Der Fluch des Lebens
PrologAuszüge aus Louisas Tagebuch 26.06.06 Was, wenn ich es wirklich tue?Was, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt?Wird es denn überhaupt jemandem auffallen, wenn ich es tue?Interessiert es überhaupt jemanden?Wird mich überhaupt JEMAND vermissen? Das sind Fragen, die mich sehr beschäftigen.Diese Fragen gehen mir so oft durch den Kopf. Und es tut weh keine Antworten zu bekommen! Wenn ich irgendwann mal Antworten auf diese Fragen bekommen sollte, kann ich euch leider nicht mehr antworten, was ich mir als Antwort erwünscht hätte! Euch interessiert es ja eh nicht, also kann es mir egal sein und euch auch. Ich denke immer nach, bevor ich etwas tue und so ist es auch dieses Mal. Denn jedes Mal, wenn ich nachdenke, komme ich immer wieder auf einen Punkt zurück: WARUM?! Warum sollte ich es tun und warum nicht? Es gibt so viele Gründe dafür und dagegen. Doch auf meiner Liste ist die Seite mit den Argumenten dafür viel länger als die Seite mit Argumenten dagegen! Nur woran liegt das? Oder viel besser: Warum?
27.06.06 Heute in der Schule war es wie immer schrecklich. Warum können die nicht mal damit aufhören? Washab ich verbrochen, dass sie immer wieder auf mir herum hacken? Meiner Meinung nach hab ich nichts gemacht, oder doch? Ehrlich gesagt - ich weiß es nicht! Und ich will und kann langsam nicht mehr. Aber das versteht ja keiner von euch! Ihr hasst mich!
28.06.06 Habt ihr eigentlich schon mal darüber nachgedacht, was das für mich bedeutet? Was ihr mir damit antut? Wie ihr mich ständig fertig macht, ist euch das überhaupt schon mal aufgefallen?Jetzt werde ich egoistisch, ich denke gerade nur an mich, dabei geht es vielen anderen auch so. Bei manchen bin ich auch mitschuldig, dass es ihnen so schlecht geht. Euch macht das ja Spaß mich und andere fertig zu machen. Ob in der Schule oder auf der Straße ihr nutzt jede Gelegenheit mich zu beschimpfen oder bloß zu stellen. Ihr habt bis jetzt nichts ausgelassen um mich zum Gespött der ganzen Schule zu machen. Nichts! Und warum das ganze?Früher war das doch ganz anders, oder erinnert ihr euch daran nicht mehr? Früher waren wir jeden Tag zusammen und es war so toll. Früher waren wir die Clique! Alle haben uns respektiert und manche hatten sogar Angst vor uns. Wir waren nicht immer nicht nett zu manchen. Das hat euch aber nichts ausgemacht. Wenn euch jemand blöd kam habt ihr ihn nieder gemacht. Aber Gesichtsausdrücke der Kinder die WIR fertig gemacht haben, haben gleichzeitig mich fertig gemacht. Deswegen bin ich bei euch ausgestiegen, ich wollte das alles nicht mehr, aber das ich dann zu eurem neuen Opfer werde hätte ich nie gedacht. Und dass du Jess mir so in den Rücken fallen würdest hätte ich nie gedacht, aber du hast es wirklich getan. Du hast mich verraten.
30.06.06 Ich kann nicht mehr! Ihr habt mir mein Leben zur Hölle gemacht! Ich will jetzt nicht weiter drauf eingehen was ihr mit mir gemacht habt, denn das wisst ihr ja und es würde einfach zu lange dauern alles aufzuzählen was ihr gemacht habt. Ihr: Jess, Mike, Lukas und Bec. Ihr seid unberechenbar und ich hasse euch. Ich hasse euch dafür was ihr mit mir gemacht habt und ich hasse MICH dafür dass ich mal bei euch mit gemacht habe und anderen das Leben zur Hölle gemacht habe. Es tut mir so Leid was ich Melanie angetan habe, aber ich kann es nicht wieder gut machen. Wenn ich könnte würde ich es sofort rückgängig machen. Es tut mir so Leid.
01.07.06 Ich denke gerade mal wieder nach… über den Tot und was danach ist.Und über meinen Vater, der an der ganzen Sache nicht ganz unschuldig ist. Warum? Weildu mir nicht zugehört hast, du hast mich nie gefragt wie es mir geht, was ich gerne machen möchte. Nein, dir ist das egal. Hauptsache ich habe gute Noten vorzuzeigen. Aber ich hatte darauf keine Lust mehr! Ich wollte nicht mehr dein liebes, nettes und super kluges Mädchen sein! Und das hab ich dir auch gezeigt. Und auch nach all den Veränderungen nimmst du mich immer noch nicht ernst. Ich will so nicht mehr Leben. Bitte nimm mich endlich ernst. Bitte hör mir zu - ich hab so viel zu sagen, doch es interessiert dich nicht. Du willst nicht wissen was ich zu sagen habe, wie ich mir mein Leben vorstelle und wie ich Leben möchte. Ich will mein Leben leben und nicht deinen Traum. Warum lässt du mich nicht so sein wie ich will? Ich wünsche mir so sehr das du mir mal zuhörst wenn ich mit dir reden will, aber dafür hast du leider keine Zeit. Seit Mom tot ist arbeitest du fast nur noch, oder du schließt dich in deinem Arbeitszimmer ein.
02.07.06 13:50 Na super der Tag hat mal wieder echt toll angefangen. erst verpasse ich den Bus und komme 20 Minuten zu spät. Das wiederum heißt einen Eintrag ins Klassenbuch, was zur Folge trägt das ich Nachsitzen darf, weil ich in den letzten Tagen öfters zu spät gekommen bin. Ich freue mich ja so! Das war aber noch nicht alles, wir haben heute noch die Mathe und Deutsch Arbeiten zurück bekommen (habe beide Arbeiten verhauen). Was wird wohl Dad dazu sagen? Schließlich legt er sehr großen wert auf gute Noten und die hab ich seit Monaten nicht mehr vorzeigen können. Na ja, können schon, aber ich will nicht. Ich hab keine Lust mehr. Der ständige Druck von meinem Vater und der Horror in der Schule. Darauf hab ich einfach keine Lust mehr. Morgen heißt es erst mal Nachsitzen. Wie soll ich das bloß meinem Vater beibringen - drei schlechte Nachrichten an einem Tag.
02.07.06 19:30 Toll, jetzt reicht's! Ich soll auf ein Internat als Strafe für meine miserablen Noten (Ich habe Dad alles gebeichtet)! Ich denke er hat das alles schon vor Wochen geplant und nur auf die nächste schlechte Note gewartet, um es mir zu sagen. Als ob das was bringen würde. Der hat doch keine Ahnung wie's mir geht! Das schlimmste für mich war das mein Vater sich nur für meine Noten interessiert hat und noch nicht mal gefragt hat woran das liegt, oder ob es mir auch wirklich gut geht. Nichts - er hat mich nur angemotzt und gemeint, das sie schon länger überlegt haben ob das mit dem Internat ein gut Idee ist. Noch schlimmer kann es nicht mehr kommen, oder?Ein Vorteil hat das Internat aber - ich entkomme aus der Höllenschule. Hoffentlich ist das Internat nicht noch schlimmer.
04.07.06 Heute habe ich erfahren das es in 2 Wochen so weit ist. In 2 Wochen werde ich das Internat von innen sehen. Endlich! Denn ich halte es hier nicht mehr aus. Der Druck von meinem Dad und diese Blicke die ich von meiner Klasse bekomme - ach nein, nicht von meiner Klasse, von der ganzen Schule. Seit das Gerücht umgeht, dass ich meine alte “Gang“ verraten hab (nur so zur neben Info - auf Verrat steht die höchste Strafe auf unserer Schule. Und das wäre völlige Ausgrenzung - keiner redet mehr mit einem, böse Blicke und jeder darf machen was er will. In diesem Fall bin ich Diejenige mit der man machen darf was man will). Na ja, ich bin euch ja jetzt endlich los, und das für IMMER. Ich hoffe es tut euch leid und ihr kommt zu meiner Beerdigung oder schreibt wenigstens eine Karte. Ich muss lachen - ich höre mich so ernst an, aber meine ich es wirklich ernst? Ich weiß es selber nicht.
05.07.06 Ach Jess, ich vermisse dich so. Ich wünschte es würde wieder so sein wie früher. Ich meine ganz früher, bevor wir so beliebt geworden sind. Bevor wir uns mit denen abgetan haben. Früher gab es nur uns zwei. Balu und Jess. Wir haben so viel Zeit wie möglich zusammen verbracht - hatten unsre Geheimnisse. Waren unzertrennlich und du warst wie eine Schwester für mich. Das du nicht auf meiner Seite bist verletzt mich sehr. Ich hatte so gehofft du gehst mit mir, damit wir das zusammen durchstehen. Wie immer. Doch diesmal war es nicht so und das hat mir das Herz zerrissen. Ich hoffe du merkst irgendwann mal wie wichtig du für mich warst und immer noch bist. Ich hoffe dir ist es nicht egal dass ich nicht mehr will und nicht mehr kann, schließlich bist du für mich meine Schwester. Ich denke das wird dir klar, wenn du meinen Brief bekommst. Eigentlich hoffe ich das nur.
18.7.06 So jetzt sitze ich im Auto auf dem Weg zum Internat. Ich lasse alles was passiert ist hinter mir und bereite mich auf einen “Neuanfang“ vor. Jedenfalls nach der Meinung von Petra, die mit kommt um mich zu unterstützen. Sie war eine Freundin meiner Mom. Klar - die und unterstützen. Sie will sich doch nur bei Paul beliebt machen. Sie war schon immer scharf auf ihn. Sie kann ihn haben, viel Spaß Petra. Ich jedoch sehe das ganz anders. Ich war mir eigentlich sicher dass ich mich entschieden habe, aber im Moment bin ich mir nicht mehr sicher. Renne ich nicht so einfach nur weg? Wäre es nicht besser mit Jess zu reden? Ich weiß es nicht, ich werde erst mal abwarten und werde sehen wie es weiter geht.
19.7.06 Na der erste Tag wäre geschafft. Es lief eigentlich alles ganz gut, nur das Paul und Petra die ersten Tage da bleiben wollen um zu sehen wie ich mich anstelle. Aber das werde ich wahrscheinlich überleben. Was denken die sich eigentlich dabei? Die werden mich bloßstellen - es ist so Peinlich wenn die mir die ganze Zeit hinter her laufen. Das Internat ist eigentlich ganz schön und auf Dauer könnte es sogar richtig toll werden. Alle sind nett zu einem und wollen mich kennen lernen. Das eine Mädchen sieht sogar sehr nett aus und ich denke ich würde mich gut mit ihr verstehen. Aber ich freunde mich besser nicht mit ihr an - ich will niemanden mehr weh tun. Denn ich weiß wie es ist eine gute oder sogar sehr gute Freundin zu verlieren und ich kenne den Schmerz. So ein ähnlicher Schmerz scheint mich seit ein paar Jahren aufzufressen und mittlerweile ist er unerträglich geworden. Ich kann einfach nicht mehr. Ich will auch nicht mehr.
22.7.06 Heute verschwinden die Zwei endlich. Ich weiß, darüber freuen sich nicht sehr viele aber ich tue es. Ich bin sehr froh darüber. Ich will nicht das sie merken wie dreckig es mir geht aber das würde sie ja eh nicht interessieren. Aber ich muss zugeben ich werde Paul schon etwas vermissen. Denn eigentlich liebe ich ihn ja. Was heißt hier eigentlich, es ist so. Und ich weiß auch das er mich liebt, er kann es mir nur nicht zeigen. Vielleicht irre ich mich in diesem Punkt doch. Ich hoffe das ich mich nicht irre und ich ihm doch wichtig bin. Früher als Mom noch da war haben wir jedes Wochenende etwas unternommen. Wir waren eine glückliche Familie. Na ja, morgen ist erst mal mein erster Schultag. Ich hoffe ich überlebe ihn und hoffentlich schmeckt das Essen hier. Sonst hab ich ein kleines Problem. Ich hab ja einen kleine Vorrat an Traube-Nuss-Schokolade und Gummibärchen dabei. Jaja, ich weiß das ich etwas verrückt bin, aber da kann man halt nichts machen. Ich habe mich vorhin schon wieder mal mit Paul gestritten. Über das was aus mir bösem Mädchen werden soll. Petra meinte sie müsse sich mal wieder einmischen. Die nervt mich so - immer will sie das ich mich Paul klein bei gebe und auf ihn höre. Aber das werde ich niemals tun. Da kann er mich noch so oft anschreien und mich noch so sehr hassen - ich lebe mein Leben und lasse mich nicht abschieben in ein Internat. Ihr zwei werdet schon sehen was ihr davon habt. Ach… MOM ich vermisse dich so sehr. Wenn ich mich an diesem Tag nicht mit ihr gestritten hätte und nicht einfach abgehauen wäre, würde Mom noch leben. Ich bin daran Schuld, das sie den Unfall hatte. Ich werde nie Ruhe finden wenn es um MOM geht. Aber ich habe schon die perfekte Lösung gefunden. Ich werde euch für immer verlassen, dann seit ihr die Last los. Jedenfalls denke ich das es die Perfekte Lösung ist. Mein Leben hat keinen Sinn mehr, ich habe keinen mehr der mich liebt, alle haben sich von distanziert. Und so hat ein Leben kein Sinn mehr.
Kapitel 1Der erste SchultagLouisa
Meine erste Nacht im Internat verlief ganz gut. Keine Zwischenfälle oder verspäteten Begrüßungsgesten, wie gestern morgen. Als meine Eltern im Büro der Leiterin des Internats verschwanden, ging es los! Alle haben mich mit Wasserbomben bombardiert. Ich war klatschnass hinterher, aber ich habe meine erste Bekanntschaft geschlossen. Sie war auch meine Zimmergenossin und hieß Elouise. Sie kam aus Mannheim, ich schätzte sie auf 16 - etwas jünger als ich, aber dennoch in meinem Alter. Vielleicht kam ich in ihre Klasse. Ich würde es sehen und zwar genau jetzt, denn es klingelte zum Unterricht und ich war immer noch auf meinem Zimmer. Stopp - nicht in meinem Zimmer, sondern das von mir und Elouise, auch Lu genannt. Genau wie ich. Ich beeilte mich wohl lieber um nicht am ersten Schultag zu Spät zu kommen. Ich wollte ja kein schlechtes Licht auf mich werfen. Ach Mist - ich hatte ja noch gar keinen Stundenplan. Wo musste ich überhaupt hin? Niemand war auf dem Gang. Wahrscheinlich waren alle schon im Unterricht. Was machte ich jetzt nur? Louisa ruhig bleiben! Keine Panik auf der Titanic. Denk nach. Das Sekretariat, natürlich. Die Sekretärin kann mir bestimmt weiter helfen. Im Sekretariat bekam ich meinen Stundenplan und machte mich dann direkt auf den Weg zu meiner ersten Schulstunde auf meiner neuen Schule. Ich war hellauf begeistert. Freute mich riesig all die neuen Schüler kennen zu lernen. Ach wie herrlich doch Ironie sein kann. Die letzte Stunde für Heute, Mathe. Der Satz des Pythagoras, total einfach. Hatten wir schon in der neunten und ich war gut darin. Dachte ich mal - ich hatte damals die beste Arbeit der Klasse, was bei meiner alten Klasse total einfach war. Bei dem IQ den meine Mitschüler teilweise besaßen, war das kein Wunder. Aber hier war alles anders. Der Großteil der Schüler war nett zu mir und redete sogar mit mir. Der andere Teil ignorierte mich oder ließ irgendeinen dummen Spruch ab. Was ich aber guten Gewissens ausblendete. Der Unterricht war wirklich gut - hier lernte man wenigstens etwas. Seit langem machte mir die Schule wieder Spaß. Was ich wirklich so meinte. Ich ging früher auch gerne zur Schule, bevor das alles passierte. Am meisten hatte ich mich darauf gefreut Jess am nächsten Tag alles erzählen zu können was mir am Morgen oder in der Nacht durch den Kopf gegangen war. „Miss Brendropp, können sie mir meine Frage beantworten?“, fragte mein neuer Mathe Lehrer, Herr Molch. Ich glaubte er hatte gesehenen das ich abgelenkt war. Wie gut das ich Multitasking fähig war und dem an der Tafel folgen konnte. Aber wie war nochmal die Frage? Instinktiv stand ich auf und ging vorn an die Tafel. Dort stand eine Aufgabe und ich hoffte dass er gefragt hat ob ich sie lösen konnte. Oh bitte, bitte lass es so sein. Ich sollte mehr aufpassen und meinen Gedanken später folgen.„Ist das so in Ordnung?“, fragte ich Herrn Molch. Aber er sah mich nur verwundert an und meinte: „Sehr gut Louisa, du kannst dich wieder setzen.“ Ich hatte direkt klargestellt das er mich doch bitte Louisa nennen sollte und nicht Marie-Louisa, wie die meisten Lehrer es anfangs taten. Ich hasse meinen vollen Namen. Ich frage mich heute noch was sich meine Eltern dabei gedacht hatten. Lu saß im Unterricht neben mir, wofür ich sehr dankbar war, denn ich kannte noch niemand anderen von hier. „Wie hast du das gemacht? Du hast doch gar nicht aufgepasst, oder etwa doch?“, fragte Lu sofort nachdem ich mich wieder gesetzt hatte. Meine Antwort war kurz: „War doch einfach.“ Und dann klingelte es auch schon und alle stürmten aus der Klasse. Mittagspause, danach hatten wir Sport, eins meiner Lieblingsfächer. In Sport hatten wir gerade Akrobatik. Und wir mussten eine Einzel-Kür entwerfen. Das war doch Schwachsinn - warum machten wir nicht gleich eine Kür mit mehreren? Na ja, es ist Frau Finds Sache. Sie musste es entscheiden. Jedenfalls machte es mir Spaß. Das ganze Internat war wirklich wunderbar. Es hatte eine große Sportanlage mit eigenem Schwimmbad und Sportplatz. Was aber auch nur daran lag, dass das Internat Schloss „Rabenstein“ etwas abseits lag. In der Nähe war ein See und ein großer Wald. Das Internat lag mitten in Bayern in der Nähe des Ortes Rotenburg ob der Tauber.Der Pausenhof war einzigartig - kaum möglich ihn zu beschrieben. Er war ordentlich - ohne Graffiti oder kaputte Mülleimer, wie auf meiner alten Schule. Es erinnerte einen an eine Parkanlage, wie es sie in größeren Städten, wie Frankfurt, gab.Jetzt saß ich auf meinem Bett und redete mit Lu über Nichts und die Welt. Sie war wirklich sehr nett und ich mochte sie. „Wie alt bist du eigentlich?“, sie wollte gerade die Frage wiederholen, aber da antworte ich endlich: „Ich? Ich bin 19. Und du?“„16. Werde aber in zwei Tagen 17“, sagte sie mit einem Strahlen im Gesicht. „Von wo kommst du und was sind deine Hobbys? Ach ja, bevor ich es vergesse - wie findest du es hier?“Sie war neugierig. „Ich komme aus Hessen, genauer aus Darmstadt. Das liegt in der Nähe von Frankfurt. Ich hab nicht so viele Hobbys. Ich lese gerne und Fotografiere. Früher war ich gerne Klettern. Und deine? Mir gefällt es hier sehr gut. Besser als ich dachte.“Ich hätte ihr wahrscheinlich gar nicht erklären müssen wo Darmstadt lag, denn Mannheim war gar nicht so weit weg von uns und früher war meine Familie öfters dort Shoppen.„Meine Hobbys sind Lesen, Schreiben und Sport. Besonders Federball. Du musst unbedingt mal mit zum Training. Warum bist du eigentlich hier? Sorry, das ich die so Löchere. Bin sehr neugierig.“„Ach macht nichts …“Bevor ich antworten konnte klopfte es an der Tür. „Herein“, sagten wir gleichzeitig und die Tür ging auf. Meine „Eltern“. Was wollten die denn?„Marie wir möchten mal gerne mit dir reden.“„Hört auf mich so zu nennen! Und was ist?“ „Komm mal bitte mit uns.“„OK“, war das einzige was ich sagte, gleichzeitig stand ich auf und ging mit ihnen mit. Vor dem Büro von Frau Lindeman, der Direktorin blieben wir stehen. „Die Rektorin der alten Schule ihrer Tochter, hat bei mir angerufen, um sich nach Louisa zu erkundigen“, sagte die Lindemann „Und genau deswegen wollte ich dass Sie so schnell kommen.“„Weil ihre alte Lehrerin wissen wollte wie es ihr geht? Deswegen sollten wir kommen? Das hätten sie uns aber auch am Telefon sagen können, oder?“, gab Paul zurück. „Sie hat mir erklärt warum ihre Tochter die Schule gewechselt hat. Es hat mich sehr geschockt als ich erfuhr was Louisa in ihre Vergangenheit angestellt hat. Nun bin ich der Meinung das Sie sie wieder von dem Internat nehmen sollten. Ich glaube hier ist sie nicht gut aufgehoben.“„Das wir was tun? Wollen Sie etwa das wir sie wieder mit nehmen?“, wollte Paul wissen.Seit mein Vater sich zu einem rücksichtslosen Deppen mutiert ist nannte ich ihn immer öfters Paul.„Na ja, lieber wäre es uns ja…“ „Was?“ , fragte mein Vater und sah fassungslos in die Runde.„Wenn ich dann auch mal was sagen dürfte? Ich habe die Schule gewechselt, weil ich es wollte - weil ich weg von dem ganzen wollte. Von allem was passiert ist!“, schrie ich und rannte weg. Erst einfach nur raus auf den Schulhof, dann wusste ich nicht was ich machen sollte. Ich war einfach überfordert mit der Situation. Alle wollten mich abschieben. Keiner wollte mich! Und was sollte ich jetzt machen? Ich konnte nicht mehr. Überall wollte man mich los werden. Wie sollte ich mich denn so wohlfühlen, oder gar glücklich sein? Das ging einfach nicht, wenn man ständig bestätigt bekam ein Nichts zu sein, für das sich keiner interessierte.
***
Im Zimmer angekommen war ich alleine. Lu war zum Training gegangen und kam erst in ein paar Stunden wieder. So lange war ich alleine. Ich schloss vorsichtshalber ab. Ich wollte alleine sein und es auch im Moment bleiben. Wollte über alles nachdenken. Ich schaute auf mein Handy und überprüfte meine SMSs. Ich hatte eine neue Nachricht von Jess - was will die denn? Du Feigling! Haust einfach ab. Wo steckst du? Komm zurück. Sei kein Feigling! Nein, das durfte doch nicht wahr sein. Sie wollte mich doch nicht erpressen?Oh mein Gott. Was sollte das denn? Ich klappte das Handy wieder zu und ignorierte die Nachricht einfach.
Kapitel 2Erpressung und SchuldgefühleLouisa
Die zwei letzten Wochen waren sehr schwer. Jess schickte mir immer wieder solche SMS´s und terrorisierte mich - falls man das so nennen konnte. Es war schrecklich. Im Unterricht lief's aber gut. Aber mit Lu nicht. Seit ich mich mit Lu gestritten habe, weil ich ihr nicht sagen wollte warum ich hier bin - ihr immer bei bestimmten Fragen oder Themen ausweichte. Sie wusste halt nicht was passiert war und sie sollte es auch niemals erfahren. Sie kannte meine Gefühle nicht; sie wusste nicht was in mir vor ging und wie kaputt mich das alles machte. Ich glaubte kaum dass es noch schlimmer werden konnte, als es schon war. Als ich mir in der Mensa etwas zu essen holte, kam unser Hausmeister mit der Post herein. Direkt auf mich zu: „Du bist doch die neue Marie-Louisa von Brendropp, nicht?“ „Ja, das bin ich. Wieso?“ „Hier, der ist für dich.“Ein Brief für mich? Aber wer schickte mir denn noch Post? Ich hatte ja nur noch einen Teil meiner Familie und Lu, aber der Rest hatte sich gegen mich gestellt. Wer also zu Teufel schickte mir einen so großen Brief. Ich rannte in mein Zimmer und riss den Umschlag auf. Und bin geschockt was das war.In dem Umschlag war ein Bild von mir, wie ich total besoffen - nur in Unterwäsche, auf einem Tisch tanze. Na ja, nicht nur besoffen, sondern auch total zu gekifft. Das war auf irgendeiner Party und es war ziemlich peinlich. Aber die Vorstellung dass irgendjemand noch mehr von den Bildern hatte machte mir Angst. Wer machte so was?Ich ließ den Umschlag fallen. Er landete auf dem Boden und ein Zettel fiel heraus. Was war das den? Ich hob den Zettel auf und las ... Na wie geht es dir? Gut? Du hast meine ganzen Nachrichten ignoriert, deswegen sende ich dir diesen Brief. Mit einem kleinen Anhängsel. Ich hoffe du erinnerst dich noch an diese Nacht? Es war sehr lustig mit dir. Wie immer - nicht?So und jetzt zur Sache! Wenn du irgendjemanden davon erzählst, dann bist du ein totes Mädchen! Du weißt schon was ich meine.Mach es gut. Deine JJ Scheiße! Und ob ich wusste was sie meinte. Das war von einem Dreivierteljahr. Wir, Jess, Bec, Lukas und Mike, haben etwas Schlimmes getan. Wir haben ein Mädchen regelrecht fertig gemacht - bloß gestellt und aufs übelste beschimpft, das sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat und versucht hatte sich umzubringen. Sie hatte es überlebt, saß aber seit dem im Rollstuhl und redete mit fast keinem mehr. Es tat mir total leid und jetzt wusste ich dass es nicht witzig war und cool war es ganz bestimmt nicht. Ich denke ich fühlte mich gerade genauso wie sie und bin an derselben Stelle an gekommen. Nämlich die stelle wo man im Leben aufgibt und keine Kraft mehr hat weiter zu leben. Ich hatte seit dieser Sache so ein schlechtes Gewissen. Ich wäre danach am liebsten zu Polizei gerannt und hätte alles erzählt, aber die anderen haben mich davon abgehalten. Seit ich ausgestiegen bin haben sie Schiss das ich doch noch zu den Bullen renne. Aber vor den Konsequenzen hatte ich viel zu großen Schiss. Ich wusste, dass das ein feiges Verhalten war, aber bevor es mit mir zu Ende war würde ich diese Sachen auf alle Fälle aufklären, egal was die Anderen dann von mir dachten. Es war dann eh zu spät und es war eine viel zu große Last auf meinen Schultern. Ich will sie danach nicht mehr tragen. Auch wenn ich zu feige war, mich hier und jetzt zu stellen. Ich konnte nur hoffen das sie mir alle vergeben, auch wenn ich so einen riesigen Misst gebaut habe. Ich konnte es nicht fassen das Jess und die Anderen das taten, nur weil ich nicht mehr so weiter leben wollte. Ich konnte das einfach nicht mehr ertragen, die Gesichter derjenigen zu sehen die wir tagtäglich fertig gemacht haben - die am Ende waren und das nur wegen uns. Mein gewissen holte mich langsam ein und ich wollte nicht mehr die sein, die andere fertig machte und das sogar lustig fand. Aber damit hatte ich bestimmt nicht gerechnet. Ich hatte bis jetzt wirklich viel Glück in meinem Leben gehabt! Kaum ist eines meiner Probleme verschwunden tauchte schon das nächste auf. Was dachte sich Jess eigentlich dabei? Sie war meine beste Freundin, sogar mehr als das - sie war wie eine Schwester. Und genau das würde sie für mich immer bleiben, egal was kam. Mir war eigentlich egal, was in den letzten Monaten passiert war. Ich verzieh ihr alles, denn ich vermisste sie. Ich vermisste alles an ihr - ihren tollen Charakter, ihre schönen kurzen Blonden Haare und ihr Lachen. Wir hatten so oft zusammen gelacht. Manchmal konnten wir stunden lang nicht mehr aufhören zu lachen. Wir hatten so viel Spaß zusammen. Ich vermisste diese schönen Zeiten. Ich wünschte das alles wäre niemals passiert. Und jetzt dachte sie, ich würde sie und die Anderen verraten. Wie kam sie darauf? Aber wie sollte ich ihr klar machen, dass ich sie niemals verraten würde? Sie musste sich selber stellen und sich selbst eingestehen, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Ich hoffte dass ihr irgendwann klar würde, was für einen großen Fehler sie gemacht hatte. Mir war es klar geworden, und mein Fehler war riesig und nicht wieder gut zu machen. Hoffentlich kam sie mit ihrem Gewissen besser klar als ich. Denn ich kam damit überhaupt nicht klar. Ich konnte froh sein das mein toller Vater Frau Lindemann überreden konnten mich doch für eine drei Monatige Probezeit aufzunehmen. Ich durfte also fürs erste hierbleiben. Aber ich konnte mich irgendwie nicht richtig darüber freuen. Ich hatte mich nämlich immer noch nicht mit Lu versöhnt. Es kam sogar noch schlimmer. Wir haben uns so in die Haare bekommen, dass ich in ein anderes Zimmer gekommen bin. Ein Einzelzimmer. In den anderen Mädchenzimmern war auch kein Platz mehr frei. Wir redeten nicht mehr miteinander. Sie ignorierte mich völlig und ging mir komplett aus dem Weg. Es war meine Schuld, dass wir uns gestritten hatten! Es war immer meine Schuld. Ich würde morgen noch mal versuchen mit ihr zu reden. Hoffentlich würde sie mir zuhören.
***
„Lu, warte mal“, rief ich Lu hinterher. Sie wollte gerade das Internat verlassen. „Was willst du von mir? Ich denke es ist alles gesagt!“, schrie sie. „Man Lu, schrei' mich doch nicht so an. Ich will doch nur mit dir reden. Du bist mir immer noch böse, oder?“„Reden? Worüber denn? Du willst mir ja nichts erzählen. Du beantwortest keine meiner Fragen und du wechselst oft einfach das Thema wenn es darum geht, was von deiner Vergangenheit zu erzählen. Worüber soll ich denn dann mit dir reden?“Sie wollte gerade weiter gehen doch ich packte sie am Arm und hielt sie so lange fest bis sie sich wieder umdrehte und dann redete ich weiter: „Ich dachte du wärst meine Freundin? Es tut mir alles so leid, mit unserem Streit. Ich wollte nicht dass es so weit kommt, glaube mir. Bitte.“„Ja ich dachte auch dass du meine Freundin bist, aber ich habe mich da wohl getäuscht. Es tut dir also Leid? Wenn dir wirklich etwas an mir liegt, dann beantworte mir diese eine Frage! Was ist passiert das du mir nicht sagen willst warum du hier bist?“, schrie sie mir ins Gesicht und das so laut das alle anderen im Foyer alles mit angehört haben mussten. „Nein, das geht nicht. Nicht jetzt…“ Sie ließ mich nicht einmal ausreden, schon bevor ich meine Satz zu Ende sprechen konnte unterbrach sie mich und schrie: „OK, das war´s dann! Ich geh jetzt und unsere Freundschaft ist beendet.“ Sie riss sich los und ging in einem schnellen Schritt, auf die Tür zu. Ich rannte hinterher und hielt die Tür zu, damit sie nicht gehen konnte, denn so wollte ich sie nicht gehen lassen. Das konnte sie doch nicht so meinen, oder?„Warum ist es dir so wichtig es zu wissen, Lu? Reicht dir nicht das hier und jetzt? Das wir Freundinnen sind?“, fragte ich. Der letzte Satz, den ich von ihr hörte lautete: „Freundinnen? Nein, das war einmal. Ich würde dich nicht einmal vermissen wenn du jetzt sterben würdest!“Und dann war sie auch schon weg. Ich war zu geschockt um ihr nach zu rennen oder ihr nach zu rufen. Ich blieb einfach im Foyer stehen und konnte mich nicht mehr rühren. Mir war egal wie mich jetzt alle anstarrten. Das war zu viel. In mir drinnen brodelte es. Nicht vor Wut, sondern vor Trauer und Enttäuschung. Und es tat unendlich weh sie so zu verlieren! Genau wie bei Jess. Beide hatte ich für immer verloren.Ich spürte wie mir langsam die Tränen in die Augen stiegen und rannte los. Ich wollte in meinem Zimmer sein, wenn sich meine Augen komplett mit Tränen füllten. Kaum war ich im Zimmer angekommen - verschloss noch die Tür, und dann waren sie da. Sie wollten gar nicht mehr aufhören immer wieder zu kommen. Irgendwann waren auch sie einfach weg. Wie alles andere auch. Nicht einmal Tränen waren für ewig. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich keine Trauer mehr spüren. Keine Freude und auch keine Schuld. Ich fühlte mich leer, wie eine Packung Gummibärchen die jemand alle aufgegessen hatte.Diese Leere war schrecklich, weil sie nicht gehen wollte. Sie breitete sich in meinen ganzen Körper aus. Von meinem Herzen bis in meine Füße, auch in meinem Kopf war diese Leere. Sie trieb mich wahrscheinlich zu meinem Entschluss. Ich wollte diese Leere einfach nur los werden.Ich saß ungefähr zwei Stunden einfach nur in meinem Zimmer am Boden und dachte über das was geschehen war nach. Dann fasste ich den Entschluss: Das alles vorbei war. Niemand konnte mir jetzt noch helfen. Ich wollte auch nicht dass mir in diesem Moment jemand half! Ich musste das mit mir aus machen. Ich wollte alleine sein - niemanden mehr sehen; niemanden mehr hören. Ich war alleine und das würde auch so bleiben, denn niemand wollte mich haben. Nicht einmal das Internat und die bekamen auch noch Geld dafür, das ich hier war. Aber sie wollen mich doch los werden.
Kapitel 3VerzweiflungLouisa
Ich hatte schon öfters daran gedacht, doch dass ich es mal ernsthaft in Erwägung ziehen würde, hätte ich mir nicht mal im Traum vorstellen können. Es gab nur einen Grund dafür - meinen Verstand. Er war ausgeschaltet und arbeitete nicht mehr. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu diesem einen Gedanken zurück. Ich wollte einfach nur noch sterben. Weg von hier und zwar für immer. Und genau das hatte ich vor. Ich wollte es - nur wie? Darüber hatte ich mir bis dahin keine Gedanken gemacht. Ich überlegte und dann kam ich auf eine Idee. Das Krankenzimmer! Das könnte klappen. Ich stand auf, wischte mir die Tränen aus meinem verheulten Gesicht und setzte ein Lächeln auf. Es musste miserabel ausgesehen haben. Jeder der mir über den Weg laufen würde, hätte gesehen, dass ich geheult habe. Aber als ich auf den Flur hinaustrat war keiner dort und das Krankenzimmer war um die Ecke. Ich rannte hin und hoffte dass mich keiner gesehen hat. Ich machte die Tür nur einen kleine Spalt auf, um zu sehen ob jemand dort war. Doch ich hatte Glück - es war keiner dort. Ich konnte nur hoffen dass die Schwester jetzt nicht rein kam. Ich ging schnurstracks zu dem großen Medikamentenschrank, der ganz offensichtlich mit einem roten Kreuz gekennzeichnet war. Auch hier hatte ich Glück, denn er war nicht abgeschlossen. Ich brauchte etwas Starkes. Das war mir klar - aber was? Ich wühlte im Schrank und hoffte dass jetzt niemand reinkam. Wie sollte ich mich denn da raus reden? Was ich hier mache? Keine Ahnung und es war mir auch egal. Ich suchte weiter um keine Zeit zu verschwenden.Bis jetzt hatte ich nur angebrochene und halb leere Schmerzmittel gefunden und andere Medikamente, die mir aber nichts sagten und um den Beipack zu lesen - was es war, hatte ich keine Zeit. Ich musste was anders finden. Ich war schon zehn Minuten hier und hatte noch nichts gefunden. Ständig sah ich zur Tür, weil ich Angst hatte, dass jemand den Raum betreten könnte. Doch dann fand ich im unteren Teil des Schrankes etwas, was ich nehmen könnte. Eine neue Packung Schlaftabletten. Das müsste reichen. Ich nahm die Packung an mich und verstecke sie in der Bauchtasche meines kuschelweichen Sweatshirts, dann rannte ich zurück in mein Zimmer und verschloss wieder meine Zimmertür. Dort legte ich die Tabletten erst mal bei Seite und griff zu meinem Block und holte mir einen Kugelschreiber. Ich wollte meinem Vater meine Entscheidung mit einem Brief mitteilen. Sie sollten wissen warum es soweit gekommen war und das ich ihn trotz allem über alles liebte.Ich hoffte, wenn er diesen Brief las würde er mich verstehen. Schon bald hatte ich eine Seite gefühlt - mit allem was ich meinem Vater noch sagen musste und wollte. Ich faltete ihn zusammen und schob ihn in einen Briefumschlag, dann schrieb ich den Namen meines Vaters darauf.Ich würde noch drei weiteren Personen einen Brief schreiben und hoffte sie würden mir verzeihen.
***
Für Lu fielen mir irgendwie nicht die richtigen Worte ein. Ich brauchte drei Versuche um eine halbe Seite voll zu schrieben. Doch letztendlich hatte ich es geschafft ihr die Wahrheit zu schreiben. Auch die Frage die sie mir immer gestellt hat, hatte ich beantwortet. Ich bat sie in dem Brief auch darum mit Jess zu reden.Jess … bei ihr war es sehr schwer, denn ich wusste nicht was ich ihr schreiben sollte. Wenn ich an sie dachte war mein Kopf noch leerer, als er ohnehin schon war.Es dauerte eine Ewigkeit bis ich doch die richtigen Worte fand. Es war schwer für jemanden die richtigen Worte zu finden, der einen hintergangen hatte - und genau das hat sie getan. Sie hat mich hintergangen, verletzt und enttäuscht. Aber ich musste mir auch an meine Nase fassen, denn genau dasselbe hatte ich mit ihr getan! Und es tat mir unendlich Leid und ich würde es jeder Zeit rückgängig machen wenn ich es könnte. Und genau das schrieb ich ihr. Ich entschuldigte mich auch bei ihr, aber auch wie sehr sie mich verletzt hat, bekam sie zu hören. Unschuldig war sie gewiss nicht an dem was passiert war! Das würde sie irgendwann auch merken. Ich wollte beide Briefe nicht unterschreiben, also setzte ich eines meiner Lieblingszitate darunter. Dann las ich mir nochmal die letzten Worte bei Jess durch. „… es tut mir wirklich sehr Leid, Jess und ich entschuldige mich nochmals für alles was passiert ist. Aber ich kann immer noch nicht fassen das du mir gedroht hast; mir das angetan hast! Schließlich warst du meine beste Freundin und wir haben so viel durchgemacht. Ich liebe dich wie eine Schwester und daran wird sich niemals etwas ändern. Denn du wirst für mich immer wie meine Schwester sein. Jess, bitte bedenke gut was du in der Zukunft tust.“ ,Wirklichkeit ist das was nicht weggeht wenn man aufgehört hat daran zu Glauben.', lautete das Zitat was ich als Unterschrift unter beide Briefe schrieb. Nun begann ich mit dem letzten Abschiedsbrief. Ich richtete ihn an Melanie, deren Leben ich ruiniert hatte. Ich war zwar nicht alleine daran Schuld, aber ich fühlte mich so schuldig, als hätte ich es alleine getan.Dieser Brief fiel mir von allen am leichtesten, da ich mir schon öfters überlegt hatte ob ich ihr schreiben sollte und auch schon einmal einen geschrieben hatte. Diesen hatte ich aber niemals abgeschickt. Wie auch - ich hatte ja nicht mal die Adresse von Melanie. Aber ich würde ihn dieses Mal Abschicken. Ich würde ihn an die Polizei schicken und hoffen dass sie ihn weiterleiteten. Ich wollte meinen Fehler zugeben und mich entschuldigen. Ich hatte es damals nicht geschafft und wollte es jetzt nach holen. Allerdings wusste ich nicht ob das was bringen würde; Ob sie ihn lesen würde. Würde sie ihn überhaupt bekommen? Ich war damals kurz davor mir meinen Fehler einzugestehen, ihn auch zu zugeben und für ihn gerade zustehen. Doch ich war zu feige - hatte den Brief verbrannt. Und als ich mich bei der Polizei stellen wollte, bin ich einfach wieder abgehauen. Doch jetzt wollte ich dass sie wusste, dass es mir sehr leid tat und ich wusste wie sie sich damals gefühlt haben musste. Wie groß mein Fehler war. Doch ich konnte es ihr nicht persönlich sagen, dafür war ich immer noch zu feige. Nach kurzer Zeit war ich fertig mit dem Brief. Ich hatte mir sehr viel Mühe gegeben, damit sie sah dass ich es ernst meinte. In meiner schönsten Schrift standen die vielen Worte, in denen ich mich entschuldige und ihr versuchte die damalige Situation zu erklären und wie es so weit gekommen war. Aber ich konnte nicht mehr besonders klar denken - hörte irgendwann auf zu schrieben. Der Brief endete einfach irgendwo in einer Erklärung. Ich konnte einfach keine weiteren Worte mehr zusammentragen, denn ab diesen Punkt wollte ich nicht mehr an diese Zeit zurück denken. Also schrieb ich nur noch meine Namen darunter. Louisa von Brendropp Die vier Briefe waren nun endlich fertig. Die halbe Nacht hatte es gedauert sie zu schreiben. Ich versah drei von ihnen mit der jeweiligen Adresse und rannte runter zum Foryer, um sie in den Briefkasten zu werfen. Wie praktisch es doch war, einen direkt im Internat zu haben. Und um diese Uhrzeit war keiner mehr zu sehen.Dann hörte ich ein leichtes Kichern. Erst leise, dann wurde es lauter. Es hörte sich irgendwie hysterisch an. Dann war es kurz weg, aber auch nur um im nächsten Moment wieder zurück zukommen und diesmal war es ganz nah. Ich drehte mich um, aber da war niemand. Dann ging ich ein paar Schritte weiter und ich hörte wieder dieses Kichern. Diesmal merkte ich aber von wo - und vor allem von wem es kam. Ich war diejenige. Aus meinem Mund kam dieses Kichern. Ich hatte keine Ahnung warum. Jedenfalls hielt ich mir meine Hand vor den Mund und rannte zurück in mein Zimmer. Als ich in meinem Zimmer ankam, war ich so außer Puste, dass ich mich erst mal setzten musste. Ich war so schnell gerannt wie ich nur konnte. Keiner sollte mein komisches Gekicher hören.Außerdem hatte ich noch etwas zu erledigen und die Sonne ging schon wieder auf. Es war nicht mehr viel zeit bis die Schule wieder anfing. Ich schätze dass wir so ca. fünf Uhr hatten, denn im Sommer ging die Sonne hier immer gegen fünf auf. Das konnte mir aber eigentlich egal sein. Ich stand auf und ging auf den alten Sekretär, den ich als Schreibtisch benutze zu. Ich vermute, dass er aus Fichtenholz gefertigt wurde. Ich nahm mir die Packung Schlaftabletten, setzte mich auf mein Bett und riss die Packung auf - wie ein neugieriges kleines Kind das wissen will, was unter dem Geschenkpapier ist. Ich warf die Packungsbeilage auf den Boden, damit ich besser an die Tablettenriegel ran kam. Ich nahm mir drei heraus. Schätzungsweise waren es 30 Stück. Ach was - egal wie viele, Hauptsache weg von hier. Dann pulte ich alle aus der Plastikverpackung raus und nahm eine Hand voll davon. Ich ließ sie im Mund verschwinden und spülte sie mit dem abgestandenen Mineralwasser, das neben meinem Bett stand, runter. Ich legte mich ins Bett. Ich war müde und wollte nur noch schlafen, was ich aber irgendwie nicht konnte. In mir herrschte so eine Unruhe, die mich nicht los ließ. Jetzt bekam ich so stechende Kopfschmerzen, die mir den Rest meines noch übriggebliebenen Verstandes auch noch ausschaltete und ich nicht mehr klar denken konnte. Über nichts mehr nachdachte. Auch diese Leere erklomm wieder meinen Körper. Die letzten Stunden hatte ich sie krampfhaft verdrängt und es hatte sogar geklappt - bis jetzt. Ich fühlte mich so schlecht, so einsam. Ich konnte dieses Gefühl gar nicht richtig beschreiben. Aber es war so schrecklich. Langsam spürte ich wie ein anderes Gefühl dieses verdrängte und in den Hintergrund stellte – das Gefühl der Übelkeit. Ich merkte wie mir immer übler wurde und sich alles anfing um mich herum zu drehen. Ich verkrampfte alle meine Muskeln und versuchte aufzustehen, doch kaum stand ich, plumpste ich schon wieder zurück in mein Bett. Ich sah plötzlich Sterne vor meinen Augen. Ich konnte noch nicht einmal mehr stehen, geschweige den laufen. Mir blieb also nichts anders übrig, als mich wieder in mein Metallbett zu legen. Ich konnte nur noch warten bis alles vorbei war. Doch es kam anders als ich dachte.Es hörte nicht auf, es wurde noch schlimmer. Plötzlich wurde mir eiskalt und heiß zugleich. Ich fing an zu schwitzen und dann dieser ständige Wechsel zwischen heiß und kalt. Ich wusste nicht mehr weiter. Dann, als dieses Gefühl von übermäßiger Kälte und Wärme etwas nach ließ, wurde mir so übel, das ich nicht anders konnte als mich zu übergeben. Ein Glück stand mein knall roter Mülleimer neben den Bett, sodass ich nicht auf den Boden ausspie. Nun lag ich am Boden und mein Körper krümmte sich vor Schmerzen. Der Schmerz ließ für ein paar Sekunden nach, aber nur um im nächsten Moment in doppelter Stärke wieder zurück zukommen. Als ich ihn spürte, schrie ich laut auf. Er durchzuckte meinen Körper, der sich daraufhin verkrampfte. Es hielt mehrere Sekunden an. Ich musste mich gleichzeitig wieder Übergeben, dann entkrampfte sich mein Körper wieder und ich fiel in mich zusammen, da meine Muskeln keine Kraft mehr hatten mich aufrecht zu halten. Mir wurde wieder heiß und ich bekam wieder einen Schweißausbruch. Nun drehte sich erneut alles um mich herum und ich sah wieder diese Sternchen. So elend hatte ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. Das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens. Langsam wurde es schwarz vor meinen Augen und ich hörte nur noch wie jemand gegen die Tür mit der Faust schlug. Ich fiel in eine Bewusstlosigkeit, von der ich nicht wusste ob ich ihr jemals wieder entkommen würde.
