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Schöpfung

Am Anfang hat Gott den Himmel gemacht
und die Erde, s'war all’s wüst und leer,
finsterste Tiefe, nichts als Wasser und Nacht.
Und sein Geist schwebte über dem her.

Da sprach Gott zu sich selbst: „Jetzt mache ich Licht.“
Und hell ist´s gewesen sofort.
Gleich hat's ihm gefallen und so ward's eingericht´:
Da finster, dort Licht hat sein´ Ort.

„Gut ist's geworden. Was bisher gemacht
kann sich lassen seh'n, ich mein's.“
Und das Licht nennt Gott Tag und die Finsternis Nacht,
macht aus Abend und Morgen Tag Eins.

 

Kaum wars erste erledigt, wird Schritt zwei überlegt:
Eine Grenze muss rein in die Suppe,
die das Wasser in oben und unten zerlegt.
Schön gewölbt und stabil wurd' die Kuppe.

Mit der Arbeit war wieder ein Tagwerk geschafft.
Gott nennt Himmel, was er sich schuf neu.
In die Flut war von da an ein Halt eingebracht.
Macht aus Abend und Morgen Tag Zwei.

Unterm Himmelsgewölb schafft er weiteren Platz,
trennt durchs Wort die Gewässer vom Land,
drängt das Wasser zurück mit 'nem einzigen Satz,
unterscheidet das Meer und den Strand.

Diesen festen und trockenen Grund nennt er Erd',
eine Grundlag für vieles hernach.
Gottes Wort wird von Baum, Strauch, Kraut, Gras gleich erhört,
das den Erdboden wachsend durchbrach.

Das gefiel unsrem Schöpfer, wie zuvor er's schon fand.
Er hat Spaß, das ist nicht einerlei.
Gott erfreut sich am Leben aus eigener Hand.
So ward Abend und Morgen: Tag Drei.

 

Weiter wirkt’s Wort des Herrn: Er bringt Lichter sich an,
an der Kuppel, die über der Erd.
Dieses Große als Zeichen des Tages und dann
viel vom Kleinzeug, das Nachtdunkel zehrt.

Diese Lichter ergeben auch Datum und Zeit,
sind Kalender und Uhr für die Welt.
Sie beherrschen den Raum, dem sie von Gott geweiht,
zeigen, dass sie zum Dienen bestellt.


So entsteht durch das Wort, das der Herrscher gesagt,
dieses riesige Heer Himmelszier.
Gott erschafft sich, was niemals 'ne andre Macht wagt.
Wieder Abend und Morgen: Tag Vier.

 

Zum Wasser sagt Gott: „Bring' mir Leben hervor!“
Macht die Tiefe zum Quell des Gewimmels.
„Her ihr Vögel, steigt über die Gipfel empor!
Erschließt euch das Gewölbe des Himmels.“

Wie er spricht, so passiert's: Gott schafft Wal, Hai und Aal.
Jede Art hat für sich einen Sinn.
Weil er will, fliegt El Condor und Spatzen ohn' Zahl.
Er find's gut, nicht nur da am Beginn.

Seine Hand streckt er aus: Nehmt den Segen von mir!
Pflanzt euch fort! Füllt den Raum, den ihr habt!
Ich entlass' euch, gefiedert' und schwimmende Tier'.
Seid mit Fruchtbarkeit alle begabt.

So entstanden die Fische und Säuger im Meer.
Sie erfüllten die Flüsse und Sümpf'.
Es enstanden die Vögel, das himmlische Heer,
ward aus Abend und Morgen Tag fünf.

 

Zur Ergänzung sprach Gott: Auch das mittlere Reich,
meine Erde bring Leben hervor!
Hirsch und Bär, Wurm und Waran entstanden sogleich.
Und der Schöpfer sah: Gut ist dies Korps.

Dann beschloss er, der Herr: „Ich setz noch einen drauf.“
Ich mach Menschen nach meiner Natur:
So wie ich Ordnung halte im kosmischen Lauf,
herrschen die in der irdischen Spur.

So schuf Gott sich den Menschen, wie er es gedacht.
Stattet aus ihn mit großem Geschick.
Wie er Tiere und Pflanzen schon vorher gemacht,
wird Mensch männlich und weiblich, zum Glück.

Wieder segnet der Herr seine Schöpfung voll Macht:
„Pflanzt euch fort und durchdringt alle Welt.
Habt auf euch und das andre Geschaffene Acht.
Herrscht für mich unter meins Himmels Zelt.

Sei es tief drin im Meer, sei’s am Himmel ganz hoch,
jeder Raum steht euch offen von mir.
Wie der Fisch schwimmt und taucht
selbst ins finsterste Loch.
Wie ein Vogel könnt fliegen auch ihr.

Alles das, was ihr braucht gibt die Erde euch her.
Ihr habt Früchte und Samen zuhauf.
Respektiert andres Leben,
fällt's euch manchmal auch schwer.
Teilt, was da ist, ganz liebevoll auf.“

Und Gott sah alles an, was geschaffen er hat.
Siehe da: Wirklich Spitzengewächs.
An dem Werden und Wachsen schaut er sich kaum satt.
Es war Abend und Morgen: Tag Sechs.

 

Zu vollend’n die Schöpfung wird Ruhe gemacht.
Nachdem Himmel und Erde erfüllt.
Wer das Ziel aller Arbeit, den Festtag gerafft,
naht dem Schöpfer, der jeden Durst stillt.

Gottes Art ist es nicht, ohne Pause zu ackern.
Ganz bewußt segnet er diesen Tag.
Wenn's dem größten Herrn reicht, nur an Sechsen zu rackern,
brauchen wir auch nicht mehr von der Plag.

Diese göttliche Kraft, die uns selig erneut,
ist dem Sabbat noch immer geblieben.
Über Dienst und Verdienen steht morgen wie heut
Gottes Goldener Ruhe Tag Sieben.

 

 

 

 

Schöpfung - die zweite

 
Als Gott der Herr die Erde machte,
da war sie erst noch kahl und leer:
Ein unbepflanzter, feuchter Acker,
vom Tau, vom Dunst, von Tropfen schwer.

Kein Vogel sang, kein Fischlein schnappte,
kein Halm, kein Zweig, kein Mensch war da
in dieser Ödnis, dieser Brache.
Doch Gottes Plan die Zukunft sah.

Der Töpfer griff sich Ackererde
und formte einen Gärtnersmann,
dem baute er dann einen Garten,
den dieser nun beackern kann.


Der Mensch trägt in sich Schöpfers Atem.
Gott hat ihn damit hoch begabt.
So weht in jedem Erdenschnaufer
etwas, das Gott zuvor gehabt.


In Eden pflanzte Gott dem Männchen
die schönsten Bäume aller Art
mit leckren Früchten in den Kronen,
so dass ihm großer Reichtum ward.


Inmitten dieser wunderbaren
Oase stellte Gott sich auf
den Baum des Lebens und der Kenntnis
von Gut und Böse - Fluch darauf.


Die Alten suchten Gottes Garten,
das Eden, diesen Schatz von Land,
wo Gold und Edelsteine liegen,
wo allen Lebens Wiege stand,


im Reich der Ströme und Gewässer,
denn die sind so von Segen reich:
Der Pischon, Gihon, Tigris, Eufrat,
die quellen aus dem Garten gleich.


»Ich setze dich in meinen Garten,
als meinen Bauern, Lehensmann.
Bewahre mir den Schatz aufs Beste.«
So sagte Gott die Pflicht ihm an.


»Von deiner Hände Arbeit leben
kannst du in diesem Paradies,
kannst essen, was an Frucht und Blattwerk
dir meine Großmut überließ.


Doch von den beiden innern Bäumen,
lass deine Finger weg: Die nicht!
Die Frucht ‚Erkenntnis’ wird dich töten,
wenn deine Hand vom Baum sie bricht.«


Noch war der Mann allein auf Erden.
Gott fand, das sei nicht ideal.
So bot er ihm aus den Geschöpfen
als Partner an die Qual der Wahl.


Das was der Herr an Tieren schuf,
das brachte er zu seinem Mann,
damit der, den er auch geschaffen
sie je und je benennen kann.


Die Viecher traten auf in Paaren,
da fiel dem Namensgeber auf,
dass ihm ein Gegengoldstück fehlte.
Kommt Zeit, kommt selbst ein Mann da drauf.


