Steffi und Harald
Der Bäckereibesuch
Harald hatte mal wieder viel zu viel Zeit im Bad verbracht und konnte deshalb nicht das für ihn vorbereitete Müsli verzehren. Obwohl er sich ziemlich sicher war, gestern Abend den Akku von seinem Rasierer angeschlossen zu haben, war der Akku heute Morgen leer und er musste sich von Hand rasieren.
Fürs Frühstücken war dann „leider“ keine Zeit mehr. Er hatte einen wichtigen Termin im Büro und erwähnte seiner Frau gegenüber, dass er beim Bäcker vorbeifahren würde, um sich ein Körnerbrötchen mit Käse und Salat zu kaufen. Seine Frau betonte, wie ungesund er mal wieder leben würde, wenn er das vorbereitete Müsli nicht essen würde.
Sehr oft kam er so spät aus dem Bad, dass er keine Zeit mehr hatte, die Müslischale zu leeren. Dann musste „leider“ wieder der Bäcker her. Natürlich kaufte er sich dort ein „normales“ Brötchen mit Schinkenbelag. Wie sich sehr schnell herausstellte, war das heute keine gute Entscheidung.
In der Bäckerei „Golzheimer Backstube“ war vor ihm eine blonde Frau an der Reihe, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie lieber ein belegtes Müslibrötchen oder doch lieber ein normales Brötchen haben wollte. Das normale Brötchen war mit Schinken belegt. Das Müslibrötchen hatte Käse als Belag.
Die blonde Frau fragte die Verkäuferin, ob sie das nicht tauschen könnte. Sie hätte gern das Müslibrötchen mit Schinken belegt.
»Das geht jetzt nicht«, sagte die Verkäuferin. »Da ist ja auch noch Salat darauf!«
»Könnten Sie mir nichts eins machen mit Schinken?«, fragte die blonde Frau.
»Nein«, sagte die Verkäuferin, »das geht jetzt nicht. Ich bin zurzeit alleine, und sie sehen ja, wie voll das Geschäft ist. Was möchten Sie jetzt bitte?«
Die sonst ruhige Verkäuferin wurde langsam ungeduldig. Endlich traf die Blonde eine Entscheidung, und natürlich nahm sie dann doch das mit dem Schinken belegte Brötchen. Sie verabschiedete sich mit einem Entschuldigungslächeln.
An diesem Tag kam er dadurch später in sein Büro. Jeder, der so einen Morgen erlebt hatte, wusste, warum er brünett geheiratet hatte und nicht blond. Bei der Frühstückspause biss er in sein belegtes Brötchen. Da fiel ihm wieder die Blondine ein, die mit dem Schinken, weswegen er jetzt ein Käsebrot hatte.
»Wie sah sie eigentlich aus?«, dachte er so bei sich, als er den Emmentaler auf seinem Gaumen schmeckte. Blond, so viel war klar. Schulterlanges Haar, und der Duft, der sie umgab, war Chanel, das kannte er von einer Arbeitskollegin. Er empfand diesen Geruch als sehr angenehm, wenn die Kollegin bei Besprechungen schon mal neben ihm saß. Dann dachte er darüber nach, was die blonde Frau anhatte. Durch den roten Rock konnte er einen gut geformten Po erkennen, obwohl man das ja heute mit guter Unterwäsche kaschieren kann. Groß war sie auch. Jedenfalls größer als seine Frau, die mit ihren 1,65 m eher als klein bezeichnet werden konnte. Sie würde wohl so 1,75 – 1,78 m sein. Dann sah er sich in Gedanken ihre Figur an. Schlank war sie nicht, aber auch nicht dick. Eher griffig und handfest für einen Mann um die vierzig. Leider hatte er ihr Profil nur ganz kurz gesehen. Seine Aufmerksamkeit galt doch diesem blöden Brötchen und danach der Verkäuferin.
Als das Telefon läutete und ihm ein Kollege mitteilte, dass er die neuesten Zahlen der Versicherungsunfälle für das erste Quartal zusammengestellt hatte und diese jetzt aufgerufen werden könnten, war das Brötchen vertilgt und die Frau aus dem Kopf. Die Tage vergingen und das Wochenende stand an.
Endlich!
Fast jeden Samstag schlenderte er mit seiner Frau über den kleinen Marktplatz vor der Kirche. Hier befanden sich ein Blumenhändler, ein Wagen mit Backwaren, ein Bauer mit Obst und Gemüse sowie ein Wagen mit Wurst und Fleisch. Der Wagen mit den Backwaren machte einen eher industriellen Eindruck, da die Brötchen aussahen wie Zinnsoldaten. Das Brot wirkte, als wäre es in einer Form produziert worden. An dem Wagen war kein Bäckername sichtbar, so dass man nicht wusste, wo es herkam. Manuela, seine Frau, achtete sehr darauf, wo die Ware herkam. Wenn es nicht offensichtlich erkennbar war, wurden die Lebensmittel nicht gekauft.
Nachdem sie alles, was sie vom Markt benötigten, eingekauft hatten, gingen sie nach Hause und legten die Sachen ab. Mit dem Auto fuhren sie nun zu der Bäckerei auf der Liesegangstraße. Golzheimer Backstube, eine alteingesessene Bäckerei und kleine Konditorei. Die Bäckerei, in dem Harald immer seine Morgenbrötchen zu kaufen pflegte.
Als sie dort ankamen, war der Bäckerladen wie jeden Samstagmorgen gut besucht. Harald blieb im Wagen sitzen, in zweiter Reihe auf der Straße, und Manuela kaufte Müslibrötchen und Körnerbrot. Heute ausnahmsweise auch mal einen kleinen Käsekuchen, da sie vergessen hatte, dass ihre Mutter, also seine Schwiegermutter, ihren Besuch angekündigt hatte. Manuela schaffte es jetzt nicht mehr, so schnell einen Kuchen zu backen. Das Wochenende war für ihn erst mal erledigt. Nicht, dass er sich mit seiner Schwiegermutter nicht verstehen würde, aber sie war genau wie Manuela auf dem Gesundheitstrip. Wenn die Schwiegermutter da war, zog es ihn in den Garten. Zum einen hatte er dort seine Ruhe, zum anderen hätten die anstehenden Gartenarbeiten sowieso gemacht werden müssen. Den ganzen Winter über konnte nichts gemacht werden, zu viel Schnee und zu ungemütlich für Gartenarbeit. Aber jetzt im März wurde das Wetter besser, und so konnte er es einrichten, das am Wochenende zu machen. Im kleinen Gartenhaus waren Gartenstühle und ein Rasenmäher untergebracht. Irgendwann hatte er dort auch einen Kühlschrank deponiert, wegen des Durstes der Kinder, wenn sie im Garten spielten. Limo stand dort eher nicht, dafür Fencheltee und Wasser. Dann brauchten sie nicht immer ins Haus zu gehen, um etwas zu trinken. Aber hier war auch die eine oder andere Flasche Bier zu finden. So konnte er arbeiten und gleichzeitig seiner Gesundheit dienen. Müslispülung nannte er das.
In der Bäckerei ging es nur langsam voran. Nur zwei der sonst drei Verkäuferinnen waren anwesend. Langsam wurde er ungeduldig und schaute in den Laden hinein. Immer noch eine kleine Menschenschlange im Laden. Er sah Manuela und dass sie wohl gleich dran sein würde. Vor ihr nur noch eine Person.
»Stopp«, dachte er bei sich, »ist das nicht die Blonde vom letzten Dienstag?« Kurz nachgedacht, »Blond ja, groß auch.«
Den Po konnte er nicht sehen, aber das Seitenprofil. Unter einer dünnen, dunklen Jacke konnte man Erhöhungen erkennen.
»Brust, ja, ich sehe Brust, viel Brust«, freute er sich. »Ach, Manuela, geh mal aus dem Bild! Ja, ich weiß, dass es noch etwas dauert«, deutete er aus ihrer Geste, die sie machte, als sie merkte, dass er wohl unruhig zu ihr herüberschaute.
»Nein, heute macht es mir nichts aus.«
Hinter ihm hupte nun ein Fahrer, der wohl nicht wusste, dass man in der zweiten Reihe parken konnte. Man musste lediglich die Warnblinkanlage einschalten, fertig war der Parkschein. Mit dem entsprechenden Finger zeigte Harald dem Fahrer hinter ihm die „Parkerlaubnis“.
Als er wieder in den Laden blickte, war die Blonde verschwunden. Kurze Zeit später stieg Manuela in den Wagen ein. Harald knurrte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und er hörte: »Ja, tut mir leid, aber manchmal dauert es eben etwas länger. Da war eine große Blonde, die sich nicht entscheiden konnte, welches Brot sie kaufen wollte.«
»Ach, die habe ich nicht gesehen, hatte ja auch keine Zeit, darauf zu achten, weil manche Autofahrer immer noch nicht wissen, warum man wohl eine Warnblinkanlage anmacht.«
»Gott sei Dank habe ich noch einen Käsekuchen bekommen«, hörte er Manuela sagen. »Ich dachte schon, die Blonde kauft ihn, sie hatte nämlich danach gefragt, und ob die Verkäuferin wüsste, was denn da so alles verarbeitet wurde. Furchtbar, und das am Samstagmorgen. Die ist jedenfalls neu hier; die Verkäuferinnen haben da so Andeutungen gemacht, dass sie seit Kurzem öfters bei ihnen einkaufen würde und nie genau wüsste, was sie will.«
Nun wusste er, dass es die Blonde war, die er auch am Anfang der Woche vor sich hatte. Danach fuhren sie wieder nach Hause. Der Einkaufstag war damit erst mal erledigt.
Etwas Gutes hatte es, wenn die Schwiegermutter zu Besuch kam. Sie war dann der Mittelpunkt und nicht er. So konnte er seinem Hobby, dem Garten, seine volle Aufmerksamkeit schenken. Hatte er doch letzte Woche noch seinen Bierbestand erneuert und dazu eine Flasche Mundwasser besorgt.
»Zwei Nasen riechen mehr als eine«, dachte er sich, »wenn ich vom vielen „Schuften“ aus dem Garten komme. Ja, so ein Garten ist sehr nützlich.«
Die Kinder hatten signalisiert, dass sie auch nicht ständig da sein würden. Petra hatte sich mit der Nachbarstochter verabredet. Mathe stand an, denn am Montag wurde eine Arbeit geschrieben und seine Petra gab der Nachbarstochter Laura etwas Nachhilfe. Überhaupt war Petra eine sehr fleißige Schülerin und nur ab und zu benötigte sie seine Hilfe in Mathe. Seit sie drei Jahre alt war, vermittelte er ihr an dem alten Commodore das Einmaleins.
Der alte Commodore! Als er an diesen Urzeit-PC dachte, musste er kurz lachen. Da wurde mit einem Zusatzstick, früher hießen die noch Modul, ein kleines Lernprogramm aufgespielt, um Mathematik oder Deutsch zu lernen. Da war ein kleiner Löwe, der einfache Fragen stellte, und wenn man die richtig beantwortete, machte der Löwe einen Purzelbaum. Wenn sie falsch beantwortet wurden, kamen beim Löwen kleine Tränen aus den Kulleraugen. Da seine Tochter im Sternzeichen Löwe geboren war, sollte auch der Löwe, wie die Tochter, eher nicht weinen. So lernte Petra das Einmaleins und der Löwe purzelte. Sie hatten damals sehr viel Spaß mit dem alten Ding. Natürlich hatten sie auch einen modernen PC. Aber sowas wie das Lernprogramm an diesem alten Gerät, hatte er nie wieder gefunden. Es gab damals die ersten Spiele: Hamburger bauen oder Barby-Puppen anziehen in verschiedenen Kombinationen usw. Alles lustig und einfach.
Der Commodore mit Floppy, Datasette und einer Menge Disketten lagerten im Keller und warteten auf die Enkelkinder. Er brachte den Kindern aber auch an der neuen Generation der Computer die Bedienung bei. Dies sei wichtig für die Entwicklung der Kinder von heute, wie er es nannte.
Sohn Lars sollte um zwei Uhr zu einer Familie in ihrer Nähe gebracht werden. Kindergeburtstag. Lars hatte seine Oma Helga sehr lieb und eigentlich war er traurig, nicht die ganze Zeit anwesend zu sein, wenn seine Oma schon mal da war. Er war ihr Liebling. Ihr kleiner Sonnenschein, wie sie ihn nannte. Ihre kleinen Geschenke waren vorher mit der Mutter abgestimmt. So hatte er immer ein paar neue Legospiele bzw. Legobausteine bekommen oder seine Spardose wurde etwas gefüllt. Er liebte seine Oma, auch wenn sie von Opa erzählte, der noch lebte, als er geboren wurde. Er hatte dafür gesorgt, dass für die Kinder ein Sparbuch eingerichtet wurde. Sie würden es sicherlich erst später verstehen, wie wichtig es ist, Rücklagen zu haben.
Als Helga ankam, war es schon 12.00 Uhr. Ihr Gepäck wurde in das kleine Gästezimmer gebracht. Eigentlich ist es ja das Bügelzimmer oder das Anziehzimmer. Hier wurden auch eine Menge Schuhe untergestellt, die darauf warteten, mal ausgewählt zu werden, um das Licht der "Außenwelt" zu sehen. Fast sechzig Paar Schuhe. Turnschuhe und Badelatschen nicht mitgerechnet, hatte er mal so kurz abgezählt. Nicht, dass er seiner Frau dies nicht gönnte, aber wann soll man die alle anziehen? Ja, wenn sie öfters mal ausgehen würden oder so, dann hätte das sicherlich auch seinen Sinn. Im Zimmer war eine kleine Couch und dort schlief die Mutter. Für ein- oder zwei Nächte war das möglich. Wenn sie mal länger blieb, dann wurde das Zimmer von Lars zum Gästezimmer und er schlief dann auf der Couch.
