Die Entstehungsgeschichte der ersten Generation der legendären Boeing 747 basiert wohl noch mehr als jedes andere historische Projekt im kommerziellen Flugzeugbau auf der visionären Kraft, dem unerschütterlichen Mut und dem konsequenten Handeln herausragender Akteure sowohl auf Seiten des Herstellers als auch beim Erstkunden Pan Am. Die Erfolgsgeschichte des ersten Großraumflugzeugs der Welt, die heute noch immer fortgeschrieben wird, nahm im Wesentlichen durch vier Schlüsselpersonen ihren schwierigen Anfang. Wer waren diese Männer und wie kam es dazu, dass sie entscheidend zur Entstehung der Boeing 747 beitragen konnten?
William McPherson Allen: Der im Jahr 1900 im US-Bundesstaat Montana geborene William McPherson, genannt „Bill“ Allen, arbeitete ab 1930 für Boeing Air Transport, der 1927 gegründeten Postfluggesellschaft aus der später die noch heute weltweit operierende Fluggesellschaft United Airlines hervorging. Im Folgejahr wechselte Allen dann zur Boeing Airplane Company, die zu jener Zeit im zivilen Bereich Postflugzeuge wie das Model 40 und 40A sowie Passagierflugzeuge wie das Model 80 und 80A, letztere mit schon 18 Sitzplätzen, herstellte. Dort erlebte Allen einen raschen Aufstieg, der ihm 1945 die Präsidentschaft der Firma bescherte. Er blieb bis 1972 am Ruder des Unternehmens, welches von 1970 an nur noch unter Boeing Company firmierte. Er bestimmte also fast drei Jahrzehnte die Geschicke eines der weltweit wichtigsten Unternehmen im militärischen und zivilen Flugzeugbau. Unter seiner Verantwortung wurden viele kommerzielle Flugzeugbaureihen entwickelt und produziert, die auch heute noch bekannt oder noch immer im Dienst sind, wie die vierstrahlige B707, die dreistrahlige B727, und die zweistrahlige B737 und schlussendlich auch die alles überragende Boeing 747, das erste zivile Großraumflugzeug der Welt. Bill Allen starb im Jahr 1985 nach einem langjährigen Alzheimer-Leiden. 2003 wurde er im Fortune Magazin auf Rang zwei der besten CEOs der amerikanischen Unternehmensgeschichte gewählt.
Malcolm T. Stamper: Der aus Detroit stammende und 1925 geborene Stamper kam 1962 von General Motors zu Boeing. Seinen ersten großen Erfolg im Unternehmen feierte er mit dem Verkauf des damals sehr schlecht laufenden Gasturbinengeschäfts an Caterpillar. Bill Allen machte Stamper daraufhin zum Verantwortlichen für die Entwicklung der Boeing 747. Er wurde somit Chef von über 50,000 Mitarbeitern und er hatte nichts weniger zu erreichen als die parallele Entwicklung und Fertigstellung des riesigen neuen Boeing Werks in Everett, Washington. Während das Werk noch gebaut wurde, sollte Stamper darin das größte bis dahin erdachte zivile Passagierflugzeug der Welt, die Boeing 747, entwickeln, bauen, zur Serienreife führen und zertifizieren lassen. Stamper wurde offiziell Projektleiter für beide Unterfangen. Diese fast unvorstellbare komplexe und große Management- und Ingenieursaufgabe gelang ihm so gut, dass er danach zwischen 1972 und 1985 zeitweise das Unternehmen führte, oder der Führungsspitze angehörte. Stampers Bedeutung für Boeing und in der amerikanischen Luftfahrtindustrie lässt sich unter anderem auch an seiner Bezahlung festmachen: Er gehörte 1978 zu den insgesamt nur zwölf Führungskräften amerikanischer Großunternehmen, die mehr als eine Million US$ pro Jahr verdienten. Stamper ging 1990 in Rente und gründete danach einen erfolgreichen Kinderbuchverlag. Er starb im Jahr 2005, im Alter von 80 Jahren, in Seattle.
Joseph F. Sutter: Stampers wohl mit Abstand wichtigster Mitarbeiter war der 1921 in Seattle geborene Joseph F., genannt „Joe“, Sutter. Sutter wurde nach einer langen Ingenieurskarriere bei Boeing Chefingenieur der 747 und gleichzeitig Leiter des 747 Design Teams. Er beeinflusste die Entwicklung und das Design des Flugzeugs wie kein anderer, weshalb er heute auch in höchst angesehenen Publikationen, wie unter anderem dem Smithsonian Air and Space Magazine, als der „Vater der Boeing 747“ bezeichnet wird. Sutter trägt seit 1985 die United States Medal of Technology und hat bis heute nie aufgehört, Boeing beim Design neuer Flugzeuge zu beraten und zu unterstützen. So war er in den letzten Jahren beispielsweise an der technischen Ausgestaltung der Boeing 737Max beteiligt. Seit Sutters 90. Geburtstag trägt das Boeing Entwicklungs- und Ingenieurszentrum im Werk Everett seinen Namen. Joe Sutter lebt noch immer in Seattle. Er ist in den USA eine bekannte Persönlichkeit und seine Expertise war unter anderem auch im Raumfahrtbereich immer wieder gefragt. So gehörte Sutter unter anderem der Rogers Commission an, welche die Untersuchung der Katastrophe um den Space Shuttle Orbiter Challenger zur Aufgabe hatte. Joe Sutter starb am 30. August 2016 in Bremerton, Washington.
Juan Terry Trippe: Der im Juni 1899 in dem kleinen Städtchen Sea Bright in New Jersey geborene Juan Terry Trippe hatte schon im ersten Weltkrieg Kontakt zur Luftfahrt: 1917 unterbrach er als Student in Yale mit Freunden sein Studium, um bei der U.S. Navy ein Pilotentraining zu absolvieren. Für einen Einsatz in Europa kam sein Abschluss im Juni 1918 zwar zu spät, doch blieb er danach der Luftfahrt für immer verschrieben: Nach Abschluss seines Studiums 1921 gründete er ein Jahr später seine erste Fluggesellschaft, das Long Island Air Taxi, welches reiche Bürger zwischen New York und ihren Wohnorten oder Wochenendsitzen auf Long Island transportierte. Das Geld hatte er sich von seinen ehemaligen Studienkollegen in Yale besorgt, denen er dafür im Gegenzug Aktien an seinem Air Taxi gab. Damit nicht wirklich reich werdend, wandte er sich 1925 abermals an seine wohlhabenden Studienfreunde aus Yale. Dieses Mal investierte Trippe in das zu dieser Zeit gerade massiv aufkommende Luftpostgeschäft in den USA und gründete das Unternehmen Colonial Air Transport. Es konnte am 7. Oktober 1925 tatsächlich Transportrechte auf der Postroute zwischen New York und Boston erwerben, die es dann ab dem 26. Juli 1926 erfolgreich mit Flugzeugen von Fokker und Curtiss bediente. Doch das Interesse von Trippe lag eigentlich ganz woanders: Er hatte schon immer davon geträumt von Florida aus über das Wasser Verbindungen in die Karibik anzubieten zu können. Diese Zielsetzung gepaart mit den Einnahmen der Colonial Air Transport führten zur komplexen Gründungsgeschichte der zur Zeit der Boeing 747 weltweit größten und wichtigsten Fluggesellschaft Pan American Airways (PAA).
Pan Am wurde am 14. März 1927 als Strohfirma gegründet und verfolgte das Ziel, Posttransportverträge aus den USA in die Karibik und nach Mittelamerika zu gewinnen und somit ein Gegengewicht zur SCADTA herzustellen. SCADTA, die Sociedad Colombo Alemana de Transporte Aéreo, aus der später die heute noch operierende Avianca hervorging, war ein deutsch-kolumbianisches Gemeinschaftsunternehmen, welches sich zu dieser Zeit die ebenfalls strategisch wichtige Transportrechte in dieser Region sichern wollte. Pan Am gelang es dann tatsächlich den Kontrakt für den Postverkehr nach Havanna, Kuba, zu gewinnen, besaß aber weder ein Flugzeug noch die notwendigen Landerechte auf der Karibikinsel. Am 2. Juni 1927 gründete Trippe daher mit Hilfe von namhaften Finanziers wie Cornelius Vanderbilt Whitney die Aviation Corporation of the Americas (ACA). Diese kaufte in der Folge das Unternehmen American International Airways auf, inklusive der begehrten Landerechte in Havanna. Am 19. Oktober 1927 flog ACA im Auftrag von Pan Am erstmals die Strecke von Key West, Florida, nach Havanna, Kuba – gerade noch rechtzeitig, um den Vertrag mit der Post zu erfüllen.
