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Rechte und Impressum

Bibliografische Information der Nationalbibliotheken:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

 

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Verlage, Herausgeber und Autoren unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

 

Impressum:

 

Copyright © 2018 Michael Schönberg

Alle Rechte vorbehalten.

 

Autor: Michael Schönberg

Covergestaltung: Wine van Velzen

Lektorat / Korrektorat: M. Schönberg & W. van Velzen

Vorwort

Ein Junge wird von dem Makler R. Winkler angefahren.

Der 7-jährige Daniel stirbt an den Folgen des Unfalls.

Die Ergebnisse der Untersuchungen des Unfalls lassen

Zweifel am Geschehen aufkommen.

Ingrid Born fordert die Todesstrafe, für den Mörder ihres Sohnes,

muss sich aber dem Gericht beugen.

 

Reinhard Winkler merkt schon bald, dass er verfolgt wird

und glaubt, dass die russische Familie der Frau es nun auf

ihn abgesehen hat. Seine Familie und sein Umfeld glauben ihm nicht.

 

Einzig Kommissar Biesenbach glaubt ihm und nimmt die

ersten Ermittlungen auf.

 

 

 

Deine Schuld wird nie vergessen

 

 

Michael Schönberg

 

 

Deine Schuld

wird nie vergessen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Copyright © 2018 Michael Schönberg

Alle Rechte vorbehalten.

 

Autor: Michael Schönberg

Covergestaltung: Wine van Velzen

Lektorat / Korrektorat: M. Schönberg & W. van Velzen

ISBN: 978-7467-9503-4

 

 

 

Deine Schuld wird nie vergessen

 

Nicht schon wieder.

Doch, da war es wieder. Das Verkehrsproblem, in Form eines Müllwagens. Eigentlich hätte es Reinhard besser wissen müssen. Es war Mittwoch, kurz vor acht, und er fuhr auf der Reichswaldallee im Stadtteil Düsseldorf - Oberrath. Er weiß nicht, wie oft er diesen Müllwagen schon vor sich hatte und er seine Fahrt zum Stocken brachte. Er kannte mittlerweile die Gesichter der Männer, die dort die Tonnen bereitstellten oder nach deren Entleerung wieder auf den Gehweg stellten. In seiner Tagesplanung hatte er den Mittwoch, wie so oft, nicht berücksichtigt. Reinhard schwebte nach Höherem und konnte und wollte sich nicht mit Nebensächlichkeiten befassen.

 

Deshalb stand er jetzt mehr, als dass er fuhr. Dabei fuhr er einen Porsche Macan. Sicherlich nicht, um hier die Zeit zu vertrödeln.

Häuser und Wohnungen interessierten ihn. An- und Verkauf. Dazwischen lag sein Gewinn. Davon und dafür lebte er. Die Geschäfte liefen nicht immer gut, doch sie hatten ihr Auskommen.

 

Sie, das waren er, seine Frau Silke und die beiden Töchter Lena und Vanessa. Silke richtete den Haushalt, hielt das Haus sauber und kümmerte sich um die Erziehung der Kinder. Mit 10 und 12 Jahren waren die beiden Mädchen Aufgabe genug. Lena besuchte schon das Carl Richard von Weizsäcker Gymnasium. Nicht weit entfernt von ihrem Zuhause, das in Ratingen Ost stand. Vanessa würde ihr bald folgen können, da sie in der Grundschule sehr gute Noten hatte.

 

Silke Winkler hatte ihren Beruf schon kurz nach ihrer Heirat mit Reinhard aufgegeben. Ein Arrangement was beide als sehr angenehm empfanden. Sie kümmerte sich um alles, was in einem Haushalt zu tun war. Hausarbeit, Kindererziehung und Gartenarbeit. Mit alldem hatte Reinhard nichts zu tun. Dafür war er der Mann, der das Geld nach Hause bringt. Sie war glücklich mit dieser Arbeitstaufteilung. Welche Ehefrau kann schon an einem Wochentag morgens, nachdem Mann und Kinder aus dem Haus sind, sich die Zeit nehmen, um einen Friseurtermin wahrzunehmen oder einen Stadtbummel zu machen. Das Kosmetikstudio aufsuchen oder sich mit einer Freundin zum zweiten Frühstück treffen. Da sie eine kaufmännische Ausbildung besaß und ein paar Jahre in einer Buchhaltung tätig war, übernahm sie den gesamten Papierkram im Haushalt von Familie Winkler. Dazu gehörten Kaufverträge, Rechnungen und die sonstige Buchhaltung eines selbstständigen Maklers.