Nach der ersten, recht unruhigen Begrüßung und den daraus entstehenden Zeremonien wurde im Wohnzimmer Platz genommen. Manuela hatte kleine Häppchen vorbereitet, die sie nun servierte. Beim Verspeisen der kleinen Köstlichkeiten wurde sich angeregt unterhalten. Harald machte sich danach auf, Lars zur Geburtstagsfeier zu fahren. Als er wiederkam, saßen Helga und Manuela in der Küche. Sie bereiteten die Kaffeetafel vor. Das war der entscheidende Moment, in dem Harald sich absetzen konnte. Er war kein großer Kuchenfreund und hatte im Garten noch so viel zu tun. Besonders der Bestand des Biervorrates musste „geprüft“ werden. Zu viel Alkohol im Garten ist sicherlich ungesund. Da hieß es, den vorhandenen Bestand schnellstmöglich zu verringern. Eine anstrengende Arbeit. Da war das Entmoosen des Rasens eine willkommene Abwechslung. Das erzeugte wieder Durst, also wieder Bier, dann wieder das Unkraut. Was für ein Teufelskreis!
Nach der Rasenbehandlung setzte er sich auf die Bank direkt neben dem kleinen Gartenhäuschen. Die kalte Flasche Bier in der Hand, die Beine auf einem Hocker, so war das Leben lebenswert.
Das Leben. Ja, eigentlich ging es ihm gut.
Nach der „Arbeit“ spülte er sich den Mund aus. Dann ging er ins Haus. Abends saß man beim Abendbrot zusammen und erzählte von gestern, heute und was man vom Leben noch so erwartete. Heute wurde es mal wieder spät für die Kinder. Weil der nächste Tag ein Sonntag war, durften sie aber lange aufbleiben.
Am Sonntagmorgen gab es ein gemeinsames Frühstück. Gegen Mittag fuhr Helga auch schon wieder nach Hause. Sie und Manuela hatten viele Gespräche geführt und die Oma war für ihre Enkel mal wieder nah und greifbar gewesen. Mit dem Versprechen, dass sie Helga bald mal in Stuttgart besuchen würden, wurde sie verabschiedet. Nun hatte die Familie noch einen ruhigen Abend, bevor es morgen früh für alle wieder hieß:
»Der Alltag ist da.«
Harald fuhr am Montagmorgen wieder zu seiner Bäckerei. Fast pünktlich um 8.00 Uhr traf er in der Bäckerei ein. Seine Blicke durchsuchten das Geschäft, aber seine blonde Schönheit war nicht anwesend. Auch in den nächsten Tagen war nichts von ihr zu sehen. Aber immer, wenn er sein Brötchen kaufte, tat es ihm schon fast leid, jeden Brötchenbelag auswählen zu können.
»Wie sie wohl heißt? Blondinen heißen sehr oft Gabi, Susanne oder Sabine«, dachte er sich, als er mal wieder in der Bäckerei warten musste. Sollte er die Verkäuferin fragen, ob sie die neue Bewohnerin von Golzheim gesehen hätte? Sofort verwarf er diesen Gedanken wieder. Nur das nicht, dann erfährt Manuela eventuell von seiner Anfrage, und das ist genau das, was er nicht brauchen kann. Eine eifersüchtige Ehefrau.
Als er schon keine Hoffnung mehr hatte, sie je wiederzusehen, stand sie am Donnerstagmorgen im Geschäft. Da er ja schon ihr Profil gesehen hatte, wollte er jetzt ihr Gesicht sehen. Hinter der Auslage war ein Spiegel angebracht. Dadurch wurde der Verkaufsraum vergrößert und besser ausgeleuchtet. Er hatte nicht die Ware im Auge, sondern seine blonde Schönheit. Genauer gesagt, das Gesicht seiner blonden Schönheit. Natürlich wanderten seine Augen auch auf die anderen sichtbaren Elemente des zu beobachtenden Körpers. Und es gefiel ihm, was er sah. Schöne Bluse, die Farbe würde er wohl nach kurzer Zeit vergessen haben, nicht aber die Größe des Inhalts. Ihr Gesicht war geprägt durch ihre Nase. Fast zu groß für das sonst eher schmale Gesicht.
Lächelnd fiel ihm der Ausspruch ein: »An der Nase des Mannes erkennst du seinen Johannes.« Und er überlegte weiter: »Gibt es eigentlich auch einen Zusammenhang zwischen der Größe der Nase einer Frau und ihrem Scheidengang? Und wenn ja, wie würde wohl dann der Spruch dazu sein? Große Nase im Gesicht, ist die Scheide ein Gedicht. Oder auch: Ist die Nase der Frau sehr groß, bist du beim Anblick der Scheide spra-hach-los.«
Er musste über seine eigenen Gedanken fast loslachen. Hielt sich aber zurück und konzentrierte sich wieder auf die Frau. Er sah sich ihre Augen an. Blau, glitzernd blau, so wie die Steine, die er kannte. Solche hatte er Manuela mal als Ohrringe geschenkt, aber die hat sie nicht oft getragen. Sie passen nicht ganz zu ihrer Haarfarbe, hatte sie mal gesagt. Woher soll ein Mann wissen, dass Frauen ihre Ohrringe nach ihrer Haarfarbe aussuchen. Harald war immer der Meinung, die Ohrringe müssten zur Kleidung oder zu den Schuhen passen. Die Steine hatten den Namen Aquamarin und so sah er auch ihre Augen. Blaue Augen, kristallklar und groß, so wie man sich die Augen von einer blonden Frau vorstellt. Wunderschön anzusehen. Über den Augen sah er nun gemalte Augenbrauen. Schmal, aber zu erkennen. Blonde Augenbrauen sind von der Natur nicht immer gut gezeichnet. Viele blonde Frauen auf seiner Arbeitsstelle hatten oft auf der Augenbraue eher nur Flaum oder Wildwuchs. Sie wurden deshalb mit einem Stift nachgemalt. Hier war aber eine geordnete Linie zu erkennen.
»Eine stärker behaarte unter den sonst eher leicht behaarten Blondinen?«
Diese Frage würde er gerne mal ganz genau beantwortet haben. Durch die gut gekennzeichnete Kontur wusste er aber auch, diese Augenbrauen sind gezupft. »Zupfen. Sie also auch« dachte er sofort. Von zu Hause kannte er das nur zu gut. Klapp, Klapp, Klapp, Klappklappklapp, Klapp und so weiter. Wenn Manuela wenigstens regelmäßig zupfen würde. So wie beim Schnarchen. Da ist es ein gleichmäßiges Geräusch und man stellt sich dann darauf ein. Fertig. Aber Zupfen ist nicht immer zu ertragen. Da war Gott sei Dank sein Garten oder sein Arbeitszimmer, wohin er flüchten konnte.
Im Spiegel der Bäckerei sah er nun, dass sie einen Seitenscheitel trug.
»Steht ihr gut«, dachte er so bei sich. Sie sah sehr gepflegt aus und hatte sicherlich einen guten Friseur. Manuela achtete nicht immer auf ihr Aussehen. Als Hausfrau ließ sie sich schon mal gehen. Am Geld lag es nicht, eher an der Bequemlichkeit. Ja, wenn sie ausgingen oder eine Einladung anstand, dann ging auch sie extra zum Friseur und ließ sich verschönern. Aber kein Vergleich mit der vor ihm stehenden blonden Schönheit. Und das an einem normalen Donnerstag.
Ihr blondes Haar schwang etwas zur Seite, als sie eine Bestellung aufgab und auf das Produkt zeigte, das links von ihr war. Als er die seitlich weggekämmten Haare betrachtete, sah er ein kleines Kämmchen. Kleine blaue Steinchen waren an dem Haarkamm angebracht und er sah ein Ohr. Ein eher kleines Ohr, das besser zum Kopf passte als die Nase. Er sah dann wieder auf die große Nase und lobte für sich das schöne kleine Ohr. Nun sah er auch einen Ohrring. Einen Ohrring, der eine Schlaufe hatte, also eingehangen war. Davon hatte Manuela auch welche. Die andere Sorte, die mit dem Stecksystem, konnte sie nicht vertragen. Deshalb erkannte er das System mit einem Blick. An der Schlaufe hing ein kleines Kettchen und daran ein an der Spitze befestigter, wie ein Karo geformter blauer Stein. Der Stein wird ein Aquamarin sein. Jedenfalls sah er so aus. Die Steine hatten die Farbe ihrer Augen.
»Bitte schön, was darf es denn sein, Herr Neumann?«
Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, denn er war an der Reihe, seinen Wunsch zu äußern. Etwas stotternd sagte er: »Eh, ich möchte« aber er wusste gar nicht so recht, was er eigentlich wollte, denn damit hatte er sich ja gar nicht beschäftigt. Und so kam es zu einer, wenn auch kurzen, Verzögerung im Ablauf des Geschehens.
Schon hörte er hinter sich eine Stimme: »Sie hatten doch jetzt wahrlich genug Zeit, um zu überlegen, was Sie wollen.«
Schnell zeigte er auf das vor ihm liegende belegte Brötchen, bezahlte und war dann auch schnell aus dem Laden. In diesem Moment hatte er auch nicht darüber nachgedacht, wo denn seine blonde Frau geblieben war. Er ging ohne einen Gruß aus dem Geschäft. Er schaute sich noch kurz um, aber sie war verschwunden.
Nun machte er sich wie immer auf den Weg zur Arbeit. Als er an der großen Kreuzung angekommen war, sah er durch Zufall auf die Haltestelle der U-Bahn-Linie 78. Dort stand die schöne Blonde aus der Bäckerei. In dem Moment, als sie sich in seine Richtung umdrehen wollte, hupte es mal wieder. Er hatte nicht bemerkt, dass die Ampel in der Zwischenzeit auf grün umgeschaltet hatte, und der Fahrer hinter ihm schien es wohl eilig zu haben. Harald fuhr zügig über die Kreuzung, aber nicht, ohne einen kurzen Blick in die Richtung der blonden Schönheit zu werfen.
Auf der kurzen Strecke zur Arbeit sammelte er im Kopf einige Fakten über die blonde Frau. Er legte im Kopf eine Akte über diese Frau an. In dieser „Kopfakte“ wurden sämtliche Informationen gespeichert.
»Also, da wären: Straßenbahnhaltestelle Nordpark, die Uhr zeigt 8.15 Uhr. Sie will in Richtung Stadt fahren. Sie ist blond, hübsch und groß. Sie wohnt wahrscheinlich hier in Golzheim, da sie ohne Auto zum Bäcker kommt.«
Des Weiteren wusste er über die Größe ihres Pos etwas und das Brustprofil. Hier jedoch noch nicht die genaue Körbchengröße. Die Konfektionsgröße tippte er auf vierzig oder zweiundvierzig.
»Ich werde auf der Arbeit eine Liste erstellen und dort die Dinge eintragen, die ich schon weiß. Aber auch die Annahmen und Vermutungen werden dort aufgelistet. Ja, das ist eine gute Idee. Diese Liste werde ich erstellen und mit der Zeit vervollständigen, so lange, bis ich alles über sie weiß«, bestätigte er in Gedanken seine Idee.
Im Parkhaus gab es um diese Uhrzeit viele freie Stellplätze und er konnte sich seinen Parkplatz aussuchen. Gegen 9.00 Uhr war das anders: Dann musste der Platz genommen werden, der noch frei war. Nach und nach hatte man mehr Mitarbeiter eingestellt, als es Standplätze im Parkhaus gab. Das Angebot von der Geschäftsleitung, die Tickets für die Bahn zu bezahlen, brachte nicht wirklich eine Entspannung der Lage. Harald hatte jedenfalls Platz und ging im Parkhaus zu einem der drei Aufzüge. In der Nähe der Aufzüge waren Papierkörbe aufgestellt. Als Harald sich dem Aufzug B nähert, riecht er schon von weitem starken Müllgeruch. Das ist für ihn nicht zu ertragen. Da macht ihm sein schwacher Magen zu schaffen. Er dreht um und geht zum Aufzug A. Hier ist Gott sei Dank kein starker Geruch, aber der Papierkorb ist ebenfalls voll bis oben.
»Wo kommt nur der ganze Müll her?«, fragte er sich und regte sich mal wieder auf. Nachdem er sich im Aufzug wieder etwas beruhigt hatte, kam er in seinem Büro an.
Dort erwartete ihn ein besonders schwerer, wahrscheinlich teurer Versicherungsfall. Es ging um mehrere Unfälle in einer Massenkarambolage, und es war noch nicht klar, wer der Verursacher war. Viele Indizien wiesen auf einen ihrer Versicherten hin. Der Staatsanwalt ermittelte noch. Seine ganze Konzentration war hier gefragt. Er musste nach Anfrage der Staatsanwaltschaft die Berichte und Beweise ihrer Versicherten vorlegen. Das hieß Gutachten sammeln und Augenzeugen befragen, besonders aus der Sicht der Versicherung.
Ersten Berichten zufolge war der vermeintliche Verursacher mit ungültiger TÜV-Plakette unterwegs und soll bei der Konkurrenz versichert sein. Das macht keine Freude, aber die Arbeit etwas leichter, da auch die einzelnen Filialen immer in Konkurrenz zu den Gewinnen und Verlusten gesehen werden.
Sobald Harald wieder auf der Arbeit war, konzentrierte er sich genau auf diese Aufgabe: Gewinne zu machen und Verluste zu vermeiden. Über die vielen Jahre hatte er schon fast ein "Näschen" dafür entwickelt, wenn etwas bei einem Versicherungsfall nicht stimmte. Viele seiner Mitarbeiter bewunderten seine Übersicht bei schwierigen Fällen. Da klingelte es mal wieder. Aber nicht sein Diensttelefon, sondern sein Wecker. Eine kleine Mädchenfigur aus angemaltem Kunststoff bewegte ihren rechten Arm in Richtung Mund. Wieder runter und wieder rauf, dabei hörte man den Text: „Pause, Pause.“ Er selber fand das sehr kitschig. Es war ein Geschenk von seiner Tochter und sollte ihn immer daran erinnern, sein Butterbrot zu essen. Aus dem Bürokühlschrank, ein kleiner Kühlschrank, der unter jeden guten Büroschreibtisch passte, holte er nun sein belegtes Brötchen. Dabei erinnerte er sich wieder an die blonde Frau. Da er ja ihren Namen nicht kannte, aber er ihre Augen und ihre Ohrringe gesehen hatte, nannte er sie „Aquarell“.
Das war ein schöner Name. Ein Name, der ihr auch gerecht wurde. Aquarell, „seine“ Aquarell. Ja, das gefiel ihm. Als er in das Brot biss, erschreckte er sich allerdings. Hatte er doch in seiner überhasteten Bestellung tatsächlich ein Käsebrötchen ausgesucht.