Pan Am und ACA verschmolzen 1928 mit der ein Jahr zuvor gegründeten Atlantic, Gulf, and Carribbean Airways (AGC) zur neuen Aviation Company of the Americas. Pan American Airways wurde der Name für den fliegerischen Teil des neuen Unternehmens und Juan T. Trippe erhielt die operationelle Verantwortung. Ihren offiziellen Postflug absolvierte die Airline in eigener Regie am 28. Oktober 1927 von Key West nach Havanna.
Abbildung 1: Dieser Brief wurde am 19. Oktober 1927 vom Piloten Cy Caldwell mit einer Fairchild FC-2 von Key West nach Havanna geflogen. Dies war der erst internationale Luftposttransport im Auftrag von Pan American Airways überhaupt.
Abbildung 2: Aus bescheidenen Wurzeln entwickelte sich Pan Am, nicht zuletzt auch durch geschicktes agieren auf der politischen Bühne, rasch zu einer Weltumspannenden Fluggesellschaft mit hohem Bekanntheitsgrad rund um den globus.
Erstmals mit Passagieren flog Pan Am am 16. Januar 1928, als sieben Passagiere mit einer Fokker F-VII die gleiche Strecke absolvierten. Die Fluggesellschaft nahm danach einen beispiellosen und anfänglich überwiegend auf Flugbooten basierenden Aufstieg. Schon 1930 trennte sich Juan T. Trippe von Colonial Air Transport, aus der später American Airlines hervorging und konzentrierte sich fortan ausschließlich auf Pan Am.
Pan American World Airways, entwickelte sich erst zur bedeutendsten Fluggesellschaft der Vereinigten Staaten und dann über die Jahre hinweg auch zur mit Abstand wichtigsten Airline der Welt. Schon in den 1940er und 1950er Jahren hatte das Unternehmen eine Größe und Bedeutung erreicht die es erlaubte, massiven Einfluss auf die Modellpolitik der großen Flugzeughersteller zu nehmen. Vom Zweiten Weltkrieg kaum negativ beeinflusst, ließ Pan Am die Ära der Flugboote rasch hinter sich und investierte in immer größere und über mehr Reichweite verfügende Flugzeuge. In den 1960er und 1970er Jahren war Pan Am die mit Abstand wichtigste und größte Fluggesellschaft der Erde. Trippe selbst leitete bis 1968 ihre Geschicke. Er starb 1981 in New York und erhielt 1985 posthum von Präsident Ronald Reagan die United States Medal of Freedom.
Abbildung 3: Pan Am dominierte in den 1960er und 1970er Jahren den globalen Luftfahrtmarkt. Szenen wie diese in den frühen 1980er Jahren, bestimmt durch die Boeing 727 und 747 In Frankfurt am Main, demonstrieren diese Dominanz nur im Ansatz.
Die Lebenswege von Juan T. Trippe von Pan Am und Bill Allen von der Boeing Company berührten sich nicht erst in der Startphase der Boeing 747 zum ersten Mal: Die beiden Männer hatten schon in der Entwicklung der ersten Generation amerikanischer Turbinenstrahlflugzeuge zusammengearbeitet und den Bau der Baureihe 707 gemeinschaftlich vorangetrieben. Sie stellte seinerzeit für Boeing den Einstieg in das Jetzeitalter im zivilen Flugzeugbau dar und konkurrierte in diesem Segment primär mit der ebenfalls sehr erfolgreichen DC-8 von Douglas. Mehr als ein Jahrzehnt später sollten die beiden Männer über Umwege wieder zusammenkommen und ein Flugzeug auf den Weg bringen, welches noch heute die weltweite Passagierluftfahrt entscheidend mitbestimmt und das zur Ikone der weltumspannenden Zivilluftfahrt aufsteigen konnte: Die Boeing 747.
In der Literatur zur Boeing 747 findet man verbreitet Hinweise auf die Art und Weise der Zusammenarbeit von Trippe und Allen und einige Bücher die sich gezielt mit der Wirtschaftsgeschichte der USA auseinandersetzen, beschäftigen sich sogar ausschließlich mit diesem Thema. Zusammenfassend ist es wohl sicher angebracht zu resümieren, dass das Verhältnis der beiden Luftfahrtpioniere weniger von persönlichen Sympathien oder gar Freundschaft geprägt war als von gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Viele sehr wichtige gemeinsame Entscheidungen für die weitere Entwicklung des Flugzeugbauers und der Fluggesellschaft wurden von Trippe und Allen während einer Golfrunde oder beim Angeln mündlich vereinbart, auch wenn hierbei schier unvorstellbare Summen im Raum standen. Dies verdeutlicht den vertrauensvollen Umgang zwischen Trippe und Allen, zeigt aber gleichzeitig auch, welche Sonderstellung unter den Airlines Pan Am seinerzeit wirklich aufwies. Strategische Entscheidungen der Fluggesellschaft dienten auf globaler Ebene vielen anderen Unternehmen als ganz wesentlicher Indikator für eigene Entscheidungen. Dies schloss natürlich und in ganz besonderem Maß auch die Flottenpolitik ein: Kaufte Pan Am einen bestimmten Flugzeugtyp, so folgten viele andere im sicheren Glauben daran, hiermit keinen Fehler zu machen. Diese ganz besondere Führungsrolle hielt die Airline nicht nur für einige Jahre, sondern für mehr als drei Jahrzehnte. Pan Am ging sprichwörtlich voran und große Teile der Luftfahrtindustrie der damals freien Welt folgten der Airline. Neben dem Einfluss auf den Markt erwarb die Airline auch mehr und mehr Einfluss auf die konkreten Produkte: Viele Fortschritte in den Bereichen Navigation, Kommunikation und Sicherheit, die wir heute für selbstverständlich halten, wurden ursprünglich von oder für Pan Am entwickelt.
Abbildung 4: Die Boeing 707 löste, im Duett mit der Douglas dc-8, die erste große Revolution durch jetgetriebene flugzeugtypen am westlichen Flugzeugmarkt aus. hier eine 707-330B der Lufthansa (D-ABUF), aufgenommen in Frankfurt im jahr 1981.
Tatsächlich beeinflusste Trippe aber nicht nur mit, wie etwas im Detail beschaffen sein musste, sondern er bestimmte ganz grundsätzlich wie etwas prinzipiell auszusehen hatte. So hatte der Pan Am Gründer schon in den 1950er Jahren mit großem Druck auf die renommierten amerikanischen Flugzeugbauer Douglas und Boeing eingewirkt, da er die Zeit für ein Passagierflugzeug mit Turbinenstrahltriebwerk aus amerikanischer Produktion gekommen sah. Er war es, der Douglas und Boeing zu aufwändigen und höchst fortschrittlichen Projekten animierte, die sich in Form der DC-8 von Douglas und der 707 von Boeing zu einer Revolution des Luftfahrtmarkts aufschwingen konnten und den Mittel- und Langstreckenmarkt für rund zwei Jahrzehnte beherrschten. Der große Einfluss von Pan Am wirkte sich daneben auch direkt zuerst auf die amerikanische und später auf eine Reihe weiterer westlicher und ökonomisch erfolgreicher Gesellschaften aus: Waren Flugreisen in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren noch einem Bruchteil der Bevölkerung vorbehalten, so schaffte es Trippe unter anderem durch die Einführung der Touristenklasse bei Pan Am die Luftfahrt für ein breiteres Publikum erschwinglich zu machen. Plötzlich konnten Bevölkerungsschichten Flugreisen unternehmen, für die wenige Jahre zuvor ein Flug noch undenkbar gewesen wäre.
