Wie jeden Morgen reißt mich mein Wecker aus einem recht unruhigen Schlaf. Ich schalte ihn aus und mache mich auf den Weg ins Bad, um mich frisch zu machen.
Nach einer kalten Dusche wandert mein Blick, wie immer, in den Spiegel. Ein Körper voller Narben. Narben die Geschichten erzählen, die das Leben zeichnen, meine Vergangenheit. Viel zu oft wurde ich völlig missverstanden. Abgeschoben und ausgesetzt landet man im Heim. Einem Ort wo man das Gefühl bekommt nicht gebraucht zu werden, dass man nichts kann. Ich kann nicht sagen, dass ich ein Engel war aber die meisten meiner Rebellionen haben sie selbst zu verantworten. All‘ diese Jahre, ich bin froh sie hinter mir zu haben. Raus aus diesem Gefängnis zu sein. Diese Zeit war die Hölle für mich. Ich habe viele Fehler gemacht. Vielleicht zu viele. Immer, wenn man mir das Gefühl gab, dass ich Fehler mache, dass ich nicht gut genug bin, habe ich zwar genug Scheiße gemacht, weswegen ich auch als Problemkind eingestuft wurde, aber in der ganzen Verzweiflung habe ich vor allem mich selbst gestraft. Genau daher kommen auch die ganzen Narben auf meinem Körper. Ein Grund weswegen ich schon längst keine kurzen Sachen anziehe oder auch, warum ich keine Beziehung eingehe. Seit meiner Jugend habe ich mich geändert, vor allem als ich endlich meine eigene Wohnung hatte. Aber diese Narben werden immer bleiben und ich will sie niemandem zeigen, wenn man es eh nicht verstehen würde. Ich bin nicht stolz auf diese Zeit, aber ich habe verstanden, dass man nie komplett allein daran schuld ist. Es gibt immer einen Grund. Auch wenn ich die Narben mittlerweile, als 21-jähriger, nicht mehr sehr mag passen sie doch perfekt zum Rest. Schwarze Haare und blass blaue Augen. Zu meinem Kleidungsstile passt es auch, genauso wie zu meiner Musikrichtung. Denn ich studiere im 4. Jahr Musik, nebenbei gehe ich noch jobben, immerhin müssen die Gebühren bezahlt werden. Es ist nicht leicht, aber man kämpft sich durch. Vormittags Schule und am Nachmittag bis spät abends Arbeit. Zum Lernen bleibt da nur noch die Nacht. Mit einem Seufzen wende ich mich ab und mach mich fertig. Nachdem ich fertig bin, packe ich noch schnell eine Kleinigkeit zu Essen ein und verlasse mein 1-Zimmer Apartment. Nicht groß nicht mal die Küche hat einen eigenen Raum, sondern hat nur eine kleine Nische. Einzig und allein das Bad ist extra, sonst ist alles in einem Raum, aber für mich allein reicht es völlig. Nachdem ich abgeschlossen habe mache ich mich auf den Weg zur Universität.
Auf dem Unigelände herrscht bereits reges Treiben. „Hey Kyo! Morgen. Sag mal, kommst du überhaupt noch zum Schlafen? Du siehst nicht gerade gut aus.“ ertönt plötzlich die Stimme meines besten Freundes. „Morgen Emilio. Na ja letzte Nacht nicht wirklich viel. Wenn’s hoch kommt, eine Stunde. Musste länger machen und dann noch die Hausarbeit bis heut. Da passiert das eben“, antworte ich ihm. Emilio ist eigentlich 1 Jahr jünger als ich, aber deutlich größer. Er hat rote Haare, wo ich oft denke, sie sind gefärbt und braune Augen. Typisches Markenzeichen von ihm sind Lederketten und -armbänder. Ursprünglich kommt er aus Spanien und wohnt mit seiner Mutter hier, nachdem diese von ihrem Mann verlassen wurde nur, weil sie blind wurde. Das hat sie sich ja sicherlich nicht ausgesucht. Zusammen gehen wir in das Gebäude und auch sofort in unser Zimmer. Dort begebe ich mich auf meinen Platz und nehme meine Sachen. „Du wirst angestarrt“, flüstert mir plötzlich Emilio zu. „Habe ich schon bemerkt. Interessiert mich aber nicht“, sage ich gleichgültig. „Wie kommt es eigentlich, dass du Null Interesse an Frauen hast? Du wirst von denen regelrecht angehimmelt wegen deines besonderen Aussehens und du zeigst die kalte Schulter. Sag mal, bist du schwul oder was?“ neckt er mich. „Hackt’s bei dir? Nein bin ich nicht. Ich habe einfach keine Zeit für eine Beziehung. Hab genug zu tun, da habe ich nicht noch die Zeit dafür. Ich würde niemanden verletzen wollen.“ antworte ich ihm. Dass ich noch nie eine Beziehung hatte, sage ich ihm allerdings nicht. „Mhm … Du bist eindeutig zu sensibel. Es gibt so viele Kerle, die totale Arschlöcher sind und du? Du-“ „Ach so wie du?“ unterbreche ich Emilio. „Sehr witzig ich habe noch nie eine Frau verletzt.“ verteidigt er sich sofort. „Ja ist gut und jetzt Ruhe die Vorlesung beginnt“, sage ich und widme meine Aufmerksamkeit dem Professor. Ich liebe es einfach.
„Herr Kobayashi können sie uns bitte sagen, was der Schreiber mit dieser Stelle sagen möchte?“, fragt mich plötzlich unser Professor. „Es war für mich die schönste aber gleichzeitig auch die schlimmste Zeit. Wenn man es im Zusammenhang mit dem Rest des Textes nimmt, dann ist es sehr leicht zu erklären. Die zwei Personen haben zueinander gefunden, sie haben sich gegenseitig glücklich gemacht. Für die beiden war es die Zeit ihres Lebens, besser ging es nicht. Allerdings wussten beide, dass es falsch war. Um selbst glücklich zu sein, mussten sie andere anlügen. Es war eine Qual es zu verheimlichen. Egal wie schön ein Moment sein kann, wenn man weiß, dass es nicht richtig ist, kann es gleichzeitig auch das Schlimmste sein.“ gebe ich meine Antwort. „Das war eine sehr gute Antwort“, bemerkt der ältere Mann und macht weiter. Über den ganzen Unterricht mache ich mir meine Notizen.
Nach der Stunde haben wir eine kurze Pause, welche ich nutze, um etwas Kaffee zu trinken. Emilio beobachtet mich dabei. „Was ist?“, frage ich leicht genervt. „Ich überlege nur, wie lange du das noch aushältst, bevor du umkippst“, antwortet er auf meine Frage. Verwirrt sehe ich meinen besten Kumpel an. „Wieso sollte ich denn umkippen?“, frage ich genauso verwirrt. „Weil du das irgendwann nicht mehr aushältst. Ich meine wie viel schläfst du? Eine Stunde? Und vom Essen wollen wir gar nicht erst anfangen“, sagt Emilio.
Ich wende meinen Blick von ihm ab, weil er damit völlig Recht hat. Aber egal was alle sagen ich kann nicht aufhören. Was soll ich denn anders machen? Ich kann nichts aufgeben, denn wenn ich mit einer Sache aufhöre, leidet das andere automatisch darunter. Die Schulklingel reist mich aus meinen Gedanken. Ich packe den Kaffee weg und versuche meine Konzentration auf den kommenden Unterricht zu lenken. Der Lehrer, welcher den Raum betritt, ist neu, denn ich habe ihn noch nie gesehen. Sofort geht auch ein leises Gemurmel durch die Reihen. „Guten Morgen. Mein Name ist Kazuya Ito
und ich werde euch von heut an mit in der Musikpraxis begleiten.“, stellt er sich vor. Sofort gehen die Hände einiger Mädchen hoch. „Ja?“, fragt er. „Haben sie eine Freundin?“, fragt Miri, eine Freundin von mir. Kein Wunder, dass diese Frage kam bei seinem Aussehen. Dünn und groß gebaut, dunkle Haare, rotbraune Augen, trägt eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd mit dünnen senkrechten weißen Streifen und darüber ein schwarzes Jackett. Wie alt wird er wohl sein? Er kommt mir noch sehr jung rüber. 30? Vielleicht auch bis Mitte 30 aber älter auf keinen Fall. „Nein habe ich nicht, aber das hat auch nichts mit dem Thema zu tun. Ihr werdet in mehrere kleinere Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe wird von einem anderen Lehrer begleitet. Am Ende sollt ihr zusammen eure Abschlussarbeit fertig haben“, sagt Herr
Ito. Er nimmt einen Zettel in die Hand und aus seiner Tasche eine schwarze Brille. Oh braucht er etwa eine Lesebrille? Es steht ihm aber.
Wir werden in 5 Gruppen eingeteilt. Zu meinem Glück ist in meiner Gruppe Emilio und Miri mit drin allerdings auch
Sakura und Jonas mit den beiden komme ich nicht wirklich klar. Jede Gruppe wird auch ihrem Lehrer zugeteilt. Ich hätte wirklich mit jedem gerechnet aber, dass ausgerechnet wir Herrn Ito bekommen hätte ich nicht gedacht. „So als Erstes möchte ich einmal wissen, welche Instrumente ihr spielt. Wir müssen immerhin ein Lied sowie eine Choreografie auf die Beine stellen.“ erzählt er. Wie ich es nicht anders erwartet habe drängt Sakura sich gleich nach vorn und stellt sich ins Rampenlicht. Mein Blick wandert zum Fenster. Es sieht so aus, als würde es bald regnen. Als hätte der Himmel meine Gedanken gehört fallen die ersten Tropfen. Das leise Trommeln der Regentropfen am Fenster beruhigt mich immens. Ich bekomme nur noch am Rande mit wie sich die anderen drei vorstellen. Im Halbschlaf bemerke ich plötzlich Herrn Itos Stimme. „Herr Kobayashi!“ ermahnt er mich. Verwirrt sehe ich auf. Stimmt, ich muss mich noch vorstellen. „Entschuldigung ich war eben in Gedanken. Ich spiele E-Gitarre.“ sage ich nur. „Interessant. Bevor wir in irgendeiner Weise weiter machen habe ich ein Rätsel für euch. Welches Instrument kann man weder sehen noch anfassen, aber immer hören?“ fragt unser Lehrer. Sofort fangen alle an zu grübeln und diskutieren miteinander. Sie haben schon Recht, wenn sie sagen, dass alle Instrumente, die wir kennen entweder mit dem Mund oder mindestens mit den Händen gespielt werden. Allerdings würde Herr Ito uns so ein Rätsel nicht geben, wenn es darauf keine Antwort gibt. „Das ist Schwachsinn! So ein Instrument gibt es nicht!“ zickt auf einmal Sakura los. Kein Wunder, das ich mich nicht mit ihr verstehe. „Bevor ihr dieses Rätsel nicht gelöst habt, bringt es nichts mit irgendwas anzufangen. Für heute ist Schluss.“ sagt Herr Ito. Zickig packt
Sakura ihre Sachen ein und Jonas macht es ihr gleich. Da erkennt man mal, dass die nicht klar denken können oder Schlussfolgerungen ziehen können. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt, sollen ein Lied auf die Beine stellen, er wollte wissen welche Instrumente wir spielen. Jeder hat nur die Instrumente genannt aber etwas Wichtiges haben sie vergessen. Ich packe meine Sachen zusammen genauso wie
Emilio und Miri. Mittlerweile bin ich so verdammt müde. Am liebsten würde ich sitzen bleiben da ich nicht sicher bin, ob ich es überhaupt auf die Beine schaffe, aber anderseits muss ich dann zu Arbeit. „Habt ihr eine Idee, welches Instrument, das sein könnte, dass Herr Ito sucht?“, fragt Miri als wir zu Tür gehen. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie eben genannter sich etwas durchliest. Mit den Händen oder dem Mund. In der Tür bleibe ich plötzlich stehen und blicke leicht nach hinten. Unser Lehrer scheint zu merken, dass ihn jemand betrachtet, da er aufsieht und direkt in meine Richtung schaut. „Möchtest du noch etwas?“, fragt er. „Unsere Stimme“, flüstere ich nur. Meine Beine zittern und im nächsten Moment kann ich der Müdigkeit nicht länger standhalten. Meine Augen fallen einfach zu und mein Köpersackt zusammen. „Kyo!“ höre ich noch Emilios Stimme.
Müde öffne ich meine Augen. Wo bin ich? Was ist gleich passiert? Als mir wieder einfällt, was passiert ist, setze ich mich stöhnend auf. Mein Körper schmerzt. Ich lasse meinen Blick um mich wandern und stelle verwundert fest, dass ich zu Hause bin. „Wie?“, flüstere ich verwundert. „Bist du endlich wach?“, ertönt eine fragende Stimme. Ich hätte damit gerechnet, dass Emilio mich Heim bringt und mich jetzt zusammenscheißt, wie es schon einmal war aber nicht, dass mich ein Lehrer Heim bringt. Ich drehe leicht meinen Kopf und sehe, wie Herr Ito von der Küche zu mir kommt. In der Hand eine Schüssel. „Du hast den ganzen Rest des Tages geschlafen“, sagt er völlig beiläufig. Ich habe den Rest des Tages geschlafen. Warte! Ich habe was?! „Verdammt die Arbeit!“, sage ich und springe auf, jedoch legt Herr Ito eine Hand auf meine Schulter und drückt mich wieder aufs Bett. „Beruhig dich. Dein Freund hat mir sehr geholfen und dort gesagt was passiert ist. Du hast den Rest der Woche frei“, sagt er beruhigend. „Aber …“ „Nichts aber. Hier iss das.“ mit diesen Worten reicht mir der Dunkelhaarige die Schüssel. Diese nehme ich ab und sofort steigt mir ein leckerer Geruch in die Nase. Schweigend esse ich die Suppe, welche er mir gemacht hat, dabei bemerke ich, dass Herr Ito sich auf einen Stuhl in der Nähe des Betts gesetzt hat. „Sag mal woher hast du die ganzen Narben?“, fragt er plötzlich. Geschockt halte ich in meiner Bewegung inne. Erst jetzt bemerke ich, dass ich nur in meiner Unterhose im Bett sitze. „Egal“, sage ich nur und versuche gespielt ruhig weiter zu essen. „Mhm. Deine beiden Freunde machen sich ziemliche Sorgen um dich, da du nicht genug Schlaf bekommst“,sagt er ruhig. „Nicht schlimm. Ich komme damit klar. Um das Studium weiter zu machen, muss ich eben Arbeiten, für das Geld.“ murmle ich. „Ach ja? Du kommst damit klar? Deswegen kippst du einfach mal vor Müdigkeit um, weil du ja damit klar kommst.“ zieht er mich auf. „Wissen sie was, ich brauche so ein scheiß Verhalten ganz sicher nicht. Ich hatte noch nie jemanden an meiner Seite und ich brauche auch niemanden!“ meckere ich und stelle die Schüssel weg. Mir doch egal was der denkt. Ich schaffe das schon irgendwie. Herr Ito steht auf und eigentlich dachte ich, dass er jetzt gehen wird, aber er kommt nur etwas näher auf mich zu und wischt mit seinem Daumen etwas aus meinem Mundwinkel. „Reg dich nicht so auf da verbrauchst du nur unnötig Energie. Entschuldige, das hätte ich nicht sagen sollen“, sagt der Größere. „Ruh dich die nächsten 4 Tage aus. Für die Uni bekommst du eine Befreiung. Solltest du irgendwelche Probleme haben, melde dich einfach“, sagt er und, ohne auf eine Antwort zu warten, verlässt er meine kleine Wohnung. Ich lasse mich wieder in die Kissen sinken und schlafe auch fast sofort ein weiteres Mal ein.
Erst am nächsten Mittag werde ich wieder wach. Es ist ungewohnt für mich mal ruhig zu schlafen. Ich stehe auf und gehe als Erstes ins Bad um mich fertig zu machen. Ich soll mich ausruhen … und was macht man da am besten? Immerhin hatte ich schon ewig nicht mehr frei.
Nachdem ich mit duschen fertig bin, gehe ich wieder in den Nebenraum. Unentschlossen sehe ich mich um bis mein Blick auf meinem Nachtschrank hängen bleibt. Schnell bin ich bei diesem und nehme den Zettel, der darauf liegt. Auf diesem stehen eine Telefonnummer und die Anmerkung, dass ich genug essen soll. Ist der von Herrn Ito? Wieso war er überhaupt so freundlich zu mir? In meinen Gedanken taucht das Bild von unserem Lehrer auf. Die dunklen Haare und ebenfalls dunklen Augen, dazu die helle Haut. Das ist ein Kontrast. Ich schüttle kurz meinen Kopf und gehe zum Kühlschrank. Vielleicht habe ich noch was zu essen da. Als ich meinen Kühlschrank öffne, staune ich nicht schlecht. So gefüllt war er auch noch nie. Wer? Es wurden mehrere Essen vorbereitet und Portionsweise abgepackt. Schnell krame ich mein Portmonee aus meinem Rucksack und sehe hinein. Allerdings fehlt nichts von meinem Geld. Auch meine Ersparnisse wurden nicht angerührt. Soll das heißen er hat für mich von seinem Geld eingekauft? Aber? Das heißt, ich muss mich bei ihm bedanken. Ob ich will oder nicht. Seufzend gehe ich wieder zum Kühlschrank. Ich nehme mir einen Behälter und Wärme ihn in der Mikrowelle auf. Anschließend setze ich mich auf mein Bett und schalte den Fernseher ein. Ich schalte durch die Sender, bis ich etwas halbwegs interessantes gefunden habe.
Nachdem ich aufgegessen habe wasche ich das bisschen schnell ab und räume es weg. Ich frage mich echt, warum er das macht? Noch einmal greife ich nach dem Zettel nur, um ihn wieder hinzulegen. Was soll ich jetzt machen? Stimmt, ich muss noch was für die Uni machen. Es muss ja nicht lang sein. Nur ein bisschen. So kommt es, dass ich mich an den Schreibtisch setze und für die Uni lerne.
Seufzend lasse ich meinen Kopf in den Nacken fallen. Jetzt ist es doch länger geworden, als ich wollte. Wir haben immerhin schon Abend. Mein Handy vibriert weswegen ich ihm meine Aufmerksamkeit schenke. Es ist eine Nachricht von Emilio. ‚Hey wie geht es dir? Hoffe, du ruhst dich auch aus. Ich sage dir, wenn ich dich Montag in der Uni sehe und bemerke, dass du dich nicht ausgeruht hast, gibt es Ärger!‘ Ertappt sehe ich auf den Display. Schnell antworte ich ihm und lege mein Handy beiseite. An einem Song zu arbeiten hat ja nichts mit Schule oder Arbeit zu tun also kann ich das wohl. Mit diesem Entschluss beginne ich an einem neuen Lied zu arbeiten. Zu meiner Verwunderung geht es in dem Lied um Liebe. Ein Thema, das für mich keine Bedeutung hat, denn ich kenne dieses Gefühl nicht.
Die ganze Nacht arbeite ich an dem Lied, bis ich irgendwann einfach einschlafe.