Sein Schöpfer senkt ihn in Narkose,
für ne OP, zur Rep'ratur,
entnimmt dem Schläfer eine Rippe,
die braucht der nicht, die stört da nur.


Daraus formt Gott ne kesse Biene,
die seinem Mensch' gefallen soll.
Der wird bald wach, sieht diese Schöpfung
und findet, was er wahrnimmt, toll:


»Du passt zu mir wie Brust zu Keule.
Für mich bist du ein echter Schatz.
Boah, du durchziehst längst meine Träume.«
Die Frau kriegt ihren ersten Schmatz.


Die beiden hängen aneinander,
da passt kein Blatt mehr zwischen rein.
Was jung Verliebte eng verbindet,
das ist nicht krank, das muss so sein.

 

Di Schepfung, kurpfelzisch

Am Aofang hod God de Himmel gemachd
unn die Ead. Noch waas wieschd und waa lea.
Finschda dief nunna, Wassa, Newwl unn Nachd.
Unn sein Geischd waabed als driwwa hea.


Unn dann hod sich God gsaad:
Jeds mach ich ma Lichd.
Unn hell isses worre, sofoad.
Des hodm so gfalle un drum hoddas eigrichd:
Do finschda, do Lichd hod sein Oad.


»Guud is es worre. Was bis jeds gemachd
kann sich losse sehe, ich mäns.«
Unn des Lichd nennda Daag und
die Finschdanis Nachd;
machd aus Oawend und Moaje Daag äns.

 

Kaum waas Eschde erledichd
wäd ans Negschde gerennd:
Ziehd ä Zwischedegg ei in da Subb,
wo des Wassa vun owwe vun dem unnere drennd.
Schä gewelbd unn schdabil waa die Kubb.


Mid dea Aweid wa widda än Daag rumgebrochd.
Himml nennd God des neie Gedee.
In die Uasubb is jeds mol än Hald eigebrochd,
machd aus Oawend und Moaje Daag zwee.

 

Unnam Himmlsgewelb schaff da weida sich Plads,
wasa sechd drennds Gewesser vum Land,
schiebd des Wassa zurigg mit äm änziche Sads,
unnascheidt was noch Mea unn was Schdrand.


Den jedsd feschde und droggene Grund nennd a Ead;
do wäd druffgebaud noch an dem Daag.
Wasa sechd wäd fun Boam, Schdrauch,
Graud, Gras glei erhead,
des wegsd uff ausm Grund uff än Schlaag.


Widda hoddsm so gfalle, wie des annare Gschefd.
Ea hod Schbass, des is ned änalei.
Unsan God freed des Leewe aus eijena Hand.
So wäds Oawend unn Moaje: Daag Drei.

 

Weida wirgds Herrewoad:
Ea schraubd Lichda sich dro,
an die Kubbl, wo iwwa da Ead.
Fä dä Daag des ganz Helle unn Grooße unn do
fä die Nachd dann des Gläzeig, wies ghead.


Des Gelichda fabind God mit Dadum unn Zeid,
dodroa sihd ma wie ald is die Weld.
Die sinn Häscha, fumm Owwaschde selwa geweihd
unn sinn Diena, fun God heabeschdeld.


Es entschdehd duach sei Woad,
weil da Schepfa es sachd,
an dem Himml des ganze Geziea.
God schaffd lessich,
was kä sunschdich Machd jemols waachd.
Widda Oawend unn Moaje: Daag Viea.

 

Unn zum Wassa sechd God:
»Du bringsch Lewe jeds ruff!
Unn in Diefsee unn Pfidz kwilld Gewimml.
»Auf, ia Biepmedz, steigd iwwer die Gibfl do nuff!«
Unn ufs Mol fladdads luschdich am Himml.


Ea hods gsaad, so bassieads:
God mechd Wal, Hai unn Aal.
Jedi Aad hod fä sich aa en Sinn.
Weil eas will, fliegd da Adla unn Schbadse oon Zaal.
God finds guud unn die Weld hod Gewinn.


God sei Hand streggd sich aus: »Seid gesegnd vun mia!
Waxd unn mehrd eich so guud wies bloß gehd!
Breid eich aus, Schwimma, Fliega,
mei äschdes Gediea.
Machd was draus. Seid gewizd unn ned bleed!


Seit dem paddlds un schwimmds wo ä Pfidz oder Mea,
wo ä Bach, wo di Fliss odda Simf.
Ab do flieje die Veegl, des himmlische Hea,
wäd aus Oawend und Moaje Daag fimf.

 

Weils noch fehld sechd sich God:
»A da Zwischebereich,
du mei Ead, sei belebd, voller Mud.«
Wuzz unn Wolf, Worm unn Waschbea entwiggle sich reich.
Unn da Macha sechd: »Mann, is des gud.«


Dann beschliessd God, da Hea:
»Jetzt zum Naggl de Kopp!
Ich mach Mensche, die so sinn wie ich.
So wie ich Oadnung hald iwwa allem im Topp,
gugge die uff die Weld - unn uff mich.«


So machd God sich dä Mensch,
so wie ea sichs gedengd;
machd n klewwa, voll Hean unn voll Gschigg.
So wie vohea die Viecha und Pflanse gelengt,
gibbds de Mann unn di Fraa, was ä Gligg.


Mid seim Seje vavollschdändichd God, was gemachd:
»Mehrd unn drehd eich unn soagd fä mei Weld!
Liebd des Ganze, eich selwa, nämd alles in Achd.
Seid mei Fäschde unn zwa wie mia des gfelld.«


Unn God guggd sich des oa, was unn wie alles is:
Alla hopp, des is Spitzegewex!
Alles drin, was es brauchd. S is en Schadz volla Kiss;
nochmol Oawend unn Moaje: Daag Sex

 

Fehld noch was in da Weld?
Was glaabsch, was jeds noch kummd?
Was kännd all die unn des iwwerdreffe?
Jeds, wos Lewe florierd
unn des ganse Gschefd brummd,
brauchds noch äns: Drinn im Schdurm Sejl reffe.

God sei Aad isses ned, pauselos sich zu blooche.
Dem felld do ebbes Besseres ei:
Unn die Fies legda hoch, es iss gaa ned gelooche:
Guggds eich oa, so endschbannd sollda sei.

 
Jeds kummds Beschd vun da Schepfung,
die Schbitz vun dem Schber,
was ich saach, des is ned iwwerdriwwe:
Do sein heiliche Feierdaach. God schdelldn her,
machd aus Oawend und Moaje Daag Siwwe.

 

Rot - Grün

 

Sündenfall

Ganz friedlich war's in Gottes Garten,
kein Wesen hatte Grund zum Streit.
Doch gab's beim auf das Essen Warten,
als Frau und Schlang' der Dinge harrten,
'ne winzige Unstimmigkeit.

 

»Ja sollte Gott geboten haben,«
so säuselte das Schlangentier,
»dass ihr von all den guten Gaben,
an denen sich sonst alle laben,
nichts essen dürft im Garten hier?«

 

»Das ist nicht ganz korrekt«, berichtigt
die Frau ihr länglich's Vis-a-Vis.
»Wir nutzen alles unbesichtigt.
Die Früchte sind uns äußerst wichtig,
wir meiden nur inmitten die.«

 

Von denen hat Gott abgeraten.
Das weiß sie noch, das ist ihr klar.
Die töten, mindestens auf Raten,
wenn nicht sofort, wie Giftpilzbraten.
»Die sind gefährlich, ist doch wahr.«

 

Die Schlange höhnte: »Niemals nicht
droht euch der Tod, das sagt Gott nur.
Wer diese Frucht vom Baume bricht,
dem geht dann auf das göttlich' Licht,
der unterscheid't gut', böse Tour.«

 

Wer will nicht klug sein? - Ach, die Frau,
die weder blond noch blöd gewesen,
besah sich Frucht und Baum genau.
»Wie schön verlockend. - Ich vertrau!«
Schon pflückt sie, teilt mit ihrem Wesen.

 

»Sehr appetitlich«, meint der Mann.
Ihr Auge scheint sich auszuweiten.
»Warum ziehst du dich nicht erst an?«
Er: »Du bist auch nicht besser dran,
nackt, wie uns Gott schuf seiner Zeiten.«

 

Als Gott sie suchte, fand er keinen
von seinen Menschen im Quartier.
Sie nahmen Deckung vor dem Einen.
Ihr Zustand ließ sie leise weinen,
mit Feigenblättern als Kaschier.

