“
Das war das einzige, woran Max Schulze dachte, während er den Telefonhörer nahm und die Nummer von Diana wählte.
Es war zwei Uhr nachts.
Max verstellte seine Stimme, als der Hörer abgehoben wurde.
„Winckler.“
Vom anderen Ende kam nur ein höhnisches Lachen und dann sagte Max:
„Ihr seht Amelie nie wieder, nie wieder.“
Und dann legte er auf.
Jede Nacht wollte er jetzt anrufen, um die Wincklers zu quälen. Zwei Wochen lang. Und dann würde er sich aus Ägypten melden.


Hauptkommissar Falk stand vor einem Problem. Er suchte schon zwei Wochen nach Amelie und hatte immer noch keine Spur von ihr gefunden. Da gab es nur den mysteriösen Mann, der angeblich Cindys Onkel sein sollte, was sich aber als Lüge herausstellte.
Da klopfte es an seiner Bürotür.
„Herein.“
Herein kamen Maik und Diana Winckler. Sie sahen sehr erschöpft aus.
„Ah, Familie Winckler. Was kann ich für Sie tun?“
„Herr Falk, wir werden seit einer Woche jede Nacht um zwei von einem Kerl angerufen, der sagt, dass wir Amelie nie wieder sehen werden. Bitte, wir brauchen Ihre Hilfe. Wir halten das nicht aus.“
„Auch das noch. Langsam reicht es“, dachte Herr Falk. Ihm taten Amelie und ihre Eltern sehr leid.
„Wie lange dauert das Gespräch denn immer?“
„Nur ein paar Sekunden. Er sagt nur, dass wir Amy nicht wiedersehen werden und legt sofort wieder auf.“
Hauptkomissar Falk dachte nach. Er wusste, dass man den den Täter nicht orten konnte, da das Gespräch zu kurz war.
„Man muss ihn irgendwie abschrecken. Ihn dazu veranlassen, dass das Gespäch länger dauert. Aber wie?“, überlegte er weiter. Zu den Wincklers sagte er: „Es tut mir leid. Ich kann jetzt erstmal nichts machen. Die Aktion muss gut vorbereitet werden, aber das schaffen wir heute nicht mehr. Ich komme morgen mit ein paar Kollegen vorbei und dann sehen wir weiter. Ich rate Ihnen, diese Nacht in einem Hotel oder bei Freunden zu verbringen.“ Hauptkommissar Falk schaute das Ehepaar mitleidig an und diese verabschiedeten sich von Ihm mit einem traurigen Lächeln.


Nachdem Maik und Diana weg waren, rief Hauptkommissar Falk einige Mitarbeiter zusammen, von denen er wusste, dass man sich auf sie verlassen konnte.
Als erstes kamen Chris Lange und Eddi Schmitt. Chris war ein sehr ernster Mann, der schon früh seine Eltern verloren hatte und sich alleine Durchschlagen musste. Deshalb setzte er sich gerne da ein, wo es um Kinder ging.
Eddi war genau das Gegenteil von Chris. Er war lebhaft und immer zu Späßen aufgelegt, aber wenn es um Kinder ging, da kannte auch er keinen Spaß. Er hatte selber drei Kinder, von denen eins körperlich behindert war, nachdem es von Jugendlichen zuammengeschlagen worden war. Seitdem arbeitete er mit Chris zusammen und setzte sich besonders für Kinder ein. Joachim Falk wollte die Sache erst mit den Beiden durchsprechen, bevor er andere Kollegen in diesen Fall miteinbezog. Er erklärte Chris und Eddi den Fall. Beide schwiegen betroffen.
„Ich habe den Wincklers versprochen, morgen irgendetwas zu unternehmen, also lasst euch was einfallen“, meinte er zum Schluss.
„Was kann man denn da noch machen? Hat der Entführer kein Lösegeld gefordert?“
„Mensch Eddi, du hast aber auch gar nicht zugehört. Er hat gesagt, dass die Eltern das Kind nie wieder sehen werden. Er wird die kleine umbringen, oder er will sie für sich haben“, gab Chris ihm zur Antwort.
Joachim Falk wurde nachdenklich. Das was Chris gesagt hatte, klang logisch.
„Führ diesen Gedanken bitte weiter aus, Chris.“
„Hm. Also, wenn der Entführer die kleine Umbringen will, dann muss die Familie irgendwelche Feinde haben. Haben sie schon immer hier in dieser Stadt gelebt? Das müsste man noch nachfragen. Vielleicht hatten sie einen Feind in einer anderen Stadt. Wenn der Entführer das Kind aber nicht umbringen, sondern einfach nur besitzen will, dann muss er auch irgendwie Kontakt zu der Familie haben. Der Täter befindet sich demnach im Bekanntenkreis der Familie.“ Froh darüber, nun einen kleinen Anhaltspunkt zu haben, sagte Hauptkommissar Falk: „Gut, sehr gut. Auf diese Gedanken bin ich einfach nicht gekommen. Ihr beide werdet morgen mit den Wincklers sprechen. Und überlegt euch, wie man diesen Telefonterror beenden kann.“


