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Teil VI "auf nach Sudbury"

Außer Lynn, dem Gartenzwerg, hatte sich niemand von mir verabschiedet. Sie hatte Kaffee gekocht, ein sehr schönes Frühstück und sogar ein Lunchpaket für meine Reise zubereitet. "Du wirst sehen", meinte sie, während sie gleichmäßig über meinen Unterarm streichelte, "alles wird gut werden". Ich gestand ihr, mit meinem wenigen, schlechten Englisch, daß ich mit Sally rumgespielt hatte und glaubte daß dies der Grund für meine Entlassung sei. Ja ja, wenn es um seine Sally geht. Dabei hob sie ihre Hand und winkte ab. Seinen Sohn aber hat er rausgeschmissen, nur wegen ein paar dummen Streichen. Zwei Jahre schon ist er nun nicht mehr zu hause gewesen und ich glaube er arbeitet in den Mines oder im Smelter irgendwo in North Bay, oder in Sudbury. So ähnlich kannte ich diese Geschichte schon von Sally, nur sie sie hatte gesagt, Chris ihr Bruder wollte weg von der Farm weil er kein Farmer werden wollte, sondern Rechtsanwalt und weil das dem Boss nicht gefiel, würde er sich sein Studium selbst verdienen. Sudbury, Sudbury, sagte ich nun im Takt zu meinen Schritten, auf dem Weg zum Bahnhof. Alle Pläne die ich bisher gemacht hatte, wieder nach Toronto zu gehen, waren beiseite geschoben. Wenn andere sich in Sudbury ihr Studium verdienten, werde ich doch bestimmt... beinah wäre ich jetzt am Bahnhof vorbeigelaufen, so schön war der Wach-Traum vom eigenen Auto. Schnell verging die Bahnfahrt, mein Besuch bei Elli in Willowdale und schon stand ich am Highway 401. Nimm mich doch mit, dachte ich immer wieder vergebens wenn gleißendes Licht sich näherte. Schon mehr als drei Stunden stand, teils ging ich, um per Hitch hike nach Sudbury zu kommen. Anfangs war ich sehr zuversichtlich, denn es standen mehrere Frauen und Männer in Abständen von 10 bis 20 Schritten und winkten. Manche hielten sogar kleine Tafeln, auf denen ihr Ziel geschrieben stand, hoch. Vielleicht war es doch ein Fehler, daß ich auf dem Highway weiter ging. Die Chance daß einer hielt wenn er schon einmal in Fahrt war, wurde immer geringer. Außerdem fing es auch noch an ziemlich stark zu regnen und der Weg zurück, zur nächsten Unterstell-Möglichkeit, wurde immer weiter. "Fahr doch mit der Bahn Dick", hatte Elli gesagt, "du weißt nicht wie lange du stehst bis dich einer mitnimmt, es sind immerhin knapp 400 Meilen und dann kommst du vielleicht erst mitten in der Nacht in Sudbury an". Ja sogar das Geld wollte sie mir wiedergeben, das ich ihr gleich bei meiner Ankunft ganz stolz, hier meine Schulden, in die Hand drückte. Auf Lou, sagte Elli, bräuchte ich nicht zu warten, er kommt nur noch ganz selten nach Hause. Ich stellte keine Fragen mehr und schnell war ich, aber nicht bevor ich ein riesiges Stück von ihrem frisch zubereiteten Apfelstrudel und zwei Tassen Kaffee verzehrt hatte, wieder gegangen. Unschlüssig, naß, frierend und mißgelaunt machte ich kehrt. Schon nach ein paar Schritten die ich wieder in Richtung Toronto ging wurde ich mit einem Schwall Wasser von einem schnell fahrenden Auto übergossen. Ich schrie auf, hob die Faust und fluchte ! Rote Bremslichter, der Wagen kam zurück, ein Mann sprang heraus und rief, Solly ! Solly ! Er streifte mit den Händen das Wasser von meinem Mantel verbeugte sich immer wieder Solly Solly ! Please come to Cal. Er half mir aus meinem nassen Mantel, hängte ihn hinten auf einen Haken, warf mein Flybag auf den Rücksitz und schob mich vorne auf den Beifahrersitz. Wohlige Wärme umfing mich. Jetzt streckte er mir seine Hand entgegen und sagte: "Ning !". "Hi I'm Dick !", "Coffee ?" und er hielt mir einen Becher dampfenden Kaffee entgegen. Was ist passiert ?, war ich plötzlich im Himmel ?, denn jetzt zauberte er auch noch einen kleinen Karton mit Doughnuts herbei. Eine "rege Unterhaltung" kam zu stande- Er kaum Englisch und das noch schlecht, ich kaum Englisch und natürlich auch kein Chinesisch. Aber letzten Endes wußte ich, er will nach North Bay. Wieder sagte er: "Solly , Solly" und deutete Verbeugungen an. Nun muß ich wieder raus, dachte ich und sagte: "ok, please Stop !" "No no, latel". An einem Parkplatz hielt er an und zeigte mir auf der Karte bis wohin ich mit ihm fahren konnte und schon nach einigen Meilen vertraute ich seinen Fahrkünsten. "Solly Solly", ich hatte so tief und fest geschlafen, daß ich erst gar nicht wußte wo ich war. "Ah Sudbury" sagte ich, "yes yes" und Ning deutete aus dem Fenster schräg nach links vorn und wiederholte: "Sudbölly Highway 401 !" Er gab mir meine Sachen und verabschiedete sich in dem er seine Hände faltete und sich verbeugte. Ich ergriff seine Hände und sagte: "Dankeschön".

