Hans und Grete Lüder, Lutter,
er aus Möhra, Neustadt sie;
g'schäftlich stehn sie gut im Futter,
trieben Bergbau, hielten Vieh.
Kinder hatten's bis zu neun.
Martin war der Ältsten ein.
Sein Geburtstag ist nicht klar,
Standesamt gab es noch keines.
S'Kirchenbuch erweist als wahr:
Eltern tauften hier ihr Kleines,
Martinstag vierzéhnachtdrei
Petri-Pauli-Kirch es sei.
[1483]
Noch geboren in Eisleben,
wuchs in Mansfeld er dann auf.
Streng gezüchtigt, gleich den Reben,
macht der Schüler seinen Lauf. [1497]
Domschul Magdeburg und ach,
auch Sankt Georg, Eisenach.
Ein Lateiner ganz und gar,
kam er aus der Schule wieder. [1501]
Schöne Künst legt Erfurt dar.
Er studiert sie auf und nieder.
Wird Magister artium:
Zweiundzwanzig, gar nicht dumm.
[1505]
Als Jurist sieht ihn der Vater:
Ein Geschäftsmann denkt voraus.
So wär Martin sein Berater,
Papas Stolz als kluges Haus.
Doch die Laufbahn kriegt nen Drall.
Martin kommt ganz jäh zu Fall.
Auf dem Weg z'Erfurt zurück [1505]
drohen Martin Blitz und Schlag.
Er verwirft des Vaters Glück,
schwört in's Kloster sich den Tag.
Dort bei Stotternheim schreit er:
Rett mich, Anna, bitte sehr!
Wie ein Wilder Martin stürzt sich
tief ins Augustinersein.
Ringt um Rettung, beichtend täglich,
hält die Ordensregel ein.
Schon vor Ablauf von zwei Jahren
hat er Priesterweih erfahren. [1507]
Nicht aus Liebe, Furcht ihn treibt
streng zu halten die Gebote.
Er verurteilt, wie er schreibt,
selbst die falsch gesetzte Note:
Was mich antreibt, ist nur Schrott.
Wie krieg ich 'nen gnäd'gen Gott?
Johánn von Staupitz ist sein Prior,
Beichtiger, fast General.
Der sieht án ihm neben Furor
Martins Geistmacht allemal,
schickt nach Wittenberg den Mann, [1508]
der The'loge werden kann.
Und auch dabei zeigt der Junge:
Er fasst rasch, was ihn gelehrt.
Martin lernt und lehrt. Die Zunge
bringt's hervor ganz unbeschwert.
Was ihm grade klargemacht,
hat er andern beigebracht.
1509
Erfurt, Wittenberg, es ging [1511]
hin und her in der Region.
Staupitz hatte da im Sinn
fordern, fördern, Dienst und Lohn.
Er schickt ihn nach Rom sogar,
was für's Leben 's Weit'ste war. [1511 ~ 12]
In der ewgen Stadt der Hügel,
die von Unrast schier zerbirst,
gibt sich Martin selber Prügel,
kniet hinauf zum Treppenfirst.
Er bezwingt den Lateran
auf den Knien; lieber Schwan!
Diese Buß- und Ablassübung
opfert Martin Luther gern.
Er erkennt noch nicht die Trübung,
die er später wähnt so fern
von der Gnade, die ihm wichtig.
Jetzt scheint Quälerei noch richtig.
Doch in Rom sieht Martin blühen,
das kann er nicht akzeptieren,
Laster, Leidenschaften, Mühen
sich in Brunst zu profilieren.
So ist ihm die Stadt ein Graus.
Das kommt später groß heraus.
Lange streit' der Orden sich:
Wie streng muss die Regel gelten?
Fünfzehnzwölf in Köln am Tisch [1512]
sitzt auch Martin und kann schelten:
Brüder, jetzt ist's höchste Zeit
zu beenden diesen Streit!
Doctor theologiae,
promoviert im selben Jahre,
brachte Martin Luther jäh
hier ein Lehramt für das Wahre;
Nachfolger von Staupitz, Hans.
Wieder zeigt sich: Martin kann's.
Staupitz will ihn weiter küren:
Provinzialvikar wird er. [1514]
Elf Konvente sind zu führen.