Am nächsten Tag, einem Dienstag, kligelte es schon früh am Morgen an der Tür der Wincklers.
„Wer da?“, meldete sich Maik.
„Hier sind Chris Lange und Eddi Schmitt, Mitarbeiter von Kommissar Falk. Wir sollen mit Ihnen noch mal alle Details durchgehen.“
Etwas skeptisch öffnete Maik die Tür. Doch dann sah er die Uniformen und ließ die Beamten eintreten. Maik und Diana waren trotz der frühen Morgenstunde schon auf. Auch diese Nacht hatte der Entführer die Familie nicht in Ruhe gelassen.
Die beiden Beamten machten sich mit Diana bekannt und nach dem alle im Wohnzimmer platz genommen hatten, sagte Susanne: „Ich koche für Sie Kaffee, wenn Sie nichts dagegen haben.“
Das Angebot wurde dankbar angenommen.
In der Zwischenzeit sahen sich Chris und Eddi im Wohnzimmer um. Es war schlicht eingerichten. Auf der rechten Seite stand ein braunes Sofa und ein dazugehöriger Sessel. Davor stand ein schöner kleiner Glastisch. Gegenüber, auf der linken Seite war ein kleiner Schrank mit Glastüren in dem Bücher aufbewahrt wurden. Überall im Zimmer hingen Bilder. Mehrer Familienfotos und Einzelfotos von Amelie.
„Herr Winckler, haben Sie vielleicht ein Foto von Ihrer Tochter für uns?“
„Ja natürlich. Hier bitte.“ Maik nahm ein aus einer Mappe, die auf dem Tisch lag.
Kurze Zeit später kam Susanne mit dem Kaffee.
Als erster meldete sich Chris zu Wort: „Können Sie uns bitte nochmal alles erzählen?“
Maik wiederholte alles, was er Hauptkommissar Falk schon erzählt hatte.
„Seit wann wohnen Sie in dieser Stadt?“
„Diana ist vor acht Jahren hierher gezogen und ich bin hier geboren.“
„Frau Winckler, hatten Sie in ihrer Heimatstadt irgendwelche Feinde?“
„Nein, ich habe mich eigentlich mit allen gut verstanden. Naja, ich hatte da einen Freund, von dem ich mich getrennt hatte. Es gab einen Streitpunkt und seitdem bin ich mit ihm nicht mehr klargekommen und bin deshalb auch umgezogen. Wir hatten seitdem keinen Kontakt mehr.“
„Dann kommt er als Täter wahrscheinlich nicht in Frage“, warf Eddi ein.
Chris wandte sich an Maik: „Und Sie?“
„Ich habe nicht soviel Kontakt zu anderen Menschen gehabt. Mit meinen Freunden bin ich immer noch befreundet und verkracht habe ich mich mit niemandem.“
Nachdenklich schaute Chris sich das Foto von Amelie an.
Eddi schrieb alles mit, damit er nachher in Ruhe darüber nachdenken konnte.
„In diesem Punkt kommen wir nicht weiter. Wenden wir uns also dem Anrufer zu.
Eddi, ich meine Herr Schmitt und ich haben uns wollen uns erst einmal einen Eindruck von dem Anrufer machen. Das heißt, dass wir heute eine ganz bestimmte Anlage aufbauen, mit der wir den Anruf aufnehmen und wir versuchen, den Anrufer zu ermitteln. Geht das nicht, weil der Anruf zu kurz ist, haben wir uns noch was anderes überlegt. Sind Sie damit einverstanden?“
Im Gesicht der Wincklers sah man einen kleinen Hoffnungsschimmer.
„Ja, ... ja sicher sind wir damit einverstanden. Vielleicht können wir diese Nacht endlich wieder einmal durchschlafen.“
Damit war die Sache beschlossen. Eddi Schmitt rief bei Hauptkommissar Falk an und bat ihn, dass er Ihnen Fabian Neumann mit der Ausrüstung, die sie am Tag vorher vorbereitet hatten, zum Haus der Wincklers schickte.