 

Der Herr rief: »Adam, Mensch, wo bist du?«
»Ich zieh mir grad' was drüber, Herr.« -
Bevor der Mensch sich noch was antu
macht Gott ein End der Paradiesruh'.
Adam würd' sonst ein Ewiger.

 

Der Mann muss draußen richtig ackern.
Gespielt wird erst nach Arbeitsschluss.
Die Frau hat ebenfalls zu rackern.
Am Tor lässt Gott ein Schild antackern:
»Gesperrt, weil ich euch schützen muss!«

 

 

 

 

 

Mutter Eva


Wie einst die Frau wurd' Menschenglück,
wird in der Schrift zweimal erzählt:
Zuerst heißt es, Gott hat am Stück,
nicht hintennach die Frau erwählt.
Sein Ebenbild sind sie zu Zwei'n.
Frau kommt mit Mann zur Welt als Ein'.


Auch in der zweiten Schöpfungsg'schicht,
die gut zu unterscheiden ist,
versteht der Produktionsbericht
sich nicht als Rang- und Standeslist':
Dem Mann entnimmt der Architekt
ein weiblich's Teil, das in ihm steckt.


Wir denken oft, ziemlich betrübt,
die Schöpfung sei nicht gleich gelungen.
Nein, Gott hat nicht beim Mann geübt,
den Fehler erst danach bezwungen.
Er musst' verzögern, weil verschreckt
kein Mann sonst glaubt, was in ihm steckt.


Solange sie noch nicht gelähmt,
durch Klugheit, die sie Gott geklaut,
war'n sie und er ganz unverschämt.
Sie trugen nichts als ihre Haut.
Erst als die Überheblichkeit
mit ihnen durchging, ging's zu weit.


Von Eva heisst's, sie hat drei Söhne,
Kain, Abel erstmal und dann Set.
Das war viel Arbeit für die Schöne,
war Leid und Freude, wie's so geht.
Doch hat die Mutter stets beschworen:
Aus Gottes Gnad sind sie geboren.


Was lehrt die Eva aus der Schrift
uns, die wir heut' wie aller Zeiten,
zu lernen haben, was zutrifft,
wohin das Wort uns will begleiten?
Wir seh'n an ihr, dass Gott auch liebt,
die nicht den ersten Ton angibt.


Vielleicht bist du nicht mal die Zweite,
stehst viel im Schatten statt im Licht.
Der hohe Herr geht dir zur Seite.
Er übersieht auch Dritte nicht.
Selbst die am End' der Welt sind seine.
Und dem ganz vorne macht er Beine.


Nimm ihm nicht übel, was verdreht.
Klag' nicht den Herrn an, scheint's auch dumm.
Dein Leben vor Gericht besteht,
selbst wenn du meinst alles sei krumm.
Es kommt nicht auf die Leute an.
Gott soll beurteil'n, was getan.


Und da, wo du mit falschem Denken
bist mal gestrandet und sitzt auf,
lass dich zurück zum Höchsten lenken.
Erheb den Blick zu Gott hinauf.
Der will dich gerne bei sich halten
und deine weit're Fahrt gestalten.


Falls dir viel Gutes, Menschen, Leben
in großer Fülle sind geschenkt;
Wenn du mit Zeichen bist umgeben,
die dich leichtfertig abgelenkt:
Vergiss nie den, der dir das gibt
und der dich reich wie arm gleich liebt.

 

Kain Abel


Der Adam war ein braver Mann.
Die Bibel hat das gern zitiert.
Er nahm sich seiner Eva an,
war ganz auf sie als Frau fixiert.
Natürlich, fehlt's an andern Fraun.
Nach ihnen lohnt's nicht auszuschaun.


Dann kommt es, wie es kommen muss;
Verhütung war nicht angesagt:
Als Ersterfolg vom Lusterguss,
neun Monat hat's Eva geplagt,
es stellt sich ein ein Sohnemann.
An Kain Mann sich erfreuen kann.


Die Eltern mühten sich gemeinsam
und ließen nicht im Lieben nach.
Drum blieb der kleine Kain nicht einsam.
Ein weit'rer Knab den Schoß durchbrach.
Der Abel komplettiert's Quartett.
Das fand der Kain zunächst noch nett.


Der Abel kriegt nach Kinderjahren
den Job als Hirte, was ihm passt.
Der Kain hat seinerseits erfahren,
dass Ackerbau bringt mehr als Last.
So hatte jeder sein Einkommen
und zahlte Steuern, auch die frommen.


Beim Opfern brachten beide Männer
dem Allerhöchsten was so geht:
der Abel Tiere, echte Renner,
der Kain Gemüse, wie es steht.
Doch hatt' der Boss 'nen leichten Schlag:
nahm lieber Fleisch an diesem Tag.


Kain wurde auf den Höchsten sauer.
Das merkte der. Das ist ja klar.
Wenn du bedröppelt guckst auf Dauer,
dann sieht das, der vertraut dir war.
»Verbirg den Blick nicht stramm vor mir«,
sagt Gott, »sonst kommt was hoch in dir!«


Der Kain wollt aber weiter grollen.
Er hat den Zorn genährt, gepflegt.
Das hätt' er besser lassen sollen,
bald wär' die Sache beigelegt.
So potenziert sich halt Verdruss
und wieder kommt's, wie's kommen muss.


Zu einer Flurschau lädt der Bauer
den Bruder ein. Sie seh'n herum
wie's wächst. Doch liegt schon auf der Lauer
der Kain und bringt den Abel um,
kaum dass sie auf dem Acker sind;
verscharrt hier seiner Mutter Kind.


Der Schöpfer sucht nach Bruder Abel.
Er fragt den Kain: »Wo steckt der nur?«
Der senkt den Blick zu seinem Nabel
und tut als sucht' er nach 'ner Schnur.
»Was geht mich der an?«, fällt ihm ein.
»Sollt' ich mein's Bruders Hüter sein?«


»Weil Abels Blut zum Himmel schreit«,
so spricht der Richter zu dem Mann,
»hast du ab jetzt nur schwere Zeit.
Das Blut, das in den Acker rann,
verhindert, dass du länger bleibst,
zuhause Landwirtschaft betreibst.


Dort, wo du künftig baust und ackerst,
wird dir das Land zu schaffen machen.
Egal, wie viel du schwitzt und rackerst,
es bringt mehr Disteln dir als Lachen.
Du opferst Nerven, Zeit und Kraft,
die Arbeit bleibt, nur du bist g'schafft.


Als Flüchtling ziehst du um die Welt,
ein heimatloser Mordgeselle,
bist ohne Wohnung, haust im Zelt;
wer will, vertreibt dich von der Stelle.
So straft dich deine eigne Tat.«
Recht teuer schien da guter Rat.


»So strafst du, Herr? Hab doch Erbarmen!«
Zerknirscht greint rum der Killer Kain.
»Mach mich nicht ganz zum gottlos Armen.
Lass mich bei dir geborgen sein;
sonst schlägt mich tot, wer es nur will!«
Gott greift nach Kain und der wird still.


»Ich zeichne dich, weil du mir frommst.
Wer sich an dir vergreift, zahlt teuer.
Mein Schutz geht mit, wohin du kommst.
Du bist für mich wieder ein Neuer.
Ertrage Missachtung und Spott,
auch in die Fern gehst du mit Gott!«

 

 

Hagar: Du siehst mich

Sarai kriegte lang kein Kind,
Abram war schon alt.
Gottes Wort versprach ganz lind,
dass was kommt. Doch wann 's sich find
war noch offen halt.

 

Da wurd Sarais Seele wund:
Komm, wir helfen nach!
Sklavin Hagar ist gesund.
Nimm zur Frau sie diese Stund!
Das tilgt meine Schmach.

 

So wollt Sarai sichergehn,
dass, was Gott gesagt,
sich erfüllt. Als Mensch gesehn,
ließ der Trick sich gut verstehn.
Doch er war gewagt.

 

Hagar schwillt auch bald der Bauch.
Da meint sie ganz glatt:
Ich bin Chefin. Zeigt das auch
Abrams Erstfrau: Auf steigt Rauch.
Sarai wütet platt.

 

Erniedrigung kratzt Image an -
Die Frau ist höllisch drauf.
Sarai 's nicht ertragen kann.
Sie keift gegen ihren Mann,
hofft, er hilft ihr auf.

