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Ich las die Sprüche, die auf meinem Schreibtisch eingeritzt waren:
Mut. Ein Gefühl der Stärke. Macht.
Mut. Wenn er da ist, kann man Sachen machen, die man sich zuvor nie zugetraut hätte.


Mut. Ein Gefühl der Stärke. Macht.
Mut. Wenn er da ist, kann man Sachen machen, die man sich zuvor nie zugetraut hätte.


Mut…
Mut war genau das was mir fehlte.
Ich legte meinen Kopf auf die Tischplatte. Machte die Augen zu. Sah weg.
Sah weg von Max und Chris. Zwei große Jungs. Oder kam es mir nur so vor? Ich musterte die Beiden vor meinem geistigen Auge. Nein. Groß waren sie nicht. Aber sie hatten Macht. Sehr viel Macht: Sie verbreiteten Angst.
Und sah weg von Miriam. Miriam. Sie war neu. Ich mochte sie nicht. Sie war schrecklich sensibel und war, überall wo Mist gebaut wurde, dabei. Eine Mitläuferin. Mit schwachen Charakter… oder unterdrückten… Unterdrückt von Max und Chris?
Es schlichen sich zwei Bilder in meine Gedanken ein.
Einmal die Miriam, als sie in unsere Klasse kam und einmal Miriam, wie sie heute war.
Ein Mädchen mit Präsens. Die erste Person, die einem aus einer Menschenmenge ins Auge stach.
Und ein Mädchen wie ein Schatten. Unscheinbar. Flüchtig.
Ein Mädchen mit einen schiefen Grinsen. Und roten Wangen.
Und ein Mädchen mit aschfahlem Gesicht. Bleich. Ausgehungert. Mit geschwollenen Tränensäcken.
Zwei völlig verschiedene Personen - und doch: Ein und die Selbe.
Mut. Das fehlte ihr... Genau wie mir.
Ich schloss die Augen und versuchte meine Erinnerungen an das Gesehene zu löschen.
Miriam. Mit hilfesuchenden Augen. Davor auf ihren Tisch Max und Chris. Lachend und spottend.
Ihr Blick war Meinem begegnet. Nur kurz. Doch ihr Betteln um Hilfe war eindeutig zu lesen gewesen. Doch ich hatte nur mein Blick abgewendet.
„Es tut mir leid, Miriam.“, sprach ich in Gedanken, doch ich wusste, dass mein Mitleid ihr nicht helfen würde.
Ich nahm mir vor ihr, wenn morgen sich nicht Etwas gebessert hätte, würde ich was unternehmen.

Am nächsten Tag war es genau so wie immer: Max und Chris lachten und Miriam flehte mit ihren Blick.
Doch was war, wenn ich mich täuschte?? Vielleicht empfand nur ich ihren Blick als verzweifelt. Vielleicht interpretierte ich ihren Ausdruck in den Augen falsch! Das wäre keine Seltenheit. Mir passierte so was oft.
So ging der Tag vorbei. Ich unternahm nix.

Ich saß wieder pünktlich zum Beginn an meinen Tisch. Ich sah mich im Raum um. Ganz hinten im Zimmer saß sie wieder. Zwischen Max und Chris.
Ich schluckte in der Hoffnung dass dieser Druck im Hals verschwand. Doch er blieb.
Die ganze Zeit versuchte ich aufzustehen.
Doch obwohl ich mir in meinen Gedanken immer wieder befahl es zu tun, blieb ich sitzen.
Meine Beine schmerzten. Fühlten sich schwer an, krampften ein wenig.
Ich verschränkte die Arme und legte mein Kopf auf die Tischplatte.
Die kühle Tischplatte fühlte sich angenehm an meiner Stirn an.
Ich versuchte meinen zittrigen Atem unter Kontrolle zu bringen.
„Was soll das? Du muss doch nur kurz rüber gehen und Chris und Max sagen, dass sie abhauen und Miriam in Ruhe lassen sollen.“, spornte ich mir selbst in Gedanken an.
Doch natürlich wusste ich, dass die Sache nicht so simpel war, wie ich versuchte mir weiszumachen.
Max und Chris würden über mich lachen. Spotten. Mich erniedrigen. Gerüchte verbreiten.
Wenn ich Glück hätte, würden sie mir die seelischen Torturen ersparen und mich einfach schlagen. Das wäre mir lieber. Körperliche Schmerzen konnte ich besser auskurieren als die Seelischen.
Ich sah auf die Uhr.
Meine Zeit hier war heute vorbei. Ich könnte nach Hause gehen.
Nervös stand ich auf. Ich ging einschlürfenden, unentschiedenen Schritt Richtung Tür. Noch ein und dann gleich noch ein Paar.
Noch vier Schritte und ich wären raus aus dem Raum. Noch vier Schritte Zeit um mich um zu entscheiden.

Ich war draußen.


Ich schlug die Augen auf.
Sofort kam mir Miriams durchscheinendes Gesicht in den Sinn.
„Ich werde es tun.“, murmelte ich als Erstes.
Ich zog mich an. Ich sah Miriams geduckte Haltung.
„Ich werde es tun.“
Mit einem belegten Brot verließ ich das Haus.
Flehende, verzweifelte Augen….
„Ich werde es tun.“
Ich war auf den Weg.
Max und Chris dämliches Gelächter schallte in meinen Gedanken.
Mein Körper zitterte, als ich die Hand zu Zimmertür öffnete.
Ich versuchte die Tür wie immer zu öffnen. Nix sollte darauf hinweisen, was ich vor hatte.
Es gelang mir nicht. Meine Hand zitterte so stark, dass mir die Türklinke einmal aus den Fingern glitt.
Sofort war alle Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Natürlich wollte jeder wissen, welcher Idiot noch nicht mal Türen richtig öffnen konnte.
Ich ging rein und schloss die Tür hinter mir. Noch immer starrten Alle im Raum auf mich, sodass ich mit dem Gedanken spielte meine Aufgabe zu verschieben. Doch sofort wies ich mich zurecht:
Kein Ausweichen mehr. Jetzt und Sofort.
Mir war schlecht, mein Schädel dröhnte und mein Hals tat schrecklich weh.
Meine Beine fühlten sich taub an, als ich zu Miriam rüberging.


Lachend warf Sandra ihre Schultasche auf den Tisch.
„Wirklich?“, rief sie kichernd hervor, „Das hast er wirklich gesagt?!?!“
Doch bevor der Junge neben ihr antworten konnte, schrie der Lehrer:
„Sei doch mal alle still!!! Wir fangen mit dem Unterricht an!!!“
Die Klasse stöhnte gequält.
Sandra ließ sich auf ihr Platz plumpsen und packte ihre Sachen aus.
Doch sobald der Lehrer anfing zu reden, verdrehte sie ihre Augen.
Plötzlich fuhren ihre Finger über Rillen.
Sandra sah überrasch auf ihre Finger.
„Da hat jemand in den Tisch geritzt.“, bemerkte sie in Gedanken.
Sie lass:
Mut. Ein Gefühl der Stärke. Macht.
Mut. Wenn er da war, konnte man Sachen machen, die man sich zuvor nie zugetraut hätte.



Etwas abseits war noch ein weiterer Spruch eingraviert.

Mut zu haben heißt nicht furchtlos zu sein. Mut heißt zur erkennen dass was wichtiger ist als die Furcht.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.03.2010

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