In den frühen 1960er Jahren setzten sich die Mittel- und Langstreckenjets endgültig gegen die damals modernsten von Kolbenmotoren angetriebenen Modelle, wie den Lockheed L-1649 Starliner, oder die Douglas DC-7 durch. Das Passagieraufkommen nahm geradezu rasant zu und die Fluggesellschaften suchten nach Möglichkeiten, um bei insgesamt sinkenden Kosten pro Flug noch mehr Passagiere transportieren zu können. Die einfachste Möglichkeit diesen in Sitzkilometerkosten ausgedrückten Effizienzwert positiv zu beeinflussen, ist im Allgemeinen eine höhere Dichte der Bestuhlung in der Kabine. Diese Option widerstrebte den Fluggesellschaften zur damaligen Zeit aber noch sehr, da der Komfort an Bord und ein geräumiges Gefühl in der Kabine noch immer als sehr wichtige Verkaufsargumente galten. Die Flugzeughersteller versuchten dem Bestreben der Airlines mit neuen und größeren Modellen Rechnung zu tragen. So bot Douglas den Fluggesellschaften einige verlängerte Versionen der DC-8 mit niedrigeren Sitzkilometerkosten an. Diese, als DC-8 Super Sixties vermarkteten Flugzeuge, konnten bei ihrer Auslieferung theoretisch bis zu 269 Passagiere aufnehmen. Das größte und reichweitenstärkste Modell der Baureihe, die DC-8-63, transportierte in typischer Bestuhlung bereits 210 Passagiere über 7.660km.
Abbildung 5: Die extrem gestreckten Versionen der Douglas DC-8, wie hier LN-MOF, eine DC-8-63 der SAS, setzten die Konkurrenzhersteller in den Bereichen Kapazität und Performance erheblich unter Druck.
Wie nicht anders zu erwarten, wollten die anderen Flugzeughersteller, und hierbei vor allem Boeing, Douglas dieses Feld am oberen Ende des Marktes nicht kampflos überlassen. Boeings Entwicklungsabteilung prüfte alle erdenklichen Möglichkeiten, um mit der Baureihe 707 in eine ähnliche Größenordnung vorzudringen. Doch das Design des Flugzeugs setzte diesem Vorhaben eine ultimative Grenze: Durch das niedrigere Fahrwerk erhöhte sich mit jeder weiteren Verlängerung des Rumpfs über die bisher maximal erreichten 46,61m hinaus die Gefahr, dass der Heckbereich bei der Rotation in der Startphase auf der Startbahnoberfläche aufsetzte. Eine direkte Konfrontation der Super Sixties mit einer verlängerten 707 war durch diese technische Einschränkung also nicht möglich. Dies führte natürlich nicht dazu, dass Boeing nun seinem Hauptkonkurrenten dieses Marktsegment vollkommen kampflos überlassen würde. Vielmehr versuchte der Hersteller jetzt andere Strategien zu finden, um zeitnah und mit möglichst geringem Entwicklungsaufwand den verlängerten Modellen aus der Serie DC-8 die Stirn bieten zu können.
Parallel zu ersten Entwürfen für neue und eigenständige Flugzeugkonzepte arbeitete ein kleiner Teil der Entwicklungsabteilung von Boeing noch einmal ein Konzept auf Basis der Kerntechnologien der Boeing 707 aus. Die Planung sah vor, eine weitgehende Veränderung und Überarbeitung des Fahrwerks der 707 vorzunehmen, dann den Rumpf anzupassen und zu strecken und schlussendlich einen vergrößerten Flügel anzubringen. Die Eckdaten dieses Konzepts sahen vor, 230 Passagiere über 9.260km transportieren zu können – insgesamt sehr vielversprechend. Als man jedoch für die bedeutenden Neukonstruktionen die Aufwände und Kosten kalkulierte, musste man bei Boeing rasch erkennen, dass die Gesamtkosten für ein schlussendlich noch immer stark auf Kompromissen beruhendes Flugzeug eindeutig zu hoch ausgefallen wären. Daher verwarf man nach diesem letzten Versuch die grundsätzliche Idee auf Basis der 707 vorzugehen, endgültig. Um gegen die Super Sixties von Douglas zu konkurrieren, musste also ein neues und eigenständiges Konzept her.
Pan Am und vor allem Juan T. Trippe persönlich war insgesamt nicht zufrieden mit dieser Entwicklung. Ein konkurrenzloses Muster in diesem so prominenten und wichtigen Marktsegment bedeutete de facto für die Fluggesellschaft, für bestimmte Einsatzgebiete keine Alternativen zu haben, also dass Douglas den Preis für die größten Versionen der DC-8 relativ frei hätte festlegen können. Trippe suchte daraufhin das Gespräch mit Allen. Das Ziel von Pan Am war es Boeing davon zu überzeugen, dass man dringend ein komplett neues Design verfolgen musste, um die Anforderungen der Airlines an einen stetig wachsenden Luftfahrtmarkt auch von Seiten der Flugzeughersteller befriedigen zu können. Die Prognosen der damaligen Zeit gingen von einem Passagieraufkommen von 35 Mio. Amerikanerinnen und Amerikanern aus, die im Jahr 1965 auf internationalen Routen reisen wollten. Diesen Markt bediente Pan Am zu jener Zeit aus den Vereinigten Staaten von Amerika heraus noch exklusiv. Bis 1980 sollte sich dieser Wert noch einmal verdoppeln. Diese Entwicklung verstand Trippe als eine Aufgabe und er sah die Erhöhung der Passagierzahl pro Flug als die einzig tatsächlich geeignete Lösungsstrategie.
Trippe befasste sich permanent mit den technologischen Entwicklungen und Gegebenheiten der Luftfahrt seiner Zeit. So wusste er auch, dass der Wunsch nach größeren Flugzeugkonzepten von einem Durchbruch in der Triebwerkstechnologie abhängig war: Zu jener Zeit stellten die 19.000lbs Schubkraft eines JT3D-7 von Pratt & Whitney schon den absolut höchsten Stand der Technik dar. Für Flugzeuge mit größeren Ausmaßen, mehr Reichweite und größerer Nutzlast mussten entweder mehr Triebwerke verplant oder Antriebsmotoren mit deutlich mehr Leistung entwickelt werden. Wie schon so oft in der Geschichte der zivilen Luftfahrt löste sich das Problem durch eine militärische Initiative, in diesem Fall durch einen aufsehenerregenden Auftrag der United States Air Force: Im Jahr 1962 schrieb die Luftwaffe der Vereinigten Staaten von Amerika einen Auftrag für ein militärisches Transportflugzeug aus. Das Projekt lief unter der Bezeichnung CX-HLS, für Cargo, Experimental – Heavy-Lift System. Die kapazitativen Eigenschaften des geforderten Flugzeugs waren für die damalige Zeit regelrecht unglaublich: Bis zu 750 Soldaten sollten in der Maschine Platz finden. Wahlweise sollte das Flugzeug aber auch die schwersten zu jener Zeit verfügbaren Panzer aufnehmen können. Boeing, Douglas und auch Lockheed nahmen sich der Sache sofort an. Die erforderlichen Ausmaße des Flugzeugs für die geforderte Kapazität musste die Größe der zu jener Zeit verfügbaren Muster deutlich übersteigen. So war von Beginn der Spezifikation an klar, dass dieses Projekt nur auf Basis neuer Triebwerke zum Erfolg geführt werden konnte. Pratt & Whitney und General Electric starteten daher Entwicklungsprojekte zum Bau eines Turbofantriebwerks mit großem Durchmesser und hohem Mantelstromanteil. Die Hersteller wollten so eine Leistung von 40.000lbs Startschubkraft, also rund dem zweifachen Wert der bis hierhin verfügbaren Technologie, erreichen.