 

Reinhard studierte in jungen Jahren BWL und nebenbei noch Grundstück und Wohnungswesen. Sein makelloser Leumund verhalf ihm dann, den Sprung in die Selbstständigkeit eines Maklers zu schaffen. Erst später viel ihm auf, dass ein Makler auch makellos sein musste. Eigentlich nur ein Zufall, denn ein Makler ist ein Macher. Maken = Geschäfte machen und kommt aus dem Norddeutschen.

Reinhard war stolz, schon ziemlich oben an der Erfolgsleiter angekommen zu sein. Sein selbstsicheres Auftreten und seine gesetzte Figur, ließen ihn seriös wirken. Er war mit seinen 38 Jahren zufrieden mit seinem Leben.

 

Hier und da würde er sich bessere Abschlüsse wünschen, wer wollte das nicht. Gar nicht so gut fand er, und nicht nur er, sondern auch Silke, wenn er ein Projekt in den Sand setzte. Verluste konnte man sich in dieser Branche nicht sehr oft leisten. Auch wenn er einige Reserven besaß, so waren die Summen oft größer als das, was sein Geschäftskonto auswies. Die Bank spielte mit, da sie die Schwankungen gewohnt waren.

 

Außerdem gab es ja noch das Konto seiner Frau. Dahin überwies er die Gewinne aus den Verkäufen und die Provisionen aus den Vermittlungen. Die er immer dann forcierte, wenn die großen An- und Verkäufe nicht so liefen, wie er gedacht hatte. Ein Zubrot für schlechte Zeiten, wie er es nannte. Silke hielt es für besser, wenn er sich mehr darauf konzentrieren würde. Kleines, aber stetiges Einkommen waren ihr lieber als diese Risikogeschäfte. Sah sie doch oft genug, was sie am Ende verdient hatten und das trug nicht dazu bei, dass ihr Haar dunkel blieb. Wer möchte schon mit 37 ergrauen? Würde zu ihrer ansonsten sportlichen Figur und dem jugendlichen Aussehen auch gar nicht passen.

 

Heute Morgen stand der Verkauf eines Einfamilienhauses an, was er unbedingt loswerden wollte. Schon fast ein Jahr suchte er dafür einen Käufer. Obwohl in guter Gegend gelegen, war es wegen dem schlechten Zustand nur schwer an den Mann zu bringen. Die neuen Eigentümer müssten einiges renovieren. Der gesamte Dachstuhl wäre zu erneuern, ebenso die Fenster. Die Elektrik entsprach schon lange nicht mehr den heutigen Anforderungen. Alles in allem, fast eine Kernsanierung.

Die damaligen Besitzer, ein älteres Ehepaar, besaßen nicht die Mittel, um das Haus auf den neuesten Stand zu modernisieren. Nachkommen gab es keine, die sich hätten einbringen können. Nachdem der Mann verstorben war, entschloss sich die Frau des Hauses, in ein Seniorenheim zu gehen. Dafür benötigte sie Geld, denn es sollte ein privates Heim sein. Und sie wusste auch schon, in welches sie einkehren, sich einkaufen wollte. Haus zum Wald hieß das ausgesuchte Altenheim und lag direkt am Grafenberger Wald.

Die alte Dame benötigte deshalb sofort Geld, um die Wohnung zu bezahlen.

Kredite oder gar Ratenzahlungen lehnte die Einrichtung grundsätzlich ab. Nach dem Ableben der Bewohner ging das Appartement wieder in den Besitz des Altenheims, einer privaten Stiftung. Deshalb war der Kaufpreis eines Domizils nicht so hoch, wie in anderen Häusern.

Es gab eine ärztliche Versorgung, eigene Küche und sogar einen Wellness-Bereich, der auf die Bedürfnisse von älteren Menschen abgestimmt war. Das Personal war fürsorglich und das Haus hatte einen sehr guten Ruf. Dass sie besonders gerne Leute aufnahmen, die keine Angehörigen mehr hatten, lag an der Einfachheit nach deren ableben.