Mit einem leisen Aufschrei schrecke ich aus dem Schlaf. Mein Atem geht deutlich schneller als normal und der Schweiß steht auf meiner Stirn. Verdammt! Ich versuche mich wieder zu beruhigen und sehe auf mein Handy. Mehrere Nachrichten und einige verpasste Anrufe. Alles noch von gestern Abend aber anscheinend habe ich es nicht bemerkt. Mein Blick wandert zum Fenster in den dunklen Nachthimmel. Kurzerhand entschließe ich mich eine Runde raus zu gehen. Ich ziehe mir meine Schuhe und Jacke an und verlasse das Apartment. Die kalte Nachtluft ist angenehm, weswegen ich tief durchatme. Wir haben es gerade mal 4 Uhr. Die wenigsten sind um so eine Zeit schon wach. Für mich ist es meistens normal. Nur selten schlafe ich wirklich viel. Meistens nur 3 Stunden, wenn überhaupt. Ich kann einfach nicht zur Ruhe kommen oder meinen Kopf freibekommen. So ist es auch jetzt. Die ganze Zeit denke ich darüber nach warum Herr Ito so etwas macht. Was ist der Grund? Gibt es überhaupt einen Grund oder hat er sich einfach nur verpflichtet gefühlt? Bei dem Gedanken daran wird mir irgendwie komisch. Ich verstehe es einfach nicht. Damit komme ich nicht klar. Warum ist er so höflich geblieben, als ich ihn so an gemeckert habe? Das war übrigens auch nicht sehr höflich von mir, dafür sollte ich mich entschuldigen. Ich laufe einfach durch die Gegend und denke darüber nach. Aber egal wie ich es wende und drehe, für mich ergibt es keinen Sinn.
Irgendwann komme ich an einer Bäckerei an. Zufälligerweise auch eben jene, für die ich arbeite. Das ist nämlich Bäcker und Café in einem. Ich helfe meistens Nachmittag im Café, aber musste auch schon ein paar Mal früh aushelfen. Ich betrete das Geschäft und höre erstmal ein Klirren. „Oh Nein das wollte ich nicht.“ ertönt eine weibliche Stimme. So wie sich das angehört hat, ist ein Blech heruntergefallen, wenn nicht sogar mehrere. Durch das Glöckchen an der Tür kommt der Chef nach vorne. „Kyo?“, fragt er. „Kann ich helfen?“, frage ich höflich. „Du hast aber frei“, sagt mein Chef. „Kein Ding. Mir geht es wieder gut.“ sage ich. Nur kurz überlegt er nochmal, aber stimmt dann zu. So wie es scheint, ist sein neuer Lehrling nicht gerade sehr geschickt. So kommt es, dass ich das Verkaufen der Brötchen übernehme und ab um 6 kommen auch deutlich mehr Leute. Kein Wunder viele wollen am Samstag frische Brötchen zum Frühstück. „Einen schönen Tag noch.“ verabschiede ich gerade eine Kundin, als auch schon jemand neues die Bäckerei betritt. „Schönen guten Morgen, wie kann ich helfen?“, frage ich sofort mit einem Lächeln auf den Lippen. „Als Erstes sagt du mir mal, was du hier machst? Du solltest dich ausruhen.“ ertönt eine bekannte Stimme. „Äh … also … das ist mein Job also-“ beginne ich. „Nichts also! Du bist erst zusammengebrochen, weil du nicht genug schläfst, geschweige denn genug isst.“ „Ich brauche keinen Babysitter!“, sage ich wütend. „Kyo danke du warst eine große Hilfe. Ab jetzt kann ich wieder übernehmen.“ sagt mein Chef und kommt eben nach vorne. „Was ist los?“, fragt er, als er meinen Blick bemerkt. „Nichts alles in Ordnung“, murmle ich. Es war doch schon immer so. Nie hat man geglaubt, dass ich etwas schaffen kann. „Also dann geh ich mal wieder“, sage ich und zwinge mich zu einem Lächeln. Den Dunkelhaarigen ignoriere ich einfach. „Ja OK. Danke nochmal. Ach und Kyo?“ sagt mein Chef. Ich drehe mich um, da ich schon auf dem Weg zur Tür war, und sehe erst meinen Chef an und dann das belegte Brötchen, welches er in der Hand hat. „Geht aufs Haus. Du kannst es gebrauchen.“ sagt er. Ich bedanke mich, nehme das Brötchen an und verlasse das Geschäft. Ich verstehe nicht, warum man mir nie etwas zutraut. Sehe ich so aus, als könnte ich nichts oder als ob ich Hilfe bräuchte? Ich mache mich auf den Heimweg und verspeise nebenbei das Brötchen.
Zu Hause angekommen lasse ich mich aufs Bett fallen. Was mach ich hier eigentlich? Ich bin müde, aber gleichzeitig will ich nicht schlafen da ich weiß, dass ich sonst wieder von Alpträumen geplagt werde. Kann mich vielleicht irgendjemand hier raus holen? Ich habe das Gefühl mein Leben würde an mir vorbeiziehen. Egal was passiert es lässt mich kalt. Ich nehme es wahr, aber ich erlebe es nicht. Als, wenn man mir meine Gefühle geraubt hätte. Ich komme mir eingesperrt vor. Eingesperrt in einem linearen Leben ohne Fluchtmöglichkeit. Nur einmal möchte ich auch etwas empfinden. Ein wirkliches Gefühl haben. Im Moment habe ich eher das Gefühl, dass das Leben an mir vorbeirast und egal wie sehr ich es auch versuche mir nichts davon gibt. Alle um einen lachen, sind glücklich, empfinden etwas aber man selbst ist eingesperrt in einer kalten und dunklen Leere. So gerne würde ich ihr einmal entfliehen. Ein Seufzen entweicht mir und ich schnappe mir meine E-Gitarre. Das wird zwar bestimmt wieder Ärger mit den Nachbarn geben, aber mir soll es egal sein. Ich habe ja die Nacht an einem Lied gearbeitet, welches ich durchspiele und immer wieder ein paar Änderungen durchnehme.
Als es plötzlich an der Tür klingelt schrecke ich zusammen. „Mist. Bestimmt die Nachbarn“, murmle ich und lege die Gitarre beiseite. Leise schleiche ich zu Tür. Am liebsten würde ich so tun als wäre ich nicht da, aber das fällt ein bisschen auf. Nur zögerlich öffne ich die Tür, bereit von meinen Nachbarn vollgemeckert zu werden. Zu meiner Überraschung steht allerdings mein Lehrer vor der Tür. „Was?“, frage ich verwirrt. „Frühstück?“, fragt dieser nur. Erst jetzt fällt mir die Tüte in seiner Hand auf. Völlig überrumpelt von allem lasse ich ihn eintreten. „Ähm…“ beginne ich leise. „Stimmt du brauchst keinen Babysitter, aber ist es falsch, wenn man sich Sorgen macht?“, fragt Herr Ito ernst. „Nein das ist es nicht…ich bin es nur nicht gewohnt“, murmle ich verlegen. Warum ich plötzlich verlegen bin weiß ich selbst nicht so genau. Stumm decke ich den kleinen Tisch und mache Kaffee.
„Du sagtest vorhin, dass du es nicht gewohnt bist. Warum? Deine Eltern werden sich doch sicherlich auch Sorgen um dich machen“, sagt mein Lehrer als wir am Tisch sitzen. Das ist als würde man Salz in eine Wunde streuen. Als ob ich weiß wie Eltern sind. Ich kenne diese Gefühle nicht. „Hab keine.“ antworte ich knapp und betrachte den Blog vor mir. Es passt mir einfach immer noch nicht. Irgendwas fehlt an diesem Lied. Dass mich Herr Ito durch meine Antwort verwundert anschaut, bemerke ich dadurch nicht. „Ohne Eltern wärst du nicht“, sagt er gelassen. Dieser! „Meine sogenannten Eltern haben mich auf die Straße gesetzt. Ich habe keine!“ meckere ich und stehe auf. Am liebsten würde ich mich jetzt in einen ruhigen Raum verziehen aber das geht hier schwer. Außerdem will ich keine Schwäche zeigen, weswegen ich mir nur neuen Kaffee hole. Ich versuche mich wieder auf den Song zu konzentrieren und summe diesen leise mit. „Die Melodie überrumpelt sich an einer Stelle. Bei einer gefühlvollen Textstelle solltest du eher etwas langsamer werden.“ meint plötzlich der Ältere. Überrascht drehe ich mich um. Er hat doch tatsächlich den Text gelesen! Nicht, dass es mich stören würde. Er weiß wovon er spricht. Allerdings ist seine Anwesenheit einfach unangenehm. Ich weiß nicht warum, aber seine Nähe macht mich nervös. „Mh Danke“, sage ich höflich und wende mich wieder dem Lied zu. Ich bessere die Stelle aus und gehe es noch einmal durch. Diesmal bin ich auch zufrieden. Es passt einfach. „Du hast Talent“, meint Herr Ito ruhig. „Naja es geht. Man kann sich immer noch verbessern“, antworte ich nur. Viele haben mir schon gesagt, ich solle nicht so selbstkritisch sein, aber genau das verbessert mich. Wenn ich ein neues Lied geschrieben habe, dann sage ich nicht, dass es perfekt ist. Nein ich achte auf Stellen die man verbessern kann, welche man das nächste Mal anders machen kann. Musik soll immerhin etwas Besonderes sein. Man hat einen Grund warum man Musik macht. Sie verbindet uns Menschen, aber ich habe auch meinen eigenen Grund. Ich habe einen Traum und um diesen zu erreichen, werde ich alles Erdenkliche tun. Mein Traum. Wenigstens den konnte mir niemand nehmen. So viel man mir mittlerweile genommen hat ich habe nie aufgegeben. Egal was ich bis jetzt tat es war nie richtig. Vielleicht habe ich oft falsch gehandelt, aber mich hat auch niemand verstanden. Falsch gehandelt was? Ich habe ihn angemeckert obwohl er nicht mal wusste warum. Natürlich müsste man Eltern haben sonst würde man nicht auf der Welt sein aber ich bevorzuge das Wort Erzeuger. Denn eine Familie hatte ich noch nie. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“ reißt mich die Stimme von meinem Lehrer zurück in die Realität. Ich stehe auf und sortiere das Lied in einen Ordner. Anschließend setze ich mich wieder an den Tisch. „Entschuldigen sie“, murmle ich. Auch wenn ich ihn nicht ansehe bemerke ich den fragenden Blick auf mir. „Ich habe sie vorhin angemeckert dabei war ihre Aussage völlig normal. Es ist schwer, wenn man mich immer wieder darauf anspricht. Ich weiß nicht wie eine Familie ist. Wie Eltern sind. Meine Erzeuger haben mich mit 5 Monaten auf die Straße gesetzt. Ich wurde von einem älteren Ehepaar gefunden, welche meine Rettung waren sonst hätte ich es nicht mehr geschafft. Ich bin im Heim aufgewachsen und wurde da als Problemkind eingestuft. An so einem Ort merkt man einfach, dass man nicht erwünscht ist. Trotz der vielen Kinder ist es kalt. Ich weiß einfach nicht was es bedeutet, wenn sich jemand Sorgen macht. Das einzige was ich kenne ist Hass, Kälte, Angst, das Gefühl nicht gut genug zu sein. Bisher war ich immer nur auf der Schattenseite des Lebens. Das Studium ist mir wichtig, aber ich habe damals kein Stipendium bekommen. Deswegen arbeite ich nebenbei. Mein Tag ist immer voll. Vormittags Schule, dann heißt es Arbeiten bis Abends und danach werden Hausaufgaben gemacht. Damit ich gute Bewertungen bekomme lerne ich meistens noch die halbe Nacht. Schlaf kommt da meistens recht kurz. Die Gebühren und die Miete verbrauchen auch das meiste meines Einkommens deswegen bleibt auch manchmal das Essen auf der Strecke. Emilo meckert mich deswegen zwar immer an aber meistens schaffe ich es. Ich bin schon oft zusammen gebrochen, aber ich kann nicht verändern. Nehme ich noch eine Arbeit an kommt das Studium zu kurz und das darf es nicht.“ erzähle ich ruhig. Es tut gut meine Sorgen einfach mal zu erzählen. Warum ich es unbedingt dem neuen Lehrer erzählen muss, weiß ich zwar nicht aber es fühlt sich richtig an. „Aber sich so zu verausgaben ist auch nicht gut. Ich verstehe deine Situation aber du musst auf deine Gesundheit achten sonst kommst du nicht weit. Warum machst du das Studium? Was willst du erreichen?“ fragt er interessiert. „Was ich erreichen will? Ich möchte meinen Traum erfüllen. Musik verbindet Menschen und es war schon immer so, dass wenn man glücklich ist die Musik hört, aber wenn man traurig ist versteht man den Text. Musiker untereinander sind etwas ganz Einzigartiges. Ich war nie jemand, der viel Gutes erlebt hatte. Kenne Gefühle wie Liebe oder Geborgenheit nicht. Aber egal wie schwer es ist, wenn man sich die Mühe gibt kann man alles erreichen. Ich möchte Menschen mit meinen Liedern Mut machen. Ihnen zeigen, dass man, egal wo man steht und anfängt, sein Ziel erreichen kann. Ich möchte nicht, dass sie sich genauso so schlecht fühlen wie ich. Als ich jünger war, habe ich viele Fehler gemacht. Fehler, die ich selbst bereue und an die ich immer wieder erinnert werde“, sage ich leise und bedrückt. Ganz genau erinnere ich mich an jede Situation, welche mir eine neue Narbe brachte. „Du hast dir die Narben also selbst zugefügt“, bemerkt Herr Ito mehr für sich. Stimmt, er hatte sie gesehen, jedoch hatte ich da nicht darauf reagiert. „Weißt du was, wir finden eine Lösung. So kannst du nicht weiter machen, denn sonst gehst du daran kaputt. Sorgen wir dafür, dass dein Traum in Erfüllung geht“, sagt er und streicht mir plötzlich durchs Haar. Wann er bitte zu mir gekommen ist, weiß ich schon mal nicht. „Warum?“, frage ich flüsternd. „Das wirst du noch früh genug erfahren. Ruh dich aus und Montag arbeiten wir an eurem Projekt. Ich werde mir mal ein paar Gedanken machen, damit du nicht mehr in so einer schwierigen Situation steckst“, sagt er aufmunternd und lächelt leicht. Ich verstehe diesen Mann nicht. Was leitet ihn nur dazu? Warum will er mir helfen? Was aber viel wichtiger ist, warum freue ich mich darüber?
Nach dem Gespräch ist Herr Ito gegangen. Ich selbst habe mich auf mein Bett gesetzt und den Fernseher angeschaltet. Wirklich kann ich mich aber nicht auf den Film konzentrieren. Meine Gedanken drehen sich immer noch um eine Frage. Egal von welcher Perspektive ich es auch betrachte es macht keinen Sinn. Warum will er mir helfen? Ist er so ein verantwortungsvoller und liebevoller Lehrer? Kann er es nicht sehen, wenn ein Schüler sich kaputt macht? Gibt es solche Menschen überhaupt? Meine Gedanken drehen sich so sehr im Kreis, dass ich irgendwann vor lauter Gedanken müde werde und einschlafe.
Als ich aufwache, dämmert es draußen bereits. Das heißt, ich habe den halben Tag verschlafen. Ich strecke mich ausgiebig und begebe mich als Erstes ins Bad. Dort mache ich mich etwas frisch und verlasse anschließend mein Apartment. Am Abend hat man den Vorteil, dass nicht so viele Leute unterwegs sind. Die Ruhe und die frische Luft sorgen bei mir immer für neue Ideen. Ich gehe in den Park ganz in der Nähe der Uni und setze mich auf eine Bank um die Stille zu genießen. Meine eigenen Worte kommen mir wieder in den Kopf. Den Menschen Mut machen und ihnen Kraft geben auch, wenn alle sagen es geht nicht. Da ich kein Zettel und Stift habe muss mein Handy herhalten. Ich schreibe mir einige Ideen auf. Einzelne Wörter, zusammenhängende Wortgruppen oder auch zwei, drei Sätze. Es ist ein einfaches Brainstorming. Nachdem ich einige Seiten voll habe mit verschiedenen Wörtern suche ich mir einige raus, bringe sie in eine Reihenfolge und bilde Verse daraus. Wie oft wird einem gesagt, dass sein Traum albern ist. Man es nicht schaffen kann. Was macht die Menschheit denn? Sie Arbeiten um viel Geld zu haben, machen sich kaputt und am Ende versuchen sie von dem Geld ihre Gesundheit zurückzubekommen. Sie vergessen zu Leben. Man hat immerhin nur dieses eine Leben und das muss man nutzen.
Meine Gedanken sind so viel. So viel schreibe ich mir auf, dass ich nicht merke, wie spät es eigentlich ist. Erst als mein Handy ausgeht, bemerke ich, dass es bereits stockduster ist. Ich stecke es ein und mache mich auf den Weg nach Hause. So viel auf einmal ist mir schon lange nicht mehr eingefallen. Vor allem nicht nach einem Gespräch. Wenn ich mir die Ideen so ansehe, werden daraus bestimmt noch zwei bis drei weitere Lieder. Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Ich weiß, dass ich es schaffen kann. Irgendwann wird es soweit sein. Ich muss nur hart genug dafür arbeiten.
Zu Hause angekommen schaue ich erstmal auf die Uhr. Wir haben es kurz vor um eins. Als Erstes stecke ich mein Handy ans Ladekabel und schalte es wieder ein. Ich mache mir was zu Essen und setze mich vor den Fernseher. Da ich den halben Tag geschlafen habe, bin ich auch noch nicht müde. Trotzdem mache ich mich nach dem Essen Bett-fertig. Ein paar Stunden möchte ich gern noch schlafen. Es muss nicht lang sein. Mir reicht auch eine Stunde. Ich schalte durch die Sender, um irgendetwas Interessantes zu finden. Um diese Zeit allerdings nicht gerade leicht. Irgendwann gebe ich es auf und lasse einfach irgendetwas laufen. Ob ich es annehmen kann, wenn er Ito wirklich eine Lösung gefunden hat? Ich habe Hilfe doch meistens abgelehnt. Kann ich seine Hand ergreifen, wenn er sie mir reicht? Kann er mir aus dieser Einsamkeit helfen? Wieder kommen neue Fragen in mir auf. So viele Fragen und dieses ganze Chaos erschöpfen einen. Ich schließe meine Augen und versuche zu schlafen.
Mein Wecker reist mich aus meinem Schlaf und ich stehe auf. Diesmal sogar recht erholt und nicht so müde wie sonst. Schnell mache ich mich im Bad zurecht und esse eine Kleinigkeit. Da ich noch Zeit habe räume ich die wenigen Dinge, welche herum liegen, auf und lüfte gleich durch. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich immer noch Zeit habe. Da ich aber nicht länger hier drin bleiben will, schnappe ich mir meine Tasche und gehe schon mal Richtung Uni.
„Guten Morgen Kyo. Wie geht es dir?“ ertönt eine mir zu bekannte Stimme. „Gut und das ging es auch vorher“, sage ich nur. Irgendwie kann ich es ja doch nicht. Meine Schwäche preisgeben. „Ja ist klar. Du bist ein Idiot. Weißt du was wir uns für Sorgen gemacht haben?“, fragt Emilio. „Müsst ihr nicht. Das habe ich schon oft genug gesagt. Ich schaffe das“, sage ich nur ruhig. Der Rothaarige seufzt nur. „Dank dir haben wir aber das Rätsel gelöst“, sagt er begeistert. Ich gebe nur ein ‚Mh‘ von mir. „Wie bist du darauf gekommen?“, fragt mich mein Freund. „Naja anfänglich war ich mir nicht ganz sicher, aber er fragte ja welche Instrumente wir spielen. Wie nicht anders zu erwarten haben wir alle nur Instrumente genannt allerdings ist unsere Stimme ja auch irgendwie ein Instrument. Normal werden alle Instrumente mit den Händen oder dem Mund gespielt, aber wenn jemand Singt nicht. Dieses Instrument kann man nicht sehen und nicht anfassen aber, wenn jemand singt, kann man es immer hören.“ erkläre ich ihm. In der Zeit sind wir auch im Klassenzimmer angekommen. „Darauf bin ich auch gekommen, ich wollte euch nur die Chance geben es selbst heraus zu finden.“ meint Sakura arrogant wie immer. „Ja klar und ich bin die Kaiserin von China!“ kontert Miri. Ich mag sie. Sie hat immer einen passenden Spruch auf Lager. Nicht jeder ist so schlagfertig wie sie. Zwar muss sie manchmal aufpassen und hat deswegen auch schon das ein oder andere Mal Ärger bekommen, aber sie lässt sich nicht entmutigen. „Schön, dass du es auch mal wieder hierher geschafft hast. Dann können wir wenigstens endlich mal anfangen. Die anderen Gruppen sind uns zwei Tage voraus.“ zickt sie weiter jedoch wende ich mich einfach ab. Soll sie doch über mich meckern. Ich setze mich auf meinen Platz und lege mein Handy mit den Notizen auf den Tisch. Wollen wir versuchen hieraus weitere Lieder zu bekommen. „Wie viele Songs hast du jetzt schon selbst geschrieben?“, fragt mich Emilio. Auch Miriam mustert mich erwartungsvoll. „Ich weiß nicht genau. Zähle nicht mit. Der Ordner hat sich allerdings gut gefüllt“, antworte ich. „Was machst du mit den ganzen Liedern?“, fragt Miri neugierig. „Vielleicht irgendwann aufnehmen. Ich bin mir noch unsicher“, sage ich als Antwort.