So zieht Martin weit umher.
Der sonst ganz verkrümmt im Ich,
wurd aufréchter sicherlich.
Wann er dann endlich erkannte, [1511-1513]
dort in Wittenberg zuhaus,
was er Turmerlebnis nannte, [1515]
weicht der Wissenschaft noch aus.
Es war aber ziemlich sicher 1518
auf dem Klo. Lasst das Gekicher!
Martin hat Verstopfung lange.
Oft ging es ihm furchtbar schlecht.
Wenn dem Geist ist ständig bange,
steht's auch um den Bauch nicht recht.
Wer nicht richtig Stuhlgang hat,
ist auch sonst am Körper matt.
In der Not an Leib und Seele
fand Martinus neues Licht.
Ihm ging auf, dass, was ihm fehle,
wird mit Leistung besser nicht.
Nur aus Gnade uns gelingt,
was den Himmel näher bringt.
Dieser erste Schritt nach vorn
zeugt erst später großen Krach.
Droht mir nicht mehr Gottes Zorn,
werd ich froh nach Weh und Ach.
Glaube ohne Leistungsdenken,
das beendet mein Verrenken. [1505-1515]
Da die allgemeine Lehre
anders ist, als Luthers Sinn,
kommt er'm Ablass in die Quere,
weist auf dessen Schwächen hin.
Vielfach Kirch und Fürst gewinnt,
weil ein Strom an Münzen rinnt.
Reue, Buße, das kann gehen,
Mensch wirft sich in Himmels Hort.
Gott verschenkt daraus das Lehen
Gnade, sagt sein Bibelwort.
Aber kaufen kann man nicht,
was des Menschen Bosheit bricht.
Luther heftig disputiert
an der Uni, mit Kollegen.
Wissenschaft kämpft engagiert
um die bessren von den Wegen.
Was landauf, landab geschieht,
ist erbärmlich, wie man sieht.
Kirchenfürsten finanzieren
mit dem Ablass ihren Prunk.
Falsche Hoffnung, echte Schmieren,
was geboten wird, ist Stunk:
Niemals eine Seele springt
aus Fégfeuer, wenn's Geld klingt.
Doch damit die Reformierung
seiner Kirche kommt in Gang,
braucht es mehr als Alarmierung
der Dozenten lange Schlang'.
Auch der Mensch in Dorf und Stadt
muss erst finden, was Mart hat.
Darum druckt Martinus Bogen [1517]
seiner Thesen große Zahl.
Macht sie, das ist ungelogen,
fest, wo Menschen seiner Wahl,
die ihr Schritt vorbeigelenkt
lesen, was der Lehrer denkt.
Wer nicht selbst liest, lässt sich sagen,
was in Wittenberg gedacht.
Schnell sind diese krit'schen Fragen
bis nach Mainz und Rom gebracht.
Prompt wird nun zum Papst zitiert,
Luther, der sich aber ziert.
Er ist hierzuland im Gleise.
Hier schützt ihn sein Landeshirt.
Kurfürst Friedrich ist der Weise,
der ihm stets ein guter Wirt.
So wird aus Theologie
Politik, bewahrt wie nie.
Kardinal Thom. Cajetan
der gesand vom Heilgen Stuhl
hört in Augsburg Luther an, [1518]
der in Irrlehr' sich wohl suhl.
Ein Häretiker sei er.
Dieser Vorwurf wiegt recht schwer.
Was dem Doctor vorzuhalten
aus so manch gelehrter Schrift,
macht den Kläger ungehalten,
doch den Luther das nicht trifft.
Er besteht drauf, wenn man fragt:
Mir gilt, was die Bibel sagt.
Ketzerei nennt das der Kläger.
Der Professor sei verrückt.
′Nur die Schrift′, das sei ein schräger
Leitgedanke, abgerückt
von dem rechten Pfad der Lehren.
Diesem hätte Rom zu wehren.
Luther flieht die Konsequenzen.
Er weicht vor der Kirchenmacht.
Dass er damals in den Grenzen
Bayerns Schutz sucht in der Nacht,
Hohenschwangau hab' erklommen,
bleibt legendenhaft verschwommen.