 

Für Reinhard war das Projekt keine große Sache, dachte er doch an einen schnellen Weiterverkauf. Das Reihenhaus lag in guter Lage und wies nach hinten einen schönen Garten aus. Ein Grundstück im Stadtteil Unterrath ist heute kaum noch zu ergattern. Umso mehr freute es ihn, dass er es war, mit dem die Dame das Geschäft abschloss. Ein Schnäppchen. Jedenfalls dachte das Reinhard, als er der Dame im Beisein eines Notars den Kaufpreis überwies. Der größte Teil ging an das neue Domizil der Dame. Der Rest auf das Konto ihres Menschen des Vertrauens, der in Zukunft die Geschäfte für sie erledigen sollte. Ein privater Betreuer, den das Heim ihr empfohlen hatte.

 

Das, was die Frau nicht in ihr neues Domizil mitnehmen konnte oder wollte, wurde durch eine Entsorgungsfirma aus dem Haus entfernt. Da einige der Sachen einen antiken Wert aufwiesen, entstanden Reinhard keine Kosten für diese Räumung. Eigentlich hätte er sogar noch Geld herausbekommen sollen, doch durch Mehraufwendungen an Arbeitszeit blieb nichts übrig. Er war froh, dass sie das Haus komplett geleert hatten, und verzichtete so, auf den kleinen Gewinn. Hier war genug an Haus und Grundstück zu holen. So seine Meinung, als er das Haus erwarb.

 

Am Ende einigte er sich mit einem Berufskollegen, der das Haus dann auch kaufte. Allerdings nicht zu dem Preis, den Reinhard sich erhofft hatte. Anstelle von einem gedachten Gewinn von guten 120.000 Euro wurden es nur 80.000 Euro. Er stimmte dem letzten Gebot des Kollegen zu, weil er dringend Geld benötigte. Andere Projekte standen an und zu viele Kredite schmälerten die Gewinne. Die einzige, die dann Erlöse machte, war seine Bank.

 

Der neue Besitzer deutete an, dass er das Haus wirklich Kernsanieren würde. Umbauen in Einzelzimmer zur Vermietung an Messebesucher. Das Haus lag nicht weit vom Messegelände und nicht weit vom Flughafen entfernt. Acht Zimmer, jedes für Hundert Euro pro Nacht, wenn die Menschen während den Messeveranstaltungen eine Übernachtungsmöglichkeit suchten. 80 Euro sollte es kosten, wenn keine Veranstaltungen in der Nähe stattfanden. Einzig Bettwäsche und Handtücher würden gestellt. Wer nun das große Geld bei diesem Projekt machte, war schnell erkennbar.

Reinhard kalkulierte mit 600 € täglich und kam so auf eine Vermietungssumme von 18.000 € im Monat. Er hörte auf, weiter zu rechnen. Warum ist ihm das nicht eingefallen?

Seiner Frau erzählte Reinhard nicht, was der Käufer aus dem Haus machte. Es war schwer genug ihr mitzuteilen, dass der große Gewinn mal wieder ausblieb.

 

Der Stau hinter dem Müllwagen wurde immer länger. Da auf der Gegenfahrbahn auch viel Verkehr war, schaffte es kein Wagen, den Müllkutscher zu überholen.

War da nicht eine Umgehungsstraße, fragte sich Reinhard, dem die Zeit weglief. Er erinnerte sich an eine Vollsperrung der Straße im letzten Jahr. Da wurde der gesamte Verkehr umgeleitet. Damals hatte er geflucht, weil auf dieser Umgehungsstraße 30 km/h galt. Doch jetzt könnte die ihm helfen, das orangene Monster zu überholen. Er konnte die Abfahrt schon sehen. Nur wenige Autofahrer bogen dort ab. Ein Indiz, dass diese Straße kaum bekannt war.

Gut so, dann ist da auch nicht so viel Verkehr.

An der besagten Möglichkeit bog er ab und am Ende der kleinen Abbiegerstraße direkt wieder rechts. Nun war er parallel zur Hauptstraße.

Eitelstraße las er auf dem Straßenschild.