Am Abend war die Anlage aufgebaut. Das Wohnzimmer sah ganz anders aus, mir vielen Drähten, Kabeln, Aufnahmegeräten und so weiter. Es ging schon auf 23 Uhr zu und Chris Lange sagte zu Maik und Diana: „Sie können jetzt schlafen gehen. Wenn das Telefon klingelt, dann heben wir ab. Die Tür hier machen wir zu und wir hoffen, dass Sie nicht aufwachen. Ruhen Sie sich einmal richtig aus.“
„Ja. Vielen Dank, dass Sie das für uns machen.“
„Werden Sie nicht auch müde sein?“, erkundigte Susanne sich besorgt.
„Soll ich Ihnen vielleicht eine Kanne Kaffee für die Nacht kochen?“
Chris und Eddi waren froh, dass die Wincklers so nett und fürsorglich waren.


Es wurde eine lange Nacht für die beiden Polizisten. Um sich die Zeit zu vertreiben, spielten sie verschiedene Gesellschaftsspiele oder unterhielten sich.
„Schade, dass Fabian nicht geblieben ist. Er hat einen anderen Auftrag bekommen. Der hat ja immer so tolle geschichten auf Lager. Naja, ich schlafe jetzt bis zwölf und dann kannst du dich hinlegen, okay?“
Chris gähnte und legte sich aufs Sofa.
Eddi nahm die Notizen, die er sich gemacht hatte zur Hand und ging jeden Punkt nocheinmal gründlich durch. Dabei fiel ihm etwas auf.
„Hm, Diana und ihr ehemaliger Freund hatten einen Streit. Worum ging es da? Könnte es ein Grund sein, weshalb er sich rächen könnte? Das muss ich morgen mal nachfragen.“
Er malte ein großes Fragezeichen vor die Notiz, damit er das nicht vergisst.

Um zwei Uhr Nachts klingelte das Telefon. Chris hob den Hörer sofort ab, damit die Wincklers nicht aufwachten. Auch das Aufnahmegerät wurde eingeschaltet.
„Hier bin ich wieder. Ihr werdet Amelie nie wieder sehen. Hahahaha.“
Die Stimme des Kidnappers hörte sich grausam an.
Chris und Eddi schwiegen. Das machte Max stutzig. Normalerweise kam entweder ein Stöhnen von Maik Winckler oder ein aufschluchzen von Diana.
So verstrichen einige Sekunden. Wertvolle Sekunden für Max Schulze. Denn noch ein paar Sekunden und Chris und Eddi würden den Anrufer orten können. Sie hatten ja alle Geräte dabei und eingeschaltet.
„Hallo, ist da wer? Ihr wisst, wer hier ist. Ich habe Amelie.“
Wieder fing er an, grausam zu lachen. Das waren die Sekunden, die Chris und Eddi noch benötigten.
Weil Eddi den Ort des Anrufers geortet hatte und um den Erpresser und Kidnapper einzuschüchtern sagte Chris plötzlich: „Wir haben ihn. Wir wissen jetzt, von wo angerufen wird.“