 

Du bist Schuld! Du hasts gemacht.
Bei Gott, du musst was tun!
Dieses Weibstück mich veracht,
sorgt, dass jede mich verlacht.
Ich kann nicht mehr ruhn.

 

Abram nickt zu alledem,
leist kein Widerstand.
Vielleicht ist er nur zu bequem,
oder 's ist nicht angenehm.
Er gibt’s aus der Hand.

 

Mach mit ihr doch was dir passt!
Diese Magd ist dein.
Wenn du jetzt das Mädchen hasst,
wächst mir daraus keine Last.
Kürz sie wieder ein.

 

Das passt Sarai in 's Konzept.
Sie hat Fantasie.
Hagar Wasser, Steine schleppt.
Sarais Mum wird aufgepeppt.
Strahlen sieht man sie.

 

O, wie ist der Sturz so jäh.
Hagar schlägt hart hin.
Sie war damals noch nicht zäh,
suchte nicht des Herren Näh,
depressiv im Sinn.

 

Nichts wie weg hier! Ganz weit fort
läuft Ägypterin.
Tauscht Schikane, Mobbing, Hort
gegen dürren Wüstenort,
schmeißt die Brocken hin.

 

Hagar findt nach langem Lauf
einer Quelle Ruh,
atmet wieder etwas auf,
nutzt die Pause hier am Trauf,
hört dem Plätschern zu.

 

Doch sie ist da nicht allein.
Gott blieb an ihr dran.
Und sein Engel, ohne Schrein,
redet ihr behutsam ein:
Fang noch einmal an.

 

Du, die Magd, wirst einst recht groß,
bleib drum dienstbereit.
Ich versorg dich, mach dich los,
breit die Früchte deines Schoß
aus in ferner Zeit.

 

Hagar muss sich eingestehn:
Flüchtling bin ich nur.
Ich kann nicht auf Glanz bestehn.
Ordnung, Recht, Gesetz begehn
eine andre Tour.

 

Aber, wenn der Herr das sagt,
ja, dann beug ich mich.
Wenn mich auch die Alte plagt
und an meinem Stolz rumnagt,
buckeln werde ich.

 

Ich will, verspricht der Himmel ihr,
deinen Nachwuchs segnen.
Ismael, ein Kämpfer schier,
wild wie ein gereiztes Tier,
macht, dass Tränen regnen.

 

Hör auf den Gott, der dich sieht,
der dein Klagen hört.
Traue dem, der mit dir zieht
und dir seinen Schutz anbiet,
der dir Treue schwört.

 

El-Roϊ nannt Hagar den,
der am Quell sie traf.
Du, mein Gott, hast mich gesehn.
Ich darf dir ganz nahe stehn.
Hütest mich, dein Schaf.

 

Zu dem Brunnen Richtung Schur
trieb nicht die Phobie.
Zu ihm führte Hagars Spur,
weil der Herr sie ansah nur:
Beer-Lahai-Roï.

 

So kriegt Hagar ihren Sohn
dann in Abrams Zelt.
Ihre Rückkehr bracht ihr Hohn.
Doch für sie war das der Lohn:
Nah dem Herrn der Welt.

 

Ismael gab Hagar an,
Gott hört, heißt das Kind.
Abram denkt: Da ist was dran,
gutes Zeichen: kleiner Mann,
wir des Himmels sind.

 

 II.

Schon hoch betagt kommt Sara nieder,
wer hätte soetwas gedacht.
Was Wunder, lachen Spötter wieder.
Die Frommen singen Himmelslieder.
Ein jeder sich sein Spaß draus macht.

 

Als dieser Sohn des Abraham,
der Isaak, wurd grad entwöhnt,
merkt Mutter Sara voller Gram,
wie Ismael zu Kräften kam:
Ein Knab von Mensch und Gott verwöhnt.

 

In ihr keimt Eifersucht und Groll.
Sie möcht den Konkurrent abräumen.
Verlangt von Abraham, wie toll,
dass er sich scheiden lassen soll,
von ihrer Magd, sonst würd sie schäumen.

 

Sara vergrault gern einen Erben,
derm kleinen Bruder Reichtum raubt.
Den Abraham schmerzen die Kerben.
Ihm liegt an Beiden. Er scheut Scherben.
Die Hauptfrau Argumente klaubt.

 

Solln jetzt der Sohn, die Zweitfrau leiden?
Er und die Herrin ham 's verbockt.
Sie möchte lösen durch das Scheiden.
Er will die Kinder beide weiden.
Was ham sie sich da eingebrockt?

 

Der Himmel greift an dieser Stelle
per Sprache ein in das Geschehen.
Der Abraham hört an der Schwelle
zum Krisenfall: Ich bin die Quelle
für den Erfolg, du sollst es sehen.

 

Auch deinen ersten Sohn will ich
zum Vater eines Volkes machen.
Du hast mein Wort, verlasse dich
auf mein Versprechen, hast doch mich
in Isaak erst hören lachen.

 

Gib Sara nach und ihrem Keifen!
Ich kümmre mich um Ismael.
Ich schütze Hagar, lass ihn reifen.
Du musst nicht nocheinmal eingreifen,
wie mit der Zweitfrau, das ging scheel.

 

Dein Zweitgeborner war versprochen.
Den Ersten hast du selbst gemacht.
Ihr habt die Treue mir gebrochen.
Du bist ins falsche Bett gekrochen.
Lass mich jetzt heilen, was verkracht.

 

Mit diesem offnen Himmelswort
als Trost und Auftrag geht der Mann
in eine Tränennacht vor Ort.
Sein eignes Fleisch und Blut muss fort,
weil er nicht vorher denken kann.

 

Kaum taut 's und tagt 's behängt er beide,
die liebe Frau, den Sohn mit Brot
und Wasser, schickt sie von der Weide
zur Wüste, los von seinem Eide,
hinaus, wo sie der Tod bedroht.

 

Beerscheba, ein karger Flecken,
dort lebt nur, wen die Sippe hält.
Auch im Verband kein Zuckerschlecken,
allein: ein Ende voller Schrecken.
Der Mensch wird bald vom Durst gefällt.

 

Als sich der Wasservorrat neigt,
lässt Hagar ihren Jungen liegen.
Sein Jammer längst schon nicht mehr schweigt.
Das Leben beider scheint vergeigt.
Sie will sich selbst in Tränen wiegen.

 

Ihr Schluchzen übertönt das Klagen
von Ismael dort unterm Strauch.
Doch beider Heulen lässt sich sagen
der Herr, dem aller Wesen Plagen
gehn nahe und der redet auch:

 

Mein Kind, sag mir doch deine Schmerzen!
Mich intressiert, was euch bedrückt.
Ich biete euch an meinem Herzen
den Platz zum Fröhlichsein und Scherzen.
Hier wurd noch niemals wer zerdrückt.

 

Ich schaffe Zukunft euch zusammen.
Ihr sollt nicht mehr verzweifelt sein.
Wir werden hier den Pflock einrammen,
wo zwei von uns in Tränen schwammen,
ein Dankmal: Niemals mehr allein!

 

Gelenkt den Blick von ganz weit oben
findt Hagar Wasser hier im Aus.
Sie schöpft, stillt 's Kind, schaut auf nach droben:
Du siehst mich, dich will ich gern loben.
Mit Gott schafft sie ein eignes Haus.

 

Ihr wilder Fang wird Bogenschütze,
im wüsten Paran, wo kaum Gras.
Sie formt ihn so, dass er was nütze,
sich nicht verkauft für Rote Grütze.
Er wächst, gedeiht und bringt 's zu was.

 

Lot

Gott selbst geht nach Sodom in Menschengestalt,
das Elend, der Jammer treibt um.
Den Schöpfer lässt Seufzen und Stöhnen nicht kalt.
Er plant drum ein mächtiges, flammendes Halt.
Wer dort sich nicht ändert, kommt um.

 

Zwei Männer sind Boten des ewigen Herrn.
Sie richten den Blick auf die Stadt.
Und Lot, der hier wohnt, lädt die Fremden sehr gern
zu sich ein, bietet Schutz für die Nacht, die nicht fern.
Will sie bergen mit dem, was er hat.

 

Die Gesandten tun so, als sein sie abgeneigt:
Sie wolln diese Nacht draußen verbringen.
Doch der Gastgeber tief bis zur Erde sich neigt
und es drängt sie sein Mund, der beredet verschweigt,
was hier droht und er kann sie bezwingen.

