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eine Bärengeschichte

Teddybären sind Wesen, die jahre-, oft jahrzehnte- und manchmal jahrhundertelang unter uns Menschen leben. Sie dienen uns als Kinderspielzeug, Kuschelpartner, Seelentröster, Sammlerobjekt, Liebhaberstück, Dekorationsgegenstand, Schlafbär, Hundespielzeug und mehr. Manche landen auf Sperrmüllhaufen und in Verbrennungsanlagen. Klaglos ertragen sie ihr Schicksal und freuen sich für ihre Artgenossen, denen dieses Los erspart bleibt.

 

Sie werden zärtlich geliebt und gestreichelt. Leiden danach höchstens unter Haarausfall und an Gelenkschäden. Andere werden gehegt und gepflegt, regelmäßig enstaubt oder sitzen in Vitrinen und Schaufenstern. Schauen aus blitzenden oder altersblinden Glasaugen und warten auf den Tag, an dem sich ihr Dasein von einer Sekunde auf die andere ändert und sie gerufen werden. Von einem Menschenkind, das ihre Bärenherzen klopfen hört. Dann sind sie bereit. Für die Reise ...

 

 

So wie Vroni und Seppi. Ihre Geschichte möchte ich hier erzählen:

 

Beide sind waschechte Bayern, die die Liebe zu ihren Menschen auf ein Holzregal in ein Hunsheimer Wohnzimmer verschlagen hat, das sie sich mit einer Horde Bärenkumpels teilen. Vroni und Seppi fiebern seit Wochen einem großen Ereignis entgegen, so daß sie vor lauter Aufregung fast vom Regal purzeln. Ihre Menschenfreundin Borgi, die nicht nur wunderhübsche und liebevolle Teddygeschichten schreibt, hat bald Geburtstag. Auch sie besitzt die Gabe, Bärenherzen klopfen zu hören. Deshalb wollen sie sich auf den Weg machen, um ihr ein Geburtstagsständchen darzubringen. Doch dafür müssen sie eine weite Reise antreten. In ein fernes Land. Mit einer fremden Sprache. Nach Italien. An den Gardasee. Ein Ziel, das sie auf jeden Fall erreichen wollen. Egal, wie und welche Hürden dafür zu überwinden sind. Sie würden pünktlich eintreffen!

 

Damit sie wohlbehalten am Ziel ankommen, ohne an Halunken zu geraten, müssen sie weise Vorsorge treffen. Vroni hat die rettende Idee. Wastl, der die Wohnung bewacht und für seine Raubschärfe bekannt ist, muss mit auf die geplante Reise. Seppi findet ihren Vorschlag grandios. Er würde zwar mit seinem Wanderstab jedem Gegner den Garaus machen, der seiner besseren Hälfte auf den Pelz rückt oder ihr Leben bedroht. Aber mit Wastls Verstärkung schlügen sie jeden Räuber Hotzenplotz in die Flucht. Auf Nimmerwiedersehen!

 

So ist es beschlossene Sache: Vroni, Seppi und Wastl überraschen Borgi, die Urlaub am Gardasee macht. Alle Vorbereitungen sind abgeschlossen. Praktische Kleidung angezogen und Rucksack gepackt. Ihnen ist kein Weg zu weit, kein Berg zu hoch.

 

Am letzten Abend vor der Abreise will sich Seppi zur Einstimmung ein leckeres Bergsteigerbier zu Gemüte führen, auch wenn Vroni noch so laut brummt. Egal. Borgi wird schließlich nur einmal im Leben sechszig. Unglaublich. So jung wie sie aussieht. Das sollte man mal genau überprüfen. Doch dafür ist jetzt keine Zeit. Sein Weizentrunk wartet...

 

Seppi wirft einen Seitenblick auf Vroni. Seine Herzallerliebste ist nach dem Verzehr köstlicher Eiscreme und von der Lektüre der „Neuen Bärenwoche“ eingeschlafen. Sie schnorchelt vor sich hin und unter ihrem Kleid senkt und hebt sich gleichmäßig ihr süßer Bärenbauch. „Na endlich“, denkt Seppi und ergreift die Gelegenheit beim Schopfe. Gekonnt seilt er sich vom Regal ab. „Gelernt ist gelernt“, murmelt er stolz und stapft Richtung Küche.