»Egal«, dachte er sich, »dafür habe ich sie jetzt schon viel besser in Erinnerung. Wo sie wohl wohnt?« stellte er sich diese Frage erneut.
Und wieder war er der Meinung, dass dies in der Nähe sein musste. »Wo kommt sie her? Ihre Sprache ist ein sehr klares Hochdeutsch. Sie wird also aus NRW stammen. Das ist, so glaube ich, klar. Wie alt ist sie?« Alle diese Fragen konnte er nicht beantworten. Noch nicht.
Er trug sie aber in seine „Kopfakte“ ein. Er schätzte sie so um die 38 Jahre. Er hatte hier und da in ihrem Gesicht einige, nennen wir sie mal höflich, Lachfältchen gesehen. Dadurch, dass die Verkäuferin ihn aus seinen Beobachtungen herausgerissen hatte, konnte er ihr Gesicht nicht komplett in einzelne Bestandteile zerlegen. Er hatte den Gedanken, für sie ein Erkennungsprofil zu erstellen, schon umgesetzt und auf seinem Arbeitsrechner einen Ordner angelegt. „Aquarell“, hieß dieser Ordner. Er hatte eine Verbindung zu den unerledigten Aufgaben in seinem Outlook eingerichtet. So war er sicher, dass das System ihn regelmäßig erinnern würde, die neuesten „Erkenntnisse“ abzuspeichern, weil er das sonst vielleicht vergessen würde. Zu oft war er so eingespannt, dass für Privates kein Platz blieb.
Im Moment beschäftigte ihn ein besonderer Fall. Es ging um die Massenkarambolage auf der A3. In Höhe des Breitscheider Kreuzes waren mehr als vierzig Fahrzeuge ineinander gerast. Ersten Aussagen zur Folge war ein Pkw von der A52 kommend auf die A3 Richtung Köln aufgefahren. Er hatte dabei einen Kleinlaster übersehen und ihn dann von der Seite gerammt. Danach fuhren auf allen drei Spuren der Autobahn Fahrzeuge ineinander. Morgens um 7.00 Uhr ist die Autobahn an dieser Stelle sehr befahren, deshalb waren alle drei Spuren und die darauf befindlichen Fahrzeuge davon betroffen. Die Autobahn wurde über mehrere Stunden komplett gesperrt.
Die wichtigste Sache für eine Versicherung ist immer: Wer ist der Verursacher und bei welcher Versicherung ist er versichert? Dann kommt die Frage: Nur Sachschäden oder sind auch Personenschäden zu beklagen? Der letzte Stand der Ermittlungen war jedenfalls, dass der Fahrer, der auf die Autobahn A3 einfuhr, bei einer Konkurrenz versichert war. Der Fahrer des Kleinlasters war allerdings bei ihnen versichert. Nun war die Rechtslage gefragt. Ausweichen oder nicht? Hätte der Kleinlaster dem PKW ausweichen oder so abbremsen müssen, dass der ungehindert hätte auffahren können? Dieser Fall war zurzeit sehr wichtig und benötigte seine ganze Aufmerksamkeit.
Die allerdings ließ sofort nach, wenn er über die blonde Schönheit nachdachte. So auch, als er wieder in sein „Lieblingsbrötchen“ biss und dabei an die blonde Frau, seine blonde Frau dachte. An „seine“ Aquarell, so nannte er sie ja von nun an. Ihr Gesicht hatte er jetzt gesehen aber er konnte sich nicht an ihre Lippen erinnern. Die Frau in seinem Gedächtnis hatte keine Lippen. Da hatte ihn die Bäckersfrau zu früh mit dem Satz: »Was darf es denn sein?« aus der Gesichtsspionage gerissen.
Am nächsten Morgen fuhr er wie gewohnt zu der Bäckerei. Aber „seine“ Aquarell war nicht da. Auch am nächsten und übernächsten Tag war sie nicht da. Da er sich darüber ärgerte, ließ seine Konzentration nach und gegenüber seinen Mitarbeitern war er hier und da auch schon mal ungerecht. Er bemerkte, dass er sie vermisste. Warum, das wusste er aber nicht.
Auch am Freitag kam er zu spät aus dem Bad, und natürlich hatte er wieder keine Zeit für Müsli oder sonstiges Gesundes. Heute war es die elektrische Zahnbürste, die streikte. Null Saft, aber sie stand die ganze Nacht auf der Ladestation. Erst heute Morgen bemerkte er, dass der Stecker nicht in der Steckdose war. Nun wurde natürlich von Hand geputzt und das dauerte eben länger. Ab ins Auto und Stopp an der Bäckerei. Aber wie schon so oft, seine Aquarell war nicht da. Das kannte er ja schon. Als er die Bäckerei verlassen wollte, kam sie ihm entgegen. Er trat etwas zur Seite, blieb stehen und konnte nun für einen Moment noch intensiver ihren Parfümgeruch genießen. Fast hätten sie sich berührt. Sie grüßte höflich und er bemühte sich ebenfalls, höflich zurückzugrüßen, was aber mit einem zehn Tonnen schweren Kloß im Hals nicht so recht funktionierte. Dann kam aber doch ein recht klares »Guten Morgen«, aus seinem Munde. Das wiederholte sich hin und wieder in der nächsten Zeit. Der Kloß im Hals von Harald wurde kleiner, der Gruß von ihr freundlicher und auch anders. Er hörte schon mal
»Guten Morgen«“ und danach »Einen schönen Tag noch.« Oder,
»Guten Morgen und ein schönes Wochenende.«
So langsam kam eine Vertrautheit auf, und wenn sie noch nicht da war, ließ er sich bewusst etwas Zeit beim Einkauf. Jedenfalls soweit es ging, ohne wieder angeblafft zu werden. Er ließ auch schon mal jemanden vor, mit der Begründung, dass er noch nicht mit seiner Auswahl fertig war.
An einem weiteren Einkaufstag in der Bäckerei hatte er leider kein Glück. Der Laden war diesmal sehr voll, und so musste er sich beeilen mit der Auswahl und dem Kauf. Als er herauskam, schaute er sich um, aber sie war nicht zu sehen. Er stieg in seinen Wagen und fuhr los, da sah er sie um die Ecke kommen. Sie winkte ihm zu. »Ach«, dachte er, »sie beobachtet mich, sonst wüsste sie ja nicht, welchen Wagen ich fahre.« Er winkte nur kurz zurück, denn er musste sich auf den Verkehr konzentrieren. Vielleicht bis Morgen, denn Morgen ist Samstag und er hatte zu Hause mal so beiläufig erwähnt, gerne mal wieder ein frisches Brötchen vom Bäcker essen zu wollen, und frisches Brot brauchten sie ja auch.
»Komisch«, dachte Manuela, »seit wann hat er denn Wünsche, wenn es um Brot oder Brötchen geht. Sollte meine jahrelange Predigt von Gesundheit und Körnern tatsächlich gefruchtet haben? Nun, ich werde es ja morgen beim Einkaufen erleben. Mal sehen, wie er sich verhält, wenn wir erst mal wieder unterwegs sind.«
Sie erinnerte sich an die vielen Samstage, wo er fast zwangsweise mit ihr zum Bäcker gefahren war. Mit diesen Gedanken freute sie sich auf den Samstag und natürlich auf den Einkaufstag. Harald hatte sich fest vorgenommen, diesmal auch wirklich „gesund“ zu frühstücken. Jedenfalls gesünder als sonst.
Leider wurde seine gute Laune durch die Trödelei von Manuela wieder schlechter.
»Mein Gott«, dachte er, »wie schwer muss es sein, ein paar Schuhe auszusuchen. Es geht nur zum Bäcker, nein, nicht auf den roten Teppich.« Damit man im Auto auch die richtige Jacke anhat, wird natürlich auch nach dem Wetter gefragt. So verrann die Zeit, und als sie an der Bäckerei ankamen, sah er gerade noch ihre Gestalt um die nächste Ecke biegen.
»Schade«, dachte er, sagte das aber natürlich nicht.
»Ach, Manuela, nun kannst du in aller Ruhe unser Brot kaufen. Die Verkäuferin nach ihren letzten Erlebnissen befragen und ihr deine neuesten Erkenntnisse über die Kinderverrohung durch ihre Väter erzählen. Ich werde geduldig im Wagen, zweite Reihe, auf dich warten.«
Und so schien es von außen auch. Die Verkäuferin und Manuela redeten mit Händen und Füßen. Zwischendurch wurde sich auch mal umgedreht und eine andere Kundin ins Gespräch mit einbezogen. Irgendwann wurde sogar mal etwas über die Ladentheke geschoben, was keine Silben, sondern Körner hatte. Für den Abend nahm Manuela noch zwei Baguette-Brote mit. Sie wollten nämlich heute einen Grillabend veranstalten. Harald frühstückte dann wie versprochen, obwohl er die blonde Frau nicht gesehen hatte.
Dazu hatte er seinen Nachbarn Bernhard mit Frau Maria und Tochter Laura eingeladen. Bernhard war ja auch sein Kegelbruder. Sie hatten schon oft zusammen gefeiert. Überhaupt, die ganze Siedlung hatte ein gutes Verhältnis miteinander. Straßenfest, Viertelfest und Nachbarschaftsfeste waren jedes Jahr angesagt, und alle hatten dabei immer sehr viel Spaß. Natürlich machte dies viel Arbeit, aber der Spaß überwog, und so hatte man gerne etwas Zeit und Mühe dafür investiert.
Wenn kein Fest anstand, dann traf man sich im Café du Nord im Nordpark und man sah und wurde gesehen. Hier wurde der neueste Klatsch ausgetauscht, über die hohe Politik geredet, die Erfolge der Fortuna und leider auch ihre Misserfolge besprochen. Hier kamen alle zu Wort. In der einen oder anderen Lesestunde kam auch schon mal ein Gastautor, der den Norden von Düsseldorf gerne als Ausflugsziel für Außerirdische sehen würde, denn einen Flughafen hätten wir ja schon.
Harald hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Grillsaison zu eröffnen. Sobald das Wetter es zuließ, wurde der Grill angeworfen. Nicht ohne Hintergedanken! Denn es gab ein gezapftes Bier mit der Erlaubnis zum Trinken. Zum angesagten Grillfest, auch
Nachbarschaftstreffen genannt, wurde abgesprochen, wer was mitbringt. Jeder beteiligte sich an dem Abend, und so hielten sich die Kosten in Grenzen. Die einen besorgten Bier, Cola und Wein und die anderen das Grillgut. Heute hatte Bernhard das Bier besorgt, da Harald nur die Hälfte der Menge hätte kaufen dürfen. Harald hatte Würstchen und diverses Grillfleisch besorgt.
Andere Familien haben sich schon in den Ruin gegrillt. Die erste Familie legte Huhn zum Grillen auf, Revanche war dann Ente, es folgten Steaks, T-Bone-Steaks, Straußenfleisch und so weiter. Dasselbe mit den Beilagen. Am Ende kostete dieser "gemütliche" Grillabend eine Familie die Hälfte der Tilgung der Hypothek.
Bei Neumanns und der Familie Schwarz war das anders. Kleiner Rahmen und kleine Sachen. Eben nur, was man sich leisten konnte. Da waren die Frikadellen, fast kleine Fleischplatten, eine sehr willkommene Speise. Die Kinder liebten sowieso die Bratwurst.
Man saß zusammen und plauderte, was es denn so Neues gab im Viertel, in der Stadt und in der Welt. Klar, dass das Thema Frau Kraft auch zur Sprache kam. Erst die Merkel als Kanzlerin und nun auch noch eine Frau an der Spitze des stärksten Bundeslandes in Deutschland. Frauen an die Macht – ok, aber musste es so schnell sein? Da die Nachbarn nur eine Tochter hatten, die zwölfjährige Laura, langweilte sich Lars immer, wenn so ein Grillabend anstand. Bernhard und Harald bezogen ihn dann in die Grillarbeit mit ein. Grillen ist schließlich "Männersache“. Das machte ihn schon sehr stolz und er fühlte sich erwachsen, denn die Mädchen durften das nicht.
Jahre später wird er wohl mal hören: »Grillen, das mussten wir nicht, dafür hatten wir unsere Deppen.« Mit seinen zehn Jahren machte er sich darüber noch keine Gedanken. Jetzt war Grillen und nicht Zukunft angesagt.
Heute hatte Lars die Aufgabe, Bauchspeck zu grillen. Er achtete sehr darauf, dass er diesen ständig wendete. Fast schon so oft, dass das Fleisch gar keine Zeit hatte, überhaupt Hitze aufzunehmen. Mit Geduld erklärte Harald ihm, was ein Fleisch und auch ein Speck so benötigt: »Gewürze auftragen hast du ja vorhin schon gemacht. Nun braucht der Speck Hitze und die Zeit diese auch aufzunehmen. Du machst das schon gut, wenn du nur ein bisschen mehr Geduld hast«, beendete er seine Belehrung und beide großen „Griller“ klopften ihm auf die Schulter.
Beim letzten Mal war er besonders gelobt worden, weil ihm der Bauchspeck wirklich gut gelungen und auf den Punkt genau gegrillt war. »Ob ich es auch heute wieder schaffe?«, dachte Lars so bei sich.
Die Mädchen waren mit sich selbst beschäftigt. Sie gingen in die gleiche Klasse, hatten aber unterschiedliche Hobbys. Petra hatte Musikunterricht und Laura ging zum Judoverein. So tauschten sie ihre Lernübungen untereinander aus. Laura zeigte Petra immer die neuen Judoübungen, die sie selbst gerade erst gelernt hatte, und Petra spielte ihr etwas auf der Gitarre vor. Besonders von ihrem Lieblingssänger von der Gruppe Tokio Hotel. Die Übungen wurden meistens bei Laura gemacht, sie hatte ein größeres Zimmer und dadurch mehr Platz zum Üben. Sie hatte eine richtige Übungsmatte für Judo und Dehnübungen. Es wurde natürlich auch im Internet gesurft. Hier fanden sie viele Freunde aus der Klasse, aus dem Freundeskreis und sonstige Bekanntschaften. Ihre Eltern achteten aber darauf, mit wem sie sich austauschten. Gab es doch einige „junge Kunden“ im Internet, die gerade bei jüngeren Mädchen versuchten, einen Kontakt herzustellen. Immer mit dem Hinweis, selbst erst zwölf oder dreizehn Jahre alt zu sein. Petra und Laura meldeten sich bei ihren Eltern, wann immer sie den Verdacht hatten, so einem „Freund“ im Netz zu begegnen. Schon den einen oder anderen hatten sie bei der Polizei angegeben, und diese wurden wohl auch überprüft. Natürlich hatten ihre Eltern diesen Kontakt dann auf dem Rechner gesperrt. Einige verschwanden nur durch Androhung einer Anzeige.