Genau, Eitelstraße, fiel ihm wieder ein. Jetzt musste er nur noch bis zum Ende durchfahren und dann wieder links. So kam er zur Oberratherstraße, in die die Reichswaldallee mündete und der Müllwagen war dann hoffentlich Geschichte.

In diesem Wohngebiet lebten Leute, die nahe der Stadt wohnen wollten, jedoch außerhalb von Lärm und Stadtrummel. Häuser, die das Wort Haus auch wirklich verdienten. Ja, viele Prachtbauten lagen links und rechts, zum Teil hinter hohen Hecken. Die, die hier wohnten, wussten, dass sie reich sind, sie hatten es nicht nötig es auch noch zu zeigen. Als prominentester Anwohner wäre ein ehemaliger Oberbürgermeister zu nennen.

 

Langsam drängte der Termin und Reinhard sah zu, dass er weiterkam.

Er sah das Schild: Durchfahrt verboten. Anlieger frei.

 

»Ich bin doch Anlieger, schließlich habe ich ein Anliegen«, sagte er zu sich selbst und fuhr weiter. Da kein weiterer Wagen in Sicht war, fuhr er in der 30ger Zone auch ein wenig schneller. Der Kreisverkehr nahm ihm das Tempo wieder weg. Den hatte er vergessen. Doch er war sich sicher, den Müllwagen trotzdem zu schaffen, auch wenn einiges dagegen sprach. Schließlich war am Ende auch noch eine Ampel zu bewältigen, um wieder auf die Hauptstraße zu gelangen.

 

Da er das Seitenfenster offen hatte, hörte er Schreie:

»Nein Daniel, Nein

Reinhard bremste ab, warum jemand schrie, wusste er nur eine Sekunde später.

Ein Knall ließ ihn aufschrecken und er sah kurz eine kleine Gestalt durch die Luft fliegen. Vollbremsung und danach aus dem Wagen waren fast eins.

Als er ausstieg, sah er das Unglück. Ein kleiner Junge lag auf der Fahrbahn. Durch den Aufprall ca. einen Meter weit vor seinem Wagen. Er rannte hin und sah, dass der Kleine schwer verletzt war. Sofort rief er den Notarzt. Eine Frau stürzte hinzu und rief immer wieder den Namen Daniel.

 

Zurück zum Auto und Verbandszeug holen, dachte Reinhard und machte sich auf den Weg. Zwei weitere Frauen waren an den Ort des Geschehens geeilt. Eine hatte ein Kind an der Seite und ging schnell wieder weg. So ersparte sie ihrem Nachwuchs den Anblick des verletzten Jungen.

Der Junge wollte mehr sehen, doch die Mutter zog ihn energisch weiter.

Es war das Kind, zu dem Daniel laufen wollte, weil es ein Schulkamerad von ihm war.

 

Reinhard riss die Erste-Hilfe Tasche auf und wollte etwas tun, doch er wusste nicht genau, was er machen sollte.

Die Frau hatte ihre Strickjacke ausgezogen und dem Kleinen unter den Kopf gelegt. Blut ran aus dem dichten Haar und Blut kam auch aus seinem Mund.

Das sah nicht gut aus für das Kind, das wohl Daniel hieß.

 

Reinhard wurde flau in der Magengegend. Noch nie hatte er einen Unfall, noch nicht einmal ein Knöllchen konnte er sein eigen nennen. Und nun ist das Schlimmste eingetreten, was einem Autofahrer passieren kann. Er hatte ein Kind angefahren!

Reinhard hatte zwei Frauen am Straßenrand gesehen, doch den kleinen Jungen nicht.

Hilflos stand er mit seinem Rettungstäschchen an der Unfallstelle und war erleichtert, als er die Sirene des Rettungswagens hörte. Kaum drei oder vier Minuten waren vergangen, als der Wagen auch schon zu sehen war.

 

Später stellte sich heraus, dass der Wagen gerade einen Kranken im nahe gelegenen Augusta-Krankenhaus abgeliefert hatte und sich auf der Rückfahrt zur Zentrale befand, als er den Notruf zugeordnet bekam. Nur deshalb konnte er so schnell an der Unfallstelle sein. Auch der Notarzt war direkt vom Krankenhaus zur Unfallstelle gefahren, so dass die ersten Hilfsmaßnahmen eingeleitet wurden.