Max Schulze wurde bleich.
„Das darf doch nicht wahr sein. Nein! Was habe ich wieder für Mist gebaut. Ich habe mich zu sicher gefühlt. Ich muss abhauen. Gleich sind sie hier. ... Oder wollten sie mich nur blöffen? Das war nicht die Stimme von Susannes Mann. Die beiden haben sich die Polizei ins Haus geholt.“
Schnell lief er in das Zimmer, in dem Amelie schlief. Durch sein Schimpfen war sie aufgewacht und saß aufrecht im Bett. Die Augen hatte sie vor Angst, was nun kommen sollte, aufgerissen. So aufgeregt hatte sie Max noch nie gesehen.
Er packte ihre Sachen, er hatte extra welche für sie bestellt, in eine Reisetasche.
„Darf ich wieder zu Mama und Papa?“, fragte Amelie zaghaft.
Max lachte höhnisch auf.
„Vergiss es. Du bleibst für immer bei mir. Schließlich gehörst du mir. Vergiss deine Mutter und ihren Mann. Wir fliegen noch heute nach Ägypten.“
„Neeeeein.“
Und wieder musste Amelie weinen. Sie sagte immer wieder ‚Mama, Papa’.
Als Max fertig war herschte er Amelie an, dass die sich anziehen solle.
So schnell er konnte, packte er auch seine Sachen ein und zehn Minuten später saßen sie im Auto und fuhren zum Flughafen.


„Schnell, gib durch, dass die Kollegen zur Eichenallee fahren. Haus Nummer 14. Von da wurde angerufen.“
Doch so schnell, wie Chris und Eddi es wollten ging es nicht.
Durch die ganze Aufregung vergassen die beiden, leise zu reden und Maik und Diana wachten auf.
Als sie erfuhren, dass der Täter geortet wurde waren sie froh, doch das war schnell vorbei, da die Kollegen von Chris und Eddi eine leere Wohnung vorfanden. Sie stellten einige Kleidungsstücke sicher, die von Maik und Diana als Amelies Sachen identifiziert wurden. Es waren die Sachen, die Amelie am Tag ihrer Entführung getragen hatte.
Außerdem waren viele Fingerabdrücke vorhanden und es wurde die Verbrecherkartei nach möglichen Tätern durchgesehen. Leider ohne Erfolg.

Während des nächsten Tages wure die ganze Wohnung durchsucht. Da klingelte das Telefon. Chris, der auch dabei war, hob ab und verstellte seine Stimme so, dass sie sich wie die Stimme des Kidnappers anhörte.
„Ja?“, brummte er in den Hörer.
„Hey Max, altes Haus. Wo bleibst du denn? In der Firma läuft nichts.“
„Wer ist da?“
„Hier ist dein Chef. Sag mal, was ist denn los mit dir? Du bist in letzter Zeit so komisch, so nervös.“
„Guten Tag, hier ist nicht Max sondern die Polizei. Bitte beantworten Sie mir folgende Fragen: Wer sind Sie und wie heißt Max mit Nachnamen?“
Man merkte, dass der Anrufer nervös wurde.
„Ja-a, also ich heiße Pete. Pete Müller. Ich bin der Chef von Max Schulze.
Ist Max nicht da? Das wundert mich. Aber hat ja auch gesagt, dass er den Flug alleine...“
„Was für ein Flug? Wohin?“
„Nach äh Kretra. Er soll zur Montage nach Ägypten und wollte den Flug gerne alleine buchen, da er erst noch einen Kurzurlaub auf Kreta machen wollte. Er wusste nur nicht, wie lange das dauern würde“, log Herr Müller. Er konnte Max, seinen besten Arbeiter und Freund doch nicht einfach der Polizei ausliefern, ohne vorher zu wissen, wessen er verdächtigt wurde. Max sollte dich in Ägypten für ihn arbeiten. Wen sollte Pete schicken, wenn Max ins Gefängnis kam?
„Was ist denn los?“, fragte er noch.
„Der liebe Max Schulze wird verdächtigt, an einer Kindesetführung beteilgt zu sein. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“ Mit diesen Worten legte Chris auf.
Er sagte seinen Kollegen bescheid, dass er schnell ins Präsidium müsste und lief zum Auto.