Manuela saß natürlich mit Maria zusammen. Sie hatten sich sehr schnell angefreundet, nachdem sie in Golzheim hinzugezogen war. Sie wohnten nur zwei Häuser voneinander entfernt. Dazwischen ein nettes, aber älteres Rentnerehepaar. Man grüßte sich, wenn man sich begegnete, mehr aber auch nicht. Dadurch, dass dieses Ehepaar den Winter und auch einige Zeit im Sommer in Spanien verbrachte, hatte man wenig Kontakt. Beim Einkauf, im Blumenladen und ganz besonders beim Friseur kamen Manuela und Maria sehr schnell darauf, dass sie gleiche Interessen hatten. Dann traf man sich eines Morgens, um den Garten der Familie Schwarz zu betrachten. Hatte man doch selbst einen ungepflegten Garten übernommen. Der Garten von Familie Schwarz konnte sich sehen lassen. Schnell wurden einige Ideen umgesetzt, und auch Maria (inzwischen duzten sie sich, schließlich waren sie ja Nachbarn) setzte Anregungen von Manuela in ihrem Garten um. Bei gemeinsamen Spaziergängen durch den Nordpark hatte es sich gezeigt, dass beide Naturfreunde waren. Dabei wurde ständig nach Anregungen für den eigenen Garten gefahndet. Ihr Alter und auch ihre Kleidung waren ähnlich.
Als sie beide zum ersten Mal gegenseitige Hausbesichtigungen durchgeführt hatten, wurde herzlich gelacht. In beiden Schlafzimmern stand fast das gleiche Bett, und auch der Schrank hätte ausgetauscht werden können. Lediglich die Schminkecke war bei Maria größer gestaltet. Ja, wenn man es nicht besser gewusst hätte, hätten sie Schwestern sein können. Weil sie es aber nicht waren, verstanden sie sich wohl umso besser. Maria war etwas größer als Manuela, dafür hatte sie einen etwas kleineren Busen und auch der Po war kleiner. Dadurch wirkte sie schlanker, wenn sie neben Manuela ging oder saß. Beide trugen halblanges Haar, nach hinten stufig geschnitten. So sahen sie flott aus.
Der Friseurladen wurde von einem Mann betrieben. Eher ein kleiner Laden, aber wegen dem Friseur Marcel wurde er sehr gerne von den Damen besucht. Marcel wusste sehr viel, was Frauen betraf. Er war ein richtiger Frauenversteher. Das sah man am Produkt und vor allem an seinem Trinkgeld. Er hatte eine wahre Goldgrube mit diesem kleinen Geschäft, in einem eher bescheidenen Haus, jedenfalls für diese Gegend. Alle schätzten ihn, sogar einige Ehemänner. Machte er doch ihre Frauen nur durch das „Schnibbeln“ von Haaren glücklich, und das übertrug sich aufs Familienleben. Hier und da wurde zwar immer wieder mal getuschelt, dass sich jemand auch auf andere Weise verwöhnen ließ, aber das waren nur Gerüchte. Bisher hatte es jedenfalls noch keine Scheidung wegen Marcel gegeben.
Die Kleidung von Maria und Manuela, wie sollte es auch anders sein, war ebenfalls sehr ähnlich. Es wurden Röcke und hochhackige Schuhe bevorzugt. Dazu schöne Blusen, aber auch schon mal lockere T-Shirts. Beide Frauen arbeiteten von zu Hause aus. Manuela bearbeitete Versicherungsangelegenheiten von ihrer alten Versicherung. Maria bearbeitete Akten von ihrem alten Anwaltsbüro, in dem sie früher als Anwaltsgehilfin gearbeitet hatte. So verdiente sie dazu, blieb am Ball, wie sie es nannte, und hatte die Chance, später, wenn Laura groß war, wieder in Vollzeit zu arbeiten. Bisher sah es aber nicht danach aus, dass sie je wieder in Vollzeit arbeiten würde. So ein Haus macht doch eine Menge Arbeit, und Bernhard war in keinster Weise eine Stütze. Das war aber von Anfang an klar. Hier hatten sie sich schon vor der Ehe geeinigt, wer was macht. Bernhard kam aus einem Haushalt, da war das auch schon so geregelt. Der Vater ging arbeiten, die Mutter machte den Haushalt, und so wollte er es auch von Anfang an in seiner Ehe.
Maria hatte damit, zu Hause zu sein, überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, wer kann schon als Frau immer dann, wenn es schön ist, flanieren oder sich an einen Tisch setzen und Leute „sehen“, wie sie es nannte. Nein, sie war mit ihrem Leben sehr glücklich. Sie hatte durch ihre Arbeit ein eigenes Einkommen. Die Haushaltsausgaben wurden von der Familienkreditkarte getätigt und ihre privaten Ausgaben über ihre EC-Karte. So konnte sie Geschenke kaufen, ohne dass Bernhard es mitbekam. Und somit war die Überraschung dann auch eine. Ihr machte es auch Spaß, die Familie mal einzuladen und dabei alles selbst zu organisieren.
Zum Beispiel ein Wochenende in Xanten. Das war zum einen lehrreich, wegen der Ausgrabungsstätte und den Resten der Römerzeit, zum anderen gab es dort auch eine Wasserskibahn und einen schönen Badestrand. Da hatten alle ihren Spaß.
Im Landgasthaus Spickermann wurde gefrühstückt und zu Abend gegessen. So hatten alle ihren Urlaub.
Bei Neumanns war das anders, jedenfalls etwas. Auch Manuela verdiente ja Geld dazu und hatte ihr eigenes Konto und ihre EC-Karte. Die Haushaltsausgaben wurden von Haralds Konto in bar abgehoben und in kleinen Geldpäckchen in einer Schublade abgelegt. Da wurde das Geld mit einer Büroklammer zusammengehalten und mit kleinen Zetteln versehen. Haushalt, Tanken, Garten, Putzfrau und wenn etwas bestellt war, der entsprechende Betrag abgelegt. Alle festen Ausgaben wie Strom, Telefon usw. wurden von Haralds Konto direkt abgebucht. Den gleichen Betrag, den Manuela von ihrem Geld für private Dinge behielt, hatte auch Harald zur Verfügung. Dafür hatte er sich einen Dauerauftrag eingerichtet und dieser Betrag ging dann auf sein privates Konto. So hatten beide ihre Freiheiten. Harald gab sein Geld für Kegeln und zum Essen in der Mittagspause aus. Manuela eher für Kleidung oder Shoppen.
„Das Geld für das Mittagessen könntest du dir sparen. Ich mache dir gerne einen Salat oder belegte Brote, die du dann essen könntest“, hatte Manuela ihm immer wieder angeboten, wenn er mal erwähnte, dass die Pausen auch schon mal teuer waren.
Er hatte nicht immer die Zeit, bis zum nächsten Billig-Shop für Essen, sprich Suppenküche, zu fahren. In der eigenen Kantine war das Essen zwar günstig, aber nicht so sein Fall. Er hatte auch keine Lust, mit den Kollegen die Mittagspause zu verbringen. Gelegentlich machte er das mit, um nicht ganz der Außenseiter zu sein oder wenn sein Chef noch was mit ihm besprechen wollte, der Kalender aber außer der Pause dies nicht erlaubte. Er suchte das Weite in der Pause, um auf Abstand zu gehen und auf andere Gedanken zu kommen. Mit den Kollegen war es fast immer eine Arbeitspause.
Genau wie Maria leistete sich Manuela einmal im Monat eine Putzfrau. Nur für das Gründliche. Die Kacheln im Bad oder WC, die Fenster, Türen und Rahmen im gesamten Haus und einige andere schwerere Tätigkeiten. Auch hier wurde unter den Damen eine Regelung getroffen, wer wann die Putzfrau hatte. Denn sie hatten natürlich dieselbe Frau. Maria hatte sie Manuela vermittelt. Therese hatte viele Stellen im Viertel, denn sie war sehr vertrauenswürdig. Ein sehr wichtiger Faktor, gerade im Viertel Golzheim, wo schon das ein oder andere Vermögen zu holen wäre. Ihre Zuverlässigkeit und ihr unendlicher Fleiß machte sie beliebt und fast unentbehrlich.
Wenn sie mal Urlaub machte, sorgte sie durch ihre Schwester selbst für Ersatz. Für jeden Arbeitgeber wäre das wohl die Lösung, um mit dem Urlaub oder Krankenstand von Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen kein Problem mehr zu haben. Am ersten Montag im Monat war sie bei Familie Schwarz und am zweiten bei Familie Neumann.
Die Damen hatten heute beim Grillen wieder ein sehr belustigendes Thema. Wie führt man einen Haushalt „manngerecht?“ „Manngerecht“, was für ein Wort. Aber dieses Wort steht für ein anspruchsvolles Programm. Welche Frau weiß schon, was ein Mann in einem Haushalt vorfinden möchte, damit es ihm gefällt? Die Mütter von Manuela und Maria hatten es ihnen vorgemacht. Die Zeiten waren heute aber anders, und natürlich war mit Bratkartoffeln nicht gleich heile Welt angesagt. Die heutigen Männer mussten anders mild gestimmt werden, um ihnen ein Wohlgefühl zu vermitteln. Eines hatten ihre Mütter den heutigen Frauen voraus: Sie hatten einen Leitsatz, um ihre Männer zu führen, aber so, dass diese dachten, sie wären die Herren im Haus. Es waren jedoch die Frauen, die letztendlich die Hosen anhatten.
Da gab es zum Beispiel die zehn Gebote.
Nicht die von unserm Herrn, sondern die für den Herrn. Manuela hatte mal von ihrer Mutter etwas darüber gehört, jedoch nur einen geringen Teil davon behalten. Maria kannte sie nicht nur, sondern wandte sie auch bei Bernhard entsprechend an. Sie konnte nun diese Gebote, wenn auch vielleicht nicht in der richtiger Reihenfolge, an Manuela weitergeben:
„Gebot 1:
Putze nie, wenn er da ist. Er fühlt sich als Störenfried und sitzt immer da, wo er im Moment nicht sitzen sollte. Außerdem mag er nicht, dass er rumsitzt und nichts tut, obwohl er ja schon den ganzen Tag gearbeitet hat. Dann hat er ein schlechtes Gewissen und das macht seine Laune nicht besser.
Gebot 2:
Wenn du dir etwas Neues gekauft hast, sage es ihm nicht, wenn er nach Hause kommt. Sage es ihm, wenn er es bemerkt, wenn du es zum ersten Mal anhast. Lobe ihn, dass er immer noch ein gutes Auge hat. Wenn er es nicht merkt, dann ist es auch gut. Schließlich kauft man ja auch was für sich und nicht immer für ihn. Und wenn er wüsste, dass er es mal wieder nicht bemerkt hat, dass du was Neues hast, fühlt er sich wieder schlecht.
Gebot 3:
Koche ihm sein Lieblingsgericht, wenn du was verändern willst oder wenn du ihn überreden möchtest. Warte aber mit den Fragen oder Hinweisen, bis er schon fast satt ist. Da fühlt er sich am wohlsten und möchte auch dir was Gutes zu tun.
Gebot 4:
Wenn er sich mal wieder daneben benommen hat, denke an den, den du noch dümmer findest oder an das Ekel aus deiner Schulzeit, den du nicht leiden konntest. Dann ist der, der neben dir sitzt, doch gar nicht so schlecht.
Gebot 5:
Gönne ihm den Gang in die Kneipe von nebenan und gehe mal mit, aber nicht zu oft. So hat er seine Freiheit, aber du weißt, mit wem er zusammen ist. Nimm auch die Kinder mal mit in diese Kneipe. Dann ist er als Familienvater bekannt und die anwesenden Frauen wissen Bescheid, und dadurch wird er sicherlich seine Ruhe vor “weiblichen Angriffen“ haben.
Gebot 6:
Lobe ihn vor den anderen, wie fleißig er ist. In seinem Beruf, im Garten und im Haushalt oder so. Die anderen Männer neben ihm sind vielleicht besser, aber ihre Frauen werden deinen Mann anhimmeln und ihre Männer als Deppen abtun. Das stärkt das Selbstbewusstsein deines Mannes, und das wird dir wiederum zu Gute kommen.
Gebot 7:
Soll er ein Problem beheben, z. B. eine defekte Glühbirne, lege die Broschüre „Gelbe Seiten“ neben sein Sportmagazin. Wenn er fragt: „Warum?“, dann sage ihm, er hätte doch schon so viel um die Ohren, und da wolltest du dich mal erkundigen, was es kosten würde, wenn ein Unternehmen das Problem lösen würde. Sehr schnell wirst du sehen, dass er das nicht möchte. Männerehre eben. Es kommt kein Handwerker ins Haus, wenn der Bohrer schon da ist. Und schon wird die Arbeit von ihm schnellstens erledigt.
Gebot 8:
Wenn er nach Hause kommt, frage ihn nur kurz nach seinem Tag. Sagt er, „Frag mich nicht“, dann frage ihn auch nicht – und bloß nicht von deinen Problemen reden. Du wirst etwas später alles zu hören bekommen, was du eigentlich schon direkt hören wolltest. Wenn er fertig ist, hört er auch dir zu.
Gebot 9:
Wenn er nicht in der Lage ist, dich im Bett zu verwöhnen, dann verwöhne ihn. Lass ihn spüren, dass du seine Frau bist. Sage ihm, dass du ihn heute mal verwöhnen möchtest, da er sonst immer dich verwöhnt. Du wirst sehen, am nächsten Tag gibt er wieder sein Bestes.