 

Nach dem Abendbrot rottet sich Volk vor dem Haus.
Alle wollen ihr Mütchen sich kühlen.
Aber Lot, echter Gastfreund, der wagt sich hinaus.
Ungehemmt sagt die Meute: Die Fremden gib raus!
Sie solln unsere Lust an sich fühlen.

 

Das könnt ihr nicht wollen. Ihr seid wohl verrückt.
Das sind Gäste, die stehn unter Schutz.
Meine Liebsten, mein Leben, was mich auch beglückt
ist mir weniger Wert. Tödlich wär ich bedrückt,
böt mein Haus nicht als Burg ihnen Trutz.

 

Hergelaufener Schiss, willst du König hier sein?
Hört euch doch diesen Schwätzer nicht an!
Wir sind längst schon der allergemeinste Verein.
Unser Herrscher muss grausam, gewalttätig sein.
Nur als Killer kommt der bei uns dran.

 

Und bevor noch die Raser den Gastgeber töten,
zieht Gott selber den Lot schnell ins Haus.
Hier soll fremdes Blut nicht mehr den Erdboden röten,
kein Missbrauchter mehr schreien in Ängsten und Nöten.
Dieses Trauerspiel läuft deshalb aus.

 

Für die Städte kann Gnade nicht länger mehr gelten.
Obwohl Gott, wo's nur geht, darauf zielt.
Doch bei Sodom - Gomorra hilft's nicht, nur zu schelten.
Nur mit drohen schafft da keiner bessere Welten.
Gnadenlose wie die ham verspielt.

 

Eine Chance gibt es nur für Familie und Leute,
die mit Lot jetzt vertrauen auf Gott.
Wer hier flieht, nichts wie weg von der grausigen Meute
und dem Herren gehorcht, wird auch nicht mit zur Beute,
für den Tod. Also weg und zwar flott.

 

Die Verlobten der Töchter, die Lot extra fragt,
er hat trotz der Gefahr sie gesucht,
wollen nicht fort von Sodom. Sie haben gesagt:
Du machst Witze. Was hat dir den Schreck eingejagt?
Nein, wir bleiben. Was soll eine Flucht?

 

Ja, Lot selber verzögert, schaut sich zu lange um.
Morgen naht und sie sind noch vor Ort.
Die Gesandtschaft packt zu. Es ist ihr längst zu dumm.
Gleich wird’s Tag und noch immer treibt ihr euch herum.
Wir ziehn euch an der Hand mit uns fort.

 

Vor der Stadt weist der Himmel den Lot, seine Frau
und zwei Töchter zur Zuflucht hinauf.
Das Gebirge sei sicher, wer dort Schutz suche schlau.
Doch möcht Lot unter Menschen, er weiß ja genau:
In Gemeinschaft fällt leichter der Lauf.

 

Dass der Lot dahin zieht, rettet Zoar, die Stadt.
Sie wird nicht mit vom Höchsten gebannt.
Dass ein Mensch, eine Gruppe den Fürbitter hat,
breitet Segen aus, macht manche Rauigkeit glatt.
Sonst wär mehr noch als jetzt schon verbrannt.

 

Als der Tag grad erwacht, schickt der Himmel sich an,
fällt den Städten im Tal auf das Haupt.
Das Verderben in kosmischer Wucht stürzt heran,
flutet mächtig vernichtend auf alles und dann
bleibt kein Herz und kein Halm überhaupt.

 

Josef

Zwölf Buben hat der alte Jack
manch Mädchen fand sich noch dazu.
Am besten kam von allen weg
Jack's Josef - das war ein Filou.

 

Der petzte seinem Alten immer,
was hintenrum geredet war.
Jacks Lob dafür macht es noch schlimmer.
Der Jo war Papas Liebling gar.

 

Stolz wie ein Pfau zeigte sich Jo
in Daddies neuem Top-Design.
Kangoo bis Reebok trug der Floh,
außen ganz grell, innen gemein.

 

Jo träumte gern, bei Tag und Nacht
und kam in jedem Traum gut weg.
Die andern hat es aufgebracht.
Er war stets King und sie der Dreck.

 

Als fette Ernte er sich sah,
'nen prall gefüllten Körnersack.
Die Brüder standen schlechter da,
verneigten sich vor ihm, ganz schlapp.

 

Noch Schlimmer's seine Träume zeigten:
Elf Sterne, Sonne und der Mond
vor ihm sich demutsvoll verbeugten.
Er war es, der ganz oben wohnt.

 

Weil Jo das Maul nicht wollte halten,
verdarb er sich‘s mit seinem Clan,
sogar mit Jack. Die Stirn in Falten
blieb der trotz allem Joies Fan.

 

Nach scheinbar endlos langer Zeit
erniedrigt und längst grün vor Groll
kam endlich die Gelegenheit
zur Rache, denn das Maß war voll.

 

Die Brüder waren weit vom Schuss,
nicht überwacht durch Video.
So kam es, wie es kommen muss:
Sie schnappten sich den läst'gen Jo.

 

Zwei, Drei, die sprachen gleich vom Töten.
Der Traum wär' aus und alles gut.
Doch Ruben b'schwor, sich nicht zu röten
die Hände mit vergoss'nem Blut.

 

Er wollt' den Kleinen retten gerne,
ihn seinem Vater wieder bringen.
„Werft ihn nur rein in die Zisterne.
Nichts übereilt in solchen Dingen!“

 

Den Jo packt Bruderhand und Schrecken.
Sie schmeissen ihn nackt in die Grube.
Dann lassen sie sich's Essen schmecken.
Was wird nun aus dir, armer Bube?

 

Zu jeder Schand war'n sie bereit,
Jo war als Bruder gar zu arg.  - - „
Wir gehen lieber nicht so weit,
verkaufen ihn für ein paar Mark“,

 

den Vorschlag dann doch Juda macht.
„Was bringt es uns, wenn Jo verreckt?
Er g'hört zu uns, auch wenn es kracht,
obwohl er voller Bosheit steckt.“

 

'Ne Karawane zieht vorüber,
aus Ismael, die kriegt ihn mit,
zahlt zwanzig Pfund an seine Brüder:
„Hier bitteschön! So sind wir quitt.“

 

Doch Ruben hat nichts mitgekriegt.
Er war wohl unterwegs solange.
Der Jo nicht mehr im Loch drin liegt.
Dem Ältesten ist angst und bange:

 

„Was habt ihr mit dem Knirps gemacht?
Ich bin jetzt dran. An mir bleibt's hängen.“
Darum wird schnell ein Bock geschlacht,
ein's Unglücks Spur soll sich aufdrängen.

 

Dem Vater schickten sie als List
das blutige, zerfetzte Shirt.
Er soll mal prüfen was das ist,
ob es nicht seinem Jo gehört.

 

Jack fiel voll auf die Buben rein,
erkannte Jo's einst schicke Kluft.
Er flennte, fing gar an zu schrein:
„Mein Jo liegt nicht mal in 'ner Gruft.

 

Ein wildes Tier hat ihn gefressen,“
so trauerte der alte Jack,
verlernt das Lachen, will nichts essen.
Sein Sonnenschein war plötzlich weg.

 

Die Menschenhändler mit dem Jo
erreichten unterdes den Nil.
Hier wurden sie besonders froh,
denn sie verdienten an ihm viel.

 

Trotz allem Dreck und seinen Striemen
bezahlte gut Herr Potifar
für diesen Burschen: „Weg die Riemen!
Die Augen von dem Boy sind klar.

 

Der wird bei mir herangezogen.
Ich mach mir den zur rechten Hand.
Mein Sachverstand hat nie getrogen.
So wurd ich groß, reich und bekannt.“

 

Der Chef der Garde stellt sein Haus
bald völlig unter Joie's Walten.
Dem macht das überhaupt nichts aus.
Gott kann sein' Segen voll entfalten.

 

Doch Potifar hat eine Frau,
die er nicht ganz zufrieden stellt.
Die macht den Jo mit Worten blau,
damit er sich zu ihr gesellt.

 

Jo kriegt es mit der Angst zu tun.
Von der will er die Finger lassen.
Sein Boss würd nicht mehr rasten, ruh'n,
bekäme Jo die Frau zu fassen.