Als die Kaiserwahl gelungen
und verhallt Fanfarenschall,
galt: Jetzt hat sich's ausgesungen,
Wittenbergisch Nachtigall!
Leo droht dem Ketzer an,
dass der Papst auch bannen kann. [1519]
Nun schreibt Luther dem Papst Leo [1520]
widmet ihm die Schrift dazu:
Gewissensfreiheit, eo ipso,
ich bleib dabei, geb keine Ruh.
Der Christenmensch sei frei und treu,
er nur vorm Willen Gottes scheu.
Das bringt's Fass zum Überlaufen:
Dieses Mönchlein sich erfrecht
mit uns Wissenden zu raufen.
Das bekommt ihm aber schlecht.
Hinaus mit dem zur Kirchentür,
stellt Engel Feuer-Schwert dafür. [1521]
Fürst Friedrich wagt doch noch ein Ding,
um seinen Schützling zu beschützen.
Er soll in Worms beim Reichstag, Thing,
auftreten und die Chance nützen.
Wo Deutschlands Herren selbst ihn sehen,
könnt Luther für sein Lehr einstehen.
Doch das Verhör dient bloß dem Ziel
den läst'gen Störer zu bezwingen.
Er soll, man kriegt schon fast zuviel,
zum Widerruf hindurch sich ringen:
Gewissen, Kenntnis ist mein Rahmen,
ich bleib dabei. Gott helf mir; Amen!
Nun wisst, der Mann ist vogelfrei.
Der Kaiser hat Geleit versprochen,
doch geht so etwas schnell vorbei.
Schon vielfach ward ein Wort gebrochen.
Drum holt der Weise Friederich
zur Wartburg heim den Martin sich.
Auf jener Burg saß Luther fest [1521-1522]
getarnt als Jörg, der Junker.
Das war dem Unrast gar kein Fest.
Er fühlte sich dort wie im Bunker.
Dem Mensch, der geistig rege ist,
erscheint das schönst Gefängnis Mist.
Philipp Melanchthon gab ihm Rat
die Zeit, den Geist zu nützen:
Die Bibel Deutsch als gute Tat
würd deine Laune schützen.
Kämpf dich durch Griechisch und Latein,
vorm Winter kannst du fertig sein.
Martin verdient sich seine Sporen
durch gutes Deutsch aus der Kanzlei.
Er schaut auf sprachlich wichtge Foren,
dass Markt und Haus beteiligt sei.
Wenn Frau und Mann und Kind 's verstehn,
kann's Bibelwort zu Herzen gehen.
Verfasst in lediglich elf Wochen:
das deutsche Neue Testament.
Die Erstauflage hat durchbrochen
die Hemmschwell Wissenschaftszement.
Weil Bibeln bald bezahlbar sind,
die Kluft zum kleinen Manne schwind't.
M.L. prägt Deutsch durch's Übersetzen:
führt 'Feuertaufe', 'Machtwort' ein,
lässt 'Perlen vor die Säue werfen',
bringt 'großen Unbekannten' rein.
'Gewissensbisse' stellt er her
und 'Lückenbüßer', bitte sehr.
Das, was wir heut gemeinsam sprechen,
ist durchaus lutherisch geprägt.
Sonst wären wir am Radebrechen,
von Dialekten angeschrägt.
Ganz wunderbar entwickelt sich
Hochdeutsch aus Luthers Werk für mich.
Dieweil die Katze aus dem Haus, [1522]
sprich: Luther auf der Wartburg saß,
tanzt Karlstadt, eine kleine Maus,
um's Goldne Kalb — und ihm zum Fraß,
fall'n Wittenberg und seine Frommen.
Da ist man lutherisch verkommen.
Drum wird zum Mönch wieder der Junker.
Dort in der Fern wurd Martin Zwerg.
Er flieht den schützend sich'ren Bunker,
kehrt schnell zurück nach Wittenberg.
Was man in seinem Nam gemacht,
das hat ihn richtig aufgebracht.
Martinus kann sich schnellstens äußern.
Er predigt, lehrt und sagt, was geht,
verbannt kein Bild aus Gotteshäusern.
Ein evangelisch's Mahl entsteht.