Im April 1965 reiste Charles Lindbergh, damals bereits seit rund 30 Jahren als technischer Berater bei Pan Am beschäftigt, zum Werk von Pratt & Whitney nach Hartford, Connecticut. Dort wollte er sich über eine mögliche Leistungssteigerung für Triebwerkstypen auf Basis des verbreiteten JT3D informieren. Bei dieser Gelegenheit demonstrierten ihm die Ingenieure des Herstellers die Fortschritte des bis dorthin geheim gehaltenen Triebwerksprojekts STF200. Dieses Entwicklungsprojekt sollte als Vorstufe zum späteren JTF14 dienen, mit dem Pratt & Whitney 40.000lb Startschub an einer künftigen CX-HLS erreichen wollte. Obwohl das Triebwerk damals noch am Anfang seiner Entwicklung stand, war Lindbergh stark beeindruckt. Er verließ Hartford daher mit der festen Zuversicht, dass die Triebwerkstechnologie binnen weniger Jahre serienreife Triebwerke mit 40.000lb Startschub und mehr erlauben werde. Lindbergh informierte im Anschluss an seine Reise Juan T. Trippe von den Entwicklungen um das STF200. So wurde auch Trippe davon überzeugt, dass Pratt & Whitney nun schon bald die Basis dafür schaffen konnte, deutlich größere Flugzeuge als bisher in die Luft zu bekommen. Der angestrebte und erhoffte Durchbruch in der Triebwerkstechnologie stand nun also zeitnah bevor. Heute wissen wir, dass Lindbergh mit seiner Einschätzung vollkommen korrekt lag. Das STF200 diente später als Basis für das JT9D von Pratt & Whitney, welches sich als sehr wichtiges und für sehr lange Zeit führendes Triebwerk im Markt der Großraumflugzeuge etablierte.
Zwischenzeitlich hatten die drei konkurrierenden Flugzeugbauer ihre Entwürfe und ihre preislichen Vorstellungen für CX-HLS an offizieller Stelle eingereicht. Für Boeing war der Auftrag sehr wichtig, da man seit dem 1944 erstmals geflogenen C-97 Stratocruiser nicht mehr im Bereich der reinen militärischen Transportflugzeuge zum Zug gekommen war. Was sich in den Jahren und Jahrzehnten danach noch als viel wichtiger erweisen sollte, setzte sich zu jener Zeit zusätzlich ein neues strategisches Konzept bei Boeing durch: Die enormen Entwicklungskosten für CX-HLS sollten, bei nur geringen zusätzlichen Mehrkosten, auch für ein ziviles Projekt eingesetzt werden. Hiervon versprach sich Boeing die kostengünstige Entwicklung eines kommerziellen Fracht- und Passagierflugzeuges, welches, nach der technischen Probleme um eine vergrößerte Boeing 707, nun endlich die speziellen Anforderungen von Pan Am an ein geräumiges und über eine sehr hohe Reichweite verfügendes Flugzeug würde erfüllen können. Zudem könnte damit ein potenter Konkurrent gegen die verlängerten Modelle aus der Serie DC-8 von Douglas platziert werden.
Der primäre Fokus des Flugzeugherstellers lag aber bis dato noch immer auf der Ausschreibung des Militärs. Noch im Verlaufe des Wettstreits um den Zuschlag wurden dem Hersteller Informationen zugespielt, wonach die eigenen Preisvorstellungen deutlich über den Angeboten der Konkurrenz lägen. Insbesondere das Angebot von Lockheed sei deutlich günstiger. Daraufhin reduzierte Boeing den angestrebten Kaufpreis für das erste zu liefernde Paket an Flugzeugen um 100 Millionen US-Dollar, wohl wissend, dass man mit diesem Preis lediglich nur grob die Herstellungskosten der Flugzeuge decken konnte. Doch auch durch diese dramatische Preissenkung konnte man das Angebot von Lockheed bei Weitem nicht erreichen - der Preisunterschied von Boeing zu Lockheed lag selbst nach dieser Preisanpassung noch immer bei rund 200 Millionen US-Dollar.
Die Entscheidung für eines der drei konkurrierenden Konzepte ließ bis zum September 1965 auf sich warten. Das Entscheidungsgremium gab zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass eine technische Prüfung der Konzepte zu dem Ergebnis geführt hätte, dass das Angebot von Boeing das technisch Beste sei, gefolgt von Douglas und das Konzept von Lockheed wusste aus technischer Sicht am Wenigsten zu überzeugen. Doch seien die finanziellen Gesichtspunkte von so großer Bedeutung, dass man trotz der technischen Nachteile dem günstigsten Konzept den Zuschlag erteilen wollte. So kam es, dass Boeing und Douglas den Auftrag an Lockheed verloren. Der Rest der Geschichte ist wohl bekannt – Lockheed baute daraufhin auf Basis der Ausschreibung CX-HLS die C-5A Galaxy, ein heute im militärischen Bereich weltweit bekanntes Flugzeug und eine wahre Ikone der amerikanischen Militärmacht. So setzte sich an dieser Stelle seinerzeit der niedrige Preis gegen die wohl etwas bessere Qualität und Technologie durch.
Juan T. Trippe hatte natürlich die Geschehnisse um CX-HLS intensiv verfolgt. Er hoffte, einen oder mehrere Flugzeughersteller auf Basis der Ausschreibung zu einem zivilen Projekt überreden zu können. Als er vom Zuschlag für Lockheed hörte, kontaktierte er daraufhin den Vorstandsvorsitzenden des Boeing-Konkurrenten, Courtland Gross. Trippe teilte ihm mit, er sei sehr daran interessiert mit Lockheed gemeinschaftlich einen zivilen Ableger der C-5A zu entwickeln. Gross erbat sich daraufhin einige Stunden Bedenkzeit von Trippe und versprach ihm einen Rückruf – doch diesen tätigte er der Überlieferung nach nie.
Daraufhin wandte sich der Vorsitzende von Pan Am schon am folgenden Tag an seinen alten Geschäftspartner aus Zeiten der Boeing 707, Bill Allen. Er forderte Allen auf, mit Pan Am gemeinschaftlich eine zivile Variante des unterlegenen Boeing-Konzepts für CX-HLS zu bauen. Das Telefonat führte zu einem persönlichem Gespräch aus dem Trippe und Allen wie folgt zitiert werden: Trippe sagte zu Allen: „If you build it, I’ll buy it“, woraufhin Allen antwortete: „I’ll build it, if you buy it“. Dieser Ausspruch gilt seither als die Geburtsstunde der Boeing 747.
Diese Art Geschäfte zu machen erscheint umso bemerkenswerter, wenn man sich die Rahmenbedingungen der damaligen Zeit vor Augen führt: Zum Zeitpunkt dieses heute schon geradezu legendären Gesprächs zwischen Trippe und Allen kaufte Pan Am Maschinen aus der Baureihe 707 in etwa der gleichen Geschwindigkeit, wie Boeing die Flugzeuge herstellen konnte. Eine Maschine aus der Baureihe 707 kostete damals rund sieben Millionen US-Dollar und der Preis für ein Flugzeug in der Art, wie es Trippe und Allen auf Basis von CS-HLX planten, musste in damaligen Maßstäben und Denkmustern wohl um die 25 Millionen US-Dollar projektiert worden sein. Pan Am sprach von Anfang an über ein minimales Auftragsvolumen von 25 Flugzeugen, also dementsprechend über eine Summe von rund 625 Millionen US-Dollar, zuzüglich Ersatzteilen, Ersatztriebwerken und infrastruktureller Maßnahmen am Boden. Das Volumen des Auftrags entsprach damals den gesamten Gewinnpotenzialen von Pan Am über rund ein Jahrzehnt. Für Trippe war die Bestellung der Boeing 747 also ein enormes Risiko.
Das noch größere Risiko lag aber eindeutig bei Allen: Ein Flugzeug dieser Größe konnte unmöglich in den bestehenden Werkshallen von Boeing gefertigt werden. So musste, zusätzlich zur eigentlichen Entwicklung und zu den Baukosten für das Flugzeug, im Vorhinein oder teilweise parallel erst einmal ein komplettes neues Werk gebaut werden. Die Kosten hierfür lagen bei rund einer Milliarde US-Dollar, woraus Allen schloss, Boeing müsse rund 450 Maschinen des Typs Boeing 747 bauen und verkaufen, um die Gewinnzone zu erreichen. Allen hielt dies offenbar für realistisch und so erhielten 100 Ingenieure nur einen Tag nach der Niederlage im Wettstreit um CX-HLS den Auftrag, Juan T. Trippe und Pan Am mit einem zivilen Konzept auf Basis des vorgeschlagenen Militärtransporters zufrieden zu stellen. Die Arbeiten an geeigneten Konzepten wurden sofort aufgenommen. Mit der Leitung der Entwicklung beauftragte Allen den damaligen Chefingenieur von Boeing, Joe Sutter. Die Arbeit an den ersten Konzepten wurde unmittelbar aufgenommen.