Als unser Lehrer endlich den Raum betritt, komme ich nur schwer von dem Text weg. „Herr Kobayashi könnten sie sich dann bitte auch konzentrieren?“, fragt er ruhig. „Entschuldigung“, murmle ich nur und lege den Block beiseite. Ich konzentriere mich auf seine Worte auch, wenn es mir unglaublich schwerfällt. „Also mein Rätsel habt ihr ja gelöst. Auch, wenn es nur eine Person war. Ihr habt mir vielleicht nicht richtig zugehört, aber wir sollen sowohl eine Choreografie wie auch ein Lied auf die Beine stellen. Da gehört Gesang auch dazu. Zuerst sollten wir erstmal überlegen, in welche Richtung das ganze gehen sollte. Was wollt ihr ausdrücken? Für was macht ihr das hier? Ich möchte von euch allen einen Grund haben.“ erklärt er. „Na ist doch leicht. Für eine gute Note.“ antwortet Sakura. Ein Seufzen entweicht mir. Warum ausgerechnet die Frage nach dem Warum und wofür? „Bist du eigentlich noch bei Verstand? Es geht darum, warum du Musik machst. Was ist dein Traum und was willst du erreichen damit?“, sagt Emilio gereizt. „Danke. Jeder von euch schreibt das auf. Aus den vier verschiedenen Themen, denn jeder von euch wird ein anderes Ziel haben, suchen wir uns dann gemeinsam eins raus“, nennt er unsere Aufgabe. Er kennt doch mein Traum. Warum müssen es die anderen erfahren? Das ist nicht fair. Ich schnappe mir wieder Stift und Block und fange an meine Aufgabe zu erfüllen. Allerdings fällt es mir diesmal bei weitem nicht so leicht wie gestern. Alles in mir sträubt sich den anderen mein Wunsch zu verraten. Es ist immerhin nur ein bedeutungsloser Wunsch. Eine hirnrissige Idee.
Zum dritten Mal zerknülle ich das Blatt und werfe es von meinem Platz aus in den Müll. „Dir scheint es heut ziemlich schwer zu fallen.“ ertönt plötzlich die Stimme unseres Lehrers flüsternd neben mir. „Mh ich will nicht, dass sie es erfahren. Es ist dumm und kindisch.“ flüstere ich kaum hörbar. „Musik verbindet Menschen. Keine Idee ist dumm oder kindisch. Vor allem deine nicht. Sieh nicht so auf dich herab. Denk einfach, du schreibst es mir“, antwortet er genauso leise. Seine Worte geben mir irgendwie Mut und die Idee zu denken, dass ich es ihm schreibe, hilft mir sehr. Warum nur? Warum kann ich ihm etwas erzählen was sonst niemand weiß? Was mir eigentlich extrem wichtig ist? Ich schüttle leicht meinen Kopf, um die Gedanken zu verdrängen und schreibe weiter.
Nachdem alle fertig sind, sammelt Herr Ito alle Blätter ein. Anfänglich habe ich mich noch gewundert, warum wir keinen Namen auf das Blatt schreiben sollten, aber jetzt verstehe ich es. Er vertauscht die Zettel ein paar Mal und verteilt sie. „So jeder wird jetzt vorlesen, was auf dem Zettel vor ihm steht.“, sagt er. Hat er Rücksicht auf mich genommen? Weil ich nicht wollte, dass die anderen erfahren was mein Traum ist? Ich bin einfach nur noch verwirrt. Dennoch lese ich meinen Zettel vor. Viel steht da nicht drauf und irgendwie kann ich mir denken zu wem er gehört. „Ich mache Musik, weil ich damit berühmt werden will. Außerdem will ich viel Geld verdienen. Die Leute sollen zu mir Aufsehen und mich lieben.“ lese ich laut vor. Emilio und Miri entweicht ein Lachen und Herr Ito seufzt nur. So einen ähnlichen Traum haben wir noch einmal, nur dass dort auch dabei steht, dass die Person Musik macht, weil sie es liebt. Dann haben wir noch die Situation Musik zu machen, um Menschen glücklich zu machen und sie zum Lachen zu bringen und Menschen eine Freude zu bereiten und sie zusammen zu führen. „So ich muss jetzt leider zwei raus nehmen. Denn Musik zu machen, um berühmt zu werden ist nicht gerade das beste Thema. Von den anderen drein, welches findet ihr am besten?“, fragt der Ältere. Sofort beginnen die andern mit Überlegen und Argumentieren. Zum Glück muss ich meine Meinung erst am Ende sagen. „Gar keins“, sage ich knapp. „Sag mal spinnst du? Kannst du mal ordentlich mit machen? Deinetwegen hängen wir hinterher“, meckert Sakura mich an. „Ich wähle absichtlich keins, weil ich mich da nicht entscheiden kann! Hast du überhaupt eine Ahnung von Musik? Musik verbindet Menschen. Je nachdem wie man sich fühlt, kann man sie anders verstehen. Wenn man schlau ist, würde man alle drei Themen in einen Song packen. Denn, Menschen mit Musik glücklich machen ist leicht, allein wenn man das Lieblings Gerne einer Person hat, ist sie glücklich. Ein Song führt zusammen, denn man ist nie allein. Es gibt immer mehrere, die ein Gerne gern mögen oder eben dieses Lied mögen. Den Menschen Mut zu machen und zu zeigen, dass man alles erreichen kann, kann man in den Text packen. Durch den Mut machen, macht man Menschen auch glücklich. Ist man allerdings traurig, würde man auch den Hintergrund des Textes verstehen. Alle Themen sind gut und genau deswegen entscheide ich mich nicht“, sage ich leicht aufgebracht. Warum werde ich eigentlich immer angemeckert? Ist meine Ansicht so falsch? „Darauf bin ich gar nicht gekommen. Du hast aber vollkommen Recht Kyo. Herr Ito, können wir vielleicht alle Themen in einem Song verarbeiten?“, fragt Emilio. „Natürlich. Das ist eine sehr schöne Idee. Außerdem ist es euer Lied, also habt ihr die Entscheidung“, stimmt dieser zu.
Da wir jetzt ein Thema haben heißt es, als Nächstes einen Song zu erarbeiten. Anscheinend bin ich aber nicht der Einzige, der mit Brainstorming arbeitet. Unser lieber Lehrer breitet nämlich ein großes Blatt auf einem Tisch aus und schreibt unser Thema in die Mitte. „So alles was euch einfällt, schreibt ihr auf das Blatt. Egal ob einzelne Wörter, Wortgruppen oder Sätze.“ meint er. Mit anderen zusammen habe ich das noch nie probiert. Das wird jetzt interessant. Ich lese mir noch einmal die Wörter, beziehungsweise unser Thema, durch und beginne einzelne Worte aufzuschreiben. Umso mehr ich schreibe, umso mehr Gedanken und Ideen bekomme ich.
Am Ende ist das ganze Blatt völlig befüllt. „Das sind viele Ideen. Daraus kann man doch drei Songs schreiben“, sagt Jonas. „Stimmt, ihr habt viel aufgeschrieben, aber einige Gedanken kommen doppelt vor oder sind sehr ähnlich”, meint unser Lehrer nur. „Sagen sie jetzt nicht wir müssen das jetzt auch noch aussortieren!“ zickt Sakura. Tja für einen guten Song muss man arbeiten. „Dafür wird die Zeit nicht mehr reichen. Wir machen morgen weiter.“ mit diesen Worten beendet er den Unterricht.
Im Gegensatz zu den anderen verlasse ich das Zimmer nur kurz, um die Toiletten aufzusuchen. Als ich wieder in den Raum komme, ist dieser völlig leer. Gut so. Da habe ich meine Ruhe. Ich setze mich ans Fenster und arbeite an meinen Liedern weiter.
Wirklich konzentrieren kann ich mich aber nicht. Immer wieder wandert mein Blick zu den Ideen der Gruppe. Warum eigentlich nicht? Da muss ich morgen nicht so viel machen. Ich beginne also die Ideen aufzuschreiben und sobald die gleiche oder eine ähnliche Idee ist, kommt ein Strich dahinter. Ich bin so vertieft darin, dass ich nicht bemerke, wie jemand den Raum betritt. „Du nimmst den Anderen ihre Arbeit ab.“ reist mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Erschrocken blicke ich auf und in dunkle Augen. „Mh ist doch egal. Sakura und Jonas werden froh sein“, antworte ich nur. „Du wirst ihnen nicht sagen, dass du das schon gemacht hast. Die können ruhig was machen. Nutze die Zeit morgen anders“, sagt er nur. Ich nicke leicht, während ich das letzte Wort schreibe. „Wie kommt es eigentlich, dass du noch hier bist?“, fragt der Ältere. „Ich habe heute Spätdienst. Deswegen konnte ich noch in der Uni bleiben. Normal beginnt mein Dienst gleich nach der Schule, aber am Montag hat das Café länger offen. Außerdem wird es jetzt wieder wärmer. Viele Kunden kommen abends nach der Arbeit“, antworte ich, während ich meine Sachen zusammen packe. Mein Blick huscht zu der Uhr. „Ich muss jetzt auch langsam los sonst komme ich zu spät“, sage ich noch und mache mich auf den Weg nach draußen. „Übernimm dich nicht.“ höre ich noch Herrn Itos Worte. Warum ist er nur so besorgt?
Die Arbeit im Café ist wie immer recht anstrengend. Am Abend kommen sehr viele genauso wie zu der Mittagszeit. Umso erleichterter bin ich, als ich endlich zu Hause bin. Den Abend lasse ich ruhig ausklingen. Es ist selten mal einen so angenehmen Tag zu haben.
Während die anderen dabei sind, die Ideen zu sortieren, nutze ich die Zeit und arbeite an meinen Liedern. Dabei kommt mir Emilios Frage in den Sinn. Was mache ich mal mit den ganzen Liedern? Ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht. Musik ist einfach mein Leben, ohne kann ich nicht. Ich schreibe gern Lieder, spiele auf der Gitarre und singe. Genau deswegen habe ich mich für das Studium entschieden. Dies ist mein letztes Jahr hier. Vielleicht finde ich einen Musikproduzenten, der mich unter Vertrag nimmt. Dies glaube ich zwar weniger, aber es wäre auch ein Weg. Ansonsten versuche ich mich selbst durchzukämpfen. Das habe ich bis jetzt ja auch getan. So völlig in meinen Gedanken merke ich nicht, dass ich gar nicht mehr schreibe. Dies bemerkt Sakura und blafft mich natürlich sofort an: „Könntest du mal aufhören zu Träumen und deine Aufgabe machen? Denkst du wir machen die Arbeit ganz allein und für dich mit?“ Ich sehe sie an und möchte etwas erwidern, aber mir fällt nichts Passendes ein. „Das ist aber sehr unfreundlich. Im Gegensatz zu euch ist Herr Kobayashi bereits fertig mit dieser Aufgabe.“ mischt sich unser Lehrer ein. Sakura schaut ihn nur verwirrt an. „Tja nicht jeder geht nach dem Unterricht sofort nach Hause. Einige machen länger und erfüllen eine Aufgabe ohne, dass man es sagen muss. Das nennt man übrigens Fleiß.“ meint Herr Ito gelassen. Sakura ist so überhaupt nicht begeistert von seiner Aussage und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Blatt. „Wir werden jetzt auch weiter machen.“ beginnt er als Emilio und Miri sich melden. Mit einem Kopfnicken zeigt er, dass sie sprechen dürfen. „Ich bin noch nicht ganz fertig mit den Ideen. Das sind ziemlich viele”, sagt mein bester Freund und Miri stimmt ihm zu. „Keine Sorge. Wir haben einen fertigen Zettel. Der reicht“, antwortet der Dunkelhaarige ruhig. „Warum mussten wir das dann machen?“, fragt Jonas. Dies würde mich auch wahnsinnig gern interessieren. Ich habe meistens den anderen die Arbeit abgenommen, die sie nicht machen wollten. Das stört mich nicht. Hauptsache man kommt voran. „Seht es als Lektion, dass man nicht alles für selbstverständlich nimmt. Auch, wenn ich neu bin, habe ich doch einige Informationen. So, wir müssen aus den Ideen einen Text und eine Melodie machen. Ich lasse euch dort freie Entscheidung und werde mich nicht einmischen. Arbeitet als Team zusammen. Nutzt eure Stärken und Schwächen. Wenn ihr der Meinung seid, ihr habt ein ordentliches Lied, werde ich darüber schauen und meine Meinung sagen“, sagt er. Als Team arbeiten? Mit Emilio und Miri ist das nicht schwer aber ob Sakura und Jonas da auch mit machen bezweifle ich irgendwie. Das könnte schwierig werden. „Ein Tipp nutzt auch freie Zeit, die ihr habt.“ fügt er noch hinzu und wendet seine Aufmerksamkeit auf einige Papiere, die auf dem Tisch liegen. Na dann heißt es zusammensetzen und besprechen. Es ist eigentlich nicht so schwer einen sinnvollen Text daraus zu machen.
Ein Seufzen entweicht mir und mein Blick gleitet zur Uhr. Wir haben nicht mehr lang. Nur noch 5 Minuten dann ist Schluss. Ich habe bestimmt tausend Ideen genannt doch Jonas und Sakura waren nie einverstanden. Irgendwie wurde der Sinn des Liedes nicht verstanden. Mein Blick gleitet auf das Blatt. Wir haben nicht mal ein Viertel und da passen die Strophen einfach nicht zusammen. Das ist ein riesiges Chaos. Wenn das weiter so geht, werden wir nie fertig. Herr Ito hat sich bei den ganzen Diskussionen nicht eingemischt. Er hält sich raus, wie er es gesagt hat.
Das Klingeln der Schulglocke beendet den Unterricht. Da ich jetzt gleich arbeiten muss, packe ich meine Sachen zusammen und stehe auf. „Wir sollten länger machen. Wirklich weit sind wir nicht gekommen. Vielleicht hilft uns auch eine andere Umgebung. Ich bin draußen kreativer. Was denkt ihr?“, fragt Jonas ernst. Dass ausgerechnet er auf so einen Vorschlag kommt, hätte ich nicht gedacht. „Tut mir leid, aber ich kann nicht“, antworte ich ruhig. „Ist das dein Ernst?“, fragt Sakura genervt. „Ist doch nicht schlimm. Wir haben doch noch Zeit.“ meint Emilio. Ich bin ihm dafür so dankbar. Schnell mache ich mich auf den Weg, um noch rechtzeitig auf Arbeit zu kommen.
So geht es auch die nächsten Tage. Irgendwie passen die Wörter nicht zusammen und, wenn man etwas sagt, ist jemand eingeschnappt oder meckert. Mir vergeht immer mehr die Lust darauf noch weiter an dem Lied zu arbeiten. Seit kurzem sucht Sakura auch immer den Fehler an mir. Ich weiß langsam nicht mehr weiter. Da ich nach der Schule nicht kann, hat sie mich gerade deswegen auf dem Kicker. So ist es auch dieses Mal wieder. „Du willst uns doch verarschen! Die letzten drei Tage kamst du schon damit, dass du nicht kannst. Momentan ist das Lied ja wohl am wichtigsten! Was bildest du dir eigentlich ein? Wir rackern uns hier ab und du machst ein scheiß!“ meckert sie mich an. „Es gibt Leute, die haben nach der Uni nicht sofort frei. Ich muss arbeiten und das ist wichtig“, sage ich. Eigentlich weiß bis auf Emilio niemand, dass ich arbeite. Na gut und unser Lehrer. „Was sind deine Eltern zu faul um selbst arbeiten zu gehen?“ blafft sie mich weiter an. Das hat gesessen. „Jetzt wissen wir unter welchen Umständen er lebt. Ist ja traurig. Da muss das Kind für die Eltern arbeiten.“ mischt sich Jonas ein. Das ist doch jetzt ein Witz. Was erlauben die sich? „Ich …“ beginne ich, werde aber von den Beiden wieder unterbrochen. „Dann lebt er bestimmt in so einem dreckigen Keller. Dass die sich Kleidung leisten können, ist schon ein Wunder.“ spottet Sakura. Langsam aber sicher reist mein Geduldsfaden. Sie reden immer schlechter über mich und das schlimme, es ist kein Lehrer da. Herr Ito ist nämlich eben etwas erledigen. Man kann ja auch eigentlich erwarten, das erwachsene Menschen miteinander umgehen können. Anderseits ist es vielleicht sogar ein Vorteil, dass er nicht da ist. Ohne groß nachzudenken, packe ich Jonas am Kragen und drücke ihn gegen die nächste Wand. „Halt deine Fresse du hast keinerlei Ahnung!“, schreie ich ihn an und verpasse ihm eine. Natürlich lässt er sich das nicht gefallen und schlägt zurück, was mich jedoch wenig interessiert. Immer wieder hole ich aus und verpasse ihm eine. Ich kann es nicht mehr kontrollieren. Es ist, als würde ich nicht mehr in meinem Körper sein, sondern das alles beobachten. Angestaute Wut, welche ich nicht bemerkt habe, lasse ich einfach raus. Zwar bemerke ich, dass Emilio versucht mich aufzuhalten, doch ich schubse ihn einfach weg. Erst Herr Ito bekommt uns auseinander und in dem Moment komme ich auch wieder zur Besinnung. Was war eben los mit mir? Ich schnappe mir meine Sachen und verlasse fluchtartig den Raum. Die Rufe unseres Lehrers beachte ich nicht. Es wird ärger geben, das weiß ich.