Gebot 10:
Lobe ihn nach jedem Sex. Auch wenn er nicht so toll war, er soll spüren, dass du es liebst, wie er dich begehrt. Dann bekommst du noch einen Wunsch erfüllt, und er freut sich auch noch darüber. Erst beim nächsten Mal solltest du ihn auf seine schwache Leistung hinweisen, natürlich mit entsprechenden Entschuldigungen, warum er nicht so stark sein konnte wie sonst. Erwähne seine schwere Arbeit, seinen Stress und das Familienleben. Du wirst spüren, wie er sich dann anstrengen wird, kein Schwächling zu sein.
Sicherlich ist die Reihenfolge nicht immer so, wie ich sie hier beschrieben habe, und es müssen nicht immer alle Gebote so angewendet werden. Eine Hilfe, um eine gute Ehe zu führen oder eine gute Beziehung zu haben, sind sie aber allemal.
Jedenfalls hatten Manuela und Maria ihren Spaß und malten sich aus, wie es wohl wäre, wenn sie alle diese Gebote bei ihren Männern anwenden würden. Harald und Bernhard schauten des Öfteren rüber, um zu sehen oder wenigstens ein wenig zu erkennen, warum sie so kicherten. Aber es blieb ihnen verborgen. Sie drehten sich ab und kümmerten sich um die wichtigen Dinge des Lebens: Bier und Grillgut.
Bernhard hatte Uerige Bier besorgt. Ein Zehn-Liter-Fässchen. Mal ein richtiges Leckerchen, hatte Harald beim Anstich gesagt. Früher hatte er oft den Zapfhahn nicht richtig eingeschlagen und das Bier floss in Strömen, aber nicht in die Gläser, sondern auf Anzüge oder Freizeitkleidung. Mittlerweile hatte er sich einen Patenthahn zugelegt. Den brauchte man nur in die Öffnung vom Fass hineinstecken und dann wurde durch eine Drehung an dem äußeren Gehäuse ein Konus in der Fassöffnung gespannt. So konnte der Hahn nicht mehr aus der Öffnung gleiten. Dann erst wurde der Stopfen vom Fass durchgestochen und man konnte das Bier zapfen. Eine sichere Sache für ungeübte Bierzapfer. Zehn Liter hatte Bernhard besorgt. Das waren fünfundzwanzig Glas Bier für jeden, wenn die Frauen kein Bier tranken. Was sie natürlich hofften … Auch wenn sie es nicht schaffen würden, alles auszutrinken, so waren sie doch glücklich, sich mal was zu gönnen. Aber der Abend war lang. Und es war noch keine 18.00 Uhr, als Harald das Fass angeschlagen hatte. In der Regel endete der Abend immer so um 23.00 Uhr. Nach kurzer Zeit bemerkten die Männer durch einfache Mathematik: Nach 22.45 Uhr, spätestens aber um 23.00 Uhr saßen sie auf dem Trockenen. Fünfundzwanzig Bier in fünf Stunden bedeutete, nur alle zwölfeinhalb Minuten ein Bier. Auch wenn es beim Grillen heiß wurde, man musste Trinkdisziplin halten oder am Ende dürsten. Im Laufe des Abends war man sich dann sicher, beim nächsten Mal wird ein Fünfzehn-Liter-Fass Bier besorgt. Die Frauen werden nicht merken, was da auf dem Biertisch steht. Sie hatten ja ihre Bowle. Mal mit Erdbeeren, mal mit Ananas, Pfirsichen oder anderen Früchten. Die Damen hatten ihren „Gesundheitstrank“ in genügender Menge vorbereitet. Manuela vergaß hier ihre Alkoholallergie. Früchte sind ja auch gesund …
Harald gab das Zeichen, dass die Grillspeisen gleich fertig sein würden und die Frauen doch bitte alles so weit herrichten sollten, um entsprechend essen zu können. Das machten die Frauen dann auch. Sie hatten die Mädchen gerufen und sie gebeten, ihnen dabei behilflich zu sein. Das Fleisch und besonders der Bauchspeck waren sehr lecker. Maria hatte wie so oft ihren Nudelsalat gemacht und natürlich auch etwas für den Nachtisch mitgebracht. Manuela hatte zusammen mit Petra den gemischten Salat zubereitet. Hier waren Salatherzen, Tomaten, Gurken, Radieschen, gelber, grüner und roter Paprika vertreten, aber auch Zwiebelringe und Streifen von Schalotten. Noch ein wenig eingelegte Tomatenpaprika dazu gestellt, und fertig war der gemischte Salat. Ein festes Konzept gab es für diesen Salat nicht.
Die Kinder hatten es am liebsten, wenn man die Zutaten einzeln, in Schüsseln anbot. So konnte sich jeder das nehmen, was er mochte. Dazu wurde ein Dressing gereicht und auch Baguette-Brote waren da.
„Das verspätete Baguette“, dachte Harald, als Manuela es in kleine Stücke geschnitten hatte und sah in Gedanken seine blonde Schönheit um die Ecke gehen. Er konnte sich einen kleinen Seufzer nicht verkneifen. Gehört hatte ihn aber niemand.
Das war es auch eigentlich, was es als Beilagen gab, und es war wie immer genug. Die Würstchen, der Bauchspeck, die Minutenschnitzel und die Frikadellen, fast alles wurde aufgegessen, und Lars wurde mal wieder extra gelobt. Heute hatte er nämlich auch das Grillen von den Minutensteaks mitgemacht. Dabei hatte er das Spezialgewürz von Papi aufstreichen dürfen. Sein Papa machte immer ein Geheimnis daraus, doch Lars wusste schon Bescheid. Es war aus einer Dose mit der Aufschrift „American Barbecue“, und die hatte er mit Chili und indischem Pfeffer verfeinert.
Gemeinsam wurde nun gegessen. Die Mädchen hatten auch am Tisch Platz genommen. Essen mit allen war ok, feiern eben nicht. Jetzt saßen alle zusammen, es war gute Stimmung, und das Essen schmeckte allen sehr gut. Nach dem Essen war Aufräumen angesagt. Das übernahmen dann die zwei Mädchen. Nicht weil sie Mädchen waren, sondern weil sie auch etwas zum Abend beitragen wollten. Die Frauen zogen sich ins Wohnzimmer zurück. Ihnen war es zu kühl geworden. Die Herren der Schöpfung hatten ja ihre Aufgabe am Bierstand. Natürlich musste der noch heiße Grill bewacht werden. Den konnte und durfte man ja nicht verlassen.
Diese wichtige Aufgabe kann nur von erfahrenen Grillmeistern erledigt werden. Vom Bierstand aus wurde der Grill bewacht. Egal, wie kalt es werden würde, man würde bleiben, bis der Grill erkaltet oder das Bier alle war. Man hat schließlich ein Verantwortungsgefühl. Bernhard und Harald hatten sich ihre Jacken angezogen, was ihrer „männlichen Stärke“ keinen Abbruch tat.
Nach ein paar Bierchen kamen Harald und Bernhard von alten Geschichten auf ihren nächsten Kegelabend zu sprechen und dann natürlich auch auf den letzten Kegelausflug im Sauerland.
„Ja, das war schon toll. Da ging die Post ab“, kam von Bernhard als Einleitung. Bisher hatten sie noch keine Gelegenheit gehabt, darüber zu sprechen, jedenfalls nicht alleine.
Im Verein war dieser Ausflug natürlich besprochen worden. Aber eher darüber, was er gekostet hatte und wie die Resonanz auf diesen Ausflug war. Bernhard sagte zu Harald: „Leider warst du am Freitag schnell etwas indisponiert. Nur Bier, Kurze und keine Nahrung ist nicht gut für die Kondition, die man bei einem Kegelausflug benötigt.“
„Sag mal, Harald“, fragte Bernhard beiläufig, „hast du eigentlich diesen blonden Feger gesehen? Die mit den großen Augen und ich meine wirklich große Augen.“ Bernhard unterstützte seine Äußerung mit einer entsprechenden Geste.
„Eine Blonde, am Freitag?“, kam von Harald die Gegenfrage und ihm war sofort klar, dass er eigentlich von einem Empfang an der Rezeption nichts mehr wusste.
„Wir hatten einen Empfang durch eine blonde Frau?“ hakte Harald nochmal nach.
„Nein, keinen Empfang, diese Frau war auch Gast“, sagte Bernhard schon etwas irritiert.
„Und die hat uns begrüßt?“, fragte Harald nochmals nach.
„Ja, direkt, als wir ankamen. Sie stand an der Rezeption und hat uns dort freundlich begrüßt.“
„Am Freitag? Nee, weiß ich eher nicht“, sagte Harald mit fragendem Gesichtsausdruck.
„Nachdem ich den Schlüssel vom Zimmer hatte, bin ich doch an die Bar gegenüber gegangen und habe mir erst mal ein Bier getrunken. Übrigens, diesmal hat Anton etwas knapp kalkuliert. Essen war ja genug an Bord, aber dass wir am Ende kein Bier mehr hatten, war nicht so toll“, sagte Harald und bekam durch diese Erinnerung wieder Durst, weshalb er sich erneut ein Bier zapfte. Natürlich hielt Bernhard dagegen und zapfte sich auch eins.
„Ja, ich weiß, du durstige Seele: Wenn du auf Tour bist, dann muss das Bier laufen.“
„Alles die Schuld der Weiber; wenn sie uns das ganze Jahr erlauben würden, uns zu befeuchten, dann bräuchten wir kein Bad beim Kegelausflug.“
„Das ist gut, den Spruch solltest du dir patentieren lassen“, sagte Bernhard.
„Als du an der Theke warst, hat mich diese Blonde angesprochen. So in etwa mit den Worten: Wo kommt ihr denn her, und dass sie schon seit gestern, also Donnerstag, da wäre und froh ist, dass endlich ein paar Männer angekommen sind. Hier wäre Frauenüberschuss. Dann hat sie gefragt, wer denn der hübsche Mann da drüben an der Theke wäre, den doch alle Mädels sofort haben wollten oder so ähnlich, damit hat sie dich gemeint.“
„Nee, Bernhard, die habe ich nicht gesehen. Zu großer Durst, und du weißt doch, da kamen auch die beiden Frauen aus Hamburg an die Theke.“
„Ja, die habe ich gesehen. Jedenfalls hat die Blonde sich für dich interessiert. Danach warst du allerdings kein Thema mehr; nachdem du ja beschäftigt warst, hat sie mich vorgezogen. Harald, ich kann dir sagen, da hast du wirklich was verpasst. Das war eine richtige Granate. Eigentlich bin ich ja nicht so, aber sie hat mich so lieb angelächelt, als sie sagte, ich helfe dir beim Tragen deiner Tasche, da konnte ich nicht nein sagen. Ich sage dir, Maria ist schon ein Feger, du kennst sie und hast ja hier und da schon mal mitbekommen, dass sie ihr Recht einfordert. Aber so was wie da habe ich noch nicht erlebt. Ich dachte schon, gleich sterbe ich, so hat sie mich rangenommen. Ein blondes Gift, sage ich dir, die nichts auslässt. Leider habe ich sie dann nicht mehr gesehen. Ich hätte gerne mit ihr die Abreise gestaltet; wenn der Empfang schon so toll war, wer weiß, wie ihr Abschied gewesen wäre. Und du hast sie nicht gesehen?“
„Nee“, betonte Harald erneut. „Da waren doch so viele Weiber, nee, daran kann ich mich nicht erinnern.“
Bevor Harald weitererzählen konnte, kamen die Kinder und sagten gute Nacht. Nach dieser Unterbrechung wurde ein Bier gezapft und Harald erzählte weiter.
„Aber an Ute und Karla. Die beiden Damen aus Hamburg, daran kann ich mich gut erinnern. Die waren aber auch gut drauf. Ich stand doch an der Theke und trank mein Bier, da kommen die beiden und fragen, ob hier noch frei wäre. Klar, die halbe Theke war doch noch frei. Sie stellten sich links und rechts von mir und gleich Busenkontakt. Und mit Busenkontakt meine ich Busenkontakt. Jede hatte mehr, als ich überhaupt schon mal gegriffen hatte. Und nun hatte ich eine Brust im Rücken und die andere an meiner Brust. Mir wurde warm, nicht nur, weil ich gewärmt wurde.
Sie stellten sich als Ute und Karla vor, aber eigentlich hätten beide Heidi heißen müssen, wegen der Berge. Denn der Spruch „Heidi, du und deine Berge“ hätte hier doppelt gepasst. Ich muss auch sagen, ich fühlte mich durch diese Brustmassen nicht wirklich verunsichert. Eher neugierig, wie es ist, darin zu versinken. „Na, mein Süßer, wo kommst du denn her?“, fragte mich die eine, und nach kurzem Blabla und einem weiteren Bier wurde bezahlt, und schon ging es ab ins Zimmer. Wie sollte ich da auf eine blonde Frau achten, meine Augen waren auf was ganz anderes gerichtet, wenn ich das mal so hamburgerisch erläutern darf.“
Harald hatte versucht, den Dialekt der beiden Frauen nachzuahmen, was ihm aber nur kläglich gelang.
Dann zapften sich die beiden mal wieder ein Bierchen. Reden macht durstig und das Fässchen war noch etwas gefüllt. Das wurde festgestellt, nachdem Bernhard das Fässchen etwas gekippt hatte.
„Nun, dann haben wir ja noch Zeit und Spaß“, erklärten beide zu dem Bierbestand. Sie redeten jetzt wieder etwas leiser, denn es hallte schon mal im Garten, und dass die Ehefrauen vielleicht doch nochmal rauskommen, war ja nicht wirklich ausgeschlossen.
„Die beiden“, fuhr Harald dann fort, „haben mich regelrecht von der Theke abgeführt. Auf mein Zimmer, Tasche hinstellen, weiter nach oben mit dem Aufzug, und in der sechsten Etage ab in ihr Doppelzimmer. Die Nummer weiß ich gar nicht mehr. Da hat der Alkoholspiegel doch schon etwas gewirkt. Aber so viel, dass ich die beiden Damen nicht noch „versorgen“ konnte, hatte ich nicht in mir.