Kapitel 4Warum?Elouise
Ich war auf den Weg zum Unterricht als ich einen lauten Schrei hörte. Er hörte sich ziemlich nah an, aber in diesem Teil des Stockwerkes waren keine Schüler untergebracht. Hier war nur das Lehrerzimmer, Krankenzimmer und ein paar Abstellkammern. Oh !@#$%^&* - dort war auch das Gästezimmer indem Balu untergebracht wurde, nachdem wir uns gestritten hatten. Ich überlegte nicht lange und rannte zum Zimmer. Mir war es egal ob ich zu spät zum Unterricht kam und das würde ich auf alle Fälle, da es schon geläutet hatte. Vor der Tür blieb ich stehen und rüttelte an ihr, doch sie ging nicht auf. Balu musste sie abgeschlossen haben. Ich klopfte an die Tür - erst leiser, als ich keine Antwort bekam schlug ich mit meiner Faust gegen die Tür und rief: „ Blau mach die Tür auf!“ Immer noch keine Antwort. So langsam machte ich mir Sorgen. In mir stieg Panik auf. Was sollte ich denn machen? Der Hausmeister musste her. Er könnte die Tür aufschließen. Aber wo war der um die Uhrzeit?Ich rannte so schnell ich konnte zum Chemisaal, riss die Tür auf und wollte sofort los reden, doch ich konnte nicht, denn ich war außer Atem und musste erst mal Luft holen.„Wo kommst du denn so spät her, Elouise? Wo warst du? Der Unterricht hat schon seit zehn Minuten angefangen!“, schmeißt mir Herr Fedder an den Kopf. „Balu ist … ähm, ich meine Louisa … ihr ist was passiert … sie hat sich eingeschlossen,... geschrien … ähm ... sie gibt keine Antwort…“, stammelte ich. Herr Fedder sah mich mit großen, etwas schreckgeweiteten Augen an. Ich hoffte er glaubte mir. Er war etwas komisch. „Sie müssen mit kommen!“„Was redest du da, Elouise? Wo ist Louisa?“Ich ging auf ihn zu und zog ihn am Arm aus dem Zimmer. Na ja, ich versuchte es zumindest. „Elouise lass mich sofort los!“„Bitte sie müssen mir glauben … kommen sie mit.“Er schien mir zu glauben, denn er kam mit mir. Vor her gab er der Klasse noch schnell einen Arbeitsauftrag. Als wir bei Balus Zimmer ankamen und auch Herr Fedder keine Antwort bekam, machte auch er sich Sorgen und ließ den Hausmeister kommen, der die Tür öffnen sollte. Es dauerte ca. fünf Minuten bis er kam und die Tür aufschloss. Die Tür ging mit einem leisen quietschen auf, doch das was ich da hinter sah ließ mir das Blut gefrieren.Balu lag da bewusstlos am Boden und regte sich nicht. Nein, das konnte nicht sein. Nein! Sie durfte nicht tot sein. Ich wollte nicht dass es so kam. Ich hätte niemals sagen dürfen, dass ich sie auch nicht vermissen würde wenn sie tot wäre. Das war mein größter Fehler überhaupt. Es war meine Schuld, dass sie sich umbringen wollte und es vielleicht sogar geschafft hat. Ich konnte sie nicht mehr ansehen so gequält war ich von meiner Schuld. Als ich dann doch hin sah, war mir klar wie schön sie eigentlich war. So hatte ich sie noch nie gesehen. Mit ihrem langen braunroten Haaren, die offen um sie herum lagen und ihrem schönen Gesicht. Ich sah ihr Gesicht zum ersten Mal so richtig, denn sonst hatte sie immer die Haare offen getragen, sodass sie ihr Gesicht meist zur Hälfte bedeckten. Ich vermisste schon jetzt - dieses Strahlen in ihren eisblauen Augen. Ich vermisste sie!Herr Fedder riss mich aus meinen Gedanke heraus und sagte zu mir ich solle raus gehen.Als ich über Balu nachgedacht hatte, hatte er den Notarzt gerufen, sie in die Stabile Seitenlange gebracht und nun sah er sich die Schachtel an, die neben Balu lag. Ich konnte gerade noch die Aufschrift lesen bevor mich Herr Molch, der inzwischen dazu gekommen war, aus dem Zimmer zog. Sie hatte Schlaftabletten genommen und wie ich erkennen konnte, nicht zu wenig. Am Boden in ihrem Zimmer lagen drei Streifen die leer waren. Das war alles so schrecklich. Und ich war daran Schuld!Ich setzte mich auf den Boden und fing an loszuheulen. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurück halten. Ich hatte viel zu sehr Angst dass ich nie mehr mit ihr reden konnte. Der Notarzt brauchte nicht lange bis er da war. Schon nach kurzer Zeit hörte man das Martinshorn, kurz darauf sah man auch das Blaulicht durch die Fenster leuchten.Wenige Augenblicke später lief der Notarzt zielstrebig an mir vorbei in Balus Zimmer.Einer der Sanitäter ging vor mir in die Knie und fragte ob es mir gut gehe. Ich nickte nur mit meinem Kopf und wollte nun von ihm wissen ob sie noch lebe. Er ging kurz weg, wenig später kam er wieder um die Ecke und hatte ein leichtes lächeln auf den Lippen. Er sah gar nicht so schlecht aus. LU! Ermahnte ich mich, deine beste Freundin liegt da in diesem Zimmer und kämpft um ihr Leben und du denkst an dich.„Sie lebt“, kam es von ihm. Ich lächelte ihn an. Vor Erleichterung wurde mein Lächeln zum Lachen, dann zu einem hysterischen Kichern. Mir wurde schwindelig und irgendwie auch schlecht. Der Sanitäter, der sich mir mittlerweile als Marc vorgestellt hatte, bemerkte es und befahl mir mich hinzulegen. Ich tat wie mir geheißen und legte mich auf den Boden. Er fühlte meine Puls, ich sah aber nicht was er tat, sondern spürte nur seine großen, aber auch kalten, Hände die sich um mein Handgelenk legten. Dann nur noch wie meine Beine hoch gehoben wurden, dann war alles Schwarz. Es wurde hell. Wahrscheinlich hatte jemand das Licht angeschaltet, doch meine Augen wollten nicht aufgehen. Ich konnte nicht überprüfen ob es wirklich das Licht war das angemacht wurde, oder ob es nur die Sonne war die durchs Fenster schien. Aber ich bekam alles mit. Ich hörte Schritte, die erst entfernt waren und dann immer näher kamen. Jemand packte meinen Arm und eine Hand legt sich um mein Handgelenk. Anscheinend fühlte jemand meinen Puls. Dann hörte ich eine Stimme: „Sie ist stabil, der Puls ist in Ordnung. Machen sie sich bitte keine Sorgen. Sie wird bald wieder aufwachen. Es war nur der Schock. Da hat ihr Kreislauf nicht mitgemacht“, sagte eine männliche Stimme die ich irgendwoher kannte. Ich hatte sie schon mal gehört, aber sie ist mir nicht sehr vertraut.„Was ist denn passiert? Wie geht es ihr?“, höre ich eine weite Stimme fragen - diesmal eine Frauenstimme, die sehr panisch klang, aber auch voller Sorge war. Die Stimme war mir sehr vertraut … das … das war die Stimme meiner Mutter. Sie machte sich Sorgen wegen mir. Aber was war passiert? Ich konnte mich nicht erinnern. Nicht in diesem Moment. Aber irgendwas in mir sagte mir das etwas sehr Schlimmes passiert sein musste. Aber was? Die Tür öffnete sich und eine weitere Person trat herein. Sofort wurde die Person mit Fragen geradezu bombardiert.Meine Augen wollten immer noch nicht das was ich wollte. Ich hatte sie einfach nicht unter Kontrolle und den Rest meines Körpers auch nicht. Deswegen nahm ich es mir als Aufgabe dem Gespräch zu lauschen. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, aber ich schaffte es nur Fetzen aufzuschnappen.„Was ist mit Louisa? Lebt sie?“„Ja, sie hat zu wenige Tabletten eingenommen. Außerdem hat sie alles wieder ausgebrochen, was ihr das Leben gerettet hat. Sie liegt allerdings noch auf der Intensivstation, zur Überwachung. Wenn es ihr besser geht wird sie in die geschlossene verlegt“, sagte die männliche Person, deren Stimme mir so bekannt vorkam.„Verdammt noch mal, wie konnte sie an dieses Zeug kommen? Wo hatte sie die Tabletten überhaupt her?“, schrie meine Mom. Sie war zweifellos sauer.„Sie hat sie aus dem Medikamentenschrank entwendet“, sagte jemand sachlich.„Hier kann wohl jeder einfach an den Medikamentenschrank?!“, rief meine Mom fassungslos.„Nein! Natürlich nicht, aber das ist doch jetzt Nebensache. Es ist passiert und jetzt müssen wir zusehen dass sie wieder gesund wird“, konterte die Schwester. So langsam verzog sich der Nebel in meinem Kopf und ich konnte diese Stimme nun auch zuordnen.„Wird sie es denn ohne zurückbleibende Schäden überstehen?“, fragte meine Mom.„Es sieht gut aus. Ihr Körper hat richtig reagiert und sie wurde rechtzeitig gefunden.“Seine Stimme konnte ich immer noch nicht einordnen.Jetzt wurde mir auch so langsam klar was passiert war. Balu - sie hatte versucht sich das Leben zu nehmen. Als ich sie so leblos da liegen gesehen hatte, war mir schlecht geworden und wenig später war ich weg gewesen. Es war schrecklich - ich dachte wirklich sie sei tot, aber zum Glück wusste ich jetzt das es nicht so war.„Psst, sie wacht auf“, hörte ich Mom sagen. Ich hörte Schritte auf mich zukommen, die Aufmerksamkeit aller drei Personen war nun auf mich gerichtet.Mein Seufzen muss wohl lauter gewesen sein als ich dachte.Plötzlich war ich hellwach und schnellte mit dem Kopf nach vorne. Das war wohl zu schnell, den ich spürte sofort eine Stechenden Schmerz in meinem Kopf. Ich wurde sofort zurück in mein Kissen gedrückt. Ich riss meine Augen auf, im ersten Moment war alles verschwommen, dann wurde es immer schärfer und ich wusste endlich wo ich war. Ich lag im Krankenzimmer im Internat, um mich herum standen meine Mom, die ich schon an der Stimme erkannt hatte. Auch die Schwester hatte ich an der Stimme erkannt. Aber die männliche Stimme konnte ich bis jetzt noch nicht zu ordnen.Ich sah ihm direkt in die Augen, denn er war immer noch über mich gebeugt. Er war derjenige der mich wieder ins Kissen gedrückt hatte. Mein Herz fing an schneller zu schlagen. Was war den bloß mit mir los?„Hey, hey. Nicht so schnell“, sagte Marc zu mir.„Hast du Schmerzen?“, mischte sich Mom ein. Oh sie nervte, alle in diesem Raum nerven gerade, außer Marc.„Na ja, etwas Kopfschmerzen“, gestand ich. Die Schwester drehte sich um und holte mir eine Schmerztablette und etwas zu trinken. Sie sagte kein Wort mehr. Mom fing an mich mit Fragen zu löchern. Ich kam gar nicht zu Wort, denn Marc schritt schon für mich ein. Er schickte meine Mom aus dem Zimmer und auch die Schwester schickte er weg. Warum denn das?, fragte ich mich.Als beide draußen waren und die Tür geschlossen hatten, fragte ich gleich: „Wie geht es Balu?“„Gut“, sagte er knapp und fragte: „Weißt du warum sie das getan hat? Hat sie dir irgendetwas erzählt?“Na Super, er hat sie raus geschickt, um mich auszufragen. Was dachte ich mir eigentlich, dass er jetzt mit mir ein nettes Pläuschen hielt?!„Nein hat sie nicht, ich wusste von nichts! Ich hab mich mit ihr total zerstritten kurz vorher.“„Wie hast du sie denn gefunden?“„Ich hab einen Schrei gehört und bin dem nach und dann hab ich unseren Lehrer geholt. Warum wollen Sie das alles wissen?“„Es interessiert mich. Bist du dir wirklich sicher das sie keine Andeutungen vor her gemacht hat?“„JA!“, gab ich schnippisch zurück.„Entschuldigung, ich wollte dich nicht nerven, nur die Polizei will das nun mal wissen und ich dachte ich könnte dich etwas schonen wenn ich das mache.“„Wirklich nett von Ihnen.“, sagte ich wieder etwas schnippisch und ich musste zugeben es war unhöflich. Aber ich war nun mal sauer.„Du … ich meine du kannst mich duzten. Ich bin Marc.“„Ähmm … ok, Marc. Ich heiße Elouise.“„Okay, Elouise. Ich muss jetzt leider los aber ich lasse dir meine Handynummer da, falls irgendetwas ist, kannst du mich anrufen. Oder wenn dir noch was einfällt“, sagte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, dass ihn noch hübscher aussehen ließ, er legte den Zettel mit der Nummer auf den Tisch neben dem Bett.Mein einziges Kommentar dazu war: „Verschwinde.“ Ich nahm ein Kissen in die Hand und grinste ihn an. Er lächelte und verschwand.Er war ziemlich groß und selbst durch sein T-Shirt sah man das er Muskulös war. Seine Haare waren dunkelbraun. Sie hingen ihm bis über die Ohren, was ihn noch besser aus sehen lies. Sein Pony müsste allerdings mal wieder geschnitten werden. Die Augen hatte die Farbe eines Smaragdes, dieses grün kam mir irgendwie bekannt vor. Ich dachte nach wo ich diese Farbe schon mal gesehen hatte. Na klar, das Hochzeitsbild von meinen Eltern. Meine Mutter hatte solche Augen. Auf dem Bild leuchteten sie noch genauso grün, wie bei Marc, doch mittlerweile waren sie eher grau geworden und leuchteten selten noch so. Welche Augenfarbe mein Vater hatte konnte ich mich nicht erinnern. Ich konnte mich nicht an ihn erinnern. Nie habe ich ihn gesehen. Mom sagte immer er sei kurz nach meiner Geburt abgehauen. Plötzlich wurde ich wieder müde und mein Kopf schmerzte wieder. Ich beschloss mich hinzulegen. Versuchte zu schlafen, was mir glücklicherweise gelang. Ich glitt langsam und sachte in einen tiefen Schlaf.
***
Ein paar Tage später fühlte ich mich so gut, dass ich wieder am Unterricht teil nehmen konnte. Zum Glück hatte ich nur ca. vier Schultage verpasst, sodass ich alles sehr schnell nachholen konnte. Aber in mir rumorte immer noch alles. Ich konnte einfach nicht fassen was am Montagmorgen passiert war. Ich wollte es nicht wahr haben. Ich konnte damit einfach nicht umgehen, deswegen wollte Mom das ich mir Hilfe holte. Aber was sollte das bringen? Ich redete da mit jemanden über das was passiert war und dann ging ich wieder heim. Na ja, ich würde es für Mom tun. Genau jetzt bräuchte ich meinen Dad. Mit ihm könnte ich bestimmt reden. Mom konnte man ja nichts erzählen - die drehte sofort durch und machte sich sofort Sorgen. Das nervte. Mit einem Vater der einen verstand wäre alles anders. Aber ich hatte ja keinen Vater der mich liebte und mir zuhörte. NEIN! Meiner ist abgehauen da war ich drei oder jünger. Er hat meinen Bruder mitgenommen. Ich hatte nur ein Bild von ihm und meinem Bruder. Mom durfte das auch nicht wissen. Sie würde mir sofort das Bild wegnehmen und es zerreißen. Sie wollte nicht dass ich wusste wer er war. Ich wusste nichts über ihn. Keinen Namen, kein Geburtsdatum. Von meinem Bruder wusste ich nur dass es jetzt 24 sein müsste. Er war 7 Jahre älter als ich.Ach wie gerne würde ich wissen wie Beide jetzt aussahen. Wie sie generell waren und vor allem - warum er mich und Mom verlassen hatte. Aber ich würde wohl nie erfahren wer er ist und wo sie waren, denn immer wenn ich Mom fragte wich sie mir aus. Sie antwortete nie auf meine Fragen. Aber ich wollte ihn doch kennenlernen. Ich hatte doch ein Recht darauf. Aber wie sollte ich es heraus finden? Na klar - meine Geburtsuhrkunde. Da müsste er doch eingetragen sein. Und die lag auf dem Standesamt. Aber das konnte ich im Moment vergessen, da ich dazu nach Hause musste und wir wohnten ca. 200km weit weg. Das Internat lag in Bayern, genauer in der Umgebung von Rotenburg, ob der Tauber. Na ja, das Internat lag mitten im Nichts, umgeben von Feldern und Wäldern. Aber wir hatten es nicht weit zur Stadt. Mit dem Fahrrad brauchte ich ca. 10 Minuten. Es war wunderschön und sehr ruhig hier. Kein Vergleich mit meiner Heimatstadt. Mannheim ist auch schön, aber laut. Immerhin hatten wir ein Einfamilienhaus, etwas außerhalb der Stadt. Sogar mit einem großen Garten, indem ich früher mit meiner Sakura getobt habe. Leider ist sie vor zwei Jahren gestorben. Sakura war mein Hund - mein Tschechoslowakischer Wolfshund. Von meinem Zimmer aus konnte ich den Sonnenuntergang sehen. Mein Zimmer war groß und gemütlich eingerichtet. Sogar eine kleine Couch stand darin. Und alles war in Orange-, Rot- und Gelbtönen gehalten. Meine Lieblingsfarben. Ich freute mich immer auf die Ferien, um dann endlich wieder im meinem Bett schlafen zu können. Aber seit Sakuras Tod, war ich nicht mehr so gerne dort. Kurz nach ihrem Tot war ich sogar in den Ferien hier geblieben, nur um ihr Körbchen nicht zu sehen.Na ja, das Leben ging weiter.Bald würden die großen Sommerferien anfangen und dieses Mal freute ich mich auf Zuhause. Wenn ich nach sechs Wochen wieder zurück ins Internat kam wusste ich vielleicht wer mein Vater war.Aber eine Sache musste ich noch erledigen bevor ich nach Hause fuhr. Ich musste noch Balu besuchen. Ich wollte sie besuchen. Mittlerweile ging es ihr besser - sie war außer Lebensgefahr und lag jetzt auf der geschlossenen. Dort würde sie erst mal behandelt werden. Keiner wusste wann sie wieder raus kam und ob sie dann ihr Leben einfach weiterleben konnte.Ich musste aber unbedingt mit ihr reden. Was in ihrem Abschiedsbrief für mich stand, erschütterte mich sehr. Sie gab sich an allem die Schuld, dabei waren wir beide daran Schuld.Ich hoffte sie kam wieder auf die Beine und ich würde versuchen ihr dabei zu helfen. Ich hätte es mir nie verziehen wenn es ihr gelungen wäre.
***
Nun waren fast 2 Wochen vorüber, seitdem das mit Louisa geschehen war, und so langsam kam ich wieder in meinen normalen Tagesablauf rein. Aber wenn ich nichts zu tun hatte musste ich immer noch an das was geschehen war denken, was mir sehr weh tat. Dieser Schmerz - jemanden geliebten fast verloren zu haben, war grausam. Dann war das auch noch meine Schuld. In genau solchen Momenten hatte ich das Gefühl, mir würde die Decke auf den Kopf fallen. Dann wollte ich mit jemanden reden, aber es war nie jemand, dem ich mich anvertrauen konnte. Deswegen wollte Mom auch das ich mit jemanden Professionellen redete. Vielleicht brachte es mir ja was. Aber ich hatte trotzdem keine Lust mit jemand Fremden über meine Probleme zu reden. Huch - mein Handy klingelte ja. Wer konnte das denn sein? Ich sah auf das Display. Meine Mutter. Das konnte lange dauern.
Tatsächlich, ich hatte mit Mom über eine Halbestunde telefoniert und sie hatte erreicht was sie wollte. Sie hatte so lange auf mich eingeredet, bis ich keine Lust mehr hatte und ihr nachgab. Mom hatte es geschafft mich zu überreden, dass ich zu einem Psychologen ging. Wenn ich ehrlich war mache ich dass nur, um Balu zu sehen und mit ihr zu reden, wenn ich jemanden fand den ich überreden konnte. Ich wusste ja nicht ob ich einfach zu ihr konnte. Wahrscheinlich hatte Mom aber mal wieder Recht und es half mir wirklich. Ich würde es ja sehen. Ich musste immer an Balu denken. Ich machte mir solche Sorgen um sie, auch wenn ich wusste dass es ihr besser ging und das sie dort in Sicherheit war. Ich kam gar nicht mehr im Unterricht mit, weil ich immer nur an Balu dachte und an ihre und meine Zukunft. Ich machte gerade die Apfelsaftschorle auf, die ich mir gerade geholt hatte und ging wieder in mein Zimmer. Was sollte ich heute machen? Es standen keine Arbeiten an und ich habe auch keine Hausaufgaben auf. Also dachte ich nach - über nichts und die Welt. Dabei fiel mir auf das mich immer noch mein schlechtes Gewissen und meine andern Probleme plagten. Gerne würde ich mit jemanden darüber reden, aber es gab keinen mit dem ich reden konnte. Meinen Termin hatte ich in drei Tagen und ob ich mit ihm reden wollte wusste ich noch nicht. Ich kannte ihn ja noch nicht. Die Vorstellung mit jemanden den man nicht kannte über seine Probleme zu reden, war irgendwie komisch.Ich fing an mein Zimmer aufzuräumen, denn das sah aus wie ein Saustall. Na ja, ich hatte halt die letzten Tage keine Lust ordentlich zu sein. Auf dem Stuhl lagen haufenweise Klamotten, die ich mir als erstes vornahm. Ich sortierte sie erst, ob sie in die Wäsche mussten, oder ich sie wieder zusammenlegen konnte. Als ich damit fertig war blieb nur noch ein kleiner Haufen, den ich zusammenlegen musste und dann im Schrank verstauen musste. Danach nahm ich mir die vielen Bücher, die im ganzen Zimmer verteilt waren, vor. Einen Teil verstaute ich ohne nachzusehen welche es waren in das Regal. Bei anderen las ich den Titel durch. Damit überprüfte ich ob ich es schon gelesen hatte, oder noch nicht. Das dritte Buch was ich zur Hand nahm hatte ich auf der Krankenstation fertig gelesen, aber es steckte immer noch ein Zettel darin. Ich öffnete das Buch und da fiel auch schon der kleine Zettel auf den Boden. Ich hob ihn auf und las was darauf stand: Marc Ried : 056178823356 Stimmt, er hatte mir ja seine Telefonnummer gegeben, damit ich ihn anrufen konnte wenn irgendwas war. Und genau das würde ich jetzt tun. Ich hoffte er hatte Zeit. Man - wo war denn mein Handy? Na Super, jetzt musste ich das auch noch suchen. Wo hatte ich es das letzte Mal? Ich glaubte im Bett, als ich nachgesehen hatte ob ich eine SMS bekommen hatte. Ich ging zum Bett und warf alles was auf dem Bett lag auf den Boden, damit ich besser nach meinem Handy suchen konnte. Immer noch kein Handy in Sicht. Nun zog ich auch noch die Bettdecke vom Bett und da lag es. Mitten auf meinem Bett. Es war begraben unter Schichten von Klamotten, Kissen und anderen Dingen. Sofort wählte ich die Nummer. Die Leitung war frei aber ich musste über eine Minute warten bis jemand abnahm. Er meldete sich nur mit, Ja’, deswegen war ich erst etwas verwirrt und fragte: „Marc?“Ein etwas verwirrtes, Ja’ kam zurück. Mir wurde schlagartig klar dass er nicht wusste wer ich war.„Ich bin es, Elouise.“„Ach, Elouise. Tut mir leid ich hab dich nicht erkannt. Deine Stimme klingt so anders am Telefon - so erwachsen.“„Ähmm … danke.“, ich wusste nicht genau was ich erwidern sollte. Ich konnte noch nie gut mit Komplimenten umgehen. Dann breitete sich eine peinliche Stille zwischen uns aus. Sie dauerte nicht lange, denn Marc unterbrach sie. Ihm war sie anscheint auch so unangenehm wie mir.„Was ist Passiert? Warum rufst du an?“, fragte er.„Ich … ähmm … Ich rufe an, weil … du meintest ich kann anrufen wenn ich reden möchte“, stotterte ich.„Ja klar, deswegen habe ich dir ja auch meine Nummer gegeben. Du willst also mit mir reden?“, fragte er. Ich vermutete dass er gerade bis über beide Ohren grinste. Bei der Vorstellung an sein listiges Grinsen musste ich auch grinsen. Nun saß ich in meinem Zimmer und grinste vor mich hin.„Ja ich möchte mit dir Reden, aber nicht am Telefon. Können wir uns irgendwo treffen? Und hör auf so zu grinsen!“, den letzten Satz sagte ich mit gespielter Boshaftigkeit. Er fing an laut zu lachen, ich stimmte mit ein. Gleichzeitig hörten wir auf zu lachen und Marc redete weiter.„Um 16 Uhr 30 bei der Eisdiele?“„Gut, ich bin da.“„Okay, dann bis Später. Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.“„Tschüs.“ Bevor er auflegte kam noch ein kleines, Bye’ von ihm. Ich steckte mein Handy in meine Hosentasche und widmete mich wieder meinem Zimmer. Bevor ich mich mit ihm traf wollte ich mit meinem Zimmer fertig sein. Damit ich das noch schaffe muss ich mich jetzt aber ran halten, dachte ich. Dann nahm ich meinen MP3-Player und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren. Ich machte die Musik etwas lauter als sonst. Vorsichtshalber verschloss ich auch die Tür. Dann versank ich in Gedanken. Leise sang ich den Text von meinem Lieblingslied mit. ,Teenagers von Paramore'.
***
Als der Akku von meinem MP3-Player leer war und ich mich darüber aufregte, dass der Akku immer wenn man ihn brauchte leer war, betrachtete ich zur Abwechslung mal die Uhr. Ich erschrak, denn es war schon 16 Uhr. Jetzt musste ich mich beeilen damit ich nicht zu spät kam. In Windeseile packte ich meine Sachen in eine Tasche, kontrollierte mein Handy ob ich eine neue Nachricht bekommen hatte, dann nahm ich mir meinen Kleiderschrank vor. Aber was sollte ich anziehen? Etwas Edles oder eher Lässiges? Mhm … ich machte die Kleiderschranktür auf und suchte nach etwas Passendem. Schließlich entdeckte ich meinen Lieblingspulli. Er war zwar schon ziemlich alt, aber ich liebte ihn immer noch. Er war hellblau und innen flauschig, außerdem hatte er eine Kapuze. Er war sogar etwas Figur-betont. Ich zog ihn über mein T-shirt, dazu eine dunkle Röhrenjeans. Dann suchte ich nach meinen Lieblingsschuhen. Erst fand ich sie nicht, aber als ich unter dem Bett nach sah, lagen sie dort. Meine Chucks waren schwarz und lila und das Muster war irgendwie verwirrend. Nicht richtig zu beschreiben - aber schön. Ich zog sie an und sah wieder auf meine Armbanduhr, ich hatte 15 Minuten damit zugebracht mich anzuziehen. So lange hatte ich noch nie gebraucht. Dann gönnte ich mir noch einen letzten Blick in den Spiegel. Schließlich nahm ich meine Tasche, ging die Treppe runter ins Foyer um das Internat zu verlassen. Ich rannte los, um nicht zu spät zu kommen. Total außer puste kam ich in der Eisdiele an und sah mich nach Marc um - konnte ihn aber nirgends entdecken. Als ich mich versichert hatte, dass er noch nicht da war setzte ich mich an einen freien Tisch und kam erst mal wieder zu Atem. Ich sah auf die Uhr und merkte das ich fünf Minuten zu früh war, also noch genug Zeit um mich von dem, Marathon’ zu erholen. In meiner Tasche suchte ich nach dem kleinen Spiegel, den ich eingesteckt haben müsste und fand ihn auch. Ich sah ziemlich verrupft aus, war knall rot im Gesicht. Als hätte ich einen 1000m-Lauf hinter mir. Ich richtete meine Haare, die total verwirrt waren vom Wind und wischte mir den Schweiß von der Stirn und dem Hals. Dann versuchte ich mich zu entspannen und lehnte mich im Stuhl zurück. Ich musste nicht lange warten, denn Marc kam auf die Minute pünktlich. Ein Mann, der eine Frau nicht warten lässt, dachte ich mir und grinste vor Vorfreude.
Kapitel 5Wahrheiten Elouise
Auf einmal Spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erschrak und drehte mich um. Marc lachte los als er mein Gesicht sah. Sein Lachen war so bezaubernd - ich hatte es schon einmal gehört, aber wo? Egal - ich dachte nicht weiter darüber nach und lachte mit ihm. Sein Lachen war nicht nur schön, sondern auch ansteckend.Dann kam ein, Hi’ aus seinem Mund und sein Lachen verstummte. Ich begrüßte ihn ebenfalls, dann setzte er sich mir gegenüber und rief den Kellner herbei.„Ich nehme ein Erdbeerbecher. Und du Elouise? Ich lade dich ein.“„Mhm … auch einen Erdbeerbecher, bitte.“Der Kellner verschwand wieder im inneren der Cafés.„Danke.“„Wofür?“, fragte er.„Für die Einladung zum Eis und dafür das du her gekommen bist“, entgegnete ich.„Kein Problem. Aber worüber willst du eigentlich mit mir reden? Über deine Freundin, Louisa?“„Ja … ich hab so ein schlechtes Gewissen wegen Balu. Es ist meine Schuld. Wir haben uns so gestritten und ich hab ihr etwas ins Gesicht gesagt, das ich jetzt sehr bereue …“ Eigentlich wollte ich weiter reden aber er unterbrach mich.„Es ist nicht deine Schuld! Sie muss schon vorher Probleme gehabt haben, vielleicht mit ihren Eltern oder auf ihrer alten Schule. Jedenfalls gehen die Ärzte nicht davon aus das sie ihrem Leben wirklich endgültig ein Ende setzten wollte, es war eher ein Hilfeschrei. Wenn sie es wirklich gewollt hätte, dann wäre sie jetzt tot ...“Jetzt war ich es die ihn unterbrach: „Wie meinst du das?“„Na ja, ich denke das sie schlau genug ist um zu wissen das man nicht sehr schnell von diesem Medikament stirbt, es war ein recht schwaches Schlafmittel. Ich weiß zwar nicht viel von ihr, aber ich schätze es war eine unüberlegte Kurzschlusshandlung.“„Aber der Abschiedsbrief?“„Was für ein Abschiedsbrief?“„Na ja, ich habe einen bekommen. Sie hat ihn mit der Post geschickt. Ich habe ihn erst gestern bekommen. Sie schreibt sehr oft dass es ihr leid tut, sie gibt sich an allem die Schuld, auch an unsrem Streit. Ich bin dran Schuld.“„Nein, bei einem Streit sind immer beide Schuld. Und nicht einer. Hör bitte auf die Vorwürfe zu machen. Das bringt dir nichts, im Gegenteil - sie machen dich kaputt. Auf gut Deutsch gesagt. Ich denke du und Louisa habt einiges zu klären.“„Mhm … aber wie soll ich zu ihr kommen? Weißt du eigentlich wie es ihr geht?“„Nein, aber das kann sich ändern“, sagte er und grinste, dabei holte er sein Handy aus seiner Hosentasche und wählte eine Nummer. Dann stand er auf und meinte, er sei gleich wieder da. Und dann war er auch schon weg.Was war nur passiert das sie ihr Leben beenden wollte? Warum hatte ich nichts bemerkt?Es muss doch irgendwelche Anzeichen gegeben haben. Ich dachte nach, ob sie irgendwann mal eine Andeutung gemacht hatte, aber ich konnte mich an nichts erinnern. Nein, es gab keine Anzeichen. Sie war immer fröhlich gewesen und hatte oft gelächelt. Wir haben auch oft gelacht, über alles haben wir gelacht. Wir kannten uns zwar noch nicht lange, aber irgendwie war es so als kannten wir uns schon seit Jahren. Diese Vertrautheit zwischen uns, und doch habe ich nichts gemerkt.„Also ich habe gerade mit dem behandelnden Arzt sprechen können“, sagte Marc und riss mich somit aus meinen Gedanken. Als er sich setzte sah ich in sein Gesicht. Es hatte sich verändert, seine Miene war traurig und etwas trostlos. Ich bekam Panik, hatte sie es doch nicht überlebt? Was war passiert?„Was ist los? Ist etwas passiert? Los sag schon“, sprudelte es aus mir heraus. In meinem Ton lag eine leichte Panik. Er merkte es und sprach sofort die beruhigenden Worte aus.„Es geht ihr gut. Sie ist momentan noch auch auf der Geschlossenen, aber es besteht keine Gefahr mehr dass sie es nochmal versuchen wird. Sie hat zugegeben dass sie schon oft darüber nachgedacht hat. Die Polizei hat ein Tagebuch gefunden, indem die letzten Einträge fast nur darum handeln das sie sich umbringen will. Aber Dr. McHard meint, dass es ein Hilferuf war - auch die vielen Einträge -, dass sie es wirklich getan hat war eine Kurzschlussreaktion. Sie sagte zu Dr. McHard, dass es ihr an diesem Tag alles zu viel wurde und sie keinen Ausweg mehr gesehen hat. Es ging ihr also schon vorher schlecht, anscheint war euer Streit der letzte Punkt, der ihr bestätigte, dass sie nicht gebraucht wurde. Aber sie ist bereit sich therapieren zu lassen, und es sieht gut aus. Sie wir wieder auf die Beine kommen. Allerdings braucht sie dafür die Hilfe einer Freundin, die ihr den Rücken stärkt.“ „Okay, was soll ich dazu sagen? Ich muss das erst mal verdauen. Aber eines ist klar, ich werde ihr helfen. Egal wie lange es dauert, denn sie ist und bleibt meine Freundin und ich glaube ich wüsste da Jemanden, den sie gerne wiedersehen würde. Hoffentlich klappt es.“„Das ist gut sie braucht jetzt wirklich Jemanden auf den sie sich verlassen kann. Aber was soll klappen?“, fragte er und man sah deutlich die Fragezeichen über seinen Kopf.„Nichts, es geht nur um 'ne Freundin. Das heißt ich kann zu ihr?“„Im Moment noch nicht. Dr. McHard will erst noch mal mit ihr reden. Ich sag dir Bescheid wenn du zu ihr kannst, okay?“„Ja, bitte.“Die Informationen, die ich gerade bekommen hatte, hatte ich so langsam verdaut. Ich würde mir jetzt viel lieber meinen Kummer von der Seele reden, aber ich kann ihn doch damit nicht langweilen. Irgendwie schmerzte es wieder. Ich spürte einen leichten Stich in mein Herz, als ich an meine Vater dachte. Er bemerkte wohl das noch irgendetwas war, denn er sah mich etwas verwirrt an und fragte: „Alles okay, du bist gerade so blass geworden?“„Jaja, alles ist okay.“ Wow, das war ja sehr überzeugend. Um ihn abzulenken sagte ich noch etwas: „Ich glaube wenn wir nicht langsam unser Eis essen können wir es trinken.“Eigentlich konnte man unser Eis schon trinken, aber was besseres fiel mir gerade nicht ein.„Lu … ich darf dich doch Lu nennen?“„Ja.“„Gut, also wenn dir noch irgendwas auf dem Herzen liegt was du los werden willst, du kannst es ruhig sagen. Du kannst mir vertrauen ich werde niemanden etwas sagen. Vielleicht kann ich dir sogar helfen?“ Sein letzter Satz war eher eine Frage als Feststellung. Ich schüttelte mit dem Kopf.„Nein, dabei kannst du mir nicht helfen. Ich glaube dabei kann mir nur eine Person helfen und die möchte nicht“, antwortete ich traurig.„Dann erzähl es mir einfach, ich bin ein guter Zuhörer und oft hilft auch nur reden. Aber wenn du nicht willst – na ja, ich kann dich nicht zwingen.“Ich trank den letzten Schluck meines Eis' und dabei überlegte ich mir ob es nicht wirklich sinnvoll wäre mit ihm darüber zu reden. Schließlich kam ich zu dem Entschluss das ich im vertraute und mit ihm reden würde.„Okay, aber nicht hier. Das Café fühlt sich immer mehr, außerdem kann ich langsam nicht mehr sitzen.“„Gut“, meinte er nur und lächelte mich wieder an.Er rief einen Kellner herbei und bezahlte, dann standen wir auf und gingen.„Wo wollen wir hin laufen?“, fragte er.„Dort hinten ist ein Feldweg der zu dem kleinen Wäldchen führt. Da ist es ruhig.“„Du weißt wo es lag geht?“„Ja, ich bin sehr oft hier, folge mir.“Er folgte mir. Ich ging auf den Feldweg und lief ohne etwas zu sagen. Auch er blieb still und schien zu warten bis ich etwas sagte, was ich gut fand. Er hielt sich zurück und vertraute mir. Er vertraute mir, dabei kennen wir uns nicht einmal, und ich vertraute ihm. Es kam mir vor als würde ich ihn kennen, aber ich war mir sicher, dass ich ihn noch nie vorher gesehen habe. Langsam wurde der weg unter unseren Füßen matschiger. Es hatte vor kurzem geregnet, der Waldboden war nass. Jetzt hielt ich es für eine guten Zeitpunkt ihm mein Herz auszuschütten.„Ich hab Probleme mit meiner Mutter“, begann ich etwas zögerlich.„Und welche?“Er kam mir näher, nun stand er direkt hinter mir und ich fühlte seinen Atem im Nacken.So blieben wir stehen und ich redete weiter.„Ich liebe meine Mutter, aber ich hasse sie dafür, dass sie mir nicht meine Frage konkret beantwortet. Ich möchte doch einfach nur wissen woher ich komme, wer mein Vater ist, warum er mit meinem Bruder gegangen ist als ich zwei Jahre alt war. Aber nie bekomme ich eine Antwort. Sie weicht mir immer aus. Ich hab mich deswegen schon sehr oft mit ihr gestritten und als ich das letzte mal bei ihr war auch. Sie will mir nichts sagen. Ich werde ihn wohl ohne ihre Hilfe suchen müssen, denn ich will ihn um jeden Preis kennen lernen.“„Oh. Du weißt also nichts über deine Vater?“„Nichts, ich hab nur ein Bild von ihm, mehr nicht. Kein Namen, kein Geburtsjahr. Ich weiß noch nicht einmal ob er überhaupt noch lebt.“„Vielleicht will deine Mutter dich nur schützen. Es könnte ja sein, dass dein Vater etwas Schlimmes getan hat oder einen Unfall hatte bei dem er gestorben ist.“„Wenn er 'ne Bank ausgeraubt hätte oder sonst etwas hätte er nicht meinen Bruder mitgenommen. Auf die These mit dem Unfall bin ich auch gekommen und hab alle Zeitungsarchive, von Zeitungen die es in unsrem Ort gibt, durch geforstet. Doch ich habe dabei nichts gefunden. Keine Todesanzeigen oder Berichte über einen schweren Unfall bei dem Vater und Sohn gestorben sind und Mutter und Tochter überlebt haben.“Ich wollte weiter laufen, doch ich stolperte und fiel hin. Marc versuchte mich noch aufzufangen, er bekam mich aber nur am Arm zu fassen.Ich drehte mich um und setzte mich einfach auf den Boden.„Ist was passiert? Tut dir irgendetwas weh?“, fragte er. Aus seiner Stimme hörte man deutlich das er sich Sorgen machte, was ich irgendwie süß fand, aber nicht süß im Sinne von Ich-bin-in-ihn-verknallt, sondern irgendwie geschwisterlich. Ich fand ihn süß – ja, aber mehr nicht. Er war wie ein großer Bruder für mich, auch wenn ich ihn noch nicht so lange kannte. Dieses Gefühl, dass ich ihn schon ewig kannte wurde ich auch nicht mehr los.„Nein, ist nichts passiert, denke ich.“„Gut, dann versuch mal aufzustehen.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, stand ich schon wieder. „Vorsichtig, nicht so schnell. Ich hab keine Lust das du mir hier noch zusammenklappst“.Auch dieses mal war ich schneller. Ich lag schneller wieder am Boden als er seine Warnung aussprechen konnte. Mein Knie tat plötzlich so weh das mein Bein einknickte und ich mein Gleichgewicht verlor. Zudem wurde mir schwindelig.Ich saß an einen Baum gelehnt, während Marc mein Knie begutachtete und meinen Puls maß.„Dein Puls ich ganz schön schnell und dein Knie sieht nicht so gut aus, das sollte geröntgt werden“, gab er fachmännisch von sich.„Mein Puls ist immer so, anscheint angeboren, darüber haben sich schon einige gewundert“, gab ich zurück. Ich hatte das Gefühl das mein Knie dicker wurde, dieser pochende Schmerz nahm zu.„Aua“, schreie ich.„Entschuldigung. Du musst ins Krankenhaus. Am besten rufe ich die Rettung. Ich glaube kaum das du den ganzen Weg zurück schaffst“, entschied er und wählte die 112.„Nein, du hast recht. Marc es tut so weh“, jammerte ich nachdem Marc seinen Kollegen geschildert hatte wo wir waren. Vor Schmerzen stiegen mir die Tränen in die Augen.„Ganz ruhig, sie sind gleich da“, flüsterte er mir beruhigend zu. Zusätzlich nahm er mich noch in den Arm. So warteten wir.
***
Im Krankenhaus wurde ich gleich zum Röntgen gebracht. Hätte ich nicht solche Schmerzen gehabt, hätte ich so noch Stundenlang mit Marc so sitzen können. Als er mich umarmte spürte ich eine enge Vertrautheit, so wie ich sie noch nie gespürt hatte, nicht einmal bei meinem Vater. Dieses Gefühl war schön und fesselnd zugleich. Er musste genauso gefühlt haben, denn als der Notarzt kam wollte er sich erst nicht von mir lösen.Nun warteten wir in der Notaufnahme, dass der Arzt uns die Diagnose brachte. Hoffentlich hatte ich mir nichts gebrochen. Die Notaufnahme war voll, deswegen würde es wahrscheinlich noch lange dauern bis wir dran waren.Ich wollte nicht reden, denn ich wusste nicht worüber. Also dachte ich ein bisschen über mich und meine Gefühle nach. Was hatte es zu bedeuten dass ich so fühlte? Ich hatte mich doch nicht verliebt? Nein, er war doch viel zu alt. Aber warum fühlte ich zwischen uns so eine enge Vertrautheit und warum konnte ich ihm Blind vertrauen, obwohl ich ihn nicht kannte? Es ist so als würde ich ihn schon seit Jahren kennen. Nein Verliebtheit fühlte sich anders an. Ich hatte keinerlei Bauch-kribbeln oder fühlte mich so leicht wie ein Schmetterling. Ich war schon mal verliebt und ich hatte schon einen Freund gehabt. Bei Jonas war alles anders gewesen. Nicht so stark. Meine Gefühle zu Jonas hatten nicht so einen großen Platz in meinem Herzen eingenommen. Doch die zu Marc schienen in kurzer Zeit mein Herz durchschlagen und sich dort eingenistet zu haben. Mich würde interessieren, ob es ihm genauso erging. Eines war mir klar - ich liebte ihn, aber nicht so wie man jemanden liebte wenn man verliebt war, sondern eher so wie ein Familienmitglied. Aber warum fühlte ich so? Ich wollte endlich wissen was mit mir los war.Vielleicht war ich doch in ihn verliebt und wollte es mir nicht eingestehen, weil er so alt war.Ich wusste es im Moment nicht, denn mein Gehirn wollte nicht so wie ich. Mein Knie schmerzte wieder mehr und fing an zu pochen. Ich fasste es an, doch ich hätte es nicht tun sollen, denn jetzt tat es noch mehr weh.„Aua“, schrie ich, aber unterdrückte gleichzeitig den Schrei.„Pass auf, fass besser nicht ran.“„Ich hab es gemerkt“, entgegnete ich zickig. „Ich hoffe wir kommen bald dran, denn ich hab das Gefühl das diese Schmerzen mich umbringen“, ergänzte ich meinen vorigen Kommentar. Mein Tonfall war diesmal netter.„Bevor das passiert geh ich lieber Schmerzmittel klauen“, scherzte er. „Lu, was sind denn eigentlich deine Hobbys?“Er wollte mich ablenken, wofür ich ihm dankbar war. Vielleicht merkte ich die Schmerzen ja nicht mehr so sehr wenn ich nicht daran dachte.„Mhmm… ich Fotografiere gerne, früher habe ich gefechtet. Ich musste aufhören, weil es hier in der Nähe keinen Verein gibt. Und ich schreibe Geschichten. Und deine?“„Joggen und Karate. Was schreibst du denn so?“„Früher habe ich Songtexte geschrieben, als ich noch in einer Band mitgespielt habe. Jetzt schreibe ich Geschichten, aber bitte frag nicht worum es geht.“„Okay dann nicht. Ich habe eine Katze. Sie heißt Luna, wie Mond. Mein Vater hat drei Hunde. Und du, hast du Haustiere?“„Ich hatte auch mal einen Hund. Sie ist aber vor ein paar Jahren gestorben. Sie hieß Sakura“, sagte ich mit trauriger Stimme. Er hatte mich an sie erinnert und nun merkte ich wieder wie sehr ich sie vermisse.Um von dem Thema Tiere abzulenken fragte ich: „Hast du eigentlich noch Eltern? Ist eine dumme Frage oder?“„Nein ganz und gar nicht, es ist eine Frage wie jede andere auch. Ich kenne nur meinen Vater. Und ich weiß das ich eine Schwester habe, die aber bei meiner Mutter lebt. Aber von ihnen weiß ich nichts.“„Also fast wie bei mir. Aber ich habe noch ein Foto von ihnen.“Ich wollte gerade das Foto aus meinem Geldbeutel holen als die Schwester auf uns zu kam und meinte wir könnten jetzt rein. Ich humpelte los. Damit ich mein Bein nicht so sehr belasten musste, stütze mich Marc. Kein Kribbeln als er mich berührte, nur wieder dieses Gefühl von Geborgenheit und Vertrautheit. Damals, bei Jonas hat es am Anfang bei jeder Berührung gekribbelt. Es war ganz anders, als bei Marc. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher das ich ihn nicht liebte. Aber so genau konnte ich es nicht sagen, da ich meine Gefühle im Moment nicht richtig deuten konnte.„Elouise, richtig?“, fragte der Arzt und wartete auf eine Antwort.„Ja“, antwortete ich. Er hatte mich aus meinen Gedanken gerissen, deswegen musste ich mich erst mal neu orten. Meine Antwort kam verzögert. Marc sah mich fragend an, seine Augen waren voller Sorgen.„Ist dir Schlecht oder Schwindelig?“, fragte der Artzt weiter.Ich verneinte.„Brauchst noch etwas gegen deine Schmerzen?“Diesmal musste ich die Frage mit Ja beantworten. Der Arzt gab mir etwas und holte dann die Röntgenbilder, die er dann begutachtete.„Du hast Glück gehabt, es ist nichts gebrochen. Allerdings stark geprellt.“, sagte er und kam auf mich zu um mein Knie zu betrachten.„Dafür ist es stark geschwollen und muss bandagiert werden. Es kann einige Wochen dauern bist du es wieder ganz belasten kannst, die Schwellung sollte aber ich ein paar tagen weg sein. Wenn nicht, oder es sogar schlimmer werden sollte, dann komm bitte noch mal.“„Ja, okay.“Nachdem er mein Knie bandagiert hatte konnten Marc und ich gehen.Auf dem Weg nach draußen schwiegen wir uns an. Marc führte mich zu seinem Auto. Er hatte einen grässlich grünen Volvo, allerdings ein Uralt-model. Wir stiegen ein. Im Auto roch es angenehm nach einem Duft der mir bekannt vorkam. Er war süßlich und roch etwas nach orange.„Schönes Auto“, sagte ich mit einem aufgesetzten Lächeln. Ich wusste nicht warum, denn eigentlich fand ich die Farbe schrecklich.Marc lachte los und bekam sich nicht mehr ein.„Was? Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte ich entsetzt.„Nein, aber ich finde es witzig dass du mir so ein Auto zutraust. Kleines, das ist der Wagen von meinem Vater. Dieses grün ist grässlich. Ich habe einen kleinen blauen Skoda Fabia. Der ist nur zurzeit in der Werkstadt. Kannst ruhig zugeben dass der Volvo hässlich ist. Ich sag es auch nicht meinem Vater“, witzelte er.„Ah … Okay.“„Okay, soll ich dich ins Internat zurück bringen?“„Nein, bitte noch nicht. Dort fällt mir nur wieder die Decke auf den Kopf. Wenn du noch Zeit hast würde ich gerne noch etwas machen.“„Ich hab noch sehr viel Zeit. Und was sollen wir machen?“„Keine Ahnung. Spazieren fällt weg.“„Wir könnten zu mir und uns was zu essen machen. Ich hab Hunger.“Kaum hatte er es ausgesprochen, bestätigte sein Magen diese Aussage.„Okay.“
***
Die fahrt zu seiner Wohnung dauerte nicht lange. Doch lag das Grundstück nicht direkt an einer Straße, es lag eher in Wald. Aber man konnte die vorbeifahrenden Autos auf der Hauptstraße fahren hören.Als wir in die Einfahrt fuhren fiel mir auf wie groß das Haus war. Es erinnerte mich an eine alte Villa, denn es war rund gebaut und hatte eine edle Fassade. Es war wirklich schön.Als wir ausstiegen entfuhr mir ein stauendes, Wow’. „Das Haus ist schon seit dutzenden Generationen von meiner Familie bewohnt. So eine Art Familienerbstück. Es ist schön nicht war? Warte bis du den Garten siehst und antworte dann.“Als er die Tür aufschloss kamen uns drei große Hunde entgegen, ich wusste sofort was sie für eine Rasse waren. Sie waren Tschechoslowakische Wolfshunde, genau wie Sakura.„Du hast Wolfshunde?“, fragte ich und begrüßte die drei.„Ja, wow du kennst diese Rasse? Sonst muss ich immer erklären was sie sind und mehrmals versichern, dass es keine Wölfe sind. Peiper, Sammy und Ayaka.“ Er zeigte bei dem jeweiligen Namen auf einen der Hunde.„Sie sind wunderschön. Ich hab dir doch von Sakura erzählt. Sie war auch einer. Meine Mom hat sie von meinem Vater bekommen als er gegangen ist.“Marc ging nicht darauf ein, sonder ging in ein Zimmer. Ich folgte ihm. Anscheint war es das Wohnzimmer. Ich sah mich um, an der Kommode, auf der Bilder standen, blieb mein Blick hängen. Eine Person auf den Bildern erkannte ich. Das konnte nicht sein.„Das kann nicht sein!“, rief ich aus versehen laut.„Was?“, fragte Marc. Er war verwirrt.„Auf dem Bild da, wer ist das?“„Mein Vater, aber warum fragst du?“Ich antwortete nicht, sondern holte das Bild aus meiner Hosentasche und hielt es ihm hin. „Der Mann auf dem Bild ist mein Vater. Woher hast du das Bild?“, fragte er verwirrt. „Es ist das Bild. Das einzige Bild, das ich von meinen Eltern habe. Ich habe dir vorhin von ihm erzählt. Das heißt …“, versuchte ich zu sagen.„Das heißt, dass du meine Schwester bist. Und ich dachte schon ich hab mich in dich verliebt. Puhh, das hätte mir meine Freundin übel genommen“, sagte er. Seine Stimme hörte sich fröhlich an, aber auch erleichtert.Er war mein Bruder, ich hab ihn endlich gefunden und das nur durch Zufall. Ich war so glücklich.Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn, dabei fing ich an zu Weinen, aber diesmal vor Freude.Ich sah wie ihm auch Tränen die Wangen herunterliefen.Eine weile standen wir nur so da und hielten uns in den Armen. Ich liebte ihn tatsächlich, aber als meinen Bruder.„Ich freu' mich so, endlich meinen Bruder gefunden zu haben. Und meinen Vater. Wohnt er auch hier? Ich möchte ihn kennenlernen.“„Ich mich auch, und jetzt kann ich auch mit gutem Gewissen sagen, ich liebe dich. Und ich meine es ernst. Dad kommt erst gegen 19 Uhr. Er ist Arzt in der Klinik in der wir vorhin waren. Ich habe immer noch Hunger. Komm mit in die Küche. Wir machen uns etwas zu essen?“„Gerne, was habt ihr denn so?“In der Küche suchten wir Nudeln und Zutaten für Tomatensauce zusammen und fingen an zu kochen. Währenddessen erzählten wir was in den letzten Jahren geschehen war.
Wir redeten noch als wir mit dem essen fertig waren und das ganze Geschirr in die Spülmaische einräumten. Nun saßen wir auf der Couch im Wohnzimmer und redeten weiter. Der Tee den wir uns gemacht hatten schmeckte sehr gut und war schön warm. Wie spät war es eigentlich? Um zehn Uhr würde das Internat abgeschlossen und ich konnte nicht mehr rein. Ach egal - ich wollte den Abend mit meinem Bruder genießen. Ich hatte ihn doch gerade erst gefunden. Aber ich war so müde das mir langsam die Augen zufielen und ich einschlief.
***
Als ich wieder wach wurde wusste ich nicht wo ich war. Ich lag in einem Raum der große Fenster hatte und orangene Vorhänge. Die Wände waren Terrakotta-farben. Das Zimmer war mit dunklen alt aussehenden Möbeln bestückt. Die Möbel sahen rustikal aus und waren wunderschön. Sie entsprachen genau meinem Geschmack, das ganze Zimmer gefiel mir. Es war sehr dunkel in dem Zimmer. Ich stand auf und tapste zu den Fenstern. Ich zog sie auf und die Sonne strahlte mir entgegen. Sie ging gerade auf. Der Blick aus diesen Fenstern war atemberaubend. Ich sah Wald und dahinter die Sonne aufgehen, wie in einem Traum. Wald, na klar. Jetzt wusste ich wieder wo ich war. Bei dem anderen Teil meiner Familie, den ich gerade wieder gefunden hatte. Gerade als ich mich fragte warum ich noch hier war ging die Tür auf. Ich drehte mich zur Tür um, wobei mir auffiel das nur die eine Wand, auf die ich gesehen hatte als ich wach wurde, Terrakotta Farben war. Der Rest war einem cremefarbenen weiß gehalten.„Guten Morgen, Klene. Und, gut geschlafen?“, fragte Marc.Er nannte mich Klene, was irgendwie süß war, aber ich hasste es Klene genannt zu werden nur weil ich etwas kleiner war als andere.„Morgen, ja hab ich. Danke der Nachfrage. Aber nenn' mich nicht Klene!“, sagte ich schnippisch.„Uhh, sicher das du gut geschlafen hast?“Ich sah ihn nur böse an und er hob kapitulierend die Hände.„Schon gut. Ab jetzt nur noch Lu, okay?“„Ja, sehr gut. Dieses Zimmer ist ein Traum, das ganze Haus ist ein Traum“, sagte ich voller Bewunderung.„Hätte jetzt nicht gedacht das dir das Zimmer gefällt. Ich dachte eher, dass du auf flippiges stehst, aber freut mich das es dir gefällt.“„Na ja, ich mag eher Naturtöne, genau wie dieses Zimmer. Diese Möbel sind ein Traum. Und der Ausblick aus dem Fenster auf den Sonnenaufgang. Wunderschön.“„Mhm, willst du jetzt weiter dieses Zimmer umschwärmen oder willst du mit kommen und Frühstücken? Es gibt Pfannkuchen.“„Gerne, ich hab Hunger. Lecker Pfannkuchen“, gab ich als Antwort und strahlte über das ganze Gesicht. Doch dann verfinsterte sich meine Miene, denn mir wurde klar das ich eigentlich im Internat sein müsste. Sie machten sich bestimmt schon Sorgen. Ich musste sofort anrufen und Bescheid geben. Wie konnte ich das nur vergessen?„Lu, was ist?“, fragte er besorgt.„Ich hätte gestern im Internat Bescheid sagen müssen, dass ich über Nacht bei euch bleibe“, sagte ich mit verwirrter Stimme.„Als du gestern Abend auf der Couch eingeschlafen bist habe ich dich ins Bett getragen und im Internat angerufen und sogar einen freien Tag für dich raus geholt“, berichtete er mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Puh, mir fiel ein Stein vom Herzen, denn es hätte großen Ärger gegeben wenn Marc mich nicht abgemeldet hätte. Aber Moment mal - wie hatte er das hinbekommen?„Marc wie hast du denn das geschafft, ich meine keiner darf ohne die Erlaubnis der Eltern über Nacht fern vom Internat bleiben?“„Ich hab ihnen einfach die Wahrheit gesagt und da Dad ein sehr bekannter Mann hier im Ort ist haben sie mir es geglaubt und den freien Tag hab ich auch nur bekommen weil ich ihnen von deinem Sturz erzählt habe und ich meinte, du müsstest dich heute noch etwas schonen.“Sein Grinsen wurde immer breiter. Ich ging zu ihm und umarmte ihn, es fiel mir überraschend leicht die folgenden Worte auszusprechen: „Danke, Marc. Ich hab dich lieb, auch wenn ich erst seit Gestern weiß das du mein Bruder bist. Na ja, ich glaube in meinem Inneren habe ich es schon viel länger gewusst.“„Ich weiß was du meist, mir ging es genauso. Und du wirst es kaum glauben, ich liebe dich auch“, sagte er fröhlich und drückte mich an sich. Ich genoss diese Wärme die zwischen uns lag und freute mich auf die noch folgende Zeit, die ich mit ihm verbringen durfte. Aber jetzt wollte ich doch meinen Vater kennen lernen. Ich wollte wissen wie er war und vielleicht konnte er mir ja die Frage beantworten, warum sie sich getrennt haben. Und wie sah er jetzt wohl aus? Ich war so aufgeregt. Ich konnte vor Freude in die Luft springen.„Ist er da?“, fragte ich zögernd.„Ja, Dad ist unten in der Küche und wartet auf uns.“ Ich rannte die Treppe runter, was ich nicht hätte tun sollen, denn mein Knie fing wieder an zu schmerzen und zwar stark. Aber in diesem Moment war mir das egal. Ich rannte zur Küche. Und da saß er auf einem der edlen Küchenstühle. Er sah genauso aus wie auf dem Bild. Er war groß, hatte noch braunes etwas längeres Haar und seine Augen hatten dieselbe Farbe wie meine, sie waren Blau und hatten den gleichen braunen Ring um die Pupille. Ich konnte in seinem Gesicht meine Gesichtszüge erkennen. Ich sah ihm anscheint sehr ähnlich. Nie hatte jemand gesagt ich sah meiner Mom ähnlich. Jetzt wusste ich warum.Sein Gesicht war lang und oval. Er hatte gerade einen Drei-Tage-Bart. Seine Haut war dunkler als meine, aber trotzdem blass. Seine Wangenknochen waren gut zu erkennen.So genug jetzt über sein Aussehen nachgedacht, Lu.Ich setzte ein Lächeln auf, eines das ich ernst meinte. Es wurde erwidert und ich fing an zu grinsen, ging auf ihn zu und umarmte ihn einfach. Ich merkte wie er mich an sich drückte. Ein Gefühl durchzuckte meine Körper. Ein gutes Gefühl, es gab mir Wärme und Glück. Ich könnte noch Stunden so stehen, meinen VATER umarmen und diese Wärme genießen, aber ich musste unbedingt mit ihm reden. „Papa.“ Mehr brachte ich nicht raus. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, anscheinend sah man mir meine Sprachlosigkeit an, denn er übernahm das Reden. Was mir nur recht war.„Wie geht es dir?“, fragte mein Vater mich. „Gut, ich bin so glücklich! Papa“, stammelte ich.„Freut mich dass es dir gut geht und du glücklich bist. Ich bin so froh dich endlich zu sehen und mit die reden zu können. Ich habe dich vermisst“, sagte er. Ich konnte fühlen dass er es ernst meinte, dass er mich liebte. Und ich liebte ihn, auch wenn ich ihn jetzt das erste Mal sah. Dieses Gefühl war stärker als alles andere was ich je gefühlt hatte. Doch es gab noch eine weitere Person bei der ich so fühlte: Mom. Ich war so froh dass ich ihn endlich gefunden hatte. Endlich eine richtige Familie. Endlich zu wissen woher ein Teil von mir kam. Die Klarheit zu haben dass mein Vater noch am leben war und er mich liebte, war für mich sehr wichtig.„Wow, bist du gesprächig“, witzelte mein Vater.„Was … äh … Entschuldigung ich war in meinen Gedanken versunken. Papa, darf ich dich was fragen?“„Ja klar, was denn? Du kannst mich alles fragen, Elouise Elane.“„Okay, warum habt ihr euch getrennt? Warum hab ich nie etwas von dir gehört? All die Jahre. Und bitte nenne mich nicht Elouise Elane, nur Lu reicht.“„Ich wollte nur mal deinen vollen Namen sagen, aber ab jetzt nur noch Lu. Setzt dich und iss etwas, dabei erzähle ich dir was damals geschehen ist.“Ich setzte mich und nahm mir einen Pfannkuchen. Darauf machte ich mir Zimt und Zucker und biss dann hinein. Dabei hörte ich Dad zu, seine Stimme war etwas rau aber freundlich. Es war eine Stimme der man gerne zuhörte. Sie strahlte eine gewisse Wärme aus, außerdem wirkte sie beruhigend.„Deine Mom und ich haben uns gestritten, weil ich eine Stelle als Chefarzt bekommen habe, weswegen ich mit ihr wegziehen wollte. Hier her, meine alte Heimat. Sie wollte aber dort bleiben, wollte dass du ihn ihrer Heimatstadt aufwächst. Sicher hatte sie noch andere Gründe. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls bemerkten wir, dass wir uns langsam auseinander lebten und trennten uns einvernehmlich. Wir waren beide damit einverstanden, dass wir uns trennten. Aber ich liebte sie damals noch und bereute es, dass ich gegangen bin. Doch sie wollte nichts mehr von mir hören, was ich verstehen kann. Ich habe versucht mit ihr Kontakt aufzunehmen, um dich zu sehen, aber sie ignorierte es. Irgendwann gab ich es auf, weil ich dachte dass du auch nichts von mir wissen wolltest. Anscheinend ist es aber anders gewesen. Ich hätte nicht aufgeben sollen. Ich habe dich immer geliebt und deine Mutter auch. Es tut mir leid, dass ich das damals getan habe.“ „ Ich verstehe das, aber ich frage mich warum Mom mir nie etwas gesagt hat; mir nie geantwortet hat auf meine Fragen?“„Das kann ich dir nicht sagen, da musst du sie Fragen, denn mit mir hat sie seit dem nicht mehr gesprochen.“Wir redeten noch eine gute Stunde über die vergangenen Jahre. Es war nur eine kurze Zusammenfassung, was alles passiert war. Ich dachte, wir würden noch einige Stunden damit zubringen über unsre Vergangenheit zu reden, doch heute wollten wir unseren ersten gemeinsamen Tag zusammen verbringen. Jetzt gleich würden wir mit den Hunden raus gehen.Was wir danach machen würden, wussten wir noch nicht.Ich fragte mich was Mom dazu sagen würde, wenn sie erfuhr, dass ich meinen Vater gefunden hatte. Außerdem fragte ich mich wie Dad reagieren würde, wenn er erfuhr, dass das Mädchen, das vor einer Woche eingeliefert wurde meine beste Freundin war.