 

 

Die Sanitäter und der Arzt kümmerten sich sofort um den Jungen, der dann nach kurzer Zeit auf einer Trage in den Krankenwagen gerollt wurde. Einer der Rettungshelfer betreute die Mutter, während die Sanitäter und der Notarzt im Wagen um das Leben des Jungen kämpften.

Ingrid Born versuchte immer wieder, zu ihrem Sohn in den Wagen zu kommen, doch der Sanitäter hielt sie davon ab.

»Ich bin seine Mutter. Er braucht mich jetzt. Lassen Sie mich zu ihm!«

Der Helfer redete beruhigend auf sie ein, hielt sie am Arm fest.

»Daniel, Daniel, deine Mama ist hier

Reinhard Winkler bekam eine Gänsehaut, als er die Mutter herzzerreißend nach ihrem Sohn schreien hörte.

»Bitte, das geht jetzt nicht. Sobald ihr Kind stabil ist, können sie zu ihm. Bitte, beruhigen sie sich, so helfen Sie Ihrem Sohn am besten. Der Arzt ist bei ihm, haben sie noch ein wenig Geduld«, erklärte der Rettungshelfer der Frau, die in Tränen aufgelöst vor ihm stand und am ganzen Leib zitterte.

 

 

Ein Polizist auf einem Motorrad war auch recht schnell vor Ort. Der sicherte die Unfallstelle erst mal ab. Ihm folgte ein Streifenwagen und zwei weitere Polizeibeamte nahmen die Untersuchungen auf. Fotoapparat und Kreide kamen zum Einsatz. Reinhard hatte sich in sein Auto gesetzt und versuchte das Geschehene zu verarbeiten.

»Wo kam denn der Junge her? Zwei Frauen ja, aber kein Kind. Ich hätte doch sofort gebremst, wenn ich den Kleinen gesehen hätte«, murmelte er völlig verzweifelt vor sich hin.

 

Reinhard hatte selbst zwei Kinder und er wusste, dass die unberechenbar sein könnten. Er passte immer auf, wenn er Kinder am Straßenrand sah, doch hier hatte er nichts gesehen. Nichts deutete auf ein Kind hin.

 

»Sie sind der Fahrer des Wagens

Reinhard schreckte hoch und sah einen Polizisten, der ihn mahnend ansah.

»Ja, das bin ich«, und nach einer kurzen Pause: »Ich habe den Jungen nicht gesehen. Verstehen Sie? Ich habe ihn nicht gesehen

Seine Verzweiflung kam voll zum Ausdruck.

Leid, er hatte einem Kind Leid zugefügt. Je Bewusster ihm das wurde, was eben geschehen war, umso tiefer sackte er in sich zusammen. Unsagbare Verzweiflung tat sich auf. Fast fing er an zu weinen.

Das Gesicht des Polizisten verwandelte sich in ein mitleidendes Mienenspiel.

»Ganz ruhig bitte, bleiben Sie ganz ruhig. Das sind jetzt nur die normalen Formalitäten, die ich aufnehmen muss.«

Der Beamte sah, wie die Gesichtsfarbe des Fahrers immer blasser wurde, deshalb fragte er:

»Brauchen Sie ärztliche Hilfe?«

Reinhard sah den Mann an und wusste nicht, was der meinte. Er war doch nicht das Unfallopfer, sondern der kleine Junge.

»Nein, es geht schon. Es ist nur alles so schrecklich, wissen Sie. Ich hatte noch nie einen Unfall. Schon gar nicht mit einem Kind. Einem kleinen Jungen

»Bitte geben Sie mir mal Ihren Führerschein und Ihre Fahrzeugpapiere

Mit zittrigen Händen versuchte Reinhard, die Papiere aus seiner Mappe zu entnehmen. Doch er schaffte es nicht und gab dem Beamten die ganze Mappe.

»Sie sind Herr Reinhard Winkler?«

»Ja, das bin ich«.

»Die Adresse Schwarzbachstraße 24 ist noch gültig

»Ja

»Haben sie Alkohol getrunken«.