 

Sie, wütend aus verschmähter Liebe,
stellt sich als Opfer dar von ihm.
Jo kriegt nicht nur die falschen Hiebe,
fliegt ins Gefängnis. - Alles hin?

 

Doch steigt er bald mit Gottes Segen
zum ersten Mann auf in dem Knast.
Die Direktion kann es belegen:
Dem Jo gelingt was er anfasst.

 

Dort kommen auch nach langen Jahren
die Traumgeschichten wieder hoch.
Zwei in dem Knast haben's erfahren:
Der Jo versteht das Deuten doch.

 

Dem einen sagt er in Gott's Namen
den Galgen an in kurzer Zeit.
Der andre wird im gleichen Rahmen
wie angesagt vom Knast befreit.

 

„Denk mal an mich, wenn du bei Hofe
wieder in Amt und Würden bist.
Vergiß mich nicht beim Rumgeschwofe,
wo man von goldnen Tellern isst.“

 

Doch kommt es anders, wie so oft:
Raus aus den Augen, aus dem Sinn.
Gefangen sitzt, der so gehofft,
noch lange Zeit im Loch dadrin.

 

An einem heißen Sommermorgen
erwacht Ägyptens Pharao
an einem Traum, der macht ihm Sorgen.
Regenten sind halt manchmal so.

 

Der King läßt gleich die Deuter kommen,
die Creme ägypt'scher Wissenschaft,
Sternkundge, Denker, auch die Frommen,
weil hier 'ne Wissenslücke klafft.

 

Dem Herrscher läßt es keine Ruh,
erzählt von Kühen dick und satt,
die weggefressen warn im Nu
von sieben andern, dürr und platt.

 

Desgleichen auch ein zweiter Traum,
den Pharao möcht gern versteh'n:
Von prallen Ähren. - Man glaubts kaum:
Um die war’s grad so schnell gescheh'n.

 

Die Koryphä'n sind aufgeschmissen.
Kein Grips reicht an die Deutung ran.
Der Wirt vom Alten könnt was wissen.
Er denkt jetzt endlich doch noch dran.

 

„O Boss, ich hab was ausgefressen,
ich kenn' ein', der kann helfen wohl.
Der im Gefängnis war vergessen,
befiehl, dass man ihn holen soll.

 

Als ich im Bau sass vor zwei Jahren,
da träumte mir wie auch dem Bäck'.
Ein Jung-Hebräer, traumerfahren
- der klebt noch immer auf dem Fleck -

 

er konnt uns sagen, wann wir beiden
emporgehoben werden soll'n.
Ich hoch zu euch, er hoch zum Leiden.
Das hab ich nie vergessen woll'n.

 

Nu' mach mal fix, schaff her den Jungen.
Es ist ja selten ganz zu spät.“
Der Jo kommt frei und wird gezwungen,
dass er zum Haareschneiden geht.

 

Dann reitet er beim Großmogulen
und dessen Schranzen vor, gekämmt.
Hier kann er um Zuneigung buhlen,
weil er topp auftritt, unverklemmt.

 

Und nun kommt Joies große Stunde.
Er macht das mit Profi-Profil.
„Nicht ich weiss alles. Gott gibt Kunde
mir seinem Diener, wenn er will.

 

Die sieben Kühe, sieben Ährchen,
die großer König, du geträumt,
bedeuten sieben gute Jährchen,
von sieben schlechten abgeräumt.

 

Es eilt, sagt Gott, ich handle schnelle.
Drum rate ich dir, Pharao:
Verpflichte möglichst auf der Stelle
'nen Manager für Heu und Stroh.

 

Kassiere von den guten Jahren
zwanzig Prozent. Auch's Volk gewinnt.
Der Vorrat, alle wer'ns erfahren,
schafft Rettung. Schnell, die Zeit verrinnt.“

 

Der Hof ist vollkommen entzückt:
Der Jo muss an die Aufgab' dran.
Das ist ein Kerl von Gott geschickt.
Wer wäre besser als der Mann?

 

„Du machst den Job, mein Jo für mich.
Sei deines Königs rechte Hand.
Dich segnet Gott, das sehe ich.
Werd' Vater für Ägyptenland.“

 

So kommt, was er geträumt schon frühe.
Schau an, der Jo hat es gerafft.
Schwimmt ganz weit oben ohne Mühe,
sein Aufstieg ist von Gott geschafft.

 

Der Jo läßt keinen Reichtum gammeln.
Er selbst wird auch gleich mächtig reich.
Um ihn woll'n sich die Promis sammeln.
'ne tolle Frau kriegt er schon gleich.

 

Die Priestertochter Asenat
vermittelt ihm sein großer Gönner.
Zwei Söhne kommen. - In der Tat
war Jo dabei der gleiche Könner.

 

Nun gilt es, alle Frucht zu retten.
Nichts darf verderben - ungefragt.
Der Weizen häuft in Körnerstädten,
die neu gebaut, wie Jo es sagt.

 

Nach sieben Jahren voller Segen
kein Halm mehr grünt, verdorrt das Land.
Der Nil bleibt aus, es fällt kein Regen.
Jo teilt das Korn mit viel Verstand.

 

Die Not ward groß, wie wir erfahren.
Kein Krümel blieb den Leuten mehr.
Das Geld ging aus im Lauf von Jahren.
Wer hungert gibt oft 's Letzte her.

 

Die von Ägypten brachten alles,
erst 's Geld, dann 's Vieh und auch ihr Land.
Zuletzt trat ein der Fall des Falles:
Das Volk selbst kam in's Königs Hand.

 

Die Menschen wurden ihm ganz eigen.
Verkauften sich mit Leib und Seel.
So darf kein Herrscher je sich zeigen,
wenn es den Menschen fehlt am Mehl.

 

O Jo, was hast du da verbrochen?
Du schießt erheblich über's Ziel.
Zu dir komm‘n Menschen angekrochen,
und du versklavst, was frei sein will?

 

Von weit her stellten ein sich Leute,
die wollten alle Korn zum Brot.
Sie gaben Geld und Gold als Beute,
zu überleben diese Not.

 

Darunter waren auch die Brüder,
die Jo verkauften, dieses Pack.
Sie mussten nach Ägypten nieder.
Mit ihnen trieb er Schabernack.

 

Jo prüft sie hart und fährt sie an:
„Spione seid ihr, sieht ein Kind,
um auszuforschen, alle Mann,
wo unsre Grenzen offen sind.“

 

Der Simeon bleibt im Gefängnis,
als Pfand, die andern dürfen heim.
Doch bringt‘s für sie noch mehr Bedrängnis:
Der Benjamin muss bei ihn‘n sein,

 

woll‘n sie beim nächsten Einkaufsbummel
den Simeon gern wiederha’m.
Noch schlimmer wird ihr dumpf Gegrummel,
find‘ sich all‘s Geld beim Körnerkram. „

 

In diese Gegend können wir
uns ganz bestimmt niemals mehr trauen.
Der Vater wird verzweifeln schier,
gibt uns den Ben nicht mit voll Grauen.

 

Wir haben unsre Lieferung
vom letzten Mal nicht können zahlen.
Steh‘n wir doch wieder dort herum,
wird uns Ägypters Zorn zerstrahlen.“

 

So weigern sie sich standhaft feste
noch mal den Weg hinab zu wagen,
ohne den Jüngsten, der das Beste
was Jack geblieben, sozusagen.

 

Ägypten hält noch auf die Türen.
Von allen Seiten nahen sie,
die Wirtschaft Pharaos zu zieren.
Es hungert Mann und Frau und Vieh.

 

Der Ruben will als Geiseln geben
zwei seiner eig’nen Söhne dran.
Der Juda bürgt mit seinem Leben.
dass Benni wieder heimkehr’n kann.

 

„Des Landes Fürst lässt sich nicht trügen.
Er sagt, wir müssten es beweisen,
dass wir nicht spionieren, lügen.
Uns bleibt nichts and’res, wenn wir reisen.

 

Mit Benni ziehen oder lungern.
Wir fordern das bestimmt nicht gern.
Soll’n Mensch und Vieh nicht bald verhungern,
dann gib uns halt dein’ Augenstern.“

 

Nun endlich wird Jack windelweich,
weil alle sehr der Hunger zwackt.
Es zieht mit Benjamin und reich
mit Geld die Bruderschaft bepackt.