Doch jetzt wollte ich erst mal den Tag mit meinem Vater und meinem Bruder verbringen und nicht daran denken. Ich wollte in diesem Moment auch nicht an Balu denken. Ich wollte einfach ich sein und meine Familie richtig kennen lernen.Ich trat durch die Tür nach draußen, wo sie schon auf mich warteten. Zu dritt gingen wir auf den kleinen Wald zu.
***
Ich bog in die Friedrich-Ebert Straße ein und lief den Weg geradeaus weiter. Ich war auf dem Weg zu Balu ins Krankenhaus. Endlich konnte ich mit ihr reden, über alles was passiert war. Sie wollte mich sogar sehen, was mich sehr freute. Immer wenn ich an Balu dachte, kam mir ein Zitat in den Sinn, das wie ich fand, die Wahrheit sagte. Denn wenn ich Blau verloren hätte ohne vorher noch einmal mit ihr zu reden, wäre es für mich unerträglich gewesen. Ich rief mir das Zitat nochmal in mein Gedächtnis. Jemanden, den man geliebt hat, ohne von ihm Abschied zu nehmen, zu verlieren, kann die größte Strafe sein, die es auf dieser und jeder anderen Welt existiert.(Sarah Häusle) Bei dem Spaziergang hatte ich Dad alles erzählt und er hatte mir zugehört. Er hatte sich alles angehört und mich auch nicht unterbrochen. Mom hatte mir in der letzten Zeit nie ganz zugehört, hatte kaum noch Zeit für mich und jedes mal wenn ich mit ihr reden wollte musste sie plötzlich weg oder sie musste noch etwas für ihre Arbeit machen. Dad hingegen nahm sich die Zeit und hörte mir zu. Er gab mir wieder das Gefühl von Jemandem geliebt zu werden. Er hatte auch mit den Ärzten gesprochen und mit ihnen ausgemacht, dass ich zu Balu konnte. Heute war dieser Termin und ich freute mich schon darauf. Allerdings hatte ich vor dem, was mich erwarten würde, Angst. Ich hoffte ihr ging es so weit gut und ich hoffte, dass sie nie wieder auf so eine dumme Idee kommen würde.
Morgenabend kam Mom um mit Dad zu reden und einige Dinge zu besprechen. Sie war ziemlich sauer als sie gehört hatte, dass ich meinen Vater gefunden hatte und zu ihm ziehen wollte. Aber irgendwie war sie auch erleichtert. Erst war sie strickt dagegen, dass ich zu ihm zog, aber als sie hörte das ich nur während der Schulzeit bei ihm war und weiterhin bei ihr wohnen wollte, war sie einverstanden damit. Es hatte zwar einige Überredungskunst gebraucht, aber seit diesem Wochenende wohnte ich offiziell bei Dad. Ich bekam das Zimmer, indem ich die letzten Tage übernachtet hatte. Es ist so wunderschön, ich hatte noch einen rot-orangenen Teppich bekommen, der das Zimmer erleuchten ließ. Dad meinte, der wäre viel zu grell, aber genau das war das Beste an diesem Teppich. Die Wände hatte ich mit meinen Bildern geschmückt. Mein liebstes Bild hängt am Kopfende von meinem Bett. Darauf zu sehen waren Sakura und ich - Sakura gibt mir ihre Pfote, sie und ich sehen in die Kamera, im Hintergrund sieht man die Sonne am Strand untergehen. Das Bild war perfekt! Mom hat es bei unserem letzten Urlaub mit Sakura gemacht. Dort waren wir in Spanien, in Venezia. Es war so wunderschön. Fünf Wochen später war Sakura gestorben. Ich hatte Wochen lang geheult, es war schrecklich. Sie war so ein liebenswerter Hund, ich würde sie nie vergessen.Nun musste ich nur noch die Straße überqueren, um mit Balu zu reden. Ich zögerte, hatte Angst ihr zu begegnen. Schließlich trete ich doch auf die Straße um mich ihr zu stellen. Ich verschwand in einer Art Trance, so sehr fürchtete ich mich vor dem Treffen und vor dem, was noch passieren würde. Ich hörte nichts um mich herum und sah auch nichts. Ich konzentrierte mich nur auf die Konfrontation mit ihr und fragte mich, was ich zu ihr sagen sollte; wie ich mich verhalten sollte. Ich ging los, setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Achtete nicht auf den Verkehr. Zu spät bemerkte ich, dass sich ein Auto näherte, viel zu schnell. Wie ein Reh bleibe ich stehen und konnte mich nicht bewegen. Spürte nur noch wie ich zu Boden gerissen wurde - dann nichts mehr. Mir wurde schwarz vor Augen. Dieser Schmerz. Mein Kopf. Das letzte was ich hörte ist, dass mich jemand anschreit, dann nichts mehr …
***
„Kannst du mich hören?“, fragte mich jemand. Ich konnte die Stimme nicht zuordnen. Es war keine mir bekannte Person.„Was ist passiert? Wo bin ich? Aua“, fragte ich und meine Stimme wurde immer leiser und brach zwischen drin immer wieder.„Du wurdest angefahren. Tut dir irgendetwas weh?“„Ja, mein Bein“, erwiderte ich.Der Notarzt - ich ging davon aus das es einer war - tastete mein Bein ab und fragte mich immer wieder ob es weh tat. Ich konnte es so lange verneinen bis es an den Knöchel kam. Automatisch zuckte ich zurück und schrie auf. Dabei dachte ich mir: ,Nicht schon wieder das Bein, das habe ich doch alles erst hinter mir und wenn der Knöchel jetzt auch noch gebrochen ist ... Mist.'„Der könnte gebrochen sein. Kannst du den Fuß bewegen? Deine Finger?“Ich bewegte meine Füße und Finger und stelle somit unter Beweis, dass das noch ging.Nun wollte ich versuchen mich aufzurichten, wurde aber davon abgehalten.„Bleib noch liegen, sonst kippst du uns noch mal weg. Ich gebe dir jetzt erst mal etwas gegen die Schmerzen und dann tragen wir dich rüber ins Krankenhaus.“Dort wartete man schon auf mich. Mein Vater übernahm mich. Er trug mich in eines der Behandlungszimmer und setzte mich auf die Liege.„Willst du dich hinlegen?“, fragte er. Sein Gesicht war voller Sorge.„Nein, es geht schon. Mir ist auch nicht mehr Schwindelig, Dad.“„Okay, wie ist das passiert?“„Ich habe nicht aufgepasst“, gab ich zu und senkte meinen Blick.Dad begutachtete meinen Fuß und schickte mich zum Röntgen.Letztendlich kam dabei raus, dass der Knöchel angebrochen war. Ich musste eine Schiene tragen. Außerdem hatte ich eine leichte Gehirnerschütterung. Mehr hatte ich zum Glück nicht abbekommen.„Dad ich möchte aber noch zu Balu. Ich habe es ihr versprochen.“„Nein, heute nicht. Elouise, das ist zu anstrengend für dich. Du solltest dich noch ausruhen. Komm, ich fahr dich nach Hause und da legst du dich erst mal ins Bett.“„Nein, ich habe es ihr versprochen und ich möchte sie heute sehen! jetzt! Bitte Dad.“„Lu, bist du dir da sicher das du das schaffst? Wie fühlst du dich?“„Dad mir geht es wirklich gut. Ich hab nur etwas Kopfschmerzen, aber das geht schon. Wenn du willst kannst du mich ja dort hinbringen und dort warten. Um sicher zu gehen das es mir gut geht“, beharrte ich mit einem leicht ironischen Ton.„Hey, damit ist echt nicht zu spaßen, ja? Okay, ich bring dich dort hin und warte, aber dann kommst du mit nach Hause. Du hast eine Stunde.“„Jaja.“
Kapitel 6Erklärung Elouise
Dad begleitete mich in die „Psychiatrische“ Abteilung des Krankenhauses, wo Louisa im Moment war. Eine Schwester kam auf uns zu und fragte was wir hier machen würden, da erkannte sie meinen Vater und verschwand ganz schnell. Dad suchte eine andere Schwester die uns sagen konnte wo der behandelnde Arzt von Louisa war. Eine der wenigen Schwestern hier konnte uns doch tatsächlich sagen wo Dr. McHard steckte. Er sollte in Zimmer 23 sein, bei Louisa. Mein Vater wollte erst mal alleine mit ihm reden. Ich würde gerne endlich mit Louise reden. Mich für das alles entschuldigen; sie fragen wie es ihr ging. Aber so wie es aussah musste ich noch eine Weile warten, leider. Ich setzte mich vor dem Zimmer auf einen Stuhl. Dad verschwand nach einem Klopfen an der Tür, im dem Zimmer und machte die Tür zu, damit ich auch ja nichts mitbekam. Gelangweilt setze ich meine Kopfhörer auf und machte den MP3-Player an. Ich wählte das Lied ,Evil Angel' von Breaking Benjamin aus und wartete.Eine gefühlte halbe Ewigkeit später kam Paps wieder aus dem Zimmer. „ Du kannst jetzt zu ihr, aber wenn irgendwas ist ruf mich einfach, ja? Und pass' auf was du sagst, sie ist noch nicht ganz stabil. Dr. McHard wird dabei bleiben und auf euch zwei aufpassen.“„Okay, ja werde ich. Dad, ich bin nicht blöd und auch kein Baby mehr“, entgegnete ich genervt.„Elouise, benehme dich. Ich kenne dich noch nicht lange, aber du weißt was ich meine.“„Ja ja, ich werde auf mein loses Mundwerk achten. Versprochen. Und jetzt lass mich bitte da rein.“Ich drückte meinen Vater beiseite und trat in den Raum.Erschrocken blieb ich stehen. Ich erschrak mich nicht vor dem Anblick meiner Besten Freundin, sondern vor diesem kalten Zimmer.Alles hier drinnen war so weiß, klinisch weiß. Ich fühlte einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen und musste ein Schütteln unterdrücken. In dem Zimmer standen ein kleiner Tisch mit einem Stuhl, ein Schrank und ein Bett. Ansonsten war das weiße Zimmer leer. Das Fenster war mit Gittern versehen und einem Schloss. Vermutlich das keiner der hier eingewiesenen war, abhauen oder Dummheiten anstellen konnte. Außerdem war es ziemlich dunkel im Zimmer.Louisa lag in dem Bett und Dr. McHard saß an der Bett kannte, die Blicke die sie sich zu warfen waren eigenartig. So hatte ich Balu noch nie gesehen. Was das zu bedeuten hatte? Ich wusste es nicht. Jedenfalls schien Balu keine Schäden davon getragen zu haben. Es waren keine Medizinischen Geräte zu sehen oder sonst was, worüber ich sehr froh war.Als ich den ersten Schock überwunden hatte trat ich näher an Balu heran. Dr. McHard stand auf und ging aus dem Raum. Ich konnte mit ihr alleine reden. Ich setzte mich dort hin wo vorher er gesessen hatte. Sofort umarmte ich sie, drückte sie ganz fest an mich und flüsterte: „Du kleines verrücktes Mädchen. Ein Glück das es dir gut geht.“Einen Moment lang verharrten wir noch in dieser Position, dann lehnte sie sich wieder zurück und begann zu sprechen: „Ich dachte du kommst nie. Was ist passiert? Ich dachte schon du willst mich gar nicht mehr sehen. Ich hab so viel Mist gebaut.“„Doch ich will dich noch sehen! Ich hatte einen Unfall. Aber du wirst es doch nie wieder versuchen?“„Was? Ist dir etwas passiert? Nein. Ich bin in Behandlung und will alles hinter mir lassen und von vorne anfangen.“„Nein, nichts Schlimmes. Hab ich schon gehört. Dabei werde ich dir sicher helfen. Ich werde dich nie alleine lassen. Versprochen. Aber warum hast du das eigentlich getan? Was hat dich dazu gebracht?“„So genau weiß ich das selber nicht. Ich war so sauer auf mich und alles andere. Mein Leben vor dem Internat hat mich dazu gebracht, denke ich. Dann wäre da noch mein toller Vater der mir in den Rücken gefallen ist. Na ja an diesem Tag kam einfach alles zusammen. Unser Streit hat dann das Fass zum überlaufen gebracht. Aber eines musst du mir glauben - ich wollte das nicht, ich wusste nicht mehr weiter. Ich habe nicht nach gedacht, dass das passieren könnte. Es war dumm vor mir. Mir ist klar geworden das weglaufen keine Lösung ist.“„Es tut mir leid! Ich weiß nicht was da in mich gefahren ist. Ich hab das was ich damals gesagt habe nicht so gemeint. Ich habe deinen Abschiedsbrief bekommen. Ist das war? Haben sie das wirklich mit dir gemacht?“„Ja, sie haben mich verraten, sie haben mich verachtet und fertig gemacht. Ich habe nur noch Hass für sie übrig. Aber dass Jess da mit gemacht hat belastet mich sehr. Hast du mit ihr geredet?“„Ja, ich habe bei der Nummer angerufen die du mir gegeben hast. Sie war geschockt. Sie hat mir einiges erzählt. Kannst du mir bitte noch mal alles erzählen? Einige Sachen versteh ich noch nicht so ganz.“„Ich weiß nicht ob ich das schaffe. Aber was hat Jess gesagt? Wie hat sie reagiert?“„Sie ist zusammengebrochen als sie gehört hat dass du es getan hast. Auch dass sie mit daran Schuld trägt. Sie hat mir erzählt dass man sie dazu gezwungen hat und dass es ihr unendlich leid tut. Ich denke, sie hat die Wahrheit gesagt. Sie klang sehr ehrlich. Am besten du redest nochmal mit ihr. Vielleicht hat eure Freundschaft noch eine Chance.“Nach einem weiteren Bitten erzählte mir Balu doch noch mal alles und so langsam lichtete sich der graue Nebel in meinem Kopf. Ich begann alles zu verstehen.Als ich dann auf meine Uhr sah und bemerkte das wir schon seit 45 Minuten redeten, wechselte ich das Thema da ich noch etwas anders wissen wollte. „Wie lange musst du eigentlich noch hier bleiben? Ich würde es hier nicht aushalten, es ist so kalt und klinisch weiß. Und was läuft da zwischen dir und deinem Arzt?“„Ich weiß nicht, Sie meinen es wäre besser ich würde noch eine Weile hier bleiben, danach soll ich in eine Jugendwohngruppe mit Betreuer. Aber ich halte es hier nicht mehr lange aus. Alles ist so trostlos, die Schwestern und Pfleger behandeln einen wie ein Baby. Man ich hab eingesehen dass ich großen Mist gebaut habe und das ich einige Probleme habe, aber das heißt noch lange nicht, dass ich ein Baby bin verdammt noch mal. Das wird hier allerdings nie jemand verstehen. Da läuft nichts, wirklich. Sieh mich nicht so an.“Beschwichtigend hob ich die Hände. Wir sahen uns an und konnten unser Lachen nicht verkneifen. Es war schön ihr Lachen wieder zu hören. Sie ist so ein liebes, nettes, hübsches und vor allem kluges Mädchen. Man ich hörte mich an wie ein Erwachsener oder wie ein heimlicher Verehrer, nicht wie ihre beste Freundin.Ich sah wieder auf meine Uhr. Wir hatten noch gut 10 Minuten. Die meiste Zeit verbrachten wie damit, über belanglose Themen zu reden. Die Zeit verflog im Nu. Gleich musste ich Balu für eine weile verlassen und ich würde das nur sehr ungern tun. Aber ich musste.„Ich habe meinen Vater gefunden“, platzte es aus mir heraus. „Das ist doch toll oder etwa nicht? Und wer ist er? “„Er ist da draußen vor der Tür und wird mich jeden Moment aus diesem Zimmer hier raus zerren, tragen oder sonst wie, weil ich diesen Unfall hatte und mich ausruhen soll. Ich musste ihn anbetteln um dich heute doch noch sehen zu dürfen. Und um deine Frage zu beantworten - er ist ein super Vater. Ich bin froh ihn endlich gefunden zu haben. Er liebt mich und sorgt sich um mich. Er hört mir zu und nimmt sich Zeit für mich und meine Probleme. Genau das, was ich mir gewünscht habe. Ich bin sogar schon bei ihm eingezogen, allerdings nur wenn ich Schule habe. Sonst bin ich immer noch bei Mom. Und du wirst es kaum glauben …“, ich stoppte und rückte näher an sie heran um ihr das was ich sagen wollte ins Ohr zu Flüstern, „… Mom und Dad fühlen noch etwas füreinander und ich glaube, das wird irgendwann wieder was. Auch wenn nur eine Freundschaft.“„Wow, eine Bilderbuchfamilie.“Das war Balus einziger Kommentar.„Oh, du wagst es meine Familie in Frage zu stellen“, rief ich mit Ironie in den Raum und Stand auf und machte einen beleidigten Gesichtsausdruck.Balu stand auf, nahm eines der zwei Kissen in die Hand und warf es mir auf den Kopf.Ich tat es ihr gleich und warf zurück. Sie konnte das Kissen noch auffangen und kam auf mich zu um mir nochmals das Kissen überzubraten. Aber ich war schneller und nahm das zweite Kissen und so begann unsere Kissenschlacht in der „Klapse“.Unser unterdrücktes Lachen musste sich angehört haben als würden wir Weinen oder auch anders. Jedenfalls kamen Dad und Dr. McHard voller Sorge auf dem Gesicht ins Zimmer und sahen uns lachend mit Kissen in der Hand im Zimmer stehen. Wir sehen ihnen ins Gesicht und dann wieder uns an. Wir konnten unser Lachen nicht mehr halten. Lauthals lachen wir los.„Was ist den hier los?“ , fragte Dr. McHard.„Na ja … nichts“, mehr brachte Balu nicht raus. Ich brachte in diesen Moment kein Wort heraus.„Nach nichts sieht das nicht aus!“, sagte mein Vater. Ich sah wie die Fragezeichen über seinem Kopf zu leuchten begannen. Nun musste ich noch stärker lachen.Ich versuchte mich zusammenzureißen und brachte tatsächlich einen vollständigen Satz heraus: „Hier kann wenigstens nichts kaputt gehen.“Das war für Balu zu viel, sie bekam sich vor lachen nicht mehr ein und sank auf den Boden.Auch ich brauchte erst mal ein paar Minuten um mich zu beruhigen.Als wir dann wieder ansprechbar waren wollten die zwei wissen was mit uns los war. Aber aus uns würden sie nichts herausbekommen. Wir würden schweigen wie Gräber.Mein Kopf fing an zu pochen. Dad musste gesehen haben, dass ich zusammengezuckt war.„Lu, ich glaube wir sollten gehen. Der Unfall sitzt dir wohl immer noch in den Knochen. Ihr könnt euch ja noch die nächsten Tage sehen“, sagte er und wollte mich aus dem Zimmer ziehen, ich ließ es aber nicht zu. Ohne mich zu verabschieden ging ich nirgendwo hin.Ich umarmte Balu und warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Dafür fing ich mir einen Bösen Blick von ihr ein, ich spürte ihn in meinem Rücken. Doch ich drehte mich nicht mehr um.Ich freute mich nur noch auf Zuhause und mein Bett, in das ich mich jetzt legen wollte.Dann verließen mein Vater und ich das Krankenhaus und fuhren nach Hause. Zuhause angekommen legte ich mich sofort in mein Bett, schaffte es nicht einmal mich noch umzuziehen, ich legte mich einfach so wie ich war ins Bett und schlief sofort ein. Trotz dieser Kopfschmerzen, die mich plötzlich überfallen hatten.
Kapitel 7 FragenLouisa Rückblick aus Louisas Sicht, was nach dem Vorfall geschah. Ich zitterte am ganzen Körper. Hier war es sehr kalt. Jedenfalls fühlte es sich für mich so an. Ich lag hier und fühlte mich gefesselt, denn ich konnte mich nicht bewegen. Meine Kraft reichte nicht einmal dafür aus, meine Augen zu öffnen. Jedes mal wenn ich sie einen kleinen Spalt öffnete, fielen sie mir wieder zu als wären Steine daran festgebunden.Hier, ich wusste nicht wo dieses Hier war. Es war mir fremd. Es fühlte sich so kalt und trostlos an. Als würde ich im Nichts liegen.Hatte ich es geschafft? War das die Vorhölle? Das Tor zum Himmel konnte es nicht sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand wie ich in den Himmel kommen konnte. Warum dachte ich eigentlich daran? Ich war ja nicht einmal getauft, weder glaubte ich an Gott.Okay, also Hölle und Himmel konnte ich schon mal streichen. Aber wo war ich dann?Wieder versuche ich meine Augen zu öffnen. Es gelangt mir einen klitzekleinen Augenblick sie zu öffnen und zwar so, dass ich etwas erkennen konnte.Ich hatte die Umrisse eines Zimmers erkennen können. Es war weiß gewesen, alles weiß.Von dort kam also diese Kälte. Aber tief in mir spürte ich, dass die Kälte nicht nur von dem Zimmer ausging, sondern auch von mir.Ich wusste allerdings immer noch nicht wo ich war. Das einzige was ich mir noch vorstellen konnte, war das Krankenhaus. Aber nicht auf einer normalen Station. Als meine Mom im Krankenhaus war sah das alles ganz anders aus. Viel offener und netter, sogar etwas fröhlich.Plötzlich wurde es heller. Erst nur ein kleines Licht, das dann immer größer wurde. Das Licht, es wurde sicherlich nur das Licht an gemacht. Was bedeutete, dass jemand das Zimmer betreten hatte.Ich versuche noch mal meine Augen zu öffnen und diesmal klappte es auch, allerdings nicht lange. Ein paar Sekunden schaffe ich es sie offen zu halten. In diesen Sekunden erkenne ich, dass das Zimmer nur spartanisch eingerichtet war, ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Schrank. Ach, und das Bett in dem ich lag. Aber ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen jungen Mann, der mich ansah. Langsam wurden meine Augen wieder schwerer. Ich sah nur noch wie er auf mich zu kam und dann war wieder alles schwarz. Ich nahm all meine Kraft zusammen und versuchte sie wieder auf zumachen, doch es ging nicht. Sie wollten mir nicht gehorchen.„Marie-Louisa, hörst du mich?“, fragte der Mann. Ich verstand es nur sehr undeutlich.Immer wieder nannte er meinen Namen und jedes Mal verstand ich ihn deutlicher. Die Stimme wurde klarer und lauter.Nachdem ich mich ein paar Minuten ausgeruht hatte, öffne ich meine Augen erneut. Endlich schaffte ich es sie offen zu halten.„Marie-Louisa?“„Ja“, schaffe ich krächzend zu sagen.„Möchtest du etwas trinken?“Ich nickte nur.Als ich etwas munterer geworden war, holte er einen Stuhl und setzt sich so hin, das er mich ansehen konnte. Ich wollte gerade etwas sagen, da fing er an zu reden. Sicher war das so ein Psychologe der heraus bekommen wollte, warum ich das getan hatte und sicher würde er mir eintrichtern, dass das total falsch war und ich so etwas nie wieder tun durfte. Und das, auf die Art als wäre ich ein kleines Kind, das nicht wusste was es getan hatte. Darauf freute ich mich jetzt schon.„Ich bin Dr. McHard, dein behandelnder Psychologe. Wie geht es dir denn?“Meine erste Reaktion war das verdrehen meiner Augen, er hatte es gesehen und mir eine vielsagenden Blick zurück geworfen.„Och, ganz gut, aber was soll ich dazu jetzt noch sagen?“„Na ja, vielleicht das du es bereust oder dass du das nicht wolltest? Da gibt es vieles was man sagen könnte.“„Wenn ich ehrlich bin wollte ich nicht, dass es so weit kommt.“„Wirklich? Also du bereust es?“„Ja ehrlich, ich sage das jetzt nicht nur um Sie los zu werden, denn ich kann mir denken, dass ich Sie so schnell nicht los werde.“„Da hast du recht. Einsicht ist der beste Weg zur Besserung.“Er hinterfragte alles und ich erzählte ihm alles - wie es dazu kam, was passiert war -, bis ich müde wurde und keine Lust mehr hatte mich mit ihm zu unterhalten. Er meinte, ich solle jetzt schlafen und er würde morgen wieder kommen.Ich schätzte mal, er würde jeden Tag kommen.Aber immerhin, er war nett und behandelte mich nicht wie ein kleines Kind, sondern wie ein normaler Mensch. Er verurteilte mich nicht nach dem, was ich getan hatte. Das freute mich.Irgendwie mochte ich ihn und freute mich ihn morgen wiederzusehen. Als ich heute Morgen aufwachte wartete schon eine Schwester und verpasste mir ein paar Spritzen und ich musste Tabletten schlucken. Ich dachte, dass das Antidepressiva waren oder andere beruhigend wirkende Mittel. Davon lagen seit Mom´s tot hunderte bei uns zu Hause rum und natürlich auch Schlafmittel. Ich würde mal Dr. McHard fragen für was die gut waren und ob man das denn nicht lassen könnte, denn ich hasste es in irgendeiner weiße aufgeputscht zu sein.Ich zog mich an. In dem Schrank lagen zum Glück ein paar meiner Klamotten. Irgendwer würde mir wohl noch welche bringen müssen, ich bezweifelte, dass diese hier reichen würden. Ich schätze mal, dass ich hier so schnell nicht wieder raus kommen werde.Als ich gerade meine Hose zuknöpfte, öffnet sich die Tür und Dr. McHard kommt herein. Gleich als ich ihn sah ging es mir viel besser. Vor wenigen Sekunden hatte ich noch Kopfschmerzen. Jetzt waren sie wie weggeflogen. Er kam auf mich zu und deutete mir an, dass ich mich setzen sollte. Ich tat wie mir geheißen und setzte mich auf das Bett.„Und was wollen Sie heute alles wissen?“, fragte ich in einem herausfordernden Ton.„Hmm, weiß nicht, worüber willst du denn reden?“, entgegnete er.„Ist das nicht der Typische Satz eines Psychologen?“„Kann sein. Wie ich sehe und auch höre geht es die heute schon viel besser.“„Ja sehr viel besser. Was für Pillen musste ich da eigentlich heute Morgen schlucken?“ „Na ja, das sind Tabletten damit du dich heiter fühlst und nicht so schnell schlecht fühlst.“„Auf gut deutsch - Antidepressiva? Ich bin nicht blöd und auch kein kleines Kind mehr. Verdammt noch mal ich weiß das ich einen großen Fehler gemacht habe, aber dennoch bin ich ein Mensch, den man nicht einfach mit irgendwelchen Pillen ruhig stellen kann. Ich hab es eingesehen, habe darüber nachgedacht. Ich werde es nie wieder tun!“, schrie ich ihn an, „Nie wieder. Ich weiß, dass mir das hier keiner Glauben will aber es ist so! Ich bereue es nicht, dass ich es getan habe, denn so kann ich jetzt von vorne anfangen, ich hätte sonst nie den Mut gefunden meinem Vater meine Meinung zu schreiben oder zu sagen. Er hört mir schon seit Jahren nicht mehr zu, da er in Selbstmitleid und Schuldgefühlen versinkt, und im Hass den er für mich nur noch empfindet. Er hat mich gedemütigt und fertig gemacht wo er nur konnte, weil er mir die Schuld an Mom´s tot gibt. Ich denke und hoffe meine Worte in dem Brief haben ihm mal die Augen geöffnet. Ich habe es getan und kann es nicht rückgängig machen, will es auch nicht. Es hat mir und anderen die Augen geöffnet. Jedoch bin ich klar in meinem Kopf und bin mir sehr sicher, dass ich es nicht noch einmal machen werde, allein der Schmerzen wegen. Ich hätte mal lieber besser in Biologie aufpassen sollen“, den letzten Satz verdankte ich meinem Sarkasmus.„Und ich bin mir sehr sicher dass ich ohne diese Pillen genauso denke. Und eines kann ich Ihnen sagen, ich werde mich weigern dieses Zeug weiterhin zu nehmen!“, sagte ich sauer hinterher.„Was soll ich dazu jetzt noch sagen?“„Weiß ich doch nicht was in ihrem Kopf vorgeht!“, meinte ich angenervt, mit einem sarkastischen Unterton.„Louisa, ich kann verstehen, dass dich das ganze aufwühlt und sauer macht. Aber wir können ja nicht riechen wie du Tickst. Wir können nur mutmaßen und das haben wir getan. Ich glaube dir jedes Wort, die du mir gerade an den Kopf geworfen hast. Ich kann verstehen wie du dich fühlst, zumindest zum Teil. Dein Vater, war er schon immer so? Und was meinst du damit das du Schuld an dem Tod deiner Mutter ist?“„Sauer? Aufgewühlt? Ich glaube Sie ticken nicht mehr ganz richtig. Natürlich bin ich sauer.Ach wirklich, sie glauben es mir? Ja das sehe ich.Und klar, dass Sie mich verstehen können. Das ist schließlich Ihr Job. Sie können sich wahrscheinlich nicht einmal an ihren letzten entlassenen Patienten erinnern.Und was mit meiner Mutter, beziehungsweise mit meinem Vater los ist, geht Sie einen Scheiß an!“„Ach ja ich kann mich also nicht an meine Patienten erinnern, natürlich habe ich auch keine Gefühle. Dazu kann ich Kinder und Jugendliche nicht einmal ausstehen. Mal ganz ehrlich, hätte ich mir nicht sonst einen anderen Job ausgesucht?“Seine Stimme schrie nur so in Ironie. Und irgendwie tat mir leid, was ich gerade gesagt hatte, aber ich war so wütend, konnte nicht anders. Louisa, beruhige dich und höre mir zu. Er machte eine kurze Pause, an seinen Gesichtszügen erkannte ich das er kurz überlegte, dann fuhr er fort.„Ja ich kann dich verstehen, mein Vater verleugnet mich und ignoriert mich. Meine Mutter ist eine reiche Unternehmerin und interessiert sich nicht für Probleme anderer, nicht einmal für die ihres eigenen Sohnes.Du hast recht, es geht mich nichts an, aber du kannst es mir erzählen wenn du möchtest“, sagte er mit einer lauten Stimme und einem wütenden Unterton. Die letzten Worte wurden dann allerdings wieder freundlicher und klangen aufrichtig. „Und wenn ich nicht will?“„Dann kann ich dir nicht helfen und du wirst eine Weile hier bleiben müssen. Redest du mit mir, bist du schneller wieder draußen. Du kannst es dir überlegen. Ich werde jetzt etwas essen gehen und dann komme ich wieder und dann kannst du ja wenn du möchtest mit mir reden.“Er stand auf, ging ohne ein weiteres Wort zu sagen und verließ das Zimmer.An seinen geballten Fäusten konnte ich sehen dass ich ihn verletzt hatte mit meinen Worten, wahrscheinlich war er gerade auch ziemlich sauer auf mich. Was hatte ich jetzt schon wider angerichtet? So wollte ich es doch gar nicht. Ich wusste nicht einmal warum ich so überreagiert hatte. Aber es hat gut getan mal Dampf abzulassen. Ich denke, das hatte ich jetzt gebraucht. Aber es tat mir leid, dass er es abbekommen hatte.Ich war nur so wütend darüber, dass ich diese Pillen schlucken musste und dass er meinte, er könne mich verstehen. Ich meine, er wusste sicher nicht wie es war in so einer Situation zu sein. Er musste nicht mit so einer Schuld rumlaufen, wie ich es tat. Ich hatte etwas Schreckliches getan und konnte es nicht mehr rückgängig machen. Ich bereute es sehr. Aber als ich mich ändern wollte, wurde der Spieß einfach umgedreht und ich wurde vom Täter zum Opfer.Und mein Leben wurde nun echt zur Hölle. Ich dachte immer noch: schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Ich hatte mich wohl getäuscht. Irgendwann konnte ich halt nicht mehr und wollte weg - einfach weg. Allerdings war ich sehr froh, dass ich es überlebt hatte, denn eines war mir klar geworden: weglaufen brachte rein gar nichts. Jetzt konnte ich wenigstens noch versuchen alles wieder in Ordnung zu bringen auch wenn ich einige Freunde für immer verlieren würde und selber eine Strafe zu befürchten hatte. Doch das war mir egal. Ich wollte dass die Wahrheit heraus kam und dass alle die daran beteiligt waren bestraft werden.Ich würde mich bei dem Doktor entschuldigen (ich hatte es auch nicht so gemeint, es war einfach so aus meinem Mund gekommen). Es tut mir wirklich leid. Und ich würde ihn bitten mich zur Polizei zu begleiten. Wenn sie meinem Brief überhaupt Beachtung geschenkt hatten und ihn wirklich weitergeleitet hatten. Ich hoffe sie hatten es getan.Außerdem würde ich ihn bitten meinen Vater zu kontaktieren. Ich würde gerne wissen warum er sich bis jetzt nicht hat blicken lassen. Mom wäre schon längst hier bei mir. Es tat weh, dass ich ihm scheinbar egal war. Ich dachte es hätte ihm die Augen geöffnet, als man mir sagte er machte sich Sorgen um mich. Wahrscheinlich haben sie es mir nur gesagt damit ich etwas fröhlicher war. Ich wusste nicht. war mir auch egal. Ich wollte ihn nicht mehr sehen, ich wollte nur wissen warum er sich so verhielt. Mehr nicht.Außerdem würde ich gerne mit Lu reden, ihr alles erklären und mich entschuldigen.
***
Von einem lauten Geräusch werde ich aus meinen Gedanken gerissen.Ich drehe mich zur Tür um und sehe wer da gerade das Zimmer betritt. Im ersten Moment dachte ich es sei Dr. McHard aber ich habe mich geirrt. Die Schwester von heute morgen betritt ohne zu Klopfen mein Zimmer. Das jemand ohne anzuklopfen in mein Zimmer kommt mag ich überhaupt nicht, auch im Internat habe ich immer jeden angemeckert der ohne zu Klopfen mein Zimmer betreten hat.„Man kann auch Klopfen und sich somit ankündigen, ich hätte mich auch gerade umziehen könne!“,werfe ich der Schwester an den Kopf.„Ah eine kleine Zicke.“, sagte sie zu mir und hielt mir wieder diese Pillen vor.Doch dieses mal werde ich es ihr nicht so einfach machen und wie heute Morgen brav diese Pillen schlucken.„Ich bin keine Zicke! Und sie könnten ein wink freundlicher sein.“, schrie ich sie an und nehme ihr die kleine Plastikdose aus der Hand. Sehe mir sie an und stehe auf. Ein glück habe ich ein Waschbecken in meinem Zimmer. Ich geh zu ihm und drehe den Wasserhahn auf. Ich spüre wie der Blick der Schwester sich in meinen Rücken bohrt, aber das ist mir egal.Ich trinke einen Schluck Wasser und dann werfe ich die Pillen in das Waschbecken und drehe den Hahn weiter auf. Ich sehe ihnen nach bis sie im Abfluss verschwunden sind.Aus meinen Augenwinkeln sehe ich die Schwester mit wütenden Blick auf mich zu rennen.„Spinnst du? Was hast du getan? Du solltest die schlucken und nicht im Waschbecken herunter spülen“, schrie sie mich mit einem entsetzten Ton an.Ich lächele nur. Gehe wieder zu dem Tisch zurück und setzte mich. Aber so das ich mit dem Rücken zu ihr sitze. „Ich spinne? Tut mir leid aber ich bin keine Spinne und somit kann ich auch nicht spinnen.“, meinte ich und legte meinen besten sarkastischen Unterton bei. Außerdem musste ich kichern. Das brachte die Schwester nun ganz auf 180. Ich drehte mich mit einem breiten grinsen um, dabei sah man ihr an, dass sie kurz vorm ausrasten war. Sie war komplett angespannt und kämpfte damit nicht ihre Fassung zu verlieren. Doch ich trieb das Spiel weiter und beantwortete ihre Frage. „Was ich getan habe haben Sie doch gesehen oder etwa nicht? Ich schlucke ungern etwas von dem ich nicht weiß was es ist. Noch lasse ich mich mit irgendwelchen Pillen ruhig stellen. Das Zeug vernebelt doch nur meine Sinne und nützt mir rein gar nichts. Das ist alles eine Sache des Verstandes und der Willenskraft. Und jetzt verlassen Sie bitte mein Zimmer.“ Ich blieb in einem sehr freundlichen Tonfall, legte doch wieder etwas Spott mit rein. Ich konnte einfach nicht anders, als mich mit ihr anzulegen, es machte gerade einfach viel zu viel Spaß, sie so zu sehen. „Du meinst als ich lasse mir von irgendeiner Verrückten etwas befehlen? Da hast du dich getäuscht!“„Wollen sie mir drohen?“Gerade als sie etwas sagen wollte öffnete sich die Tür und Dr.McHard platzt herein, sein Gesicht ist etwas verzogen, es drückt Panik mit Sorge durchzogen aus. „Was ist den hier los?“, fragte er. Dabei sah er mich mit einem besorgten Blick an. „Die, hat die Tabletten im Waschbecken runtergespült und dann Rumgeschrien“, sagte die Schwester etwas verzweifelt.Ich merke wie er ein lachen unterdrücken muss, er muss sich ziemlich zusammen reißen um den Satz vernünftig über seine Lippen zu bringen. „Ist in Ordnung, danke dass sie mich darüber informiert haben. Sie können dann jetzt gehen, ich kümmere mich darum.“Kaum hat die Schwester das Zimmer verlassen, kann er sich nicht mehr zusammenreißen. „Das hast du wirklich getan?“„Ja, wo nach sieht es denn aus? Ich habe ihnen gesagt dass ich die Pillen nicht mehr nehme.“ „Respekt. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich dachte du sagst das bloß nur so. Aber ganz ehrlich wenn die Patienten hier alle so wären hätten wir in spätestens einem halben Jahr keine mehr. Hast du dich nun entschieden?“„Ja. Ich werde ihnen etwas über meine Familie erzählen. Aber ich hoffe das sie nichts was ich ihnen erzähle weiter sagen, an wen auch immer. Und ich werde es ihnen nicht hier erzählen. Ich würde gerne noch ein paar Klamotten aus dem Internat holen, wenn das möglich wäre.“„Du stellst vielleicht Anforderungen, aber ich denke dass das so in Ordnung geht. Besser du redest mit mir, als gar nicht. Hol deine Jacke, wir fahren zum Internat.“ „Danke“, mehr bekam ich nicht aus meinem Mund. Ich strahlte ihn an und ging meine Jacke holen.
***
Als wir draußen ankamen war ich von der Schönheit der Landschaft die das Klinikum umgab überwältigt. Alles war zugeschneit. Es war einfach nur wunderschön.Und diese frische Luft, einfach herrlich wieder mal an der frischen Luft zu sein. Wie hat meine Mutter mich immer genannt: eine Waldelfe, weil ich immer so gerne im Wald unterwegs war, am liebsten mit meiner Kamera. Dr.MacHard führt mich zu seinem Auto und wir steigen in seinen braunen BMW ein.Ich schnalle mich an und er fährt los.„Wie lange muss ich meine Tag da drinnen verbringen?“, fragte ich.„Das kommt ganz darauf an wie du dich benimmst und wie es dir geht, wie ich dich einschätze.“„Und wie mach ich mich bis jetzt?“„Marie-Louisa, bis jetzt sehr gut. Ich mag Mädchen die sich durchsetzten und sagen was sie meinen.“„Oh bitte tu mir das nicht an und rede mich mit meinem grauenhaften vollen Namen an!“, meinte ich beleidigt. „Louisa reicht vollkommen, Bitte“, fügte ich hinzu.Als Antwort grinste er mich nur an und ich sah in seine stahl Blauen Augen, bekam eine Gänsehaut. Dann grinste ich ihn auch an. In diesem Moment war ich das glücklichste Mädchen im ganzen Land, vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Warum wusste ich auch nicht. Aber jedes Mal wenn ich ihn ansah bekam ich eine Gänsehaut und mein Herz machte einen kleinen Satz. Was ist bloß mit mir los?„Ist dir Kalt?“, fragte er.Ich schüttelte nur den Kopf, ich konnte ihm ja nicht sagen dass ich wegen ihm eine Gänsehaut bekommen hatte.Er schaltet das Radio ein und beschleunigt sein Auto.Nach wenigen Minuten sehe ich das Straßenschild auf dem das Internat angekündigt wird. Er biegt ab und wenig später sind wir auf dem Parkplatz.
***
„Louisa, du gehst schnell auf dein Zimmer und holst dir das was du brauchst. Am besten achtest du nicht auf die anderen. Beeil dich. Danach fahren wir zu mir und du erzählst mir alles. Ich denke du willst nicht unbedingt dass es jemand anders mitbekommt. Oder?“„Nein nicht wirklich. Ja mache ich. Danke.“Er konnte gar nicht fragen für was das „Danke“ war, denn kaum hatte ich das Wort ausgesprochen schlug ich schon die Wagentür zu und rannte los. Ich sah noch einmal kurz zurück und sah sein fragendes, umwerfendes Gesicht.Ich riss die Tür zu Internat auf und rannte so schnell ich konnte die Tür zu meinem und Lus Zimmer hoch.Ich klopfte kurz und wartete erst gar nicht auf eine Antwort sondern stieß die Tür gleich auf. Doch mir konnte auch niemand antworten denn Lu war gar nicht hier. Komisch - eigentlich müsste sie da sein, es ist kurz nach Unterrichtsschluss. Na ja egal, dachte ich mir, rannte zu meinem Zimmer und suchte nach meiner Reisetasche. Als ich sie fand, begann ich sofort damit meine Klamotten rein zustopfen und einige andere Sachen die ich noch brauchte.Als ich fertig war drehte ich mich nochmal im Zimmer, es waren nirgendwo mehr Sachen von mir zu sehen. Zufrieden machte ich mich auf den Rückweg, allerdings machte ich mich noch mal auf den Weg zu Lu´s Zimmer in Hoffnung sie doch noch zu treffen. Leider war sie noch immer nicht im Zimmer, kurz sah ich mich um blieb vor Lus Schreibtisch stehen. Mitten auf dem Tisch lag mein Brief. Er war leicht gewellt. Lu hatte sicher geweint als sie ihn gelesen hatte. Es tat mir schrecklich leid, dass ich ihr Mitschuld gegeben hatte. Sofort übernahm mich mein Schlechtes Gewissen und ich fing an mir Sorgen zu machen.Schnell nahm ich mir ein Blatt Papier und einen Stift um ihr eine kurze Nachricht zu hinterlassen.Hey LuEs tut mir schrecklich Leid, dass ich dir Schuld gegeben habe. Es war nicht so gemeint. Wirklich nicht. Ich war nur sehr aufgebracht wegen des Streites. Ich habe dich sehr lieb und es würde mich freuen wenn du mich besuchen kommst. Dein kleiner Bär Ich hoffte, sie meldete sich bei mir. Ich schwang meine Tasche auf meine Schulter und rannte die Treppe runter. Hoffentlich sah mich keiner. Außer Lu musste nicht unbedingt jeder wissen das ich hier gewesen war.
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Ich verstaute meine Tasche im Kofferraum und stieg wieder vorne ein.„Soll ich das Radio anmachen oder willst du dir eine der CD´s heraus suchen?“, fragte er mich und zeigte gleichzeitig auf das Handschuhfach.Ich machte es auf und nahm mir die ersten drei CD's in die Hand.Eine davon reichte ich ihm. Er schob sie gleich in den CD-Player und drückt auf Play.Der Anfang von, Comatose’ von Skillet ertönte.„Du hast einen guten Musikgeschmack“, gab ich zu.„Danke, du anscheint auch.“Als er das sagte grinste er mich an und fuhr los.Die ganze Fahrt lang schwiegen wir und hörten die CD, bis er in eine Garage einbog und anhielt. Wir stiegen aus und er nahm mir meine Tasche ab und ging voraus. Ich ging ihm hinterher.Hinter der Tür, durch die wir gingen, lag der Flur des Hauses. Eine Treppe führte nach oben und eine Abzweigung des Flurs führte in eine andere Wohnung.Dr. McHard stieg die Treppe hoch. Im ersten Stock nahm er sich der ersten Tür an und schloß sie auf. Er trat ein, ich direkt hinterher. Er zog sich seine dunkelbraune Lederjacke aus, hing sie an die Gaderrobe. Diese stand direkt neben der Eingangstür. Die Lederjacke stand im echt gut und ließ ihn irgendwie jünger wirken. Auch ich wollte meine Jacke ausziehen, aus irgendeinem Grund verhedderte ich mich beim ausziehen mit den Armen. Ich konzentrierte mich darauf es zu schaffen sie auszuziehen, doch es gelang mir nicht. Dies schien er zu bemerken, lachte kurz, kam mir aber direkt zu Hilfe. Nachdem er mich aus meiner dunkelblauen Jeansjacke befreit hatte, hin er sie an einen der Hacken. Meine Tasche stellte er im Flur ab, dann ging er weiter in ein Zimmer, welches am Ende des Flurs lag. Ich folgte ihm schweigend und unsicher. Ich wusste nicht was ich tun sollte, stattdessen sah ich mich kurz um. Es war eine sehr geräumige Wohnung in hellen, aber freundlichen Farbtönen gehalten. Vom Flur aus konnte man in vier verschiedene Zimmer gelangen. Eines lag links, zwei Türen waren rechts, die letzte lag der Eingangstür gegenüber. Die erste Tür die ich sag, war mit der Aufschrift WC versehen. Auf der gegenüberliegenden Seite stand die Tür offen und ich erkannte eine schicke dunkel Rote Küchenzeile. Die nächste Tür an der ich vorbei ging war geschlossen, vermutlich das Schlafzimmer. Durch die letzte Tür ging er, und setzte sich auf ein grau-schwarz meliertes Sofa. Es war riesig, wenn man sich an die Rückenlehne setzte lagen die Füße unweigerlich am anderen Ende. Ein Traum von Sofa, perfekt um es sich dort bequem zu machen. „Setzt dich und leg los, Louisa.“, sagte er und klopfte neben sich auf das Sofa.„Balu, wäre mir irgendwie noch lieber als Louisa, so nennen mich eigentlich alle.“, korrigierte ich ihn. Noch vor wenigen Stunden hatte ich ihm gesagt er solle mich doch bitte nur Louisa nennen und nicht bei meinem Vollennamen, doch jetzt war es irgendwie privater, freundschaftlicher und da wollte ich das er mich wie alle meine Freunde nannte.„Okay wenn du willst das ich dich Balu nenne, dann möchte ich auch das du mich Duzt und mich Tony nennst.“Ich grinste und war froh darüber das er mir das Du anbot.„Was willst du wissen?“, frage ich ihn weil ich nicht wusste wo ich anfangen sollte.„Gute Frage, vielleicht warum du es versucht hast?“Ich seufze und erzähle im was an dem Tag passiert war.Er hörte mir zu und war nicht eine Sekunde genervt von dem was ich sagte.Das trieb mir ein Lächeln aufs Gesicht.„Und warum hast du so Probleme mit deinem Vater?“„Na ja, früher war er ganz anders. Er war der beste Vater. Er hat alles für mich gemacht. Hat mir und meiner Mom jeden Tag gesagt, wie sehr er uns liebt. Hat jedes Wochenende mit uns Ausflüge gemacht. Er war immer für mich da und hat mich unterstützt. Ich hab ihn geliebt. Nein, ich liebe ihn immer noch, trotz was in den letzten Jahren passiert ist. Ich könnte ihm alles verzeihen wenn er sich nur ändern würde. Ich vermisse seine fröhliche Art.Ich schweife vollkommen von deiner Frage ab, Entschuldigung. Also seit meine Mutter tot ist hasst mein Vater mich. Er lässt alles an mir aus. Egal was war, ich bin immer an allem Schuld gewesen. Ich musste alles über mich ergehen lassen. Auch an meinen Noten hat er immer herum gemeckert. Eine zwei war ihm nicht gut genug und eine drei durfte ich nicht einmal im Traum mitbringen. Es war schrecklich. Und dann war da noch die beste Freundin meiner Mutter die schon immer hinter meinem Vater her war. Diese dumme Kuh hat mich immer fertig gemacht und auch alles an mir aus gelassen. Irgendwann konnte ich nicht mehr und bin in den Ferien, einfach zu einer Freundin gezogen. Ich hatte zum Schluss Angst nach Hause zu gehen und dann habe ich den Entschluss gefasst dass er nicht mehr mein Vater ist. Aber was mich am meisten verletzt, ist dass es ihm anscheinend egal ist wie es mir geht. Er hat mich in das Internat gesteckt und war mich endlich los. Er hat nicht einmal angerufen um zufragen wie es mir dort geht…“Bei den letzten Sätzen kamen mir die Tränen und ich konnte nicht einmal meinen Satz zu enden sagen. Ich konnte die vielen Tränen nicht zurück halten und fing an zu Heulen. Tony nahm mich in den Arm und ich weinte.„Ist schon gut. Lass es raus …“, kam immer wieder von ihm. Er wiederholte es immer wieder.Es fühlte sich gut an, endlich mal wieder in den Arm genommen zu werden, ernst genommen zu werden. Vor allem aber tat es gut dass jemand da ist und einfach nur zu hört. Er drückte mich eng an seine Brust, es beruhigte mich sehr. Es gefiel mir sehr in seinen Armen zu liegen und ich hätte ewig so dasitzen können. Doch meine Augen taten so weh, dass ich sie kaum noch offen halten konnte. Letztendlich fielen mir sie zu.