»Nein, habe ich nicht

»Ich muss Sie trotzdem bitten, mal auszusteigen und mit mir zu kommen. Wie ich schon anfangs sagte, alles reine Routine Maßnahmen, bei einem Unfall mit Unfallopfer

Reinhard stieg aus und bemerkte, dass ihm der Kreislauf zu schaffen machte.

Im ersten Moment dachte der Beamte:

»Hoppla, da ist wohl einer noch mit viel Restalkohol unterwegs«, bis er bemerkte, dass es wohl doch nur die Auswirkungen des Geschehens waren.

»Langsam Herr Winkler. Bitte langsam. Komme Sie, ich stütze Sie ein wenig

Der Beamte hielt Reinhard am Arm und führte ihn zum Polizeifahrzeug. Das Gerät für die Überprüfung, wie viel Alkohol, ein Mensch in seinem Atemwege hat, zeigte Null an. Der Beamte notierte diesen Wert auf dem Blatt, das er weiter ausfüllte.

Das Martinshorn des Krankenwagens ließ alle aufschrecken. Der Wagen benötigte einige Zeit, um zu drehen und dann in Richtung Augusta-Krankenhaus zu fahren. Die Sirene dröhnte nicht nur in Reinhards Ohren. Alle Beteiligten ahnten, warum Eile geboten war.

 

In der Zwischenzeit markierte ein Beamter die Bremsspur von Reinhards Wagen. Mit einem Bandmaß wurde die Länge der Spur gemessen. Auch die Höhe der Stoßstange war von Bedeutung. Die Stelle, wo der Kleine mit dem Wagen zusammenstieß und wo er danach zum Liegen kam.

Zum ersten Mal verfluchte Reinhard seinen Porsche. Ein Bollwerk und Kraftpaket von einem Auto, auf das er bis eben so stolz war.

»Herr Winkler, bitte schildern Sie den Unfallhergang, so gut Sie können

Reinhard versuchte, sich zu konzentrieren.

»Ich bin die Straße entlanggefahren und auf einmal bemerkte ich einen Aufprall. Dann lag der Junge auch schon auf der Straße. Ich habe ihn nicht gesehen. Er muss zwischen den Autos hervorgesprungen sein, die dort parken«, und zeigte auf die Wagen an der rechten Straßenseite.

»Wie schnell fuhren Sie

»Ich denke, es waren 30 maximal 32. Die Straße ist doch eine 30ger Zone und da vorne ist doch auch der Kreisverkehr. Da ist es so eng, da kann man gar nicht schneller fahren

Er war sich sicher, dass er nicht zu schnell gefahren sei.

»30zig, nicht schneller. Nein nicht schneller« wiederholte er mehrmals seine Aussage.

»Herr Winkler, Sie wohnen in Ratingen, wieso waren Sie auf dieser Straße unterwegs

»Ich wollte den Müllwagen überholen. Ich hatte es eilig und dachte, dass ich das machen könnte, wenn ich diese Parallelstraße benutze

»Sie wollten was?«, fragte der Beamte nach und man sah ihm an, dass er nicht wusste, von was der Mann sprach.

»Auf der Reichswaldallee fuhr ein Müllwagen und hielt den Verkehr auf. Ich habe … ähm, ich … ich hatte einen wichtigen Termin und weil auch zu viel Gegenverkehr war, konnte man den auch nicht überholen. Und da ist mir diese Straße eingefallen. Sie war mal Ausweichstraße als die Reichswaldallee gesperrt war

»Dass das eine Straße nur für Anlieger ist, wissen sie oder

»Nein, das weiß ich nicht. Ich kannte diese Straße nur als Umleitungsstraße. Dass sie nur für Anlieger ist, wusste ich nicht

»Das heißt, Sie behaupten, dass Sie das Verbotsschild - Gesperrt, anliegerfrei -« nicht gesehen haben

»Nein, ich meine Ja, ich habe das Schild nicht gesehen

»Aber das Schild für die Geschwindigkeitsbegrenzung haben sie gesehen

»Nein, das Schild habe ich auch nicht gesehen. Aber die Bemalung auf der Straße. Und da habe ich mich daran erinnert, wie langsam wir damals hier fahren mussten, als die Allee gesperrt war

»Herr Winkler, wenn ich sie richtig verstanden habe,

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 17.12.2018
ISBN: 978-3-7438-9102-9

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Leser/innen und Freunde.

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