Pete Müller konnte nicht glauben, was er da gehört hatte. Max ein Kidnapper? Niemals.
„Ich muss ihn anrufen und sagen, was die Polizei von ihm will.“
Er wählte Max’ Handynummer.
„Hallo Pete. Was gibt’s? Ich hab nicht viel Zeit, weil ich meinen Flug nach Ägypten bekommen muss.“
„Mensch Max, wenn du wüsstest, was los ist, wärst du nicht so locker. Ich hab eben bei dir zu Hause angerufen. Die Polizei war da und hat mich am Telefon ausgefragt.“
„Die Polizei?“, Max wurde bleich. Zum Glück konnte Pete das nicht durchs Telefon sehen.
„Was wollten die denn? Was haben die überhaupt in meiner Wohnung zu suchen?“
„Max, die haben gesagt, dass du ein Kind entführt haben sollst.“
„Was soll ich gemacht haben? Die spinnen doch. Was hast du denen gesagt?“
„Habe gesagt, dass du zur Montage nach Ägypten musst...“
„Was hast du?“, unterbrach ihn Max. Jetzt war es aus.
„Max, jetzt hör mir doch zu. Ich habe gasagt, dass su vorher einen Kurzurlaub auf Kreta machst. Was sollte ich denen denn sagen? Es war einfach zu überraschend. Ich werde bestimmt gleich von der Polizei abgeholt.“

Max beruhigte sich wieder. Pete hatte ihn nicht verraten. Zumindest nicht wirklich.
Sie waren am Flughafen angekommen. In zwei Stunden ging sein Flug. Er verabschiedete sich von Pete, schärfte ihm aber noch ein, dass er weiter dabei bleiben sollte, dass Max sich auf Kreta befände. Dann holte er die Koffer und Amelie aus dem Auto und ging weiter zum Check-in.
„Wie gut, dass ich die Tickets schon vor zwei Wochen gekauft habe. Bestellt waren sie ja schon lange vorher.“


„Mist. Er ist uns durch die Lappen gegangen.“ Chris war wütend. Alle Passagiere, die einen Flug nach Kreta gebucht hatten, wurden kontrolliert. Es wurden Bilder von Amelie und Max gezeigt, aber keiner hatte ihn gesehen.
„Entweder er ist schon auf Kreta, oder er hat einen anderen Flug genommen. So ein Mist.“ Auch Eddi war sauer. Es war einfach alles zu schnell gegangen. Auch die Befragung von Pete Müller hatte nichts gebracht. Er blieb dabei, dass Max auf Kreta war und er nicht wisse, wann Max nach Ägypten wollte.
„Wird er sich melden, wenn er da angekommen ist?“, wollte Chris noch wissen.
„Ja, dass hoffe ich doch.“
„Dann werden sie uns sofort bescheid geben, wenn er sich gemeldet hat. Sie sind dazu verpflichtet. Haben Sie das verstanden?“
„Ja, ja, natürlich. Ich werde mich melden.“ Damit war Pete Müller entlassen.
Eddi dachte noch ein bisschen nach und sagte dann zu Chris: „Wir müssen ein Auge auf ihn werfen. Er hat uns irgendwas verheimlicht. Aber ihn zu löchern bringt nichts. Wenn Schulze ihn mit dem Tode bedroht hat, dann wird er sowieso nichts verraten.“
Damit gingen sie wieder an die Arbeit.