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Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens schienen auf mich drauf, wecken mich auf. Auf so eine sanfte Art wurde ich schon lange nicht mehr geweckt. Im Krankenhaus wurde ich immer sehr früh geweckt, denn es gab Punkt 8 Uhr Frühstück, bei dem alle anwesend sein mussten.Ach ich wollte gar nicht aufstehen. Ich wollte noch Stunden hier liegen und einfach nur dösen und über nichts und die Welt nachdenken. Aber daraus würde wohl nichts werden, denn ich hörte wie jemand die Tür öffnete und das Zimmer betrat.Tony kam auf mich zu und setzte sich auf die Bettkante. Erst jetzt realisierte ich das ich immer noch in seiner Wohnung war und scheinbar in seinem Bett geschlafen hatte. Das Bett war sehr groß, weich und warm. Die Bettwäsche war Lila, Blau, Grün gestreift. Ich erkannte sie, sie war von IKEA und ich hatte sie auch. Ich musste unweigerlich lächeln.„Und, wie geht’s?“ Als er diese Fragte stellte, setzte ich mich auf und strich mir meine zerzausten Haare aus meinem Gesicht.„Sehr gut. Es ist schön endlich mal wieder auszuschlafen und von den ersten Sonnenstrahlen des Tages geweckt zu werden. Das war mir in den letzten Wochen nicht gegönnt. Es tut gut mal woanders zu sein. Wieder etwas anders zu sehen.“„Das denke ich mir. Komm steh auf. Ich habe Frühstück gemacht.“Er nahm mich bei der Hand und führte mich in die Küche, auf die ich gestern nur einen kurzen Blick werfen konnte. Sie war zwar nicht allzu groß, aber doch sehr schickt eingerichtet und vor allem war für alles Platz. Die Küchenzeile war rechts in der Ecke und erstreckte sich über eine ganze Wand. Die Schränke waren Schwarzbraun, Türen und Ablagefläche waren in einem dunklen Rot gehalten. Mittig stand ein kleiner Esstisch, an dem für vier Personen platz war. Er zeigte auf einen Stuhl auf den ich mich setzte und mir gleich ein Croissant nahm. Er hatte den ganzen Tisch gedeckt, mit allen möglichen Leckereien. Brot, Brötchen, Croissant, Marmelade, Nutella, Wurst, Käse, Müsli, anderen Frühstücksutensilien und einigen Säften. „Ich wusste nicht was du gerne isst, deswegen habe ich einfach mal alles was mein Kühlschrank hergab aufgedeckt.“ Wir frühstückten gemeinsam, es war so schön. Ein Wunderbares Gefühl mit ihm zusammen zu sitzen und einfach mal das zu essen was ich essen wollte. Ich hatte einen riesen Hunger und verdrückte neben dem Croissant, noch ein Brot mit Teewurst und ein Laugenbrötchen mit Salami, Salat, Tomate und Salatcreme. Das Essen in der Klinik war nicht so an meine Ansprüche ausgelegt, das Meiste davon mochte ich einfach nicht und aß dann auch sehr wenig davon. Es schmeckte zwar recht lecker, aber ich war etwas verwöhnt worden was Essen anging. Früher bekam ich immer was ich wollte.„Wow, du kannst aber ganz schön viel essen.“„Na ja, eigentlich esse ich nicht so viel aber ich hungere ja gezwungenermaßen seit einigen Wochen. Das Essen dort ist nicht so meins.“„Okay, ich versteh dich. Was würdest du davon halten wenn du dauerhaft wo anders wohnen würdest?“„Du meinst so etwas wie betreutes Wohnen?“„Ja genau, so etwas meine ich“, sagte er und strahlte mich an. Sein Lächeln brachte mich jedes Mal außer Fassung.Ich dachte kurz darüber nach und fand gefallen an diesem Gedanken. Ich denke, ich hätte fast alles gemacht um aus diesem Krankenhaus raus zukommen. Wenn ich noch sehr viel länger meine Tage da drin verbringen musste verlor ich noch den Verstand.„Ja, alles nur ich will da raus. Echt da drinnen wird man ja noch krank.“Er fing an zu lachen. „Was gibt es da zu lachen? Es ist nicht witzig“, brachte ich noch heraus bevor ich selber vor lachen fast vom Stuhl fiel.Nach ein paar Minuten bekamen wir uns wieder ein und ich ging ins Bad um mich fertig zu machen. Tony klärte inzwischen das mit dem Platz in dieser Betreuten Wohnung für Psychischkranke Jugendliche.Als ich aus dem Bad kam war Tony gerade dabei sich umzuziehen, allerdings bemerkte er mich nicht und ich hatte freie Sicht auf seinen Rücken. Er sah verdammt gut aus von hinten. Ich wollte mich umdrehen aber es ging nicht, ich konnte nicht. Ich musste unweigerlich auf seinen tätowierten Rücken blicken. Es war nur ein kleines Tattoo auf seinem linken Schulterblatt, aber trotzdem wunderschön. Es sah wie einer meiner Anhänger, von dem Charms-Armband das mir Mom geschenkt hatte, aus. Der Anhänger war aus Silber und sah aus wie eine Münze, nur das Runen eingraviert waren die bedeuten: Die Zauberlieder der Nornen beschützen dich. Genau dieselben Runen waren auf Tonys Haut tätowiert.„Hey, du bist ja schon fertig. Für eine Frau warst du sehr schnell“, witzelte er.Ich hatte gar nicht mitbekommen das er sich inzwischen umgedreht hatte. Ihn schien es nicht zu stören das ich ihn anstarre wie ein Teenie einen Rockstar anstarrt.„Das Tattoo …“, stammelte ich. Und im gleichen Moment war es mir mega peinlich es angesprochen zu haben. „Oh, ähm … das ist ein Glücksbringer wenn man es so bezeichnen will. Ich hab es mir vor Jahren machen lassen. Aber mittlerweile bereue ich es. Ich meine, ein Arzt der tätowiert ist. Wie hört sich das denn an?“ Jetzt macht der sich ernsthaft Gedanken um ein Tattoo das eh kein Mensch sieht wenn er angezogen ist? Mensch, der hat Probleme… Ich musste lächeln und seufzte. Ich finde nämlich dass es sehr gut aussieht und finde es gar nicht schlimm. Es geht doch keinen Patienten etwas an das er Tättoowiert war. „Wie es sich eben anhört. Ich finde es nicht schlimm, es sieht doch keiner. Aber mal ganz ehrlich, ihr Pyscho-Leute habt auch immer einen an der Klatsche. “„Hey kleines Fräulein, sei nicht so frech. Ich kann auch anders.“„Oh … jetzt hab ich aber Angst“, entgegnete ich mit einem herausfordernden Ton. Auf das was dann kommen würde war ich nicht gefasst. Er kam auf mich zu und fing an mich zu kitzeln, als er merkte, dass das bei mir nicht sonderlich viel brachte hob er mich hoch und „warf“ mich auf das große Bett. Ich rappelte mich sofort wieder auf, stürzte mich auf ihn und drängte ihn selbst auf das Bett. „Na, hab ich dich zu Fall gebracht?“, neckte ich ihn und lachte. Die Zeit wollte er nutzten um mich zu sich zu ziehen. Ich bemerkte was er vor hatte und wollte gerade noch aus dem Bett springen, doch ich war nicht schnell genug. Er packte mich und zog mich unter sich. Ich sah ihm direkt ins Gesicht, spürte seinen warmen Atem in meinem Gesicht. Dieser Moment war unglaublich. Dieses prickeln in meinem Bauch wurde immer stärker und mein Herz, es fing an wie wild zu pochen. In seinen Augen sah ich, dass es ihm genauso ging. Er spürte auch die Spannung zwischen uns. Es war keine schlechte Spannung, eher wie Plus- und Minuspole die sich anzogen. Und genauso war es auch - ich fühlte mich zu ihm hingezogen. Ich wollte ihn. Um mir sicher zu sein, dass er es auch wollte, sah ich ihm nochmals tief in die Augen. Gleichzeitig fuhr ich mit meiner Hand an seiner nackten Brust hoch und hielt direkt über seinem Herzen an. Ich Spürte seinen schnellen aber gleichmäßigen Herzschlag an meiner Hand. Er kam mir immer näher. Mit jeden Zentimeter, den er näher an mein Gesicht kam, pochte mein Herz lauter. Ich recke mein Kopf etwas in seine Richtung und da streiften unsere Lippen auch schon. Ein wunderbares Gefühl zog durch meinen Körper.Plötzlich ließ er von mir ab und kletterte aus dem Bett. Er ging zum Schrank um sich ein frisches Hemd herauszuholen und es sich anzuziehen.Das tolle Gefühl war verflogen und die Spannung war weg. Dieser Moment hätte von mir aus ewig anhalten können. Tony hatte inzwischen sein Hemd zugeknöpft und wollte gerade beginnen etwas zu sagen, da klingelte sein Telefon. „Ja“, sagte er in sein Telefon und hörte sich an was sein Gegenüber zu sagen hatte.„Nein, machen Sie sich keine Sorgen, sie ist hier. Es war Gensternabend so spät -“ Er wurde unterbrochen, denn er sprach den Satz nicht zu Ende. „Ich zog es vor mit Ihr in Ruhe zu sprechen. In einer Umgebung, die Sie nicht verunsichert. Und es hat funktioniert.“Dann legte er auf.„Lass uns das eben einfach vergessen, okay?“, fragte er unsicher.„Ja, wird das Beste sein.“Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Es war so ein wunderbares Gefühl gewesen, es hatte mir und scheinbar ihm auf gefallen. Doch ich wusste das es nicht gehen würde. Er ist mein Therapeut und ich seine Patientin. Es tat weh, aber ich musste es wohl oder übel akzeptieren.
***
Den ganzen weg bis zum Krankenhaus schwiegen wir. Es war ein unangenehmes Schwiegen, aber ich wollte es nicht brechen. Deswegen dachte ich über das was geschehen war nach. Wie wunderbar das gewesen war, wie gerne ich so geblieben wäre. Und an den Schmerz als er sagte dass es nichts bedeutete und ich es vergessen sollte. Ich würde es definitiv nie vergessen. So zärtlich war schon lange niemand mehr zu mir. Eines war mir jetzt klar, ich liebte ihn. Ob er meine Liebe erwiderte? Ich hoffte es so sehr.Ich schob den Gedanken beiseite, denn heute würde ich endlich Lu treffen. Ich hatte es fast vergessen. Ein Glück hat Tony mich daran erinnert hatte. Ich freue mich sehr darauf. Wir betraten gerade den Flur als Tonys Handy klingelte. Er ging ran und lief ein kleines Stück vor. Wahrscheinlich damit ich nicht hörte was er zu sagen hatte.Ich sah wie er das Handy wieder in seine Hosentasche schob und abrupt stehen blieb. Ich ging an ihm vorbei, direkt auf mein Zimmer zu, öffnete die Tür und ließ sie offen stehen. Drinnen setzte ich mich auf mein Bett.Tony kam wenig später auch ins Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Er setzte sich zu mir.„Ich habe eine gute Nachricht für dich.“„Und die wäre?“, meinem Tonfall war die Enttäuschung noch immer zu entnehmen.„Ein Platz in einer WG mit Betreuung ist noch frei. Du kannst noch Heute einziehen. Fang schon mal an deine Sachen zu packen. Deine Freundin kommt auch gleich. Wenn sie weg ist fahre ich dich dort hin. Es ist ganz in der Nähe und für Notfälle gebe ich dir meine Handynummer.“ Ich finge Wortlos an zu packen bis Lu kam.
Kapitel 8NeuanfangLouisa Am Abend wartete ich vor dem Eingang des Krankenhauses bis Tony mit seinem Wagen vor mir anhielt und ich einstieg. Unsere Blicke streiften sich, wir zogen es vor beide so schnell wie möglich weg zu sehen. Ich holte meine Kette, an der ich den münzartigen Anhänger befestigt hatte, aus meiner Jackentasche und machte sie mir um. Tony entging das nicht und er sah sich den Anhänger an.„Der sieht ja aus wie mein…“„Ja ich weiß“, unterbrach ich ihn, „Meine Mutter hat ihn mir geschenkt kurz bevor sie starb. Ich trage ihn eigentlich immer, nur da drinnen durfte ich das ja nicht.“„Hübsch“, war das einzige was er noch zu mir sagte, dann fuhr er los. Nach ein paar Metern machte er das Radio an, denn das Schweigen was hier herrschte war erdrückend. Ich war sehr froh das er es anmachte, denn ich hätte es nicht mehr lange so ausgehalten.Irgendwann hielt er vor einem Reihenhaus und stieg aus. Er ging direkt auf den Kofferraum zu und holte meine Koffer heraus. Ich stieg inzwischen auch aus und ging ihm nach. Vor dem Haus mit der Hausnummer 7a blieb er stehen, klingelte.Ein Junge öffnete die Tür. Ich würde ihn auf etwa 13 Jahre schätzen.„Hi, Jonas. Ist Jared da?“„Ja, der ist oben.“„Okay.“Während er dies sagte, war er schon auf den Weg nach oben. Ich ging ihm nach, wobei ich mich mit meiner Reisetasche abquälte. Ich zog sie hinter mir her, denn das Tragen hatte ich aufgegeben, da ich sie einfach viel zu voll gepackt hatte. Ich blieb kurz stehen um mich etwas auszuruhen und sah wie Tony meinen Koffer und die andere Reisetasche locker die letzten Treppenstufen hoch trug. Er hatte ziemlich viele Muskeln, das hatte ich schon bemerkt als ich seine Brust berührt hatte.Ich war total in Gedanken versunken, und erschrak als er meine Hand berührte. Wieder durchzuckte mich ein wunderbares Gefühl. Er sollte meine Hand nie wieder loslassen, aber er nahm mir nur meine Tasche ab.„Na wohl doch nicht so stark?“, witzelte er.Bevor er sich umdrehte und die Treppe mit meiner letzten Tasche hoch ging, lächelte er mich an. Es war ein warmes Lächeln, das mich aufwärmte auf eine ganz besondere Art. Das letzte Stück der Treppe rannte ich hoch, denn er und dieser Jared waren anscheinend schon in meinem neuen Zimmer verschwunden. Als ich das Zimmer betrat, war ich verblüfft wie schön es war, im Gegensatz zu dem Zimmer im Krankenhaus.„Ich hoffe du machst hier keine Probleme und verträgst dich auch mit deinen Mitbewohnern“, witzelte Tony mal wieder. „Ich weiß nicht. Ich bin ja kein braves Mädchen“, ich grinste ihn an und ging auf seine Anspielung ein. Er meinte meine kleine Auseinandersetzung mit der Krankenschwester.„Ach, doch bist du.“ Er grinste zurück. Langsam drehte ich mich im Kreis und begutachtete das Zimmer. Es war wirklich sehr schön.Die Wände waren mit roten Mustern versehen. Ich fand sie sahen aus, wie Blumenverschnörkelungen. Es war nicht leicht zu beschrieben.Unter dem Großen Fenster stand ein Schreibtisch, in einer Ecke stand das Bett. Es war ein einfaches Metallbett. Ein Schrank mit einem großen Spiegel, stand an der Wand direkt neben dem Bett. Auch ein Raumteiler stand inmitten des Zimmers und teilte dieses von einem kleineren Stück Zimmer ab, das als Leseecke eingerichtet war, mit einem leeren Bücherregal.„Du kannst das Zimmer sicher auch umstellen. Wie gefällt es dir hier?“, fragte Tony.Dabei sah er mir das erste Mal bei einem Gespräch nicht in die Augen. Er sah sich immer wieder im Zimmer um.„Ach nein, ich finde es so sehr schön. Ich werde mich schon eingewöhnen. Da bin ich mir sicher. Wir sehen uns doch weiterhin?“„Ähm … Ja, ich denke schon. Unsere Sitzungen finden weiterhin statt.“„Okay, na dann, sehen wir uns Übermorgen. Danke für alles. Du hast mir sehr geholfen. Das werde ich nie vergessen.“Während ich dies sagte nahm ich seine Hand. Er sah mich etwas verwirrt an und drückte sie, danach entzog er sich meinem Handgriff, öffnete die Tür und ging.Ich schloss die Tür, setzte mich eine Weile auf das Bett und dachte nach.Mir wurde bewusst, dass ich ihn liebte. Ich hatte mich in meinen Psychologen verliebt und ich war mir ziemlich sicher, dass er meine Gefühle teilte. Ich hoffte es eher. Ich wollte ihn nicht verlieren, denn ich hatte schon alles andere, was mir lieb war, verloren. Ich hoffte, dass er mir die Kraft, die er mir in den letzten Wochen gegeben hatte, nicht wieder nahm. Nach einigen Minuten beschloss ich, dass ich nun runter gehen würde und mir alles zeigen lassen würde.
***
Als ich mich endlich dazu gebracht hatte meinen Allerwertesten nach unten zu bewegen, da die anderen mittlerweile schon auf mich warteten, klingelte mein Handy. Ich zog es aus meiner Hosentasche und klappte es auf. Es war nur eine SMS, aber sie war von ihm. Erst freute ich mich darüber, bis ich den Inhalt der SMS sah.Es tut mir Leid.So ganz verstand ich sie nicht, aber ganz tief in mir wusste ich was er damit sagen wollte. Mir kamen die Tränen. Es kamen immer mehr Tränen aus meinen Augen, ich weinte. Es war einfach zu schrecklich. Ich konnte einfach nicht Glauben, dass er das nicht wollte. Ich liebte ihn doch. Ich dachte, er teilte meine Gefühle. Jedoch war ich mir jetzt sicher, dass er sie nicht teilte. Er hatte mich verlassen. Was mir mein Herz zerbrach. Einige Minuten lang weinte ich einfach nur. Ich rührte mich nicht vom Fleck, saß nur auf meinem neuen Bett. Mittlerweile war mein ganzes T-Shirt nass.Ich versuchte es gerade zu trockenen, als sich die Tür öffnete und ein Junge, ich schätzte ihn auf achtzehn Jahre, mein Zimmer betrat.„Hey … Heimweh?“, fragte er und setzte sich direkt neben mich auf das Bett.„Wer bist du? Und vor allem, hab ich dich darum gebeten in mein Zimmer zu kommen?“, sagte ich leicht hysterisch. Während ich dies sagte, stand ich auf und machte die Tür auf, womit ich ihm klar machen wollte, dass er gehen sollte.Was fiel dem ein, einfach in mein Zimmer zu kommen?Beschwichtigend hob er seine Hände und stand auf, wobei er sagte: „Hey, schon gut. Ich wollte nur höflich zu meiner neuen Mitbewohnerin sein.“ Er ging zur Tür, erst da realisierte ich, dass ich etwas überreagiert hatte und warf die Tür zu bevor er rausgehen konnte. Er wollte mir schließlich nur helfen.„Entschuldigung, war nicht so gemeint. Ich hab damit einfach nicht gerechnet.“„Schon gut, ich habe dich Weinen gehört und da dachte ich mir, ich schau mal lieber nach. Ich bin Leo.“Ich nahm seine Hand entgegen und schüttelte sie, dabei wurden seine Augen größer und er bekam leichte Gänsehaut auf seinem Arm.„Ich bin Balu.“„Ist das dein wirklicher Name?“„Nein ich heiße Marie-Louisa, aber ich kann den Namen Marie nicht ausstehen. Deswegen nennen mich immer alle Louisa, und daraus wurde irgendwann Balu. Leo ist das eine Abkürzung?“„Ja, ich heiße eigentlich Leopold. Meine Mom war etwas Altmodisch veranlagt … Was war eigentlich los? Hast du schon Heimweh?“Das er 'war' sagte, verwunderte mich etwas, aber ich beschloss, nicht weiter nachzufragen. „Ziemlich Altmodisch.“Während ich dies sagte grinste ich ihn an. Ich merkte dass seine Augen zu Leuchten begannen, dachte mir aber wieder nichts dabei. Für mich war er einfach ein netter Junge in meinem Alter.Fragend sah er mich weiterhin an.„Nichts war los“, ich drehte mich weg, damit er die Tränen, die sich wieder in meinen Augen sammelten, nicht sehen konnte.Er fragte nochmal: „Heimweh?“„NEIN,“ diesmal wurde ich lauter, „Es geht dich nichts an. Ich will jetzt zu den anderen, sie warten sicher schon. Zeigst du mir wo das Wohnzimmer, bitte?“„Ja, komm mit.“Er ging die Treppe herunter, ich folgte ihm. Unten angekommen ging er zielstrebig auf ein Zimmer zu, indem ein großer dunkler Holztisch stand, um diesen standen 6 Holzstühle. Er ging an einer Art Bar vorbei, durch einen Durchgang in der Wand. Als ich das Zimmer betrat war ich leicht geschockt. Ich hätte nie gedacht dass es so schön sein könnte. Das Zimmer wurde mit sehr viel Liebe zum Detail eingerichtet. Je länger ich mich hier umsah, desto mehr musste ich an mein Zuhause denken. Mein Zuhause war auch mit so viel Mühe eingerichtet und mit viel Liebe. Das hatte damals meine Mutter gemacht. Alle zwei Jahre hatte sie das Haus, oder einen Teil des Hauses, um geräumt und umgestaltet. Es gab dadurch zwar viele Diskussionen, aber Mom liebte es und es hat ihr Spaß bereitet. Öfters hatte Dad versucht ihr Ideen auszureden, doch er hatte es nie geschafft. In dem Punkt war Mom ein richtiger Dickkopf gewesen. Sie war Innenarchitektin, es war kein Beruf für sie, sondern eher ihr Hobby. Sie hat ihren Job geliebt. Ach, wie gerne würde ich die Zeit zurückdrehen, in die Zeit in der noch alles in Ordnung war. Aber das ging ja nicht.Ich würde mich hier sicher wohlfühlen. Mal sehen, wie meine Mitbewohner so waren.„Hey, da bist du ja.“ Sagte der Mann mit dem Tony geredet hatte.„Ich bin Jared, aber alle nennen mich hier Jer. Ich bin der Betreuer dieser Wohnung. Und wenn irgendetwas ist, worüber du sprechen möchtest, kannst du zu mir kommen. Du hießt Marie-Louisa. Wirst du auch so genannt?“„Nein, alle nennen mich Balu.“„Okay, Balu. Der große Bursche, der dich hier her geführt hat ist Leopold. Und unser Jüngster hier ist Jonas, er ist dreizehn. Du und Leo seid gleich alt. So, am besten setzt du dich erst mal, damit wir dir etwas über unsre Lebensweise erzählen können.“Ich setzte mich auf das Graue Sofa.Dann fing Jer zu reden an: „Also, dein Zimmer hast du schon gesehen und deine Mitbewohner wirst du in der nächsten Zeit kennenlernen. Frühstücken und zu Mittag essen wir gemeinsam. Abendessen macht sich jeder wenn er Lust und Hunger hat. Für dich und Leo gelten die gleichen Regeln. Um 23 Uhr ist Nachtruhe. Das heißt, dass du bis Spätestens 23 Uhr im Zimmer, beziehungsweise im Haus bist. Wenn du länger wegbleiben möchtest, kommst du zu mir und wir besprechen das dann. Du wirst ab der nächsten Woche wieder zur Schule gehen. Du hast Glück, dass das alles so weit vor den Abitursprüfungen passiert ist und du die Chance bekommst auf einer anderen Schule weiter zumachen und die Prüfungen mitzuschreiben. Das wird zwar hart, wenn du es aber willst ist das zu schaffen.Sonst fällt mir nichts mehr ein. Wenn du möchtest kannst du jetzt wieder hoch gehen und deine Sachen ausräumen oder mit uns etwas Fern sehen.“„Okay, ich werde mir das Merken. Das mit den Prüfungen lässt sich einrichten, ich denke ich schaffe das. Ich glaube ich werde meine Sachen mal ausräumen. Vielen Dank für alles.“Dann ging ich hoch.Leo rief: „Warte, ich helfe dir.“ Er kam hinter mir in mein Zimmer.„Hey Leo, ich nehme an ihr wisst warum ich hier bin?“, fragte ich.„Ja wissen wir.“„Okay, darf ich dann auch erfahren warum du hier bist?“„Ich erzähle es zwar nicht gerne, aber es wäre dir gegenüber unfair wenn ich es nicht täte. Setz dich.“Wir setzten uns auf das Bett.„Meine Eltern und ich wollten vor sechs Jahren in den Urlaub fahren. Doch auf dem Weg dahin hatten wir einen Autounfall. Meine Eltern waren sofort tot. Ich bin Wochen später im Krankenhaus aufgewacht und wusste rein gar nichts. Nicht einmal wer ich war. Ich musste neu laufen lernen und noch einige andere Dinge. Bis ich wieder so weit auf den Beinen war das ich wieder zur Schule gehen konnte verging ein ganzes Jahr. In diesem ganzen Jahr kam mein Gedächtnis nicht zurück, die Ärzte hatten mich im Glauben gelassen das ich ein Findelkind war. Doch ein halbes Jahr nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus kamen viele Erinnerungen zurück. Auf einmal wusste ich alles was ich ein-ein-halb Jahre verdrängt hatte. Es war ein großer Schock und ein Tiefes Loch in mir war entstanden. Ich hatte seelische Schmerzen, wollte nicht mehr Leben, also habe ich das versucht was du auch versucht hast. Nur habe ich es nicht gepackt. So weit wie du bin ich gar nicht gekommen. Allerdings bin ich froh, dass es so weit nicht gekommen ist. Und damit ich ein neues Leben beginnen konnte, kam ich hier her.Das ist jetzt mein Leben. Noch in diesem Jahr schließe ich die Schule ab, direkt danach beginne ich ein Medizinstudium, dann werde ich in meine eigene Wohnung ziehen.“Ich hörte ihm zu bis er das letzte Wort ausgesprochen hatte. Sein Leben war genauso scheiße wie meines gewesen. Bis er hier her kam um einen Neuanfang zu machen, genau wie ich es jetzt tun wollte.Er stand auf und ging ohne ein Wort zu sagen aus dem Zimmer.Ich fing an meine Sachen einzuräumen und einen Teil meiner Bilder auf zu hängen, ab da begann meine Eingewöhnungszeit. Ich verstand mich prächtig mit Leo und Jer. Mit Jonas machte ich fast jeden Tag seine Hausaufgaben. Mein Abitur Zulassung hatte ich nicht verloren, da meine Fehlzeit nicht lang genug war um mich auszuschließen, da sie auch sonst keine Handhabung hatten es mir zu verbieten, durfte ich die Prüfung mitschreiben. Da ich doch einige Wochen verpasst hatte, musste ich sehr viel Nachholen, aber ich will mein Abitur schaffen. Sonst würde ich das Jahr wiederholen müssen und das möchte ich nicht. Nun lernte jetzt täglich für die vielen Prüfungen.
Doch drei Wochen Später war es so weit. Tony machte das, wofür er sich schon lange entschuldigt hatte, wahr. Er hatte mir in den drei Wochen einen neuen Psychologen für mich besorgt.Dies Teilte er mir an einem Mittwoch mit. Es war unsere letzte Sitzung. Ich hoffte dass die Trennung nicht für immer war.
Kapitel 9Ein neues schwarzes LochLouisaAhnungslos ging ich wie jeden Mittwoch zu Tony in die Praxis. Er empfängt mich wie immer, seit unserem Kuss. Er ging jeder möglichen Berührung aus dem Weg. Er schüttelte mir nicht mal mehr die Hand. Er war in jeder Sitzung abwesend und verschwieg unseren Kuss. Dabei würde ich gerne wissen was er dachte; wie es für ihn war; ob er meine Gefühle jetzt wirklich teilte; ob er mich liebte. „Hi, wie geht’s?“Das war immer seine erste Frage, komischerweise nutzte er auch meinen Namen nur noch wenn es nötig war. Wenn er ihn mal nutzte, dann war es mein voller Name.„Gut“, antworte ich immer.„Ich muss dir etwas gestehen.“Jetzt war ich überrascht und schöpfte etwas Hoffnung.„Ich habe einen neuen Psychologen für dich gesucht, ich werde dich abgeben. Tut mir Leid, aber ich kann das nicht mehr. Ich will, aber kann nicht.“Sofort kamen mir die Tränen, ich unterdrückte sie. Ich wollte nicht, dass er sah wie ich wegen ihm weinte. „Warum?“, war alles, was ich heraus brachte.„Ich schaffe das nicht. Versteh mich doch.“Jetzt stand er auf, aus irgendeinem Gefühl stand ich auch auf. Er kam zu mir und nahm meine Hand drückte sie und ließ sie wieder fallen. Er nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und küsste mich kurz auf den Mund, dann ging er zur Tür.„Versteh doch, es geht einfach nicht.“ Dann öffnete er die Tür und ging. Ich hatte keine Chance irgendetwas zu sagen. Stattdessen ließ er mich hier stehen. Dann rannte ich auch aus dem Zimmer, raus auf die Straße nach Hause. Ich konnte oder besser wollte es einfach nicht verstehen, dass er nicht mit mir zusammen sein wollte. Das er seine Zulassung verlieren konnte deswegen, kam mir zwar in den Sinn, aber ich wollte es dennoch nicht verstehen.Dort angekommen schloss ich die Tür auf und stampfte nach oben in mein Zimmer.Nach einigen Minuten kam Leo herein. Ich wollte das er wieder ging, denn in letzter Zeit nervte er immer mehr. Ich mochte ihn und er mich. Das Problem daran war, dass er mehr wollte, aber ich wollte ihn nicht wirklich.Doch ich hatte mich getäuscht, es war nicht Leo der ins Zimmer kam sondern Jer. Er setzte sich auf mein Bett und nahm mich in den Arm. Ich lehnte mich an ihn. „Es tut mir leid, aber du musst ihn auch verstehen.“Jetzt nahm ich meinen Kopf wieder zurück und war verwirrt. Er hatte ihm alles erzählt. Nein, das konnte nicht sein. Oh nein, er wusste alles. „Er hat es dir erzählt?“„Ja,“ sagte er knapp. Ich stand auf und ging aus meinem Zimmer die Treppe runter, dort nahm ich meine Jacke und ging aus dem Haus. Ich lief einige Stunden einfach nur durch die Gegend. Schließlich kam ich an einer Polizeistation vorbei. Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen. Melanie und die anderen. Ich musste es eh irgendwann tun. Ich musste mich meiner Verantwortung stellen. Auch mit meinem Vater musste ich sprechen. Ich hatte in den letzten fünf Wochen in dem ich in meinem neuen Zuhause lebte mehrmals versucht ihn zu erreichen. Aber er drückte meine Anrufe weg oder sein Handy war aus. Zuhause erreichte ich auch niemanden.Ich war meinem Vater egal. Er hasste mich und ließ mich alleine, wie es immer alle machten. Na ja, nicht alle, Lu besuchte mich regelmäßig und wir unternahmen oft etwas zusammen. Ich war froh sie zu haben. Sie war eine richtige Freundin, denn sie ging mit mir durch dick und dünn. Im Gegensatz zu Jess, sie ließ mich auch alleine, wie alle anderen, und sie war keine richtige Freundin, sonst hätte sie mit mir damals unsere tollen Freunde verlassen. Aber das zählte nicht mehr für mich. Ich musste mich endlich meiner Schuld eingestehen und mich selbst anzeigen. Mit gemischten Gefühlen betrat ich die Polizeistation.„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“, fragte mich ein netter Polizeibeamter.„Guten Tag, ich möchte mich selbst anzeigen.“„Oh, okay, dann kommen Sie mal mit mir.“, sagte er verstutzt. Er war sehr irritiert darüber, dass eine 18 Jährige sich selbst anzeigen will. Er führte mich in einen Raum in dem ein Tisch und zwei Stühle standen. Auf dem Tisch stand ein Aufnahmegerät.„So, dann erzählen Sie mal weswegen Sie sich selbst anzeigen möchten.“„Das wird etwas dauern, aber ich versuche mich kurz zu fassen.“„Schon gut, ich habe Zeit. Meine Schicht hat gerade erst begonnen.“„Okay … Vor gut drei Jahren fing alles an. Einige Jungs wechselten auf unsere Schule und kamen im meine Klasse. Meine beste Freundin und ich freundeten uns mit ihnen an. Aber die Jungs waren nicht ohne, sie haben jüngere Kids beleidigt, abgezogen und Geschlagen. Irgendwann waren wir zwei dann Mitglieder in dieser Clique. Wir haben mitgemacht. Das habe ich gut eineinhalb Jahre gemacht. Irgendwann wurde mir dann klar, was für einen Mist ich da eigentlich machte. Doch für ein Opfer war es da schon zu spät, sie ist gesprungen. Sie hat überlebt, sitzt seitdem aber im Rollstuhl. Wir haben uns schön vor der Verantwortung verdrückt. Danach bin ich ausgestiegen. Und ab da war ich das Opfer. Sie haben mich fertig gemacht, ohne Grund, einfach so. Da hab ich dann mal erfahren wie das so ist und irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Mein Vater hat mich auf ein Internat gesteckt, aber auch da haben sie mich nicht in Ruhe gelassen. Irgendwann war ich so am Ende, dass ich keinen Ausweg mehr gesehen habe, wenn sie wissen was ich meine. Jedenfalls habe ich danach eine Therapie angefangen und nun gehe ich wieder zur Schule. Sie haben mich zwar jetzt in Ruhe gelassen aber ich kann das alles nicht vergessen. Wegen mir sitzt ein Mädchen in meinem Alter im Rollstuhl und hat sich ihr Leben versaut. Ich habe ihr einen Brief geschrieben, weiß aber nicht ob sie ihn bekommen hat. Ich würde gerne mit ihr reden und mich persönlich entschuldigen...So jetzt bin ich fertig.“
„Wow, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Okay, wir gehen so vor - Sie füllen diesen Bogen aus und ich werde mit dem Mädchen, beziehungsweise der Familie des Mädchens Kontakt aufnehmen. Wenn Sie fertig sind, können Sie gehen. Ich geh mal davon aus, dass keine Fluchtgefahr besteht. Soll ich Ihren Vater anrufen?“„Können Sie gerne versuchen, aber ich habe seit über einem halben Jahr nichts mehr von ihm gehört. Er hasst mich, er gibt mir die Schuld an dem Tod meiner Mutter.“„Oh, und wo wohnen Sie?“„In einer psychologischen Einrichtung, einer betreuten WG.“„Okay, dann legen Sie mal los mit dem Ausfüllen. Ich werde Ihnen dann einen Brief schicken oder anrufen.“
***
Zuhause angekommen ging ich ohne auf Jer zu achten sofort auf mein Zimmer. Ich wollte ihn nicht sehen und auch nicht mit ihm reden. Nach einigen Stunden ging ich rüber zu Leo um mit ihm zu reden. Ich erzählte ihm alles und er hörte mir zu und tröstete mich. Wir saßen auf seinem Bett und Leo hatte seinen Arm um mich gelegt. Als ich mit dem Weinen aufgehört hatte blickte ich auf direkt in sein Gesicht und da passierte es dann. Er kam mir näher und sah mir genau in die Augen, dann legte er seine Lippen auf meine. Im ersten Moment erwiderte ich seinen Kuss, es gefiel mir, dass sich wieder jemand für mich interessierte, doch dann besann ich mich, stand auf und sagte: „Tut mir leid, aber das geht mir zu schnell.“Ich ging in mein Zimmer und schloss mich ein. Hatte ich ihn wirklich aus Liebe geküsst? Ich glaubte - oder eher, hoffte nicht. Ich glaube, es war um ihn nicht zu enttäuschen. Ich liebte immer noch Tony, auch wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Aber er hatte mir deutlich gezeigt, dass er mich liebte. Er hatte mich noch mal geküsst und dann verlassen. Ich fing wider an zu weinen und legte mich ins Bett. Ich weinte mich in den Schlaf.
***
Eine Woche später hatte ich meine erste Therapie Stunde bei dem neuen. Ich kam wie immer in die Klinik und sah Tony. Er sah mich nicht einmal an. Ich sah ihm noch einmal kurz nach, bevor ich weiter ging zu dem Zimmer das direkt neben seinem lag und klopfte an.„Herein“, hörte ich eine weibliche Stimme sagen. Ich betrat das Zimmer und setzte mich gleich auf eine der drei Stühle.„Ich bin Dr. Paulsen. Und du bist Marie-Louisa.“„Ja.“Die ganze Stunde über fragte mich diese Paulsen aus, doch sie bekam nichts aus mir heraus. Ich hatte einfach keine Lust mit ihr zu reden. Ich rede über meine Probleme nur mit einem - und zwar Tony.Als ich wieder nach Hause ging wartete Jer schon auf mich um mit mir zu reden. Er hielt einen Brief von der Polizei in der Hand. „Was ist das?“, fragte er.„Ein Brief, der dich nichts angeht. Lass mich einfach in Ruhe.“ Ich riss ihm den Brief aus der Hand, rannte in mein Zimmer hoch und schloss mich ein, dann setzte ich mich auf mein Bett und machte den Brief auf. Ich war sehr froh das der Polizeibeamte nicht angerufen hatte. Was mischte sich Jer auch überall ein? Es ging ihn nichts an. Es war meine Sache und mein Leben. Ich holte den Brief aus dem Umschlag und begann ihn zu lesen. „[…]Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir die Familie kontaktieren konnten und Melanie bereit ist mit Ihnen zu reden. […]“Als ich dies lass freute ich mich kurzzeitig, vielleicht verzeih sie mir. Ich hoffte so, dass sie mir verzeihen konnte, denn nur so würde die Last von mir abfallen. Ich las weiter, denn irgendwo musste ja auch stehen was für Konsequenzen auf mich warteten.
„[...] Leider muss ich Ihnen sagen, dass dies auch strafrechtliche Konsequenzen für Sie bedeutet. Das heißt, ein Ermittlungsverfahren wird eingeleitet und dem ganzen wird nachgegangen. Sie sollten sich mit einem Anwalt beraten. In den nächsten Tagen werden Sie Post von der Staatsanwaltschaft bekommen, dies wird eine Vorladung für ein Verhör sein. […]“
Ich hatte ja damit gerechnet, aber als ich dies las bekam ich es trotzdem mit der Angst zu tun. Angst - vor allem, was noch kommen würde. Ich musste mich meinem Vater stellen, schließlich brauchte ich einen Anwalt. Und mit Melanie wollte ich auch reden, dazu kam wahrscheinlich ein Prozess. Mit Tony musste ich auch noch einmal reden, aber am meisten Angst hatte ich vor dem Gespräch mit Jess. Ich wusste nicht mal ob ich wirklich mit ihr reden wollte. Ich musste mich so vielem stellen. Ich hatte so viel Mist gebaut und jetzt musste ich da irgendwie wieder raus, damit ich einen Neuanfang starten konnte, ohne ein schlechtes Gewissen.
Sofort ging ich die Treppe runter, direkt an Jer vorbei, der nur darauf wartete mit mir zu reden. Ich ging aber an ihm vorbei zum Telefon und versuche meinen Vater zu erreichen. Ich ließ es eine Minute lang tuten, dann legte ich wieder auf. Ich würde es die Tage nochmal versuchen.Ich schlug den Weg zur Treppe ein, doch Jer hielt mich auf.„Hey, kannst du mir das alles Mal bitte erklären?“„Nein kann ich nicht, denn es geht dich nichts an. Und ich werde das alleine klären. Misch dich da nicht ein. Und jetzt lass mich in Ruhe.“Ich riss mich los, rannte die Treppe hoch und schloss mich in mein Zimmer ein.
Sichtwechsel Jared
„Tony, die Kleine macht mich Wahnsinnig.“„Was ist los ich habe keine Ahnung worum es geht. Erklär mir jetzt alles in Ruhe.“„Ich komme heute nach Hause und nehme die Post mit rein. Da war ein Brief für Balu dabei, vom Polizeirevier. Als ich sie danach fragte, drehte sie total durch und stellte auf stur. Seit du sie so enttäuscht hast ist sie wie ausgewechselt. Sie redet nicht mehr, isst kaum noch. Ich weiß echt nicht, was ich da noch machen soll.“„Das tut mir echt Leid, aber ich kann nicht anders. Es ist einfach nicht möglich. Und hast du was über den Brief herausbekommen?“„Nein, nicht im geringsten. Sie redet ja nicht mehr mit mir.“„Ich liebe sie, aber wie soll das gehen?“„Wenn du sie wirklich lieben würdest, würdest du eine Lösung finden.“„Jer, lass das, dass kann ich jetzt echt nicht gebrauchen. Wie sieht es mit ihrem Vater aus?“„Nichts, er meldet sich nicht, reagiert auf nichts. Ich werde es weiterhin versuchen, aber die Hoffnung habe ich schon längst aufgegeben. Ich kann nur hoffen, dass sie das übersteht und es verkraftet. Wenn mein Vater mich damals für den Tod meiner Mutter verantwortlich gemacht hätte, wäre ich daran kaputt gegangen. “„Du Jer, wir müssen wann anders weiter reden, es kommt gerade ein Notfall rein. Tschüss“, und er legte auf.
***
SichtwechselLouisa
Einige Wochen Später kam alles noch schlimmer als ich dachte. Jer machte mich wahnsinnig indem er mich immer wieder ausfragen wollte. Tony ignorierte meine Anrufe, genau wie mein Dad. Meine neue Psychologin ging mit so auf die Nerven, dass ich die Therapie kurzer Hand abbrach. Es lief einfach alles schief. Dabei konnte ich das nicht im Geringsten gebrauchen. Doch es kam sogar noch schlimmer. Als ich am Donnerstag in meinem Zimmer saß und meine Hausaufgaben erledigte, kam Leo herein und setze sich zu mir. Er nahm mich in den Arm und versuchte mich zu Küssen. Das war mir einfach zu viel, ich stieß ihn weg und warf ihn an dem Kopf, dass er das lassen solle und ich das so nicht wolle.
„Was ist los, ich dachte du liebst mich?“„Nein, tue ich nicht. Es tut mir leid, aber ich kann nicht. Ich wollte dich nicht verletzen, deswegen habe ich nichts gesagt, weil ich dich wirklich sehr mag, aber halt nicht so. Verstehst du das?“„Nein, ich verstehe das nicht und weißt du was, du kannst mich mal, und ich dachte dir liegt was an mir.“Dann ging er wütend aus meinem Zimmer und schlug seine Zimmertür zu. Seit dem Tag ging er mir aus dem Weg und ignorierte mich völlig. Er verstand einfach nicht, dass mein Herz schon vergeben war und so grausam es klingen mochte, ich hatte ihn ausgenutzt, als „Trost Pflaster“, weil ich den, den ich haben wollte nicht kriegen konnte. Das war gemein von mir und ich verstand ihn auch, ich hatte ihm sehr verletzt, was mir auch leid tat.Dabei dachte ich einmal, dass mein Leben wieder einen Sinn hatte und ich endlich meinen Platz gefunden hatte. Ich dachte, ich habe jemanden gefunden der mich liebte; der mir bei meinen Problemen half, aber dem war nicht so. Alle ließen mich wieder alleine. Ein Déjà-vu, eines was ich nicht gebrauchen konnte. Einen Moment dachte ich daran mein Leben nochmals zu beenden, es noch einmal zu versuchen, doch sehr schnell konnte ich den Gedanken wieder von mir schieben.
Es kam ein weiterer Brief von der Polizei, in dem ein Termin festgelegt wurde, an dem ich mich mit Melanie treffen sollte. Dieser Termin war in drei Wochen. Auch von der Staatsanwaltschaft kam schon ein Brief, aber erst mal wurde ich nur zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Dieses Gespräch würde auch in circa drei Wochen stattfinden.Das ganze würde wohl vor Gericht gehen, denn es war doch eine größere Sache gewesen, mit einigen Anzeigen, nicht direkt gegen mich, aber gegen die Clique. Ich war gespannt, was da auf mich zukam, aber genau davor hatte ich Angst ... große Angst.
Jer versuchte immer noch mit mir zu reden, was mich ziemlich nervte. Er wollte dass ich wieder eine Therapie anfing, doch das würde ich ganz bestimmt nicht machen. Ich wollte davon nichts mehr hören. In der Schule lief es trotzdem prima. Ich stürzte mich eigentlich den ganzen Tag in meine Schulaufgaben und lernte. Essen ließ ich meistens aus, zum Leidwesen von Jer. Ich merkte wie er unter meinem Verhalten litt, aber das war mir egal. Auf meine Gefühle achtete ja auch niemand. An diesem Abend beschloss ich, dass ich noch einmal zu Tony gehen würde. Ich hatte mir davon nicht viel erwartet. Eigentlich wollte ich ihn nur noch mal sehen. Auf dem Weg zu der Klinik überlegte ich, was ich ihm sagen sollte; warum ich gekommen war, doch mir fiel nichts ein.
„Guten Tag was kann ich für Sie tun? Haben sie einen Termin?“, fragte mich die Frau an der Anmeldung. Sie musste neu sein, denn ich hatte sie noch nie hier gesehen und ich war oft hier.„Nein, ich habe keinen Termin, aber ich muss dringend mit Dr. McHard sprechen.“„So ohne weiteres geht das nicht, sie müssen vorher einen Termin ausmachen.“„Ich bin bei ihm in Behandlung. Marie-Louisa van Brendropp. Ist er nun da?“„Warten sie kurz ich sehe mal im Computer nach.“Sie durchforstete den Computer. Ich wusste, dass sie was finden würde, doch ich war ja nicht mehr in Behandlung. Ich konnte nur hoffen, dass sie dies nicht bemerkte.„Ja er ist da, er ist in der Mittagspause in seinem Büro.“Ich sagte nur knapp ,Danke’ und ging dann schon die Treppe herauf zu Tonys Büro. Den Weg kannte ich inzwischen in- und auswendig. Ich klopfte, wartete das herein ab und öffnete dann die Tür.„Du…,“ sagte Tony„Ja ich,“ entgegnete ich genervt. „Was willst du?“„Mhm … lass mich Überlegen, WARUM?“ Eigentlich wollte ich gar nicht so wütend klingen, und schon gar nicht es heraus schreien, dennoch tat ich es. „Nicht so laut“, mahnte er.„Ist das alles?“„Was soll ich sonst sagen? Es tut mir leid, aber es geht nicht. Ich kann nicht.“Das reichte mir, ich drehte mich um und riss die Tür auf, ging heraus und drehte mich noch einmal um. „Vielen Dank!“ „Balu …“, dabei legte er seine Hand auf den Türrahmen um mich vom gehen abzuhalten.Doch ich reagierte nicht und schlug die Tür zu, hörte nur noch wie Tony aufschrie. Aber mir war es egal. Ich rannte einfach nur aus der Klinik heraus, irgendwohin. Mir kamen die Tränen. Nun hatte ich die Bestätigung dass er nicht wollte. Ich fühlte nur weitere Ablehnung. Dann klingelte mein Handy, ich kramte es aus meiner Hosentasche und ging ran. „Hey Balu, hast du Lust übermorgen mit zum Training zu kommen?“, fragte Lu's freundliche Stimme„Hey, mhm … ich weiß nicht, eigentlich habe ich keine große Lust.“ Ich versuchte so normal wie möglich zu klingen, und anscheinend gelang es mir auch.„Och, komm schon bitte.“„Na gut, ich komme mit. Um 15 Uhr an der Brücke?“„Ja, okay. Du, ich muss schon wieder auflegen, Dad will dass ich ihm im Garten helfe. Tschüssi.“„Okay, Bye.“Dann legten wir auf. Langsam ging ich nach Hause, währenddessen überlegte ich, ob ich mir was zu essen kaufen sollte, doch ich ließ es. Nicht weil ich keinen Hunger hatte, sondern weil ich keinen Appetit mehr hatte, die Lust auf was zu essen war mir vergangen.Zuhause angekommen ging ich sofort auf mein Zimmer und heulte mich in den Schlaf.
***
Gegen acht rief Jer uns alle zum Essen, doch ich ging nicht herunter. Stattdessen überlegte ich wie ich hier weg kommen könnte, denn ich wollte nur noch zur Lu und mit ihr reden, ihr alles erzählen. Ich hoffte, dass sie mich verstehen konnte und noch als einzige zu mir hielt. Dann fiel mein Blick auf das Fenster. Ich war zwar im zweiten Stock doch sehr hoch war es nicht. Zudem stand unten, direkt unter meinem Fenster, ein massiver Stahltisch. Der würde mich sicher aushalten. Unter mir war das Bad, was hieß das ich ohne Probleme aus dem Fenster entkommen könnte, ohne das jemand was merkte. Es sei denn, es wäre gerade jemand im Bad, doch selbst wenn, ich klaubte kaum, dass jemand was durch die dicken Vorhänge mitbekommen würde. Ich packte einige Sachen zusammen, ging zum Fenster, öffnete es und kletterte heraus. Ich ließ mich auf den Tisch fallen, was einen lauten Knall gab. Ich hoffte, dass jetzt keiner kommen würde und nachguckte. Schnell rappelte ich mich auf und lief los. Es würde eine Weile dauern bis ich bei Lu ankommen würde. Vorsichtshalber rief ich sie an, um sie vorzuwarnen.
Sichtwechsel Jered
Jetzt kam Balu schon wieder nicht zum essen. Das konnte nicht mehr lange so weitergehen. Ihr ging es immer schlechter. Vorhin als sie nach Hause kam war sie wieder so bleich und es sah so aus, als wäre sie den Tränen nahe. Was Liebe doch alles anrichten konnte, wie leicht sie alles kaputt machen konnte. Dabei liebte er sie doch auch. Ich verstand nicht, warum er das machte. Ich wurde aus beiden nicht mehr schlau. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich machen sollte. Weitergehen konnte es so jedenfalls nicht. Ich glaubte ich würde nochmal mit ihr reden, es wenigstens versuchen. Ich rappelte mich von dem Sofa auf und ging die Treppen hoch zu ihrem Zimmer, klopfe und warte … keine Reaktion. Ich klopfe nochmal, aber auch dieses Mal kam keine Reaktion. Ich versuchte die Tür aufzumachen, doch sie war verschlossen. „Balu, komm schon, mach die Tür auf.“Wieder keine Reaktion. So langsam bekam ich Angst um sie. Ich ging schnell herunter in die Küche und holte den Zweitschlüssel ihres Zimmers, rannte die Treppe wieder hoch und schloss dann die Tür auf. Schnell betrat ich das Zimmer und ...Nichts, sie war gar nicht im Zimmer. Das Fenster stand sperangelweit offen. Ich rannte zum Fenster und sah hinaus, doch sie war schon weg, wahrscheinlich schon länger.
Ich kramte das Handy aus meiner Hosentasche, total aufgeregt ließ ich es prompt fallen. Mit feuchten Finger wählte ich Tonys Nummer, es tutete …,Tony, jetzt lass dir nicht so viel Zeit ran zu gehen, ich weiß nicht was sie vorhat, vielleicht ist es schon zu Spät. Nein Jer daran darfst du nicht mal im Geringsten denken', dachte ich mir. „Ja?“, sagte Tony genervt.„Sie ist weg, abgehauen,“ schrie ich. „Was? Verdammt! Wo könnte sie hin sein? Hoffentlich tut sie sich nichts an, das ist alles meine Schuld.“ Tony klang total erschrocken und ich konnte seine Angst um sie in seinem Tonfall hören.„Weiß ich doch nicht, du kennst sie doch am besten. Wird sie schon nicht. Tony, das ist nicht deine Schuld. Das ist einfach eine schieß Situation. Wir sollten uns jetzt beruhigen und uns überlegen wo sie hin gegangen sein könnte.“Wir waren beide aufgeregt und machten uns große Sorgen. Ihr ging es in den letzten Wochen sehr schlecht und sie hatte es schon einmal versucht. Wir mussten alles berücksichtigen.„Doch ist es, sie war heute Mittag bei mir und ich hab es ihr ins Gesicht gesagt. Das hätte ich nicht machen sollen. Ja ich überlege ja schon, bei Lu vielleicht, ihre Freundin, sonst eigentlich nirgends.“Aus Tonys Stimme konnte ich entnehmen, dass er sich große Vorwürfe machte. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich das wahrscheinlich auch tun. „Okay, ich komm zu dir und dann fahren wir zu ihrer Freundin. Ich beeile mich.“
Wenige Minuten später saß ich schon im Auto auf dem Weg zu Tony. Ein Glück, dass es von mir zu Tony nicht weit war. Mit dem Auto waren es gerade mal vier Minuten. Ich gabelte Tony auf. Er war total durcheinander. Ich hoffte, ihr war nichts passiert. Tony gab mir die Adresse und ich gab sie in mein Navi ein. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt sich zu verfahren. „Tony, sie ist bestimmt bei ihr. Mach dir nicht so viele Vorwürfe.“„Ich hoffe es, wenn ihr was passiert ist; wenn sie sich was angetan hat, dann weiß ich echt nicht mehr weiter. Man, ich kann ohne sie nicht mehr. Das ist mir heute Mittag, als ich nochmals über alles nachgedacht habe, klar geworden. Ich hab ihr so weh getan, das werde ich mir nie verzeihen. Verdammt. Ich liebe sie.“„Sag das ihr - nicht mir, Tony!“Den Rest der Fahrt reden wir nicht. Innerhalb von zehn Minuten waren wir dort.