Mit Bugenhagens Pfarrerschaft,
hat's Karlstadt aus der Stadt gerafft. [1523]
Ein Mönch wollt Martin nicht mehr sein,
drum gab er dieses Leben auf.
Er schlug den andern Weg jetzt ein,
gelübdefrei sein neuer Lauf. 1524
Die erste Deutsche Messe fand
in Wittenberg bei uns ins Land. [1525]
Kathrina floh aus Klostermauern, [1523]
weil sie und ihre Schwestern spürten:
Der Zwang sollt nicht mehr länger dauern,
zu strengem Leben, das sie führten.
Sie leben bürgerlich ab jetzt,
sind in Familien eingesetzt.
Acht waren es, die Anschluss fanden.
Nur Kathrin wollte nicht das Glück,
in einer sichren Eh' zu landen.
Sie hielt sich vornehm noch zurück.
Erst als ihr Luther bot die Hand,
ergriff sie doch das Hochzeitsband. [1525]
Der Reformator war zwar gegen
den Zölibat, das Ehverbot,
doch war ihm immer dran gelegen,
dass er nicht Fläch zum Angriff bot.
Er will nicht, dass das, was er lehrt,
wird vom Gewäsch ganz blöd beschwert.
Erst spät ist er dann doch bereit
an Katharina sich zu binden.
Zu was er andere befreit,
das kann er lang für sich nicht finden.
Der Weiser zeigt die Richtung an,
den Weg, den er auch gehen kann.
Der Bund kann beiden sehr viel geben.
Es wird ein »Wir« aus zweimal »ich«.
Das Schwarze Kloster: voller Leben;
der Haushalt wächst, entwickelt sich.
Herr Käthe führt die Wirtschaft stramm.
Seither ist Luther nicht mehr klamm.
Studiosi, Gäste, Kinderlachen:
Man schafft und lebt zusammen hier.
Sein Fürst will Luthern seßhaft machen,
schenkt ihm das Haus und seine Zier.
Auch Leid, selbst Tod betritt die Szene:
Früh stirbt ihm schon Klein-Magdalene. [1542]
Die Bauernkriege schufen Zwänge:
Die Fürsten wurden wieder stark.
Das Kirchesein kam in die Gänge.
Der Landesherr wird nun zum Mark
der lutherschen Ecclesia. [1525]
Wer visitiert, beherrscht sie ja.
Die Reichsständ römscher Konfession
dulden nicht länger Glaubensspaltung.
So greifen mit Protestation [1529]
zu Speyer ein in fester Haltung
die Evangelischen im Land.
So sich »Protest« zum Namen fand.
Die Acht hielt ihn von Augsburg fern. [1530]
Martin konnt nicht am Reichstag ringen.
Die Anerkennung wollten gern
die Protestanten dort erzwingen.
Von Coburg aus stritt Martin mit.
Melanchthon hielt in Augsburg Schritt.
Als Denker, Lehrer und Schrift-Steller
schafft Luther weiter seine Sach.
Manch Dunkelheit wird durch ihn heller,
doch führt sein Schaffen auch zu Krach:
Professor gegen Juden tobt,
das wird bloß noch vom Feind gelobt.
Wie bei den Bauern er versagte,
so hat danach der Türkenkrieg [1521-1543]
ihn, der politisch sich recht plagte,
gebracht um den All-Fronten-Sieg.
»Sankt« Martin konnte er nicht werden.
Es bleiben Grenzen, Frust, Beschwerden.
Wie'n Licht, des beide Enden brennen,
musst Luthers Raubbau ihn verzehren.
Frau Käthe schimpft ihn und sein Rennen.
Doch konnt sie seiner Last nicht wehren.
Das Herz gefordert sonder Maßen,
wirft er sich trotzdem auf die Straßen.
Um Streit zu schlichten seiner Grafen
reist Martin Winters über Land. [1546]
Als Hirte kommt er, nicht zum Strafen.
Hier nimmt der Oberhirt sein Hand.
Sein Tod, dort wo er einst geboren,
macht Luthers Frau sehr arm, verloren.
Texte: Alfred Mignon
Bildmaterialien: hansbenn - pixabay
Tag der Veröffentlichung: 24.07.2018
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
In Dankbarkeit meinem Lehrer der Kirchengeschichte Paul Wüthrich