Als hätte er auf mich gewartet, stoppte sofort ein Wagen, als ich wieder am Highway 401 zurück war. Ein freundlicher Herr öffnete die Beifahrertüre, ich sagte: " Sudbury ?" Und er: "come in ! Suchst du Arbeit in Sudbury ?" "yes Sir". "Hast du schon einen Job ?" "no Sir"! "woher kommst du ?", "von einer Farm in Hariston das ist der Nähe von Orangeville". "Du bekommst bestimmt einen Job, die Farm-helpers werden gerne genommen, denn sie können gut Schaufeln. Am besten ist du bewirbst dich erst mal bei der Inco im Smelter, da ist es nicht so gefährlich als im Bergwerk. Nicht daß es dir so ergeht wie mir ! Ich habe selbst einmal bei INCO in der Mine gearbeitet aber seit einigen Jahren bin ich invalide. Es gab damals einen Unfall bei dem ich beinahe ums Leben kam und nun brauche ich nie mehr arbeiten aber du kannst mir glauben ich würde gerne mit dir tauschen denn mit einer Silberplatte als Schädeldeckte lebt es sich nicht mehr so angenehm". Ich wunderte mich daß ich ihn so gut verstehen konnte. Wahrscheinlich kam es daher weil er, genau wie auch ich, nicht so einen großen Wortschatz zu Verfügung hatte und außerdem sprach sein ganzer Körper, was allerdings seine Fahrweise sehr beeinträchtigte. Ich nahm mir vor nicht so viele Fragen zu stellen damit er sich auf das Fahren konzentrieren konnte. "Where´r you from ?, from what Country you come ?" "from Germany !?", Ich erschrak, denn jetzt versteifte er sich, rief mit lauter Stimme: "Achtung still gestanden, Zack Zack Zack" dann riß er seine rechte Hand hoch und rief: "Heil Hitler. Jawoll, ich Soldat bei gute deutsche Armee Zack, Zack, Zack.. Meine Heimat Kroatien, meine Herz ungarisch, my Name Laslo". Es folgten noch einige deutsche Worte an die er sich erinnerte.... bis uns ein schneller fahrender PKW wild hupend überholte. Der Fahrer gestikulierte und tippte unter anderem an seine Stirn. Laslo sagte: "asshole" .... aber er fuhr wieder in seiner Spur geradeaus. Jetzt erzählte er mir in einem Mix von englisch, deutsch, Kroatisch und Ungarisch, daß er und seine Frau damals 1944 als Tito an die Macht kam, das Land verließen. "Wir waren so froh, daß ich gleich Arbeit bekam als wir ankamen aus Ungarn. Schon im dritten Jahr kauften wir uns ein Grundstück und ich fing sofort an, unser Haus zu bauen. Fertig wurde es nie. Die ersten Jahre nach dem Unfall ging gar nichts. Seit einiger Zeit mache ich immer ein wenig weiter aber es fehlt noch sehr viel. Gerade jetzt komme ich von meinen Neffen aus Richmond Hill, er wollte mit mir kommen um mir zu helfen. Das hat aber leider nun doch nicht worked out. Nun kannst du wenn du möchtest, in dem Room übernachten. Ist auch nicht fertig aber es steht eine Liege darin. Wenn wir gleich zu Hause ankommen und meine Frau reicht dir die Hand, dann sagst du, dschokolom". Immer wieder sollte ich das Wort wiederholen und er erklärte mir, dies bedeutet „küß die Hand“. "Du wirst sehen, das wird sie sehr glücklich machen denn sie vermißt ihre Heimat sehr". Der Motor des Autos war noch nicht abgeschaltet da kam auch schon, obwohl es nach ein Uhr Nacht's war, eine Frau aus dem Haus gelaufen, riß die Fahrertüre auf, umarmte und küßte ihren Mann. Dabei redete sie unentwegt in allen Tonarten, küßte und herzte ihn immer wieder und es sah aus als würde sie ihn aus dem Auto zerren. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte und Laslo einige Worte zu ihr gesagt hatte kam sie auf mich zu und streckte mir ihre Hand entgegen. Wie abgemacht sagte ich "dschokolum" worauf sie ihre Arme um mich schlang und mich auf beide Wangen küsste. It's enough, mahnte Laslo lachend mit erhobenem Zeigefinger. Schon am nächsten Morgen beim Frühstück, sollte ich erfahren, es war von Laslo gar nicht so witzig gemeint, denn gerade als er sich für einen Moment entschuldigte, flüsterte Ilonka: "biitte junge Mann du nicht bleiben hier. Laslo manche mal wenn Kopf ist nicht gut, ganz bose". Nun faltete sie die Hände: "biitte, biiitte du andere Zimmer suchen". Abrupt war sie still als sie Laslo zurückkommen hörte. Ich nickte und stopfte mir schnell ein Stück Toast in den Mund, um meine Befangenheit zu überspielen. Unschlüssig was ich jetzt tun sollte, (gehe ich erst zur Inco und suche mir dann ein Zimmer oder umgekehrt ?), betrat ich eine Snackbar. Abrupt blieb ich stehen, konnte nicht glauben was ich sah, kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf aber er war immer noch da. Jetzt kam er sogar auf mich zu, umarmte mich und fragte lachend: "hast du mir frische Brötchen mitgebracht ?" sagen konnte ich Moment nichts und ich schaute ihn immer noch ungläubig an. Er schob mich auf einen Stuhl, ging und kam mit zwei Bechern Kaffee wieder. So sehr lange bin ich auch noch nicht hier. Mein Geschäft in Toronto ging immer schlechter, die Kunden die hauptsächlich wegen der deutschen Brötchen und der Teilchen kamen, blieben nach und nach weg. Das Vorweihnachtsgeschäft war auch viel schlechter, denn jetzt stehen an der Corner-Bloor-Joung-Street gleich zwei Bratwurstgrills auf Rädern, von morgens 10 bis abends 19 Uhr. "Und Ingo ?, Jo ?, ist Ingo auch hier ?" "Nein Dick, Ingo ist bei der Familie geblieben, sie haben sogar ein zweites Geschäft aufgemacht. Ich sollte auch mitmachen aber du weißt ja „Kleider“ ist nicht so mein Ding. Aber jetzt erst einmal zu dir ! Woher kommst du ? Wo willst du hin, was willst du tun ?". "Der Sohn des Farmers bei dem ich über den Winter gearbeitet habe, soll hier gutes Geld verdienen. Ja, und genau das möchte ich auch !". "Das wird kein Problem sein, so wie du aussiehst ! wohl genährt und stark. Das sind genau die Leute die man momentan bei der INCO im Irenplant einstellt". Nun erzählte ich ihm von den Ereignissen der letzten Nacht. "Ok", meinte Jo, "erstmal brauchst du ein Zimmer denn ohne Wohnadresse kannst du nicht zur INCO. Aber wenn du willst kannst du auch meine Adresse angeben dann mußt du allerdings immer hier her kommen um deine Post zu holen". Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl herum und Jo sagte, "mach dir keine Sorgen, ich bin sicher, du bekommst einen Job". Er schrieb seine Adresse auf einen Zettel und beschrieb mir den Weg zum Employer Office der INCO. Weil ich mir nicht sicher war das Einstellbüro der INCO gefunden zu haben, ging ich auf eine Gruppe Männer, die am Fuße einer langen nach oben führenden Treppe standen zu. "Du willst zur INCO ? Dann bist du hier richtig, da wollen wir alle hin und ich bin der Letzte", sagte da einer der Wartenden. Mein Emotionsbarometer näherte sich dem Tiefpunkt. War ich vielleicht doch nicht richtig ? Dieser wie ein alter Lagerhaus-Schuppen aussehender Bau, sah nicht gerade wie ein Büro eines Großunternehmens aus. Auf jeder der Eisenstufen standen zwei und manchmal drei Männer. Alle paar Minuten kamen uns Männer von oben entgegen deren Gesichtsausdruck verriet, der hat Arbeit, der nicht. Einige schauten gleichgültig, andere zornig und manche schauten so traurig und verloren das ich dachte der weiß auch nicht wie es weitergehen soll. Das manch Einer vielleicht Frau und Kinder, seine Mutter oder seinen Vater ernähren mußte, soweit konnte ich damals noch nicht denken- denn hier in Kanada floß ja Milch und Honig in Bächen, man mußte nur schauen wo. Alle waren reich, das Wort Armut gab es ja nur in der deutschen Sprache. Langsam ging es Stufe für Stufe weiter bis wir endlich in einem mit einer Holzbarriere geteilten Raum ankamen. An der Fensterseite standen vier Schreibtische und im Eingangsbereich waren drei Bänke die jeweils mit ca. 10 Personen besetzt waren, aufgestellt. Die Luft war mit allen möglichen Gerüchen zum Schneiden dick und es war heiß, jedenfalls mir. "Next one !!" Endlich, stand ich vor einem Mann der mich eine lange Minute schweigend anschaute. Ich spürte wie mir der Schweiß den Rücken hinunter lief aber ich rührte mich nicht. Er saß hinter einem alten abgenutzten Schreibtisch der mit einer Menge Schnell-heftern und Papieren übersät war. Nun deutete er auf eine Waage. Anscheinend hatte er diese schon vorher auf ein Mindestgewicht eingestellt. Er schüttelte immer wieder den Kopf, dabei schob er erst die Kleine und dann die größere Einheit ein wenig weiter. Als endlich die Waage Balance zeigte, sagte er: "Womm, 172 pounds". Erst jetzt fragte er nach Name Wohnort und wo hast du gearbeitet ? Als er Farm hörte nickte er, "du bist eingestellt ! Vorausgesetzt der Arzt bestätigt das du gesund bist. Wir schreiben dir in one of the next day's, wann dein Arzt Termin ist - good by for now". Mein Herz machte Freudensprünge und ich mußte mich zwingen den Raum nicht jauchzend zu verlassen. Im nu war ich wieder bei Jo in der Snackbar und bevor ich verkünden konnte... sagte er, "hab ich dir doch gesagt du bekommst den Job. Aber auch ich habe good news für dich. Hier die Adresse von einem Vermieter, dort kannst du ein Zimmer oder auch nur einen Schlafplatz mieten. Der Vorteil ist, dort wohnen mehrere Singles die alle im Smelter arbeiten. Manche haben ein Auto und als Mitfahrer kommst du billiger in die Schicht als mit dem Bus. Essen kannst du bei mir.. bis du verdienst". Meinen Einwand: "...aaaber ich habe noch.." wischte er mit der Hand vom Tisch. "Du wirst sehen du brauchst das Geld bis du Lohn bekommst".