Ich klingelte und die Tür ging fast sofort auf. „Ist Balu bei euch?“, höre ich Tony sofort fragen. „Nein, oder warten Sie mal, ich hole Lu“, sagte der Bruder von Lu im gelassenen Ton.„Ja beeil dich.“„Wollen Sie nicht herein kommen? Was ist denn passiert?,“ fragte der Vater von ihr. Er war inzwischen dazu gekommen.„Nein wenn sie nicht hier ist, müssen wir sofort wieder los. Sie ist abgehauen und wir machen uns große Sorgen, denn in letzter Zeit ging es ihr nicht sehr gut“, war das, was ich als Erklärung abgab. „Nö, Balu ist noch nicht da, aber sie wollte kommen. Wussten Sie das nicht? Vor einer halben Stunde hat sie angerufen. Aber dann müsste sie ja schon da sein …“, meinte Lu, die nun unten war und auch ihr Ton wurde voller Sorgen erstickt. „Weißt du auf welchem Weg sie zu dir läuft?“„Ja, wir können den Weg schnell ablaufen, ihn zu erklären dauert zu lange.“Balu war zwar noch nicht lange verschwunden, aber jeder hatte den ernst der Lage schon registriert. Da es noch hell war kamen wir schnell voran. Ein großer Teil des Weges war im Wald oder im Feld. Den Straßenteil hatten wir schon abgeklappert … nichts.Tony und ich waren schon in dem Waldteil, die anderen sind noch auf dem Feldweg unterwegs. Doch weit kamen wir nicht, denn schon hinter der ersten Ecke lag jemand auf dem Boden. Als ich sie sah, war Tony schon bei ihr. „Los hol die anderen. Sie ist Bewusstlos“, schrie er.Ich rannte los…
***
SichtwechselTony
Meine ersten Handgriffe waren Mechanisch, genau wie ich es im Studium gelernt hatte. Puls fühlen, stabile Seitenlage und so weiter. Dann sah ich nach ob ich irgendetwas finden konnte warum sie das Bewusstsein verloren hatte. Ich konnte nichts finden, das einzige was mir auffiel war, dass sie dünner war. Was hatte Jer mir gesagt, letztens bei unserem Telefonat? Dass sie immer weniger aß. Vielleicht war sie ja einfach nur Unterzuckert. Das war eigentlich das naheliegende. Wo blieben die nur? Sie ließen sich ganz schön Zeit um hierher zu kommen.Im Sekundentakt kontrollierte ich den Puls. Er war ruhig und etwas schwach, aber immer noch gut zu fühlen.Schließlich kamen auch die Anderen.„Atmet sie noch?“,fragte Dr. Ried mich und kniete sich neben mich.„Ja, langsam.“Dr. Ried drehte sie mit dem Rücken auf den Boden und versuchte sie wach zu bekommen in dem er ihr links und rechts eine Scheuerte. „Haben Sie irgendwas gefunden, warum sie das Bewusstsein verloren hat?“„Nein, nichts. Jer sagte mir, dass sie immer weniger gegessen hat. Vielleicht ist sie deswegen zusammengebrochen“, spekulierte ich. „Tony, sie wird wach. Nimm ihren Kopf und leg ihn dir in den Schoß, so kannst du sie besser beruhigen. Sie wird versuchen aufzustehen, aber die ersten zwei bis drei Minuten sollte sie noch liegen bleiben, bis sich ihr Kreislauf normalisiert hat und wir wissen was los ist.“Ich nahm ihren Kopf in meinen Schoß und genoss es, sie so nah bei mir zu haben. Streichelte ihre Wange mit der einen Hand, mit der anderen Hand hielt ich sie fest, damit sie nicht aufstehen konnte, wenn sie wach würde.Und da schlugen ihre Augen auch schon auf. Sie fixierten mich und ich fixierte ihre Augen. „Liegenbleiben …“, ermahnte ich sie, als sie versuchte sich aufzurichten. „Was ist los, warum bist du zusammengebrochen?“„Ich weiß nicht, mir wurde auf einmal so schwindelig und dann war alles schwarz.“„Hört sich sehr nach einem Schwächeanfall an, der zustande gekommen ist weil du nichts gegessen hast?“, fragte Dr. Ried.Balu sagte nichts und sah einfach weg. Dr. Ried und ich sahen uns an, wir wussten dass wir mit der Vermutung richtig lagen. „So, du kannst dich nun versuchen aufzurichten. Aber mach langsam.“Ich half ihr auf die Beine und stützte sie als sie auf den Beinen stand. Dann nahm ich sie in den Arm, was mir sehr gut tat und ihr hoffentlich auch. „Ich muss nochmal mit dir reden.“Das war alles was ich zu ihr sagte, nun nahm ich sie auf die Arme und trug sie zum Auto zurück, als ich merkte dass sie doch noch nicht richtig laufen konnte und sehr wacklig auf den Beinen war.Als Dr. Ried und Lu sich sicher sein konnten, dass es ihr gut ging, gingen sie nach Hause. Jer setze mich und Balu bei mir zu Hause ab. Er ließ uns direkt alleine, er wusste das ich mit ihr alleine reden wollte.
Kapitel 10Die ChanceLouisa
Es war ein wunderbares Gefühl in seinen Armen zu liegen und das musste ich einfach ausnutzen. Ich hatte mich nur wieder fallen lassen damit er mich in die Arme nahm. Ich weiß, es war nicht die feine englische Art, aber es musste einfach sein; Strafe musste sein. So schwer war ich ja nicht. Bei diesem Gedanken musste ich lachen.
„Was ist?“, fragte Tony mich, kam zu dem Sofa, auf dem ich saß und setzte sich neben mich.„Nichts, darf man nicht einmal lachen?“„Doch, es ist schön dich wieder lachen zu sehen.“Dann kam er näher, unsere Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter von einander getrennt.Bevor ich etwas machen konnte, war der Abstand zwischen uns nicht mehr vorhanden und seine Lippen trafen meine. Sie waren feucht aber mulmig warm. Es war ein wunderbares Gefühl.Einen Moment lang überlegte ich ob ich ihn wegdrücken sollte, doch ich tat es nicht, denn es gefiel mir. Ich nahm meine Hände und legte sie um seinen Nacken, zog ihn näher an mich ran und erwiderte den Kuss in drängender, fordernder Form. Ihm schien es auch zu gefallen, denn er machte mit, ging sogar noch weiter, er fuhr mit seinen Händen meinen Rücken hinunter und fing an mich am Hals zu küssen.Nun kam er wieder zu meinem Mund zurück und nutzte die Gelegenheit um noch fordernder zu werden. Ich ließ mich nach vorne fallen, drängte ihn somit auf das Sofa, bis wir zum liegen kamen. Es war einfach wunderbar. All diese schlechten Zeiten waren nun vorbei, meine Zukunft fing an, es schien eine sehr gute Zukunft zu werden. Denn nun hatte ich die Bestätigung dass er mich liebte und mich wollte. Das war die beste Nachricht seit langem, vielleicht sogar die Beste in meinem ganzen Leben.Er fing an die ersten Knöpfe meiner Bluse zu öffnen. Ich probierte mich an dem Knopf seiner Hose, doch ich scheiterte. Daraufhin fing Tony an zu lachen.„Oh ha - du Lachst mich aus“, gab ich ironisch beleidigt zurück und rammte ihn meinen Ellenbogen leicht in die Hüfte.„Autsch, nicht so brutal Madame.“ Wieder lachte er. Ich musste dieses Mal mit ihm lachen, dabei zog er mir, die inzwischen aufgeknöpfte, Bluse aus. Ich wollte ihm den Triumph nicht gönnen und zerrte an seinem Shirt herum, so lange bis es zerriss.„Hey, du gehst ganz schön ran“, witzelte er.„Upps, sorry, das wollt ich nicht. Na ja … ohne ist es eh besser.“Ich konnte mir das breite, glückliche Grinsen nicht verkneifen.Ohne Shirt sah er wirklich viel besser aus, bis jetzt hatte ich ihn nur von hinten richtig betrachten können, aber von vorne sah er noch tausendmal besser aus. Er war muskulös, aber nicht zu stark. Sein Körper war angenehm warm und leicht bräunlich. Tony war einfach ein Traumtyp und ich hatte in bekommen - oder er mich, je nachdem wie man es betrachtete.„Das hört man doch gerne“, auch er grinste bis über beide Ohren. Und dann sagte er die für mich wohl wichtigsten Worte in meinem Leben: „Ich liebe dich und es tut mir sehr leid, dass ich das nicht früher eingesehen habe.“„Ich liebe dich auch … wenigstens hast du es eingesehen-“Weiter kam ich nicht, denn er ließ mich gar nicht ausreden, sondern presste stattdessen seine schönen geschwungenen Lippen auf meine. Er forderte den einlass seiner Zunge, welchen ich ihn gewährte. Ein leises Stöhnen entwich meinen Lippen und stachelte ihn nur noch mehr an mit meiner Zunge zu spielen.Es hätte eine wunderbare Nacht werden können, doch es klingelte an der Haustür. Ich gab einen genervten Laut von mir, nahm meine Bluse und ging ins Bad.„So ein Mist, wer will denn um diese Uhrzeit etwas von mir?“, fluchte Tony.„Ich hab keine Ahnung, aber vergiss nicht mich daran zu erinnern, dass ich denjenigen umbringe! Man kann nicht einmal seine Ruhe haben. Ach was rege ich mich eigentlich darüber auf, hat eh keinen Sinn.“Ich war ziemlich genervt. Tony gestand mir endlich seine Liebe und dann klingelte es.„Hey, warte mal, komm her“, sagte er. Ich ging noch einmal zu ihm. Er nahm mich in den Arm und küsste mich. Seine Hände legten sich auf meinen Rücken – genauer, auf meinen BH-Verschluss. Er öffnete ihn. Das hätte ich mir eigentlich denken können.„Depp!“
***
Als ich nach kurzer Zeit wieder aus dem Bad kam, nachdem ich mich wieder angezogen hatte, ging ich ins Wohnzimmer. Dort sah ich wer gekommen war. Meine neue Therapeutin, bei der ich eigentlich die Therapie abgebrochen hatte.Als ich sie sah, verdrehte ich meine Augen und schnitt eine Grimasse, die aussagte: „Och nee, nicht die blöde Kuh.“ Tony sah es und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Sie drehte sich daraufhin um. „Was wollen Sie hier?“, fragte ich mit entsetzter Stimme.„Sehen, wie es dir geht,“ antwortete Dr. Paulsen.„Und was geht Sie das an?“„Na ja, immer hin war ich deine …“Ich ließ sie gar nicht ausreden und ließ Dampf ab, weil ich so sauer war das diese Kuh meinen Abend versaut hatte und hier einfach herein geplatzt war.„Das geht Sie einfach nichts an, ich habe die Therapie abgebrochen und ich kenne Sie nicht ein mal wirklich - Sie mich auch nicht. Und so weit wird es auch nie kommen. Oh, merken Sie nicht, wie Sie nerven und stören?“„Wie bitte?“Tony saß staunend auf dem Sofa. Seinem Gesicht nach, hätte er sich am liebsten krümelig gelacht. Das hatte er wahrscheinlich nicht von mir gedacht, aber das musste eben raus. Diese Frau hatte mich so viele Nerven gekostet und dann platzte die auch noch hier rein.„Sie haben genau richtig gehört! Sie Nerven mich. Ist das so schwer zu verstehen? Ich habe höflich versucht, es Ihnen klar machen, aber Sie haben das ja nicht hören wollen. Und jetzt reicht es mir! Woher wissen Sie eigentlich das ich hier bin?“„Das tut jetzt nicht zur Sache. Ich muss mir das nicht bieten lassen, mich so zu beleidigen. Das gehört sich nicht.“„Was sich nicht gehört, entscheide ich. Und jetzt bitte ich Sie höflich, zu gehen. Wo die Tür ist, wissen Sie ja!“Ich zeigte wütend mit meiner Hand in Richtung Tür. Sie war so rasend, dass sie zur Tür ging und ohne sich noch einmal umzudrehen ging. Dabei schlug sie die Tür heftig zu.„Ah, das tat gut“, sagte ich strahlend und setzte mich zu Tony auf das Sofa.„Wow, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Zumindest nicht von dir“, sagte Tony und machte dabei ein beeindruckend aussehendes Gesicht.„Tja, du kennst mich wohl doch noch nicht so gut.“„Das wird sich ja jetzt ändern.“ Dies sagte er mit einem strahlen im Gesicht.„Denke schon. Aber eine kleine Vorwarnung - ich bin nicht das liebe brave Mädchen, das nicht mehr weiter wusste. Laut meinen Lehrern bin ich ein großes, lautes Nervenbündel, das in jeder noch so blöden Situation lacht.“„Na, da hab ich mir ja ein kleines Teufelchen angelacht. Hast du Hunger?“„Oh ja“, mehr brachte ich nicht heraus, denn ich lag schon vor lachen auf dem Boden.„Na los, dann mach dich fertig. Ich habe jetzt keine Lust mehr was zu Kochen.“„Okay, und wo geht die Reise hin?“„Lass dich überraschen.“Dann stand er auf und ging in sein Schlafzimmer, das bald unseres sein würde.Na Super, was sollte ich jetzt anziehen? Ich hatte ja keine Sachen dabei. Ich ging ins Bad und versuchte das Beste aus dem was ich hatte, herauszuholen.
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Wir waren nun auf dem Weg zu irgendeinem Restaurant. Ich hatte keine Ahnung wohin, beziehungsweise welches Restaurant. Ich war total gespannt, bis ich sah wohin die Reise ging. Pizza Hut. Typisch Mann.
Als wir wieder nach Hause fahren wollten, kam Tony auf eine Idee: „Was hältst du davon, noch ein bisschen spazieren zu gehen?“„Ja, gerne“, antwortete ich wahrheitsgemäß. An einem Waldeingang hielt er an und wir stiegen aus. Zusammen, Hand in Hand, gingen wir in den Wald.„Und wie geht es dir gerade?“ fragte Tony mich.Ich hielt an, stellte mich ihm gegenüber und stellte mich auf die Zehenspitzen, um mit ihm auf gleicher Höhe zu sein. Dann reckte ich meinen Kopf und küsste ihn, nahm ihn kurz in den Arm. Danach legte ich ihm meinen Arm um den Rücken, lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter und sagte: „SUPER!“„Hat dein Vater sich eigentlich mal gemeldet?“„Nein, aber ich habe versucht mich bei ihm zu melden. Ich bräuchte mal seine Hilfe, aber es scheint ihm egal zu sein.“„Lass dich davon bitte nicht runterziehen, ich weiß es ist leichter gesagt als getan, weil es verdammt weh tut wenn Eltern so zu einem sind. Aber süße das ist er nicht wert, das es dir wegen ihm so schlecht geht.“ „Mhh, du ich möchte da jetzt nicht drüber reden.“„Okay, eine Frage noch - was ist mit deinen Großeltern? Ich meine, irgendjemand muss doch Interesse haben …?“„Seit dem Tot meiner Mutter habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen. Früher war ich jedes Wochenende auf ihrem Anwesen. Die Villa die man von deinem Bürofenster aus sehen kann. Sie sind auch der Meinung dass ich Schuld bin. Mein Vater hat es ihnen eingeredet.“„Warum das denn? Ich meine, warum glauben Sie denn, das du daran Schuld hast? So ganz verstehen tu ich das nicht. Es muss doch noch jemanden in deiner Familie geben der dich unterstützt, oder etwa nicht?“„Was er ihnen genau erzählt hat weiß ich nicht. Und warum sie es ihm glauben weiß ich leider auch nicht, ich würde es ihnen gerne aus meiner Sicht erzählen, denn was mein Vater sagt ist nicht alles wahr. Eigentlich sollte er mich abholen, aber weil er es vergessen hatte musste ich Mom anrufen, damit sie kommt. Wenn ich ehrlich bin gibt es außer eine Tante in Australien, niemanden mehr.“Mir kamen die Tränen in die Augen. Er blieb stehen und nahm mich in den Arm.„Hey, komm her. Du hast mich, irgendwie bekommen wir das hin.“Einige Minuten standen wir so da. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und ließ meinen Tränen freien lauf.Schon bald waren diese verschwunden. Seine Hand berührte meine und suchte sich den Weg zu meinen Fingern, um unsere Hände zu verkreuzen.Ich sah auf, ihm ins Gesicht. Er sah auch mich an. Das war einer der magischsten, wundervollsten und glücklichsten Momente meines Lebens. Vor mir stand die Liebe meines Lebens und bot mir seine Hilfe an, aus dem ganzen Mist wieder heraus zu kommen. Er sah mich an, ich konnte seine Liebe und Freude in seinen Augen sehen ... aber auch Sorge. Sorge, um mich. Ich würde ihn nie wieder loslassen, jetzt wo ich ihn gefunden hatte. Egal was noch passieren würde. Und ich beschloss ihm das zu sagen, denn ich war der Meinung, dass es ihm einen Teil seiner Sorge nehmen konnte.„Ich werde nie wieder einen so dummen Fehler machen und versuchen alles fallen zu lassen; weg zu laufen. Es hat eh keinen Sinn. Ich werde dich nie wieder loslassen.“„Das freut mich zu hören. Ich liebe dich Marie-Louisa.“Dann fühlte ich einen kurzen, aber liebevollen Kuss auf meinen Lippen. Währenddessen fuhr seine Hand zu meinem Rücken und er ging weiter. Am nächsten Morgen wachte ich in Tonys Armen auf. Das erste Mal seit langem, fühlte ich mich wieder so richtig wohl.Es war Freitag, das Beste an diesem Freitag war, dass es der letzte vor den Frühjarsferien war. Vier Wochen gingen sie. Eigentlich waren es nur drei Wochen, aber da ich zu den Abiturienten gehörte, hatten wir vier Wochen. Danach ging es allerdings mit den Prüfungen los. Die Prüfungen gingen sechs Wochen lang, danach war alles vorbei und ich würde mein Abi bekommen. Was ich danach machen würde, wusste ich noch nicht.Ich stand auf und ging in die Küche, machte das Frühstück. Ich war gespannt darauf was noch alles auf mich zukommen würde, aber ich freute mich auf die Zukunft.Doch bevor ich alles was geschehen war hinter mir lassen konnte, musste ich noch einiges gerade rücken. Die Sache mit Jess und die mit Melanie. Ich wollte noch einmal mit meinem Vater reden.Ja und dann kam noch die Sache, mit der Anzeige auf mich zu.
„Morgen“, hörte ich Tony sagen, dabei legte er seine Arme um meinen Bauch und küsste mich im Nacken.„Morgen“, gab ich zurück.„Was hältst du davon wenn wir heute deine Sachen packen und du zu mir ziehst? Ich dachte dass du dich vielleicht wohler fühlst, wenn du nicht von so vielen Leuten umgeben bist. Es gab dort ja in letzter Zeit etwas Stress. Okay, ich bin daran nicht gerade unschuldig. Ich meine, wir können auch noch warten, das geht momentan doch alles ziemlich schnell. Zu schnell?“, fragte er.„Gerne, hätte nicht gedacht dass du das jetzt schon fragst. Oh ja, daran warst du Schuld, zum Großteil, aber nein – es geht nicht zu schnell“, sagte ich, drehte mich aus seiner Umarmung, sah ihn spielerisch an und ging ins Bad. Dort wusch ich mir schnell die Haare.
Als ich wieder in die Küche kam, hatte Tony schon gegessen.„Ich hab es mir anders überlegt“, erklärte ich Tony. Er sah geschockt aus.„Du warst komplett daran Schuld.“„Ach das meinst du. Puh, da bin ich jetzt erleichtert, ich dachte du willst nicht mehr.“„Quatsch.“ Ich grinste ihn an.Er kam zu mir und knuffte mich in die Seite. Darauf hin schüttelte ich meine nassen Haare.„Ihh, du machst mich ganz nass.“„Das war auch mein Ziel.“ Nun lachten wir. Ich dachte, es würde noch oft zu solchen Reibereien kommen, aber so sollte es auch sein. Denn auch er ließ sich das nicht gefallen. Er konterte bei fast jedem Kommentar. Leider war er stärker als ich und konnte mich einfach so hoch heben und durch die Gegend tragen, aber ich ließ keine Gelegenheit aus um ihn zu ärgern oder herauszufordern. Es machte einfach nur Spaß ab und zu herumzualbern, einfach mal das Kind herauszulassen, was tief in einem steckte. Doch ich musste zugeben, dass dieses Kind bei meinem Freund größer war.
Ich sah auf die Uhr und bemerkte, dass ich schon viel zu Spät dran war für die Schule. Es war zwar der letzte Schultag vor den Ferien - eigentlich war es sogar mein letzter Unterrichtstag, denn nach den Ferien hatte ich nur noch Prüfungen -, dennoch wollte ich einigermaßen pünktlich sein.„Oh !@#$%^&*. Jetzt muss ich mich beeilen, damit ich noch rechtzeitig da bin.“„Ich muss jetzt auch los, soll ich dich mitnehmen?“„Ja, gerne. Dann komm ich auch nicht zu spät.“Ich freute mich auf meine letzten drei Schulstunden, denn es waren die letzten drei in meinem Leben. In den ersten beiden Stunden hatten wir PoWi, in diesem Fach konnte man sehr gut schlafen, denn der Lehrer hielt immer nur lange Reden und nahm keinen zur Kenntnis, geschweige denn, dass er sich eine Meinung anhörte. Man musste sich einfach nur das merken was er sagte und ein, zwei Stichpunkte machen, damit man in der Klausur was schreiben konnte.Als ich den Fachsaal betrat und mich für mein Zuspätkommen entschuldigte, sah ich, dass die meisten aus meinem Kurs wirklich schliefen, redeten oder Käsekästchen spielten. Ich setzte mich auf den einzigen noch freien Platz und fing an mich mit meiner Tischnachbarin zu unterhalten. Wir kannten uns zwar nicht, aber das konnte man ja ändern. Dazu nutzen wir die zwei Stunden Politik und Wirtschaft. Sie hieß Samira und war neu an der Schule. Sie war erst jetzt hier an der Schule, weil sie aus Indien kam und dort die Ferien anders waren. Sie besuchte dort eine deutsche Schule und machte ihr Abi jetzt hier fertig, da sie hier Studieren wollte.
In der letzten Stunde hatten wir Musik. Ich mochte dieses Fach, aber nicht wenn Frau Monz wieder mal mit uns singen wollte. Dieses Mal war es das Lied Califonrniacation von Oasis. Ein Großteil sang mal wieder nicht mit, doch ich tat es wie immer, da ich eine gute Note bekommen wollte.Dieses Mal schien ich allerdings alleine zu Singen, was mir sehr unangenehm war, doch ich sang weiter, bis sich plötzlich die Tür schloss. Jemand stand anscheinend schon länger in der Tür. Ich hörte auf zu singen und drehte mich um, dann sah ich wer da stand. Tony.„Entschuldigen Sie die Störung, aber ich muss Louisa etwas früher abholen, wenn das für Sie in Ordnung ist.“„Ähm … ja okay der Unterricht ist eh gleich zu ende. Schöne Ferien Marie.“„Ja, Ihnen auch und … es heißt Louisa.“Ich verabschiedete mich von meinen Freunden und ging mit Tony auf den Parkplatz, dort fragte ich ihn warum er das gemacht hatte.„Ich hab einfach Lust gehabt mit dir jetzt zu deinen Großeltern zu fahren. Danach fahren wir zu Jer und packen deine Sachen.“„WAS?! Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“„Doch. Ich will dass du mindestens einmal mit ihnen redest, irgendwann wirst du es sonst bereuen. Glaub mir. Ich weiß wovon ich rede.“„Da spricht wohl der Psychologe in dir oder was?“„Nein, ich habe mich mit meinen eigenen Großeltern verkracht, mich von ihnen abgewendet. Drei Wochen später ist mein Großvater gestorben, ohne dass ich mich entschuldigt habe, geschweige denn ihm sagen konnte das ich ihn lieb habe.“„Oh, na ja ich hab sie ja lieb, aber…“Da unterbrach er mich und sagte mit ernsten Ton: „Nichts aber. Dann sag es ihnen und erzähl ihnen alles aus deiner Sicht!“
Wir fuhren etwa 20 Minuten. Eigentlich fährt man die Strecke in 30 Minuten, aber bei Tonys Fahrstil ging das etwas schneller.„Woher hast du eigentlich die Adresse?“„Na ja, aus deiner Akte“, sagte er und grinste dabei breit.
Als wir ausstiegen ging ich schnell zu ihm rüber und nahm seine Hand. Ich musste ehrlich sagen, dass ich ziemlichen Schiss hatte. Ich spürte einen kurzen Ruck, daraufhin drehte ich mich um und sah dass Tony stehen blieb. „Was ist denn, warum bleibst du denn stehen?“„Komm her.“Ich ging zu ihm hin. Er legte seine Arme um meine Hüfte und blickte mir direkt in mein Gesicht.„Ich will nur, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin und dich liebe.“Im Anschluss drauf küsste er mich kurz und ging dann mit meiner Hand in seiner, weiter.Ich ging auf die Klingel zu und zögerte einige Minuten. Tony stand hinter mir und seine Hand lag auf meiner Schulter, das half mir wirklich und ich klingelte dann letztendlich doch. Dabei drückte ich seine Hand vor Aufregung so sehr, dass er sie mir kurz entzog und auf die andere Seite ging. Leise entschuldigte ich mich.Dann ging die Tür auf, Maggie, das Hausmädchen, hatte sie geöffnet.„Was kann ich für Sie tun?“„Ähm ... Maggie, ich bin es, Marie-Louise. Ich möchte gerne zu meinen Großeltern.“„Miss, die Herrschaften sitzen im Garten, beim Nachmittagstee. Soll ich Sie anmelden? Oder wissen die Herrschaften Bescheid?“„Nein, schon gut, ich gehe hinunter und werde mit Ihnen reden.“„Wie Sie meinen. Nur Sie sollten wissen, dass die Herrschaften nicht mit Ihnen rechnen. Ihr Vater meinte, sie seien bei einem Unfall ums Leben gekommen.“„Was? Das hat er nicht ernsthaft getan?“„Doch leider, Miss.“Ich hörte gar nicht, was sie als letztes sagte, sondern ging einfach nach hinten in den Garten. Auf der Terrakotta-Steinterasse sah ich sie sitzen. Es sah dort sehr gemütlich und einladend aus. Es wäre ein sehr schönes Motiv gewesen, wie sie so dort saßen inmitten der Blumen und Palmen, die der Gärtner ordentlich gepflanzte hat. Ich wollte eigentlich diese Ruhe nur ungern stören, doch ich war zu sauer auf meinen Vater, dass er sie angelogen hatte und wollte nun, dass sie wussten, dass ich am Leben war und sie immer noch lieb hatte. Ich wollte ihnen alles aus meiner Sicht erzählen. Auch wenn ich sie dafür hasste, dass sie mich beschuldigt haben und ich für sie auch an allem Schuld war. Alle haben immer nur gesagt wie schlecht es ihnen ging, aber mich hat nie jemand gefragt. Es hat nie jemanden interessiert, bis ich Tony kennen gelernt habe. Und Lu auch, sie hatte mir immer geholfen und ich musste mich irgendwann mal mit etwas besonderen bei ihr bedanken. Vielleicht mit Konzertkarten für unsere Lieblingsband: Die Ärzte. Ja das ist keine so schlechte Idee.Ich wachte aus meinen Gedanken auf als mein Großvater etwas sagte,: „Kann ich etwas für Sie tun?“Als erstes war ich geschockt das sie mich nicht wiedererkannten, aber ich hatte mich ja auch in der letzten Zeit sehr verändert. Ich meine, das Ganze ist vor fünf Jahren geschehen. „Nein, ähm … ähm … ich weiß nicht wie ich das jetzt sagen soll.“„Was?“, fragte mein Opa etwas verwirrt. Tony kam näher und nahm meine Hand.„Opa?“, fragte ich vorsichtig.„Marie-Louise?“, vorsichtig schaltete sich meine Großmutter ein mit der Frage.„Ja, ich bin es.“„Das ist nicht war, mein Sohn sagte du seist tot.“ Dies kam von Opa, denn Oma stand auf und stürzte auf mich zu, nahm mich freudig in den Arm und sagte: „Es tut mir so leid, dass wir dich beschuldigt hatten, das war unfair. Und es stimmt nicht einmal. Keiner hat Schuld an dem Unfall. Ich hab dich lieb.“ Das letzte flüsterte sie mir noch leise in mein Ohr. Innerlich dankte ich ihr dafür, das war alles was ich hören wollte. Ich wollte wissen ob sie mich liebten.„Wenn ich kurz die Situation aufklären dürfte?“, fragte mein Freund.„Ja bitte du kannst das besser als ich.“ Mehr sagte ich dazu nicht.„Setzt euch doch“, bot mein Opa an.
Tony erzählte ihnen all das was geschehen war, einige Sachen ließ er weg, wofür ich ihm sehr dankbar war. Dann erzählten meine Großeltern alles aus ihrer Sicht. Mein Vater hatte ihnen eine Menge vorgelogen, was ihnen jetzt bewusst wurde. Sie entschuldigten sich noch einmal. Alles war wieder wie früher. Jahrelang hatte ich Angst zu ihnen zu gehen und zu erfahren, was sie von mir dachten. Jetzt war alles anders. Ich hatte gelernt zu reden, es bringt nichts alles tot zu schweigen. Weil dabei vor allem nur Missverständnisse aufkommen und man im schlimmsten Fall nie wieder mit einander redet. Als sie erfuhren, dass ich in einem Wohnheim für Jugendliche wohnte, boten sie mir sogar an, zu ihnen zu ziehen, doch ich lehnte dankend ab, da ich ja zu Tony zog, worauf ich mich riesig freute.
Wir verbrachten den restlichen Tag bei meinen Großeltern, gegen Abend grillten wir sogar mit den Nachbarn und Maggie. Sie war die gute Seele des Hauses. Ich hatte sie vermisst. Früher als ich noch ab und zu bei meinen Großeltern übernachtet hatte, machte sie mir abends einen leckeren Kaba. Danach konnte ich immer prima schlafen. Gerne dachte ich an diese Zeiten zurück.
Gegen 22 Uhr fuhren wir wieder nach Hause, den Umzug mussten wir auf den darauf folgenden Tag verschieben. Es war ein sehr schöner Abend gewesen, der mich sehr viel Energie gekostet hatte. Ich war so müde, dass ich im Auto einschlief.
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„Danke“, flüsterte ich Tony am nächsten Morgen ins Ohr und weckte ihn somit. Er war etwas launisch, weil ich ihn geweckt hatte.„Och es ist Wochenende. Ich hätte ausnahmsweise mal ausschlafen können. Und was machst du, du weckst mich“, motzte er.„Ach komm schon, du Miesmuffel“, neckte ich ihn und drehte mich währenddessen auf ihn. Wir sahen uns in die Augen und küssten uns leidenschaftlich. Der Kuss schmeckte wie immer süßlich, nach Tonys Zahnpasta. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, dabei stieg mir der Geruch von seinem Aftershave in die Nase. Es roch einfach himmlisch. Ich mochte den Geruch sehr, dennoch konnte ich nicht beschreiben wonach es roch. Süßlich, aber dennoch männlich. „Wir können ja so im Bett liegenbleiben“ Immer wieder strich ich über seine Brust. Er war ziemlich durchtrainiert, aber nicht zu sehr. Es sah sehr gut aus, und ja - ich musste zugeben, dass ich darauf stand. Ich konnte immer noch nicht so ganz glauben, dass ich mit ihm zusammen war.Im nächsten Moment, spürte ich leichte, zärtliche Hände die über meinen Rücken strichen. In meinem ganzen Körper prickelte es. Ich lächelte. In diesem Moment war ich die glücklichste Person der Welt.Gerade noch rechtzeitig bemerkte ich wie er meinen BH aufmachen wollte, schnell schlug ich ihm leicht auf die Finger, allerdings forderte das ihn nur noch mehr heraus und ich landete ziemlich schnell auf dem Rücken. Er lag nun auf mir.Ich versuchte mich unter ihm wegzudrehen, doch es gelang mir nicht. Stattdessen wurde ich mit küssen bedeckt. Er wurde fordernder. Erst spielte ich mit, doch dann machte ich gute Miene zum bösen Spiel, stand einfach auf, fragte ihn ob er auch einen Kaffee mochte und ging in die Küche.Er ließ nicht locker und kam mir hinterher, umarmte mich von hinten und küsste meinen Nacken.Ich ließ einen Laut von mir, den ich selbst nicht so ganz deuten konnte. Ich drehte mich um und fuhr mit meinen Händen seinen Rücken entlang bis ich im Nacken ankam. Dort stoppte ich und zog ihn näher an mich, wollte ihn nochmals küssen, doch ich war etwas zu klein und musste mich ziemlich strecken. Tony setzte dem ein Ende, indem er mich auf die Küchenzeile hob. Meine Beine kreuzte ich hinter seinem Rücken und drückte ihn somit näher an mich. Er legte seine Arme um meinen Nacken, währenddessen legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und flüsterte,: „Darauf hab ich so lange gewartet.“„Ja, ich auch. Ich liebe dich. Lass uns den Tag einfach nur genießen.“„Geht nicht, Süßer. Wir müssen meine Sachen packen.“„Stimmt“, sagte er, wobei er laut ausatmete, was bedeutete, dass er darauf keine Lust hatte, aber da musste er jetzt durch.Ich war so glücklich und das hielt noch ziemlich lange an. Es war einfach ein wunderbares Gefühl mit dem Mann zusammen zu sein, den man über alles liebte. Auch wenn es eine Zeitlang gedauert hatte, bis er es sich eingestanden hatte, dass er mich liebte. Ich war so froh, dass er es getan hatte. Ich hoffe, unsere noch kommende Zeit, würde sehr lang werden. Ich war gespannt, was er noch alles mit mir vor hatte. Es würde Höhen und Tiefen geben, aber ich war mir sicher, dass wir sie alle meistern würden. Jetzt wo ich meine Großeltern wieder hatte, Tony an meiner Seite war, da würde alles besser. Mein Leben ging wieder bergauf.
Ich fing an Kaffee zu kochen und das Frühstück vorzubereiten. Tony zog sich demonstrativ vor mir um. Er wusste, dass ich seinem Charme nicht wieder stehen konnte, doch ich musste standhaft sein und ihm nicht nachgeben. Sonst würde er mir das immer vorhalten. „Du Fiesling.“„Das sagt die Spielverderberin Marie-Louise.“„Oh ha, das war mies, Anthony.“Ich ignorierte ihn einfach, aber überlegte mir schon eine kleine Revanche.
Kapitel 11Der UmzugLouisa Nachdem wir mit dem frühstücken fertig waren, rief Tony Jer an um zu sagen, dass wir jetzt kommen würden, um meine Sachen zu holen.Wir fuhren nur wenige Minuten, bis wir unser Ziel erreichten. Ich freute mich tierisch auf den Umzug und darauf Tag und Nacht bei ihm zu sein.Ich dachte darüber gerne nach. Dieses mal fiel mir aber noch etwas anders dazu ein: Tony hatte nur eine Drei-Zimmer-Wohnung. Für eine Person völlig ausreichend, aber für zwei war es etwas eng, vor allem mit meinen ganzen Sachen. „Tony, meist du wir bekommen meine ganzen Sachen bei dir unter?“„Ähm, es wird eng, aber irgendwie wird es schon gehen. Wir müssen nach etwas größerem Ausschau halten.“ Das packen meiner Sachen dauerte doch etwas länger als geplant, zwischen drin aßen wir noch Spagetti mit Tomatensoße, die Jer gekocht hatte. Es schmeckte sehr gut, dennoch hielt es uns eine Weile auf. Danach saßen wir an dem großen Holztisch und redeten noch etwas.Jer gab mir meine Post, es waren zwei Briefe. Einer von meiner neuen Schule und der andere war von der Uni, an der ich mich beworben hatte.In dem Brief von der Schule war mein Abschlusszeugnis. Ich hatte mein Abitur bestanden. Darüber freute ich mich sehr. Ich hatte einen Notendurchschnitt von 1,8. Tony wollte wissen, worüber ich mich so freute, also gab ich ihm mein Zeugnis.Währenddessen öffnete ich den anderen Brief und las ihn. Doch sein Inhalt war nicht ganz so erfreuend. Ich bekam eine halbe Absage, es hieß, dass die Uni dieses Jahr keinen Platz mehr hatte, aber sie mich dennoch haben wollten und ich für nächstes Jahr einen Platz bekam. Na ja, wenigstens konnte ich an die Uni.„Was machst du eigentlich jetzt?“, fragte Jer.„Mhm ... so genau weiß ich das jetzt nicht mehr. Ich hatte mich kurzfristig an einer Uni beworben, doch es sind schon alle Plätze weg. Aber ich habe eine Zusage für das nächste Jahr. Irgendwie muss ich das Jahr jetzt noch rumbringen, aber ich weiß nicht wie.“„Das ist wirklich schade mit der Absage. Aber mir fällt da etwas ein. Du könntest ein FSJ machen.“„Ein freiwilliges soziales Jahr?“„Ja genau.“„Aber wo? Ich muss mir das alles Mal durch den Kopf gehen lassen ... Tony, es ist schon 19:00 Uhr. Ich glaub wir müssen los.“„Du hast Recht. Jer, wir sehen uns die Tage, ja?“Tony wartete seine Antwort nicht ab, denn er wusste sie schon. Er stand auf zog seine Jacke an und nahm einen der letzten zwei Kartons und ging zum Auto. Ich schnappte mir den letzten, ging ihm nach. Da hielt mich Jer fest. „Mach's gut und benehme dich“, sagte er zu mir und drückte mich ein letztes Mal.„Keine Sorge, das werde ich“, antwortete ich strahlend.Nun ging ich hinaus, packte den Karton in den Kofferraum und stieg vorne ein.Ich hörte ein Klingeln, es kam aus Tonys Jackentasche.„Es ist dein Handy, was da klingelt. Willst du nicht rangehen?“, fragte ich.„Stimmt, ich habe es gar nicht gehört“, sagte Tony mit einem komischen Unterton.Er nahm sein Handy heraus, las wer anrief, und drückte den Anrufer weg.„Wer war das? Warum drückst du ihn weg?“„Das war schon wieder diese Paulsen. Diese Frau geht mir ziemlich auf die Nerven. Ständig ruft sie an und will wissen, ob wir uns treffen können, um über irgendeinen Fall zureden.“„Gib mir dein Handy. Wenn sie noch einmal anruft gehe ich mal ran.“Diese Frau war scharf auf meinen Tony, irgendwie war das lustig. Ich dachte etwas darüber nach und fing an zu lachen. Ich konnte nicht mehr aufhören zu lachen.„Hey, das ist nicht lustig.“„Doch, ist es…“, da brach ich ab weil ich so lachen musste.„Ja okay, dann ist es halt doch lustig, zumindest für dich. Ich muss noch einmal kurz in die Klinik. Ist doch okay?“„Ja.“Langsam beruhigte ich mich wieder.Über die restliche Fahrt hinweg erzählte er mir wie diese Frau schon hinter ihm her rennt, ihn sozusagen stalkte. Er regte sich ziemlich darüber, wirkte sehr genervt, auch verärgert über diese Situation.
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In seinem Büro angekommen, setzte ich mich in den Sessel, während er das suchte, was er benötigte. Aber wir blieben nicht lange allein, denn die Tür ging plötzlich auf. Als ich sah, wer da herein kam, konnte ich nicht anders als laut loszulachen. Ich versuchte mich zurück zu halten, doch es ging nicht. Ich lachte noch einmal kurz auf, aber aus meiner Belustigung wurde Wut. Diese Frau würde nicht aufgeben, so viel stand fest. Ich sah zu meinem Schatz hinüber und sah wie er seine Augen verdrehte, danach genervt zu mir hinüber sah. Ich verstand ihn gerade sehr gut. Er war genervt, fühlte sich verfolgt von ihr. Er wollte nur noch seine Ruhe vor ihr haben. Ich musste zugeben anfangs fand ich es noch lustig, wie sie sich immer noch Hoffnungen machte aber nun war es einfach nur noch nervend und kraftraubend. Und wenn ich mich schon so fühlte, wie musste es Tony dann ergehen? Er musste es doch schon viel länger und vor allem öfter aushalten. Ich beschloss dem ganzen heute und hier ein Ende zu bereiten und ihr endlich sagen, dass ich und Tony ein Paar sind und sie uns gefälligst in Ruhe lassen sollte.Ich stand auf, ging zu ihm und stellte mich an seine Seite. „Was willst du denn hier?“, fragte sie entsetzt als sie mich sah. Sie war wohl sehr überrascht mich hier zu sehen, sie hatte nun einen sehr verärgerten Gesichtsausdruck, doch den ignorierte ich und antwortet auf ihre Frage.Dabei versuchte ich so freundlich zu klingen wie ich konnte, jedoch den sarkastischen Unterton konnte ich mir nicht verkneifen.„Was ich hier will? Das kann ich Sie genauso gut fragen. Was wollen Sie hier? Sie merken wohl nicht, wann sie nerven, oder? Und dass Sie meinen Freund nerven, gefällt mir ganz und gar nicht. Also verschwinden Sie jetzt und lassen Sie uns endlich in Ruhe, oder ich werde Sie wegen Belästigung Anzeigen. Haben sie mich verstanden?“Beide sahen mich erstaunt an. Bei Tony sah ich ein Lächeln auf den Lippen. Bei Dr. Paulsen sah ich nur wie ihre Mundwinkel nach unten sanken und sie sauer davon stapfte.Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah mich Tony mit fragenden Augen an.„Tja, dass ich Dampf ablassen kann weißt du ja schon. Und ich musste feststellen das es doch sehr gut tut seine Meinung zu sagen. Ich weiß ich sollte an meiner Wortwahl noch etwas arbeiten.“, gestand ich. Dabei zwinkerte ich ihm noch zu und musste herzhaft los lachen. „Tony ihr Gesichtsausdruck war einfach himmlisch, einwunder das ich dabei noch ernst bleiben konnte.“, brachte ich zwischen dem Lachen noch hervor. Auch Tony stimmte kurz in mein lachen ein. Unterbrach es jedoch kurz darauf. „Danke, hoffentlich bin ich sie wirklich los. Das solltest du öfters machen.“ Anfangs war sein Ton nachdenklich und seine Mimik war sehr ernst, doch dann entglitt ihm doch ein lächeln. Seine heitere Stimmung kehrte gerade zurück und zauberte mir ein lächeln ins Gesicht. So mochte ich meinen Schatz.„Was? Dampf ablassen, oder mich halb tot lachen? Lachen kann ich besonders gut, danach dürfte mittlerweile das Dampf ablassen kommen“, witzelte ich. „Ja, besonders das Lachen, du kannst über jeden Mist lachen. Los komm ich bin hier fertig.“Zusammen fuhren wir nach Hause. Ich war glücklich, dass ich das endlich als mein Zuhause betrachten konnte, eigentlich unser Zuhause.
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In Tonys Wohnung stellten wir die Kartons erst mal beiseite, doch sehr schnell wurde uns bewusst, dass die Wohnung einfach zu klein war und meine ganzen Sachen niemals hinein passen würden.„Du ich muss los, meine Schicht in der Klinik fängt gleich an. Wir sehen uns heute habend süße“, sagte Tony, während er aus der Küche kam. Er ist dort hingegangen um zu telefonieren. Ich gab ihm noch schnell ein Abschiedsküsschen, dann ging er, was mir eigentlich nur recht kam, denn Jer hatte mich nicht nur verabschiedet, sondern mir noch eine Brief zugesteckt. Er war von der Polizei. Es war die Vorladung zum Verhör, weil ich wegen Bedrohungen, Fahrlässige Körperverletzung und Verleumdung/Beleidigung angeklagt wurde. Mein Glück war es, dass ich mich selbst angezeigt hatte, Reue zeigte, mich mit Melanie versöhnen wollte und meine psychische Lage. Das alles würde mir wahrscheinlich nur eine Bewährungsstrafe einhandeln.Bei dem Rest meiner Ex-Clique sah es wesentlich schlechter aus, denn sie leugneten immer noch alles und sie hatte mehr auf dem Kerbholz, als ich. Sie hatten zwei Personen fast in den Tot getrieben. Mehrere hatten die Schule oder Klasse gewechselt, all diese haben sie Angezeigt jetzt endlich angezeigt. Die meisten erst als sie erfuhren dass ich den ersten Schritt gemacht hatte.Ich hatte noch einiges vor mir in den nächsten Wochen. Aber bis jetzt stand nur ein erfreuendes auf dem Programm, denn in genau einer Woche würde ich mich mit Melanie reden und ihr alles erklären können, dass ich das alles nicht ganz freiwillig gemacht hatte; dass es mir leid tat und dass ich mich entschuldigen konnte.Dann standen zwei verhöre auf der Tagesordnung. Einmal das von meinem Prozess und das der Clique, wo ich als Zeugin aussagte. Doch erst mal musste ich das alles Tony Beichten. Das würde ich wohl am besten heute Abend machen, denn der Termin zu dem Verhör war schon Ende der Woche. Auch der der Zeugenaussage. Ich hatte mich bisher nicht getraut es ihm zu sagen, aber ich musste es tun. Es würde mir schwer fallen, da ich nicht wollte das er erfährt was ich damals alles getan hatte. Ich bin mir sicher dass er das alles erfährt in dem Prozess. Aber ich kann ihm vertrauen, er wird es hoffentlich verstehen und mir nicht den Kopf abreißen. Ich brauche noch einen Anwalt, vielleicht konnten meine Großeltern mir helfen, allerdings musste ich ihnen alles erzählen, aber ich hatte ihnen auch versprochen, dass ich ihnen alles sagen würde und sie nie wieder anlügen würde. Ich dachte einige Minuten darüber nach, dann war ich mir im Klaren, dass sie mir auf alle Fälle helfen würden. Ich suchte eine Busverbindung auf dem Fahrplan heraus und machte mich auf den Weg. Etwas Angst hatte ich dennoch vor der Reaktion meiner Großeltern.
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„Hi, Oma.“„Na, was machst du denn hier? Wir waren doch erst für nächste Woche verabredet.“„Ich weiß. Ich muss euch etwas beichten und euch um eure Hilfe bitten.“„Was ist denn passiert? Du weißt, dass du uns immer alles sagen kannst und wir dir so gut wie wir können helfen werden.“„Ja, ich weiß, aber das, was ich euch jetzt sagen muss, ist nicht gerade das Beste und auch nicht sehr schön. Vor allem bereue ich es sehr, ich weiß selber nicht, wie ich das machen konnte. Wie ich mich von den anderen habe verleiten lassen. Es tut mir so leid, Oma.“Es war schwer nach so kurzer Zeit meinen Großeltern so etwas anzuvertrauen, aber es musste sein. Sie hätten es so oder so erfahren. Außerdem brauchte ich ihre Hilfe dringend, sehr dringend. Der Prozess kam immer näher und ich brauchte endlich einen Anwalt.Also fing ich an Oma alles zu erzählen, ich erzählte ihr so gut wie alles, nur Kleinigkeiten ließ ich weg.Kurz nachdem ich angefangen hatte, setzte sich Opa dazu, auch er hörte mir zu, sie ließen mich ausreden und stellten keine Fragen. Nach einer Weile konnte ich die Tränen nicht mehr zurück halten. Aber ich redete weiter, Oma nahm mich in den Arm.„Ja, das war dann wohl alles. Es tut mir fruchtbar leid, was ich getan habe, aber ich kann es nicht ändern. Nur versuchen mich zu entschuldigen und jetzt alles besser zu machen. Ich weiß nicht einmal warum ich das alles gemacht habe. Ich weiß es einfach nicht.“„Ach Louisa, das ist ja alles so schrecklich. Was du alles durch machen musstest. Und dein Vater hat das alles nicht gerade besser gemacht mit seinen Lügen. Ich hoffe dass jetzt alles wieder besser wird. Für uns alle.“Da schaltete sich mein Großvater ein: „Das ist ja alles schön und gut. Ich finde es gut dass du aus deinen Fehlern gelernt hast und es nun wieder gut machen möchtest. Wir werden dich so gut es geht unterstützen und stehen immer hinter dir. Aber hast du denn schon einen Anwalt? Ich glaube kaum, dass du ohne einen da so schnell wieder heraus kommst. Wenn unsere Enkelin sich hier nicht verlesen hat, ist der Gerichtstermin in drei Wochen und das Verhör schon in fünf Tagen, also Anfang nächster Woche. Und dann muss sie auch noch als Zeugin aussagen.“„Schon, aber woher soll ich in so kurzer Zeit jemanden finden? Ich hatte gehofft, dass ihr mir dabei helfen könnt?“„Mhm, ich habe einen alten Freund, der ist Anwalt. Ich rufe ihn mal schnell an, hoffentlich hat er noch Zeit.“„Ja mach das. Ich kümmere mich so lange um Louisa“, sagte meine Oma zu meinem Opa.Endlich war mal jemand aus meiner Familie für mich da und zeigte mir, dass sie mich liebten. Ich war trotz des bevorstehenden Prozesses überglücklich.Opa ging ins Haus und fing an zu telefonieren. Oma und ich redeten über alles Mögliche.„Und was willst du nach deinem Abitur machen?“, fragte sie mich.„Ich hatte mich bei einer Hochschule beworben, aber die konnten mir nur für das nächste Jahr einen Platz sichern. Dieses Jahr war nichts mehr frei und ich möchte unbedingt an diese Hochschule, also muss ich mir für dieses Jahr etwas überlegen.“„Das ist schade, aber immerhin hast du einen Platz für das nächste Jahr. Was willst du denn studieren? Darüber haben wir ja noch gar nicht geredet.“„Ich will Fotografie studieren. Mein Hobby zum Beruf machen. Hoffentlich klappt das.“„Bestimmt. Wenn du das Talent von deiner Mutter geerbt hast, dann schaffst du das mit Leichtigkeit. Und hast du dir schon etwas überlegt, was du in diesem Jahr machen möchtest?“„Ich werde das schaffen. Ich will das schaffen. Auch für meine Mutter, es war auch ihr Traum von einem eigenen Atelier. Und jetzt ist es mein Traum. Dad wollte immer, dass ich Medizin studiere, aber das wollte ich noch nie. So wirklich umgesehen habe ich mich aber noch nicht. Aber ich denke ich werde irgendwo ein FSJ machen. Irgendwo wo ich helfen kann.“„Ein FSJ?“„Oma, das ist die Abkürzung für ein Freiwilliges Soziales Jahr. Da arbeitet man meist bei sozialen Einrichtungen. Manchmal sogar im Ausland. Aber ich will es hier in unserer Umgebung machen. Aber erst mal müssen Tony und ich uns eine neue Wohnung suchen.“„Warum denn das?“„Naja, Tonys Drei-Zimmer-Wohnung ist einfach viel zu klein für uns beide und unseren Hund. Okay ich bin gerade noch dabei ihn zu überreden, dass wir uns einen Hund anschaffen, aber ich bin mir sicher, dass ich ihn dazu bekomme und wenn nicht, setze ich ihn vor vollendete Tatsachen. Der Platz reicht einfach nicht mehr.“„Okay, also eure Wohnung ist zu klein, ich glaube ich habe da eine Idee ...“Oh, ich hoffte, dass sie nicht vorschlug, dass wir bei ihnen einziehen sollten.Sie sprach weiter: „ …Ihr könntet in eine von unseren Wohnungen einziehen. Dein Großvater und ich besitzen einige Häuser. Eines ist sogar nicht sehr weit von hier entfernt. Wir könnten es uns jetzt gleich ansehen. Es muss zwar noch einiges daran gemacht werden, da es schon seit Jahren leer steht, aber dafür könntet ihr es so haben.“„Danke, aber das können wir nicht annehmen. Ich meine, ihr wollt uns einfach so ein Haus schenken.“„Na klar kannst du das annehmen. Wir haben dich Jahrelang nicht gesehen und das durch Lügen und Intrigen von deinem Vater. Und da können wir dir doch auch mal etwas Gutes tun.“Ich fühlte mich etwas überrumpelt. Sie wollten mir einfach so ein Haus schenken. Ich fasste es nicht. Oma stand auf und ging kurz rein, anscheinend sprach sie kurz mit Opa, dann kam sie mit einem Schlüssel wieder zurück. Und deutete mir an, dass ich ihr folgen sollte. ***
Nach 5 Minuten Fußmarsch waren wir bei einem alten Haus angekommen. Es stand in mitten eines Großen Grundstückes, auf dem viele Bäume wuchsen und eine große Wiese war. Es war wunderschön, denn der Natur wurde hier freien Lauf gelassen. Wildblumen und Rosen fühlten sich hier sehr wohl. Auch einen kleinen Teich entdeckte ich. Der Garten sah aber alles andere als verwildert aus, auch wenn man hier Wildwuchs hatte. Der Rasen war gemäht, die Hecken waren geschnitten, die Blumen wurden erst gegossen.Der vordere Teil des Gartens bestand fast nur aus einer großen Wiese, mit Bäumen und dem Teich. Beim näheren Ansehen der Bäume fiel mir auf, dass es fast nur Obstbäume waren. Auch Himmbeerhecken und Johannisbeer- und Stachelbeersträucher waren angepflanzt. Auf der einen Seite war eine Scheune. Auf der anderen Seite verschiedene Beete, mit weiterem Obst und Gemüse bepflanzt. Dies war die Seite, auf der auch das Tor war, durch das wir das Grundstück betraten. Das erste Stück Garten bestand aus einem Rosenbeet, in dem auch wunderschöne Blumen wuchsen. Unter anderem auch Lilien und Feuerlilien. Das waren die Lieblingsblumen meiner Mutter gewesen. Als wir nach hinten liefen, die Tür war nämlich auf der hinteren Seite des Hauses, sah ich einen kleinen Brunnen. Hier wurde wahrscheinlich früher das Wasser geholt. Aber der hintere Teil des Garten verschlug mir die Sprache, er war wunderschön, sehr Romantisch gehalten. Als erstes stach mir die große Eiche ins Auge, an der eine alte Holzschaukel mit Seilen befestigt war. Dieser Baum war von einer großen Vielfalt von kleineren Bäumen, Büschen, Gräsern und Blumen umgeben. Irgendwo hatte ich das schon einmal gesehen. Es spukte in meiner Erinnerung, doch ich konnte sie nirgends zuordnen. In einer geschützten Ecke stand ein alter Tisch mit Stühlen aus Eisen. Auch hier befanden sich Rosen und Lilien.Es war ein Traumgarten und von außen war auch das Haus ein Traumhaus. Und so etwas Wundervolles wollten meine Großeltern uns einfach so schenken? Unglaublich, aber scheinbar wahr. Vor einigen Montanen bestand mein Leben aus Wut, Trauer und Hass, doch jetzt fing ich endlich an, wieder zu leben. Ich hatte meinen Traummann gefunden und hatte endlich mal Glück in meinem Leben. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas Mal erleben durfte. Wie gerne würde ich dieses Glück mit meiner Mutter teilen. Sie hatte immer von so einem Haus und Garten geredet. Jetzt plötzlich wurde mir einiges klar. Ich wusste endlich, woher ich das Haus kannte.„Ist es das Haus? Das wohin sie immer mit mir und Dad ziehen wollte, aber Dad das nicht zugelassen hatte?“, fragte ich meine Oma.„Ja, das ist es. Nach ihrem Tod haben wir es gekauft und den Garten so einrichten lassen, wie sie es sich immer gewünscht hat. Wir lieben unsere Tochter und so einen frühen Tod hat sie nicht verdient. Es war ihr Traum, deswegen wollten wir es nicht vermieten, und jetzt, wo wir dich wieder gefunden haben sollst du den Traum deiner Mutter bekommen. Du sollst es genauso gut haben wie sie. Und dort in der Scheune wollte sie immer ihr Atelier gestallten und aufbauen, vielleicht kannst du dir das dort auch vorstellen.“„Oh Oma, es ist traumhaft schön. Wie soll ich mich dafür bedanken?“„Gar nicht. Es ist unser Geschenk an euch beide. Hier draußen sieht es noch sehr schön aus, drinnen muss noch einiges gemacht werden. Wir waren noch nie wirklich in dem Haus gewesen.“Jetzt blickte ich auf das Haus, es war sehr schön. Es war nicht riesig, aber für eine kleine Familie reichte es vollkommen aus. Es war ein eher verwinkeltes Haus, sogar mit einem kleinen „Türmchen“. Zwei Balkone befanden sich am Haus. Einer im ersten Stock und ein weiterer unterm Dach. Der Zweite Balkon sah sehr gemütlich aus, denn der war quasi im Haus, das Dach überdachte den Balkon und er verlief auf fast der gesamten Breite des Hauses. Man konnte von jedem Zimmer, das an der Straßen Seite lag, den Balkon erreichen. Der andere ragte aus dem Haus heraus. Seine Gitter waren verschnörkelt und wirkten noch älter als das Haus war.Man konnte es gar nicht wirklich beschreiben, man musste es nur sehen und man verliebte sich in dieses Haus.Es hatte sogar eine überdachte Terrasse, über die man die Tür erreichte.Es war sehr liebevoll gestaltet und im Viktorianischen Stil gebaut.„Ihr wart noch nie in dem Haus?“„Doch ganz kurz, aber ich habe es nicht lange darin ausgehalten. Es war der Traum meiner einzigen Tochter. Alexa hat mir so oft erzählt, wie sie es einrichten würde. Aber jetzt müssen wir uns das mal ansehen. Ich bin gespannt, wie es da drinnen aussieht.“„Okay, ja ich auch. So alt wie das Haus ist, muss da noch einiges gemacht werden.“„Ja wir sollten bei der Besichtigung einen Gutachter mitnehmen, damit wir gleich wissen, was gemacht werden muss.“„Aber ich möchte dass Tony dabei ist. Als aller erstes muss ich mit ihm reden, ob er damit einverstanden ist.“Da klingelte mein Handy, ich ging ran. Es war Tony.„Wo bist du Balu, zu Hause bist du ja scheinbar nicht.“In seiner Stimme lag ein leichter Unterton der von Sorge durchzogen war.„Ich bin bei meiner Oma, sie zeigt mir gerade ein Haus. Darüber will ich mit dir heute Abend reden.“„Ich habe jetzt Feierabend, soll ich dich abholen?“„Ja, bitte.“„Okay, bis gleich bei euch zu Hause.“Dann legte er auf.Wir gingen zurück, dort wartete Opa schon auf uns.„Er macht es. Er hilft dir, du hast morgen einen Termin bei ihm. Ich hole dich ab und dann fahren wir gemeinsam zu ihm hin.“„Okay, danke. Ich weiß gar nicht, wie ich euch das alles danken soll. Ich liebe euch.“Meine Großeltern nahmen mich in den Arm, dann klingelte es auch schon an der Haustür.