 

Sie sollen mit dem Haufen Knete
nicht nur des Krämers Herz erweichen.
Vom ersten Gang zu Nofretete
war noch die Rechnung zu begleichen.

 

Damals ließ Josef unerkannt
zurück die Zahlung ihnen stecken.
Sie fanden’s Geld, kaum aus dem Land.
Es packte sie ein kalter Schrecken.

 

Und wieder jagt der Große Bruder
den selben Schock in sie hinein.
Er lässt sie spüren, wer am Ruder,
wer mächtig ist, wer armes Schwein.

 

Der Jo spielt wieder mit den Seinen.
Er scheucht sie hin – her, raus und rein.
Sie müssen zittern vor ihm, weinen.
Er kocht sie weich, demütig, klein.

 

Den Bruder Benjamin, das Fohlen
stellt Phar'os rechte Hand bewusst
so hin, als hätte er gestohlen.
Davon hat der nie was gewusst.

 

In dieser Not stellen sich alle
als Söhne eines Mannes dar.
Sie kleben zwar in Josefs Falle,
doch fall’n sie nicht aus’nander gar.

 

Dann endlich läßt er sich erkennen.
Die Brüder können‘s glauben kaum.
Der, den sie 'Hoher Herr' nur nennen,
soll Josef sein, der mit dem Traum?

 

Der, vor dem sie auf Knie’n rumrutschen,
sollt' ihrer family entstammen?
Sie müssen jetzt als Bruder knutschen,
den, der sie fertig macht’ zusammen?

 

Erst ganz allmählich legt der Schock sich.
Sie sehen ein: Es ist ganz gut,
dass hier im reichen Land so richtig
eine Oase sich auftut.

 

Der Gott der Väter wollt bei Zeiten,
eh noch ein Mensch ums Leben ringt,
den Platz hier sichern und bereiten,
der jetzt dem Stamm die Rettung bringt.

 

Die Brüder lassen sich erweichen
und fallen Josef um den Hals.
Jetzt müssen sie bei Jack erreichen,
dass er das all‘s glaubt ebenfalls.

 

Israel kann erst gar nicht glauben,
was ihm die Kinder da erzähl’n.
Es will ihm den Verstand fast rauben.
Warum tut man ihn so sehr quäl’n?

 

Die ganze Wucht, die mitgebracht,
Klamotten, Karren, Mensch und Tier,
sein kaltes Herz erwärmt die Pracht:
Vielleicht ist doch kein Trug das hier?

 

Dann reist der alte Jack im Wagen
hin nach Ägypten ins Asyl.
Wird Wirtschaftsflüchtling, alt an Tagen.
Sein Jo lebt! - Er kriegt fast zuviel.

 

Dort unterwegs redet dem Alten
sein Gott gut zu in einer Nacht.
„Du brauchst nicht’s fürchten. Ich werd’ halten,
auf deinem Weg die gute Wacht.

 

Wie ich versprochen hab’ das Glück,
mach ich ein großes Volk aus dir.
Einmal Ägypten und zurück,
’s wird alles gut, vertraue mir.“

 

Der Jo sorgt für die große Sippe.
Sein Können nützt er,
seine Macht. Er bringt sie an die Futterkrippe.
Sie leben, dass die Schwarte kracht.

 

Der Jack, die Buben, ihre Frauen,
die Kinder, 's Vieh, die ganze Chosen,
sie zieh‘n hinab zum Hütten bauen,
‚paar hundert’ Jahr im Landstrich Gosen.

 

 

 

 


Was haben wir zweitausendfünfzehn
mit dieser Dichtung noch zu schaffen?
Was sollte uns der Josef angehn,
wo zwischen uns Abgründe klaffen?


Wir sind tatsächlich sehr weit weg.
Wir träumen selten, was uns blüht.
Doch hat es heute auch noch Zweck,
dass man sich um die andern müht.


Wer aber schafft das denn allein,
erträgt Enttäuschung, Frust und Tränen,
was niemals ausbleibt? Das macht klein,
und müde, doch ist‘s zu erwähnen.


Ich brauche einen Auftraggeber,
der mich versorgt mit neuen Kräften.
Ich brauche Menschen, Launeheber,
die nehmen teil an den Geschäften.


Dann mag ich laufen, rennen, hasten,
kann helfen, tragen, stützen, tun.
In der Gemeinschaft darf ich rasten,
mal Neues hören, sogar ruhn.


So kommen auch die kleinen Gaben
zusammen, was uns vorwärts treibt,
weil alle was zu bringen haben
und niemand eine Insel bleibt.

Tamar

Von Juda, einem Jakobssohn,
wird folgende Geschicht' erzählt:
Er hat sich selbständig gemacht
und Adullam zum Sitz erwählt.

 

Dort lebte er in Nachbarschaft
von Hira, der wurd ihm zum Freund.
Sie mochten sich von Anfang an,
bei beiden war es ernst gemeint.

 

Des Juda's Aug erblickte dann,
die Tochter Schuas, die ihm g'fiel.
Er wünschte sie für sich zur Frau
und kam auch an sein Liebes-Ziel.

 

Die Kana'niterin und er,
Juda aus Jakobsstamm,
die liebten sich auch körperlich
und kamen ganz zusamm'n.

 

Die Frau gebar dem Juda drauf
'nen Sohn, den nannt er Er.
Im Deutschen hört sich's komisch an.
Als Name find ich's schwer.

 

Der zweite Sohn hieß Onan dann.
Das war noch nicht der Letzt'.
Noch einmal kam ein Knab' zur Welt,
was Juda sehr ergötzt.

 

Den nannt' die Mutter: Mein'n Schela.
Er war ein Sonnenschein.
Auch Juda hatte Acht auf ihn,
ließ's Büble nie allein.

 

In Kesib stand das Hirtenzelt,
es war sorglose Zeit.
Doch zogen auch noch Wolken auf,
die hatten‘s gar nicht weit.

 

Sohn Er wuchs auf, wurde ein Mann.
Der Vater schaut sich um,
nach einer Frau für seinen Jung'n:
„Paar Enkel wär'n nicht dumm.“

 

Die Tamar wurde ausgeguckt,
sie sah wohl klasse aus,
doch brachte sie nicht neues Glück.
Die Trauer stand in's Haus.

 

Ganz plötzlich starb Er, Judas Sohn,
man hat Leut‘ munkeln hör‘n,
's wär doch nicht alles hasenrein
zwischen Er und seinem Herrn.

 

So sind wir Leut', wir reden gern,
obwohl wir gar nichts wissen.
Drum kommt es immer wieder vor,
dass wir's zurücknehm'n müssen.

 

Der Juda ordnet in sein'm Haus
die Hinterlassenschaften:
„Du, Onan, heiratest Tamar!
Du wirst das schon verkraften.

 

So machen das die Leute hier.
Die Frau bleibt nicht allein.
Wir schließen uns der Sitte an,
woll'n gute Bürger sein.

 

Das Mädchen ist nicht ungeschickt
und sieht auch prächtig aus.
Er lebt in deiner Hütte fort,
sein Name stirbt nicht aus.

 

Das erste Kind das Tamar kriegt,
wird deines Bruders Erbe.
Sorg erst für meines Ält'sten Haus
und dann für dein Gewerbe.“

 

Das passt dem Onan gar nicht rein.
Sein Anteil würd' vermindert.
Er hat, wenn er bei Tamar war,
den Nachwuchs strikt verhindert.

 

Er zog sich vorzeitig zurück,
sein Samen sollt verderben.
Das hat den Vätergott erzürnt,
d'rum ließ er Onan sterben.

 

Dem Juda wurde Angst und Bang,
zwei Söhne war'n gestorben.
Liegt wohl auf dieser Frau ein Fluch?
Ist sie im Grund verdorben?

 

„Geh, Witwe, ab in's Vaterhaus.
Verbring dort deine Tage.
Hier ist es eng und noch zu jung
ist Schela, ohne Frage.

 

Wenn er mal alt genug sollt' sein,
um deine Last zu tragen,
dann werde ich bei euch zuhaus
nach dein'm Ergehen fragen.“

 

Gescheitert und mit Schmach beladen
kommt Tamar heimgekrochen.
Das fünfte Rad an jedem Wagen:
Als hätte sie etwas verbrochen.

 

Die Tage kamen, Tage gingen,
dem Juda starb auch noch die Frau.
Er trauert lang, herzlich und innig.
Ihm schien der Rest vom Leben grau.