Der Flug verlief sehr ruhig. Amelie war vom vielen Weinen so erschöpft, dass sie während des ganzen Fluges über schlief. Max freute sich darüber.
„Dann fallen wir wenigstens nicht auf. Ihr geheule nervt ziemlich.“
Ohne Zwischenfälle kamen sie in Ägypten an.
Amelie schlief immer noch. Da Max nicht wusste, wie er sie wecken sollte, nahm er sie vorsichtig auf seinen Arm.
Amelie schmiegte sich an ihn. Sie merkte ja nicht, auf wessen Armen sie lag.
„Papa, bin ich wieder zu Hause? Bei dir und Mama?“
Diese Worte schnitten Max ins Herz.
„Du bist mein Kind. Mein Kind. Vergiss den anderen. Du gehörst mir!“, dachte er bei sich.
Aber woher sollte Amelie das wissen? Das hatte ihr ja niemand gesagt.
Max dachte zurück an die Zeit, als Diana noch ihm gehörte.

Er war mit Diana glücklich gewesen. Ja, er hatte sie geliebt.
„Und ich hätte sie auch geheiratet. Wenn da nicht dieser Unfall dazwischen gekommen wäre und alles zerstört hätte.“
Damals war Diana 18 und Max 23 Jahre alt.
Max war zu weit gegangen. Das Ergebnis: Diana war schwanger. Als sie es bemerkte, drehte sie förmlich durch.
„Wie konnte ich mich nur auf dich einlassen? Du Idiot! Du hast meine ganze Karriere zerstört. Ich wollte studieren. Geld verdienen. Und jetzt soll ich Mutter werden? Hausfrau spielen, weil ich keine Ausbildung habe? Was meinst du, warum ich mich immer geweigert habe, mit dir zu schlafen. Du Idiot!“
„Treib das Kind doch ab. Du kannst später immer noch Kinder bekommen.“
„Spinnst du? Du weißt genau, dass ich dagegen bin. Vergiss es.“
„Dann sieh zu, wie du damit fertig wirst.“
Max wollte sie natürlich nicht auf dem Kind sitzen lassen, aber für Diana war es das aus.
„Ich hasse dich, Max.“ Mit diesen Worten wand Diana sich um und ging weg.
Sie zog sich immer mehr zurück und war froh, dass sie einen Studienplatz in ihrer jetzigen Heimatstadt bekommen hatte. Es war ihr Glück, dass sie Maik kennen lernte und er sie und ihre Tochter angenommen hatte. Amelie war Maiks Tochter. Nach einem Semester ging Diana in eine Mutterpause. Ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter, studierte sie weiter. Diana, Maik und Amelie lebten sehr glücklich zusammen.
„Und jetzt bin ich aufgekreuzt und habe ihre Familien-Idylle zerstört. Ha ha ha ha ha.“
Meint Max Schulze, dass er auch so idyllisch mit Amelie leben wird, wie Maik und Susanne?
Er wollte es nicht eingestehen, er wollte es nicht wahrhaben, dass er krank war. Krank vor Eifersucht auf Maik, dass seine Tochter zu ihm ‚Papa’ sagt und krank vor Hass auf Diana, weil sie von ihm weggelaufen war und ihm damit auch sein Kind weggenommen hatte.
Jetzt hatte er Amelie. Aber würde Amelie ihn auch so lieben, wie ihre Mutter und ihren anderen Papa?

Da Max wissen wollte, was aus seiner schwangeren Ex-Freundin geworden ist, hat er sich auf die Suche nach ihr gemacht und sie gefunden. Er beobachtete sie lange Zeit.
Er konnte es einfach nicht ertragen, dass Amelie, sein Kind, zu einem anderen Mann ‚Papa’ sagte. Das durfte sie nicht. Deshalb hatte er sie aus ihrer Familie weggenommen.