Sutter und sein Team hatten nach kurzer Zeit eine Vielzahl unterschiedlicher Pläne für Flugzeuge mit 250, 300 und 350 Sitzplätzen entwickelt. Diese stellte Boeing in erster Linie technischen Mitarbeitern von Pan Am, BOAC, Japan Air Lines, Lufthansa, KLM und Trans World Airlines vor. Pan Am machte schon zu diesem sehr frühen Zeitpunkt deutlich, dass nur ein Flugzeug mit 350 Sitzplätzen aus ihrer Sicht Erfolg versprach. Die anderen anwesenden Fluggesellschaften stimmten dieser Aussage zu und Joe Sutter konnte mit dieser Anforderung an die Zeichenbretter zurückkehren. In der Folgezeit wurden rund 200 Flugzeugkonzepte im Größenbereich von rund 350 Sitzplätzen entwickelt, verändert und teilweise auch wieder verworfen. An rund 50 Plänen wurde etwas konkreter gearbeitet. Zwischenzeitlich hatte Juan T. Trippe einmal ein Konzept für ein komplett zweistöckiges Muster zu Gesicht bekommen und er zeigte sich extrem begeistert von dieser Idee. Trotz vieler Probleme mit einer doppelstöckigen Auslegung, wie der Abfertigung am Boden, der Be- und Entladung von Passagieren und Fracht, sowie einer raschen Evakuierung, waren aufgrund der Begeisterung von Pan Am für diese grundsätzliche Konstruktion viele Modellvorschläge der frühen Entwicklungsphase zweistöckig ausgelegt. Unter anderem hatte man ein Flugzeug konzipiert, welches über zwei übereinander gestapelte Rumpfkonstruktionen der Boeing 707 verfügen sollte. Dieser Plan sah eine spätere Kapazität von 433 Sitzplätzen vor. Doch auch diese Idee wurde schlussendlich wieder verworfen, unter anderem auch wegen der niedrigen Frachtkapazität durch den geringen Rumpfdurchmesser der klassischen Boeing 707.
Das Thema Rumpfdurchmesser entwickelte sich in der Folgezeit zu einer Kernfrage bei der weiteren Entwicklung des Flugzeugs. Boeing überprüfte seine Langzeitstrategie für die Zeitspanne bis in die 1980er Jahre und kam dabei zu dem Schluss, dass die künftige Boeing 747 lediglich ein Flugzeug für die Übergangsphase bis zur dominanten Verbreitung von Überschallpassagierflugzeugen sei. In den mittleren und späten 1960er Jahren war es eine verbreitete Überzeugung in der Industrie, dass den kommerziellen Überschallflugzeugen die Zukunft gehöre. Spätestens für einen Zeitraum um das Jahr 1980 sahen die Prognosen der damaligen Zeit vor, würde kaum noch Passagierluftfahrt im Unterschallbereich unternommen. Für die in Entwicklung befindliche Boeing 747 resultierte aus dieser Sicht in eine damals mögliche Zukunft, dass das Flugzeug zwar anfangs im Passagierdienst agieren würde, auf lange Sicht dann aber wohl in die Rolle eines Frachtflugzeugs gedrängt werde. Vor diesem Hintergrund resümierte Joe Sutter, die Boeing müsse 747 also eher für den Transport von Fracht optimiert werden, als für den Einsatz als Passagierflugzeug.
Abbildung 6: Schon die Boeing 707 konnte zum Transport ein fünftes Triebwerk am Tragflügel transportieren, wie dieses Flugzeug der Middle East Airlines beweist. Das fünfte Triebwerk ist mit einer aerodynamischen Schutzkappe versehen, um den Strömungswiderstand zu minimieren.
In einer Konferenz am 17. und 18. November 1965 stellte Pan Am den eigenen Erwartungshorizont an ein künftiges Modell oberhalb der 707 von Boeing vor. Es wurde deutlich, dass die Fluggesellschaft die Sicherstellung einer Kapazität von 350 Passagieren und einer Reisegeschwindigkeit von Mach 0,9 in einer Reiseflughöhe von 35.000 Fuß anstrebte. Die Reichweite des Flugzeugs sollte genügen, um ohne Zwischenstopp von Los Angeles nach Paris reisen zu können. Neben einer reinen Passagierversion mit den genannten Flugleistungen forderte Pan Am auch eine reine Frachtversion des neuen Modells. Das Flugzeug sollte künftig gut 72,5t Fracht mit einer Geschwindigkeit von Mach 0,8 in einer Höhe von ebenfalls 35.000 Fuß von New York nach London transportieren können. Diese Forderungen von Juan T. Trippes Airline mussten für Joe Sutter und Bill Allen fortan als Maßstab dienen, an dem sie ihr eigenes Produkt bewerten mussten. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt formulierte Pan Am eine weitere Anforderung an das Flugzeug, die man heute wohl zu den bemerkenswerten Features der Boeing 747 zählen kann: Die Airline verlangte, dass die 747 neben ihren vier zum Antrieb dienenden Triebwerken noch einen weiteren Motor am Tragflügel transportieren kann. Dies sollte möglich sein, um Ersatztriebwerke transportieren zu können, ohne hierfür Nutzlast im Innern des Flugzeugs nutzen zu müssen und vor allem auch ohne dafür bedeutend an Flugleistung einzubüßen. Diese Anforderung wurde später auch tatsächlich umgesetzt, wie übrigens zuvor auch schon an der Boeing 707.
Boeing, nun mit einer sehr exakten Anforderung konfrontiert, versuchte diese nun konsequent und rasch umzusetzen. Schon am 15. Dezember 1965 demonstrierte Boeing seinem Kunden anhand einer Kabinenattrappe ein Konzept für ein einstöckiges Flugzeug mit neun Sitzplätzen pro Reihe. Bei einem Folgetermin am 4. Januar 1965 konnte Boeing schon sieben weitere Konzepte präsentieren, von denen abermals vier über nur ein Deck verfügten. Das besondere an den Kabinenkonstruktionen dieser Flugzeugkonzepte war jedoch nicht ihre Passagierkapazität, sondern vielmehr ihr Rumpfdurchmesser: Dieser war gezielt so gewählt, dass jeweils zwei Standardfrachtpaletten nebeneinander auf dem Hauptdeck Platz finden konnten. Diese Maßnahme sollte dazu dienen, dass die künftige Boeing 747 schon von ihrer Basiskonstruktion her für eine Rolle als Frachtflugzeug optimal zugeschnitten wäre.
Ein ganz bestimmtes Konzept von Sutter und seinem Team kristallisierte sich anlässlich dieses Folgetermins als der Favorit von Pan Am heraus und dies, obwohl Sutter seinen Vorschlag als eine Verkettung von Kompromissen verstand: Das Flugzeug beruhte auf einer einstöckigen Konstruktion mit dem für zwei Frachtpaletten optimierten Rumpfquerschnitt. Dazu verfügte die Gestaltung über eine große Ladeluke an der Flugzeugfront, um Fracht bequem be- und entladen zu können. Um diese Methode der Be- und Entladung zu ermöglichen, musste Sutter eine Strategie entwickeln, um das Cockpit aus dem vorderen Bereich des Hauptdecks an einen anderen Ort zu verlagern. Auf Basis dieser Überlegung kreierte Sutter mit seinem Team einen „Buckel“ auf dem vorderen Rumpf. Dieser sollte das Cockpit beherbergen und dahinter Raum für einen Ruheraum für die Crew bieten. Durch diese Anordnung stand das gesamte Hauptdeck bis in die vorderste Spitze der Konstruktion für die kommerzielle Nutzung zur Verfügung.