Außerdem waren sie geduldige, liebevolle Damen, die es auch untereinander verstanden, sich zu verwöhnen. War eine Erfahrung, die ich sicherlich ein Leben lang nicht vergessen werde.“
„Erzähl mal, wie das so war“, forderte ihn Bernhard auf, „so was habe ich auch noch nie erlebt. Gesehen in den verbotenen Filmchen sicherlich, aber erlebt?“ Dabei zog Bernhard seine Schultern nach oben und schüttelte seinen Kopf.
„Tja, da kann ich nur sagen, du hattest was Blondes, ich was Rotes und Schwarzes. Und die rote Ute, die hat sich oben auf dem Zimmer direkt ausgezogen und mich aufgefordert, ebenso zu handeln. „Wir wollen doch mal sehen, was uns heute verwöhnen wird“, hörte ich sie sagen, und sie starrte wie gebannt auf meine Hose, die ich öffnete.“
Bernhard prostete Harald zu und machte ihm mit Handbewegungen klar, dass er weiter Erzählen soll.
„Ups, dachte ich da, das wird eine echte Herausforderung. Karla ging derweil ins Bad. Und so landeten Ute und ich als Erste im Bett. Sie betrachtete mein bestes Stück und deutete an, dass er sich sehen lassen kann. „Karla“, rief sie durch das Zimmer, „der ist gut gewachsen“, und schon wurde ich entsprechend verwöhnt, damit dieses Stück in voller Pracht erstrahlte, um auch nutzbar zu sein. Jedenfalls hatte ich hier und da den Eindruck, dass ich nur zu diesem Zwecke mit auf das Zimmer genommen worden war. Aber dann verwarf ich diese Gedanken wieder und widmete mich den Damen und ihren Attributen. Als ich mit Ute, na, du weißt schon, beschäftigt war, ist Karla dazugekommen und hat mir den Po gestreichelt und auch sonst sich meinem Gesäß gewidmet. Also, ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Das habe ich ja so noch nie erlebt. Aber das hat mir schon gefallen. Manuela ist jedenfalls noch nie auf die Idee gekommen, außer ihre Hände auf meinem Po abzulegen, sich sonst noch damit zu befassen. Und deine Maria?“
Bernhard hörte aufmerksam zu und war mit der Frage fast überrumpelt, denn da war etwas, was ihn schon interessierte, und so kam er nicht direkt zu einer Antwort.
„Äh, nein, also, Maria ist da wie Manuela. Eher etwas zurückhaltend in dieser Gegend.“ Beide lachten.
„Und weiter?“, fragte Bernhard, schon fast ungeduldig.
„Ja, ich habe dann auch Karla nackt gesehen. Ich weiß bis heute nicht, ob ihr Bauch oder ihre Brüste größer waren. So hatte sie vorher nicht ausgesehen. Wahrscheinlich hatte sie ein Korsett getragen oder so was. Aber nun musste ich da durch. Karla wollte natürlich auch von mir bedient werden. Sie griff mir in die Vollen und sagte: „Her damit!“.“
Harald krümmte sich etwas bei diesen Worten. Wohl, weil er sich an diesen etwas schmerzlichen Griff erinnerte.
„Alter Schwede, dachte ich da, das wird wirklich eine Herausforderung. Gott sei Dank war da die Ute, die sich über Karla gesetzt hatte und sich von ihr verwöhnen ließ, so hatte ich diesen Anreiz, um nicht zu versagen.“
„Komm, Bernhard, zapf uns noch ein Bier“, sagte Harald und brauchte jetzt eine kleine Pause, da ihm Karla zu sehr in Erinnerung geraten war. Nachdem er ein Bier in der Hand, etwas davon getrunken und sich gedanklich etwas erholt hatte, redete er weiter. Bernhard war gespannt auf seine weiteren Erzählungen und zapfte sich nun selber ein Bier.
„Ich kann dir sagen, ich gab mein Bestes und sie wollten immer mehr. Besser wäre es gewesen, unser Club wäre gemeinsam mit diesen beiden Mädels hochgefahren, und ich glaube, wir hätten es alle nicht geschafft, die zu befriedigen.“
Wieder legte Harald eine kurze Redepause ein und trank von seinem Bier. Nun trank auch Bernhard von seinem Bier, was er vor lauter Neugier fast vergessen hätte.
„Jedenfalls wurde ich, nachdem ich beim besten Willen nicht mehr konnte, aufgefordert, mich wieder anzuziehen und mit dem Hinweis, man sieht sich vielleicht bei nächster Gelegenheit mal „aufrecht“ wieder, verabschiedet. Erst später, Bernhard, ist mir klar geworden, die haben mich echt nur benutzt. Ein lebender Dildo quasi.“
„He, nun lass aber mal die Kuh im Dorf. Harald, ich denke, du bist genauso wenig Opfer wie Täter. Sonst hättest du nicht, wie du eben gesagt hast, dein Bestes gegeben. Und der Spruch, man kann nur weggehen, wenn man vorher gekommen ist, ist sicherlich nicht verkehrt. Wenn du weißt, was ich meine.“
„Ja, stimmt, da hast du recht. Obwohl ich nur einmal mit ihnen im Zimmer angekommen bin, bin ich so oft gekommen, wie schon lange nicht mehr. Aber das eine Mal weggehen ist mir dann doch etwas schwer gefallen.“
Beide wussten, was gemeint war und lächelten. Inzwischen hatten sie ja einige Bierchen getrunken und das Fass leerte sich langsam. Man kam dann ab von dem Ausflug, bei dem jeder seine Erfahrungen gemacht hatte und wo beide der Meinung waren, noch gute Karten bei Frauen zu haben.
Nun erzählte Harald noch von seiner Begegnung bei der Bäckerei in den letzten Tagen und fragte Bernhard, ob er sie auch schon mal gesehen hätte. Nein, gesehen oder gehört hätte er noch nichts.
Aber in letzter Zeit hätte er schon einige neue Leute gesehen. Viele alte Anwohner mussten verkaufen. Die Wirtschaftskrise hatte natürlich auch in ihrem Viertel einige in den Ruin getrieben. Börsianer oder welche, die es zu sein glaubten, wohnten auch in Golzheim. Diese mussten nun durch ihre Fehlspekulation ihr Hab und Gut verkaufen. Auch kleine Betriebe, die nicht mehr genug Umsatz hatten, um das Geschäft und damit das Haus, in dem das Geschäft war, zu halten, mussten verkaufen. Hier änderte sich nicht nur das Leben, auch der Umgangston war nicht mehr so höflich wie früher. Viele hatten Sorgen, und die anderen, die diese nicht hatten, scherten sich nicht drum. Aber sie wunderten sich, warum denn nicht mehr alle lachten und die Welt als tolle Erfindung für die Freizeit und das Vergnügung ansahen.
Das letzte Bier war gezapft. Bernhard überließ es natürlich dem Hausherrn, die Neige zu leeren. So war es ein unausgesprochenes Gesetz, dass das letzte Bier dem Hausherrn gehörte. Kaum hatten sie die Neige erledigt, kam auch schon Manuela und in ihrem Schlepptau Maria aus dem Haus und sagte: „Na, ihr beiden, es ist langsam Zeit fürs Bettchen.“
„Jaja, wir kommen ja schon. Wir wollten nur ein bisschen die schöne, wenn auch kalte Nachtluft genießen. Wir wären auch gleich reingekommen, zumal der Grill kalt ist.“
Gemeint hatten sie natürlich: „Das Fass ist jetzt auch leer.“ Aber das sagten sie nicht, dafür lächelten sie verschmitzt.
Sie ließen das Fass und die Gläser stehen und gingen ins Haus. Maria und Bernhard gingen stehenden Fußes in den Flur, kurze Verabschiedung und weg waren sie. Manuela verschloss die Haustüre und sie begaben sich in Richtung Treppe nach oben.
„Bitte, lösch das Licht, und dann ab in die Betten, mein Grillheld. Es war gut heute, alles hat schön geklappt, und es gibt einige Neuigkeiten, die ich dir morgen erzählen muss. Du weißt ja, Maria ist die Golzheimer Zeitung. Gute Nacht.“
„Dir auch, mein Schatz.“
„Harald, sei so lieb und drehe dich bitte in die andere Richtung. Danke, Küsschen.“ Eigentlich war er froh, nun seine Ruhe zu haben und drehte sich brav um.
Das Restwochenende war mit Aufräumen und Ausruhen schnell Vergangenheit und der Montag stand schon wieder vor der Türe. Die folgende Woche verlief eher ruhig. In der Firma gab es noch keine Neuigkeiten in Sachen A3, die Blonde war nicht zu sehen, was ihn hier und da etwas knurrig stimmte, aber am Freitag war Harald wieder guter Dinge.
Er machte wie immer am dritten Freitag im Monat etwas eher Schluss. Abends um 17.00 Uhr war Kegeln angesagt. Nachdem er zu Hause angekommen war, die Versicherungskluft abgelegt hatte, ging er schnell unter die Dusche. Dann zog er eine Jeans, ein Polo-Shirt, Schuhe und eine Jacke an. Er schnappte sich den Turnschuhbeutel und gab Manuela ein kleines Küsschen. Kurz anhören, dass man es nicht zu arg treiben sollte, und schon war er wieder unterwegs. Treib es nicht zu arg, bedeutete: Komm nicht so spät, trink nicht zu viel und wir müssen morgen früh raus. Samstagseinkauf!
Bernhard wartete zusammen mit Maria vor deren Haus auf Harald. Seine Frau Maria wünschte den beiden viel Spaß und gut Holz. Er hatte es gut: An ihrer Geste konnte Harald erkennen, sie gönnte Bernhard den Kegelabend von Herzen. Er durfte diesen Kegelabend genießen, ohne irgendwelche Einschränkungen zu hören. So gingen sie gemeinsam zum Lokal. An diesem Abend trafen die Kegelbrüder nach und nach ein. Diejenigen, die schon anwesend waren, stellten sich an den kleinen runden Biertisch vor der Treppe, die nach unten zur Kegelbahn führte. Jeder musste für sich bezahlen, aber nur so lange, bis es einer schaffte, zu spät zu kommen. Dann wurden die Deckel zu ihm rübergeschoben. So hatten sie es geschafft, dass alle immer pünktlich waren.
Während man auf den Rest der Mannschaft wartete, floss auch schon mal was Kurzes. Entsprechend wurde die Stimmung besser.
Nach und nach trudelten alle ein. Heute kam keiner zu spät, entsprechend mussten alle den Deckel selbst bezahlen. Für einige, die ja noch im Beruf standen, war das Kegeln abschalten und sich mal lösen vom Berufsstress. Für die Rentner war es eine willkommene Abwechslung.
Der Kegelverein "Ohne Ritze" traf sich jeden dritten Freitag im Monat in der Golzheimer Kneipe "Et is jud", um zu kegeln. Der Verein bestand nun schon seit fast fünfundzwanzig Jahren und man überlegte, das zum Anlass zu nehmen, wieder eine Kegeltour zu unternehmen. Man traf sich heute also nicht nur zum Kegeln, sondern auch, um eine neue Tour festzulegen.
Für Touren und sonstige Unternehmungen war der Präses zuständig. Hierzu muss und sollte man wissen, dass der Kegelklub genau neun Mitglieder hatte und nur durch Ausscheiden eines dieser neun Mitglieder ein neues hinzukommen konnte. Das hatte sich der Gründer und leider inzwischen verstorbene Karl ausgedacht. Er wollte so zum einen die Zahl neun als Prägung für einen Kegelverein haben und zum anderen sicher sein, dass der Verein etwas Besonderes blieb.
Das Besondere war in diesem Fall: Jedes Mitglied war Pate von einem Kegel. Der Älteste mit fast siebzig Jahren war Egon, ein ehemaliger Fabrikbesitzer. Er war Pate vom König. Dadurch war er gleichzeitig Präses und hatte auch das Sagen. Er war der Hauptsponsor des Vereins. Gerade, wenn es um Feierlichkeiten ging, zeigte er sich immer von der besten, sprich Sponsorenseite. Er füllte die Kasse, damit Feste und Unternehmungen zu einem Erlebnis wurden.
Die vier „Damen“ wurden von Bernhard, einem achtunddreißigjährigen Computerspezialisten, Klaus, einem fünfzigjährigen Maschinenbauingenieur, und Heinrich, einem fünfundsechzigjährigen Ruheständler betreut. Heinrich hatte sein Geld mit Schrott und Recycling verdient, aber den Betrieb frühzeitig verkauft, als er die Auflagen durch den erweiterten Umweltschutz nicht mehr erfüllen konnte. Auch die weitere Übernahme von Ressourcen durch die Avista spürte er an den ausbleibenden Aufträgen. So hatte er sich schon mit sechzig den Lebensabend freigemacht für Ruhe und Gemütlichkeit. Von der letzten der vier Damen war Harald der Pate.
Das Vorderholz wurde durch Freddy, einen fünfundfünfzig Jahre alten Industriekaufmann, und das Hinterholz von Ulli, einem eher schüchternen fünfundvierzig Jahre alten Oberschulrat, als Paten betreut. Wenn es irgendwo eine Menschenschlange gab, dann stand Ulli mit Sicherheit ganz hinten. Das Vorderholz war wie geschaffen für Freddy, da er sich auch im wahren Leben meistens in den Vordergrund stellen wollte, aber diese Stellung nicht immer erfüllen konnte. Wenn er unter Druck geriet, fiel er schnell um oder änderte seine Meinung.
Blieben nun noch die Bauern. Besser hätten diese beiden Flügelfiguren nicht besetzt werden können. Den linken Bauern hatte Norbert inne. Ein Finanzbeamter, der seinen Beruf als Erfüllung sah. Manchmal schon an der Grenze des Erträglichen. „Aber so sind se, de Beamte.“ Dieser Spruch ging oft durch den Raum. Mit dreiundfünfzig Jahren stand er schon kurz vor der Pensionierung und war natürlich der Kassenwart vom Verein. Anton hatte den rechten Bauern zu betreuen.