***
„Und wie war es bei deinen Großeltern? Vor allem, was wolltest du von ihnen, dass du so spontan zu ihnen gehst?“, fragte Tony mich als wir beim Abendessen saßen.„Ich habe ihnen alles erzählt. Na ja, fast alles. Opa hat einen alten Freund, der Anwalt ist, er wird mir helfen. Und sonst haben wir über alles Mögliche geredet.“„Das ist doch super. Sie lieben dich. Du hast tolle Großeltern. Aber du hast am Telefon etwas von einem Haus gesprochen. Was hatte das zu bedeuten?“„Ähm … na ja, ich habe Oma von unserem Platzmangel erzählt und daraufhin meinte sie, dass sie mir etwas zeigen müsse. Und da zeigte sie mir ein Haus. Sie will, dass wir es nehmen, sie hat es uns geschenkt. Ich wollte, bevor ich zusage, mit dir reden.“„Deine Großeltern wollen uns ein Haus schenken?“„Ja, es ist ziemlich alt und es muss sehr viel daran gemacht werden. Es war das Haus, in das meine Mom immer einziehen wollte. Es war ihr Traum, und ich möchte diesen Traum gerne verwirklichen. Es wird uns sehr viel Zeit und Geld kosten, aber wir hätten unser eigenes Haus mit Garten. Ich weiß nicht, vielleicht ist das alles auch etwas zu schnell. Ich meine, die letzten Wochen, das mit uns. Na ja einfach alles.“„Man du bist ja voll aufgeregt, Süße. Jetzt atme erst mal tief durch.“Ich atmete tief durch und sah ihn danach fragend an.„Also, wenn du das möchtest, mit dem Haus, dann sehen wir es uns mal an. Hast du es schon von innen gesehen? Oder weißt du, was alles gemacht werden muss? Denn ich habe im Moment nicht sehr viel Zeit, da ich ja mitten in der Weiterbildung bin. Und vor allem, wo steht das Haus?“„Nein, habe ich noch nicht, aber wir können es uns ja jederzeit ansehen. Nur dann sollten wir einen Gutachter mitnehmen, damit wir wissen, was alles gemacht werden muss. Von hier bis zu meinen Großeltern ist es ungefähr eine halbe Stunde und ab dort ist es nicht mehr weit.“„Wie heißt denn die Stadt?“„Hildesheim.“„Okay, na ja. Ansehen können wir es mal. Ist keine so große Strecke.“„Danke. Wann hast du Zeit für die Besichtigung?“„Dieses Wochenende?“„Joa, passt mir ganz gut. Denn morgen holt mein Opa mich ab und wir fahren zu diesem Anwalt. Dann am Samstag treffe ich mich mit Melanie.“Die letzten Worte verschluckte ich fast, mir wurde heiß und schlecht. Ich dachte nicht gerne an diesen Tag, denn ich hatte große Angst davor, wie das Treffen verlaufen würde; machte mir immer wieder Vorwürfe. Er hatte es anscheinend gemerkt, denn er zog mich zu sich, auf seinen Schoß und legte seine Arme um mich.Dann Flüsterte er mir ins Ohr: „Hey, du schaffst das, Liebling. Wenn du willst, kann ich auch mit kommen. Am Samstag habe ich frei und danach könnten wir uns das Haus ansehen.“„Ja, bitte. Ich weiß nicht, ob ich das ganz alleine schaffe.“„Ich bin immer für dich da, egal was ist.“„Ich weiß.“Die Antwort war etwas frech, aber ich wusste, dass Tony das mochte.„Na bist du mal wieder frech?“Er küsste mich, dann wanderte er zu meinem Hals, küsste mich dort weiter. Eigentlich wollte ich das verhindern und rückte von seinem Schoß, doch ich hatte vergessen, dass wir in der Küche auf einem Stuhl saßen. Somit landete ich auf dem schwarz- weißen Küchenboden. „Lach nicht so“, schnauzte ich Tony an, weil er mich auslachte. Dann stand ich auf und ging in Richtung Schlafzimmer. Er folgte mir. Eigentlich wollte ich mir nur meinen Schlafanzug anziehen, doch Tony hinderte mich daran.Er kam von hinten an und zog mir mein Shirt über den Kopf, als ich gerade dabei war es auszuziehen.Ich drehte mich um und meinte nur: „Hey, ich bin schon ein großes Mädchen. Ich kann das alleine.“„Sicher?“Ich konnte nur noch ein kleines, Mhm’ von mir geben, denn er hatte mich schon zu unserem Bett gedrängt, wobei er mich auf dem Weg mit Küssen überhäufte. Als ich an die Bettkante unseres Bettes stieß, ließ ich mich nach hinten fallen. Meine Hände hatten sich zu seinem Hemd vorgearbeitet und knöpften es auf, jedenfalls versuchte ich es. Da Tony nicht still halten konnte dauerte es einige Minuten, bis ich es letztendlich aufgeknöpft hatte. Inzwischen hatten sich unsere Lippen wieder gefunden. Ich fuhr mit meinen Händen über seinen Bauch. Ich mochte das sehr, zu fühlen wie seine Muskeln verlaufen und weil er da etwas kitzelig war.Das letzte Mal, als wir unseren Abend so gemütlich verbracht hatten, war schon eine Weile her.Meine Hand lag mittlerweile auf seiner Hose, eigentlich wollte ich sie öffnen, doch da ertönte ein Geräusch - sein Handy.„Ohhh“, gab ich genervt von mir. Zu oft wurde uns der Abend von seinem Handy zerstört.Also machte ich kurzen Prozess und nahm sein Handy und warf es vorsichtig unter das Bett, am liebsten hätte ich es gegen die Wand gepfeffert, damit es uns nie wieder unsere Zweisamkeit störte, aber das konnte ich Tony nicht antun. Er liebte sein Handy und war abhängig davon … leider.„Das holst du wieder vor“, murmelte Tony, bevor er wieder seine Lippen auf meine Presste und fordernder wurde.Ich drückte mich wieder hoch, damit wir wieder zum Stehen kamen.Wenig später kamen wir nur in Unterwäsche bekleidet wieder auf dem Bett zu liegen.Der Tag klang perfekt aus.
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„Scheiße, Tony, wach auf. Wir haben verschlafen.“„Was?“, kam als Antwort von ihm, die ziemlich mürrisch klang.Ich riss ihm die Decke weg, denn es war schon nach zwölf. Tony müsste schon längst in der Klinik sein. Und ich würde um dreizehn Uhr von meinem Opa abgeholt. Doch er drehte sich einfach wieder um und schlief weiter.Ich wusste mir nicht anders zu helfen, ich ging ins Bad und füllte einen Becher mit kaltem Wasser, um es ihm über zu schütten.„Tony, wenn du jetzt nicht aufstehst, mach ich dich nass!“„Ja ja, rede nur weiter.“Er ignorierte mich, also schüttete ich ihm den Becher über.„Ahhhh“, schrie er und sprang auf, „Das ist Schweine-kalt.“„Ja nee. Tony, meinst du ich schütte dir heißes Wasser über? Ich hatte dich gewarnt“, gab ich etwas garstig von mir, denn ich war mittlerweile leicht genervt. Ich rannte im Zimmer herum und suchte mir mein Outfit zusammen. Erst rannte ich zu dem einen Karton und zerrte an ihm. Dann zerriss ich ihn auf, da meine Hose fest hing. Letztendlich bekam ich meine Hose doch noch. Dann rannte ich zum nächsten Karton und suchte mir daraus frische Unterwäsche. Ich hasste es unter Druck zu stehen. Ich wurde da immer total hektisch und tollpatschig.Ich sah kurz zu ihm hinüber und sah nur, wie er total locker auf dem Bett saß und mich beobachtete.„Was guckst du so? Willst du dich nicht auch mal anziehen und fertig machen? Schließlich müsstest du schon längst dort sein.“„Ich finde dich echt sexy wenn du in Unterwäsche, hektisch im Raum rum rennst und dich aufregst. Du bist generell süß, wenn du dich aufregst. Dann sieht man deine niedlichen Grübelfalten auf deiner Stirn.“„Du Arsch.“Ich kramte noch ein Shirt aus dem Chaos im Schlafzimmer, dann ging ich mit schnellen Schritten ins Bad und machte mich fertig.Tony bewegte dann doch langsam seinen Hinter aus dem Bett und kam auch ins Bad.„Das mit dem Wasser bekommst du noch zurück“, sagte er ganz ernst.
***
Opa hatte mich pünktlich um 13:00 Uhr abgeholt. Ich hatte es gerade so geschafft mich fertig zu machen, da ich verschlafen hatte. Nun fuhren wir zu einem Freund von Opa, er war Anwalt und sollte mir helfen. Ich hatte viel Mist gebaut, der auch nicht wieder gut zu machen war. Es war ein sehr großer Fehler gewesen ihnen zu vertrauen. Doch jetzt musste ich für meine Fehler gerade stehen, um mit der schlimmsten Zeit meines Lebens abschließen zu können; endlich ein neues Leben anfangen zu können, mit Tony zusammen.Ich freute mich schon sehr darauf, doch den schwierigsten Schritt musste ich noch gehen. Aber dabei würde ich nicht alleine sein. Ich hatte neue Freunde, Familie und Tony, die mir dabei beistehen würden. Jetzt sollte ich erst mal mit dem Anwalt reden, da das Verhör kurz bevorstand, nämlich in vier Tagen.Und der Anwalt musste alles von mir wissen, was geschehen war und auch warum. Es würde schwer werden, alles noch einmal zu erzählen. Es würde nicht das letzte Mal sein. Leider, denn ich wollte endlich alles vergessen, doch das würde ich erst können, wenn endlich alles vorbei war.„Wir sind da“, sagte mein Opa und stieg aus.Wir betraten die Kanzlei, ein Mann kam auf uns zu und hielt meinem Opa die Hand hin. Er nahm sie entgegen, dann wandte er sich mir zu.„Louisa, das ist Alexander Döbler. Mein alter Freund, der dir helfen wird.“„Guten Tag“, sagte ich höflich und hielt ihm die Hand hin. Er nahm sie und drückte sie kurz.„Na dann komm mal mit und erzähl mir, worum es geht. Dein Großvater hat mir nur kurz erzählt, was los ist.“„Ich geh dann mal. Ist doch okay, wenn du alleine mit ihm redest, Louisa?“, fragte mein Opa er wartete kurz auf mein zustimmendes Nicken. Dann verschwand er.Ich folgte dem Anwalt in sein Büro, setzte mich auf den mir angebotenen Stuhl, dann fing er an, mit mir zu reden.„So, jetzt erzählst du mir mal in aller Ruhe, weswegen du meine Hilfe brauchst.“„Das könnte lange dauern.“„Na dann leg mal los. Ich habe Zeit.“Ich erzählte ihm alles, bis ins kleinste Detail, denn er meinte zu mir, dass jedes winzige Detail sehr wichtig sein könnte. Das ganze dauerte gut drei Stunden.Zum Schluss erklärte er mir noch, wie der Prozess ablaufen würde.„Also die Staatsanwaltschaft hat schon Anklage erhoben und es wird zu einem Prozess kommen. Was das heißt, wirst du ja wissen. Die Befragung hast du ja schon hinter dir, jetzt musst du nur noch zum Verhör, wo alles aufgezeichnet wird und vor Gericht zulässig ist. Da hin werde ich dich begleiten. Der Termin steht auch schon fest. Am Dienstag um 14:00 Uhr müssen wir da sein. Es ist sehr wichtig, dass wir pünktlich kommen.“„Okay, das habe ich alles schon verstanden, aber was könnte als Strafe auf mich zukommen?“„Ich denke, dass deine Selbstanzeige, deine Zeugenaussage und, dass du dich entschuldigen willst; dass du Reue zeigst, dir zugute kommt. Außerdem wird es ein Psychologisches Gutachten, das von einem Vereidigten Psychologen erstellt wird, geben. Ich würde sagen, das ganz läuft auf Sozialstunden hinaus, eventuell sogar nur eine Verwarnung. Einen Eintrag in dein Führungszeugnis bleibt dir auf alle Fälle erspart.“„Okay, ich hoffe dass alles gut wird, damit ich endlich mit dieser Sache abschließen kann.“„Wird schon werden. Es werden dir viele Punkte sehr positiv angeschrieben, außerdem finde ich es sehr gut, dass du für deine Fehler gerade stehen willst. Du wirst das ganz sicher schaffen, mit der Hilfe deines Freundes und deiner Familie. Ich kenne deinen Großvater sehr gut und auch schon sehr lange. Es hat ihn sehr getroffen, dass seine Tochter so früh starb. Es hat lange gedauert, bis er es langsam wieder zur Normalität zurück geschafft hat. Er hat dich all die Jahre sehr vermisst. Dennoch hat er es geschafft ins Leben zurück zu kehren, genauso wie du es jetzt schaffen wirst. Ihr seid beide Kämpfer. Ihr seid euch unglaublich ähnlich. So, und nun geh los, dein Großvater wartet sicher schon unten auf dich.“„Okay. Vielen Dank.“„Wir sehen uns am Dienstag um 14:00 Uhr.“Ich antwortete nicht, nickte nur.Unten auf dem Parkplatz wartete mein Opa tatsächlich schon. Ich stieg ins Auto und berichtete ihm alles, um auf seine Frage zu antworten. Er fuhr währenddessen schon mal los.„Kannst du am nächsten Postkasten bitte anhalten? Ich muss dringend noch einen Brief einwerfen“, fragte ich. „Klar, kein Problem.“
Kapitel 12Unverhofftes WiedersehenLouisa
Fünf Tage später holte mich Opa, zusammen mit meinem Anwalt, ab. Wir fuhren zum Kommissariat. Ich hatte etwas Angst, so ganz ohne Tony, aber er konnte heute leider nicht mitkommen. Er hatte Bereitschaft in der Klinik. Heute Morgen hatte er mir noch Mut zugesprochen und Glück gewünscht. Er meinte, ein so starkes Mädchen wie ich würde alles schaffen wenn ich es nur wollte. Und ich wollte, dass endlich alles vorbei war; dass ich und Tony endlich in unserem Haus leben konnten, nur wir zwei. Okay, das Haus musste noch renoviert werden, aber ich freute mich darauf. Tony war nicht ganz so begeistert das Haus zu renovieren, da ich ihn bis jetzt zu getextet hatte, wie es mal aussehen würde. Und es würde sehr viel kosten. Von seinem Gehalt konnten wir das nicht bezahlen. Na ja, ich wollte meine Großeltern bitten uns etwas Geld vorzustrecken, bis wir es ihnen zurück zahlen konnten.
„Guten Tag, Frau Brendropp.“Ich wurde aus meinem Tagtraum herausgerissen.„Guten Tag“, erwiderte ich und sah dem Kommissar ins Gesicht, musterte ihn. Es war der gleiche, bei dem ich das Geständnis abgelegt hatte. Er war sehr nett zu mir gewesen und hatte sogar dafür gesorgt, dass es zu dem Treffen mit Melanie kommen würde. Ich wusste nicht warum er das tat, beschloss aber, ihn danach zu fragen ... später.„Kommen Sie bitte mit?“Ich folgte ihm mit meinem Anwalt in einen Raum. Der Raum war in einem tristen weiß-grau gehalten. In ihm stand ein großer einfacher Tisch aus Holz. Auch er war grau. Vier Stühle standen um den Tisch herum. Ich setzte mich auf einen der Stühle. Auf den, mir direkt gegenüber, setzte sich der Polizist. Der Stuhl neben mir, blieb nicht lange frei, denn mein Anwalt setzte sich dort hin. Auch der vierte Stuhl wurde besetzt, von dem Staatsanwalt, der in meinem Fall ermittelte.Der Kommissar belehrte mich, dass ich ihm nichts sagen müsse, was mich selber belasten würde und stets die Wahrheit sagen müsse, wenn ich etwas sagte. Ich antwortete auf alle Fragen wahrheitsgemäß. Das ganze ging relativ schnell, jedenfalls glaubte ich das. Doch dann kam eine Frage, die ich nicht beantworten konnte. Ich geriet ins Stocken und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich sagte einfach nichts, mein Anwalt redete leise auf mich ein, doch auch ihm antwortete ich nicht. Ich musste einfach nachdenken.Ich wurde ziemlich schnell aus meinen Gedanken gerissen, denn der Staatsanwalt wiederholte seine Frage, dieses Mal etwas lauter.„Warum haben sie das getan? Warum haben sie dort mit gemacht?“Ich antworte leise und einfach aus mir heraus. Ich dachte nicht mehr, sondern redete einfach: „Ich weiß es einfach nicht. Ich wurde da irgendwie hineingezogen. Erst tat ich das alles freiwillig, aber nach wenigen Monaten bemerkte ich, was da wirklich abging. Ich wollte sofort raus da, aber Jess wollte das nicht. Und so blieb ich noch mit ihr eine Weile, redete ständig auf sie ein, weil ich sie nicht zurücklassen wollte. Sie war meine beste Freundin, ich hatte ihr vertraut. Und so ging das alles weiter. Bis ich nicht mehr konnte und ging. Warum ich früher nichts gemacht habe, kann ich ihnen nicht beantworten, weil ich es selber nicht weiß, wahrscheinlich auch nie wissen werde. Aber ich kann nur noch mal sagen, wie leid mir das tut und wie sehr ich es bereue. Vor allem, wie kaputt mich das ganze gemacht hat. Ich würde liebend gerne alles zurückdrehen. Aber das kann ich nicht, ich kann nur versuchen für meine Fehler gerade zu stehen und versuchen mich bei Melanie zu entschuldigen. Ihr zu erklären warum das geschah und wie leid mir das tat.“Danach wurde ich nur noch als Zeugin für ein anderes Verfahren befragt.
Nach knapp zweieinhalb Stunden konnte ich wieder gehen. Und es fühlte sich gut an, dass alles gesagt zu haben.Ich lächelte als wir das Präsidium verließen.Ich war stolz auf mich, weil ich es geschafft hatte, wieder ein Schritt in Richtung wunderbare Zukunft.
***
Eine knappe Woche später war ich in der Stadt unterwegs, kaufte Farbe für die Wohnung. Aber bevor ich in den Baumarkt ging, ging ich zu der Tierauffangstation in der Stadt.„Guten Tag, ich bin Louisa und hatte mich bei Ihnen für ein FÖJ beworben“, erklärte ich dem Mann in der Praxis. Er suchte kurz in den Unterlagen und dann fand er meine Bewerbung, die ich vor einigen Tagen geschickt hatte. Ich war hier, weil ich ein Vorstellungsgespräch bekommen hatte. Ich hatte mich sehr darüber gefreut. Ich hoffte, dass ich den Platz bekam.„Hi Louisa. Ich bin Nils. Dr. Jonas wartet schon auf dich. Am besten gehst du gleich zu ihr. Da hinten, dritte Tür links“, sagte er und zeigte in eine Richtung. Ich klopfte an die besagte Tür und wartete auf ein „Herein“. So kam es auch, also öffnete ich die Tür, ging in den großen hellen Raum rein und setzte mich auf einen Stuhl, auf den Dr. Jonas zeigte.„Hallo. Du bist also Louisa und willst bei uns ein FÖJ machen, richtig?“„Ja, das möchte ich sehr gerne.“„Warum möchtest du es denn machen? Vor allem, warum bei uns?“, fragte sie mich.„Ich habe mein Abitur und wollte eigentlich gleich auf die Uni, doch wegen persönlicher Probleme habe ich die Anmeldefrist verpasst. Und da habe ich mich entschlossen ein FSJ zu machen, um nicht ein Jahr zu Hause rum zu hocken. Ich möchte etwas machen, etwas Sinnvolles. Ich mag Tiere sehr habe ich mich informiert ob ein FSJ auch in solch einem Bereich möglich ist, dabei bin ich dann auf das FÖJ gestoßen. Habe mich bei dem Träger beworben und dann wurde mir Ihre Auffangstation vorgeschlagen. Ich habe mich im Internet über Sie informiert und war direkt überzeugt von Ihrer arbeit. Da beschloss ich dann mich bei Ihnen zu bewerben.“„Mhm verstehe. Meine Kollegen und ich sind uns schnell einig geworden, nachdem ich Ihnen ihre Bewerbung gezeigt hatte. Wir waren alle begeistert von ihrem Schreiben, deswegen würden wir ihnen gerne eine Chance geben und sie für das FÖJ bei uns einstellen. Wir sind sehr froh das sich noch jemand für die Stelle gefunden hat der so ein potenzial hat, die Stelle wurde nämlich vergessen auszuschreiben, daher ist es uns möglich sie noch so kurzfristig aufzunehmen. Normalerweise ist der Platz sehr schnell weg. “„Klasse, das freut mich wirklich sehr. Wie läuft das denn jetzt ab? Arbeitszeiten? Wann werde ich anfangen?“, fragte ich. „Ja, also anfangen werden sie ab dem 1. August. Da werden sie dann von meinem Team eingearbeitet. Ich bin ihre Ansprechpartnerin wenn irgendetwas sein soll. Den Vertrag können wird nächste Woche unterzeichnen wenn der Träger ihn uns zu sendet. Ihre Arbeitszeit wird montags und freitags um acht Uhr beginnen und um halb vier enden, dienstags bis donnerstags fangen sie um sieben Uhr bis um drei Uhr. Ist das Oke?“„Ja klar. Ich fange gerne früh an und habe den Tag für mich. Muss ich irgendetwas am ersten Tag mitbringen?“„Perfekt, da Sie ihr mit Tieren arbeiten sollten sie nicht die besten Klamotten anziehen, vor allem aber immer eine Wasserfeste Jacke, Schuhe dabei haben und am Besten auch eine Regenhose. Wenn es Regnet und Sie gehen gerade Gassi macht das mit Regenklamotten mehr Spaß, als ohne“, erklärte sie mir. Logischerweise war mir das schon vorher klar gewesen, ich nahm den Tipp jedoch dankbar an.„Ja, dann wäre ja alles geklärt oder wollen sie noch etwas wissen?“Da fiel mir ein, dass sie nichts von meinem Prozess wusste, aber ich musste es ihr sagen. Ich musste es zwar nicht sagen, da wahrscheinlich alles zu dieser Zeit vorbei war, jedoch fand ich es unfair nichts davon zu sagen, schließlich sollte Sie wissen, wen sie da einstellt. Ich wollte dieses Jahr nicht mit einer Lüge beginnen. Ich hatte zurzeit zwar ein Führungszeugnis ohne Auffälligkeiten, welches Sie auch vorliegen hatte. Das würde zwar auch so bleiben, aber ich fühlte mich wohler wenn ich es sagte.„Ja, da wäre noch etwas.“„Mit was kann ich ihnen dienen?“„Ich muss Ihnen wohl noch etwas sagen. Ich hatte es schon verdrängt und ich rede auch nicht gerne darüber…“„Nun? Raus mit der Sprache. So schlimm wird es ja wohl nicht sein. Mich kann so schnell nichts schocken.“„Nun, gut, ich stehe momentan vor Gericht, wegen eines Fehlers den ich begangen habe und nun dafür gerade stehe. Ich habe mich selbst angezeigt, weil ich damit nicht leben konnte.“Sie unterbrach mich.„Was haben Sie angestellt?“, fragte Sie mich und sah mich irritiert an. Sie hätte wohl nicht gedacht, dass ich mir etwas zu Schulden habe kommen lassen. Doch so war es.„Ich war in einer Clique, die sehr viel Schlechtes getan hat. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, wenn sie verstehen?“Ich sprach langsam und mit bebender Stimme. Ich hatte Angst, dass sie mich vor die Tür setzen würde, ohne FÖJ-Platz.„Okay, wir vertiefen das ganze jetzt nicht und vergessen vorerst, dass Sie mir das gesagt haben, ja? Ich bin mir sicher, dass Sie ein nettes Mädchen sind, das zuverlässig und schlau ist. Ich bin überzeugt davon, dass Sie Ihren Job gut machen werden, also enttäuschen Sie mich nicht. Wir sehen uns am Montag um neun Uhr zur Unterzeichnung des Vertrages.“Ich lächelte bis über beide Ohren.„Vielen Dank. Bis Montag.“
Ich stand auf und begab mich auf den Weg zum Baumarkt. Dort suchte ich einige Farben für unser Haus aus, kaufte sie und ließ sie zurück legen, um sie später abzuholen, mit Tony. Ich hätte sie auch mit ihm kaufen können, doch dann hätte ich seine Meinung einbeziehen müssen und mir sein Gemecker anhören müssen, das die Farbe nicht schön war, und die andere auch nicht. Ich suchte sie lieber alleine raus und Tony musste sich damit zufrieden geben. Seine Kreativität ließ echt zu wünschen übrig, was Farbgestaltung und Dekoration anging.
Nach meinem Besuch im Baumarkt machte ich mich auf den Weg zu der Klinik in der Tony arbeitete, da ich ihn abholen wollte. Er hatte heute die Frühschicht und hatte am Mittag Schichtende, wir wollten heute das erste Mal unser Haus besichtigen.Ich betrat die Klinik und fragte nach ihm.Er war noch bei einem letzten Patienten. Ich setzte mich in den Warteraum, was ich nur sehr ungern tat, weil alte Erinnerungen hoch kamen und nicht nur gute.Ich wartete einige Minuten, bis er aus einem Zimmer kam und zum Empfang lief.Ich beobachtete, wie die Schwester dort auf mich zeigte und etwas sagte.Er sah zu mir, nickte der Schwester zu und kam zu mir.Ich stand auf und umarmte ihn. Er erwiderte meine Umarmung, küsste mich auf meinen Kopf und sah mich dann an.„Na, heute so anhänglich“, scherzte er. Doch eigentlich stimmte es. Es war etwas anderes hier. Ich liebte ihn, doch ich hatte plötzlich Angst ihn zu verlieren.„Was ist los?“, fragte er, anscheinend merkte er, dass ich mich anspannte.„Nichts, nur … ich weiß nicht … ich liebe dich“, mehr brachte ich nicht raus.„Ich dich auch, Liebling. Wir können gleich losfahren.“Wir drehten uns um und gingen zu seinem Büro. Da merkte ich auch, warum ich mich so anders fühlte. Alle starrten uns an, darunter waren auch ein paar Schwestern und Pfleger, die mich versorgt hatten, als ich noch hier war. An eine konnte ich mich besonders gut erinnern.Sie stand uns genau gegenüber. Es war die Schwester, die ich so an gezickt hatte, ihrer Meinung nach.Als ich sie sah, mit einem verdutzten Gesichtsausdruck, musste ich kichern. Es hatte so Spaß gemacht, sie auf den Arm zunehmen.Auch Tony sah sie, er wusste natürlich sofort, wer das war und nun wusste er sofort warum ich kicherte.Wir gingen an ihr vorbei, ich konnte mir das einfach nicht verkneifen. Ich hatte schon damals bemerkt, dass sie ein Auge auf ihn geworfen hatte.„Na, so sieht man sich wieder. Also ich muss sagen, Sie sollten ihre Autorität etwas mehr einsetzen.“Dann küsste ich Tony auf die Wange und kicherte noch mehr.In seinem Büro angekommen, fing er direkt an seine Sachen zusammen zu suchen. Er zog auch seinen Kittel aus, dabei sah er mich fragend an.„Du willst also wissen, warum ich das eben getan habe? Nun gut, ich konnte mich einfach nicht zurück halten. Man Tony, das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass die ein Auge auf dich geworfen hat. Außerdem kann ich die nicht ausstehen.“Er sah mich mit großen Augen an. Ich konnte mir schon denken, was er sagen wollte.„Ja ja, ich weiß schon, ich sollte mich mal mehr wie eine Erwachsene benehmen und nicht mehr so kindisch. Du willst gar nicht wissen, wie oft ich das gesagt bekomme, aber ich bin halt tief in mir immer noch ein Kind, und ab und zu kann ich mich nicht zusammenreißen“, sagte ich theatralisch.„Schon gut. Können wir los?“ Dabei lachte er kurz und zog dabei seine Jacke an. „Ja, klar.“Gemeinsam verließen wir den Raum, Arm in Arm.
***
Nach einer kurzen Autofahrt liefen wir nun Arm in Arm liefen wir zu dem - halt Nein, unserem Haus. Dort trafen wir auf Oma und einem Gutachter. Er würde sich das Haus ansehen, und hoffentlich nicht allzu schlechte Nachrichten überbringen.Da fiel mir ein, dass ich Tony noch nicht gesagt hatte, dass ich endlich einen Job hatte. Na ja okay, einen FÖJ-Platz, aber ich würde mir zusätzlich irgendwo einen Job suchen, damit auch ich etwas zur Renovierungskasse beisteuern konnte, denn was ich bei dem FÖJ bekommen würde war nicht gerade viel. Ich fand, es wurde allmählich peinlich, dass ich immer Geld bekam von ihnen. Doch da gegen konnte ich kaum etwas machen. Ich weigerte mich mehr als einmal, das Geld zu nehmen, aber meine Großeltern ließen sich nicht davon abbringen. Wie Großeltern eben so waren. Ich blieb kurz stehen und fing an zu reden: „Du, ich werde ab 1. August vorerst arbeiten.“Er sah mich mit immer größer werdenden Augen an.„Echt? Und wo?“, er sagte dies mit einer leichten Ungläubigkeit in seinem Ton.„Was soll das denn jetzt heißen, he? Ach ja, ich vergaß, ich hab reiche Großeltern. Ich mache ein FÖJ in einer Tierauffangstation.“Ich wurde sauer. Dachte er, nur weil ich keinen Studienplatz bekommen hatte und reiche Großeltern hatte, würde ich nicht arbeiten? Wütend stapfte ich davon, zu meiner Oma und dem Gutachter.„Hey, warte“, rief er hinter mir her, doch ich hörte nicht auf ihn.„Guten Tag, Herr Becker.“Ich hielt ihm meine Hand hin und er schüttelte sie respektvoll.„Guten Tag, Miss. Sie haben die Schlüssel?“„Ja“, entgegnete ich ihm knapp, konnte den wütenden Unterton nur schwer verbergen. Ich ging zur Tür und öffnete sie. Ich zögerte als ich den Schlüssel in das Schlüsselloch steckte, denn ich bekam angst. Ich wurde von Wut und Trauer um rannt. Wut, auf Tony; Trauer, um meine Mutter, ich vermisste sie sehr. Es sollte ihr Haus sein und nicht meines. Es war ihr Traum.Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, aber ich drehte mich nicht um. Ich spürte, dass es Tony war. Es tat mir immer noch nicht leid, dass ich ihn so angemeckert hatte.Ganz langsam drehte ich den Schlüssel um, es knackte, die Tür Sprang einen Spaltbreite auf. „Es tut mir leid“, flüsterte er mir ins Ohr.Ich stieß die Tür auf, trat einen Schritt hervor. Ich merkte, wie der Gutachter und meine Oma dicht hinter uns waren, doch ich ging genauso langsam, wie vorher auch in das Haus hinein, mit Tony an meiner Seite. Es war einfach überwältigend, wie das Haus von ihnen aussah.Es war komplett eingerichtet, als wären die Besitzer Hals über Kopf in einer Nacht verschwunden. Ein Tee Gedeck stand sogar noch auf dem Tisch im Wohnzimmer, in dem ich mich befand. Es war der erste Raum, den man erreichen konnte. Jedes einzelne Zimmer wurde vom Flur getrennt. Im Flur hingen ein paar Bilder. Er war sehr düster, was an der Holz Vertäfelung lag. Ich hatte probiert das Licht anzuschalten, doch es ging nicht, deswegen waren Oma und der Gutachter in den Keller gegangen um nach den Sicherungen zu sehen, da der Strom im Garten ging, und angemeldet war das Haus auch schon, beim Stromversorger.Tony und ich standen in dem großen Wohnzimmer, es hatte hohe Decken. Ich sah mich kurz um, es war gespenstisch, denn es sah so aus, als würde hier noch immer wer wohnen. Der ganze Raum war ziemlich altmodisch eingerichtet. Einige Möbel hatte ich jetzt schon eingeplant zu Restaurieren, solche schönen Dinge bekam man heute nur noch sehr schwer. Der Raum war sehr hell auch ohne Lampen, denn zwei große Fenster zierten die Wand und durch sie kam genug Licht herein. Die Fenster gingen zum Garten hinaus. Man sah auf die wunderbare Blumenpracht im Vorgarten. Wir hatten viel vor, alles musste neu gestrichen und aufgearbeitet werden. Hoffentlich musste an den Leitungen nicht sehr viel gemacht werden.Tony fing an mit meinen Finger zu spielen und zog mich in eine engere Umarmung, erst wollte ich ihn weg stoßen, ich war ja immer noch sauer auf ihn, doch dann überlegte ich es mir anders.Er legte seine Hände auf mein Gesicht und zwang mich ihm in die Augen zu sehen. Dabei fiel mir wieder etwas auf: er hatte sehr grüne Augen, heute schienen sie zu leuchten, doch in seinem linken Auge hatte er einen schwarzen Streifen in der Iris. Das mochte ich an seinen Augen so sehr, sie waren etwas Besonderes.„Ich freue mich für dich, ja. Das vorhin war nicht so gemeint“, flüsterte er.Dann küsste er mich. Der Kuss fiel allerdings sehr kurz aus, denn wir wurden unterbrochen. Wir hörten wie die Beiden aus dem Keller hoch kamen, zu uns in das Wohnzimmer.Ich lehnte mich an Tony an. Ich war ziemlich müde.Sein Arm legte sich um meine Hüfte, auch um mich etwas zu stützen.„So, also im Keller sieht es gut aus. Die Wände sind trocken und die Sicherungen sind nur ausgestellt gewesen. Jetzt sehe ich mir am besten das restliche Haus an.“„Ich begleite Sie, ihr zwei könnt euch ja mal so im Haus umsehen.“„Ja das werden wir machen, Oma. Warum ist das Haus eigentlich möbliert?“„Hier hat eine alte, alleinstehende Frau gewohnt. Das Haus haben wir gekauft, da lebte sie noch, sie wohnte noch einige Monate in dem Haus, bis sie starb. Wir hatten versucht Familienangehörige ausfindig zu machen, doch niemanden gefunden.“„Oh“, war alles, was ich heraus brachte, denn sie tat mir leid. Sie musste alleine sterben, vielleicht sogar mit dem Wissen, dass ihre Familie kein Interesse mehr an ihr hatte.Ich wollte niemals so sterben, in Einsamkeit, allein gelassen und vergessen von der ganzen Familie. Das musste der grausamste Tod sein, den es gab.Ich umarmte Tony nun ganz, damit er die wenigen Tränen, die mir über die Wangen liefen nicht sehen konnte. Ich war in der letzten Zeit etwas sentimental. Warum, wusste ich nicht.Als ich wieder hoch blickte, waren die Tränen versiegt.„Hey, Süße. Komm wir sehen uns mal die restlichen Zimmer an“, sagte Tony, um mich abzulenken. Er musste bemerkt haben, dass ich etwas geweint hatte.Er zog mich durch die Tür, direkt in das Nachbarzimmer. Es war die Küche, die durch eine Flügeltür direkt erreicht werden konnte.Dort trafen wir auf Oma und den Gutachter.„Und, wie ist die Lage?“, fragte Tony den Gutachter.„Ziemlich gut, die Vorbesitzerin hat das Haus sehr gepflegt. Die Wände sind trocken, Decken und Wände stabil, kein Schimmel, Wasserleitungen sind sogar aus Kupfer. Nur die Sicherungen und einige Leitungen sollten erneuert werden. Die Heizungen müssen noch überprüft werden. Ich kann ihnen versichern, dass sie das Haus ohne Bedenken anfangen können zu Renovieren.“„Ah, das ist gut. Das erleichtert mich richtig. Ich dachte schon das hier viel mehr gemacht werden muss, als nur renovieren“, meinte ich.„Perfekt. Das heißt, wir können bald aus unser viel zu kleinen Wohnung raus. Und du Schatz, bekommst dein eigenes Bad, damit ich auch mal wieder morgens in den Spiegel sehen kann.“„Hey, so lange brauch ich auch wieder nicht“, maulte ich.„So, ich muss dann mal los. Ich hab noch weitere Termine“, sagte der Gutachter.„Vielen Dank“, bedankten wir uns bei ihm. Großmutter begleitete ihn und ließ uns alleine.Wir sahen uns noch ein wenig um, dann fuhren wir in Tonys braunem BMW nach Hause. Bald würde ich auch endlich fahren dürfen, darauf freute ich mich schon sehr. Ich hatte vor wenigen Wochen angefangen meinen Führerschein zu machen. Ich war zwar mittlerweile schon 19, aber irgendwie bin ich noch nicht dazu gekommen. Wenn ich ihn hatte würde ich am liebsten einen blauen Ford Kuga fahren. Dieser Geländewagen gefällt mir sehr, die Frage ob ich ihn mir gebraucht leisten konnte, würde ich mir aufheben, bis ich den Führerschein endlich hatte.
***
Ich trank schon den dritten Kaffee, an diesem Morgen. Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zu machen, so aufgeregt war ich. Ich hatte Angst, vor … was genau, wusste ich nicht. Wahrscheinlich vor der Reaktion von Melanie. Es tat mir so unendlich leid, doch ich konnte es nicht rückgängig machen, leider. Ich wollte mir gerade den vierten Kaffee einschenken, als mir Tony die Kanne wegnahm und mir stattdessen eine Tasse mit Tee gab. Ich roch daran. Er roch fruchtig und die Wärme tat gut. „Was ist das für ein Tee?“„Passionsfrucht, der beruhigt. Du bist ziemlich hibbelig und nervös. Der hilft, glaub mir.“„Ich bin schon ziemlich aufgeregt, aber auch wütend. Wütend auf mich, ich frage mich immer noch, wie ich so etwas tun konnte. Ich fasse es immer noch nicht…“„Hey, du hast einen Fehler gemacht, einen schlimmen Fehler sogar, doch du stehst dafür gerade, du weißt dass das Falsch war. Du bereust es, du willst dich sogar persönlich entschuldigen. Du warst in einem Ausnahmezustand.“„Ja und? Das rechtfertigt doch noch lange nicht, was ich getan habe!“ Ich brach in Tränen aus. Ich wollte alles einfach nur noch vergessen, ich konnte nicht mehr so tun, als würde mich das nicht belasten. Denn das tat es und zwar sehr. Es kam gerade alles wieder hoch, wie jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte, was damals geschehen war. Ich sah die ganzen Bilder vor mir, alles was ich getan hatte erschien mir in Bilder. Sie liefen in der Reihenfolge vor meinem Auge. Meine Mutter sah ich als erstes, dann sah ich sie im Krankenhaus liegen, Tod.Dieses Bild versetzte mir einen Schlag ins Gesicht. Mir wurde wieder bewusst, wer daran schuld war - Ich. Ganz alleine Ich.Ich ließ mich an der Küchenzeile entlang auf den Boden sinken und weinte einfach nur. Tony nahm mich in den Arm und hielt mich einfach fest, sagte nichts, hielt mich einfach nur fest.Nach einigen Minuten bekam ich mich langsam wieder ein, die letzten Wochen, das war einfach alles zu viel.„Du bist eine ganz schöne Heulsuse, weißt du das?“, witzelte Tony und zog mich hoch. „Kann sein.“Ich musste zugeben es war mir schon etwas peinlich. Aber er versuchte einfach nur mich wieder aufzumuntern, und ich musste tatsächlich schmunzeln.„Na da sehe ich doch das lächeln, was ich so an dir liebe.“ Ich schmunzelte noch mehr. Ich war überglücklich, dass er so hinter mir stand und mich unterstützte. Ich trank meinen Tee aus und ging ins Bad und machte mich fertig. Ich zitterte noch immer leicht, vor Wut und Aufregung.Dann fuhren wir zum Kommissariat, der Kommissar, der das alles in die Wege geleitet hatte, meinte, dass es besser sei, sich dort zu treffen.
***
Wir wurden wieder von dem Kommissar empfangen. Alexander Krummerl war ein mittelgroßer, sportlicher Mann, im mittleren Alter. Er hatte auf seiner Dunkelblauen Uniform zwei Silberne Sterne, also war er Polizeioberkommissar. Von unseren Gesprächen wusste ich, dass er ursprünglich aus Hamburg kam. Er war verheiratet, und hatte vermutlich zwei Kinder, denn er trug einen Ehering und auf seinem Schreibtisch stand ein Bild mit ihm, einer Frau und zwei kleinen Kinder. Er sah nicht schlecht aus, für einen Mann Mitte Dreißig - vielleicht auch schon Ende Dreißig. Er hatte dunkelbraunes Haar, relativ kurz geschnitten, braune Augen und schmale hellrote Lippen. Er war sehr nett und setzte sich für mich ein, was ich bewunderte. Ich hatte schlimmes getan und er tat so, als wäre nichts gewesen.Er half mir sehr, er organisierte das Treffen zwischen mir und Melanie.
„Guten Tag“, begrüßte er mich und schüttelte meine Hand, bei Tony genauso.Ich lächelte ihn an, es war ein ehrliches, freudiges Lächeln. Ich bekam ein gleiches Lächeln von Tony und Alex zurück.„Bevor ich mit ihr rede, wollte ich mich noch mal bei ihnen bedanken. Dafür, dass sie das alles für mich getan haben; dafür dass sie das Treffen organisiert haben. Vielen Dank.“„Nichts zu danken. Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann. So, dann lass uns mal los gehen, sie wartet schon.“„Ja“, mehr brachte ich nicht mehr heraus. Ich war voller Vorfreude, aber auch Angst und Trauer fühlte ich. Diese Wut, die ich heute Morgen gespürt hatte, kam wieder zum Vorschein. Ich konnte sie mit Mühe und Not unterdrücken. Tony nahm meine Hand, drückte sie, dann legte er seinen starken Arm um mich. Wir folgten Alexander. Er führte uns zu seinem Büro. Er öffnete die Tür, da sah ich sie. Melanie, sie saß auf einem der Stühle, die bei Alexander im Büro standen, dabei dachte ich, sie säße im Rollstuhl.Sie hatte sich kaum verändert. Nur dass sie reifer und älter wirkte. Das ganze war jetzt fast eineinhalb Jahre her. Sie sah aber noch genauso aus wie damals. Sie war eher eine kleine Person, schlank, hübsch und muskulös. Schon damals hatte sie viel Sport gemacht. Kickboxen war ihr größtes Hobby, das wusste ich, weil wir mal Freunde gewesen waren. Sie hatte noch dieselbe Frisur. Einen in mittelbraun gefärbten Bob. Er stand ihr, auch wenn sie sehr klein war. Eigentlich hatte sie dunkelblonde Haare - ein Straßenköter-blond, hatte sie es damals genannt. Ihre Augen waren Braun, aber sie trug keine Brille mehr, wahrscheinlich hatte sie jetzt Kontaktlinsen. Ihre Lippen waren immer noch eher eine Linie, doch ihr knallroter Lipgloss ließ sie voller aussehen und kräftiger. Ich musste schlucken, als ich sie sah. Ich hatte ihr schreckliches angetan, obwohl sie eine meiner Freunde gewesen war. Ich konnte bis heute nicht sagen, warum ich das getan hatte. Als ich in das Büro eintrat, richtete sie sich auf und lief zu mir, sie umarmte mich. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich dachte, sie würde mir Vorwürfe machen, mich anschreien. Ich erwiderte ihre Umarmung. In ihr lag Frieden und Freude.Tony war anscheinend begeistert von ihrer Reaktion, mich verwirrte sie nur.„Hi“, sagte sie.„Hi“, antwortete ich.Dann ein Moment der Stille. Wir setzten uns, da zu wenige Stühle da waren, blieb Tony stehen. Er stellte sich hinter meinen Stuhl und legte mir seine Hand auf die Schulter.„Tut mir Leid“, sagte Melanie. Ich starrte sie an, ich war verwirrt.„Warum entschuldigst du dich bei mir? Ich bin hier um mich bei dir zu entschuldigen. Für das, was wir dir angetan haben. Vor allem habe ich mit einer anderen Reaktion gerechnet …“Sie unterbrach mich: „Ich entschuldige mich dafür, was dir passiert ist weil du mir helfen wolltest. Er hat mir alles erzählt ...“ Als sie dies sagte fiel ihr Blick auf den Kommissar. „… Außerdem danke ich dir dafür, dass du alles gesagt hast. Ich dachte schon, sie würden niemals bestraft werden.“Jetzt war ich die, die sie unterbrach.„So jetzt bin ich erst mal an der Reihe. Ich bin dir dankbar, dass du mir verzeihst, mich dir alles erklären lässt. Es tut mir alles so leid. Ich wollte das nicht. Ich kann dir auch keinen Grund nennen, warum ich da mitgemacht habe. Ich weiß nicht, was da mit mir los war. Ich hab mich einfach mitreißen lassen. Ich war ziemlich dumm. Ich weiß nicht, wie ich das alles wieder gut machen soll. Alles was ich tun kann ist mich zu entschuldigen und für alles gerade zu stehen.“„Ich habe dir nur aus einem Grund verziehen, weil du mir helfen wolltest. Du wolltest das nicht machen, es tat dir leid. Du musstest das gleich erleben wie ich. Du hattest deine Grenzen erreicht, genau wie ich. Doch du hast genau wie ich den Sinn im Leben wieder gefunden.“„Ja, das habe ich. Ich habe Hilfe dabei gehabt. Ich bin so froh, dass du mir nicht das Leben zur Hölle machen willst, wegen der Sache.“„Nein dir nicht, doch den andren. Ich werde, genau wie du, vor Gericht aussagen. Sie werden schon sehen, was sie davon haben. So leicht kommen sie nicht davon. Ich hätte viel früher etwas sagen sollen, dann wäre das alles wahrscheinlich nicht geschehen. Meine Wut projektiert sich auf sie. Du, deine Freundin Jess ist ein kleines, hinterlistiges Miststück. Ich hatte ihr vertraut.“„Nein, sie werden ihre gerechte Strafe schon bekommen, dafür werden wir sorgen. Nein, da täuscht du dich, Jess ist noch viel, viel schlimmer, als ein Miststück. Unberechenbar, hinterlistig, gefühlslos und egoistisch. Das habe ich leider viel zu spät bemerkt.“„Ich hab noch viel passendere Ausdrücke für sie, doch warum ihr Aufmerksamkeit schenken? Das ist doch genau das, was sie will. Von mir wird sie die nicht bekommen.“
Ich erklärte ihr in einer kurz Fassung, was damals los war. Sie hörte mir zu und erzählte mir ihre Geschichte. Mir war klar, dass wir keine dicken Freunde werden würden, doch der Kontakt würde so schnell nicht abbrechen, denn uns verband etwas. Wir waren beide am Ende, wegen denselben Personen. Ich war so erleichtert, dass sie nicht sauer auf mich war. Mir war klar, dass irgendwo in ihr etwas aufschrie, dass mir die Schuld geben würde, denn ich hätte früher eingreifen können, hätte gar nicht erst mit machen sollen. Doch es war nun mal geschehen. Ich konnte es nicht zurück drehen.„Und was machst du so?“, fragte sie mich als wir nichts mehr zu sagen hatten. Unsre Geschichten waren erzählt und halbwegs verdaut. Sie suchte etwas belangloses, um darüber zu reden.„Ich fange am1. August mein FÖJ an und dann ist ja auch schon bald das Gerichtsverfahren, danach will ich endlich studieren. Außerdem renovieren wir unser Haus. Und du?“Sie lächelte, sie verstand es sofort.„Momentan habe ich Winterpause vom Kickboxen. Nachdem ich wieder laufen konnte, habe ich sofort weiter gemacht. Ich studiere Journalismus. Und ich werde Ende des Jahres Heiraten. Ich möchte dich gerne, als Friedensangebot, dazu einladen“, sie schmunzelte, als sie dies sagte.„Wow, jetzt bin ich baff.“„Tja, wie du weißt habe ich das alles schon vor Jahren geplant, eigentlich ja nur aus Spaß.“„Du hast das alles wirklich geschafft. Herzlichen Glückwunsch. Warte mal, machst du das wirklich ha genau so, wie es geplant war?“„Höchstwahrscheinlich. Lass dich überraschen. Ich muss jetzt gehen. Mein Freund wartet schon, ich hab ihm versprochen, dass wir heute endlich unser verpatztes Wochenende nachholen werden.“Wir spürten die verwirrten Blicke der zwei Männer im Raum.Daraufhin lächelten wir. Sie stand auf und verabschiedete sich von mir, dann ging sie. Ja, sie ging. Darüber war ich sehr glücklich, denn so konnte sie ihr Leben wieder genießen, konnte nach dem Prozess alles vergessen oder verdrängen, genau wie ich.Nochmals bedankte ich mich bei dem Kommissar, dann gingen Tony und ich, Arm in Arm nach Hause. Unterwegs hielt er an einem kleinen Waldweg an, stieg aus und kam auf meine Seite des Wagens und öffnete mir, Gentlemen mäßig, die Tür. Ich ergriff seine Hand, zog ihn zu mir. Wollte ihn Küssen, doch er entzog sich mir.„Was war das da jetzt eigentlich? Ich meine zum Schluss?“„Tony, du zerstörst die Romantik. Ich erkläre es dir morgen. Und jetzt vergiss es bitte bis morgen.“„Na gut. Weißt du eigentlich, dass ich dich Liebe?“„Ja, das weiß ich.“„Du bist ja überhaupt nicht eingebildet.“„Nein, kein bisschen.“Ich zog ihn wieder zu mir und küsste ihn leidenschaftlich. Meine Hände fuhren seinen Rücken hinauf und verknoteten sich in seinem Haar. Seine Hände spürte ich auf meiner Hüfte liegen. Ich legte meine Arme nun um seinen Hals und verkreuzte meine Hände in seinem Nacken. Ich lehnte mich zurück, damit ich ihn sehen konnte. Er fing an, mich im Kreis zu drehen. Nach ein paar Minuten in dieser Position, setzten wir uns auf eine Bank. Von dort konnten wir die Sonne untergehen sehen. Es war wunderschön, ein prächtiges Farbenspiel. Ich hätte jetzt sehr gerne meine Kamera dabei, doch die lag zu Hause in einem der Kartons, ich musste sie unbedingt mal wieder herauskamen. Ich hatte lange nicht mehr Fotografiert, dazu hatte ich einfach zu viel um die Ohren. Obwohl ich beim Fotografieren am besten abschalten konnte, tat ich dies in der letzten Zeit nicht.Der Himmel war in einen knalligen Orangeton eingetaucht. Die Wolken hatten sich fast komplett aufgelöst und waren nur noch in Schwaden zu sehen. Es erinnerte mich an Rauchschwaden.Je weiter ich den Himmel ansah, fiel mir auf, dass das Orange in einem Dunkellila, fast Blau, ausfranste, bis es komplett Blau wurde.Es war Traumhaft schön.