Zu Hause angekommen schmeiße ich meine Tasche in die nächstbeste Ecke. Ich bin verzweifelt und wütend zugleich. Die Worte taten weh, aber am schlimmsten ist es für mich, dass ich das getan habe. In meiner Wut schmeiße ich jegliche Sachen durch meine Wohnung. Was habe ich mir eigentlich gedacht? Warum habe ich das getan? Ich dachte, ich hätte das endlich unter Kontrolle. So wollte ich nicht mehr sein. Ich weiß, dass ich impulsiv sein kann und handeln kann, ohne zu denken. Hatte ich mich nicht geändert? Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen nicht mehr so zu sein wie früher. Ich wollte das hinter mir lassen. Morgen werde ich zum Direktor gehen müssen. Dort werde ich Ärger bekommen. Ich habe meine Arbeit ignoriert. Mein Chef ist großherzig, aber auch dafür werde ich ärger bekommen. Er verlässt sich immerhin auf mich. Während ich meine Wohnung umgestalte, klingelt und klopft es mehrfach, doch ich ignoriere es. Auch dafür werde ich Ärger bekommen. Ich störe die Nachbarn. Wieder einmal störe ich alle nur und bin eine Last. Ich verfalle immer mehr in mein altes Muster. Ein Muster, welches ich vergessen wollte. Ohne, dass ich es bemerkt habe stehe ich mittlerweile im Bad. Automatisch greife ich nach dem Schrank und öffne diesen. Greife gezielt nach etwas, was ich hätte längst wegwerfen sollen. Die Klinge blitzt im Licht auf. Wann habe ich es zum letzten Mal gemacht? Eigentlich bin ich seit über zwei Jahren clean. Es ist wie vorhin im Klassenzimmer. Ich habe keine Kontrolle mehr über mich. Mein Körper handelt automatisch, obwohl mein Kopf schreit, dass ich aufhören soll. Dies tue ich, aber erst als warmes Blut über meinen Arm läuft und zu Boden tropft. Genau in dem Moment komme ich wieder zu mir, bekomme die Kontrolle wieder. „Scheiße!“, flüstere ich nur. Der Schnitt ist tief und immer mehr Blut quillt aus der Wunde. Schnell schnappe ich mir ein Handtuch und drücke es auf die Wunde. Im selben Moment klingelt es. Verdammt! Die Nachbarn haben vorhin schon geklingelt. Ich begebe mich zu Tür und öffne sie leicht. Allerdings bleibe ich so stehen, dass man den Arm nicht sieht. Innerlich bereite ich mich bereits auf das Schlimmste vor. Zu meiner Überraschung steht aber keiner meiner Nachbarn vor der Tür, sondern Herr Ito. „Darf ich rein?“, fragt er ruhig. Was mach ich jetzt? Mein Arm. Am liebsten würde ich einfach die Tür zu machen aber irgendetwas in mir hält mich davon ab. Zögerlich trete ich von der Tür weg und lasse ihn rein. Wie nicht anders zu erwarten wandert sein Blick sofort auf meinen Arm. „Was ist passiert?“, fragt er und ich würde meinen, dass Besorgnis in seiner Stimme mitklingt. Ich jedoch bleibe stumm. Was soll ich auch sagen? Ja ich habe mir eben vor Verzweiflung den Arm aufgeschnitten. Mein Blick wandert auf meine Hand, welche fest das Tuch auf den Schnitt presst. „Setz dich. Hast du Verbandszeug?“ fragt der Ältere. „Bad“, murmle ich nur. Er geht in mein Badezimmer und ich höre, wie einige Fächer meines Schrankes geöffnet werden bevor er wiederkommt. Anders als aufgefordert stehe ich immer noch in der Nähe der Tür. Herr Ito zieht mich einfach mit, darauf bedacht auf nichts zu treten, und drängt mich auf einen Stuhl. Schnell hat er alles auf den Tisch gelegt und noch eine Schüssel mit Wasser geholt. Vorsichtig reinigt er die Stelle und desinfiziert sie, wobei ich leicht zucken muss. Anschließend verbindet er den Arm. „Danke“, murmle ich kaum hörbar. „Das heute in der Uni.“ beginnt der Dunkelhaarige. Stimmt, da war ja was. Das habe ich schon wieder ganz vergessen. „Es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht. Die Konsequenzen werde ich für mein Verhalten natürlich tragen“, sage ich monoton. „Nein das meine ich nicht. Ja es wird Ärger geben, aber für euch beiden. Mir geht es um etwas anderes. Im Gegensatz zu den anderen Tagen hast du dich heut kaum eingebracht.“ meint er nur. „Mh ich hatte keine Lust mehr. Sie hören ja doch nicht zu. Ich habe oft versucht es ihnen klar zu machen, aber sie sind stur. Emilio und Miri verstehen es noch am ehesten. Sakura und Jonas nicht. Für die beiden bin ich ein Dorn im Auge“, antworte ich ihm und stehe auf. Meine Wohnung kann ja nicht so bleiben. „Sie provozieren dich absichtlich?“, fragt er überrascht. „Denk sie haben ihre Informationen. Ja sie provozieren absichtlich. Ich habe bis heute aber nie darauf reagiert. Sakura und ich waren mal Freunde gewesen. Wir waren damals im selben Heim. Nur im Gegensatz zu mir hat sie eine Familie gefunden. Eine sehr reiche sogar. Seit wir uns wiedergesehen haben war sie so zu mir. Egoistisch und hochnäsig. Das heute war pure Absicht, denn sie weiß, dass ich keine Eltern habe. Ich bin einfach ein leichtes Opfer. Zu gutmütig und hilfsbereit. Mich kaputt zu machen ist leicht. Ich habe mal gehört, dass wenn man jemandem vertraut der Person ein Messer in die Hand legt. Menschen, die es ehrlich mit dir meinen werden dich damit beschützen. Die anderen werden es dir hinterhältig in den Rücken rammen. Selbst in dieser Situation überlege ich noch, warum man das getan hat. Versuche den Grund zu verstehen und mich zu ändern. Man kann mich verletzten und ich werde trotzdem noch nett zu der Person sein. Gefundenes Fressen für alle. Gerade da ich eh schon einen Knacks habe“, erzähle ich, während ich meine Dinge wieder aufräume. Eigentlich wollte ich das gar nicht sagen. Es kam mir einfach über die Lippen und es tat gut. „Hast du deswegen die Narben?“, fragt er und deutet auf den Verband. Kurz bin ich verwirrt, bis es mir klar wird. Er war schließlich im Badezimmer. Da lag die Klinge. Ein leichtes Nicken ist meine Antwort. Anschließend räume ich stumm weiter auf, bis es plötzlich klingelt. Wer ist das?
Ich gehe zu Tür und öffne sie. „Kyo wir müssen reden“, sagt meine Vermieterin, die vor meiner Tür steht. „Ähm das ist eben ungünstig, ich hab Besuch“, antworte ich leise. „Bitte es ist wichtig“, sagt sie nur. Ein Seufzen entweicht mir und ich lasse sie rein. „Hallo“, begrüßt sie meinen Lehrer. Dieser erwidert freundlich und steht auf. „Ich muss noch was erledigen und komme später nochmal vorbei“, meint er nur und verlässt die Wohnung. „Möchten sie etwas trinken?“, frage ich höflich. „Nein alles in Ordnung“, meint sie nur und setzt sich. Meine Vermieterin ist eine sehr nette Frau. Sie ist ungefähr Mitte dreißig, hat blonde Haare und blaue Augen. Ich war ihr damals sehr dankbar, dass ich diese Wohnung bekommen habe. Vorher haben viele abgelehnt, weil ich ja E-Gitarre spiele. Sie hatte aber nichts dagegen, solange ich mich an die Ruhezeiten halte. „Kyo die Nachbarn haben sich jetzt schon mehrfach beschwert“, sagt sie ernst. Überrascht sehe ich sie an. „Es tut mir leid, aber ich muss eine Lösung finden. Hier wohnen mittlerweile nur noch ältere Menschen. Diese wollen ihre Ruhe haben. Du bist ein sehr guter Mieter, aber es geht nicht mehr. Die Beschwerden werden zu viel“, erklärt sie ruhig. Mein Kopf kommt gar nicht so schnell mit, um die Informationen zu verarbeiten. Warum so viele Beschwerden? „Entschuldigung. Ich weiß, ich habe 4 Mal nicht auf die Ruhezeit geachtet. Das wird nicht mehr vorkommen“, sage ich aufrichtig. „Es geht nicht nur um die 4 Mal, wo du in der Ruhezeit Gitarre gespielt hast. Es wurde sich jetzt schon mehrfach darüber beschwert, dass mitten in der Nacht Schreie aus deiner Wohnung dringen. Ich will nicht wissen, was du machst und es geht mich auch nichts an, aber so geht das nicht weiter. Die Leute wollen nachts schlafen. Einer ist bereits vor Schreck aus dem Bett gefallen und hat sich sein Handgelenk verstaucht. Heute kam die Meldung, dass du in deiner Wohnung randalierst. Es geht so nicht weiter. Tut mir leid Kyo aber ich muss dir die Wohnung kündigen“, erzählt sie. In meinem Kopf rattert es, um das gehörte zu verarbeiten. Sie kündigt mir die Wohnung? Aber … Dann habe ich nichts mehr. Dann sitze ich auf der Straße. Ich habe Monate gebraucht um eine Wohnung zu finden. „Aber … das können sie doch nicht machen. Ich kann doch nichts dafür.“ versuche ich sie umzustimmen. „Kyo ich hatte dich gern als Mieter, aber ich muss auch an die anderen denken. Viele haben schon damit gedroht auszuziehen, wenn ich nichts unternehme. Du solltest dich vielleicht mal an einen Arzt wenden“, sagt sie nur und steht auf. „Du wirst in den kommenden Tagen die schriftliche Kündigung bekommen.“ mit diesen Worten verlässt sie meine Wohnung. Nein! Was soll ich denn jetzt machen? Ich wurde gekündigt. Mir wurde meine Wohnung genommen. Kann es eigentlich noch schlechter werden? Wo soll ich hin? Ich hatte damals doch schon alle Wohnungsanbieter durch. Ich muss immerhin in der Nähe der Uni und meiner Arbeit bleiben. Wenn ich weiter wegziehe, dann würden Fahrtkosten hinzukommen und das kann ich mich nicht leisten. Stumm laufen mir einige Tränen über die Wange. Ich kann nicht mehr. Die ganze Zeit habe ich versucht dem Druck stand zu halten. Langsam merke ich, wie ich darunter begraben werde. Als würde ich keine Luft mehr bekommen. Ich habe nie aufgegeben, habe mir nie anmerken lassen wie es mir geht und war immer stark. Aber was heißt stark sein überhaupt? Niemals aufzugeben oder es zu schaffen, dass niemand merkt, wie kaputt man eigentlich ist? Ich möchte einen Ausweg. Jetzt und sofort alles vergessen. Müde stehe ich auf und schleppe mich zu meinem Bett, auf welches ich mich fallen lasse. Ich will heut einfach nichts mehr machen, nichts mehr hören, nichts mehr sehen. Gar nichts mehr. Die Welt soll stehen bleiben.
Ich weiß nicht wie lange ich schon auf dem Bett liege, als es klingelt. Schwerfällig erhebe ich mich und gehe die Tür öffnen. Ich bin müde, aber konnte nicht einschlafen. Vor der Tür steht Herr Ito. Stimmt, er meinte, er komme später noch einmal. „Ich habe etwas fürs Abendessen mitgebracht“, sagt er als ich ihn rein lasse. Abendessen? Wie spät haben wir es denn? Mein Blick wandert zu Uhr, welche um 7 zeigt. „Das hätten sie nicht. Danke trotzdem“, murmle ich nur. „Was ist los?“, fragt mich der Ältere plötzlich. „Nichts“, antworte ich nur. „Du bist blass und das ziemlich. Liegt das an der Frau? Was wollte sie?“, fragt er. Erst jetzt fällt mir auf, wie neugierig er doch ist. Bis jetzt hat er immer versucht mich auszufragen. „Sie sind für einen Lehrer aber ziemlich neugierig“, sage ich nur als Antwort. Vielleicht lässt er es damit ab jetzt. „Das bin ich nur, wenn mich jemand interessiert“, antwortet er gelassen. Überrascht bleibe ich stehen und sehe ihn an. „Keine Sorge nicht so wie du denkst. Ich finde dich als Mensch und Musiker interessant“, sagt er ruhig. Die Worte versetzen mir zwar einen Stich in die Brust, aber ich lasse mir nichts anmerken. Es gibt ja auch keinen Grund dafür. Ich hole Besteck und Teller und stelle diese auf den Tisch. Anschließend mache ich noch etwas zu trinken. „Und?“, fragt er, als ich mich setze. Was soll ich ihm denn sagen? Wäre es besser, wenn ich etwas erfinden würde? Allerdings hilft mir Lügen auch nicht aus der Situation. Wie soll ich das nur machen? Momentan sehe ich einfach keine Lösung. Dass ich hier raus muss, steht fest. Aber wohin? Das ist alles nicht mehr fair. Seufzend lege ich meinen Kopf in den Nacken. „Das scheint dich ziemlich mitzunehmen“, bemerkt der Dunkelhaarige. Wie Recht er damit hat. Es nimmt mich mit, und zwar sehr. „Diese Frau war meine Vermieterin. Meine Nachbarn haben sich beschwert und das zu genügen. Ich muss die Wohnung verlassen. Jetzt weiß ich aber nicht wohin. Es war nicht leicht diese Wohnung zu finden. Die Miete ist recht günstig und es ist in der Nähe der Universität sowie meiner Arbeit. Damals habe ich alle Anbieter hier in der Gegend angeschrieben. Das Problem ist, dass ich eben E-Gitarre spiele. Die kann manchmal auch lauter sein. Würde ich weiter wegziehen, dann würden Fahrtkosten hinzukommen und das kann ich mir nicht leisten.“ erkläre ich ruhig. „Nur wegen der Gitarre? Du wirst dich doch sicherlich an die Ruhezeiten halten. Oder nicht?“, fragt er. „Naja viermal habe ich nicht darauf geachtet in den 2 Jahren. Aber das ist ja nicht nur allein das Problem“, murmle ich. Stimmt, die Gitarre ist nicht das Problem. Das Problem bin ich und nichts anderes. Alles andere ist nur eine Ausrede um von mir abzulenken. Vielleicht bin ich ja doch ein Problemkind. Die Leute hatten Recht. Stumm laufen mir einige Tränen über die Wange. Als ich plötzlich eine Hand an meiner Wange bemerke, sehe ich zu meinem Lehrer. „Was ist der Grund? Was bedrückt dich so sehr?“, fragt er und seine Stimme ist dabei völlig sanft. Als würde man mit einem kleinen Kind reden, was sich verletzt hat. „Ich … Ich bin der Grund. Das war ich schon immer und werde es auch immer sein. Seit ich klein bin, habe ich Probleme mit dem Schlafen. Mich plagen Alpträume und oft schrecke ich nachts laut schreiend aus dem Schlaf. Ich habe zwar schon Medikamente dagegen bekommen aber die helfen nicht. Ich fühle mich dadurch nur schlechter“, erkläre ich mit leiser Stimme. „Du bist nicht der Grund. Der Grund liegt meistens bei den Leuten, die mit dir nicht klar kommen. Wir werden schon irgendwie eine Lösung finden. Erstmal solltest du was essen und dich ausruhen“, meint er aufmunternd. Ich nicke leicht und wende mich dem Essen zu. Warum hilft er mir so sehr? Aber vielleicht findet er wirklich eine Möglichkeit.
Nach dem Essen unterhalte ich mich noch eine Weile mit Herrn Ito. Es tut gut einfach mal mit jemandem sprechen zu können. Klar mit Emilio rede ich auch über viele Dinge, aber ihm habe ich noch nicht alles anvertraut. Umso verwirrender finde ich es, dass ich es einem Lehrer anvertrauen kann, den ich noch nicht mal lange kenne. Irgendetwas in meinem Inneren bringt mich dazu. Dazu ihm zu vertrauen und ihm immer die Wahrheit zu erzählen. Unheimlich. Dennoch sind die Gespräche sehr angenehm.
Erst in der tiefen Nacht bemerken wir, dass er hätte längst losmachen müssen. „Entschuldigung. Ich habe sie aufgehalten“, murmle ich nur. „Kein Problem. Es ist doch eh Wochenende und auf öffentliche Verkehrsmittel bin ich nicht angewiesen“, sagt er nur gelassen und zieht seine Schuhe an. „Aber sie müssen jetzt im dunklen nach Hause“, gebe ich zu bedenken. „Ein Auto hat Scheinwerfer da passiert also nichts. Machst du dir so sehr Sorgen?“, fragt er amüsiert. „Ich mache mir keine Sorgen, es ist nur-“, beginne ich, breche aber ab. Ja was eigentlich? Im Grunde genommen mache ich mir Sorgen. Man weiß ja nie was passieren könnte. „Keine Sorge. Ich komme heil zu Hause an“, sagt er nur und verlässt die Wohnung. Ich begebe mich ins Bett und überlege, was ich jetzt am besten machen sollte.
Das Wochenende verging recht schnell und so kommt es, dass wieder Montag ist. Ich bin eben auf dem Weg zur Uni, als ich nochmal an Samstag zurückdenke, denn da bin ich zu mir auf Arbeit gegangen. Ich habe mich bei meinem Chef aufrichtig entschuldigt und ihm die Situation erklärt. Da es das erste Mal war, dass ich nicht zu Arbeit erschienen bin, meinte er nur, dass ich das nächste Mal doch wenigstens Bescheid geben sollte. Das wäre besser als gar nicht zu kommen. Ich habe den Tag gleich dort geholfen und meine fehlenden Stunden ausgearbeitet. Ehrlich gesagt war ich ziemlich überrascht, dass er so gut damit umgegangen ist. Andere hätten einen gleich raus geworfen. Wieder einmal bin ich froh so einen guten Chef zu haben. Ein Seufzen entweicht mir bei dem Gedanken, was heute auf mich wartet. Nicht nur das ich zum Schulleiter muss, nein auch muss ich weiterhin an diesem, schrecklichem, Lied arbeiten. Ehrlich gesagt habe ich darauf wenig Lust aber ich muss ja.
Nachdem ich das Gebäude betreten habe mache ich mich auf dem Weg zum Büro des Leiters. Dort angekommen klopfe ich und warte auf das übliche ‚Herein‘. Nach einigen Minuten ertönt dies auch. Ich betrete den Raum und der ältere Mann blickt mich sofort an. „Herr Kobayashi. Gut, dass sie hier sind, ich wollte eh mit ihnen reden.“ sagt er. „Bevor sie etwas sagen möchte ich mich für mein Verhalten von letztem Freitag entschuldigen. Es war sehr unvernünftig von mir. Ich habe nicht nachgedacht.“ entschuldige ich mich höflich bei ihm. „Du hast wenigstens Courage und kommst selbst her. Andere machen das nicht. Jonas war daran nicht unschuldig. Er hat dich absichtlich provoziert. Kyo bis jetzt warst du immer ruhig egal was andere gemacht haben. Irgendwann reißt jedem der Geduldsfaden. Ich heiße nicht gut was du gemacht hast, aber ich kann es auch verstehen. Wir lassen es bei einer Verwarnung“, sagt der Mann. Ich nicke leicht und verlasse den Raum wieder. Das ist besser gelaufen als gedacht. Die Frage wie lang läuft es noch so gut. Ich begebe mich in unseren Unterrichtsraum, wo die anderen bereits da sind. Schnell setze ich mich und konzentriere mich auf den Zettel mit den Ideen.
„So wird das nichts“, bemerkt Emilio. Mir entweicht ein Seufzen und ich blicke zum Fenster. „Warum seid ihr nie damit einverstanden?“, fragt Miri ungeduldig. „Es liegt ja wohl nicht an uns. Wir haben das meiste bis jetzt geschrieben.“ zickt Sakura meine Freundin an. „Ach denkst du, es liegt an uns? Ihr habt doch gar nicht verstanden, um was es geht. Da könnt ihr noch so viel geschrieben haben“, sagt Miriam konternd. Es ist ja schön das Miri sich nicht ärgern lässt aber die Zankereien der beiden bringen uns auch nicht voran. Ich schnappe mir den Zettel mit den Ideen und lese ihn nochmal sorgsam durch. Dazu nehme ich ebenfalls die angefangenen Texte von Sakura und Jonas sowie Emilio und Miri. Die Ideen sind nicht schlecht nur sehr durcheinander. Wenn man hier und da was ändert, etwas zusammen führt und etwas dazu nimmt, dann geht es eigentlich ganz gut. Ich schnappe mir einen Stift und kritzle auf allen Zetteln etwas rum. An den Rändern stehen dann lauter Zahlen und gezeichnete Figuren. Einige Zeilen habe ich auch selbst dazu geschrieben oder aber eine Idee als Zeile genommen. Anschließend nehme ich mir ein leeres Blatt und schreibe den Text ordentlich auf.