Wieder nichts ! Täglich ging ich zu Jo und meine erste Frage war: " Post ?" Jo schüttelte den Kopf, "da stimmt doch was nicht du gehst heute nochmal hin". Jetzt stand ich wieder auf der Treppe. Es waren nicht so viele Menschen da, diesmal und schon bald betrat ich den Büroraum. Der Mann bei dem ich letztes mal war, rief gerade "next !" und dann "STOP !", "Benedikt you come to me". Ich drehte mich um und schaute die Leute auf den Bänken an. Da hieß doch tatsächlich einer so wie ich ! Der Mann der als next aufgestanden war klopfte mir auf die Schulter und sagte "it's you ! go !". Endlich begriff ich. Mit einer Handbewegung wies mein Einsteller auf den Stuhl, "I'm so sorry". Some how I lost your adress und ich konnte nichts tun, nur warten bis du nochmal wiederkommst". Mir fiel ein Stein vom Herzen. Diesmal lief alles wie am Schnürchen. Schon vier Tage später bekam ich vom Arzt den "Stempel" Gesund und am nächsten Tag saß ich mit noch 5 anderen Mitfahrern auf einer Bank hinten auf einem Truck. Mit den Zweien die vorne auf der Sitzbank mitfuhren, waren es acht die den Fahrer, täglich für hin und Rückfahrt bezahlten. Heute wurde uns Neulingen der Plant (die Anlage) gezeigt und erklärt was in den einzelnen Sparten gemacht wird. Man kann überall wo man will als "Helper" arbeiten, vorausgesetzt es wird ein Platz frei. Dies wird am schwarzen Brett angeschrieben und man meldet sich im Büro des Vorarbeiters. Zum Beispiel hier, wir standen unter einem riesigen Dach. Diesellok's rangierten die mit Erz beladenen Wagons, die von den Helpers abgefertigt werden. Als nächstes werde ich euch ins "Craizyhous" führen, es ist oben auf einer Zerkleinerungs-Maschine in die das Erz als erstes fällt. Den Namen hat der Arbeitsplatz weil es so laut ist das man die eigene Stimme nicht mehr hört, außerdem ist man ständig einer Vibration ausgesetzt und man ist die ganze Schicht allein. Das Schwierigste ist wach zu bleiben, man muß unentwegt das Erz beobachten ! Sonst hat man nichts zu tun, außer wenn ein zu großer Balken oder vielleicht ein Kadaver ankommt, sofort die Maschine zu stoppen. "Bitte setzt nun eure Ohrenschützer und Masken auf". Weiter ging es auf und ab immer an mit Erz beladenen Fließbändern vorbei, an denen Männer das heruntergefallene Erz wieder hochschaufelten. Durch Hallen in denen Arbeiter Berge von feinem Erzstaub mit scharfem Wasserstahl weiter schafften und schließlich zeigte uns unser Guide auch noch die Gießerei. Hier bekommt man allerdings ohne vorher Kurse belegt zu haben, keinen Job. Sehr schnell hatte ich mich an die Schichtarbeit gewöhnt und weil die anderen Mitfahrer auch zu verschiedenen Zeiten anfangen mußten, lernte ich sehr bald einige Landsleute kennen. Manchmal sprachen alle, jeder in seiner Muttersprache, wild durcheinander. In einem Punkt jedoch, waren sich alle einig: Möglichst schnell möglichst viele Dollars zu verdienen. Fast täglich wurden wir Neulinge von unserem Schichtboss an andere Arbeitsplätze an denen man andere Aufgaben erfüllen mußte eingeteilt. Auf diese Weise lernten wir die Arbeitsplätze, für die man sich später, um nachzurücken einschreiben konnte, kennen. Sehr schnell merkte mein Schichtboss Mister Mc. Rusbury, daß ich sehr gut mit Maschinen und Geräten umgehen kann. Kleine Reparaturen, die man mit wenigen Werkzeugen durchführen kann, erledigte ich sofort. Als die Stelle als Feedman, hier bewegt man ein Gerät das Erz auf verschiedene Förderbänder portioniert, frei wurde, bewarb ich mich und mein Lohn wurde um 30% auf $ 3,68 angehoben. Dies waren bei dem damaligen Wechselkurs über 15 DM. Jetzt könnte ich "meine Lotte" auch in eine Tanzbar führen, dachte ich und schon sah ich sie wieder in ihrem hellblauen Taftrock, dazu eine weiße Spitzenbluse, vor mir stehen. Ihr schulterlanges goldblondes Haar trug sie meist zu einem Pferdeschanz gebunden. "Sie werden doch nicht mit diesem alten Karren fahren !" waren die ersten Worte die sie "damals" zu mir sagte, dabei deutete sie auf mein Fahrrad, das ich gerade mit Waren, aus dem Laden meiner Eltern, belud. Doch ! "muß liefern" stotterte ich, mein Motorrad springt nicht an, der Kunde wartet schon und ich merkte gar nicht das sie schon gegangen war… Ein schriller Pfeifton, ausgelöst durch das herunterfallende Erz, riß mich aus meinen Gedanken,. Ich hatte die Maschine nicht weitergefahren. Schon stand auch der Schichtführer da.