 

Aber was ist das? Auf der Türschwelle bleibt er wie angewurzelt stehen und starrt fassungslos auf das heillose Durcheinander. Der Fußboden ist übersät mit Plastikfetzen, die nur ansatzweise als Einkaufstüte zu erkennen sind, und braunen Glasscherben, die mit Sicherheit vorher mit gutem bayerischem Weißbier gefüllt waren. Das hat sich anscheinend, einem Zauber folgend, in Luft aufgelöst oder ist im Boden versunken. Was nach bärlichem Ermessen undenkbar und nicht zu glauben ist. Es muss eine Erklärung für dieses Phänomen geben. Und die gibt es tatsächlich. Sie liegt sprichwörtlich vor ihm. Mitten im Chaos. Blau wie der Himmel über Hunsheim. Trägt einen Namen und scharcht wie ein Holzfäller: Wastl!

 

Seppi durchfährt es wie ein Blitz. Sein Bärenhirn rattert wie eine alte Nähmaschine und seine Gedanken gleichen einem Wirbelsturm. Trifft ihn die Schuld an des Teckels Zustand? Hätte er die Bierflaschen auspacken und im Kühlschrank deponieren sollen? Er würde sich am liebsten selbst mit seinem Wanderstock den Bärenhintern versohlen, doch das nützt nun auch keinem mehr. Seppi bleibt nichts anderes übrig, als Vroni um Hilfe zu bitten. Sie kennt sich besser mit Hunden aus und wird dem armen Dackel helfen, auch wenn sie ihm selbst dafür die Bärenohren lang ziehen und eine Strafpredigt halten wird. Egal. Da muss er durch. Hier geht es um Wastl und die geplante Reise nach Italien.

 

So eilt Seppi zurück ins Wohnzimmer und ruft Vroni um Hilfe, die sofort weiß, was zu tun ist. Wastl muss in ein Hundekrankenhaus. Vorsichtig heben sie ihn auf, betten ihn in ihr rotes Erdbeerauto und sausen in die Notaufnahme der Tierklinik. Nach einigen Untersuchungen kommt die erlösende Nachricht. Bis auf einen Brummschädel sind keine Folgeschäden zu erwarten. Wastl muss nicht in der Klinik bleiben, sondern darf zuhause seinen Kater auskurieren. Vroni und Seppi wird schlagartig klar, dass sie nicht zu Borgis Geburstag an den Gardasee reisen können. So leid den Beiden das auch tut. Ohne Wastl wollen sie nicht los. Sie gehören zusammen. Alle Drei!

 

Traurig lässt Seppi den Kopf hängen. Ihn plagt immer noch das schlechte Gewissen. Unsicher streift sein Blick Vroni, die an Wastls Bettchen sitzt. Sie merkt, wie traurig ihr Bärenliebster ist. „Seppi, ich habe eine Idee“, brummt sie. „Wir beauftragen ein Menschenkind damit, unserere Geschichte aufzuschreiben und

Borgi eine Geburtstagsüberraschung zu bereiten. Da sie selbst Bärengeschichten schreibt, wird sie sich bestimmt freuen, wenn sie unser Geschenk sieht.“ Mit diesen Worten streichelt sie kurz über Seppis Tatze und stupst ihn aufmunternt ihn die Seite.

 

Und so geschieht es. Wastl wird wieder pumperlgsund, Seppi räumt sein Bier von nun an direkt in den Kühlschrank und Vroni brummt zufrieden, als ich ihre Geschichte aufschreibe und noch ein Geburtstagsständchen für unsere liebe Freundin Borgi auswähle:

 

Herzliche Glückwünsche zum Geburstag liebe Borgi - borgi53

Wie viel Sand im Meer,

wie viel Sterne oben her,

wie viel Tiere in der Welt,

wie viel Heller unterm Geld, 

in den Adern wie viel Blut,

in dem Feuer wie viel Glut,

wie viel Blätter in den Wäldern,

wie viel Gräslein in den Feldern,  

in den Hecken wie viel Dörner,

auf dem Acker wie viel Körner,

 

 

 

 

auf den Wiesen wie viel Klee,

wie viel Stäublein in der Höh, 

in den Flüssen wie viel Fischlein,

in dem Meere wie viel Müschlein,

wie viel Tropfen in der See,

wie viel Flocken in dem Schnee, 

so viel Lebendig weit und breit,

wünsch ich dir eine gute Zeit.

 

(Quelle: Volkslied aus: “Des Knaben Wunderhorn”)

 

 

 

 

Mit dieser Bärengeschichte gratulieren wir Dir, liebe Borgi, von ganzem Herzen zum Geburtstag. Möge Dir in deinem neuen Lebensjahr täglich eine Sonne scheinen und Regenwolken sich schnell wieder verziehen ...

 

Doris, Roger und das Finchen

Impressum

Texte: Doris Sponheimer
Bildmaterialien: Doris Sponheimer
Tag der Veröffentlichung: 08.07.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für ein liebes Menschenkind

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