Pan Am realisierte umgehend das Potenzial dieses außergewöhnlichen Konzepts und auch andere Fluggesellschaften wie United Airlines unterstützten das vorgestellte Flugzeug mit großem Rumpfdurchmesser, der Ladeluke an der Front und dem Cockpit oberhalb des Rumpfs. Die Airlines bekundeten klar ihr Interesse an einem Flugzeug mit den vorgeschlagenen Eigenschaften und Boeing intensivierte in der Folgezeit dementsprechend die Arbeiten an genau diesem favorisierten Plan. Der folgende Dialog mit den Airlines und die weitere Entwicklung des Flugzeugs verliefen so positiv, dass Boeing schon im März 1966 vor der Frage stand, ob auf Basis des sich immer weiter entwickelnden Konzepts nun ein konkretes Projekt gestartet werden sollte oder nicht.
Aufgrund der breiten Zustimmung von Seiten von Pan Am und weiterer Airlines erteilte der Vorstand von Boeing dem Start eines konkreten Projekts im März 1966 die Zustimmung. Zu diesem Zeitpunkt war bereits deutlich, dass der Bau der Boeing 747 die größte industrielle Unternehmung werden würde, die in den Vereinigten Staaten von Amerika bis dorthin jemals angestoßen wurde. Bill Allen warnte seine Führungskräfte regelrecht vor den Risiken des Projekts, in dem er sagte: „... the risks of the 747 are several times greater than in any of our previous commercial ventures“. Tatsächlich kann man aus heutiger Sicht sagen, setzte Allen mit der Boeing 747 den Fortbestand seines Unternehmens aufs Spiel. Die im März getroffene Entscheidung zum Projektstart wurde am 13. April 1966 zusammen mit einem Zeitplan offiziell bekannt gegeben. Fast gleichzeitig hierzu veröffentlichte Pan Am noch am gleichen Tag die Bestellung von 25 Flugzeugen des Typs 747 für einen Preis von 500 Millionen US-Dollar. Wie nicht anders zu erwarten, hatte dies Signalwirkung auf andere Fluggesellschaften und schon im Juni 1966 bestellten sowohl Lufthansa als auch Japan Air Lines je drei zusätzliche Maschinen. So unterstrichen schon die ersten drei Bestelleingänge, dass die 747 weltweite Beachtung finden würde.
Die großen Fluggesellschaften aus den Vereinigten Staaten von Amerika bestellten in den Jahren 1966, 1967 und 1968 allesamt Maschinen des Typs 747. Mit Pan Am als Erstkunden und in der Folgezeit Trans World Airlines, Continental Airlines, American Airlines, Northwest Airlines, United Airlines, National Airlines, Eastern Air Lines und Braniff Airlines entschied sich de facto so die nahezu gesamte Führungsriege der amerikanischen Fluggesellschaften jener Zeit für das Großraumflugzeug von Boeing. Auf die exakten Bestelleingänge und Lieferungen wirdin den Kapiteln zu den unterschiedlichen Versionen der 747 noch im Detail eingegangen.
Schon beim offiziellen Projektstart am 13. April 1966 sorgte der von Boeing präsentierte Zeitplan für große Verwunderung bei Airlines und Branchenkennern: Der Hersteller hatte sich mit dem Erstkunden auf einen Liefertermin für das erste Flugzeug am Ende des Jahres 1969 geeinigt. Dieser Termin sollte erreicht werden, obwohl zum Zeitpunkt der Ankündigung fest stand, dass für die 747 vollkommen neue und geradezu gigantisch dimensionierte Produktionsstätten erforderlich waren. Daneben existierte das notwendige Triebwerk für das Flugzeug noch nicht. Nicht wenige Branchenkenner bezweifelten daher die Haltbarkeit des Zeitplans und erwarteten schon zu diesem frühen Zeitpunkt, dass an eine Auslieferung frühestens im Jahr 1971 oder 1972 zu denken war.
Boeing war sich seiner eigenen zeitlichen Zielsetzung wohl mehr als bewusst und verschenkte von nun an keine Zeit mehr. Oberste Priorität hatte von nun an der Bau geeigneter Werkshallen. Schon im Juni 1966 war Boeing auf der Suche nach geeignetem Bauland fündig geworden und man kaufte riesige Flächen an einem kleinen Flugfeld, dem Paine Field Airport, rund 50km nördlich von Seattle. Dort begannen umgehend die Baumaßnahmen für das nach Volumen größte Gebäude der Erde, die heutige Everett Factory, in dem die Boeing 747 gefertigt werden sollte. Zusätzlich zum neuen Werk nahe der Stadt Everett erwarb Boeing auch Flächen in Auburn, einem Städtchen südlich von Seattle. Dort begannen sofort die Baumaßnahmen für ein Werk zum Bau der Tragflächen des neuen Flugzeugs. Der Transport der fertigen Tragflügel sollte dann an Bord von Spezialwaggons per Eisenbahn nach Everett erfolgen. Auch in Auburn starteten die Baumaßnahmen ohne nennenswerte Verzögerungen. Im Gegensatz zu anderen Flugzeugmustern, die in jener Zeit oder kurze Zeit später von Konkurrenzherstellern entwickelt wurden, plante Boeing also die eigene Fertigung der Flügelkonstruktion.
Der enge Zeitplan erforderte von Boeing eine weitgehend parallele Herangehensweise an die einzelnen Arbeitspakete. So verhandelte man noch während des Erwerbs der Baugrundstücke schon mit potenziellen Partnern und Zulieferern. Ziel war es, das Risiko des gigantischen Projekts auf weitere Schultern zu verteilen. Um dies zu realisieren versuchte man die Zulieferverträge als Risiko- und Gewinnbeteiligungen zu gestalten, was auch in vielen Fällen gelang. Einen sehr bedeutenden Auftrag sicherte sich mit Norair ein Zulieferer aus Los Angeles. Das heute zu Northrop Grumman gehörende Unternehmen wurde mit dem Bau fast der gesamten Rumpfstruktur der 747 beauftragt. Die Fertigung der Rumpfsegmente sollte am Standort Los Angeles geschehen. Auch sie sollten dann per Eisenbahn nach Everett gebracht werden. Neben Norair sicherten sich in der Folgezeit noch unzählige weitere Firmen Lieferverträge für Komponenten der 747, darunter auch so namhafte Unternehmen wie Rockwell International und Fairchild Hiller.
Neben dem sofortigen Start wichtiger Infrastrukturprojekte, wie eben dem Bau der Werke in Everett und Auburn, musste Boeing auch im Bereich der Projektstruktur und der Projekt- und Produktionsprozesse neue Wege gehen, um die selbstdefinierten zeitlichen Ziele einhalten zu können. Zusätzlich existierte dazu auch immer noch die Abhängigkeit von Pratt & Whitney und deren Fortschritt in der Entwicklung des erforderlichen Triebwerks. So entschied man sich in einer sehr frühen Phase des Projekts keinen Wert auf eine Fertigstellung des kompletten Werks vor dem Baubeginn der ersten 747 legen zu können. So startete man den Bau des Flugzeugs tatsächlich zu einem Zeitpunkt, als auf der direkt angrenzenden Fläche im Werk noch intensive Bautätigkeit im Gang war. Zu jedem erforderlichen Positionswechsel des im Bau befindlichen Flugzeugs hoffte man, dass die benötigte Zielfläche rechtzeitig zur Verfügung stand. Daneben entschloss man sich auf den Bau eines klassischen Prototyps zu verzichten und das erste Flugzeug vollständig nach Auslieferungsstandard zu fertigen. Hierdurch konnte das Flugzeug, selbstverständlich parallel zu den notwendigen Flugtests, auch als absolut realistisches Demonstrationsobjekt für interessierte Fluggesellschaften genutzt werden. Lediglich auf die Innenausstattung sollte verzichtet werden, um die Flugtests optimal durchführen zu können.