Pete Müller versuchte immer wieder Max Schulze zu erreichen. Ohne Erfolg. Er war immer mehr der Überzeugung, dass die Polizei doch recht hatte. Aber kann es nicht sein, dass er viel Arbeit hat, oder sein Handy weg war?
„Ich versuche es nocheinmal..... Komm schon, Max, heb ab...... Ah..“
„Schulze.“
„Max, meine Güte, warum gehst du nicht dran?“
„Tolle Begrüßung“, erwiederte Max lachend. „Ich arbeite. Schon vergessen? Spaß bei Seite. Wann willst du den Bericht haben?“
Pete war erleichtert. Er sagte: „Mann, ich dachte schon, dass die Bullen doch Recht haben. Ich meine wegen der Entführung. Lass dir ruhig noch etwas Zeit. Brauche den Bericht noch nicht so bald. Dann bis bald.“
Sollte die Polizei doch sagen, was sie wollte, auf Max ließ er nichts ankommen.


In der Pension, in der Max mit Amelie eingezogen ist, lebt auch eine junge Amerikanerin, die ein Aupairjahr in Ägypten macht.
Amelie fühlte sich sofort zu ihr hingezogen. Die beiden verbracten viel Zeit zusammen. Max Schulze besprach mit den Pensionsleitern, dass sie als Kindermädchen für Amelie arbeiten sollte und von Max bezahlt wird.
Jocelyn Brown, so hieß die 19-jährige Amerikanerin, besuchte schon seit einiger Zeit einen Integrationskurs, wo ihr die ägyptische Sprache beigebracht wude. In den folgenden Wochen bemühte sie sich, Amelie diese und auch die englische Sprache beizubringen, damit sie auch bald miteinander reden konnten. Max bemühte sich, in Amelies Gegenwart kein ägyptisch zu sprechen. Amelie sollte nur Deutsch sprechen, damit sie niemandem erzählen konnte, was sie erlebt hatte.
Amelie war eine gute Schülerin und lernte sehr schnell. Im Gegenzug brachte sie Jocelyn die deutsche Sprache bei.
Nach drei Monaten waren die beiden soweit, dass sie sich gut unterhalten konnten. Und nach und nach erzählte Amelie Jocelyn ihre Erlebnisse.
„Amy, dass ist ja schrecklich, was du erlebt haben. Warum hat Mr. Schulze dich geklaut?“
„Das weiß ich nicht. Er sagt es mir nicht. Alles was er sagt, ist, dass ich ihn Vater nennen soll. Aber dass mache ich nicht. Ich rede gar nicht mit ihm.“
Amelie und Jocelyn beschlossen, dass niemand wissen durfte, dass Amelie sowohl die ägyptische als auch die englische Sprache beherrscht und dass Jocelyn Deutsch sprechen konnte.
Wenn die beiden zusammen am Strand oder in Parks saßen, nahmen sie sich Bücher in den drei Sprachen mit, um ihre Aussprache zu verbessern und um weiter zu lernen. Dabei hatten die beiden immer viel zu lachen, da sie noch viele Fehlre machten.