- "Ich weiß nicht... sie läßt sich nicht bewegen !" Ich nahm einen tiefen Atemzug und warf einen Blick nach oben.... er probierte selbst- und tatsächlich die Maschine fuhr nicht weiter. "Wait", er ging. Als er mit dem Reparaturteam wieder kam, lief der Feeder und ich bekam einem anerkennenden Blick. Es war gut daß ich aus meinen Gedanken gerissen wurde, denn meistens Quälte ich mich mit Selbstvorwürfen, weil ich sie geschlagen hatte (so nannte es jedenfalls sie, ich dagegen nannte es ein "Liebes-Tatscherl"), damals", weil sie sagte: „weißt du "Snak" ich bin nämlich hingefallen !" und !? und ?! Ja ja, das habe ich gesehen wie du in die Arme von dem uniformierten Ami gefallen bist !" Wahrscheinlich hätte ich sie sowieso verloren, an das süße Leben, das sie glaubte gefunden zu haben. Jetzt hatte Sie einen guten Grund mit mir Schluß zu machen. Obwohl inzwischen schon vier Jahre vergangen waren, die Wunde in meinem Herzen, war bisher noch nicht verheilt. Wie ein "Wilder" arbeitete ich in den nächsten Wochen und alle Dollars die ich nebenher verdiente gab ich für Kleidung und Dinge, die ich meinte haben zu müssen, aus. Überall wo man eine Aushilfe brauchte war ich willkommen, Sudbury war im Aufwärtstrend. Egal aus welcher Schicht ich kam als erstes ging ich zu Jo. Hier gab es oft Arbeit, weil einer fehlte, in der Küche, an der Theke oder im Service. Jo nahm, im Gegenzug, nie Geld von mir für meinen Verzehr. Aus der Nachtschicht kommend half ich, vorausgesetzt Jo brauchte mich nicht, bei Mr. Wash, einer Auto-Waschstraße, natürlich nicht zu vergleichen mit den Carwaschautomaten von heute. Mitten durch die Halle lief eine Kette an die, die Autos deren Felgen von zwei Männern mit Dampf- Hochdruckreinigern gesäubert worden waren, mit Haken zum weiter Transport eingehängt wurden. Dann passierte das Auto sechs Männer die sich mit Schaumschwämmen darauf stürzten. Durch eine mit Glaswänden geschützte Kammer, in der es von allen Seiten mit Wasser besprüht wurde, ging es weiter zu einer Windanlage. Hier verschwand die Kette im Boden und die Haken die sich selbst ausgehängt hatten wurden von einem Boy wieder nach vorn gebracht. Von mehreren Leuten, wurde nun das Auto zur Innenreinigung übernommen. Sofort sprangen zwei von den kleineren schlanken in das Auto um die Scheiben zu säubern. Von einem Zentralsauger lagen Schläuche griffbereit und einige Jungs waren beschäftigt die Wasserreste mit Lederlappen zu beseitigen. Fertig ! Der Rhythmus wurde nicht von den Arbeitern, sondern von den ankommenden Autos bestimmt. Ein Boy übernahm den Wagen um ihn auf den Kundenparkplatz zu bringen. Ich war inzwischen "Springer" Das heißt ich hatte schon alle, hier vorkommenden Jobs gemacht und war überall einsetzbar. Es ist nicht schwer zu erraten welchen Job ich am liebsten machte. Gerade hatte ich einen 1953ger Chevrollet bel air, genau das Auto das ich mir kaufen wollte, auf dem Platz abgestellt. Bald ist es soweit, träumte ich und ließ meine Hände über das Lenkrad gleiten. Da wurde die Fahrertüre aufgerissen. "Something wrong with you ?", fragte mein Chef ? er schaute mich besorgt an, "ich glaube du machst für heute Schluß, du brauchst Schlaf !" "ok Sir". Auf dem Weg nach Hause, nahm ich mir vor, meinen Eltern zu schreiben, daß ich jetzt eine 3 Zimmer Küche, Bad, Wohnung, die ich mit 2 Arbeitskollegen teilte, gemietet hatte. Weil ich die meisten Nebenarbeiten übernahm, mußte ich dafür auch den geringsten Anteil an Miete zahlen. Und das Reiner, der Kleinere von den Beiden...., Reiner fand mich, mit dem Oberkörper quer über dem Küchentisch, auf meinem angefangenen Brief liegend. So huschte das Leben unbemerkt dahin !

 

Aber dann kam Lucy !

heißt der nächste Titel meiner Erzählung Der Freund aus Kanada VII

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Tag der Veröffentlichung: 10.03.2015

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