Cover

Bildbeschreibung

Ein „Geschmier“ dachte ich, und sofort machten meine Augen die Runde, um zu sehen, ob da nicht jemand meine Gedanken auf meinem Gesicht lesen konnte. Das durfte nicht geschehen. Bin ich doch zu bekannt, und jeder weiß: Der hat doch keine Ahnung von Kunst, vom Malen schon gar nicht. Um seinen Flur streichen zu lassen, muss bei „dem“ ein Maler her. Ich hätte überhaupt nicht kommen sollen. Schon die lange beschwerliche Anfahrt durch die Eifel mit dem ewigen Geschimpfe vom Chauffeur bei jedem Schlagloch und von Ellen bei jedem neuen Whisky, den sie mir mit viel Eis bereiten sollte. Früher war sie da ganz anders ......, da mussten wir ja auch noch zusammen helfen, um den schweren Handkarren zu ziehen. „Ach Liebling, du weißt ich mag diese Gedanken nicht“, sagt sie jetzt in die Stille hinein. Wie immer, sie weiß .., sie kennt mich zu genau. Ein entgegenkommendes Fahrzeug, viel zu schnell, zu groß, zu breit, drängt mich in die Wirklichkeit ...


Wie oft bin ich hier schon gefahren, mein Pferdegespann kannte den Weg genau. Da konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen und die Schönheit der kleinen Dörfer, wenn immer wir über eine Anhöhe kamen, genießen. Ja, malen müsste man können. Da sind sie wieder .., die Bilder .., die Gemälde .., die in Farbe verwirklichten Gedanken, der Versuch sich auszudrücken, sich mitzuteilen, den Betrachter dazu zu bringen sich selbst darin zu finden. Was dachte ich von dem Bild? ... Geschmier ... Die Heimfahrt dauert noch viel länger, bestimmt weil ich mit meinen Gedanken zu keinem Ende komme. Wir hatten die Autobahn gewählt, damit wir schneller zu Hause sind. Es waren viele Bilder ausgestellt bei dieser Vernissage, für mich war nichts dabei. Die Canapees waren ja ganz gut, aber dass es nichts zu trinken gab, außer Federweiß, aus des Veranstalters eigenem Weinbau ... sicher haben sie alle Flaschen weggestellt, als sie mich kommen sahen. Die „feinen Leute“ lobten das Getränk, mich schüttelte es bei jedem Schluck, und das zeigte ich auch. Niemand ist mir böse, denn man kennt ja meinen Humor. Langsam wird es still im Haus. Lange schon ist Ellen zu Bett gegangen, der Hund liegt auf dem Rücken, die Beine in die Luft gestreckt und seine Oberlippe ist nach unten gefallen, man sieht sein wundervolles Gebiss. Zum Glück ist er ein sehr braver Hund, beißt niemand, und in Gedanken höre ich es knacken, wenn er einen Röhrenknochen zerkleinert. Hu, es schüttlt mich ... In meinem Kopf hämmert es immer noch. Warum kann ich nicht beschreiben, was ich sah??? Geschmiere, wage ich schon lange nicht mehr zu denken. Denn bereits als ich mir den vierten Whisky einschenkte, löste sich der Krampf, der mich daran hinderte, die alten Ansichten, Grundsätze, Traditionen und Lebensweisheiten, noch vom Urgroßvater übernommen, abzulegen, und es wurde mir klar, das Bild hat etwas, es möchte dir etwas sagen, aber du musst es mit den Augen von heute, von jetzt betrachten. Hörbar atmet der Hund aus. Aha, er hat gemerkt, dass mein Blick auf ihm ruht. Ich spüre, wie sich mein Geist und der des Alkohols zusammentun. Wie einfach wäre es doch den Hund zu beschreiben ... Aber das Bild, es war kein Bild ... und doch --- Ich muss weg von der guten alten Zeit. Durch die Bedienung von Computern, die wiederum die Roboter steuern, werden ganz andere Wesen aus uns entstehen. (hier vermeide ich ganz bewusst das Wort „Mensch“ zu denken) Das Gehirn, das wir benutzen, ist im Rechner, es ist jetzt schon meist gescheiter als der Benutzer. Noch muss man die Oberfläche bedienen, aber auch das wird immer weniger und es gibt vielleicht bald nur noch einen einzigen Knopf. Der ganze Körper wird überflüssig. Was noch bleibt ist der SEX--- Verstand wird, wurde, dafür sowieso nie benutzt. Dadurch wird das Gehirn immer kleiner, und deshalb auch der Kopf. Einige sehr qualifizierte Programmierer werden das Großhirn immer weiter ausbauen, um zu guter letzt selbst von der Maschine beherrscht zu werden ... Ganz einfach ist es jetzt für mich, das Bild zu beschreiben. Noch einen Schluck Treibstoff ... Ja meine Maschine ist schon alt, sie braucht Sprit, sie läuft nicht nur mit Wind oder Wasserkraft oder gar Sonnenenergie. Da kommen auch noch schlimme Zeiten auf mich zu, wenn der Sprit immer teurer wird.

Das Bild: Ein Zwetschgenkern großer Kopf beinhaltet nur noch eine Hirnzelle, die weiß, wann der überdimensionale Zeigefinger, seine einzige Extremität, den Knopf drücken muss, um das Megahirn, das vor ihm schwebt, einzuschalten. Die, durch das ewige nur Sitzen zu einem nach außen gewölbten Bogen degenerierte Wirbelsäule endet in einem buschigen Schwanz, der die Hirnzelle mit Säften versorgt und außerdem, dies jedoch völlig unkontrolliert, für die Fortpflanzung zuständig ist. Sehr wenig, anscheinend nur durch Geistesblitze erzeugtes Licht, erhellt schwach ein anonymes trauriges Dasein. Das Ganze hat einen hellgrünlichen Hintergrund mit allen Schattierungen in Grau und Rosa. Dies lässt auf verbrauchte, sehr warme, mit Düften geschwängerte Luft schließen. Irgendwann am nächsten Morgen findet mich Ellen auf dem Boden liegend vor dem Kamin. In der einen Hand die leere Flasche, in der anderen die Pfote vom Hund. Leise holt sie eine Decke und breitet sie über mich. Mein armer Schatz, sicher bist Du noch auf der Reise, haucht sie. Wie immer ... Sie weiß Bescheid. Aber meine letzten Gedanken ... Wie waren die tatsächlich: Einst wird es möglich sein eine neue, dieser Zeit angepasste, Arche Noah zu bauen. Eine, der es möglich ist, in andere Galaxien zu fliegen in denen es Welten gibt, die wir dann in aller Sorglosigkeit verbrauchen können.

Schlussanmerkung: Es ist mir klar, die Gedanken des Künstlers waren ganz andere als er das Bild ... das Kunstwerk ... malte.

Impressum

Texte: Umschlagbild von Conrad Cortin
Tag der Veröffentlichung: 01.02.2009

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