 

Doch hat er endlich sich gefangen,
ging an die Arbeit wiederum,
macht sich mit Hira auf zum Scheren,
die Herden war'n um Timna rum.

 

Da wird der Tamar zugetragen:
„Dein feiner Schwiegervater kommt.
Er hat zur Schafschur sich gemeldet.
Nun tut er wieder, was ihm frommt.“

 

Sofort entstand in ihr ein Plan:
„Ich will mir selber helfen gleich.
Der Alte denkt ja nicht an mich.
Ich komm' nicht vor in seinem Reich.

 

Klein Schela wär' längst alt genug,
dass ich als Frau ihm könnt' gehören.
Doch Juda will mich ihm nicht geben.
Was nützt mir schon sein früh'res Schwören?

 

Dort bei Enajim setz' ich mich
an seinen Weg, da muss er lang.
Ich will mal sehen ob mir nicht
gelingt ein fetter Männerfang.“

 

An ihrem Äuß'ren ist nichts muffig,
die Witwenkleider legt sie ab.
Verbirgt 's Gesicht mit einem Schleier,
ihr Ausseh'n bringt den Puls auf Trab.

 

So, wie sie sich am Weg plaziert,
wie sie gestylt und sich verhält,
muss jeder denken, der hinschaut:
„Die Dame kriegt ein Mann für Geld.

 

Sie hat 'nem Fruchtbarkeitsgott wohl
den Liebeslohn vorab versprochen.“
Ihr Seitensprung wird so geheiligt
und keinesfalls die Eh' gebrochen.

 

Die Sitte kennt der Juda auch.
Der Götzendienst ist ihm nicht fremd.
Doch stört es ihn nicht im Geringsten.
Es wird ihm heiß unter dem Hemd.

 

Er labert, ohne eine Ahnung,
wer sich ihm präsentiert, sie an:
„Hey, Frau, ich möchte zu dir kommen.
Was nimmst du denn von einem Mann?“

 

„Was bist du, Herr, bereit zu geben?
Was zahlst du für's Plaisier mit mir?“
Der Juda bietet ohne Zögern
'nen ganzen Ziegenbock dafür.

 

„Und welche Sicherheit bekomm' ich,
bis du den Ziegenbock mir schickst?“
Es kommt doch vor, dass mal ein Freier,
ein armes Mädchen nur austrickst.

 

„Wünsch‘ dir ein Pfand, ich geb' dir alles.
Mir ist nichts heiliger als du.“
„Dann krieg' ich deine Herrschaftszeichen:
Das Siegel mit der Schnur dazu,


an der du es am Hals getragen
und auch den reichverzierten Stab.“
Der Juda trottelt ohn' Bedenken
in Tamars Falle wie ins Grab.

 

Er kommt zu ihr und sie wird schwanger
vom eignen Schwiegervater dann.
Sie kehrt zurück in ihre Zelle,
zieht wieder Witwenkleider an.

 

Der Juda schickt den Kumpel Hira,
damit der zahlt den Hurenlohn.
Der findet aber keine Dirne.
Er fragt herum, hört Spott und Hohn:

 

„An diesem Fleck saß nie 'ne Dame.
Das wüssten wir, sind ja nicht blöd.“
Es spricht sich schnell herum bei Kerlen,
wenn 's Herzilein am Wegrand steht.

 

Ohne Erfolg kehrt Hira wieder
von Enajim zum Freund zurück.
„Ich war bemüht, die Frau zu finden.
Ich hatte leider gar kein Glück.“

 

„Dann soll' sie halt das Zeug behalten.
Ein Siegel lass ich wieder machen.
Ich würde lieber sie bezahlen,
doch soll nicht 's Volk über mich lachen.

 

Du hast 's versucht. Es ist misslungen.
Nun schweigen wir von der Geschicht.
Zerreisst sich sonst das Pack die Mäuler,
gibt diesem Spiel falsches Gewicht.“

 

Nun meint der Mann, 's wär ausgestan­den,
die Episod läg hinter ihm.
Doch kommt erst noch das dicke Ende.
Sein Kopf steckt in der Schlinge drin.

 

Kaum sind drei Monate vergangen -
Tamar beult provokant den Bauch.
Sie will ja, dass ihn alle sehen.
Und so erfährt´s der Juda auch.

 

„Die Schwiegertochter, guter Mann,
hat 'rumgehurt im Vaterhaus.
Die Folgen sind schon deutlich sichtbar.
Es kommt ein Kind dabei heraus.“

 

Da schwingt sich auf der alte Sünder
zum Richter über jene Frau,
die er vor Jahren aus dem Haus wies.
Er macht Gerechtigkeit zur Schau.

 

„Die Tochter ist mit Schuld beladen.
Sie brach die Treu zu meinem Sohn.
Das darf ich nicht durchgehen lassen.
Der Feuertod sei drum ihr Lohn.“

 

Und bald führt johlend eine Menge
die böse Hexe aus der Stadt.
Ihr Brand soll nicht ein Haus gefährden.
Hinrichtung findet draussen statt.

Das hat mehr noch den tiefen Sinn,
dass die Gewalt prägt eine Spur,
genau wie 's Böse am Verbrecher,
drum raus mit ihm in die Natur.

 

Jedoch hat Tamar noch 'nen Trumpf.
Im Ärmel trägt sie ja ein Ass.
Sie führt auf ihrer letzten Meile
die Pfänder mit, als Schutz vor'm Hass.

 

Das Siegel und den Stab des Alten
sendet sie hin zum Richterstuhl.
Sie hofft auf Wirkung ihres Zaubers
und bleibt bei all dem Hoscha cool.

 

„Mein hoher Herr und Schwiegervater,
von dem Mann habe ich das Kind,
dem diese Gegenständ' gehören.
Drum prüfe, wes die Sachen sind.“

 

Sofort entgleisen alle Züge
im G'sicht des Juda. Er ist platt.
Er weiss natürlich woher Tamar
gerade seine Werte hat.

 

Er selbst hat ihr sie übergeben,
als Pfand für einen Liebeslohn.
Wie konnte er dies Urteil sprechen.
Er als ihr Richter: Welch ein Hohn!

 

Doch zeigt die Schmach auch seine Größe,
er steht zu seiner Übeltat,
bekennt vor allen Anverwandten,
dass er selbst Dreck am Stecken hat:

 

„Ich trage mehr als Tamar Schulden.
Sie ist gerechter als ich bin.
Ich habe ihr den Mann verweigert,
drum sass sie lang in Trübsal drin.

 

Sie war gesellschaftlich missachtet,
ihr Leben schien zwecklos zu sein.
Das lag an mir. Sie musst sich wehren.
Mein Unrecht sehe ich jetzt ein.“

 

Der Juda nimmt die Tamar wieder,
auf in sein Haus, reicht ihr die Hand.
Es geht ihm nicht um sein Vergnügen.
Sie wird als Herrin anerkannt.

 

Als Tamar dann die Wehen kriegte,
da zeigten sich Zwillinge gar.
Die kloppten sich schon in der Mutter.
Geburt für sie ein Rennen war.

 

Serach und Perez drängelten
im Mutterleib sich gegenseitig.
Sie machten sich die Führungsrolle,
den Platz am Licht von Anfang streitig.

 

Schließlich gewann Perez das Kämpfen,
obwohl der Serach lebenslang,
wie sein' Verwandtschaft alle Zeiten,
weiter um erste Plätze rang.

 

Hört, hört ihr Leute, lasst euch sagen,
urteilt nicht lange vor der Zeit.
Wir Menschen sind zu schnell beim Richten,
ja zum Verdammen gar bereit.

 

Wie oft fällt auf uns selbst zurück,
wenn wir auf wen den Bannstrahl richten.
Da ist es besser für uns alle,
wir lassen Gott, was fraglich, sichten.

 

Und alles das, was da geschehen,
das Unrecht, menschelndes Gewimmel
baut ein in seine Zukunftspläne
bis hin zum Heiland, der im Himmel.

 

So wird der Sohn des Heidenmädchens,
das sich die Ehr´ selbst eingeklagt,
zum Ahnherrn für den König David,
dem höchster Adel nachgesagt.

 

 

 

 

Impressum

Texte: Autor
Bildmaterialien: Maja
Tag der Veröffentlichung: 07.08.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Maria Anspach - der strengen Lehrerin und liebevollen Freundin

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