Hinter der Pension war ein großer Garten mit einem Teich. Amy und Jocey saßen dort, beobachteten die Fische und genossen die Sonne. Sie sprachen nicht, weil sie nicht wussten, ob sie beobachtet wurden oder nicht.
Heute beobachtete Max Schulze die beiden durchs Fenster und ärgerte sich.
„Wenn Amy mit dieser Brown zusammen ist, ist sie glücklich und lacht viel. Und in meiner Gegenwart sitzt sie nur stumm da und redet kein Wort. Dabei bin ich der einzige, mit dem sie sich unterhalten kann. Oder sie heult. Aber zum Glück nicht so viel, wie vorher.“
Max fragte sich, warum das Verhältnis zwischen Amelie und ihm genauso schlecht war, wie vorher.
„Wenn ich sie Amy nenne, reagiert sie nicht. Nur wenn ich Amelie sage. Aber diese Amerikanerin nennt sie ständig Amy. Immer wenn sie kommt sagt sie nur ‚Amy’ und das Kind fliegt in ihre Arme. Wenn ich mich ihr nur nähere, zuckt sie schon zusammen. Anfassen darf ich sie gar nicht. Aber von der Brown lässt sie sich gerne in die Arme nehmen.“
Am Abend sprach Max Amelie an: „Amelie, warum redest du nicht mit mir?“
Amelie stand nur da und sah zu Boden.
„Ich rede nicht mit ihm“, dachte sie sich.
„Schau mich an“, sagte Max mit barscher Stimme.
Amelie zuckte zusammen und schaute ihn an. Max wich etwas zurück, denn er schaute in Augen voller Hass. Hass auf ihn, Max, ihren Vater. Er war wütend.
„Du bekommst hier alles, was du willst. Darfst alles machen. Warum redest du nicht mit mir?“
Amelie hielt es nicht mehr aus. Sie schrie: „Weil du mich von meiner Mama weggenommen hast. Weil ich keine Liebe von dir bekomme. Weil ich nach Hause will. Zu meiner Mama und meinem Papa.“ Amelie drehte sich um und rannte aus dem Zimmer. Max war von diesen Wutausbruch überrascht und reagierte nicht sofort. Doch dann wollte er Amelie hinterher laufen.
Jocelyn, die das Geschrei gehört hatte, kam angelaufen und hielt Max auf, der gerade an ihr die vorbei laufen wollte.
„Was willst du?“, fragte er aufgebracht in ägyptischer Sprache, da er kein Englisch sprechen konnte.
„Reden“, war ihre Antwort.
Max ging zurück in das Zimmer und Jocelyn folgte ihm.
„Ich habe Sie beobachtet. Ihr Verhalten zu dem Kind ist schlecht. Wer sind Sie in Bezug auf das Kind?“
„Ich bin ihr Vater. Und mein Verhalten geht dich nichts an.“
„Das Kind tut mir leid. Und da ich das Kindermädchen bin, interessiere ich mich dafür. Wo ist die Mutter?“
„Das geht dich nichts an. Aber damit du nachher keinen Mist erzählst.... also, die Mutter lebt in Deutschland. Mit einem anderen Kerl. Sie hatte sich von mir getrennt, nachdem sie mit Amelie schwanger war. Sie wollte das Kind nicht, hat es aber doch behalten. Aber ich will es und habe sie daher zu mir geholt. Und jetzt verschwinde.“

Amelie, die an der Tür gelauscht hatte, rannte weg. In das Zimmer von Jocelyn. Als diese ihr Zimmer betrat fand sie Amy dort weinend vor.
Jocelyn war erschüttert. Selbst wenn dieser Max Amys Vater war, durfte er sie nicht einfach so wegnehmen. Man geht dann doch vor Gericht.
Jocey nahm Amy in ihre Arme und hielt sie fest, bis sie eingeschlafen war.


Das Leben von Maik und Diana ging weiter. Es musste weitergehen. Vor allem seit ihnen bekannt war, dass Diana schwanger war. So sehr sie sich auf das Kind freuten, waren sie trotzdem traurig. Denn es war schwer, ohne Amelie, ihrem Sonnenschein. Die Polizei hatte die Suche aufgegeben. Und Max’ Chef meinte auch weiter, nicht zu wissen, wo max sich befänder. Max würde sich nicht mehr melden.
Pete Müller war es egal, was Max jetzt wirklich gemacht hat. Max war sein bester Arbeiter und er würde ihn schützen, solange es möglich war, ohne, dass die Polizei ihn im Visier hatte.


Jocelyn war sehr nachdenklich. Zur Polizei zu gehen hatte keinen Sinn. Keiner würde der Geschichte eines Kindes glauben. Reine Phantasie, würden sie sagen. Und Jocelyn hat es ja nur von dem Kind gehört. Das, was der ‚Vater’ des Kindes sagte, klingt logisch, ist aber nur die Halbwahrheit, aber wie soll sie es beweisen?
„Ich muss Amelie schützen. Ich muss versuchen, diesen Max dazu zu bringen, sich ein Haus zu kaufen, die meisten Wohnungen in dieser gegend sind schäbig, und mich als Haushaltshilfe anzustellen.“

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Tag der Veröffentlichung: 21.01.2010

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