Anton war siebenundsechzig Jahre alt und ehemaliger Koch. Er war immer für das leibliche Wohl beim Kegeln und bei den Unternehmungen zuständig. Er saß an der Klingel beim Kegeln, um die nächste Runde zu ordern. Das hatte er wahrlich im Griff. Wenn man seinen doch etwas sehr ausgeprägten Körper sah, wusste man, ohne Futter geht hier nichts. Die Besetzung der Kegelpinne hatte sich im Laufe des Bestehens des Vereins natürlich verändert. Aber solange man im Verein ist, hatte man diesen „Pinn“ und nicht eine „Ritze“ zu betreuen. Wenn der Präses ausscheiden würde, in dem Falle der Egon, wählte man den König aus den verbleibenden Kegelbrüdern neu. Die nun freigewordene Position wurde durch ein neues Mitglied besetzt. Ansonsten wurde nach dem Ausscheiden eines „normalen“ Kegelbruders die Stelle, der „Pinn“, durch ein neues Mitglied besetzt.
Bei der Königspartie, fünf Wurf in die Vollen, muss jeder Pinnbetreuer immer fünfzig Cent bezahlen, wenn bei seinem Wurf sein Pinn nicht umfiel. Natürlich zahlten die „Bauern“ am häufigsten. Norbert war aber ein exzellenter Kegler, und so hielt sich sein Manko in Grenzen. Dem Anton machte es sogar Spaß, wenn er mal wieder etwas in die Kasse zahlen durfte.
Als alle anwesend waren, ging man nach unten. Die Kegelbahn lag, wie bei vielen anderen Gaststätten, auch hier im Keller. Zuerst wurden die Schuhe getauscht und das Startgeld bezahlt. Jeder zehn Euro. Diese gingen in die „Reisekasse" und wurden vom Kassierer entsprechend verbucht. Norbert nahm das Startgeld sowie die Strafgelder vom letzten Kegeln und trug diese Beträge in sein „Goldenes“ Kassenbuch ein.
Dann wurde auch schon die erste Runde serviert. Die hatte Anton, der ja für das leibliche Wohl zuständig war, noch kurz vor dem Runtergehen bestellt. Sein Lieblingsspruch war denn auch: „Es ist ein schlechter Koch, der selbst nicht satt wird.“
Der Präses eröffnete das Kegeln und stimmte die erste Runde an. „Ohne Ritze, ohne Ritze, ohne Ritze, toi, toi, toi.“
Den Vereinsnamen hatte auch Karl, der Gründer, sich ausgedacht. „Ohne Ritze“ bedeutete natürlich, dass kein weibliches Wesen in den Verein eintreten darf. Dies war in der Satzung des Vereins fest verankert.
Der Kegelabend verlief wie immer ruhig und feucht. Jeder Pudel wurde begrüßt. Dadurch kam Geld in die Kasse. Auch das Lästern durfte dabei natürlich nicht fehlen. Da aber jeder Mal in die „Schusslinie“ des Hohns kam, glich sich das im Laufe des Abends immer wieder aus. Jeder bekam sein Fett weg. Wirklich böse meinte das sowieso keiner.
Alle Neune wurden besonders begrüßt, denn dann gab es was für die durstige Seele. Heute wurden fünf Neuner geworfen, was auch gleich fünf Kurze für jeden bedeutete. Nach dem Kegeln, es war 20.00 Uhr, setzte man sich oben im Lokal noch zusammen und aß etwas. Auch das war so zum Brauch geworden. Klar, dass Anton schon ein Häppchen während des Kegelns benötigte. Bei dem gemeinsamen Essen hatte man noch Zeit, den einen oder anderen Gedanken auszutauschen.
Heute wurde über die letzte und die angedachte neue Tour gesprochen. Als das zur Rede kam, schauten Bernhard und Harald sich an und mussten leicht grinsen. Ja, die letzte Tour hatte schon was, und wenn sich eine Möglichkeit ergab, würden sie sicherlich versuchen, die anderen dazu zu überreden, dort erneut einzukehren.
Viele Kegelvereine treffen sich freitags, um die „Erholungsreise“ anzutreten. So auch der Verein „ohne Ritze“. Man hatte sich, mit Rücksicht auf die Berufstätigen, freitags gegen Mittag getroffen und fuhr zu seinem „Bestimmungsort“.
Diesen Ort hatte ausnahmsweise mal nur der Präses bestimmt, da man sich im Vorfeld auf kein gemeinsames Ausflugsziel einigen konnte. In so einem Falle hat dann der Präses die Macht zu bestimmen, wo man sich niederlassen möchte. Schon auf der Fahrt dorthin gab es was zu essen und auch zu trinken. Die guten Ratschläge so mancher Ehefrau waren spätestens nach dem Einsteigen in den Bus vergessen. Man hörte die ersten Oldies und man sang das Lied von der längsten Theke der Welt. Diesmal fuhren sie in das schöne Sauerland, in ein Hotel der Superklasse. Fast ein Sporthotel. Welcher Sport dort aber am meisten betrieben wurde, sollten sie sehr schnell erfahren.
Die Fahrt dauerte etwas mehr als zwei Stunden, und schon war man weit weg von irgendeiner Verpflichtung und jeder fühlte sich wie ein „Single“. Jedenfalls die, die sonst keine waren. Das Hotel hatte die Form eines Sterns, mit drei Ausläufern. Man wurde von dem Busfahrer an das große Eintrittsportal gefahren und alle stiegen aus. Das Gepäck, jeder hatte eine Sporttasche dabei, wurde vom Fahrer aus der unteren Kofferbox ausgegeben. Alle Sporttaschen hatten die Farben rot-weiß. Das war eine Spende vom Sponsor Egon. Er hatte Beziehungen zu Fortuna Düsseldorf und dadurch diese Sporttaschen günstig erworben und dem Verein gespendet. Die weißen T-Shirts mit der Aufschrift „Ohne Ritze“ hatten aber alle selbst bezahlt.
Dann ging man in die Eingangshalle. Harald war der Erste, der durch die Drehtür in die Empfangshalle kam. In dem Raum war zum einen der Empfang untergebracht und zum andern eine schöne Theke, um den ersten Durst zu löschen. An dieser Theke verweilten auch einige Gäste. Hierunter auch weibliche Personen. Als Harald das sah, konnte er sich nicht beherrschen und rief in den Saal: „Her mit den Jungfrauen, euer Bester ist da!“
Er ging an die Rezeption und erkundigte sich nach seiner Zimmernummer. Die Rezeptionistin fragte ihn nach den Unterlagen. Diese hatte er natürlich nicht dabei und wurde schon etwas unhöflich, als die Frau ihn erneut nach Buchungsbelegen fragte. Die Frau war froh, als Egon an die Rezeption trat und die entsprechenden Unterlagen vorlegte. Nach und nach erhielten nun alle ihre Zimmerschlüssel. Auch der ungeduldige Harald.
Es waren ausnahmslos Einzelzimmer, die gebucht waren. So konnte jeder nach dem gemeinsamen Beisammensein machen, was er wollte. Auch die Schnarcher unter ihnen konnten sich diesem Vergnügen voll hingeben, ohne gestört zu werden. Nachdem Harald seinen Zimmerschlüssel in Empfang genommen hatte, wollte er sofort an die Theke. Egon rief aber nochmal alle zusammen und betonte, dass sie sich um 19.00 Uhr zu einem gemeinsamen Abendessen im Bayerischen Hof, unten in der Gastronomie, treffen würden. Als alle zustimmten zu erscheinen, entließ er sie.
Einige gingen zu den Aufzügen und brachten ihre Sachen auf das Zimmer. Andere gingen erst mal an die Theke und tranken etwas.
Harald war mal wieder der Erste, der was zu trinken hatte und auf die schönen Frauen anstieß, die er links und rechts von sich hatte.
Es dauerte nicht lange und Harald verabschiedete sich von der Theke und verschwand. Nicht ohne Anhang, und das war nicht nur seine Sporttasche. Auch Bernhard hatte schnell Anschluss gefunden und war ebenfalls sehr schnell nicht mehr zu sehen.
Erst zum Abendessen war die Gruppe, wie von Egon gefordert, wieder komplett. Man aß und trank. Man trank und trank. Man trank und aß. Bis sich der eine oder andere verabschiedete. Einige gingen auf ihr Zimmer, andere in die Bar; sogar in der hauseigenen Diskothek waren welche gelandet.
Der nächste Tag wurde ruhig angegangen. Man frühstückte zusammen, und danach wurde die Kegelbahn im Hause genutzt. Nach dem Kegeln machte man einen gemeinsamen Spaziergang auf die Almhütte. Die nach oben führende Seilbahn wurde von Anton und Egon genutzt. Alle anderen benutzten den steilen Bergaufgang, um nach oben zu gelangen.
Oben auf der Hütte gab es echte bayrische Gaudi und entsprechende Kost. Als die „Bergsteiger“ erschienen, hatte Anton schon seine zweite Brotzeit auf. Der Sepp, der Besitzer dieser Hütte, wirbelte mit seinen wohl siebzig Jahren mit einer Art Ziehharmonikaschlauch durch den Saal und erzeugte damit Geräusche. Je nachdem, wie er dieses Rohr durch die Luft schwenkte, kamen unterschiedliche Töne heraus. Dazu sang er gängige Hüttenlieder.
Nachmittags nahmen nun alle die Seilbahn, um wieder nach unten ins Hotel zu gelangen. Den Hang hinunterzugehen, wäre für viele ein „Erlebnis“ geworden. Alle gingen auf ihr Zimmer und schliefen bis zum Abendbrot ihren leichten oder etwas schwereren Rausch aus. Nachdem man sich beim Abendessen gestärkt hatte, schwangen einige noch das Tanzbein oder vergnügten sich wieder im Bayerischen Hof. Das Schwimmbad oder die Sauna wurden dagegen nicht genutzt. Die einzige Sportart, die betrieben wurde, war das einarmige Bierhumpen oder Weiber stemmen.
Natürlich wurde die Kehle wieder beschäftigt. Jetzt jedoch nur noch durch „flüssige Nahrung“. Anton und Egon hielten sich nicht immer dran. Kleine Häppchen passten immer zwischen die Bierchen. So wurde der Samstagabend eher zur Samstagnacht. Wo wer gelandet oder aufgewacht war, blieb dessen Geheimnis. Man hatte morgen noch frei, und für die Heimreise war ja wieder der Bus geordert.
Am Sonntag am Frühstückstisch konnte man sehen, wer überhaupt genächtigt hatte. Und man bekam mit, dass hier und da noch kurz gewinkt wurde. Es gab den einen oder anderen, der noch mal aufstand, um am Nachbarstisch jemanden zu begrüßen bzw. sich zu verabschieden. Es dauerte nicht lange und der Kaffee musste den ersten alkoholischen Getränken weichen. Das eine oder andere Glas Sekt wurde mit der „fremden“ Frau vom Nebentisch getrunken.
Man hörte auch hier und da schon mal die Bemerkung, wie schön es gewesen sei, die Sätze Sehen wir uns mal wieder, rufe mich bitte mal an und so weiter. Ja, diese Tour war ein voller Erfolg. Für jeden war etwas dabei. Gutes Haus. Gute Frauen. Gutes Essen. Gute Übernachtung und vor allem gute Getränke. Jeder zog sich aus diesem Angebot das heraus, was für ihn wichtig war. Gekegelt hatten sie aber auch. Das konnten nicht alle Kegelklubs nach ihrer Tour behaupten.
Am Sonntagmittag war der Zauber aber auch schon wieder vorbei. Der Bus war pünktlich und es ging zurück. Es dauerte etwas, bis alle den Weg zum Bus gefunden hatten. Anton hatte wieder für Nahrung während der Fahrt gesorgt. Aber nur noch wenige machten davon Gebrauch. Zu exzessiv waren diese zwei Tage mit Alkohol getränkt worden. Und morgen mussten ja einige schon wieder arbeiten. Der Bus hielt vor ihrer Stammkneipe, und man einigte sich darauf, nur ein oder zwei Bierchen zum Abschluss dieser Tour zu trinken.
Harald und Bernhard waren erst gegen 22.00 Uhr abends zu Hause. Natürlich waren es nur zwei Bier, die sie getrunken hatten. Das erste und das letzte. Und natürlich waren sie danach auch schnell im Bett. Die Aussprache mit Harald sparte Manuela sich für den nächsten Abend auf.
Diese kam dann auch prompt.
Zum einen gab er ihr ja auch recht, aber es war auch eine Kegeltour und er verband das mit etwas Freiheit für sich. Weil er ja nicht ganz brav war – so bezeichnete er sein erlebtes Abenteuer –, ließ er es über sich ergehen und versprach Besserung. Jedenfalls bis zur nächsten Kegeltour.
Bernhard wurde am nächsten Morgen von seiner Maria mit einem Katerfrühstück geweckt. So verschieden können Kegeltouren enden.
Nun hatten sie bei dem heutigen Kegelabend, während sie das Essen verzehrten, schon die nächste Tour vor Augen. Harald schwelgte schon wieder in dementsprechenden Gedanken und sah sich im Hotel der lüsternen Welt. Diesmal würde er aber weniger trinken und dafür mehr … „Was darf es denn noch sein?“ fragte die Kellnerin und riss Harald aus seinen Gedanken.
„Bitte bringen sie noch eine Runde“, etwas anderes fiel ihm jetzt nicht ein.
„Stopp“, rief Egon dazwischen, „ihr wisst doch, die letzte Runde geht immer auf Egon“, und jeder wusste, das ist nicht seine letzte.
Harald ging an diesem Abend als Erster nach Hause. Bernhard, sein „Weggefährte“ blieb noch ein wenig. Die Uhr hatte zehn geschlagen, als er an der großen Kreuzung die Straßenbahnschienen der U78 überquerte.
„Die richtige Zeit, um heimzukehren.“
Aber eigentlich Unsinn, was er da gerade dachte. Wäre er mit Maria verheiratet, hätte er wahrscheinlich ganz andere Zeiten im Kopf, so wie Bernhard. Manuela war da ganz anders als Maria. Sie waren eben doch keine Schwestern. Sie ließ ihm nur die „Pflichtzeit“ zum Kegeln.
Er war jetzt an der Alten Allee angekommen. Von hier aus waren es noch zehn Minuten bis nach Hause. Er liebte diese alte Straße. Hatte er doch oft seinen Opa hier besucht. „Ja, wenn man mal ein Golzheimer ist, dann will man nie wieder weg von hier.“
Oft hatte er diese Worte von seinem Opa gehört. Er schwenkte und schwankte in die Allee ein. Da wurde er fast umgerannt. Er hörte nur: „Sorry, nicht gesehen“ und die Frage:
“Ist was passiert?“
„Nein nein, alles ok. Nichts passiert.“
Erst jetzt erkannte er „seine“ Aquarell, in einem Jogginganzug und mit Inline Skats unterwegs.