Kapitel 13Der ProzessLouisa
Ende der Woche hatte ich endlich wieder Zeit mich mit Lu zu treffen. Es war ein Freitag. Wir wollten einen langen Mädelstag machen. Erst schön Brunchen, dann stundenlang quatschen und zu guter Letzt ein Discobesuch. Ich freute mich schon sehr darauf. Nun war es endlich so weit, wir hatten zwei Stunden mit Brunchen verbracht und waren nun satt. Wir beschlossen zu ihr zu gehen und uns die Zeit um die Ohren zu schlagen, bis wir abends in die Disco konnten.Wir saßen nun auf dem Sofa im Wohnzimmer und sahen eine Teenieschnulze: „Groupies bleiben nicht zum Frühstück“. Es war ein toller Film, kitschig, romantisch und der Traum eines jeden Mädchens. Ab und zu musste so ein Film sein, das war gut für die Seele.„Du Balu, ich muss dir was beichten“, flüsterte Lu in einem gedeckten Ton.„Was ist los?“„Na ja, ich werde in zwei Wochen mein Studium beginnen. Dazu muss ich hier wegziehen. Nach Nürnberg, das ist nicht weit von hier.“Im ersten Moment war ich geschockt, aber als ich dann hörte, dass sie nur nach Nürnberg zog, ließ der Schock etwas nach.„Lu, das ist zwar nicht weit von hier, aber dann sehen wir uns trotzdem nur noch selten.“„Ich weiß, aber ich will dieses Studium so sehr. Es ist mein Traum.“„Ja, Lu, ich weiß und ich werde dir das nicht ausreden. Ich freue mich für dich. Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr anfangen kann. Können wir das jetzt lassen und den Abend genießen?“„Danke, ja klar.“Wir umarmten uns innig, dann schleuderte sie mir ein Kissen ins Gesicht. Ich ließ das natürlich nicht auf mir sitzen. Prompt knallte ich ihr zwei Kissen um die Ohren. Sehr schnell wurde daraus eine weit ausgedehnte Kissenschlacht.
Gegen Abend fuhren wir zur Disco und ließen den Abend ausklingen. Es war ein wundervoller Abend, auch wenn die Musik in der Disco nicht unserem Geschmack entsprach, der Prosecco nicht schmeckte und mir jemand sein Bier über geschüttet hatte. Ich hatte derweil zwei Gläser Cola getrunken und drehte, wegen des Zuckers, richtig auf. So viel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr.Wir lachten über die Tanzstile der anderen, wobei uns klar war, dass andere über unsren lachten. Ich wurde an geflirtet, mit einem so unlogischen Spruch, dass ich nur die Augen verdrehen konnte und ihn abblitzen ließ. Ich hatte meine große Liebe gefunden, da konnte kein Kerl aus einer Disco mithalten.Wir versprachen uns, dass wir das öfters machen würden, auch wenn uns ab jetzt eine halbe Stunde Fahrt trennen würde.
***
Die letzten Tage verflogen nur so. Der Tag des Prozesses rückte immer näher. Eigentlich hätte ich am Montag anfangen sollen zu arbeiten, doch da der Prozess Donnerstags war, hielt meine Chefin es für das beste, wenn ich erst eine Woche später anfangen würde, denn da hatte ich den Kopf frei. Damit hatte sie zwar recht, doch ich langweilte mich die letzten Tage sehr. Deswegen beschloss ich einen Tag vor dem Prozess meine Kamera zu suchen, damit zu unsrem Haus zu fahren und ein paar Aufnahmen im Garten zu machen.Es Blühten noch fast alle Blumen und es waren wunderschöne dabei. Tolle Bäume, Birken, eine Tannen, eine Eiche, Kirschbäume, Apfelbäume, Aprikosenbäume, Birnbäume und sogar ein Kastanienbaum. Es war eine Vielzahl an verschiedenen Blumenarten: Lilien, Spätrosen, Eisenhut und im Teich blühten ein paar Seerosen. Die Namen der anderen Blumen kannte ich gar nicht. Es war wunderschön, wir hatten gerade Anfang August und es blüht noch fast alles, wahrscheinlich wurde das bis ende September so bleiben.Als ich durch den Garten wanderte, entdeckte ich Sonnenblumen, Ringelblumen, Johannisbeersträucher, Himbeerstauden und Passionsblumen. Auf der Wiese sah man vereinzelt Löwenzahn, Gänseblümchen und Klatschmohn. Letzterer war aber schon fast verblüht.Ich lichtete alles ab, es war einfach wunderbar, wieder die Kamera in der Hand zu halten und umher zu ziehen. Ich probierte viele Perspektiven aus und ich war schon ziemlich dreckig, weil ich mich überall auf den Boden legte. Ich verbrachte eine Ewigkeit im Garten. Meine Beine und Hände taten mir schon weh. Morgen würde ich bestimmt Muskelkater haben, ich war das einfach nicht mehr gewohnt. Es tat gut wieder meiner großen Leidenschaft nach zu gehen. Ich hatte es so sehr vermisst.Jetzt jedenfalls wollte ich erst mal nach Hause fahren und mir die Bilder ansehen. Ich sah auf die Uhr - in einer dreiviertel Stunde würde Tony nach Hause kommen.
***
Zu Hause angekommen zog ich mich um, nahm mir meinen Laptop und sah mir die Bilder an, die ich vorhin gemacht hatte. Dabei hörte ich Musik über Kopfhörer, ziemlich laut. „Why Not“ von Hilary Duff. Ich merkte gar nicht, dass mir jemand über die Schulter sah und sang auch noch laut mit, sah munter meine Bilder durch und drehte die Musik lauter. Ich hörte nicht, dass Tony versuchte mich anzusprechen, als er rein kam. Ich drehte die Musik noch lauter.Ich erschrak so sehr, als Tony mir die Kopfhörer von Kopf nahm, dass ich von dem Sofa fiel.„Aua“, schrie ich auf.„Entschuldige“, entschuldigte er sich sofort und half mir wieder auf.„Musst du mich so erschrecken?“„Na ja, du hast so laut Musik gehört, dass du mich nicht gehört hast.“„Wie lange bist du schon hier?“„Ach, so zehn Minuten bestimmt.“„Was?! Dann hast du mich also…“„Ja, hab ich. Deine Stimme ist nicht schlecht, aber nicht wenn du erkältet bist. Sorry, Süße, aber dann klingst du wie eine Drahtbürste. Aber die Bilder, die ich da gerade gesehen habe sind wunderschön. Ich würde gerne mehr davon sehen. Hast du die alle selbst gemacht?“„Tony, das ist mies. Na klar habe ich die alle selbst gemacht. Die Bilder, die du da gerade gesehen hast habe ich vorhin im Garten gemacht. Aber ich kann dir ein paar meiner älteren Bilder zeigen.“„Tja, wie du mir, so ich dir, Süße. Na dann mach ich mir schnell was zu essen und dann kannst du sie mir zeigen.“ Er verschwand in der Küche.Als er wieder kam hatte er ein dick mit Lyoner belegtes Brot in der Hand. Er setzte sich hinter mich und machte es sich bequem. Ich machte das große Deckenlicht aus, danach setzte ich mich zu ihm auf das Sofa, stellte meinen Laptop auf den modernen Glastisch, der vor dem Sofa stand und stellte die Diashow-Funktion ein. Ich lehnte mich an ihn, seine Arme schlangen sich von hinten um mich. Ich kuschelte mich richtig an ihn. Es gab mir ein Gefühl von Geborgenheit und Gemütlichkeit. „Deine Bilder sind echt Traumhaft schön.“„Danke, ich würde es gerne Studieren, aber dieses Jahr war schon alles voll.“„Das schaffst du schon, Maus. Was immer du dir vornimmst, wirst du auch schaffen wenn du auch daran glaubst.“Noch ungefähr eine weitere Stunde sahen wir uns Bilder an, bis wir letztendlich auf dem Sofa einschliefen.
*** Am nächsten Morgen, war es so weit. Der Tag des Prozesses war gekommen. Als ich aufwachte, lagen wir immer noch auf dem Sofa, seine Arme noch immer um meine Hüfte geschlungen. Kurz kuschelte ich mich noch mal an ihn und machte für einen kleinen Augenblick die Augen zu. Doch dann fiel mir ein, was für ein Tag heute war. Ich stand auf, machte erst mal eine große Kanne Kaffee. Danach ging ich ins Schlafzimmer und zog mich um. Meine Schultern waren total verspannt und jede Bewegung tat höllisch weh. Ich suchte nach etwas schlichten, eleganten. Nach etwas Suchen wurde ich endlich fündig.Eine schlichte, weiße Bluse, mit einer hellblauen Röhrenjeans. Diese war zwar sehr eng, aber durch die weiße, etwas längere Bluse wurde das ganze etwas aufgelockert. Dazu zog ich meine schwarzen, etwas hören Pumps an.Im Bad schminkte ich mich, dezent, aber doch mit sehr betonten Augen. So machte ich das immer.Ich bekam Hunger, also beschloss ich, mir etwas zu essen zu machen. Als ich am Wohnzimmer vor bei kam, sah ich, dass Tony immer noch schlief.Ich ging leise an ihm vorbei, um ihn nicht zu wecken, in die Küche. Dort deckte ich den Tisch, schob Aufbackbrötchen in den Backofen und als ich gerade zum Kühlschrank wollte um Butter, Marmelade und Wurst rauszuholen, schlagen sich von hinten zwei Arme um mich. Ich erschrak, ein leiser Schrei entfuhr meinem Mund.„Tja, da hab ich wohl jemanden erschreckt“, murmelte er in meinen Nacken.„Ja, du hast es tatsächlich geschafft“, gab ich in einem Ton von mir der beleidigt klingen sollte, doch er lachte nur. Ich verpasste ihm einen leichten Klaps an seine Schulter, es störte ihn gar nicht, er drückte einfach seine starken Lippen auf meine und ich konnte nicht anders als zu erwidern. Er zog mich magisch an. Ich liebte ihn über alles. Ich konnte ihm gar nicht böse sein.„Mist“, schrie ich, als mir einfiel, dass die Brötchen noch immer im Backofen waren, und rannte hektisch zum Backofen.„Was ist?“„Ich hab die Brötchen vergessen, jetzt haben wir Briketts zum Frühstück. Ich hoffe du magst es schwarz.“Ich holte die angebrannten Brötchen raus und legte sie in die Brotschale, diese brachte ich dann zum Tisch. Ich setzte mich, fing an mir mein Brötchen zu schmieren und sah zu wie Tony sich ebenfalls dazu setzte und es mir gleich tat.
Wenig später war auch er angezogen und bereit zum Aufbruch. Dann fuhren wir auch schon los. Langsam bekam ich vor der kommenden Situation Angst. Ich trommelte mit meinen Fingern auf meine Beine. Ich wurde immer nervöser, je näher wir kamen. Ich würde heute alle wieder sehen. Vor der Begegnung mit Jess hatte ich große Angst, denn sie schien vor nichts zurück zu schrecken. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde.Ich sagte kein Wort auf der Fahrt. Ich war viel zu sehr in Gedanken versunken, wie das heute alles ausgehen würde und wie danach alles weiter gehen würde, wie meine Strafe ausfallenwürde, wie die anderen auf mich reagieren würden und wie ich auf sie reagierte. Alles stand auf einem seiden Faden. Ich wusste nicht, was die Zukunft für mich brachte, ob alles gut werden würde oder ob sich alles nochmals wenden würde.
***
Vor dem Gerichtsgebäude trafen wir auf meinen Anwalt, meine Großeltern und Lu, mit ihrem Bruder. Lu und ihr Bruder waren geladen um auszusagen. Meine Großeltern waren da um mich zu unterstützen. Alle begrüßten mich und Tony. Lu kam auf mich zu und umarmte mich, gleichzeitig flüsterte sie: „Du schaffst das schon.“Ich nickte nur, dabei lächelte ich, es war zwar ein echtes Lächeln, doch ich war froh wenn das alles heute Abend vorbei war.„Komm wir gehen rein, wir haben noch eine halbe Stunde“, meinte der Anwalt zu uns in die Runde. Geschlossen gingen wir in das Gebäude. Es war ein großes, altes Gebäude, die Fassade war aus hellem Stein gearbeitet. Vor dem Eingang standen sechs Säulen, welche mit einem Dach verbuchen waren. Dies bildete eine Art offenen Vorraum, der einen vor Regen schützte. Das ganze Gebäude wurde im Stil des Peripteros erbaut. Es ist der, für das antike Griechenland, berühmteste Baustil für Tempel. Natürlich wurde dieses Gerichtsgebäude nicht im antiken Griechenland erbaut, sondern in einer viel späteren Zeit den Klasizismus. In dieser Zeit wurden viele Gebäude die Macht ausstrahlen sollten, aber vor allem Repräsentant sein sollten, darunter viele Gerichtsgebäude im Stil des antiken Griechenlands gebaut. Mir gingen gerade sämtliche Bezeichnungen der Architektur im antiken Griechenland durch den Kopf von Parthenon, was ein sehr berühmter Tempel in Griechenland ist bis zu Kapitell, was ein bestimmter Teil der Säulen ist. Dank meinem Kunst-Leistungskurs kam mir so etwas immer in den Sinn wenn ich ein Gebäude aus einer der Epochen sah, die wir durchgenommen hatten. Was zu meinem Leidwesen doch sehr viele waren, sodass ich sie mir leider kaum fürs Abitur merken konnte. Ich merkte wie mein Kopf mich mit allen Mitteln von dem bevorstehenden Ereignis ablenken wollte, doch leider klappte dies nur recht kurz. Zielstrebig gingen wir auf die Tür zu, sie musste erneuert worden sein, denn sie passte nicht zu Klima des restlichen Hauses. Es war eine große Glastür, die einen Blick auf das Innere preisgab. Wir liefen meinem Anwalt hinterher, er führte uns gleich die große Treppe hinauf, die direkt neben dem Eingang war. Oben angekommen platzierten wir uns vor dem Saal 6, in dem meine Verhandlung stattfinden würde.Ich wurde immer nervöser und unruhiger und wusste nicht, was ich dagegen machen konnte. Tony legte mir seinen Arm um die Schulter, um mich zu stärken. Das machte er immer, wenn er mich trösten, aufheitern oder Mut zu sprechen wollte. Doch er kam nicht dazu, denn ich musste dringend aufs Klo, das musste ich immer, wenn ich nervös war.Ich ging zu Lu und fragte sie, ob sie mitkam, sie nickte. Gemeinsam entschuldigten wir uns, dass wir kurz weg seien.
***
Als wir die Toilette betraten war keiner zu sehen. Also redete ich in normaler Lautstärke.„Du, Lu ich hab ganz schön Bammel vor dem Ganzen.“„Glaub ich dir. Hast da auch ganz schön Mist gebaut, was? Jetzt kann ich dich schon verstehen, warum du mir davon nichts erzählen wolltest.“„Ja hab ich. Ich will dafür gerade stehen, deswegen bin ich ja heute hier.“Ich wusch mir nur die Hände, denn aufs Klo musste ich nicht mehr, auch wenn ich wusste, dass ich es früher oder später wieder musste. Ja, ich würde es sogar bereuen, denn ich würde wahrscheinlich mitten in der Verhandlung aufs Klo müssen.„Du Balu ich muss dir noch was beichten.“„Hä? Was sollst du mir denn bitte beichten?“„Na ja, ich hab dir doch versprochen, dass ich mit Jess telefoniere. Das habe ich auch versucht, doch sie ignorierte mich einfach. Und um dich zu schonen wollte ich dir das nicht sagen“, flüsterte Lu mir ins Ohr.„Was?!“„Es tut mir leid, wirklich.“Ich wollte keinen Streit anfangen. Ich konnte sie ja auch verstehen, warum sie das getan hatte.„Ja, schon gut, ich versteh dich.“„Ich hatte Angst um dich“, sagte sie nun wieder in einem normalen Ton.Plötzlich öffnete sich eine Kabinentür, ich hatte wohl falsch gelegen, damit, dass wir alleine waren.„Och, wie süß. Jemand hatte Angst um die arme, arme Louisa. Was soll ich da nur sagen?“, hörte ich eine Mädchenstimme sagen, die ich sehr gut kannte.Es war eine mir sehr vertraute Stimme, doch sie klang nicht ganz wie früher. Sie war mit Wut und Verbitterung durchzogen. Was war nur aus ihr geworden?„Jess?“„Ja. Tu nicht so als ob du mich nicht erkennen würdest.“ Sie klang echt sauer.Ich machte einen Schritt auf sie zu, wollte sie umarmen, doch sie stieß mich zurück.„Spinnst du? Denkst du, dass jetzt alles so wird wie früher? Dass alle wieder auf deiner Seite sind? Du hast mich angezeigt, schön alles ausgeplaudert. Na, hat es Spaß gemacht? Du hast mein ganzes Leben ruiniert. Du bist Schuld. Hättest du dich nicht quergestellt, hätte ich das alles nicht tun müssen.“Sie war richtig wütend, doch ihre ganze Wut richtete sich gegen mich, dabei dachte ich, dass wir beste Freunde für immer wären; dass unsere Freundschaft stärker war.Aber als ich sie mir so ansah; als sie auf mich einredete, fielen mir die vielen Veränderungen auf. Ihr Haar hatte nicht mehr diesen schönen Mittelblondton, sondern sie waren jetzt Wasserstoffblond. Ihren Bob hatte sie auswachsen lassen. Sie war geschminkt und es wirkte sehr billig, ihr ganzer Aufzug wirkte billig. Das war nicht mehr die sportliche, hübsche Jess, die ich kannte. Mit dieser Jess wollte ich wieder Freundschaft schließen, doch nicht mit der neuen.„Wenn hier jemand spinnt, dann bist du das. Du bist Diejenige, die dort bleiben wollte; die mit gemacht hat; die mich bedroht hat, ihre beste Freundin. Ich wollte dir vergeben, doch du willst nicht, und mit dieser Jess will ich nichts zu tun haben. Erinnere dich doch mal an unsere Zeiten, früher, als wir noch jünger waren. Es war so eine tolle Zeit und ich denke gerne daran zurück. Sehe mir gerne die Bilder an. Wenn hier jemand Schuld hat, dann du alleine, daran, dass unsere Freundschaft zerbrochen ist. Du wolltest deine ach so tollen Freund nicht für deine beste Freundin aufgeben. Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut hab und ich werde dafür gerade stehen. Das was ihr mir angetan habt, wird auch nicht ungestraft bleiben. Öffne mal deine Augen. Du stehst dir selbst im Weg. Das merkst du gar nicht. Wenn es dir irgendwann mal auffallen sollte, melde dich bei mir. Lass es mich wissen, dass du von deinem bescheuerten Trip runter bist. Lebe wohl, ich will dich nach dem Prozess nie wieder sehen.“Sie stand einfach nur da, sagte nichts. Aber da war auch Hass. Hass, der sich gegen mich richtete.Es tat aber gut endlich mal meine Meinung zu sagen.„Weißt du was, Louisa? Du kannst mich mal. Ich will dich nie wieder sehen, schon gar nicht mehr mit dir befreundet sein. Nach diesem Prozess siehst du mich nie wieder. Und ich freue mich darauf.“„Gleichfalls“, rief ich ihr hinterher, als sie wütend aus der Tür stapfte.„Das tat gut, Lu. Das kannst du mir glauben.“Gemeinsam verließen wir die Toilette.Nun waren es nur noch zehn Minuten bis zum Beginn der Verhandlung.
***
Mein Anwalt und ich wurden nun aufgerufen. Meine Großeltern wurden als Nebenkläger zugelassen und durften nun auch in den Saal, der Rest musste draußen warten, bis sie aufgerufen wurden.Ich kam in den Saal. Setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Hier drinnen würde sich ein Teil meiner Zukunft ändern. Und genau hier würde sich die Zukunft von Jess, Mike, Bec und Luke gewaltig ändern. Ich hoffte sie würden eine harte Strafe bekommen.Ich setzte mich auf den Stuhl. Neben mich setzte sich mein Anwalt.Dann kamen aus einer Tür hinter dem großen Pult, Richter, Staatsanwalt, und zwei weitere Personen.Sie setzten sich alle auf ihre Plätze, der Richter übergab dem Staatsanwalt das Wort. Dieser verlas die Anklage gegen mich. „Der Angeklagten wird vorgeworfen in der Zeit von 4.10.2005 zum 3.4.2006 die Geschädigte, in Mittäterschaft, mehrfach beleidigt und bedroht zu haben. Zu dem haben sie die Geschädigte mehrfach vor der Schule und auf dem Heimweg abgefangen und ihr Geld und Wertsachen weggenommen. Dabei wurde auch körperliche Gewalt angewandt. Die Geschädigte hatte große Angst die Schule weiterhin zu besuchen und ist daraufhin unentschuldigt von der Schule fern blieb. Doch sie suchten sie auch zu Hause auf. Die Geschädigte wurde einer schweren psychischen Belastung ausgesetzt, der sie letztendlich nicht standhalten konnte und sich versuchte das Leben zu nehmen. Deshalb wird die Angeklagte wegen Bedrohung, Beleidigung, Nachstellung, Erpressung und Fahrlässiger Körperverletzung, in Mittäterschaft angeklagt“, beendete der Staatsanwalt seine Verlesung und setzte sich wieder hin.Der Richter wendete sich mir zu und sprach mich an.„Nun, dann kommen Sie mal in die Mitte.“Ich stand auf, ging in die Mitte und setzte mich auf dem Stuhl. Ich fühlte mich gar nicht wohl, wenn mich so viele Leute anstarrten.„So, als erstes belehre ich Sie nochmals.“„Sie wissen, dass sie vor Gericht die Wahrheit sagen müssen, außer wenn sie sich dadurch selbst belasten müssten.“„Ja.“„So jetzt noch zu ihren Personalien. Sie sind Marie-Louise von Brendropp. Sind 19 Jahre alt, und sind am 16.11.1987 geboren, ledig, und wohnhaft in …“Ich hörte nur halb hin, stattdessen sah ich mich in dem Saal um. Er war nicht gerade groß. Ich saß mit meinem Anwalt auf der linken Seite, gegenüber dem Staatsanwalt. Direkt in der Mitte war ein Tisch mit einem Stuhl, genau auf diesem saß ich gerade. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich hasste es wenn ich im Mittelpunkt stand. Das konnte ich noch nie ausstehen. Hinter dem Ganzen standen viele Stühle. Davor zwei Bänke, die für die Zeugen waren. Die Stühle dahinter waren für Zuschauer, doch diese Verhandlung verlief mit Ausschluss der Öffentlichkeit.
„Es wäre nett von Ihnen, wenn sie mich einfach nur Louisa nennen.“Ich nickte immer nur, sagte erst mal nichts. Ich drehte mich um und sah mich um.Dann wurde ich mit Fragen bombardiert, von allen Seiten.„Ja, ich habe all dies getan, erst freiwillig. Warum, kann ich ihnen nicht sagen.“„Warum können sie dies uns nicht sagen?“„Weil ich es selbst nicht weiß. Vielleicht meine Freundschaft zu Jess. Ich hatte ihr vertraut. Doch recht schnell begriff ich, dass das alles nicht in Ordnung war. Dass ich unrecht gehandelt hatte. Ich wollte mich mit Jess von ihnen zurück ziehen, doch sie wollte nicht. Sie ließ auch nicht zu, dass ich ging. Als die anderen davon erfuhren, dass ich weg wollte, fingen sie an mich zu erpressen. Ich musste bleiben, doch irgendwann konnte ich nicht mehr und ich ging. Danach machten sie ihre Drohungen wahr. Sie machten mir das Leben zur Hölle, bis ich nicht mehr konnte. Dann schickte mich mein Vater auch noch auf ein Internat.“„Dann wollten Sie Ihrem Leben ein Ende setzen? Einfach abhauen, damit sie von allem ungestraft davon kommen würden?“, fragte der Staatsanwalt. Die Frage tat sehr weh. Sie schleuderte mich in die Vergangenheit zurück. Alles lief vor meinen Augen vorbei, wie in einem Kino, nur dass mein Leben da die Hauptrolle spielte. Ich konnte im ersten Moment nicht antworten. Mir kamen die Tränen in die Augen, ich blinzelte sie zurück.„Nun, was ist. Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“„Ja, ich wollte mich umbringen, doch es war eine Kurzschlussreaktion. Eigentlich wollte ich das nicht und ich bin froh, dass ich hier heute sitze und für alles gerade stehen kann, was ich getan habe. Ich habe die Last dann endlich von meinen Schultern. Melanie hat mir verziehen, ich habe mit ihr gesprochen und das erleichtert mich sehr. Ich bin ihr dafür sehr dankbar. Ich wollte nicht, dass das passiert, doch es ist nun mal geschehen. Ich kann es leider nicht ändern.“„Das ehrt Sie, dass Sie sich selbst angezeigt haben und für alles gerade stehen wollen. Dass Sie sich entschuldigt haben und Reue zeigen. Das wird Ihnen auch sehr positiv angerechnet“, meinte der Richter in einem sehr netten Ton zu mir. Im gegen Satz zum Staatsanwalt, war der Richter sehr nett. Seine Stimme wirkte irgendwie beruhigend. Ich redete gerne mit ihm, seine Fragen stellte er stets höflich und in einem ruhigen Ton. Nicht so aufbrausend wie der Staatsanwalt. Mein Respekt vor dem Richter war viel größer, als zum Staatsanwalt. Am liebsten würde ich ihm ab und zu pampig Antworten, doch das würde meine Situation nicht gerade verbessern, also hielt ich mich zurück.„Nun gut, du kannst dich neben deinen Anwalt setzen. Wir machen dann weiter mit Elouise Ried.“Lu kam in den Saal, setzte sich in die Mitte auf den Stuhl. Sie wurde belehrt, ihre Personalien wurden festgehalten und auch sie wurde zu vielen Geschehnissen befragt. Danach kam ihr Bruder dran. Bei ihm war es das gleiche. Nur diesmal stellte der Staatsanwalt noch klugerweise fest, dass Marc, Lus Bruder war. Eine echte Glanzleistung. Ich mochte ihn irgendwie überhaupt nicht. Ja, er machte nur seinen Job, aber sympathisch war er mit trotzdem nicht.„Anthony McHard, bitte“, ließ der Richter ihn aufrufen.Mein Freund trat ein und setzte sich auch auf den Stuhl.„Sie wissen, dass Sie vor Gericht die Wahrheit sagen müssen, außer Sie würden sich selbst belasten“, belehrte er ihn.„Ja.“„Sie sind Dr. Anthony McHard, 26 Jahre alt, am 19.9.1980 in Amerika geboren…“„Ja, aber ich bin seit 20 Jahren in Deutschland und habe auch einen deutschen Pass.“„Sie haben Marie-Louise psychologisch betreut nach dem Vorfall? Wie hat sie sich verhalten?“„Sie war etwas mitgenommen und anfangs sehr zurückhaltend. Letztendlich hat sie sich gegenüber mir geöffnet und ihr wahres Gesicht gezeigt. Sie hat Reue gezeigt in allem, was sie getan hat und eingesehen, dass dieser Schritt ein falscher Schritt war. Sie hat sich auf eine Therapie eingelassen. Ich habe sie noch einige Wochen lang betreut.“„Ja, und wie verhält sie sich jetzt? Können Sie sagen, dass sie psychisch so stabil ist, dass sie wieder ganz normal am Leben teilnehmen kann, ohne Betreuung? Würde sich eine höhere Strafe negativ auf ihre Lage auslegen?“„Sie hat sich als lebensfroher, glücklicher und frecher Mensch heraus gestellt. Sie ist unheimlich stark. Sie hat ihre Grenzen schon erreicht und weiß, was sie falsch gemacht hat. Ihr ist bewusst, was sie macht. Sie hat viel Pech in ihrem Leben gehabt, wollte aber nie aufgeben. Sie hat alles selbst in die Hand genommen. Daraus lässt sich schließen, dass sie sehr selbstständig ist. Eine höhere Strafe könnte sich durchaus negativ auf ihre psychische Lage auswirken.“Er sah zu mir herüber, lächelte mich an. Ich lächelte zurück. Ich würde im am liebsten um den Hals fallen, und ihm sagen, wie sehr ich ihm dafür dankte. Ihm sagen, wie sehr ich ihn liebte. Eigentlich durfte er gar nicht als mein Psychologe aussagen, da ich ja jetzt mit ihm zusammen war, doch das sagten wir nicht. Sonst müsste noch ein weites Gutachten erstellt werden. Dafür hatte ich keine Geduld mehr. Ich wollte, dass alles nur noch vorbei war. Jetzt war ich dem ganzen ein Stück näher. Tony setzte sich auf eine der Bänke, dann kam auch schon Luke rein. Er machte seine Aussage. Nach ihm kam Bec, auch sie machte nun ihre Aussage. Maik musste auch seine Aussage machen. Alle drei sagten gegen mich aus, doch die Aussagen waren nicht sehr glaubhaft, versicherte mir mein Anwalt. Das erleichterte mich.Nun war Jess an der Reihe. Sie war die einzige, die mich nicht ansah. Sie wich meinen Blicken aus. Ich glaubte, unser Streit hatte ihr ziemlich zugesetzt, worüber ich komischerweise froh war. Eigentlich hoffte ich nur, dass sie endlich aus ihrer Trance aufwachen würde und wieder wie früher werden würde. Ich wollte immer noch nur das Beste für sie.„Sie wissen, dass Sie vor Gericht die Wahrheit sagen müssen, außer Sie würden sich selbst belasten. Sie sind Jessica Braun und 18 Jahre alt, am 4.6.1988 geboren …“„Ja bin ich. Können Sie jetzt einfach anfangen, damit ich wieder gehen kann?“„Würden Sie mich ausreden lassen, ginge es schneller.“„Ja, ja …“Jess war sauer und das zeigte sie allen, die im Saal waren. Sie hatte noch nie ein Blatt vor den Mund genommen, aber sie war dennoch Respektvoll geblieben. Dieser Respekt war vollkommen verschwunden. Da vorne saß eine ganz andere Jessica, als die, die ich kannte. Das hatte ich vorhin auf der Toilette schon festgestellt, doch jetzt wurde es mir erst so richtig bewusst. Was hatten sie nur mit ihr gemacht? Vielleicht wäre ich auch so geworden. Daran wollte ich lieber nicht denken.„Sie sind also die beste Freundin der Angeklagten?“„Nein, ganz bestimmt nicht mehr. Wir waren mal eng befreundet, doch das ist schon lange her. Sie ist eine Verräterin. Sie hat mich hintergangen.“„So, ich habe dich hintergangen? Wer hat mich Monate bedroht und mich Erpresst? Das warst ja wohl du. Weißt du, ich will dich nie mehr sehen und ehrlich gesagt, ich bin froh, dass unsere Freundschaft beendet ist und ich weiß, was ich an dir habe - nämlich nichts!“„Ich möchte Sie bitten, dass Sie sich zurückhalten, wenn ich Zeugen befrage. Wenn ich Fragen an Sie habe, werde ich mich schon an Sie wenden“, sagte der Richter zu mir und mein Anwalt schärfte mir ein, dass ich das unterlassen sollte.„Was hat sie denn getan, dass sie so sauer auf sie sind?“, fragte der Staatsanwalt.„Sie hat uns verpfiffen, diese Kuh. Einfach ausgeplaudert hat sie, dabei habe ich ihr doch klar und deutlich gesagt, dass sie das doch bitte unterlassen soll.“Dies sagte Jess in einem ekelhaften Tussi-Tonfall.Der Staatsanwalt merkte langsam, dass es nichts bringen würde mir eine hohe Strafe anzuhängen oder mich noch irgendwie auszufragen. Ich hatte alles gestanden, von vornherein. Die meisten Zeugenaussagen sprachen für mich. Die, die gegen mich sprachen, waren unglaubhaft und Jess hatte sich eben komplett verplappert und somit quasi ein Geständnis abgelegt. Damit war nun wieder ein Stück mehr meine „Unschuld“ bewiesen.„Wie darf ich das denn jetzt verstehen? Als Geständnis?“, hakte der Staatsanwalt nach.„Ähm… Nein… Ich sag jetzt gar nichts mehr.“Der Rest der Clique sah Jess böse an.„Nun gut, das ist ihr gutes Recht.“Melanie war das Opfer, doch auch sie sagte für mich aus. Alles schien sich zum Guten zu wenden. Meine Strafe schien relativ niedrig auszufallen.Nun verkündete der Staatsanwalt die für ihn passende Strafe. Er hielt sein Plädoyer.„Die Angeklagte hat gestanden, sich selbst angezeigt, um für ihre Fehler gerade zu stehen. Erst dachte ich, sie wolle damit etwas anders vertuschen, doch es hat sich nun herausgestellt, dass sie hier eindeutig das Opfer war. Nun, sie ist in allen Anklagepunkten zu verurteilen. Ich bin der Meinung, dass hier eine Woche Freizeitarrest und weitere 90 Sozialstunden der Schuld und Tat angemessen sind.“Mein Anwalt würde nun versuchen, die geringst mögliche Strafe für mich herauszuholen.Er stand auf und begann: „Mir ist bewusst, dass das nicht ungestraft bleiben kann. Dennoch bin ich der Meinung, dass Sozialstunden ausreichend sind. 40 Stunden in dem Tierheim in dem sie ehrenamtlich arbeitet. Zu diesem Ergebnis komme ich da ich sehe, wie sie das alles bereut. Sie hat sich mehrfach entschuldigt und will für ihre Vergehen gerade stehen. Sie ist bereit eine Strafe auf sich zunehmen. Sie ist sogar von alleine zur Polizei gegangen und hat sich angezeigt. Ich bitte dies positiv zu berücksichtigen für meine Mandantin.“Nun setzte er sich wieder, die Richterkammer zog sich zurück, nun hieß es warten. Tony kam zu mir, hielt meine Hand und machte mir Mut.„Hey, wird schon alles gut werden. Mach dir keine zu großen Sorgen, das macht nur Falten in dein schönes Gesicht.“Ich musste lachen, auch wenn ich das eigentlich in dieser Situation nicht wollte.„Hey.“Auf umarmen oder Küssen verzichteten wir, da wir ja offiziell kein Paar waren, damit Tony aussagen konnte. Dabei sehnte ich mich so sehr nach seinen weichen, warmen Lippen, in denen ich versinken konnte und alles um mich herum vergessen konnte.Schon nach wenigen Minuten, zirka zwanzig Minuten, kam die Richterkammer wieder hervor.Alle erhoben sich. Mein Herz fing an schneller zu schlagen.Ich hatte große Angst vor genau diesem Moment. Ich konnte nur hoffen, dass der Richter alles glauben würde und dass er mir eine milde Strafe auferlegen würde.Ich atmete tief ein und aus, sah zu Tony, der mir einen Mut machenden Blick schenkte und ich musste tatsächlich lächeln.Dann begann der Richter zu reden: „Die Angeklagte wird zu 50 Sozialstunden im städtischen Tierheim verurteilt. Wir kommen zu diesem Urteil, da wir Selbstanzeige, Reue, die Entschuldigung und ihre Ehrlichkeit stets zu ihrem Vorteil betrachtet haben. Insbesondere finde ich es sehr lobenswert so einen Schritt zu gehen und sich selbst anzuzeigen …,“ nun wand er sich mir zu: „Sie haben gezeigt, dass Sie bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Zudem sind wir uns sicher, dass Sie zu einigen Handlungen gedrängt wurden …“, dann wandte er sich zu meiner alten Clique: „Und zwar von Ihnen. Sie haben Ihre Lage ausgenutzt, ihr Angst gemacht, dass ihr genau das geschehen würde, wie all den anderen. Das ist ein sehr feiges Verhalten, was oft nur in einer Gruppe gezeigt wird. Wenn jeder von euch auf sich alleine gestellt wäre, dann würde er nicht weit kommen. Ich wünsche Ihnen, Louisa, viel Glück bei Ihren weiteren Leben und passen Sie auf, dass Sie auf solche Leute nicht noch einmal rein fallen. Natürlich kann innerhalb einer Woche Revision eingereicht werden …“, er sah zu meinem Anwalt der daraufhin ablehnte, dann sah er zu dem Staatsanwalt und auch er lehnte ab. „… Nun, somit ist das Urteil rechtskräftig.“Alle standen auf und verließen den Saal.
Kapitel 14Endlich 20Louisa
Spät abends lag ich noch wach in unserem Bett, denn ich konnte nicht schlafen. Ich war zu aufgeregt. Morgen würde ich endlich 20 Jahre alt werden. Ich freute mich darauf. Es war der erste Geburtstag nach all dem. Ich war glücklich, dass alles vorbei war, denn ich konnte nun fast alles vergessen und hinter mir lassen. Ich hatte mein Abi trotz allem bestanden und konnte nun endlich studieren. Ich hatte meine Prüfungen in einer anderen Schule abgelegt und nicht im Internat, denn dahin wollte ich nicht zurück. Auch wenn ich fast um die Ecke wohnte. Ich hatte mich sehr gewundert, dass meine Großeltern hier in der Nähe wohnten, aber dafür gab es eine simple Erklärung: meine Mutter war auf dieses Internat gegangen, aber nicht als interne Schülerin. Sie fuhr jeden Morgen mit dem Fahrrad hin. Sie lernte dort meinen Vater kennen. Dies war auch wahrscheinlich der Grund warum Dad mich auf dieses Internat geschickt hatte.Morgen musste ich zum Glück nicht arbeiten, denn es war Sonntag. Es waren alle sehr nett zu mir, und keiner außer meiner Chefin wusste von meiner Vergangenheit. Ich machte dort meine Sozialstunden, was ebenfalls keiner wusste. Es machte mir Spaß den Tieren zu helfen. Den ein oder anderen Patienten würde ich gerne mit nach Hause nehmen, doch bis jetzt war Tony dagegen, aber das würde sich noch ändern, sonst würde ich ohne seine Zustimmen handeln. Das wusste er auch genau. Ich schätzte, er rechnete jeden Tag damit, dass wir einen tierischen Gast haben würden.Noch ein Jahr dann würde ich wieder die Schulbank drücken, ich würde endlich anfangen können zu studieren. Kommunikationsdesign im Bereich Fotografie. Ich freute mich sehr, weil ich darauf lange hin gearbeitet hatte. Es war mein größter Traum Fotografin zu werden.Langsam wurden meine Augen immer schwerer. Letztendlich konnte ich der Müdigkeit nicht mehr stand halten und schloss die Augen.
***
Die ersten Sonnenstrahlen des Tages trafen auf mein Gesicht und weckten mich. Ich drehte mich um, wollte mich an seine Schulter kuscheln, doch das Bett war leer. Aber es war doch Sonntag und da musste auch er nicht arbeiten, jedenfalls nicht diesen Sonntag. Oder hatte er mal wieder eine weitere Schicht übernommen? Ich wollte gerade schon die Vorstellung von einem schönen Geburtstag abschreiben, da öffnete sich die Tür. Er kam mit einem Tablett in unser Schlafzimmer, das immer noch im Chaos versank. Auf dem Tablett war eine kleine Vase mit einer Rose aus dem Garten, dann Brötchen mit Käse, zu dem noch andere Leckereien.„Alles Gute zum Geburtstag mein Schatz. Lass es dir Schmecken.“Er stellte das Tablett auf dem Bett ab. Ich richtete mich auf um zu überblicken was sonst noch so auf dem Tablett war. Ich freute mich sehr über diese Überraschung. Ich strahlte ihn, bis über beide Ohren, an.„Oh, Tony du bist so süß. Komm her.“Ich gab ihm einen Kuss. Ich war ihm so dankbar für alles.„Ich liebe Dich“, flüstere er.Seine Arme legten sich um meinen Hals, aber nicht so als würde er mich umarmen. Ich fühlte etwas Kaltes an meinem Hals, da begriff ich: er schloss eine Kette. Dann kniete er sich vor mich: „Und gefällt sie dir?“, fragte er.Ich nahm den Anhänger in die Hände und hielt ihn hoch, sodass ich ihn besser sehen konnte.Es war ein Kreuz, das sehr alt aussah und komplett silbern war, mit einigen Steinchen besetzt. Es war sehr filigran gearbeitet und wirkte verspielt, aber dennoch sehr edel.„Ja, sie ist wunderschön“, flüsterte ich in sein Ohr.Ein lautes Grummeln holte mich aus meinen Gedanken, wo ich diese Kette schon einmal gesehen hatte.„Da hat aber jemand Hunger. Und jetzt hau rein, es geht noch weiter mit den Überraschungen.“„Was kommt denn noch? Das reicht doch schon.“„Gott, bist du bescheiden. Ich wette du hast seit mindestens drei Jahren deinen Geburtstag nicht mehr richtig gefeiert, oder?“„Seit vier Jahren, seit meine Mutter gestorben ist. Vielen Dank Tony.“„Siehst du … also lass dich überraschen, Schatz.“
Ich genoss den Morgen mit ihm, wir blieben im Bett liegen und aßen das Frühstück. Es war wunderbar. Am späten Nachmittag sollte ich mich fertig machen. Ich fragte, wofür, doch er wollte es mir nicht sagen. Egal wie oft ich versuchte es aus ihm herauszubekommen, er sagte nichts. Nicht mal ein klitzekleines Detail, was mir etwas verraten könnte.Um 18 Uhr ging es los. Ich war total aufgeregt. Tony fand dies nur belustigend. Er verdeckte meine Augen, damit ich auch ja nichts sah. Das war so gemein. Aber ich spielte mit und benahm mich.Nach einer etwas längeren Fahrt waren wir endlich da. Wahrscheinlich kam es mir länger vor als es eigentlich war. Er stieg aus und kam schnell auf meine Seite, dann half er mir aus den Wagen und führte mich in ein Gebäude rein, durch das Gebäude hindurch und wieder hinaus. Ich dachte an einen Garten.Dann hörte ich kichern und andere Geräusche. Tony zählte los: „1…2…3…“, nach dem er Drei gesagt hatte, nahm er mir die Augenbinde ab und gleichzeitig riefen einige Leute „Herzlichen Glückwunsch“.Ich sah mich um, wir befanden uns im Garten meiner Großeltern, es waren ungefähr 20 Leute gekommen um mit mir meinen Geburtstag zu feiern. Meine Großeltern, der Anwalt, der auch ein guter Freund der Familie war, Lu, ihr Bruder und ihr Vater. Einige kannte ich aus dem Internat, es waren Freunde von Lu, aber ich mochte sie. Und dann war da noch jemand ganz besonderes. Ich entdeckte ihn erst gar nicht. Aber als ich ihn sah stürmte ich auf ihn los und umarmte ihn. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn jemals wiederzusehen. Er war vor einigen Jahren weggezogen mit seiner Familie. Er war mein Bruder, mein bester Freund. Kaum einer wusste, dass ich einen Bruder hatte, weil sein Verlust so schmerzhaft war redete ich nie über ihn. Auch Dad hatte nie wieder über ihn geredet, als er ging. Auch Tony hatte ich nie etwas von meinem Bruder erzählt, ich verdrängte den Gedanken das es ihn gab immer, es schmerzte zu sehr. Mehr als meinen Vater zu verlieren. Die von dem Verschwinden meines Bruders wussten, dachten einfach nur er wäre wegen seines Medizinstudiums gegangen, doch das war nur die halbe Wahrheit. Er und mein Vater hatte sie noch nie gut verstanden. Das war der eigentliche Grund weshalb er ging und zwar soweit weg wie er nur konnte. Vor Jahren hatte er sich abends mit Dad gestritten und am nächsten Morgen war er weg ohne irgendetwas zu sagen. Doch nun wollte ich nicht mehr Trübsal blasen, sondern nach vorne sehen. Er war wieder da und das war die Hauptsache! Kurz fragte ich mich wieso er jetzt hier war und wer ihn eingeladen hatte. Wahrscheinlich meine Großeltern, wer sonst? Doch dann löste ich mich etwas aus der Umarmung, die er erwidert hatte, und richtete das Wort an ihn.„Oh, ich hab dich so vermisst, großer Bruder.“„Ich dich auch, Kleines.“Ich drückte ihn noch mal eng an mich, dann ließ ich von ihm ab.„Hey, bevor du zu den andren gehst, ich hab von deinen Dummheiten gehört und von dem, was Dad angestellt hat. Ich hätte nicht gehen sollen, egal wie sehr ich von unserem Vater weg wollte. Ich hab dich im Stich gelassen …“„Hör auf, ja?! Ja, okay, ich gebe zu, ich fand es richtig scheiße von dir, dass du gegangen bist, aber dir ging es nicht gut und außerdem wäre sonst nicht so ein guter Arzt aus dir geworden, auf den ich stolz sein kann. Und jetzt halt die Klappe und vermiese mir nicht den Tag. Ich muss dir jemanden vorstellen.“ Ich ging einfach davon aus der er wirklich Arzt geworden war, es war schließlich sein Traum. Da er nichts darauf erwiderte, lag ich wahrscheinlich mit meiner Vermutung richtig.Ich ließ ihm keine Zeit etwas zu sagen, sondern zog ihn zu Tony.„Tony, ich weiß ich habe dir nie von ihm erzählt. Aber das ist mein Bruder Michael.“„Was? Du hast einen Bruder?“, fragte mein Schatz irritiert. „Ja, habe ich.“„Mich verwundert es nicht, dass sie Ihnen nichts davon erzählt hat. Ich wäre auch sehr sauer gewesen.“„Ach Tony, ich erkläre dir ein anderes Mal alles. Jungs, versaut mir jetzt nicht den Abend.“„Das Geburtstagskind hat gesprochen. Ach ich bin übrigens Tony, der Freund Ihrer Schwester."„Michael“, die beiden schüttelten sich die Hände, ich begrüßte die restlichen Gäste und dankte für ihr kommen, dann wurde ich mit Geschenken überhäuft.Ich wollte dass eigentlich gar nicht, aber es tat auch mal ganz gut in Mittelpunkt zu stehen.Ich bekam viele Kleinigkeiten, über die ich mich sehr freute. Auch über die Anwesenheit der ganzen Leute freute ich mich sehr. Es war einer der schönsten Tage meines Lebens. Ich hatte endlich meinen Bruder wieder. Ich hatte ihn sehr vermisst. Er war vor 6 Jahren weggezogen, knapp zwei Jahre vor Mom´s tot. Als hätte er geahnt, das etwas passiert und sich unser Leben vollkommen ändern würde. Er hatte es mit Dad nicht mehr ausgehalten und war einfach, ohne etwas zu sagen, weg. Er hatte sich von mir verabschiedet. Anfangs meldete er sich noch regelmäßig, doch irgendwann wollte ich keinen Kontakt, weil ich sauer auf ihn war. Er hatte mich mit ihm alleine gelassen. Eigentlich wollte ich ihm das nie verzeihen, aber ich hatte ihn zu sehr vermisst. Ich liebte ihn über alles. Wie so oft wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, ich drehte mich um und war überrascht als ich Marc, Lus Bruder, sah. Neben ihm sein Vater.„Hi, wie geht es dir?“, fragte Marc.„Hi, gut. Ach was sag ich da - verdammt gut.“„Das ist schön zu hören. Meine Tochter hat sich große Sorgen um dich gemacht“, schaltete sich sein Vater ein.„Ich weiß, das tut mir leid, das wollte ich nicht.“„Balu sei still, das ist jetzt alles Geschichte und kann vergessen werden. Also genieße den Abend.“ „Zu Befehl“, sagte ich und grinste Tony an. Denn von ihm kam dieser Kommentar, womit er auch recht hatte. Plötzlich hörte ich eine laute sehr vertraute Stimme meinen Namen rufen, ich drehte mich um und sah Lu auf mich zu kommen.„Oh man du bist mir eine. Komm her du durchgeknalltes Huhn“, rief Lu und nahm mich in die Arme.„Ja ja, so bin ich.“„Du mich auch.“„Oh da ist heute jemand gut drauf, was?“„Das sagt genau die Richtige.“Die leise Musik wurde lauter aufgedreht. Wir sahen uns an, dann stürmten wir los.„Wo wollt ihr hin?“, fragte ihr Bruder, der uns mit fragenden Augen an sah.„Wir wollen tanzen, was den sonst?“Da waren wir auch schon auf der Tanzfläche, doch wir waren alleine, was uns aber herzlich wenig störte. Wir hatten unseren Spaß, auch wenn uns alle anstarrten.
Wir feierten noch bis weit in die Nacht hinein. Meine Großeltern passten mich kurz ab, um mir noch etwas zu geben. „Hey alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz. Wir haben noch etwas für dich.“ Mein Großvater hielt mir eine Kette hin. Ich nahm sie und sah sie mir genauer an.„Das ist Moms Kette, oder?“„Ja, wir denken, dass sie gewollt hätte, dass du sie bekommst.“„Vielen Dank. Endlich habe ich etwas, was mich an sie erinnert, außer Bilder. Ich hab euch so lieb, ich vermisse Mom.“ Ich umarmte sie und ein paar Tränen kullerten mir über die Wange.„Wir lieben dich auch und wir vermissen sie genauso wie du. So und jetzt wisch dir die Tränen aus dem Gesicht und feire weiter, dein Freund wartet auf dich.“Ich drehte mich um, und er wartete tatsächlich.
Wir übernachteten bei meinen Großeltern, da ich und Tony etwas mehr getrunken hatten.Mein Lieblingsgetränk an diesem Abend war „Sex on the Beach“. Ich trank mindestens 5 Stück. Dadurch war ich leider mehr als nur angeheitert. Ich konnte mich nämlich leider nicht mehr erinnern wie ich im Bett gelandet bin. Jedoch vermutete ich dass Tony mich getragen hatte, im Gegensatz zu mir war er wirklich nur angeheitert. Entweder hatte er schon so seine Erfahrung mit Alkohol gemacht und wusste wo seine Grenze war oder er trank nicht so gerne. Allerdings tippte ich auf ersteres.
***
„Verdammt“, schrie ich laut. „Man, wo können denn nur diese blöden Schuhe sein?“, fragte ich mich selber laut.„Schatz, du hast noch genügend andere Schuhe.“„Ja schon, aber ich brauche die, die ich suche.“Tony fand es sehr lustig, dass ich irgendwelche Schuhe suchte. Vermutlich dachte er, ich wollte die passenden zum Outfit haben. Aber so war ich gar nicht. Ich besaß eh fast nur Chucks.„Ah, da sind sie ja“, sagte ich und hielt meine Kletterschuhe triumphierend hoch. Dazu zog ich mein rotes Sporttop und die Cargohose im Militärstil an. Dann ging ich in die Küche, dort stand Tony und machte gerade das Mittagessen. „Was hast du vor?“„Ich werde meinen Sport wieder ausüben. Wonach sieht es denn aus? Ich hab endlich eine Bouldergruppe hier in der Nähe gefunden.“„Boulder … was?“„Klettern, ich gehe Klettern. Hinten im Wald. Dort sind Felsen, die sich gut dafür eignen. Und keine Sorge, ich bin nicht alleine dort. Kannst auch gerne mitkommen wenn du willst.“„Pass auf dich auf. Ich bleibe hier. Habe noch einiges zu tun, ich kann dich aber abholen kommen wenn du möchtest.“„Ja gerne. So, ich muss jetzt los.“Ich gab ihm einen Kuss, die Adresse und dann machte ich mich auf den Weg.Ich freute mich, endlich wieder Bouldern zu können. Ich machte diesen Sport schon seit Jahren. Um genau zu sein, seit ich acht Jahre alt war. Seit ich auf dem Internat war hatte ich damit aufgehört. Fast ein Jahr hatte ich pausiert. Jetzt wollte ich wieder loslegen. Ich gehörte zu einer der Besten, hatte viele Erwachsene übertrumpft, besonders was die Höhe der Absprünge anging. Auch war es mein Vorteil dass ich zusätzlich jahrelang geturnt hatte. Dass ich sehr gelenkig war machte es mir oft leichter zu klettern. Es machte mir einfach wahnsinnigen Spaß und nur das zählte für mich.