Neben diesen Entscheidungen im Bereich der Projektstruktur verfolgte der Hersteller parallel natürlich intensiv die Arbeiten an der Konstruktion des Flugzeugs weiter. Vor dem Hintergrund des innovativen, ja geradezu bahnbrechenden Charakters der 747, fühlte man sich bei Boeing häufig an die Comet von deHavilland, dem ersten kommerziellen Flugzeug mit Turbinenstrahltriebwerken, erinnert. Die Comet erlebte als der erste in Serie gefertigte Passagierjet der Welt eine ganze Reihe von Katastrophen und Boeing wollte ausschließen, dass der neuen 747 ähnliche Schicksalsschläge drohten. Ursache der fatalen Vorkommnisse um die Comet war eine Fehleinschätzung der auf Dauer durch den Flug auf die Struktur des Flugzeugs einwirkenden Belastungen. Hierdurch versagte bei der ersten Generation des Flugzeugs von deHavilland gleich mehrfach im Flug die Rumpfstruktur. Boeing war sich sehr wohl bewusst, dass die 747 durch ihre außergewöhnliche Größe und Masse ebenfalls die Rolle eines Pioniers innehatte. Schließlich war nie zuvor ein kommerzielles Passagier- oder Frachtflugzeug auch nur annähernd mit solchen Ausmaßen gebaut worden. Um nicht das unnötige Risiko eines strukturellen Versagens der Konstruktion einzugehen, entschieden sich Joe Sutter und sein Team dem Flugzeug ein Grundgerüst mit der doppelten Tragfähigkeit der errechneten Höchstlasten mitzugeben. Diese Basisstruktur sollte sicherstellen, dass im Fall der Beschädigung oder Überlastung eines tragenden Strukturelements die abzufangende Last temporär über die verstärkte Grundstruktur des Flugzeugs getragen werden kann. Dieser Ansatz war nicht explizit neu und Boeing hatte bereits durchweg positive Erfahrungen mit dieser Strategie bei der Baureihe 707 gemacht.
Abbildung 7: Die Convair CV880 und CV990 zählen bis heute zu den schnellsten Maschinen die je für den Unterschallbereich gebaut wurden. Mit ihren außergewöhnlichen Triebwerken die den Fan am Triebwerksauslass hatten und ihren stark gepfeilten Flügeln erreichten die Maschinen fast 1.000km/h im Streckenflug. Durch den niedrigen Komfort bei dieser Geschwindigkeit alarmiert, setzte Boeing bei der 747 auf eine etwas niedrigere Reisegeschwindigkeit.
Die konzeptionelle Umsetzung des Flugzeugs konkretisierte sich parallel zu den anderen genannten Maßnahmen immer weiter. Hier und da mussten noch kleinere Änderungen vorgenommen werden und im Bezug auf andere Fragestellungen kam es erstmals zu einer exakten Festlegung. Zu letzteren Punkten zählte auch die Pfeilung der Tragflügel. Pan Am hatte eine Pfeilung von 40° gewünscht, um eine möglichst hohe Reisegeschwindigkeit des Flugzeugs zu erzielen, während Boeing anfangs darauf abzielte die Flügelpfeilung von 35° der 707 für die 747 zu übernehmen. Man einigte sich schließlich auf einen Wert von 37,5°. Der Kompromiss wurde wohl auch dadurch möglich, dass die Maschinen der Typen CV880 und CV990 von Convair, die wohl bis heute schnellsten Unterschallpassagierflugzeuge aller Zeiten, im obersten Geschwindigkeitsbereich eine sehr unruhige Luftfahrt aufwiesen. Hierüber beschwerten sich die Passagiere immer wieder bei den Fluggesellschaften. Die Erfahrungen der Airlines mit den CV880 und CV990 hielten Boeing davon ab, die Geschwindigkeitspotenziale des Flugzeugs schon in der Konstruktionsphase maximal auszureizen. So einigte man sich auf eine moderate Pfeilung der Flügel von 37,5° und damit auch auf einen Kompromiss im Bereich der Geschwindigkeit.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Entwickler der Boeing 747 war die Positionierung der Triebwerke am Flügel. Anfangs hatte Sutter geplant, die Geometrie der Baureihe 707 auch für die 747 zu übernehmen. An den verschiedenen Modellen der Boeing 707 war das innere Triebwerk bei 40% der Flügelspannweite und das Äußere bei 71% montiert. Bei Windkanaltests erprobte Sutter auch die Kombination aus 30% und 50%, wovon er sich eine bessere laterale Kontrolle des Flugzeugs im Falle eines Triebwerksausfalls in der Startphase erhoffte. Die Tests mit der veränderten Geometrie ergaben jedoch eine verschlechterte Strömung der Luft über die damals noch zweiteilig, später dann dreiteilig ausgelegten Klappensysteme an der Rückseite des Tragflügels. Sutter kehrte daraufhin wieder zu den ursprünglichen Werten zurück und legte diese dann als Standard für die Boeing 747 fest.
Im Bereich der Materialien setzte Boeing mit der 747 auf einige Neuigkeiten, die so bisher nicht im Flugzeugbau zum Einsatz gekommen waren: So griff der Hersteller beispielsweise zur Gestaltung bestimmter Elemente der Flügelverkleidung auf Polyvinylchlorid zurück, einem amorphen thermoplastischen Kunststoff mit hoher Beständigkeit und relativ geringem Gewicht. Wurden weite Teile des Rumpfes noch konventionell aus unterschiedlichen Aluminiumlegierungen verschiedener Beschaffenheit gefertigt, so kamen gerade im Bereich des Flügels schon an gewissen Stellen moderne Faserverbundwerkstoffe auf Basis von Fiberglas zu Einsatz. So sind beispielsweise die von Fairchild Hiller zugelieferten Klappen und Vorflügel im Wesentlichen aus diesem Werkstoff gefertigt. Gleiches gilt auch für die von Rockwell International hergestellte Flügelvorderkante. Ein weiteres wichtiges Material, das zum Bau der Boeing 747 verwendet wird, sind die so genannten Wabenkernverbundwerkstoffen (engl. honeycomb sandwiches), die im Kern aus Aluminium und an den Oberflächen aus Fiberglas bestehen. Sie sind steifer und tragfähiger als Polyvenylchlorid und kommen daher an stärker belasteten Elementen der Flügelkonstruktion zum Einsatz. So kann man zu Recht schon die erste Generation der Boeing 747 als ein Flugzeug bezeichnen, welches unter Einsatz moderner Werkstoffe konstruiert wurde.
Neben der Modernität der zum Einsatz kommenden Materialien beeindruckt auch die technische Umsetzung und Größe vieler Baugruppen der Boeing 747. Betrachtet man beispielsweise die Flügelkonstruktion des Flugzeugs, so fallen allein schon die unzähligen aktiven Auftriebselemente und Störklappen ins Auge. Im Bereich der Flügelvorderkante weist der Flügel allein dreizehn als Auftriebshilfen wirkende Klappen auf. Zehn dieser Klappen können variabel gekrümmt werden und liegen, wenn sie nicht in Gebrauch sind, fast unsichtbar unter dem Flügel. Bei Bedarf werden sie im langsamen Flug nach vorne ausgeschwenkt und vergrößern so massiv die Auftriebskraft des Flügels. Zwischen dem inneren Triebwerk und dem Rumpf sind zusätzlich noch drei weitere Auftriebshilfen pro Flügel angebracht: Hierbei handelt es sich um so genannte Krügerklappen, die über ein pneumatisches Scharnier nach vorne ausgeklappt werden können. Sie erzeugen ebenfalls und in großem Maße zusätzlichen Auftrieb.
Auch an der Flügelhinterkante verfügt die Boeing 747 über mächtige Auftriebshilfen: Pro Flügel sind zwei Systeme aus dreifach gespalteten Klappen verbaut. Von einer einzigen, sozusagen „durchgehenden“ Konstruktion wurde abgesehen, da ansonsten die Abgase des äußeren Triebwerks die Funktion der Klappen negativ beeinflussen würden. Durch die Spaltung der Klappen dringt Luft mit relativ hohem Druck von der Klappenunterseite in das über die Klappe strömende Luftpaket ein. Hierdurch wird die Strömung auf dem Flügel nachhaltig gestützt, was seinerseits die Eigenschaften des Flugzeugs im langsamen Flug positiv beeinflusst und niedrigere Anflug- und Landegeschwindigkeiten ermöglicht.