„Fertig.“, sage ich nur und lege den Stift beiseite. „Denkst du wir nehmen ein Lied, welches du geschrieben hast? Wir wollen alle etwas da reinschreiben.“ blafft mich Sakura an. „Kannst du mich erstmal ausreden lassen? Ich habe die Zeilen von euch alle eingebaut, ebenfalls wie die Ideen. Jeder hat seinen Anteil an dem Text. Ich habe es nur zusammengefasst und in eine Reihenfolge gebracht. Jetzt müssen wir nur noch schauen, ob die Melodie passt“, erkläre ich ruhig und lege den Zettel auf den Tisch. Sofort lesen die anderen den Text. „Das ist wirklich super“, lobt mich Miri. Emilio nickt zustimmend. Sakura zickt zwar noch etwas aber letztendlich sind sie und Jonas auch damit einverstanden. Kein Wunder wir müssen langsam mal fertig werden. „Wenn das mit der Melodie jetzt auch so lange dauert dann schaffen wir das nie.“ murrt Jonas nur. „Tja eigentlich schreibt man ja auch den Text, nachdem man die Melodie hat.“ meldet sich plötzlich Herr Ito zu Wort. „Was?“, ruft Sakura überrascht aus. „Und das sagen sie uns erst jetzt?“ zickt sie gleich wieder. „Wie lang habt ihr jetzt schon das Musikstudium? Ich denke, das solltet ihr alle wissen.“ kontert der Ältere. Sakura bläst kurz ihre Wangen auf und schaut eingeschnappt auf den Tisch. „Stimmt Kyo und ich haben es oft genug versucht am Anfang klar zu machen aber ihr wolltet nicht zuhören.“ stimmt Emilio unserem Lehrer zu. Stimmt, eigentlich schreibt man erst die Melodie und sucht sich dann den Text. Es ist, kein muss, aber meistens ein guter Tipp. Allerdings geht es auch andersrum. „Brainstorming“, sage ich nur und stehe auf. Überrascht sehen mich Emilio, Miri, Jonas und Sakura an. Unser Lehrer lächelt nur leicht. „Haben sie eine Folie für den Polylux?“, frage ich. Herr Ito geht zum Lehrertisch und nimmt eine Folie und einen Stift aus dieser. „Ich glaube ich weiß was du vorhast und das ist keine schlechte Idee“, sagt er und reicht mir, um was ich gebeten habe. Schnell schreibe ich den Text auf die Folie. Groß genug damit man sie lesen kann, aber auch so das alles drauf passt. Anschließend lege ich diese auf das Gerät und schalte es ein. Ich stelle alles sorgsam ein, damit man auch was erkennt und es nicht verschwommen ist und sehe die anderen an. „Auf gut Glück würde ich sagen. Versuchen wir eine Melodie spontan zu spielen. Einzig wichtige ist, dass ihr versucht zu merken was ihr spielt. Sobald uns etwas gefällt wird es notiert.“ sage ich und schnappe mir eine E-Gitarre. Miri stellt sich ans Keyboard, Emilio ans Schlagzeug, Jonas hat ebenfalls eine Gitarre, nur Sakura ist sich noch nicht sicher. Eigentlich spielt sie die Geige. „Keine Sorge du kannst sie ruhig wählen. Nur weil wir in die Richtung des Rocks gehen heißt es nicht, dass die Violine unpassend ist.“ sage ich ermutigend.
So passiert es, dass wir immer wieder verschiedene Dinge probieren. Nur mit dem Anfang sind wir einfach so überhaupt nicht zufrieden. Irgendwie überschlägt er sich. „Ich habe eine Idee. Darf ich mal kurz allein spielen?“ fragt Miranda und wir nicken. Sie beginnt einen einfachen und gleichbleibenden Rhythmus zu spielen und beginnt die erste Strophe zu singen. Mein Blick wandert zu Emilio, welcher nickt und anschließend zu Jonas, der ebenfalls nickt. Sobald die zweite Strophe losgeht setzen wir drei zeitgleich mit dem Teil ein, der schon fest steht. Na das ist doch mal was. Wenigstens einmal kann man zusammen arbeiten. Auch Sakura bringt sich ein und betont das Lied mit der Violine ganz besonders.
Nachdem wir zu Ende gespielt haben ruft Miri erfreut: „Das war doch super. Endlich haben wir unser Lied.“ Ich lege die Gitarre beiseite und gehe zu meinem Platz. Schnell schreibe ich meine Akkorde auf. Die anderen tun es mir gleich. Aus dem ganzen Schreiben wir die Melodie dann noch mit Noten. „Ich dachte schon, ihr schafft es gar nicht mehr zusammenzuarbeiten“, sagt Herr Ito ruhig, lächelt aber leicht. Dieses Lächeln ist irgendwie besonders. Es steht ihm. Genauso wie es ihm steht, wenn er eine Brille aufhat. Stopp halt was denke ich denn da! Das ist ja mal ziemlich falsch! Nicht, dass es mich stören würde, dass er ein Mann ist. Da war ich immer offen gewesen. Er ist mein Lehrer und das ist das falsche. „Kyo? Kommst du?“ reist mich Emilios Stimme aus meinen Gedanken. Ich sehe zu ihm und packe schnell meine Sachen. Hat Herr Ito uns freigegeben für den Rest? Ich habe nicht zugehört. Mein Blick huscht unbemerkt zu eben genannten. Er sitzt auf einem Stuhl und liest etwas. Ja die Brille steht ihm unglaublich gut. Ich beeile mich, um Emilio hinterher zu kommen. „Du hast heut frei, oder?“, fragt mich mein Freund. „Ja, warum?“, antworte ich mit einer Gegenfrage. „Wollen wir etwas unternehmen? Vielleicht in ein Café gehen. Miri du kommst doch mit, oder?“ schlägt er vor, wobei er die letzten Worte lauter spricht. Sofort dreht sich besagtes Mädchen um und nickt eifrig. „Von mir aus.“ stimme ich zu. Also machen wir uns zu dritt auf den Weg zu unserem Stammcafé.
Dort angekommen bestelle ich mir wie immer einen Eiskaffee. „Heut ist echt ein toller Tag. Wenn du schon freihast, musst du das nutzen“, sagt mein Kumpel und nippt an seinem Milchshake. Eigentlich habe ich andere Probleme aber ich will ihnen keine Sorgen bereiten. So schlimm wird es nicht, wenn ich ein Tag mal genieße. Wir trinken unsere Getränke während wir uns unterhalten. Irgendwann haben wir uns noch jeder ein Eis bestellt. An so einem heißen Tag einfach perfekt.
Nach dem Café gehen wir in den Park. Ich war schon oft hier. Gerade im Sommer ist er immer belebt. Sehr gern mag ich das Wasserbecken. Im Sommer immer eine gute Abkühlung. Irgendwie passiert es, dass wir irgendwann darin stehen und uns gegenseitig nass spritzen. Als Miri und Emilio mich gleichzeitig mit einer kräftigen Ladung Wasser vollspritzen versuche ich mich noch wegzudrehen. Allerdings rennt genau in dem Moment ein kleiner Hund an mir vorbei. Ich stolpere und lande volle Kanne im Wasserbecken. Meine beiden Freunde brechen natürlich in schallendes Gelächter aus. Der kleine Hund hat seine Freude daran mir übers Gesicht zu schlecken. Da er die Leine noch dran hat, vermute ich, dass er ausgebüxt ist. Es dauert auch nicht lange, da kommt eine junge Frau an. „Entschuldige. Ich bin gestolpert und habe die Leine losgelassen. Zoe komm her“, sagt die Frau entschuldigend. Sofort lässt der Hund von mir ab und geht zu ihrem Frauchen. „Kein Problem. Nass war ich eh schon.“ sage ich und winke ab. Schnell richte ich mich wieder auf und wende mich an meine Freunde. „Ihr hattet jetzt wohl den Spaß eures Lebens was?“, frage ich amüsiert. „Ja“, sagen beide synchron und lachen weiter. Was für nette Freunde ich doch habe. Da die beiden so mit sich selbst beschäftigt sind bekommen sie beide nacheinander ein Schubs wodurch sie selbst im Wasser landen. „So jetzt sind wir quitt“, sage ich und steige aus dem Becken. Ein Grinsen liegt auf meinen Lippen, als ich über die Schulter zurückblicke. „Na kommt ihr oder wollt ihr weiterhin baden?“, frage ich sichtlich amüsiert. Die beiden rappeln sich auf und kommen mir nach. Wir laufen noch eine Weile durch die Gegend bevor ich mich verabschiede und nach Hause gehe. Dort blicke ich in den Briefkasten. Ein Brief meiner Vermieterin. Bestimmt die Kündigung. Seufzend nehme ich den Brief und gehe in meine Wohnung. Wie erwartet ist es die Kündigung. Wenigstens bleibt mir noch die Kündigungsfrist. Bis dahin muss ich eine neue Wohnung gefunden haben.
Die Tage vergehen und ich habe das Gefühl, dies tun sie immer schneller. In der Uni läuft es gut. Wir kommen mit unserem Projekt gut voran. Das Lied steht und die Choreografie nimmt langsam Gestalt an. Wir müssen zwar noch viel üben, aber das wird noch. Auch mit dem schriftlichen Teil komme ich super voran. Über die ganze Abschlussarbeit mache ich mir keine Gedanken. Gedanken mache ich mir über etwas anderes.
Wie ziemlich oft in letzter Zeit sitze ich am Laptop und suche Wohnungsangebote raus. Da ich über den Tag nie Zeit finde, schreibe ich nachts immer eine E-Mail an die Leute. Leider habe ich bis jetzt immer Absagen bekommen. Entweder wohnen in dem Haus nur ältere Menschen oder es kommt die Aussage, dass man nicht hineinpasst oder aber es heißt, dass die Gitarre nicht geduldet wird. Dabei kann ich die E-Gitarre doch auch leiser stellen. Ein Seufzen entweicht mir. Ich bin müde, aber mir rennt die Zeit davon. Nebenbei habe ich auch schon angefangen meine Sachen zu packen. Mittlerweile suche ich auch schon etwas weiter entfernt aber noch nah genug, dass ich laufen kann. Da würde ich zwar noch weniger Schlaf bekommen aber das schaffe ich schon. Ich sende eine weitere Mail ab und schalte anschließend den Laptop aus. Wie viele habe ich jetzt schon angeschrieben? Ist es denn wirklich so schwer eine Wohnung zu finden? Ich greife nach meinem Handy und antworte auf einige Nachrichten. Zu meiner Überraschung antwortet mir Emilio. ‚Bist du noch wach oder eben aufgewacht?‘ fragt er in der Nachricht. Schnell antworte ich ihm, dass ich noch wach bin, als ich mich auch gleich wieder dafür Ohrfeigen könnte. Wir haben es bereits um 4. Die Sonne geht dann gleich auf. Mist. Es dauert auch nicht lange und ich bekomme eine Nachricht von meinem Kumpel: ‚Sag mal spinnst du? Hast du mal auf die Uhr geschaut. Du musst in zwei Stunden aufstehen. Sieh zu, dass du ins Bett kommst! Hast du Lust wieder zusammen zu klappen? Glaub mir, nächstes Mal prügle ich dich aus deiner Bewusstlosigkeit.‘ Ich antworte schnell mit einem Ja ok und lege das Handy beiseite. Schnell gehe ich mich im Bad fertig machen und schlüpfe ins Bett. Wenigstens noch zwei Stunden. Mehr als ich die letzten Tage immer schlafen konnte. Da habe ich immer die ganze Nacht durch gemacht. Ziemlich schnell drifte ich in einen tiefen Schlaf. Leider etwas zu tief.
Unsanft werde ich von dem Klingeln meines Handys geweckt. Ich greife danach und nehme den Anruf entgegen. „Kyo wo bist du? Der Unterricht hat vor 3 Stunden angefangen!“ erklingt die Stimme von Emilio. Bei seinen Worten springe ich sofort auf und schaue auf die Uhr. Fuck! „Ich bin gleich da. Entschuldige“, sage ich schnell und lege auf. So schnell es geht, ziehe ich mich an und renne zur Uni.
Schwer atmend öffne ich die Tür zum Klassenzimmer. „Schön, dass du auch mal aufkreuzt. Jetzt hätte ich auch ausgeschlafen.“ zickt mich Sakura sofort an. „Entschuldigung“, murmle ich kaum hörbar. „Wir besprechen das später“, sagt Herr Ito. Ich nicke leicht und arbeite bei den anderen mit. Auch, wenn es mir wahnsinnig schwerfällt mich zu konzentrieren oder gar die richtige Schrittfolge im Kopf zu haben. Immer wieder werde ich von Sakura und Jonas angemeckert und ich kann es den beiden nicht verübeln. Ich mache heut fast alles falsch. Da wir gerade eine Pause machen lasse ich mich an der Wand zu Boden sinken. „Hey was ist denn los? Wo bist du mit deinen Gedanken? Warum bist du in letzter Zeit wieder so lange wach?“, fragt mich mein rothaariger Freund. „Entschuldige. Ich kann in letzter Zeit nicht gut schlafen und bin heut früh leider etwas zu tief eingeschlafen.“ antworte ich. Mein Schädel hämmert langsam und am liebsten würde ich wieder die Augen schließen. „Du siehst elendig aus. Was raubt dir denn den Schlaf?“, fragt Emilio ruhig. „Nur eine Phase“, antworte ich ihm ausweichend. Mein Blick wandert durch den Raum und sucht nach einer Uhr. So lang ist es gar nicht mehr. Ein Seufzen entweicht mir. Ich fühle mich eben einfach elendig. Diese Phase hatte ich schon mal. Falle ich wirklich wieder in mein altes Muster zurück? Dieselben Fragen wie damals spucken mir in meinem Kopf herum. Dieselben Gedanken und dieselben Gefühle.
Ich fühle mich innerlich tot. Nein, schlimmer als tot. Ich bin noch ein Kind. Ich habe so viele unbeantwortete Fragen. Fragen, die ich nicht einmal aussprechen kann, weil es keine Worte dafür gibt. Warum nur fühle ich mich … fühle ich mich unerwünscht?
Meine Gedanken rasen. Ich vergesse, dass ich eigentlich in der Uni bin, höre so viele Dinge, die mir damals gesagt wurden. Höre Dinge, die in meinem Kopf waren. Die ich gesagt habe. Die meine Gefühle waren. Oder sollte ich vielleicht besser sagen meine Gefühle sind? Bin ich vielleicht doch nicht aus der Depression raus gekommen?
Es fühlt sich an wie ‘ne Schlange, wie ’ne Giftschlange, die unter deinem T-Shirt entlang schleicht. Oder wie ein Messer, ein Messer, das kommt und sagt: Komm tu dir selber weh. Tu dir weh. Tu dir weh! Tu dir weh! Tu dir weh! Tu dir weh! Ganz plötzlich kommt das. Das hält an für ein paar Sekunden, manchmal hält es auch für Stunden. Stunden. Das lähmt die Organe, das macht die Zunge taub, du kannst nicht atmen. Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg.
Tränen laufen mir stumm über meinen gesenkten Kopf. Ich will das nicht hören. Nicht noch einmal. Diese Stimmen in meinem Kopf sollen aufhören. Ich will das nicht. Schluss! Aus! Ich ziehe meine Knie an meinen Körper und umklammere sie mit meinen Armen. Kralle mich mit meinen Händen in die Hose. Es soll endlich aufhören, doch die Stimmen werden immer lauter.
Es gibt einfach keine Worte dafür. Wer’s nicht fühlt, der wird nie wissen, was ich immer wieder versuche in Worte zu fassen. Es hat mein Leben verändert. Für immer. Jetzt lerne ich meine Gefühle erst richtig kennen und ich sage euch, ich hasse es! Ich wünschte, ich wäre nicht in der Lage zu fühlen. Meine Nerven laufen Amok und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht versuche, diese neue Form von Angst zu beschreiben und sie in den Griff zu bekommen. Ich schaffe es einfach nicht.
Mittlerweile habe ich komplett den Sinn für das hier und jetzt verloren. Ich habe das Gefühl wieder im Kinderheim zu sein. Damals musste ich regelmäßig zu einem Psychologen und mit ihm darüber reden. Über mein Inneres reden, doch er hat es nie verstanden. Keine hat es verstanden.
Tief in mir drin schwinden mein Mut und meine Hoffnung. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Nicht mal in meinem Albtraum hatte ich je dieses betäubende, ohnmächtige Gefühl. Wird es je wieder aufhören?
„Kyo!“ dringt dumpf immer wieder mein Name zu mir durch. „Kyo komm wieder zu dir!“, ruft jemand nach mir. Nur langsam realisiere ich, wo ich eigentlich bin. Ich zittere am ganzen Leib und habe mich komplett verkrampft. Als sich eine Hand auf meine Schulter legt, zucke ich zusammen. „Hey was hast du?“, fragt mich Emilio beruhigend. Zwar blicke ich zu ihm auf, aber ich bekomme nicht ein Wort raus. Mein Kopf ist völlig leer. „Wir beenden für heute.“ ertönt die Stimme von Herrn Ito. Mein Blick sucht nach ihm doch weiß ich nicht warum. „Kyo?“, fragt mich Emilio erneut. Mein Blick wandert wieder zu ihm. Warum hatte ich diese Gedanken? Warum habe ich das gehört? „Ich …“ bringe ich hervor aber weiß nicht weiter. „Schon gut. Du musst dich nicht rechtfertigen“, meint Herr Ito ruhig. „Herr Ito …“ beginnt Emilio zögerlich, „Könnten sie ihn vielleicht nach Hause begleiten? Ich würde es gern machen aber meine Mutter hat ein Arzt Termin, wo sie mich braucht.“ „Keine Sorge ich kümmere mich darum“, sagt der Ältere nur. Nur am Rande bemerke ich wie sich Emilio bedankt und ebenfalls geht. Ich bekomme auch nicht richtig mit wie wir zu seinem Auto gehen oder zu mir fahren.
Zu Hause liege ich auf meinem Bett, zusammengerollt. Ich habe Angst und ich will nicht mehr. Ich will nicht noch länger allein sein müssen. „Du zitterst schon wieder“, ertönt eine sanfte Stimme und eine Hand legt sich auf meinen Kopf. „Versuch dich etwas auszuruhen“, sagt er sanft während er vorsichtig, beinahe schon liebevoll, durch mein Haar streicht. Ich bin diese Berührung nicht gewohnt, weswegen ich davor fliehe. Seinen Vorschlag mich auszuruhen nehme ich allerdings an und schließe meine Augen. Ziemlich schnell bin ich eingeschlafen.