Ich kam gerade im Wald an dem Treffpunkt an, da fing es an zu Regnen. Gemeinsam beschlossen wir zu einer Kletterhalle zu fahren und das Outdoortrainig zu verschieben.In der Halle verbrachten wir Stunden, wir hatten unseren Spaß. Ich merkte allerdings, dass ich wieder mehr machen musste, denn ich war das alles nicht mehr gewohnt. Meine Muskeln taten weh. Ich schickte Tony eine SMS, dass er mich abholen kommen könnte und die neue Adresse. Es würde mindestens 30 Minuten dauern, bis er da sein würde, also beschloss ich, noch ein paar Durchgänge zu starten.„Guten Tag, ich suche Louisa“, fragte jemand. Ich hörte sofort an der Stimme, dass es Tony war.„Dort oben, das Mädel in dem roten Top.“„Danke.“Ich konnte nicht runter sehen, denn ich hing gerade nur noch an einer Hand an der Kletterwand. Da ich mich hatte ablenken lassen, während ich eigentlich an die Stelle springen wollte, an der ich mein Ziel erreicht hatte und runter springen konnte, doch ich wollte nicht loslassen und meine letzte Strecke schaffen. Ich fing mich wieder und schaffte es wieder Halt zu finden. Jetzt hing ich mit dem kopfüber, meine Beine waren an der Wand abgestellt, sodass ich meine Beine zwischen meinen Händen durch schwingen konnte. Ich landete nicht auf meinen Beinen, wie vorgesehen, sondern auf meinen Knien.Doch da überall in der Halle Matten verteilt waren, landete ich weich. Verletzt hatte ich mich jedenfalls nicht, direkt stand ich wieder auf.„Louisa“, rief Tony und rannte auf mich zu.„Alles okay“, sagte ich und lachte.„Dafür, dass ich das ewig nicht mehr gemacht habe, war es eigentlich ganz gut“, sagte ich zu Tony. Ich stand auf, nahm Tony an der Hand und zog ihm zu meinem neuen Trainer, in dessen Hand ich einschlug.„Gut gemacht, Louisa. Auch wenn dein Salto schief ging. Hast du dir wehgetan bei deinem Fast-Absturz?“„Glaub nicht. Gerd, das ist Tony, mein Freund.“Die beiden begrüßten sich.„Und, können wir los? Zuhause wartet das Essen auf dich.“„Ja, ich schnappe mir nur noch meine Sachen.“Ich holte meine Tasche und Jacke, dann machten wir uns auf den Weg.
„Du, das sah ganz schön gefährlich aus, als du da fast abgestürzt bist. Wird man beim Klettern nicht eigentlich gesichert?“„Glaub ich dir, aber ich hab mich ablenken lassen, da passiert mir das öfters. Aber war ja nicht sehr hoch. Nicht beim Bouldern. Da klettert man ohne Sicherung, aber nur in einer Höhe, in der man sich nicht verletzen kann beim Absprung.“„Sah aber trotzdem sehr gefährlich aus.“„Oh, das ist süß.“„Was?“„Wie du dir Sorgen machst, ich find's süß. Aber keine Sorge, ich betreibe den Sport seit ich acht bin regelmäßig und bis jetzt ist noch nie was Größeres passiert.“„Ich will jetzt besser nicht wissen, was du dir dabei schon alles getan hast. Allein, wenn ich mir jetzt schon deine Arme an sehe.“„Nein, das willst du wirklich nicht wissen und es würde zu lange dauern, das aufzuzählen. Wieso?“Ich sah an mir runter und sah, dass meine Arme etwas aufgeschürft waren, beim Duschen würde das sicher sehr brennen.„Hups“, mehr sagte ich nicht dazu.
Zuhause ging ich erst Duschen, dann aßen wir zu Abend.„Sag mal, wolltest du nicht versuchen mit deinem Vater zu reden?“Als Tony mir diese Frage stellte, sank meine Stimmung auf ein Minimum ab. Ich hatte keine so große Lust jetzt darüber zu reden. Dennoch antwortete ich ihm. „Ja, aber er meldet sich nicht, und wenn ich versuche ihn zu erreichen, geht er nicht ran.“„Willst du ihn denn überhaupt treffen?“„Ja, schon. Ich will wissen, warum das alles sein musste und ob ich ihm egal bin und so weiter.“Meine Antwort war sehr wortkarg, aber es verletzte mich immer noch daran zu denken. Ich merkte wie mir Tränen über meine Wangen kullerten. Tony stand auf kam zu mir. Er zog mich von dem Stuhl hoch.„Hey, komm, es wird alles gut.“Er küsste mich. Ich wollte aber nicht nur einen Trostkuss, nein - ich wollte mehr. Ich forderte ihn mit meiner Erwiderung. Er ging ein, ich bekam gar nicht mit, wie wir zum Schlafzimmer liefen. So wurde ich mit Küssen überhäuft. Schlagartig besserte sich meine Stimmung wieder und ich vergas das kurze Gespräch und meinen ach so tollen Vater. ***
Am nächsten Tag beschloss ich meinen Vater anzurufen, so ganz hatte mich das Gespräch von gestern nicht losgelassen. Er hatte recht wenn ich endlich antworten wollte, musste ich das selbst in die Hand nehmen. Ich griff mir das Telefon und tippte unsicher die Nummer. Ich zögerte als ich auf den grünen Knopf drückte. Ich hatte Angst, dass er abnehmen würde. Aber irgendwann würde es zu diesem Gespräch kommen.Dann ging das erste Mal seit langen jemand dran: „Hallo?“Erst sagte ich nichts, bis die Stimme wieder Hallo sagte.„Hi, Dad ich bin es, Louisa.“„Was willst du?“Ich konnte es nicht fassen. Er zeigte keinerlei Interesse, ich war ihm völlig egal.„Was ich will? Ich wollte eigentlich nur mit dir reden, und fragen, wie es dir geht. Wollte wissen, warum du das alles getan hast und was ich dir getan habe.“„Weil du Schuld an Annas Tod bist“, sagte er mir direkt. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.Mehr sagte er nicht, das brachte mich immer mehr zur Weißglut. Er machte mir nur noch mehr Vorwürfe.„Das ist nicht wahr, und das weißt du genau. Weißt du was? Mir ging es richtig scheiße, aber das war dir ja egal. Du wärst heil froh, wenn du mich los geworden wärst. Ich kann es nicht fassen, dass du dich nicht im Geringsten für mich interessierst. Ich fange langsam an, dich wirklich zu hassen, weil du mich hasst. Ich dachte wirklich, dir liegt noch etwas an mir, aber da habe ich mich getäuscht. Du bist einfach nur froh mich los zu werden. Ja okay, du hast gewonnen, ich werde aufhören dich anzurufen und um eine Aussprache zu bitten. Ich werde aufhören dich um Verzeihung zu bitten, weil ich dachte, dass ich dir weh getan habe. Aber ich würde sagen, du hättest dich vielleicht sogar gefreut mich los zu sein…“Ich hörte eine Frauenstimme im Hintergrund, und das machte mich nur noch wütender, weil ich auch diese Stimme nur zu gut kannte. Diese blöde Kuh, ich dachte sie wäre die beste Freundin meiner Mutter. Machte die sofort nach dem Tod meiner Mutter mit meinem Vater rum, das war widerlich.„Willst du noch etwas dazu sagen, bevor ich auflege und mich nie wieder melden werde? Oder willst du dich sofort mit deiner neuen tollen Freundin vergnügen?“Ich bekam keine Antwort darauf, er legte einfach auf. Ich legte den Hörer zurück auf die Station, die Tränen konnte ich nicht mehr zurück halten, es tat einfach zu sehr weh. Ihm lag rein gar nichts an mir.Ich rief Lu an. Sie kam so schnell es ging zu mir. Den restlichen Abend verbrachte ich damit, zu heulen. Ich konnte mich nicht beruhigen. Mein eigener Vater war froh mich los zu sein. Ich war ihm egal.Lu schaffte es nicht, mich mit Eis, Witzen oder sonstigen aufzumuntern. Sie legte einfach einen Film in den DVD-Player, von dem sie wusste, dass ich mich darüber aufregen würde und dass mich das ablenken würde. Es klappte nicht so gut wie sonst, doch es brachte mich auf andere Gedanken, jedenfalls solange bis Tony kommen würde und ich ihm alles erzählen würde.
Kapitel 15Der AusflugLouisa
Endlich hatte ich den Prozess hinter mir, eigentlich lief es ja ziemlich gut. Ich hatte nur Sozialstunden bekommen, die ich in einem Tierheim abarbeiten würde. Irgendwie würde ich das schon überstehen. Aber dieser ganze Prozess hatte mich doch ganz schön mitgenommen. Tony war ziemlich sauer, weil ich in den letzten Tagen irgendwie so schlecht gelaunt war, aber er wusste halt nicht, was zwischen mir und Jess vorgefallen war. Unser Streit war ziemlich heftig gewesen und ich glaube kaum, dass ich ihr das jemals verzeihen konnte. Bis zu diesem Tag wollte ich ihr alles vergeben, neu anfangen, doch das, was sie mir da gesagt hatte, hat alles verändert. Ich wollte sie nie wieder sehen! Ich wollte auch nicht wissen, was mit ihr geschah. Ob sie es vielleicht doch bereute? Ich wusste es nicht und ich wollte es auch gar nicht wissen. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr daran denken. Und dann das Gespräch mit meinem Vater. Das alles hat mich einfach aus der Umlaufbahn geworfen. Ich musste jetzt erst wieder zurück finden in meine Umlaufbahn, dann würde es mir bestimmt besser gehen.
Nun saß ich in dem Garten meiner Großeltern und aß mit ihnen zu Mittag. Tony wollte mich gegen Nachmittag abholen und dann den Abend gemeinsam mit mir genießen. Ob das was mit dem genießen werden würde, konnte ich nicht ganz versprechen.Jedenfalls wartete ich jetzt auf Tony. Ja, ich freute mich sogar wieder mit ihm nach Hause zu fahren, denn ich hatte das Wochenende bei meinen Großeltern verbracht. Leider ohne Tony, er musste arbeiten. Deswegen freute ich mich jetzt um so mehr auf den kommenden Tag. Dieser war ein Feiertag, den ich nur mit Tony verbringen wollte. Ich musste ihn mit niemand teilen. An diesem Tag war er mein.Endlich, denn seit langem hatten wir kaum noch Zeit für einander.Plötzlich legten sich zwei Hände auf meine Augen und rissen mich somit aus meinen Gedanken.„Tony“, rief ich mit voller Freude, sprang auf und umarmte ihn. Er küsste mich kurz und nahm mich bei der Hand.„Wollen wir gleich los, oder wollen wir später fahren?“, fragte er mich.„Hast du Hunger?“, mischte sich meine Oma ein.„Wenn ich ehrlich bin, ja.“„Na dann setzt dich und nimm dir was du essen möchtest“, sagte meine Oma zu Tony. Währenddessen zeigte sie auf einen Stuhl neben meinem. Es setzte sich und nahm sich reichlich. Na ja, Tony war eben ein Vielfraß. Ein liebenswerter Vielfraß und er war mein. Ich liebte ihn, für alles.Gemeinsam aßen wir noch zu Mittag fertig, dann fuhren wir nach Hause. Dort machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich. Wir kuschelten uns in eine warme Decke, obwohl es Sommer war, ein und sahen uns eine DVD an. „Black Swan“, ein genialer Film. Ins Kino wollte Tony damals nicht mit, aber jetzt kam er mir nicht davon. Gespannt sahen wir den Film, bis Tony mich an einer der spannendsten stellen aus meiner Trance holte. Die „ausrangschierte“ Ballerina stach sich gerade mit der Nagelfeil in ihr Gesicht, als Tony anfing zu reden. Das war genau die Stelle, an der ich im Kino einen hysterischen Lachanfall bekommen hatte.„Was wollen wir morgen denn schönes machen?“„Das fragst du jetzt? Das hättest du doch auch nach dem Film machen können, es war gerade so spannend.“„Ja, das musste ich jetzt fragen. Ich weiß sowieso nicht, wie man sich so etwas ansehen kann? Also hast du eine Idee? Ich hätte da schon eine.“„Hey nicht streiten, bitte. Morgen ist endlich mal ein Tag, den wir von morgens bis abends genießen können. Eigentlich habe ich keine Ahnung, was wir morgen machen könnten.“Während ich das sagte, machte ich den Film aus, das Beste hatte ich ja eh schon verpasst, zudem kannte ich den Film schon.„Ach und was machen wir nun morgen?“, fragte ich nun.„Ich hab da so eine Idee, aber ich möchte dich überraschen. Allerdings müssen wir sehr früh los, da wir eine längere Fahrtstrecke haben, so circa zweieinhalb Stunden. Ich würde vorschlagen, wir fahren um sieben los, damit wir pünktlich da sind.“„Was, so früh? Und zweieinhalb Stunde Fahrt? Wo willst du denn mit mir hin?“„Das sag ich nicht, soll ja eine Überraschung werden. Komm lass uns ins Bett gehen, schließlich müssen wir sehr früh los.“Dann stand er auf und ging ins Bad, ich folgte ihm.
***
Am nächsten Morgen wurden wir von unserem Wecker unsanft geweckt. Wir würden gerne noch weiter schlafen, aber dank Tonys Plan mussten wir jetzt um sechs Uhr morgens aufstehen, uns schnell fertig machen und dann ab ins Auto. Wo es hin ging, wusste ich immer noch nicht. Tony sagte nichts, er gab nicht ein Mal ein kleinen Tipp.Eine knappe Stunde nach dem Aufstehen fuhren wir los. Ich verschlief fast die ganze Fahrt, nur während einer Pause wachte ich kurz auf, aber kurz drauf schlief ich auch schon wieder.Tony musste mich sogar wachrütteln als wir dort waren. Ich war echt überrascht als ich sah wo wir waren. Vorm Europapark.„Tony, du bist der Beste.“Ich ließ mich aus dem Auto tragen, warum, wusste ich nicht, anscheinend war ihm gerade danach. Ich küsste ihn. Es war eine so wunderbare Idee.„Das ist eine super Idee. Ich freu' mich so.“„Puhh, da bin ich jetzt beruhigt, dass es dir gefällt. Na komm, lass uns mal schnell los, damit wir noch früh genug im Park sind.“Gemeinsam gingen wir auf die Kasse zu. Er nahm meine Hand und sah mich mit strahlenden Augen an. Irgendetwas lag in diesen Augen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, was er vor hatte.Wir standen in der Schlange an der Kasse, schon ziemlich weit vorne. In meinem Kopf erstellte ich schon einen Plan auf, was ich alles machen wollte.„Und was machen wir als erstes? Erst etwas zum aufwärmen oder gleich die Silverstar?“, fragte ich ihn.„Ähm wir sollten uns lieber erst mal aufwärmen, ich weiß ja nicht was dein Magen so alles mitmacht.“„Der macht alles mit, aber mir scheint das du etwas Angst hast“, ich grinste ihn an.„Nein, wie kommst du den darauf?“ Wobei ich ihm das nicht so ganz glauben konnte, denn sein Ton klang nicht danach als würde er das am liebsten machen.„Okay, dir zu liebe fahren wir erst mal eine ganz kleine Achterbahn. Okay, Liebling?“Endlich waren wir an der Kasse vorbei, da fand ich auch schon gleich eine Attraktion die mir gefiel. Die Achterbahn im Dunkeln. Eurosat.Ich schlug sie ihm vor, doch er wollte nicht. Wahrscheinlich hatte er Schiss.„Du hast doch keine Angst oder etwa doch?“, hakte ich nach.„Nein, quatsch.“„Nein, wie süß, du hast wirklich Schiss.“„Nein, hab ich nicht, wie kommst du auf die Idee?“„Hm… ich weiß nicht, vielleicht weil du mit keiner Achterbahn fahren willst?!“Ich machte mir einen Spaß daraus, dass er Schiss hatte. Es machte einfach viel zu viel Spaß.Nach seiner letzten Aussage musste ich los lachen. Er stritt es ab, obwohl man an seiner Stimme hörte, dass er Achterbahnen nicht mochte.„Oh, na gut dann fahren wir halt diese blöde Achterbahn.“„Du bist ein Schatz“, rief ich begeistert, und nahm in bei der Hand. Ich zog ihn hinter mir her. Er machte sich schön schwer.„Bist du dir sicher, dass du die wirklich fahren willst? Schließlich sieht man nicht wo man hinfährt.“Ich kicherte, denn ich wollte ihn leiden sehen.„Ja bin ich. Das ist der Sinn einer Achterbahn im Dunkeln. Sei ehrlich, du hast Schiss.“„Sollte das jetzt eine Frage sein?“„Nein, das war eine Feststellung und lenk' nicht vom Thema ab.“„Ja okay, ich bin nicht der größte Fan von solchen Teilen. In Freizeitparks gibt es noch andere schöne Dinge, die wir machen können.“„Ha, wusste ich es doch. Aber die Achterbahnen machen am meisten Spaß, du wirst sehen. Bist du schon jemals in deinem Leben eine gefahren? Aber hey, ich finde es voll süß, wie du Schiss vor der Achterbahn hast.“Ah das tat so gut ihn zu ärgern, auch wenn ich jetzt schon wusste, dass ich die Retourkutsche früher oder später noch bekommen würde.„Hey, sei mal nicht so frech, Kleine. Öhm, ja ein einziges Mal, aber das ging richtig schief. Seitdem bin ich nie wieder eine gefahren.“„Hey, ich bin nicht klein, Angsthase.“Oke ihm gegenüber war ich echt klein, ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen um ihn zu küssen. Und er zog mich oft genug damit auf. Er fing an, an mir herum zu fingern, seine Finger wanderten über meinen Rücken runter zu meinem Po, an der Seite wieder hoch, zu meinem Schlüsselbein. Er wusste, dass mir das peinlich werden würde. „Lass das“, warnte ich ihn.Ich lief hochrot an. Ihm gefiel das, er hörte auf und küsste mich auf die Stirn. Aber den Triumph wollte ich ihm nicht gönnen.Endlich waren wir dran. Ich zog Tony erst mal in einer der hinteren Reihen, ich wollte es ja nicht gleich übertreiben. Aber was er nicht wusste, es war eine sehr schnelle Achterbahn. Ich hoffte, ihm würde nicht schlecht werden.„Oh man, das ich das jetzt wirklich mache. Und damit du es weißt, ich mache das nur dir zu liebe!“Kaum hatte Tony dies gesagt ging es auch schon los. Er hatte meine Hand genommen und krallte sich daran fest. Ich musste ziemlich lachen. Ja ja, so ein Lachanfall in der Achterbahn ist doch was Schönes, vor allem wenn der Freund daneben sitzt und Angst hat. Ach was hatte ich einen wunderbaren Freund. Eigentlich hatten doch immer die Frauen Angst, aber nein, bei uns war alles anders.So schnell wie die Fahrt begonnen hatte, so schnell war sie auch wieder vorbei.„Und wie war es?“, fragte ich ihn nachher.„Na ja, net so dolle. Ich werde mich wohl nie anfreunden mit Achterbahnen.“„Aber du hast es überlebt. Ich bin stolz auf dich, Kleiner. Und was machen wir jetzt?“„Ja so halbwegs. Lass uns mal eine ruhige Ecke suchen. Ich muss dir was sagen.“„Was denn? Das kannst du doch auch hier oder?“„Ich würde es dir lieber in einer ruhigeren Ecke sagen.“Ich ging los, er mir hinter her. Dann sah ich, dass bei der besten Achterbahn des ganzen Parks kaum jemand anstand, schnell lief ich hin, Tony zog ich hinterher.„Du Schatz, die will ich fahren. Das wird bestimmt total toll, außerdem steht gerade fast keiner an.“„Nein, da fahr ich auf gar keinen Fall mit! Da bekommst Du mich nicht rein.“„Warum? Die andere hat dich doch auch nicht umgebracht, oder etwa doch?“„Das nicht aber es war kein Vergnügen für mich. Für dich vielleicht. Du kannst ja alleine fahren.“„Och nö, das ist doch langweilig. Tony, bitte. Sei kein Frosch. Stell dich doch nicht so an.“„Ich bin ja auch kein Frosch, aber das Teil da ist mir einfach viel zu hoch. Ich hab Höhnangst. Das verstehst du doch?“Er hatte Schiss vor der Fahrt, denn Höhenangst hatte er bestimmt nicht. Ich glaubte eher das es eine Ausrede war, weil er Angst vor der Achterbahn hatte.„Du Lügst, du hast keine Höhenangst. Gib zu, dass du Schiss hast. Ja, gib es ruhig zu. Der feine Herr Doktor kann ruhig auch mal zugeben, dass er vor etwas Angst hat“, neckte ich ihn.Der Blick, mit dem er mich ansah, war echt Angst einflößend. Ich konnte mich jetzt schon mal darauf einstellen, dass er mir das alles heimzahlen würde.„Ja, na schön, ich gebe es zu. Ich habe Angst in dieses Ding zu steigen. Pff …“„Na geht doch, ich bin stolz auf dich, Schnuffipuffi. Du als Psychologe kannst bestimmt über deinen Schatten springen und dich deinen Ängsten stellen. Schließlich rätst du das regelmäßig den Leuten.“Ich konnte nicht anders als das so runter zu leiern wie diese Psychologen aus den ganzen Shows, die immer vormittags im Fernsehen liefen. Tony verdrehte die Augen, musste aber selbst lachen.„Okay, ich mach's, ich fahre diese Achterbahn, aber das ist die letzte heute. Und du nennst mich nie wieder Schnuffipuffi. Wie kommst du eigentlich auf diesen Namen? Ja ja, du hast ja recht, Schniffelkniffel.“Ich verpasste ihm eine Kopfnuss und wir gingen nun zu der Schlange und stellten uns an. Tony bemerkte gar nicht, dass ich mich in die Schlange für die erste Reihe stellte.„Aua, für was war die denn jetzt?“, fragte er nach der Kopfnuss.„Für den grauenhaften Namen. Außerdem hast du mich nachgeäfft.“„Du hast angefangen“, sagte er und knuffte mich in die Seite.Ich lehnte mich an ihn und legte meine Arme um seinen Körper. Er tat das auch. Stück für Stück rückten wir auf, bis nur noch vier Personen vor uns waren. Ich merkte, wie er immer aufgeregter wurde und sein Herz schlug schneller, dennoch zog er es durch, mir zuliebe.„Ich liebe Dich“, flüsterte ich ihm zu, während wir in den Waagen stiegen, seine Antwort war nicht gerade die netteste.„Das wirst du noch bereuen.“ Er sagte es mit einem leichten Lächeln auf seinen vollen Lippen.Er nahm wieder meine Hand. Hinter uns saß noch ein Pärchen.Als ich Tony ins Gesicht sah, als die Bahn sich bewegte, war ich leicht erschrocken, denn man sah ihm richtig seine Angst an. Er war ziemlich blass, die Augen weit offen.„Hey, es ist wirklich nicht so schlimm, wie es aussieht.“Der Wagen der Achterbahn war jetzt fast ganz oben angekommen. Wir befanden uns nun auf dem höchsten Stück der Achterbahn, also 73 Meter in der Luft und gleich würde die Bahn los rasen mit einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. Da wir ganz vorne saßen, konnten wir schon sehr früh nach unten sehen. Zudem gab es immer einige Sekunde in denen die Achterbahn ganz oben kurz anhielt. Und genau da waren wir gerade, als ich nach unten sah, sah ich nur die Straßen auf denen Autos fuhren. Im ersten Moment konnte ich die Schienen gar nicht sehen. Dann schoss die Bahn plötzlich los und ich konnte gar nicht anders als los zu schreien, erst aus Schock und dann einfach nur so. Es war ein wahnsinniges Gefühl da runter zu rasen. Tony schrie auch und das, wie am Spieß. Er krallte sich weiterhin an meine Hand, dann kam eine Kurve und schon schoss die Achterbahn wieder hoch. Er verstummte für einige Sekunden, dann sah er mich an. Mir ganz tief in die Augen. Ich bekam eine Gänsehaut. Ein seltsames Gefühl durchzog mich, aber dennoch war es ein sehr schönes Gefühl. Was hatte er nur vor? Die Fahrt würde nur noch einige Sekunden dauern.Das Gefühl schob ich im ersten Moment auf die Geschwindigkeit und die Höhe der Achterbahn, doch tief in mir wusste ich, dass es etwas anderes war.„Marie-Louisa, willst du mich heiraten?“Ich guckte ihn nur baff an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Hatte er mich das gerade wirklich gefragt oder hatte ich geträumt? Ich war verwirrt. Ich dachte nach, als ich hoch gezogen wurde. Ich hatte gar nicht mitbekommen wie die Fahrt geendet hatte, so verwirrt war ich.Tony zog mich in eine etwas abgelegene Ecke und sah mich an.„War das jetzt ernst gemeint?“, fragte ich. Irgendwie konnte ich das nicht so ganz glauben. Der Anfang unserer Liebe hatte so viel Kraft gekostet, es hatte sehr lange gedauert bis er zu mir stand und mir sagte, dass er mich liebte. Und jetzt fragte er mich, ob ich ihn heiraten wollte? Ich meine, ich wohnte noch gar nicht so lange bei ihm. Aber ich liebte ihn, sehr sogar. Ich hatte noch nie jemanden so geliebt wie ihn. Plötzlich spürte ich eine drang in mir einfach ,Ja’ zu sagen.Ich blickte auf und sah wie er mich anstarrte und auf eine Antwort wartete. Dann nahm ich seine Hände und sagte: „Ja.“Er strahlte bis über beide Ohren. Ich steckte mich bei seinem Lächeln an. Er nahm seine Hände, legte sie auf mein Gesicht und küsste mich. Dazu sagte er: „Ich liebe Dich.“Ich erwiderte nur: „Ich dich auch.“Ein paar Minuten standen wir so da. Dann ging er weiter, dabei fing er an zu reden.„Puh, weißt du, wie lange ich gebraucht habe mich dazu zu überwinden?“„Nö.“„Scherzkeks. So jetzt muss ich das irgendwie meinen Eltern beichten.“„Beichten? Was soll das denn jetzt heißen?“„Hey, so war das nicht gemeint. Es ist nur so, dass meine Eltern etwas eigen sind und mit meinen bis jetzigen Freundinnen nicht sehr einverstanden waren. Aber dieses Mal ist alles anders. Ich liebe dich und daran können Sie auch nichts machen.“„Ah okay, ich glaube ich weiß, was du meinst. Aber schön, dass ich deine Eltern auch mal kennenlernen darf. Ich dachte schon, dass es niemals so weit kommt. Und ich weiß jetzt schon, wer sich sehr freuen wird.“„Wer denn?“„Meine Großeltern, und jetzt lass uns den restlichen Tag genießen.“„Warte, davor muss ich dir noch etwas geben. Du vergisst, wir sind jetzt verlobt und das soll doch jeder sehen.“Hä, was meinte er denn damit? Ich war manchmal etwas begriffsstutzig. Doch dann holte er eine kleine schwarze in Samt gehüllte Schachtel heraus und öffnete sie, dann drehte er sie zu mir und ich sah den Ring. Er war wunderschön und entsprach genau meinem Geschmack. Tony war der richtige, spätestens jetzt wurde mir das bewusst.Ich gab ihm meine Hand und er steckte den Ring an meinen Ringfinger. Wir umarmten uns. Ich zog es vor, mir den Ring noch einmal genauer anzusehen.Er war sehr filigran gehalten, aus Silber mit einem Türkisstein in der Mitte. Er war ziemlich klein, dennoch unbeschreiblich schön. Er sah sehr alt aus und hatte um den Stein einige kleine Verschnörkelungen, die den Ring verspielter wirken lassen. Dennoch war er in einem sehr edlen und romanischen Stiel gehalten.„Oh Tony, der ist wunderschön.“„Freut mich, dass er dir gefällt. Er ist von meiner Ururgroßmutter und wird immer weiter durch die Familie gereicht, und nun wirst du ihn tragen.“
Kapitel 16Das EndeLouisa „Guten Morgen, Süße“, weckte Tony mich.„Ich wollte dir nur Tschüss sagen, ich muss los.“„Aber ich dachte du hast heute frei?“„Ich bin für einen kranken Kollegen eingesprungen. Du, den Nachmittag holen wir nach, ja?“„Ja.“ Beleidigt drehte ich mich um. Das ging seit einigen Wochen so. Ständig machte er Überstunden oder sprang für jemanden ein. Seine Patienten sahen ihn öfter als ich. Wir hatten kaum noch Zeit für uns, dabei dachte ich, dass alles wieder bergauf gehen würde, nach seinem Antrag. Aber ich hatte mich anscheinend getäuscht. Ich liebte ihn sehr, aber ich wollte auch mal Zeit mit ihm verbringen. Eigentlich hatte ich mir heute freigenommen, doch jetzt wo Tony keine Zeit mehr hatte, ging ich doch zur Arbeit.In drei Tagen sollte ich seine Eltern kennen lernen, wenn das nicht auch wieder abgesagt wurde. Bei Tony konnte man sich da in letzter Zeit nicht sicher sein. Knapp einen Monat war vergangen seit er mir den Antrag gemacht hatte. Und in diesen vier Wochen hatten wir nichts mehr unternommen. Morgens sahen wir uns und abends, manchmal sogar mittags.
„Hey, wolltest du nicht heute den Tag mit deinem Freund verbringen?“, fragte meine Chefin, als ich an der Arbeit ankam.„Ja eigentlich schon, aber er hat keine Zeit mehr.“„Ach, das ist schade. Na dann mach dich mal an die Arbeit.“„Ja mach ich dann wohl mal. Was haben wir heute?“„Vorhin wurde ein kleiner Welpe abgegeben, den ein Passant im Wald gefunden hat. Er war der einzige, der noch lebte. Die zwei anderen waren schon tot. Unterernährt und bei der Kälte. Ich frage mich jedes Mal, wie man so etwas nur machen kann.“„Idioten sind das, die das machen. Wahrscheinlich mal wieder jemand, der überfordert war mit den Kleinen, oder Wühltischwelpen. Ich mach mich dann mal an die Arbeit“, sagte ich.Ich sah als erstes nach unseren Neuankömmling, nahm ihn aus seinem Käfig und gab ihn seine Medikamente und Nährlösung.Der kleine war super süß. Ein Schäferhund-Mix. Es sah mich an, hob seinen Kopf und sah schon viel fitter aus. Ich hatte ihm mein Herz geben. Diese niedlichen Augen … Es war das erste Tier hier, das mich so anzog ihm zu helfen; ihn bei mir zu haben.„Süß, die Kleine“, sagte meine Chefin.„Ja, sehr süß“, erwiderte ich. „Sie bekommen wir schnell in eine Familie, wenn sie wieder gesund wird. Aber sie braucht sehr viel Pflege. Eigentlich rund um die Uhr. Leider haben wir gerade keine Pflegestellen frei.“„Weißt du was? Ich nehme ihn mit. Tony wird zwar nicht sehr begeistert sein, aber das ist mir zurzeit egal. Na Kleine, willst du mit mir nach Hause?“Sie leckte mir über das Gesicht.„Mhm, jetzt brauchst sie nur noch einen Namen“, sagte meine Chefin.„Lukela“, entschied ich sofort.„Ein schöner Name. So ich such dir dann für später alles zusammen, was du für sie brauchst.“„Ja, ich muss dann noch mal weg, ein paar Dinge für Lukela holen, weil wir ja nichts für Hunde da haben. Noch sind wir ein Tier-loser Haushalt.“„Na dann geh mal los. Jetzt haben wir noch nicht viel zu tun, aber später“, meinte meine Chefin.Ich ging los um ein paar Dinge für Lukela zu kaufen.
Gegen Abend brachte mich dann ein Kollege mit Lukela nach Hause. Dort richtete ich für die Kleine alles her, inklusive Rotlichtlampe. Allerdings nahm ich sie mit auf das Sofa unter die Decke, da war es auch schön warm.Als ich auf die Uhr sah, merkte ich, dass Tony gleich kommen würde. Wenig später hörte ich wie die Tür aufgeschlossen wurde.„Hey Tony. Nicht wundern, wir haben Besuch“, rief ich um ihn vorzuwarnen.Er kam um die Ecke und sah mich mit fragenden Augen an.„Und wo ist der Besuch?“„Na hier“Ich schlug die Decke von der kleinen Lukela weg, sodass er sie sehen konnte.„Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“, fragte er geschockt.„Doch. Und wenn sie dir nicht passt, dann geh ich halt zu meinen Großeltern.“„Was ist jetzt los?“Ich stand auf und brachte die Kleine in ihr Körbchen.„Was los ist? Ich wünsche mir nur mal einen freien Tag mit dir, aber nein du musst ja wieder arbeiten gehen. Dann bring ich einmal die Arbeit mit nach Hause und werde angeschnauzt. Ich weiß nicht, was du machst aber ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht“, sagte ich, drehte mich um, legte mich auf das Sofa und deckte mich zu.
***
Tony und ich stritten uns in letzter Zeit ziemlich oft, aber dennoch wollten wir heiraten. Ich freute mich sehr darauf. Lukela durfte bleiben. Das war ein Kampf, doch Lukela konnte sein Herz erweichen, indem sie sich auf ihn drauf legte und ihn mit großen Augen ansah.
Gerade waren wir auf dem Weg zu Tonys Eltern. Oft las ich auf längeren Strecken, so auch heute, doch irgendwie wurde mit dieses Mal übel. Ich musste das Buch weglegen. Währenddessen ließ ich mein Kopf an die Fensterscheibe sinken.„Geht es dir nicht gut?“, fragte Tony als er zu mir rüber sah und mitbekam, dass ich mein Buch weggelegt hatte.„Mir ist nur etwas schlecht, geht schon.“Danach fragte er nicht weiter nach, irgendwie war ich froh darüber, aber andererseits hatte ich gehofft, dass er mehr Interesse an mir zeigen würde. Aber da täuschte ich mich.
„So wir sind da“, sagte er zu mir, stieg aus und ging zu einem Tor. Ich folgte ihm und fühlte mich dabei nur noch unwohler. Uns wurde die Tür geöffnet und wir wurden in eine Art Lobby geführt. Es war eine Villa. Ich wusste nicht, dass Tonys Eltern so reich waren. Mit großen Augen sah ich ihn fragend an, doch ich bekam keine Antwort.Wenig später kamen zwei ältere Leute in den Raum und baten uns an, uns zu setzen. Tony wurde nur noch angespannter. Er war gerade nicht er selbst.„Guten Tag“, sagte ich und bot meine Hand an, doch diese wurde abgelehnt.„Sie sind also die neue Freundin meines Sohnes?“, fragte sein Vater mich.„Verlobte“, korrigierte ich ihn.„Anthony, willst du uns das mal erklären?“ Seine Eltern wirkten geschockt.„Vater, ja, sie ist meine Verlobte und wir werden heiraten.“„Das kannst du uns nicht antun, so eine zur Frau zu nehmen! Erst versetzt du deinen Vater, und lehnst seine Firma ab und jetzt auch noch das?“, fragte seine Mutter geschockt.„Mutter, ich liebe sie.“„Das ist mir egal. Du weißt genau, wen wir als Schwiegertochter wollen und diese werden wir auch bekommen.“„Mutter!“, protestierte Tony.„Was soll das hier jetzt werden? Tony, ich dachte du liebst mich, verteidigst mich auch mal. Du nimmst das alles fast ohne einen Widerspruch einfach so hin. Ich kann das nicht fassen. Und Sie - Sie fragen nicht einmal nach meinem Namen oder wer ich bin. Nein ich bin nicht die, die Sie wollen, also bin ich nichts wert. Wissen Sie was? Ich kann nicht mehr. Tony seit Wochen streiten wir uns nur, ich denke es ist besser wenn ich jetzt gehe. Vergiss nie, dass ich dich liebe.“„Balu warte, geh nicht.“Ich war aber schon auf dem Weg zu Gehen. Ich wollte nichts mehr hören. Er ging mir nicht einmal nach. Er gab Kampflos auf. Ich rief meinen Großvater an, dieser holte mich ab.Ich fuhr dann alleine zu seiner Wohnung um ein paar Dinge zu holen. Ich wollte erst mal Abstand.Als ich dort ankam, war Tony auch schon Zuhause. Da ich noch bei meinen Großeltern gewesen war, hatte er genug Zeit gehabt um her zu kommen.Ich schloss die Tür auf.„Balu. Hey, wir müssen reden“, sagte er sofort.„Ja“, erwiderte ich erwartungsvoll. „Es tut mir leid, dass meine Eltern so waren.“„Schön, dass es dir jetzt leid tut, aber bei ihnen hast du nichts gesagt. Vielen Dank. Wir streiten uns sowieso nur noch. Vielleicht hat das alles hier keinen Sinn mehr.“„Warum sagst du das? Ich liebe dich!“, protestierte er.„Ach ja? Warum gehst du mir dann in der letzten Zeit aus dem Weg? Seit du mir den Antrag gemacht hast, bist du wie ausgewechselt. Nein halt, seit du mit deinen Eltern telefoniert hast. Was haben sie zu dir gesagt?“, fragte ich. „Nichts.“„Sag es mir. Ich bin doch der Grund. Deine Eltern wollen nicht mich, sie wollen jemand anderen und das haben sie deutlich genug gesagt.“„Sie wollen mich mit der Tochter einer eng befreundeten Familie zusammen bringen, damit alles in der Familie bleibt. Andernfalls würden sie mich enterben. Sie würden mich für den Rest ihres Lebens verleugnen.“„Und das ist dir so wichtig, dass du deine Liebe verdrängst und mich jetzt quasi sitzen lässt? Ich geh jetzt besser. Ich will nichts mehr hören. Du willst mich nicht, sonst würdest du um mich kämpfen und das machst du wieder nicht. Du nimmst alles nur so hin und sagst nicht deine eigene Meinung. Du lässt dich unterdrücken, so wie es mein Vater getan hat. Du hast mir geholfen da raus zu kommen, aber selber machst du den gleichen Fehler!“„Das mache ich nicht“, entgegnete er. Da Klingelte sein Handy. Er ging natürlich dran. War ja nicht so, dass wir uns gerade stritten.Nach wenigen Minuten legte er wieder auf.„Ich muss weg.“„Na, musst du mal wieder für jemanden einspringen?“„Ja“, sagte er knapp und nahm seine Jacke.„Deine Arbeit ist dir also auch wichtiger? Na schön, dann geh, aber erwarte nicht, dass ich noch hier bin, wenn du jetzt gehst.“ Und er ging.Ich packte schnell ein paar Dinge zusammen, für mich und Lukela und ging. Er war auch einfach gegangen, er gab kampflos auf. Er hatte mir gesagt, dass ich niemals kampflos aufgeben durfte; dass ich auf mein Herz hören sollte. Und er tat es selbst nicht. Ich verstand die Welt nicht mehr.Unter Tränen fuhr ich zu meinen Großeltern. Meinen Führerschein hatte ich ja endlich und das passende Gefährt, hatten mir meine Großeltern geschenkt. Denn von meinem kleinen Gehalt konnte ich mir kein eigenes Auto leisten. Zwar wollte ich es alleine schaffen, aber es ging nicht, also lies ich mich darauf ein und nahm das Geschenk an.
Dort erzählte ich ihnen unter weiteren Tränen, was geschehen war. Luki machte es sich in ihrem Körbchen bequem. Ihr ging es schon viel besser. Mir nicht. Mir war immer noch schlecht, ich musste mich in der Nacht und früh am Morgen mehrmals übergeben.
Die nächsten Wochen wurden auch nicht viel besser. Ich und Tony hatten uns letztendlich getrennt. Es ging nicht anders, wir hatten uns nur noch gestritten. Ich vermisste ihn schon jetzt, weil ich ihn immer noch liebte. Wir hatten eine wunderschöne Zeit, die viel zu früh zu Ende gegangen war, gehabt. Ich wollte mein restliches Leben mit ihm verbringen, denn ich würde nie wieder jemanden so lieben wie ihn. Ich wusste nicht einmal, ob ich jemals wieder jemanden lieben könnte.
Das Haus wurde weiter Renoviert, allerdings halfen mir dabei Freunde meiner Großeltern und meine Freunde. Damit ich so schnell wie möglich einziehen konnte, arbeiteten auch noch einige Handwerker mit. Meine Großeltern wollten das alles bezahlen, doch das wollte ich nicht. Deshalb vereinbarte ich mit ihnen, dass ich ihnen das zurückzahlen würde. Ich wusste zwar nicht wie, da ich lediglich Unterhalt von meinem Vater bekam und mein Gehalt doch sehr gering ausfiel. Ohne meine Großeltern wäre ich aufgeschmissen. Ich war ihnen sehr dankbar.Ich hatte nur noch 9 Monate bis zu meinem Studium. Ich freute mich sehr darauf. Aber in den letzten Tagen fühlte ich mich nicht gut. Ich ging trotzdem zu meiner Arbeit, auch wenn meine Großeltern es lieber hätten wenn ich daheim bleiben würde. Aber ich wollte mich ablenken.
„Na willst du einen Kaffee, du siehst so müde aus“, fragte mich Nick und hielt mir eine Tasse mit Kaffee unter die Nase, doch davon wurde mir so schlecht, dass ich zur Toilette rannte, mich wieder übergeben musste.„Bist du Schwanger?“, fragte er als ich wieder vor kam.„Keine Ahnung.“„So wie du dich in der letzten Zeit benimmst, würde ich sagen ja. Meine Freundin hat sich, als sie Schwanger war, auch so benommen“, predigte er.„Wer ist Schwanger?“, fragte Karla, meine Chefin, die ich mittlerweile duzen sollte.„Lousia. Na ja, sie weiß es noch nicht. Aber ihrem Verhalten nach, ist sie's“, verkündete er.„Ehrlich gesagt, hoffe ich das nicht, denn ich weiß jetzt schon nicht, wie ich das alles bewältigen soll. Ich will endlich auf eigenen Beinen stehen, aber mit einem Kind, kann ich das vergessen. Dann bin ich nur noch mehr auf meine Großeltern angewiesen.“„Hey, Louisa. Ein Kind ist immer etwas Wundervolles und deine Großeltern helfen dir doch gerne.“„Kann ich heute früher Schluss machen? Ich fühle mich gar nicht gut.“„Ja, klar“, meinte sie.„Danke, bis morgen.“Ich wollte das Gespräch nicht vertiefen, weil es immer noch weh tat ihn verloren zu haben. Ich wollte nicht daran denken, jetzt würde ich auch noch vielleicht ein Kind von ihm bekommen. Ich wusste nicht, ob ich das schaffen konnte.
In einer Apotheke besorgte ich mir einen Schwangerschaftstest. Ich entschloss zu seiner Wohnung zu fahren, um meine letzten Sachen zu holen und ihm seinen Schlüssel zu geben.„Hallo“, meldete ich mich.„Louisa?“, fragte Tony.Er nannte mich Louisa. Das hatte er schon lange nicht mehr getan.„Ja, ich bin nur hier um den Rest meiner Sachen zu holen. Und dir den Schlüssel zu geben.“„Warte. Bitte warte. Ich muss gleich los meine Schicht beginnt. Aber ich will dir noch was sagen. Die Zeit mit dir war wunderschön und ich will sie nicht missen. Ich werde dich vermissen, aber vielleicht war das mit uns doch keine so gute Idee.“Ich unterdrückte die Tränen, sagte nichts dazu, sonst würde ich losheulen. Mit geknicktem Kopf ging Tony zur Arbeit. Ich konnte ihm das so schnell nicht verzeihen und es tat mir sofort leid, dass ich ihn hatte abblitzen lassen. Aber ich wollte und konnte es nicht rückgängig machen. Ich spürte, dass es so richtig war.Ich packte meine Sachen und verstaute sie im Auto. Dann ging ich noch einmal hoch und schloss die Tür ab. Den Schlüssel warf ich ihm in den Briefkasten.
Zuhause angekommen, versorgte ich als erstes Lukela, danach hielt ich es nicht mehr aus und machte den Test. Ich wollte endlich Gewissheit haben.Die kurze Wartezeit zog sich für mich in die Länge. Ich wollte nicht mehr warten, ich wollte es jetzt wissen. Aber eigentlich wollte ich es auch nicht wissen, denn ein Kind würde nur noch alles schwerer machen. Außerdem gäbe es dann etwas, was mich immer an ihn erinnern würde. Aber tief in mir, freute ich mich schon. Ich wollte immer Kinder, nur nie so früh. Tony hatte öfters davon geredet. Er wünschte sich sehr ein Kind. Seinen Wunsch könnte sich jetzt erfüllen, doch ich wusste jetzt schon, dass ich ihm das nicht sagen würde. Er sollte nicht wegen eines Kindes zu mir zurück kommen. Und wenn ich wirklich schwanger wäre, dann würde ich es ohne ihn schaffen, mit der Hilfe meiner Großeltern und Freunde.Dann klingelte der Wecker, den ich mir gestellt hatte, um zu wissen, wann die Wartezeit vorüber war.Ich sah auf den Test und das Ergebnis war positiv.
EpilogAuszüge aus Louisas Tagebuch
6.01.2007 Lange habe ich kein Tagebuch mehr geschrieben, ich habe aufgehört als Tony und ich zusammen gezogen sind. Jetzt fange ich wieder damit an um meinen Kummer hier rein zu schreiben. Tony und ich sind seit einigen Wochen getrennt.Ich hatte mich sehr gefreut Weihnachten mit Tony zu feiern, doch ich habe Weihnachten und Silvester ohne ihn verbracht. Oma und Opa hatten versucht es mir so schön wie es nur ging zu machen, doch es half nicht viel. Unsere Trennung lag einige Wochen zurück. Seit einigen Wochen hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich liebe ihn, doch so kann und will ich nicht mit ihm zusammen sein. Er arbeitete nur noch und ließ unsere Verabredungen ständig sausen wegen seinem Job. Er hat mich nicht mal vor seinen Eltern verteidigt, er nahm alles einfach nur so hin. Er verbringt mehr Zeit mit seinen Patienten, als mit seiner Freundin. Das war auch einer der Gründe weshalb ich mich von ihm getrennt habe. Ich weiß zwar, dass er mich liebt, doch das alleine reicht mir nicht. Ich weiß auch, dass ihm die Trennung genauso wehtut wie mir und, dass er sie auch nicht will. Doch ich konnte nicht anders als mich von ihm zu trennen. Es war zu viel Schmerz auf beiden Seiten im Spiel.Ich werde ihn immer lieben; werde niemals wieder jemanden so lieben können, oder generell Lieben können.ANTHONY, ICH LIEBE DICH!
10.01.2007 Heute habe ich einen Brief von Jess im Briefkasten gefunden. Ich war ziemlich überrascht. Am meisten überraschte mich die Tatsache, dass sie sich entschuldigte. Ich hab wirklich gedacht, dass sie mich hasst. Warum entschuldigt sie sich gerade jetzt? Wahrscheinlich ist ihr ein Licht aufgegangen nach oder während des Prozesses. Sie schreibt, dass es ihr leid tue und ich ihr glauben solle. Sie hat vor Gericht alles zugeben, als sie wegen anderen Straftaten angeklagt wurde. Sie haben ihr das positiv angerechnet und sie hat nur zwei Wochen Freizeitarrest bekommen und Sozialstunden. Der Rest unserer “Freunde“ wurde härter bestraft. Mike hat sogar eine Bewährungsstrafe bekommen. In dem Brief stand noch, dass sie zu ihrer Mutter gezogen sei, nach Österreich. Dort wolle sie von vorne anfangen. Ich hoffe sie schafft das und ich gönne es ihr, trotz allem, dass sie ein glückliches Leben führt. Sie hat auch sehr viel durchgemacht und wenigstens sieht sie endlich ein, was sie da angestellt hat. Aber ich werde ihr nicht schreiben, jedenfalls jetzt noch nicht. Ich bin froh, dass ich mit ihr und den Anderen abschließen kann und mit meiner Vergangenheit. Ich will das alles vergessen; alles loslassen und ein neues Leben beginnen. Auch ohne Tony - nur ich und meine Großeltern. Auch ohne meinen Vater werde ich das, was ich mir vorgenommen habe, schaffen. Selbst mit Kind. Ich will das schaffen. Ich werde das schaffen.Ich habe zurzeit auch besseres zu tun als mir darüber den Kopf zu zerbrechen.
1.03.2007 Heute war eigentlich der Tag an dem ich Lukela abgeben sollte, aber die Kleine ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich sie behalten werde. Luki ist in den letzten Monaten richtig groß geworden. Ein kleines Nervenbündel ist sie zwar schon - sie macht auch vieles kaputt -, aber mir ist das egal. Meine Großeltern sorgen jetzt zwar dafür, dass ich noch schneller ausziehen kann, weil Luki alles, was sie zwischen die Zähne bekam zerstört hat. Sie ist gerade im Zahnwechsel.Mit der Renovierung geht es sehr gut voran, bald kann ich einziehen. Ich bin froh, dass ich Luki hab, damit ich nicht so alleine bin, doch bald sind war ja auch zu dritt. Ich bin jetzt im vierten Monat. Viele Probleme damit habe ich zum Glück nicht. Keine Fressattacken und keine Übelkeit mehr. Es fühlt sich gut an zu erleben wie ein neues Leben in mir wächst. Bei meiner letzten Untersuchung habe ich endlich erfahren, dass ich ein Mädchen bekomme. Ich wollte unbedingt ein Mädchen. Einen Namen habe ich auch schon: Eve-Kaye. Eve fand ich einfach nur wunderschön und Kaye - so wollte Tony seine erste Tochter nennen. Ich will ihm nichts von ihr sagen. Aus Trotz oder Wut, oder weswegen auch immer. Ich will es einfach nicht. Ich würde sie alleine großziehen, mit der Hilfe meiner Großeltern. Ohne sie wäre ich aufgeschmissen, da ich ja noch kaum eigenes Geld verdiene und nur etwas Geld von meinem Vater bekomme. Warum er mir Geld gibt, weiß ich nicht. Aber es ihm zurück zu geben würde nichts bringen. Ich kenne meinen Vater. Meine Großeltern zahlten zurzeit alles. Das bisschen Geld was ich beim FÖJ verdiene, reicht vorne und hinten nicht. Ich legte das Geld zurück, für die Kleine. Ich fühle mich nicht so gut wenn ich das ganze Geld annehmen soll, aber ich muss es tun, sonst würde das Haus nicht fertig werden. Ich hätte nichts.Früher oder Später werde ich mein eigenes Geld verdienen und meine Großeltern einen Teil des Geldes zurückzahlen können.Was mich am meisten ärgert ist, dass ich kaum noch arbeiten darf. Im Tierheim kann ich nur noch am Empfang arbeiten und Formalien erledigen. Tiere vermitteln, die Anzeigen dafür aufsetzen und die Bilder dafür machen. Ich habe ihnen versprochen, dass ich für immer die Bilder von den Tieren machen werden, die vermittelt werden sollen.Meine Chefin verbietet es mir, mit den Notfalltieren in Kontakt zu kommen, dabei ist das die Arbeit, die mir am meisten Freude bereitet. Dann werde ich den ganzen Tag nichts tun und mich langweilen. Darauf freue ich mich schon riesig.Ich hoffe das alles glatt geht und ich rechtzeitig mit meinem Studium beginnen kann, damit ich wie geplant in vier Jahren fertig bin.Aber für meine Tochter würde ich warten.
17. 05.2007 Ich und mein Bruder unternehmen in der letzten Zeit sehr viel. Ich freue mich darüber, ihn endlich wieder zu haben. Er ist mittlerweile verheiratet. Es tut so gut ihn wiederzusehen, wieder mit ihm zu lachen über alte Zeiten. Es war zwar nicht sehr begeistert, dass seine kleine Schwester jetzt schon ein Kind bekam, aber ich für meinen Teil, mag es mir über den Bauch zu streichen und sie zu spüren. Noch drei Monate, dann werde ich sie in meinen Arme halten können.Wenn ich daran denke muss ich öfters weinen, weil ich diesen Moment mit Tony teilen wollte.Unser erstes Kind. Es wäre alles so schön geworden. Ich hätte ihn geheiratet, wäre zu seiner Frau geworden. Doch jetzt war alles vorbei. Ich vermisse ihn jetzt schon. Ich liebe ihn immer noch. Warum ich ihm nicht verzeihen will, weiß ich nicht. Ich kann es einfach nicht, ich fühle es.
6.08.2007 In ein paar Tagen ist es so weit, der Geburtstermin rückt immer näher. Dieser Tag soll ein Wendepunkt in meinem Leben werden. Ich werde Tag und Nacht für meine kleine Tochter da sein. Meine Großeltern und mein Bruder werden mir dabei helfen. Meine Entscheidung, Tony nichts zu sagen, finden sie gar nicht gut, aber sie respektieren sie.Wie gerne würde ich jetzt mit ihm hier sitzen und seine Hand auf meinem Bauch spüren. Er würde die kleinen Füße unserer Tochter spüren, wie sie gegen meinen Bauch treten. Er würde meine Hand drücken, um mir den Schmerz zu nehmen und während der Geburt würde er meine Hand halten und für mich da sein.Nach der Geburt werde ich dieses Tagebuch nicht mehr weiter führen. Dies wird der letzte Eintrag sein.Ich verspüre gerade einen Schmerz in meinem Bauch. Ich werde jetzt das Buch weglegen und schnellstens zu meinem Bruder gehen … ENDE
Texte: Alle Rechte beim Autor Domino
Bildmaterialien: Alle Rechte beim Autor Domino
Lektorat: by manu
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2011
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