„Stopp“, wollte er noch rufen, aber sie war schon zu weit weg.
„Stopp, natürlich ist was passiert. Ich habe einen Schrecken bekommen, und Sie müssen sich jetzt um mich kümmern“, das war es, was er hätte sagen müssen, als sie ihn nach seinem Befinden gefragt hatte. Er aber hatte mal wieder sein Samaritersyndrom.
„Nein, es ist nie etwas passiert, und wenn doch, dann ist es eben nicht so schlimm oder nicht der Rede wert.
Ärgerlich über sich selbst kam er zu Hause an. Manuela stand auf, als sie das Öffnen der Haustüre hörte. Sie empfing ihn im Flur.
„Sind die Kinder schon im Bett?“, fragte er lapidar.
„Natürlich, schau auf die Uhr, die schlafen schon lange.“ Sofort ärgerte er sich über diese Frage, denn dadurch hatte sie die Gelegenheit, die Zeit ins Spiel zu bringen.
Nach einem kurzen Begrüßungskuss und einem kurzen Austausch, wie es denn war, ging es gleich nach oben ins Bad und dann ins Bett. Mal abgesehen davon, dass er durch den Alkohol womöglich nicht mehr in der Lage war, etwas mit Manuela anzustellen, war er sicher, dass nichts mehr geschehen würde, da er eine Alkoholfahne hatte.
Das konnte Manuela überhaupt nicht leiden, und wenn er noch so viel Mundwasser genommen hätte, heute passiert nichts mehr im Bett.
Sie schlüpfte in ihr langes Holzfällerhemd. Das hatte er ihr mal überlassen, als sie noch nicht zusammen wohnten, damit sein Geruch noch bei ihr war, wenn er abends gegangen war. Damals mochte sie seinen Geruch sehr und er überließ ihr das Hemd.
Soweit kein Problem, aber es war Winter, und er war nur mit einer Jacke, die auch nicht besonders dick war, mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, und das waren immerhin fast acht Kilometer. Nun, umgebracht hat es ihn nicht und ihr Lieblingshemd ist es ja immer noch.
Sie öffnete die Balkontür und legte sich ins Bett. Er gab ihr noch einen Gute-Nacht-Kuss, dieser war aber mehr als kurz, und schon drehte sie sich weg von ihm. So schliefen sie ein. Wenn er sich dann mal zu ihr wendete, stupste sie ihn an und er, brav wie ein Lämmchen, drehte sich wieder auf die andere Seite. Jeden Tag würde sie dies nicht ertragen können oder auch nicht jede Woche. Aber einmal pro Monat gestand sie ihm das zu. Obwohl …
Am nächsten Morgen ging es wieder zum Einkaufen. Harald war einer der Ersten, der sich aufraffte und ins Bad ging. Manuela empfand das als etwas ungewöhnlich, denn es war ja gestern doch etwas spät für ihn gewesen. Aber er hatte gesagt: „Körnerbrötchen sind ab sofort mein Ding“ und wollte heute sehr früh zum Bäcker, überlegte Manuela, als sie den Tatendrang ihres Mannes bemerkte.
Nach dem Bad zog er sich an und ging runter in die Küche. Dort bereitete er das Frühstück vor, aber der Brötchenkorb war noch leer. Als Manuela herunterkam, war er heute besonders freundlich zu ihr.
„Mein Liebes, ich hoffe, du hast trotz meiner Bierfahne gut geschlafen und ich bin dir nicht allzu lästig geworden!“
„Verarschen kann ich mich alleine, du Suffkopf.“
Das war für Harald wie ein Schlag ins Gesicht.
„Ich habe das eben ernst gemeint. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Aber gut, dann wird es mir in Zukunft egal sein, wie oder wo du schläfst.“
Nach diesen Worten hörte er mit den Frühstücksvorbereitungen auf und ging aus der Küche. Beim Hinausgehen murmelte er ungefähr die Worte: „Dann eben nicht, und man kann ja machen, was man will, es ist eh nie richtig. Dann mach doch deinen Sch… alleine. Soll mir recht sein, dann habe ich weniger Stress, und beim nächsten Kegeln wird es sicherlich später als gestern. Dann hast du endlich mal den Suffkopf, der ja deiner Meinung nach sowieso schon an deiner Seite ist.“
Manuela merkte nun: „Ups, da bin ich wohl ins Fettnäpfchen getreten. Er hat es tatsächlich ernst gemeint mit dem, was er sagte“ und hatte von da an ein schlechtes Gewissen.
Sie ging ihm nach, umarmte ihn von hinten und sagte: „Ach, Bärchen, es tut mir leid, ich dachte, du wolltest mich veräppeln. Aber jetzt weiß ich, dass du nur lieb sein wolltest. Bitte verzeih mir.“
„Manuela, manchmal ist es wirklich nicht einfach mit dir. Aber ich nehme die Entschuldigung an. Lass uns jetzt Einkaufen fahren, danach machen wir dann ein großes Frühstück. Ich wollte heute auch noch was im Garten tun.“
Dabei dachte er sicherlich nicht an den Rasen. Er holte die Einkaufstaschen aus der Schublade im Flur und zog sich seine Jacke an. Manuela nahm auch ihre Jacke vom Haken. Harald nahm sie ihr ab und reichte sie ihr so, dass sie mit beiden Armen gleichzeitig reinschlüpfen konnte.
„Eigentlich ist er ja was Liebes“, dachte sie so bei sich und ärgerte sich über sich selbst, ihn ungerechter Weise angegriffen zu haben. Sie wusste sehr wohl, dass sie einen guten Mann hatte. Anderen Frauen erging es wesentlich schlechter; eigentlich lebte sie versorgt und vor allem umsorgt. Harald tat viel, um sie glücklich zu machen. Und das tat er schon, als sie sich kennenlernten, erinnerte Manuela sich.
Sie hatte eine Lehre als Handelskauffrau bei einer großen Versicherung in Düsseldorf begonnen, als sie nur kurze Zeit später erkennen musste: Ihre Chefin war alles andere als begeistert, wieder eine „Doofe“ in ihren Reihen zu haben. Sie war zwar extra dafür ausgebildet worden, aber es war ihr lieber, sie hätte nur ihren normalen Arbeitsablauf und nicht immer ein „Kind“ an der Hand.
Insgesamt hatte diese Versicherung sechs Auszubildende. Jeweils zwei pro Ausbildungsjahr. Als Manuela mit ihrer Lehre begann, wurden zwei Auszubildende gerade fertig mit ihrer Ausbildung und in verschiedenen Abteilungen eingesetzt, dort, wo Bedarf bestand. Man hatte nicht die große Auswahl. Entweder man übernahm die Aufgabe oder man wurde nicht übernommen. Dann musste man sich spätestens nach einem halben Jahr eine neue Stelle suchen.
In einer Mittagspause lernte sie Harald kennen. Er war schon im zweiten Lehrjahr und somit schon fast ein „alter Hase“ im Versicherungsgeschäft. Sie verstanden sich von Anfang an. Er hatte auch eine Zeitlang diesen „Fiesling“ und kannte somit ihre Ausbilderin. So konnte er verstehen, dass Manuela sich nicht immer auf die Arbeit freute.
Dadurch, dass Harald eine an sich liebenswürdige Person war, hatte sie es aber schwer gehabt, ihn aus der Ruhe zu bringen. Die Mittagspause wurde so zu ihrer kleinen Oase. Manuela erzählte ihm ihre Sorgen und Anfeindungen. Harald gab ihr Tipps; dadurch konnte sie die Probleme zwar nicht verhindern, aber sie nahm sie anders auf und konnte damit besser umgehen. Sie war so froh, diesen netten jungen Mann kennengelernt zu haben. Ohne ihn hätte sie die Lehre nie zu Ende gebracht, dessen war sie sich heute sicher.
In den nächsten zwei Jahren entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die auch über das Berufliche hinausging. Man traf sich nun auch außerhalb des Versicherungsgebäudes. Sie war froh, dass er ihr auch immer wieder etwas Nachhilfe in bestimmten Fächern gab.
Er schaffte seine Prüfung und hatte das Glück, dass er in seine Wunschabteilung versetzt wurde. Als er während seiner Ausbildungszeit in dieser Abteilung einige Zeit verbringen musste, hatte der Chef der Abteilung sofort erkannt, dass er der richtige Mann für diese Arbeit war. Rechtsabteilung, herausfinden, wer Schuld hat oder nicht.
Er hatte dann Harald während seiner Ausbildung beobachtet und mit Freude vernommen, dass er sich immer sehr engagierte, egal, in welchem Ausbildungsbereich er eingesetzt wurde. Da er ein hochrangiger Angestellter war in der Niederlassung Düsseldorf, hatte er dann auch bestimmt, dass Harald Neumann in seine Abteilung kam.
Während sie noch ein Jahr Lehre vor sich hatte, wurde ihm schon ein eigenes Büro zugewiesen. Harald besuchte abends noch einige zusätzliche Lehrgänge. Rechtswissenschaften, Recherchen, detektivische Kreativität und sonstige Sachen, um in der Rechtsabteilung zu wissen, wie steht es mit der Wahrheit und mit der Schuldnerfrage. Nachdem auch Manuela ihr Lernziel erreicht hatte, schaffte es Harald, seinen Chef davon zu überzeugen, auch sie in die Abteilung für KFZ-Angelegenheiten zu holen. Auch sie war ein Glücksfall für die Abteilung. Manuela hatte die Fähigkeit, einem Versicherten eine Absage so mitzuteilen, dass er eigentlich noch dankbar war, nicht noch was zahlen zu müssen.
Nachdem Harald sich entschlossen hatte, von zu Hause auszuziehen, fragte er sie, ob sie nicht mit ihm zusammenziehen wollte. Jeder ein Zimmer für sich, aber Küche und Bad gemeinsam. Das Bad natürlich nacheinander. Am Anfang einer Karriere wird nicht wirklich viel Geld gezahlt, auch wenn die Branche gut verdient.
Deshalb hatte Harald vorgeschlagen: „Wenn man sich die Kosten teilen könnte, mit einem Menschen, mit dem man sowieso gerne zusammen ist, ist das doch umso besser.“
Als sie sich an diesen „Antrag“ erinnerte, musste sie lachen. Diese Idee hatte sie ihm dann sofort abgeschlagen. Sie erinnerte sich an sein verdutztes Gesicht. In dem Moment, wo er nachfragen wollte, warum sie das Angebot ablehnte, hatte sie ihn in den Arm genommen und gesagt: „Wir brauchen keine Doppelwohnung, schon gar keine zwei Schlafzimmer.“
Etwas verlegen erwiderte er nun die Umarmung und bekam ein: „Wirklich, ist das dein Ernst?“ über die Lippen.
„Natürlich ist das mein Ernst und nicht mein Karl. Oder weißt du immer noch nicht, dass ich dich sehr lieb habe.“
„Doch, ja“, stammelte Harald und sagte weiter, „eigentlich ja, ich meine ...“ Weiter kam er nicht.
Manuela drückte ihm ihre Lippen auf den Mund und küsste ihn sehr, sehr innig. Nach dem Kuss schaute sie ihn an und sagte: „Hast du noch Fragen?“
Nun zog er sie an sich und sagte mit etwas belegter Stimme: „Dies ist der schönste Tag in meinem Leben. Ich habe dich schon vom ersten Tag an gemocht. Warum wohl habe ich immer deine Nähe gesucht? Sicherlich nicht immer wegen der Hausaufgaben der Berufsschule.“
Ihr Zusammenleben harmonierte von Anfang an. Auch im Beruf klappte es für beide gut. Aus der Freundschaft von Azubis war eine tiefe Liebe geworden. An ihrem Geburtstag, sie wurde dreiundzwanzig Jahre jung, hatte Harald ihr dann den Heiratsantrag gemacht, erinnerte sie sich, und wieder musste sie schmunzeln. Er hatte zuerst ihren Vater gefragt und nachdem er mit einem „Ja“ dem Antrag stattgegeben hatte, kam er zu ihr und fragte sie. Sie hatte dann zu ihrem Vater herübergesehen, sah sein Lächeln und er nickte ihr zu. Erst dann sagte sie ihrem Harald ebenfalls ja.
Ihr Vater war schon immer ihr Lebensberater. Nun aber nahm Harald diesen Platz ein. Die Heirat wurde kurze Zeit später im kleinen Kreis gefeiert. Dann zog wieder der Alltag ein. Ruhe am Wochenende, da der Beruf beide sehr forderte.
Kuschelwochenenden nannte sie diese Zeit der Ruhe und Erholung. Es gab auch Wochenenden, da machten sie so gut wie kein Auge zu. Es war eine ruhige und manchmal eine drangvolle Zeit. Hier und da erkannte Manuela ihren jungen Harald wieder, wenn es ihm zu Hause zu ruhig wurde. In der damaligen Zeit wurde erst mal an der Karriere gefeilt. Der Kinderwunsch wurde verschoben. Der Lebensraum, die Wohnung oder das Haus waren in der Planung. Nicht aber der Nachwuchs. Erst als Harald in den gehobenen Dienst kam, war der Nachwuchs ein Gesprächsthema.
Manuela musste schon wieder schmunzeln, als sie an diese Situation denken musste. Beim Abendessen hatten sie sich darauf geeinigt, jetzt die Familienvergrößerung anzugehen. Und als sie danach ins Bett gingen, war es irgendwie anders.
Harald hatte immer ein Kondom auf seinem Nachttisch, da sie damals die Pille nicht vertragen hatte. An diesem Abend, als er sich auf die Bettkante gesetzt hatte, zog er die Schublade auf, legte das Kondom hinein und schob sie wieder zu. Manuela war dreißig Jahre und wollte jetzt ein Kind. Von ihm und jetzt!
So hatte sie es sich gedacht, und er wusste, ja, jetzt muss es wohl sein. Kurz gesagt, dieser Liebesakt ging voll daneben. Petra wurde nicht an diesem Abend gezeugt.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Michael Schönberg
Cover: Wine van Velzen
Lektorat: Thomas Dellenbusch
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2023
ISBN: 978-3-7554-2924-1
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