Als ich aufwache, brennt Licht in der Wohnung. Demnach muss es schon dunkel sein. Ich blicke mich etwas um und suche nach meiner Uhr. Wir haben es um eins. „Ausgeschlafen?“ ertönt eine Stimme. Ich sehe in die Richtung und erblicke Herr Ito. „Verzeihung“, murmle ich leise. „Du musst dich nicht entschuldigen. Dafür gibt es keinen Grund“, meint er nur. Keinen Grund? Mir fallen aber einige Gründe ein. „Die gibt es wohl. Ich bin zu spät gekommen und habe den Unterricht gestört. Den anderen war ich nur eine Last, weil ich nicht mal die Schritte im Kopf hatte. Der Unterricht wurde meinetwegen eher beendet und dann musstest sie mich auch noch hierher bringen und bis spät in die Nacht warten. Das alles nur, weil ich es selbst nicht schaffe. Ich habe so viele Wohnungsanbieter angeschrieben aber immer nur Absagen bekommen. In letzter Zeit habe ich wieder das Gefühl alles falsch zu machen. Ich verfalle in mein altes Muster und das will ich nicht.“ bringe ich mit zitternder Stimme raus. „Kyo du bist niemandem eine Rechenschaft schuldig und du musst dich nicht entschuldigen. Wer hat dir denn gesagt, dass es richtig ist sich immer zu entschuldigen?“, fragt der Dunkelhaarige. Rotbraune Augen fixieren mich und warten auf eine Antwort. Da ich dem Blick nicht stand halten kann, lasse ich meinen Kopf wieder sinken. „Aber sie sagten doch, es ist richtig sich zu entschuldigen. Der Arzt hat es doch gesagt, weil ich andere damit verletze“, murmle ich vor mich hin. „Kyo kann es sein, dass du Depression hast?“, fragt mich Herr Ito plötzlich. Überrascht sehe ich auf und bemerke, dass er vor mir steht und sich zu mir beugt. Zu nah! Viel zu nah! „D-Das … Ich würde jetzt gern hatte sagen, aber nach dem was heut war kann ich schlecht leugnen, dass ich es nicht mehr habe“, sage ich mit leiser Stimme. „Du musst dich deswegen nicht entschuldigen. Das ist nicht etwas wofür man sich entschuldigen muss. In der heutigen Welt wird es einfach immer noch nicht akzeptiert. Es ist in Ordnung. Du kannst nichts dafür, also brauchst du dich nicht entschuldigen“, flüstert er beruhigend. Wieder streicht er mir durchs Haar. Warum? „Ruh dich noch etwas aus. Ich bleibe die Nacht hier.“ schlägt er vor. Zwar will ich protestieren, denn er hat auch genug zu tun und muss schlafen aber er lässt keine Widerrede zu. So kommt es, dass ich unter dem wachsamen Blick des Älteren einschlafe.
Widerwillig öffne ich meine Augen und schalte meinen Wecker ab. Ich habe eigentlich so gar keine Lust. Die Tage sind vergangen und ich habe nicht mehr viel Zeit um eine neue Wohnung zu finden. Mittlerweile habe ich es auch schon aufgegeben. Ich habe einfach immer eine Absage bekommen. Manchmal mit Begründung aber meistens ohne. Demnach weiß ich einfach nicht warum mich niemand will. Ein Seufzen entweicht mir, als ich mich aus dem Bett hieve und ins Badezimmer gehe. Dort dusche ich erstmal und mache mich für den Tag zurecht. Langsam aber sicher gehen mir die Optionen aus. Eine Woche habe ich noch, dann muss ich hier raus.
Nach dem Duschen schlendere ich zum Kühlschrank und nehme mir etwas zu essen. Viel ist wieder mal nicht drin. Ich esse schnell etwas und trinke ein Glas Wasser, bevor ich mir meine Tasche schnappe und mich auf den Weg zur Uni mache. Das Lied, welches wir zusammen geschrieben haben gefällt mir. Durch den recht schnellen Rhythmus kann es ganz aufheiternd sein, aber analysiert man den Text genau ist es eher ein trauriges Lied. Es geht um jemanden, der ganz unten ist, allein und einsam. Nichts und niemanden hat. Dennoch lernt er jemanden kennen, weiß aber nicht wie er sie ansprechen soll. Das Lied macht einem Mut zu seinen Gefühlen zu stehen und doch liegt immer ein gewisser Anteil Trauer in ihm. Es erinnert mich einfach … Ja an was eigentlich? Ich war doch noch nie in so einer Situation? Wie würde ich wohl reagieren, wenn es jemanden geben würde, den ich mag? Könnte ich es einfach so sagen? Vermutlich nicht. Ich hätte zu viel Angst davor abgewiesen zu werden. Das würde mich wieder nach unten ziehen. Ein Mensch, der psychisch instabil ist, nimmt sich so kleine Dinge sehr zu Herzen. Vermutlich würde ich es nicht sagen und ebenso kaputtgehen, als wenn ich es sagen würde. Eigentlich bleibt es sich gleich. Entweder man sagt es und man wird verletzt oder man schweigt und es frisst einen innerlich auf. Einfach. Es ist so einfach. Dennoch interessiert es mich. Gab es denn schon mal jemanden, den ich sehr mochte? Den ich geliebt habe? Selbst, wenn kann ich mich bei bestem Willen nicht daran erinnern. Ich atme hörbar aus und schließe meine Augen. Eigentlich liebt man seine Eltern, aber diese kenne ich nicht. Ich weiß einfach nicht wie es ist zu lieben oder geliebt zu werden. Welche Gefühle man da hat. In Liedern, Büchern und auch in Filmen und Serien geht es oft um das Thema. Man kann nur an eine Person denken, fühlt sich in ihrer Anwesenheit wohl aber irgendwie auch nervös, hat ein Kribbeln im Bauch und Herzklopfen. Mir kommen die Worte meines Lehrers wieder in den Kopf. ‚Ich finde dich als Mensch und Musiker interessant.‘ Warum hat er das gesagt? Aber vor allem wie meinte er das mit dem: Nicht so wie du denkst? Und warum hat mich seine Antwort verletzt? Ich verstehe es nicht. Es ist doch nicht schlimmes dabei, wenn man jemanden interessant findet. Oder hat er gedacht, ich denke, er würde auf mich stehen? Nein ganz sicher nicht. Er ist immerhin mein Lehrer. Diese Aussage habe ich in letzter Zeit oft in meinen Gedanken genutzt. In letzter Zeit habe ich oft darüber nachgedacht. Über ihn und sein Verhalten nachgedacht. Aber ich kam nie auf eine ordentliche Antwort. Ganz im Gegenteil meine Gedanken wurden dadurch nicht klarer, sondern immer verworrener. Mittlerweile erinnere ich mich gern an bestimmte Momente. Als er damals das erste Mal in unsere Klasse kam. Der Moment wo ich damals zusammengebrochen bin und er bei mir war, ich ihn so angemeckert habe und er so ruhig blieb. Die Gespräche mit ihm. Seine ruhigen Worte als ich nicht wusste, wie ich das schreiben soll. Als er mir den Arm verband oder auch als ich nervlich nicht mehr konnte und er die Nacht bei mir blieb. Ich weiß nicht, warum er das alles tat, doch es macht mich irgendwie glücklich. Dieses Gefühl ist schön und angenehm. Bei all den Gedanken taucht plötzlich das Bild von ihm vor meinem inneren Auge auf. Da als er leicht gelächelt hatte. Es sah gut aus. „Hey Kyo? Wo bist du denn mit deinen Gedanken? An was oder besser wen denkst du?“ reist mich die fragende Stimme meines Kumpels aus meinen Gedanken. „Was? Eh warum soll ich an jemanden denken?“, frage ich überrascht und sichtlich verwirrt. „Sagen wir mal so du hast mir so gar nicht zugehört und noch dazu hast du eine leichte Röte auf deinen Wangen“, antwortet er und grinst dabei. „Pf an niemanden“, murre ich nur. Zu meinem Glück klingelt es eben zum Unterricht weswegen er mich nicht weiter ausfragen kann. Bin ich wirklich rot geworden? Aber ich habe doch nur … mein Blick streift durch den Raum und als diesen Herr Ito betritt bleibt er an ihm hängen. Irgendwie wird mir warm, doch ich lenke meine Aufmerksamkeit auf meinen Block vor mir.
Während der ganzen Stunden driftet mein Blick immer wieder zu einem gewissen Lehrer. Leider hat er mich auch einmal dabei erwischt, wie ich ihn angestarrt habe und konnte sich ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Mist! Warum musste er auch ausgerechnet in dem Moment den Kopf heben? Idiot! Er hätte doch weiter seinen blöden Text lesen können! Obwohl ich nicht ganz bei der Sache bin, schaffe ich es dennoch nichts zu vermasseln. Langsam aber sicher steht auch die Choreografie. Demnach heißt es nur noch üben, bis alles perfekt sitzt und den schriftlichen Teil beenden. Hoffentlich gibt es darauf eine gute Note. Ob unser Arbeitsweg eigentlich auch benotet wird? Herr Ito schreibt sich immer wieder Dinge nach dem Unterricht auf. Ob er unsere Teamarbeit bewertet? Wenn ja, dann war sie am Anfang alles andere als gut. Das war einfach kein Teamwork. Es ist zwar nicht so, als würden wir uns jetzt alle um den Hals fallen aber wir arbeiten konzentriert und miteinander. Nicht gegeneinander.
Nachdem der Unterricht endlich vorbei ist, packe ich zwar meine Sachen bleibe aber noch sitzen. Die Woche wird schnell vergehen. Ich brauche endlich eine Unterkunft, sonst sitze ich auf der Straße. Selbst, wenn es nur für eine Weile ist. Ein Seufzen entweicht mir. Nur für eine Weile hu? Vielleicht könnte ich Emilio fragen? Mit dem Gedanken springe ich auf und renne aus dem Raum. Bemerke nicht den fragenden und amüsierten Blick. „Emilio! Warte mal!“, rufe ich ihm hinterher. Zum Glück war er noch auf dem Weg nach draußen. „Mh was ist denn?“, fragt er und dreht sich zu mir. „Können wir mal reden? Ich habe ein ziemliches Problem“, murmle ich leise. „Was denn doch auf jemanden ein Auge geworfen?“, fragt er amüsiert. Ich boxe ihm leicht in die Seite und schnalze mit der Zunge. „Blödmann. Natürlich nicht. Ich habe ein anderes Problem und dafür nicht mehr lang“, sage ich und werde ernst. Er nickt leicht, was mir zeigt, dass ich seine Aufmerksamkeit habe. „Meine Nachbarn haben sich beschwert. Ich muss Montag aus der Wohnung raus sein. Deswegen habe ich in letzter Zeit so wenig geschlafen. Ich habe krampfhaft nach einer Wohnung gesucht aber immer nur Ablehnungen bekommen. Langsam fällt mir nichts mehr ein. Ich weiß das ist viel verlangt, aber könnte ich vielleicht eine Weile bei euch mit wohnen? Nur solange ich etwas gefunden habe. Ich zahle auch einen Mietanteil“, erkläre ich meine Situation. Emilio schaut mich eine ganze Weile perplex an. Habe ich etwas Falsches gesagt? Irgendetwas, was komisch war? Nicht richtig? Als ich darüber nachdenke, fällt es mir ein. Der Rothaarige und seine Mutter wohnen in einer recht kleinen Wohnung. Sie haben gar nicht den Platz für eine weitere Person. Ich kann mich den beiden nicht einfach so aufdrängen. Sie haben selbst genug Probleme. „Entschuldige. Vergiss, was ich gesagt habe“, flüstere ich nur. „Nein. Kyo wir finden schon eine Lösung.“ bringt er hervor und versucht mich aufzumuntern. „Lass gut sein. Ich habe nicht nachgedacht. Ihr habt mit euch zu tun. Euch geht es ja nicht gerade besser“, sage ich und drehe mich von ihm weg. Aus irgendeinem Grund führt mich mein Weg wieder ins Klassenzimmer. Meinen Freund ignoriere ich einfach. Warum muss das alles immer so schwer sein? Zu meinem Glück ist der Raum leer. Obwohl warum Glück? Insgeheim habe ich mir gewünscht, dass Herr Ito noch hier ist. Ich wollte mit ihm reden. Vielleicht hätte er eine Idee gehabt. Er sagte doch immerhin, dass er helfen würde? Zumindest hat er es indirekt angedeutet. Ein Seufzen entweicht mir und ich lasse mich auf einen der Stühle sinken. Was mache ich denn jetzt? Das heißt dann, dass ich ab Montag keine Wohnung mehr habe. Ich lege meine Arme auf den Tisch und bette meinen Kopf auf diesen. Wenigstens habe ich heute frei. Demnach ist es nicht schlimm, wenn ich erst sonst wann nach Hause gehe. Ich bleibe einfach hier liegen und hänge meinen Gedanken nach.
Müde öffne ich meine Augen und setze mich auf. Mein Blick gleitet aus dem Fenster, wo es langsam dämmert. Mist! „Na ausgeschlafen?“, ertönt eine sanfte Stimme. Ich drehe meinen Kopf leicht und blicke in dunkle Augen, welche mich fixieren. „Warum?“, frage ich nur flüsternd. „Ich kann dich ja schlecht hier allein liegen lassen. Am Ende wärst du noch eingesperrt worden und nicht mehr raus gekommen“, sagt der Ältere gelassen. Ich sehe mich um und suche nach der Uhr im Raum. „Es ist bereits um 9“, antwortet mein Lehrer auf meinen suchenden Blick. „Oh …“, murmle ich nur. Schnell erhebe ich mich und will aus dem Raum gehen, als nach mir gegriffen wird. „Ich dachte eigentlich, dass du mit Emilio mitgegangen bist. Wie kommt es, dass du doch noch hier bist?“, fragt er interessiert. „Mh ich bin auf ne spontane Idee gekommen, habe sie aber schnell wieder verworfen“, antworte ich ihm. „Ach so. Ich habe mir deswegen übrigens auch Gedanken gemacht“, sagt er plötzlich ganz beiläufig. Er hat sich doch Gedanken deswegen gemacht? Aber ob ihm etwas eingefallen ist? Ich bezweifle es irgendwie. „Lass uns erstmal hier raus“, sagt er und geht an mir vorbei. Etwas überrumpelt folge ich ihm aus dem Gebäude und zu seinem Auto. So weit ist es doch nicht bis zu mir. Andererseits ist es ja auch sinnlos sein Auto hier stehen zu lassen. Warte, wieso eigentlich zu mir. Wir können doch auch hier reden! „Ähm …“ bringe ich nur raus. Er deutet mir ins Auto zu steigen und nur zögerlich folge ich der Aufforderung. Zu meiner Überraschung fahren wir nicht zu mir, wie ich es eigentlich dachte, sondern ganz woanders hin. Vor einem großen Gebäude bleiben wir stehen. Herr Ito steigt aus und ich folge ihm langsam. „Langsam bin ich dir was schuldig, so oft wie ich schon bei dir war.“ meint er nur und betritt das Gebäude. Bin ich ihm nicht eigentlich etwas schuldig? Er hat immerhin schon so viel gemacht. Stumm mustere ich den Dunkelhaarigen vor mir. Betrachte die breiten Schultern und die schmäleren Hüften. Ob er darunter gut bemuskelt ist oder eher normal? Was denke ich denn da? Ich bemerke nicht, wie er plötzlich stehen bleibt, weswegen ich in ihn laufe. Sofort entschuldige ich mich, doch von dem Älteren kommt nur ein Lachen. Wir sind in seiner Wohnung, oder? Beinahe schon schüchtern huscht mein Blick durch den Raum. Wow! Das ist so groß. Allein dieser Raum ist bestimmt das Fünffache meines ganzen Apartments. Wie viele leben hier? Ich habe noch nie so eine große Wohnung gesehen. „Du hast bis jetzt immer Absagen bekommen, oder?“, fragt er und geht weiter in das Innere. Eine offene Küche, ein Essbereich und der Wohnbereich sind in diesem riesigen Raum. Eine Treppe führt nach oben, aber auch hier unten gibt es noch zwei Türen. „Mh ja und dabei habe ich jeden Anbieter angeschrieben und sogar etwas weiter entfernt geschaut“, antworte ich leicht abwesend. Da ich mich so auf die Wohnung konzentriere, entgeht mir das amüsierte Schmunzeln. „Du hast noch nie so eine große Wohnung gesehen, nicht wahr?“, fragt er und seine Stimme ist plötzlich so nah an meinem Ohr. Verwirrt versuche ich den Blickkontakt zu suchen. „Dein Blick spricht Bänder. Ich habe noch zwei Zimmer frei. Wenn du willst, kannst du als Untermieter hier leben.“ schlägt er vor. Ungläubig weite ich meine Augen und blicke ihn an. Ich kann was?
Ungläubig stehe ich in der Wohnung und mustere meinen Lehrer. Das ist doch ein Witz, oder? Bestimmt. Er macht sich nur über mich lustig. „Das ist nicht fair. Ich wäre fast darauf reingefallen. So einen Scherz zu machen“, sage ich und versuche meine Verwirrtheit und meinen Schmerz zu verstecken. Ja es schmerzt. Ich weiß nicht warum, aber der Gedanke, dass es ein Scherz war, tut einfach weh. „Das war ernst gemeint“, sagt er ruhig. „Warum? Warum ich?“, flüstere ich kaum hörbar. Ich will nicht, dass man sich über mich lustig macht. Herr Ito seufzt hörbar und geht zu einem Sofa. „Weil ich dich ziemlich gut verstehen kann“, sagt er ruhig. Ich sehe ihn fragend an und setze mich ebenfalls. „Als ich jünger war, war ich in derselben Situation. Abgeschoben und im Heim aufgewachsen, zu kämpfen mit Depressionen, auf der Straße sitzend und niemanden habend. Ich kann dich verstehen, weil du mir sehr ähnlich bist. Damals musste ich mich allein durchkämpfen. Ich will nicht, dass andere dasselbe durchleben müssen. Deswegen will ich dir helfen“, erzählt er ruhig. Er hat dasselbe durchmachen müssen? In meinem Kopf drehen sich die Gedanken. Nur schwach bemerke ich, dass er aufsteht und zu mir kommt. Der Dunkelhaarige legt eine Hand an mein Kinn und zwingt mich damit ihn anzusehen. Seine Augen wirken so tiefgründig und als ob sie einem in die Seele schauen können. „Ich sagte doch schon, dass du mein Interesse geweckt hast und ich dir helfe“, sagt er flüsternd. Nur schwach nicke ich, da ich viel zu sehr in den Augen meines Gegenübers versinke. „Also?“, fragt er nach. Stimmt, ich habe ihm noch keine Antwort gegeben. Nach einigem Zögern nicke ich zaghaft. „Dann hast du jetzt deinen Kopf ja wieder frei“, sagt er nur und lässt sich wieder auf das Sofa sinken. „Wegen der Miete … ich könnte einen Anteil übernehmen.“ bringe ich leise hervor. Eigentlich will ich gar nicht wissen, wie teuer das hier ist. „Spar es dir. Deine Miete zahlst du anders“, antwortet er nur. Irgendwie habe ich das Gefühl, das Wiedersprechen sinnlos wäre, weswegen ich es einfach lasse. Herr Ito steht auf und deutet mir, ihm zu folgen. Er geht die Treppe nach oben und ich folge ihm. Vor einer Tür bleibt er stehen. „Das ist eigentlich das Gästezimmer, aber es wird eigentlich nie genutzt. Demnach kannst du es gern bewohnen“, sagt er und öffnet die Tür. Der Raum ist schlicht doch sehr gemütlich eingerichtet. Da ist alles was man braucht. Kleiderschrank, Bett, Schreibtisch, ein paar Regale und einige niedrige Schränke. Gut so ich mag Schränke nicht die höher sind als ich. Da reicht mir der Kleiderschrank. „Würde es dich stören, wenn du die Nacht bereits hier verbringst? Es ist schon ziemlich spät“, fragt er und deutet mit einer Kopfbewegung auf den Wecker, der auf dem Nachtschrank steht. Es stimmt wir haben es gleich um zwölf. „N-nein. Danke“, murmle ich. Die erste Nacht also hier verbringen. Ist es nicht komisch, wenn ein Schüler bei seinem Lehrer wohnt? Aber so sitze ich wenigstens nicht auf der Straße. Das erleichtert mich. Aber das ich jetzt den Kopf wieder freihabe, stimmt nicht. Er ist immer noch voll. Voll mit Gedanken über ihn. Diese Aussage, sie ist doch eher eine Ausrede. Er ist mein Lehrer. Was wäre denn, wenn er es nicht wäre? Wenn er nur irgendeiner wäre? Bei dem Gedanken macht mein Herz einen kleinen Hüpfer. Ich lasse mich auf das Bett sinken und rühre mich keinen Millimeter mehr. Mein Kopf soll endlich ruhig sein.
