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Düfte, Leckereien, Gedichte und Weihnachtslieder




Wie liebte ich als Kind die Vorweihnachtszeit in meiner Heimatstadt Krefeld. Das Flackern der Kerzen auf dem Adventskranz, in deren Flammen ich gerne Tannennadeln verkokelte. Sie brannten besonders gut, wenn ich sie vorher in das flüssige Wachs der Kerzen tauchte. Wurde ich erwischt, hielt mir meine Oma eine gehörige Strafpredigt, die mich nur kurzzeitig von meinen Schandtaten abhielt.

Den Duft der Bratäpfel, gefüllt mit Persipan und Nüssen, die mein Vater auf dem gusseisernen Kohleofen in unserem Wohnzimmer zubereitete. Plätzchen backen. Die silberfarbenen Blechförmchen, mit denen ich Tannenbäume, Monde, Sterne und Schaukelpferdchen ausstechen durfte. Der Geschmack des Teiges. Nach Margarine und Zucker. Fein gemahlene Mandeln oder Haselnüsse, die unter „Naschverbot“ standen, damit sie ausreichten.


Der am Küchentisch befestigte Fleischwolf mit seiner Kurbel. Sie hatte einen dunkelroten Holzgriff. Ich spüre sie noch heute in meinen Händen. Lange Schlangen von Spritzgebäck entstanden so, die anschließend in Stücke geteilt und nach dem Backen von einer Seite in flüssige, dunkle Blockschokolade getaucht wurden.


Basteln von Strohsternen und kleinen Geschenken, oft von meinem großen Bruderherz unterstützt. Das Singen und Klingen der Weihnachtslieder. Aus dem Radio. Vom Plattenspieler. Selbst gesungen. Gemeinsam mit Papa.



O du fröhliche, O du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit - Doris singt 1959




Gedichte lernen. Aus dem grünblauen Heftbüchlein „Weihnachtsgedichte zum Aufsagen“ von Walter Leipziger aus dem Franz Schneider Verlag. Vorgetragen auf der Weihnachtsfeier des Verbandes Deutscher Kriegsversehrter.

Hoch von der Bühne im Kostüm eines Engelchen, mit „Fritzchenfrisur“. So nannte mich mein Vater liebevoll, weil ich ein halber Junge war. Dafür trug ich einen silbernen Haarreif mit einem goldenen Stern, auf den ich mächtig stolz war.


Schaufenstermärchenwelten und das Christkind kommt




Die lockenden Schaufensterscheiben der Geschäfte auf der Hochstraße. Die Märchenwelt mit beweglichen Figuren und Stofftieren im Kaufhof und bei Spielwaren Seidel in Krefeld. Wunschzettel an das Christkind. Das jährliche Festtagspaket von den Verwandten aus Schleswig Holstein. Leckereien vom Lande. Selbst Geschlachtetes. Gans oder Ente. Würste und Fleisch vom Schwein oder Rind.

Der Heilige Abend, an dem meine Eltern arbeiten mussten. Meine Mutter als Verkäuferin im Schuhhaus Rohm und mein Vater als Schneider beim Herrenausstatter Tophoven auf dem Ostwall. Nachmittags Kindergottesdienst in der Alten Kirche am Schwanenmarkt. Zuhause eine verschlossene Wohnzimmertüre, hinter der das Christkind fleißig war.


Mein Vater, der dort den Tannenbaum aufstellte und die Zweige mit Lametta, Strohsternen und Schmuck aus roten, goldenen, silbernen Kugeln und halbiertem künstlichem Obst behängte. Vögelchen mit wippenden Schwanzfedern und Kerzen anklemmte. Den Baum mit einer glänzenden Spitze krönte. Darunter der selbst gebaute Holzstall mit den Krippenfiguren, die später unter dem Weihnachtsbaum meiner eigenen Familie standen. Vor der Bescherung das gemeinschaftliche Verspeisen der Küchenköstlichkeiten, von Oma und Mutter zubereitet.

Endlich das Läuten des Glöckchens. Die Tür zum Wohnzimmer öffnet sich. Gibt den Blick auf die geschmückte Tanne, die Krippe, die Geschenke frei.

Kindliches Staunen. Die alten Lieder. Die wohltönende Stimme meines Vaters. Meine Mutter eher verhalten. Ich singe laut „O du fröhliche, O du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit ...“


Weihnachtsgefühle ...




So war es immer. Viele Jahre lang. Auch in St. Tönis. In unserem neuen Haus. Später als ich erwachsen war und zum Frühschoppen ins Mary Ann oder zum Saloon nach Krefeld fuhr. Der Heilige Abend gehörte meinen Eltern. Weihnachtsgefühle im Familienschoß.


Und immer noch die alten Lieder - mit Papa ...




Vor sechsundzwanzig Jahren saß ich am Krankenbett meines Vaters. Im Maria Hilf in Krefeld. Allein mit ihm. Mit seinem letzten Kampf, den er verlor. Ich hielt seine Hand, als er phantasierte. Schloss seine Augen, nachdem er friedlich eingeschlafen war.


Er war einundsiebzig und ich dreißig. Dreißig gemeinsame Jahre.


Zu Ende am 16. Dezember 1986 ...

Danke Papa


Text vom 16. Dezember 2011, geänderte Fassung © Doris Sponheimer, Fotos eigene

Impressum

Texte: Doris Sponheimer
Bildmaterialien: Doris Sponheimer, eigene Fotos
Tag der Veröffentlichung: 16.12.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Papa ...

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