Im aerodynamischen System eines Flügels sind aber nicht nur aktive Elemente zur Erzeugung von Auftrieb notwendig. In bestimmten Situationen im täglichen Flugzeugeinsatz ist es notwendig, entstehenden Auftrieb aktiv zu unterdrücken. Besonders wichtig ist dies in der Phase direkt nach dem Aufsetzen des Flugzeugs, da sich die Maschine dann noch sehr schnell bewegt und hierdurch viele Auftriebskräfte entstehen. Wird das Flugzeug dann möglicherweise noch von einer Böe von vorn erfasst, könnte die Maschine ungewollt wieder abheben. Um dies zu verhindern, verfügen moderne Tragflügel über so genannte Spoiler. Sie werden im Allgemeinen nach dem Aufsetzen des Hauptfahrwerks auf der Landebahn ausgefahren, erzeugen Luftreibung und Abtrieb und führen damit zu einer Abnahme der Bewegungsgeschwindigkeit und des Auftriebs.
Abbildung 8: Das vielgliedrige Klappensystem der Boeing 747 ist extrem beeindruckend. Hier der Flügel einer Boeing 747-186B der Iran Air, wie sie bis in die 2010er Jahre noch von Iran Air geflogen wurde. Sehr gut zu erkennen ist auch die für die Boeing 747 Classics charakteristische Hochfrequenzantenne an der Flügelspitze.
Die Boeing 747 wurde mit sechs Spoilern je Tragflügel konstruiert, die allesamt auf der Flügeloberfläche angebracht und aus Wabenkernverbundwerkstoffen gefertigt sind. Während die zwei größten Spoiler zwischen dem Rumpf und dem jeweils inneren Triebwerk angebracht sind und diese überwiegend nur bei der Landung eingesetzt werden, sind vier weitere Spoiler zwischen den Triebwerken, also zwischen 40% und 71% der Flügelspannweite, angebracht. Diese Spoiler werden häufig auch in der Luft eingesetzt und dienen dort der Herabsetzung der Fluggeschwindigkeit. Neben dieser Funktion erfüllen die zwei äußersten der Spoiler noch zusätzlich die Aufgabe die Querruder im Langsamflug zu unterstützen. Somit dienen die Spoiler insgesamt zur Vernichtung von Auftrieb, zur Rollsteuerung und zur Geschwindigkeitsregulierung.
Sämtliche Klappen und Spoiler der Boeing 747 werden von Pneumatikpumpen angetrieben. Diese beziehen ihrerseits ihre Energie aus Zapfluft von den Triebwerken. Um eine permanente und redundante Versorgung der Klappen und Spoiler mit der notwendigen pneumatischen Energie sicherzustellen, verbaute Boeing insgesamt fünf Pneumatikpumpen pro Tragflügel.
Durch das ausgeklügelte System der unterschiedlichen Auftriebshilfen und Spoiler sowie durch ihr teilweise automatisiertes Zusammenspiel kann die riesige Boeing 747 im Landeanflug ähnlich leicht manövriert werden, wie deutlich kleinere Flugzeugtypen. Dadurch erreicht das Großraumflugzeug eine sehr geringe Landegeschwindigkeit und eine sehr gute Steuerbarkeit. Letztere wird nicht zuletzt auch durch die doppelte Auslegung des Querruders positiv beeinflusst: Im Streckenflug mit hoher Geschwindigkeit wird die Rollkontrolle vom recht kleinen Hochgeschwindigkeitsquerruder in Verlängerung des inneren Triebwerks übernommen, während diese Funktion im langsamen Flug auf das flächenmäßig deutlich größere und zusätzlich weiter von Rumpf entfernt liegende Querruder für den langsamen Flug übertragen wird. Durch die Nutzung aller Auftriebshilfen an der Boeing 747 wird die Flügelfläche um 21 Prozent vergrößert. Hierdurch ist der Tragflügel in der Lage rund 90 Prozent mehr Auftrieb zu erzeugen, als ohne diese Klappen und Spoiler.
Sicherheit wurde bei der Entwicklung der 747 ganz groß geschrieben und neben der verstärkten Grundstruktur drückt sich dies beispielsweise auch im Bereich der hydraulischen Systeme aus. Das Flugzeug wurde so konzipiert, dass im Normalbetrieb jedes der vier unabhängigen Hydrauliksysteme eine bestimmte Funktion erfüllt. Für den Antrieb jedes Systems ist jeweils eine Pumpe an einem der vier Triebwerke zuständig. Sollte eine Hydraulikpumpe oder ein ganzes Triebwerk ausfallen, so können die Aufgaben des betroffenen Systems durch die verbleibenden Hydrauliksysteme übernommen werden. Dabei ist jedes einzelne System in der Lage, im Notfall alle notwendigen Funktionen zum Landen der Maschine zu übernehmen.
Zur Zeit der konkreten Entwicklungsarbeit an der 747 war der Einsatz einer Hilfsturbine in Passagierflugzeugen noch nicht weit verbreitet. Boeing entschied sich dennoch für den obligatorischen Einbau eines solchen Systems, da man das Flugzeug möglichst unabhängig von der Infrastruktur der Flughäfen machen wollte und eine Abhängigkeit von Bodenstromversorgung somit aus Sicht des Herstellers als inakzeptabel erschien. Bei der Suche nach einer geeigneten Hilfsturbine mit ausreichender Leistung wurde Boeing bei Garrett AiResearch fündig: In die ersten 747 wurde die Gasturbine GTCP66-4 mit einer Nennleistung von 1.100PS verbaut. Sie treibt zwei 90kW entwickelnde Stromerzeuger an. Die Stromversorgung wird im Reiseflug durch die Triebwerke sichergestellt. Jedes der vier JT9D von Pratt & Whitney liefert dann bis zu 60kW elektrische Energie.
Noch nie zuvor war ein ziviles Flugzeug mit solchen Ausmaßen und mit so hohem Gewicht wie die Boeing 747 konstruiert worden. Dies stellte natürlich auch besondere Ansprüche an das Fahrwerk. Joe Sutter wählte in diesem Zusammenhang einen interessanten Ansatz: Er suchte den Weg des geringsten Widerstands: Ein komplett neues System mit eigenständigen Komponenten hätte für die Fluggesellschaften zur Folge gehabt weitere Verschleißteile und insbesondere unzählige Radsätze vorrätig halten zu müssen. Um diesen Umstand zu umgehen, entschied sich Sutter für die Verwendung der gleichen Reifen wie auch an der Boeing 707. Ein weiterer wichtiger Aspekt war nun aber, dass jeder Rollweg und jede Start- und Landebahn nur für spezifische Achslasten ausgelegt sind. Mit einem Fahrwerkskonzept mit nur wenigen Achsen und Reifen wäre die Achslast wohl so hoch ausgefallen, dass einige Flughäfen ihre Rollwege und Bahnen extra für die 747 hätten neu herrichten müssen. Dies wollte Boeing unbedingt vermeiden, da auch so schon durch die Ausmaße und Kapazität des Flugzeugs vielerorts massive Eingriffe in die Infrastruktur der Flughäfen notwendig wurden. Zusätzlich notwendig werdende Kosten für die stabilere Auslegung von Rollwegen und Start- und Landebahnen hätten möglicherweise die Akzeptanz der 747 auf Seiten der Flughäfen spürbar negativ beeinflusst. So entschied sich Sutter dazu, die auftretenden Lasten möglichst stark zu verteilen. Resultat war ein vierbeiniges Hauptfahrwerk mit je zwei Achsen und vier Rädern pro Fahrwerksbein.
Das Bugfahrwerk der 747 besteht zudem aus zwei Reifen. Durch diese insgesamt sehr hohe Verteilung des Gewichts kann die Boeing 747, bemessen an der Achslast, überall dort rollen, wo auch schon die Boeing 707 oder die vergleichbare DC-8 rollen konnten. John Borger, ehemaliger Exekutivmitarbeiter von Pan Am wird im Bezug auf die Relation der Achslasten zwischen der 747 und der 707 zitiert: „less than twice the weight with twice the wheels will be easy to explain to the airport operator“. Durch dieses Konzept wurde das hohe Gesamtgewicht der Boeing 747 bei der Einführung des
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 31.12.2016
ISBN: 978-3-7396-9108-4
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