Mit wirren Gedanken überstehe ich irgendwie die Woche. Es ist anstrengend bei so vielen Dingen im Kopf noch konzentriert zu üben. Doch irgendwie schaffe ich es. Emilio hat mich auch nochmal auf meine Situation angesprochen. Nur zögerlich habe ich ihm gesagt, dass ich vorübergehend bei unserem Lehrer als Untermieter unterkomme. Ich weiß, dass er es keinem anderen sagen wird. Mir ist das nämlich immer noch unangenehm. Dabei bin ich nicht mal richtig eingezogen bei ihm. Meine Sachen wollen wir am Wochenende zu ihm bringen und Montag werde ich dann meinen Schlüssel abgeben. Zum Glück habe ich nicht viele Dinge. In einer kleinen Wohnung kann man nicht so viel hinstellen und die Möbel wahren schon vorher in der Wohnung. Ich durfte sie mit übernehmen und nutzen. Ich versuche mich wieder auf die Schritte zu konzentrieren. Es wird besser eindeutig. „Ihr seid mittlerweile fast immer synchron. Die Choreografie ist ausdrucksstark und passt zu dem Lied. Ihr habt das sehr gut gemacht.“ lobt uns Herr Ito. Ein Lächeln legt sich auf seine Lippen. Ihn so zu sehen ist etwas Besonderes für mich geworden. Oft lächelt er nämlich nicht, dabei steht es ihm doch so gut.
Am Wochenende ist es dann endlich soweit. Ich ziehe endgültig zu Herrn Ito. Da Emilio weiß, dass ich bei ihm unterkomme, hat er angeboten uns zu helfen. Zwar sind es nicht viele Sachen aber doch ein wenig. Ich habe alles sorgfältig zusammengestellt, sodass es leicht ist den Überblick zu behalten. Nacheinander bringen wir die Kisten nach unten. Herr Ito hat angeboten zu fahren. Da nicht alles auf einmal rein passt, muss er zweimal fahren. Während die beiden also die erste Fuhre rüber fahren säubere ich noch einige Stellen. Die Wohnung muss immerhin besenrein übergeben werden.
Als die beiden wiederkommen laden wir die letzten Kisten in das Auto. „Kann ich euch beide allein lassen?“, fragt Emilio als er die letzte Kiste ins Auto stellt. „Ja klar. Vielen Dank“, sage ich und lächle leicht. Ich verabschiede mich von meinem besten Freund und dieser macht sich auf den Weg nach Hause. „Du siehst müde aus.“, bemerkt Herr Ito und mustert mich. „Bin ich auch etwas“, gebe ich ehrlich zu. Wir machen uns auf den Weg zu seiner, beziehungsweise unserer Wohnung. Es ist immer noch so ungewohnt.
In der Wohnung angekommen bringe ich stumm meine Sachen nach oben in mein Zimmer. Anschließend räume ich diese auch sorgsam aus. Ziemlich zufrieden bin ich, dass ich dabei meine Ruhe habe.
Seufzend lasse ich mich vor meinem Bett nieder. Ich habe jetzt wirklich alles ohne Pause sofort aufgeräumt. Es klopft an der Tür, wodurch ich mich wieder erhebe und diese öffnen gehe. „Das Essen ist fertig“, sagt der Ältere und ich nicke leicht. Noch immer bin ich die Größer dieser Wohnung nicht gewohnt, doch der leckere Duft lockt mich weiter. „Dann würde ich jetzt mal sagen; willkommen im neuen Heim, oder?“, sagt er amüsiert. „Vielen Dank. Ich stehe in ihrer Schuld Herr Ito“, flüstere ich nur. „Katsuya.“ kommt es nur von ihm. Verwirrt wende ich mein Blick zu ihm. „Ich mag es nicht, wenn man mich privat mit meinem Nachnamen anspricht. Sag deswegen einfach Katsuya“, erklärt er sich. Ich darf ihn Duzen? Das wird ungewohnt werden. Genauso wie diese Wohnung. Wie lange ich wohl brauch um mich daran zu gewöhnen. „Na komm“, fordert er mich auf und setzt sich an den Essenstisch. Ich folge seiner Aufforderung und setze mich ebenfalls.
Das Essen schmeckt unglaublich gut und ich habe mit mir zu kämpfen um nicht zu viel zu essen. Mein Verhalten scheint lustig zu sein den Katsuya kann sich ein amüsiertes Glucksen nicht verkneifen. „Was?“, frage ich. „Ach nichts. Du musst dich nur nicht zurückhalten“, antwortet er. Pff ich will mich aber zurückhalten. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und starre die Decke an. „Kyo?“ ertönt seine fragende Stimme. Ich gebe nur ein ‚Mh‘ von mir und warte auf seine weiteren Worte. „Du brauchst dich hier nicht zurückhalten und egal was ist, du kannst jederzeit zu mir okay?“, fragt er. Mein Blick sucht den seinen. „Ich bin am Anfang immer zurückhaltend. Das kann ich nicht ändern.“ gebe ich ehrlich zu. „Ich weiß. Aber es ist gut, wenn du weißt, dass jemand da ist”, sagt er nur. Ich nicke leicht und lasse den Tag nochmal Revue passieren. Eigentlich ging es recht schnell und angenehm. Dennoch bin ich müde. Genau deswegen begebe ich mich auch in mein Zimmer, um den Tag zu beenden.
Montag übergebe ich wie abgemacht den Schlüssel an meine Vermieterin. Sie entschuldigt sich ein weiteres Mal und ist ansonsten mit der wohl gepflegten Wohnung sehr zufrieden.
Einige Tage sind mittlerweile vergangen in denen ich mittlerweile bei Katsuya lebe. Ich habe mich immer noch nicht richtig daran gewöhnt, doch irgendwie ist es angenehm. Es ist anders, als wenn man alleine wohnt, denn man weiß, dass jemand da ist. Man wird erwartet, wenn man nach Hause kommt. So auch heut.
Ich war noch mit Emilio unterwegs gewesen, weswegen ich erst gegen Abend zurückkomme. Leise öffne ich die Tür und betrete den kleinen Flur. „Na Spaß gehabt?“ ertönt die fragende Stimme Katsuyas. „Mh ja. Er kann zwar manchmal anstrengend sein und manchmal nervt es, das er mich ständig fragt, warum ich keine Freundin habe, aber er ist und bleibt mein bester Freund“, antworte ich ihm ohne nachzudenken. Im nächsten Moment könnte ich mich dafür Ohrfeigen. Habe ich doch bemerkt, dass unser Lehrer sehr neugierig sein kann. Hoffentlich fragt er mich nicht auch noch aus. Allerdings antworte ich ihm immer ehrlich. Egal was er fragt, meine Antwort kommt, ohne zu zögern und sie ist immer aufrichtig. „Freunde zu haben ist wichtig. Aber du scheinst ihm nicht alles anzuvertrauen“, bemerkt der Dunkelhaarige. Darauf antworte ich nicht, denn es stimmt. Es gibt viele Dinge, die ich einfach für mich behalte. Sie gehen niemanden etwas an. Zumindest fast niemanden. Aus unergründlicher Weise verrate ich diese Dinge, nämlich meinem Lehrer. Ich gehe durch das Wohnzimmer und betrete den Balkon. Auf diesem bin ich oft und lasse meine Gedanken schweifen. An der frischen Luft hat man so viel mehr Ideen. Etwas Ruhe tut jedem gut und noch habe ich etwas Zeit. Ich habe es mir nämlich zu Aufgabe gemacht das Essen zu machen und auch sonst einige Dinge im Haushalt zu erledigen. Auch wenn ich diese Aufgaben freiwillig mache, sind sie mein Anteil, weswegen ich keine Miete zahlen brauch. Katsuya hat deswegen noch mit mir gesprochen. Erst nachdem ich selbst angefangen habe die Aufgaben zu machen. Gerne habe ich diesen Vorschlag angenommen, weil er mich ja eh kein Geld ausgeben lassen wollte.
Mit Kopfhörern in den Ohren bin ich dabei das Abendessen zu machen. Dabei singe ich unbewusst die Lieder alle mit. Ich bemerke nicht, wie ich dabei beobachtet werde. Ein dunkelbraunes Augenpaar schweift immer wieder zu mir. Mustert mich mit undeutbaren Blicken. Hätte ich es bemerkt, wäre es mir wohl unangenehm gewesen. Doch durch die Musik in meinen Ohren und den Texten in meinem Kopf bin ich komplett abgelenkt. Das Kochen beansprucht dabei mein letztes Stückchen Aufmerksamkeit.
Als ich fertig bin, decke ich den Tisch und mache noch zusätzlich Trinken. Ich stecke meine Kopfhörer in die Tasche und blicke zu Katsuya, welcher auf dem Sofa sitzt. „Kommst du?“, frage ich ruhig. Komischerweise hat es nicht lange gedauert, bis es zur Gewohnheit wurde ihn zu duzen. Es ist so zu Gewohnheit geworden, dass ich es manchmal fast in der Schule machen will. Da aber bis auf Emilio niemand weiß, dass ich bei ihm wohne, wäre das nicht so gut. Am Ende würden noch irgendwelche Gerüchte aufkommen. Der Ältere setzt sich an den Tisch und wir essen gemeinsam. „Du hast Spaß am Singen, oder?“, fragt er plötzlich. „Mh ja ich mag es. Warum fragst du?“ antworte ich ihm. „Du hast eben jedes Lied mitgesungen“, meint er nur gelassen. Sofort blicke ich verlegen weg. Das ist peinlich. „Wenn du singen so magst, warum übernimmst du da keine einzige Stelle in eurem Lied?“, fragt er interessiert. Überrascht sehe ich ihn wieder an. Stimmt wir haben mittlerweile entschieden, wer das Lied alles singt. Ich habe mich freiwillig dagegen entschieden. „So gut bin ich nicht. Deswegen lasse ich die anderen das machen“, antworte ich ausweichend. Beim besten Willen aber jeder, der meine Stimme kennt weiß, dass ich gut bin. In der Schule wurde ich schon oft gefragt, warum ich bei solchen Dingen nie mitmache. Warum eigentlich? Vielleicht wende ich mich ja ab, damit mich keiner sieht? So gut bin ich nicht! Ausreden! Meine Gedanken sind Ausreden. In Wirklichkeit habe ich Angst! Angst vor Kritik und davor ausgelacht zu werden. Es nicht zu schaffen und wieder unten zu sein. Unbewusst balle ich meine Hände zu Fäusten. Warum studiere ich Musik, wenn ich mich nicht traue? Wie will man so einen Wunsch erfüllen? Ich schrecke plötzlich auf, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. „Warum machst du dich selbst so schlecht?“, fragt eine flüsternde Stimme nah an meinem Ohr. Warum? Ich weiß es nicht. „Du hast eine wunderschöne Stimme und das kannst du mir ruhig glauben. Sei stolz darauf. Es mag schwer sein aber du kannst das. Vertrau dir selbst mehr“, sagt Katsuya flüsternd. Sein Atem kitzelt dabei mein Ohr und ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich schiebe die Hand von meiner Schulter und erhebe mich. Stumm verschwinde ich in meinem Zimmer und lasse mich auf das Bett sinken. Ich bemerke wie mir die Tränen kommen, welche ich nicht mal versuche zu unterdrücken. Würde ja eh nichts bringen. Es würde es nur herauszögern. Was ist eigentlich los mit mir? Warum fühlt sich seine Nähe so gut an, doch gleichzeitig schmerzt es so extrem! Liegt es daran, dass ich es nicht gewohnt bin? Ich meine Katsuya habe ich fast den ganzen Tag um mich herum. Er macht sich Sorgen und wenn etwas ist, kümmert er sich. Es ist schön zu wissen, dass es so ist. Er ist eine wichtige Person geworden. Eigentlich schon ein Freund. Doch irgendetwas in mir rebelliert dagegen. Mein Magen dreht sich um und mir wird schlecht. Immer wieder würgt es mich ab, doch ich beherrsche mich. Mit leerem Blick starre ich die Tür an. Ich weiß nicht wie lange ich so sitze. Mein Kopf ist völlig leergefegt. Erst ein leises Klopfen reist mich aus dieser Starre. „Hey ist alles in Ordnung?“, fragt Katsuya leise als er den Raum betritt. Mein Blick fixiert ihn ohne jeglichen Ausdruck. „Schau mich nicht so an. Das ist unheimlich. Entschuldige, ich war wohl etwas zu aufdringlich. Ich sagte dir doch, dass ich damals selbst damit zu kämpfen hatte“, sagt er ruhig und setzt sich neben mich. Ich nicke nur leicht und mustere ihn aus dem Augenwinkel. „Ich habe manchmal ziemliche Verlustängste. Wenn jemand bei mir ist, dann will ich unbedingt zu der Person und bin ziemlich aufdringlich. Ich komme nicht damit klar, allein sein zu müssen und wenn mich jemand verlässt, ist das, das schlimmste für mich. Mit sowas kann ich nicht umgehen. Auch wenn es jemanden schlecht geht und ich Angst haben muss, dass es meinetwegen ist. Entschuldige, wenn ich zu aufdringlich war. Manchmal bemerke ich das selbst nicht“, sagt er entschuldigend. Überrascht sehe ich ihn an. „Sag es mir das nächste Mal einfach ok?“, spricht er leise weiter. „Es ist ja nicht so, als wärst du zu aufdringlich“, sage ich. Katsuya schaut mich beruhigt an. „Vermutlich komme ich mit der Situation einfach noch nicht klar. Ich bin es nicht gewohnt jemanden, um mich zu haben“, murmle ich leicht verlegen. „Das kommt noch. Wenn du nie jemanden hattest, ist es doch normal. Hey sag mal warum hast du dir nie eine Freundin gesucht? Eigentlich sehnt man sich doch danach endlich liebe zu spüren, oder nicht? Man vermisst es doch.“, fragt er und wechselt damit das Thema. Ich wusste es doch. Er ist neugierig. „Wenn man dieses Gefühl nicht kennt, dann vermisst man es auch nicht. Ich weiß ja nicht mal was das für ein Gefühl ist oder wie es sich anfühlt. Ja es gibt Dinge, die mir wichtig sind, aber das kann man nicht lieben nennen. Vielleicht ist es auch gut so“, antworte ich ihm ruhig. „Demnach denke ich mal, dass du noch nie eine Beziehung hattest“, sagt er plötzlich. Innerlich meinen Kopf gegen die Wand knallend nicke ich nur leicht. „Hast du denn gar keine Lust es herauszufinden? All das was da dazu gehört?“, fragt er, als wäre es das normalste der Welt. Gut eigentlich ist es das auch. Mensch der ist neugieriger und schlimmer als Emilio. „Wenn es sich mal ergibt vielleicht. Aber ich bin darauf nicht verpicht“, antworte ich ihm nur. Wo soll dieses Gespräch eigentlich hinführen? Allerdings wenn er so neugierig ist, kann ich das auch mal. „Was ist mit dir. Warum lebst du allein, wenn du es vermisst?“, frage ich ihn. Überrascht sieht er mich an. Hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich ihn dasselbe frage. „Gute Frage. Ich hatte schon zwei Beziehungen aber diese haben nicht lange gehalten. Dies liegt allerdings an mir. Es ist etwas kompliziert“, antwortet er nur leicht ausweichend. „Kompliziert? Tja vielleicht ist es ja ganz gut, dass ich noch keine hatte. Damit erspare ich mir das“, seufze ich und blicke an die Decke. „Na so meinte ich das nicht du Idiot“, kommt es amüsiert von ihm. „HEY!“, meckere ich auf das ‚Idiot‘ hin. „Schon gut“, lacht er und streicht mir über den Kopf. „Pff ich fühle mich wie ein kleines Kind“, murre ich nur. „Bist du“, kommt es sofort von dem Dunkelhaarigen. „Was? Ich bin 21 und bei Gott kein Kind mehr“, maule ich ihn an. „Du bist unerfahren wie ein Kind“, sagt er nur und grinst. Ich schnaube und drehe mich beleidigt weg. Ist doch nicht so schlimm, wenn man noch keine Erfahrung hat. Es gibt wichtigere Dinge. „Sag schon warum ist es kompliziert? Warum liegt es an dir?“, frage ich, drehe mich aber nicht um. „Mh wenn ich dir das jetzt sage, nimmst du reiß aus“, sagt er nur. „So schnell flüchte ich nicht. Also?“, meine ich nur und drehe meinen Kopf erwartungsvoll zu ihm. „Sagen wir es so, die beiden Beziehungen hatte ich mit Frauen. Allerdings habe ich gemerkt, dass sie kein Reiz auf mich haben“, antwortet er völlig ruhig. „Du stehst also auf Männer. Dann ist es wirklich kompliziert. In der heutigen Gesellschaft immer noch nicht gern gesehen“, stimme ich ihn auf seine Aussage von vorhin zu. „Du gehst damit besser um als gedacht“, murmelt er mehr zu sich selbst. „Was? Hast du gedacht ich schubs dich angeekelt weg und schrei dich an, dass du weg von mir sollst? So bin ich nicht. Es stört mich nicht. Eigentlich ist es doch etwas ganz normales? Ist doch egal, wen man liebt. Hauptsache man tut es und es ist wirklich“, sage ich und blicke wieder nach vorn. „Mh. Es ist schon spät. Gute Nacht“, sagt er nach einer Weile und ich bemerke, wie er aufsteht. „Gute Nacht“, sage ich gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment ist er aus dem Zimmer verschwunden. Was ein Tag. Was ein Gespräch. Aber es tat gut oder auch nicht. Ich weiß es nicht. Es verwirrt mich.
Langsam ist es für mich wirklich normal, dass ich nicht mehr alleine wohne. Irgendwie kann ich es mir auch nicht mehr anders vorstellen. Es ist viel zu schön. Außerdem macht es Spaß. Ja wirklich. Manchmal habe ich das Gefühl wieder zum Kind zu werden. Ich bin auch viel lockerer geworden. Meine Texte sind in letzter Zeit auch etwas fröhlicher, was Emilio bemerkt hat. Aber es ist doch gut als immer nur diese Trauer. Man kann alles erreichen, wenn man nur fest daran glaubt. Niemals darf man seine Träume aufgeben.
Wir gehen gerade noch einmal die Choreografie durch als uns Herr Ito unterbricht. „Da ihr ja nichts mehr ändern wollt an dem Lied habe ich noch eine Überraschung für euch. Natürlich ist es schwer das Lied zu spielen und dann noch den Tanz dazu. Ohne Musik bringt er nichts und wenn ihr nebenbei spielt, … na ja das würde sehr komisch aussehen. Deswegen werden wir morgen in ein Tonstudio gehe. Dort dürft ihr euer Lied professionell aufnehmen“, sagt er und lächelt leicht. Dieses Lächeln … Mein Blick liegt auf dem Älteren. Da fällt mir ein, in unseren ganzen Gesprächen habe ich nie nach seinem Alter gefragt. Sollte ich mal machen. Die Andere freuen sich total was ich auch verstehen kann. In ein professionelles Tonstudio zu gehen ist etwas Besonderes. Ich bin genauso aufgeregt wie sie. Wir besprechen noch einige Dinge bevor der Unterricht vorbei ist. Schnell packe ich alles ein und eile raus, immerhin habe ich noch Dienst.
Im Café herrscht reges Kommen und Gehen. Dennoch bleibe ich ruhig und diszipliniert. Ganz im Gegenteil zu unserer Praktikantin. Sie ist ziemlich überfordert. Ich greife ihr natürlich unter die Arme und unterstütze sie. Als es plötzlich scherbelt drehe ich mich sofort in die Richtung. Einer der Kollegen und sie sind anscheinend zusammengestoßen und das Geschirr liegt auf dem Boden. Ich gehe zu den Beiden und bemerke, dass er sie flüsternd beleidigt. „I-ich … e-entschuldige“, murmelt sie nur und zittert leicht. Es ist heut ihr erster Tag und ich habe die ganze Zeit beobachtet, dass er sie absichtlich überfordert. Sanft lege ich eine Hand auf ihre Schulter. „Ruhe. Räumt das weg! Das klären wir später“, sage ich nur streng, da ich über beiden stehe. Sofort wende ich mich an unsere Gäste und verbeuge mich leicht. „Wir bitten um Verzeihung für diese unschöne Störung“, sage ich höflich. Danach wende ich mich an den Gast, der eben sein Kuchen bekommen sollte. Ich entschuldige mich auch bei ihm und bringe ihm einen Neuen. Danach vergeht die Arbeit ohne weitere Probleme.
Nach Dienstschluss stehen wir zu viert hinten im Personalraum. „Warum kannst du mich einfach so herumkommandieren und tadeln! Du bist nichts Besonderes!“, blafft mich der Kellner an. Mein Blick liegt streng auf ihm. „Wo ist dein Respekt gegenüber Älteren? Du hast sie absichtlich überfordert, glaubst du echt, ich habe das nicht bemerkt? Für wie dumm hältst du mich?“, frage ich komplett ruhig. Sowas könnte man die Ruhe vor dem Sturm nennen, denn innerlich koche ich mittlerweile. So etwas Respektloses von einem kleinen Idioten nervt einfach. Er ist gerade mal 16 und hat so eine große Klappe. „Er kann dich herumkommandieren und tadeln, weil er weitaus mehr Erfahrung hat als du. Was sollen unsere Gäste nur denken? So ein unvernünftiges Verhalten. Du hast auch mal angefangen und wir haben Rücksicht genommen. Ich will nicht noch einmal von solchen Problemen hören. Ihr könnt gehen“, sagt unser Chef ruhig. Der Jüngere schnaubt und verlässt das Café. Ich nehme mir gerade meine Tasche als mich die Stimme meines Chefs innehalten lässt. „Danke Kyo. Du bist mein bester Angestellter. Wie wäre es willst du meine rechte Hand werden? Dir kann ich die Verantwortung anvertrauen, wenn ich nicht da bin. Du handelst richtig und immer zum Wohl der Gäste und des Cafés. Du würdest natürlich auch eine Gehaltserhöhung bekommen“, sagt er ruhig. „Ich überlege es mir“, antworte ich. Ein Lächeln ziert das Gesicht des älteren Mannes. Ich verlasse das Café und seufze leicht. „Ähm Danke“, ertönt plötzlich eine Stimme. „Mh? Ach kein Problem“, antworte ich und wende mich zu dem Mädchen, welches hier draußen gewartet hat. „Darf ich dich ein Stück begleiten?“, fragt sie neugierig. „Mh musst du nicht nach Hause?“, kommt es von mir. „Wir wohnen in derselben Richtung. Ich bin dir heut Morgen fast den ganzen Weg gefolgt, weil ich auch hier hinmusste“, antwortet sie. Ach so. Ich zucke nur mit den Schultern und mache mich auf den Weg. Sie folgt mir weswegen wir uns auf dem Weg etwas unterhalten, auch wenn es meinerseits recht wenig ist. Es ist komisch. Dabei kann ich mit Katsuya über alles reden. Egal mit welchem Thema er beginnt, ich steige sofort darauf ein. Mit meinen Gedanken bei dem Dunkelhaarigen höre ich dem Mädchen nur halb zu.
Vor dem Haus verabschiede ich mich höflich als gerade ein Auto stehen bleibt. Ein mir bekanntes Auto. Hatte er so lange in der Universität zu arbeiten? Katsuya steigt eben aus und begrüßt uns höflich. „Musstest du so lange arbeiten?“, frage ich und bekomme nur ein Nicken. „Wen hast du denn mitgebracht?“, fragt Katsuya neugierig. Innerlich lächelnd schüttle ich den Kopf. Sie vorstellen brauch ich nicht, denn sie redet eh schon. Irgendwie viel zu schnell sind die beiden in einem Gespräch vertieft. Ist er immer so offen gegenüber Fremden? Mein Magen dreht sich um und am liebsten würde ich ihn einfach wegzerren. Kindische Gedanken, denn er kann selbst entscheiden. Was sollen diese Gedanken überhaupt? Ich schnaube nur und verschwinde im Haus. Den Abend über ignoriere ich Katsuya und hänge in meinen Gedanken fest. Ich bin wütend über mein eigenes Verhalten und gleichzeitig verwirrt.
Am nächsten Tag freue ich mich auf das Tonstudio. Auf dem Weg dahin unterhalte ich mich mit Emilio und Miri. Ich bin echt gespannt, wie es wohl wird. Das wäre dann das erste Lied, das wir aufnehmen. Es ist zwar etwas traurig, dass ich mich dagegen entschieden habe mitzusingen aber egal. Trotzdem wird es ein tolles Erlebnis.
Als wir das große Gebäude betreten staunen wir nicht schlecht. Wir werden anfänglich herumgeführt und uns wird alles erklärt. Aufmerksam betrachte ich alles und versuche mir alles zu merken. Es ist so interessant. Emilio geht es wie mir. Er ist völlig gebannt von den Dingen. Als wir dann endlich den ersehnten Raum betreten seufzt irgendwie jeder erleichtert. „Na ihr könnt es wohl kaum erwarten.“ lacht der Mann, welcher uns herumgeführt hat. Er erklärt uns noch einige Dinge bevor wir beginnen unser erstes Lied aufzunehmen.
„Das habt ihr wirklich ausgesprochen gut gemacht. Man merkt gar nicht, dass ihr das zum ersten Mal gemacht habt“, sagt er lobend. Überraschender Weise klatschen wir alle ein auch, wenn wir uns nicht alle leiden können. Dennoch Musik verbindet und das finde ich so schön. Wir verbringen noch eine ganze Weile in dem Tonstudio und beenden unseren Tag auch da. Da ich heute und das Wochenende freihabe, frage ich Emilio ob wir noch etwas unternehmen wollen. „Kyo kann ich mal kurz mit dir reden?“, erklingt plötzlich Katsuyas Stimme leise hinter uns. Ich drehe mich um und sehe ihn an. „Was ist?“, frage ich. „Ich warte draußen auf dich“, sagt mein bester Freund und verschwindet. Damit stehen wir hier allein. „Was ist los? Seit gestern ignorierst du mich“, fragt er und ein bitterer Ton schwingt in seiner Stimme mit. „Nichts ist los. Lass mich einfach“, murre ich nur. Ich will gerade gehen, als ich am Handgelenk gepackt werde. „Hast du nicht gesagt, du flüchtest nicht so schnell? Was machst du dann jetzt?“, fragt er unsicher. „Was ich mache? Was machst du? Bist du bei jedem so offen und plauderst dein halbes Leben aus? Manche Dinge sollte man nur besonderen Menschen sagen. Werf dich doch gleich jedem an den Hals“, blaffe ich ihn an. Katsuyas schaut mich überrascht an. Als mir klar wird was ich eben gesagt habe weiten sich kurz meine Augen. Eine Träne rollt über meine Wange. Scheiße! Ich drehe mich um und verschwinde nach draußen. Lasse ihn einfach da stehen. Draußen greife ich nach Emilios Handgelenk und ziehe ihn mit. „H-Hey jetzt Warte mal Kyo!“, sagt er und versucht stehen zu bleiben.
Erst als ich weit genug von diesem verdammten Tonstudio weg bin bleibe ich stehen und schnaufe leicht. „Was ist den los gewesen?“, fragt er und verschnauft. „Ich bin ein Idiot, das ist los“, bringe ich nur hervor. Emilio mustert mich fragend. „Gehen wir was trinken?“, frage ich ihn. „Ich werde dich nicht allein lassen sonst machst du noch Mist. Erzähl schon, was los ist“, sagt er aufmunternd. Wir gehen in eine Bar und ich erzähle ihm, was los ist. Es ist das erste Mal, dass ich mit ihm über meine Gefühle rede. „Kyo sag mal kann es sein, dass du auf ihn stehst?“, spricht er seine Schlussfolgerung aus. Überrascht sehe ich den Rothaarigen an. „Naja bei deinem ganzen Gefühlschaos wäre es gut denkbar und auf die Situation gestern warst du eifersüchtig. Er muss dir also wichtig sein. Wenn du dich in seiner Nähe auch noch so geborgen und wohl fühlst, würde das sehr darauf hindeuten. Vielleicht hast du es nicht bemerkt, aber in letzter Zeit lächelst du immer wieder, wenn du ihn siehst“, erklärt er auf meinen Blick. Ein Seufzen entweicht mir. Selbst wenn es so ist, was soll ich denn machen? Ich kenne es doch nicht. Ich weiß nicht wie sowas geht. Um meinen Kopf frei zu bekommen, betrinke ich mich an dem Tag. Mir doch egal was andere denken. Emilio sorgt zwar dafür, dass es nicht zu viel wird, aber trotzdem tut es gut. Soll dieser Idiot sich Sorgen machen. Er solle ein schlechtes Gewissen haben. Diesmal würden wir nicht gemeinsam den Abend verbringen. Es tat weh, doch ich hoffe, dass es ihm schlechter geht als mir. Vielleicht bereut er sein Handeln ja. Mir wäre es recht. Ich schnaube leicht und versuche meine Gedanken davon loszubekommen.
Emilio begleitet mich noch bis nach Hause. Der Weg gestaltet sich als schwer. Hat er zwar deutlich weniger getrunken als ich, doch auch er ist angetrunken. Für mich gibt es, glaube, keine Rettung mehr. Ich bin dicht und das komplett. Einen Vorteil habe ich aber, egal wie viel ich trinke, ich laufe immer gerade. Dennoch beginnen meine Gedanken sich wieder nur um eine Person zu drehen. Es waren keine harmlosen Gedanken, denn mir wurde heiß. Kann mich jemand in das nächste Eisbecken schubsen? Oder ein Eimer mit eiskaltem Wasser über mich kippen? „Du legst dich jetzt am besten hin. Mensch was du immer machst. Aber lieber so als etwas Schlimmeres“, dringt Emilios Stimme zu mir. Er hascht nach meinem Schlüssel und schließt die Türen auf.
In der Wohnung bemerke ich nur nebenbei, dass Katsuya zur Tür eilte. Überrascht sieht er auf mich und meinen Kumpel. „Was?“, fragt er verwirrt. „Das passiert, wenn er instabil ist. Könnten sie sich um ihn kümmern?“, fragt Emilio ruhig. „Ja klar“, sagt er nur und im nächsten Moment wird mir schwarz vor Augen.
Als ich aufwache, hämmert mein Schädel wie verrückt. Murrend drehe ich mich um, um dem Licht zu entfliehen. Die Decke ziehe ich über meinen Kopf und schließe wieder die Augen. Als ich eine Tür höre, lausche ich auf. Mh? Wer? Meine Gedanken drehen sich eine Weile im Kreis bis mir der Gedanken kommt, dass es Katsuya sein muss. Stimmt, ich hatte ihn angemeckert und bin dann gegangen. Eigentlich wollte ich doch etwas mit Emilio unternehmen. Bin ich vielleicht gar nicht bei ihm, sondern bei meinem Freund? Ich kann mich nicht erinnern. Ein totaler Filmriss. Das heißt ich war trinken. Murrend erhebe ich mich und sehe mich leicht um. Ich bin zu Hause. Also war es Katsuya. Ist er gegangen oder gekommen? Ich verlasse mein Zimmer und gehe ins Bad um erstmal zu duschen. Das Wasser beruhigt meine Kopfschmerzen etwas doch ein ungutes und schuldbewusstes Gefühl macht sich in mir breit. Ich habe ihn eigentlich völlig grundlos angemeckert. Zumindest für ihn grundlos. Er weiß ja nicht, warum ich so sauer war. Es wäre nur gerecht, wenn ich es ihm erkläre. Nachdem ich mit duschen fertig bin und mich für den Tag zurechtgemacht habe verlasse ich das Bad. Ich gehe nach unten, um in die Küche zu gehen. Dort nehme ich mir was zu Trinken und verschwinde auf den Balkon. Da es komplett still ist, vermute ich, dass Katsuya vorhin gegangen ist. Es wundert mich nicht. Ich seufze leicht und trinke etwas um anschließend meinen Kopf gegen die kühle Wand zu lehnen. Wieder beginnt ein pochender Schmerz in meinem Kopf.
Ein leises Klicken der Tür verrät mir, dass eben jemand die Wohnung betritt. Ich sitze immer noch auf dem Balkon. Mittlerweile bedecke ich meine Augen mit meinem Arm, um sie vor der Sonne zu schützen. „Du bist wach. Wie geht es dir?“, ertönt Katsuyas ruhige Stimme. Wenn er einmal hier ist, würde ich sagen jetzt oder nie. „Verzeih mir. Ich wollte das nicht“, murmle ich. „Ach was. Jeder trinkt mal zu viel, das passiert“, sagt er nur beruhigend. „Das meine ich nicht“, gebe ich von mir und nehme den Arm von meinen Augen um ihn anzusehen. Verwirrt mustert er mich. „Ich meine mein Verhalten dir gegenüber von gestern. Du bist alt genug um selbst zu entscheiden, was du wem sagst. Ich hatte nicht das Recht dich anzumeckern“, sage ich und wende meinen Blick wieder ab. „Braucht man jetzt das Recht dazu um jemanden anzumeckern? Außerdem finde ich, du hattest das Recht dazu“, antwortet er. Diesmal bin ich es der ihn verwirrt anschaut. „Komm erstmal rein. Da machen wir was zu Essen“, sagt er und ich nicke leicht. Wir gehen rein und ich suche einige Dinge raus für das Mittagessen. Stumm koche ich das Essen und warte eigentlich darauf, dass er erklärt, was er meint. Warum hatte ich das Recht um ihn anzumeckern? Er ist doch ein erwachsender, freier Mann. Es war falsch ihn deswegen anzumeckern. Warum konnte ich nicht einfach meinen Mund halten? Es hätte mir einige Probleme erspart. Warum auch ausgerechnet er? Hätte es nicht jemand anderes sein können? Ich sollte es mir einfach eingestehen, dass ich auf ihn stehe. Hätte mir nicht jemand sagen können, dass es schrecklich ist sich zu verlieben? Da bin ich ja froh, es bis jetzt nicht gekannt zu haben. Am liebsten hätte ich es auch nie kennengelernt. Es ist ein nerviges Gefühl.
Als das Essen fertig ist, decke ich noch schnell den Tisch, wobei mir Katsuya behilflich ist. Beim Kochen versucht er nicht mehr zu helfen. Das hat er einmal gemacht, aber ich mag es so überhaupt nicht, wenn man mir da rein fuscht. Aber das ist jetzt eigentlich auch gar nicht wichtig. Viel wichtiger ist, warum er nichts sagt? Er meinte doch, wir sprechen drinnen, oder? Warum ist er dann so ruhig? Ein Seufzen entweicht mir. „Hey sag mal, was meinte Emilio gestern damit?“, fragt er und bricht damit endlich mal das Schweigen. „Welche Aussage?“, frage ich, weil ich mich ja nicht daran erinnern kann. „Er meinte gestern, als er dich hergebracht hat, dass sowas passiert, wenn du instabil bist“, erklärt er. „Ach so. Er meint damit, dass es öfter passiert, dass ich Mist mache, wenn ich psychisch instabil bin. Es ist immer unterschiedlich. Ich versuche dann einfach vor allem zu fliehen und es zu vergessen“, antworte ich ihm. Der Dunkelhaarige nickt nur leicht. Wieder bereitet sich Stille aus, eine bedrückende Stille. Er soll etwas sagen! Verdammt! Die Stille ertrage ich nicht noch länger. „Ähm …“ beginne ich zögerlich. „Du willst bestimmt wissen was ich damit meine, nicht wahr? Warum du das Recht dazu hattest“, fragt er, womit er mich unterbricht. Ich nicke nur leicht und betrachte ihn abwartend. Zeitgleich breitet sich ein ungutes Gefühl in mir aus. Will ich eigentlich hören, was er zu sagen hat? „Weißt du, du hattest das Recht dafür. Es ist auch ganz einfach zu sagen warum. Ich habe es absichtlich gemacht. Mich hat deine Reaktion interessiert. Weißt du, ich wollte dich provozieren. Kindisch, nicht wahr? Sag mal Kyo warst du eifersüchtig?“, erzählt und fragt er. Überrascht sehe ich ihn an. Er hat es absichtlich getan? Wollte mich provozieren? Aber warum? Was wollte er? Und was Antworte ich auf seine Frage? Ich war eifersüchtig, ja aber das kann ich ihm doch nicht sagen. „Irgendwie“, kommt es mir über die Lippen ohne, dass ich es verhindern kann. „Das freut mich“, sagt der Ältere nur erleichtert. Was? Warum freut es ihn? Ich komme nicht mehr mit. Katsuya steht auf und kommt zu mir. „Weißt du, wärst du nicht eifersüchtig gewesen, wäre ich traurig gewesen. Ich sagte dir doch damals, dass ich dich interessant finde, du es aber nicht falsch verstehen sollst. Das war nicht ganz richtig. Ich finde dich nicht als Person im Allgemeinen interessant, sondern als Mann. Du hast etwas an dir was mich von Anfang an angezogen hat. Ich wollte nicht zu aufdringlich werden aber ich wollte auch nicht weg von dir“ gesteht er im Flüsterton. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Heißt es etwa, er fühlt genauso wie ich? Bei dem Gedanken wird mir heiß und ein Kribbeln breitet sich in meinem Magen aus. „Kyo, ich liebe dich“, haucht er. Mein Herz macht einen riesigen Hüpfer und schlägt so schnell, dass ich Angst habe, er könnte es hören. „Ähm …“ bringe ich hervor. Mein Kopf schafft es gar nicht alles schnell genug zu verarbeiten. „Entschuldige. Ich war zu voreilig“, bringt er raus und sein Blick ist sichtlich gekränkt. „Nein! Das ist es nicht. Ich bin nur etwas …ziemlich verwirrt“, gebe ich ehrlich zu. Es hätte mich auch gewundert, wenn ich einmal nicht ehrlich zu ihm bin. „Du weißt, ich höre immer zu“, sagt er leicht auffordernd. „Naja ich kenne es doch nicht. Für mich war das alles nur total verworren. Ich wusste nicht, warum es mir missfiel, dass du mit der Praktikantin aus dem Café geredet hast und dann noch über so viele Dinge. Warum ich es so angenehm in deiner Nähe fand und warum ich mich wohlfühlte. Warum gewisse Aussagen von dir schmerzten. Das war alles so verwirrend für mich. Wenn man das Gefühl nicht kennt, kann man es nicht einordnen. Für mich war es einfach nur komisch und verrückt. Wie sollte ich denn auch darauf kommen, dass ich mich verliebt habe? Emilio hat mich erst auf den Gedanken gebracht. Allein hätte ich das nie verstanden“, sprudelt es aus mir raus. Geschockt über mein indirektes Geständnis verstecke ich mein Gesicht, welches bestimmt total Rot ist, hinter meinen Händen. Ich vernehme ein leises Glucksen von Katsuya. Das ist peinlich, kann jetzt bitte ein Loch im Boden aufgehen? Gern würde ich darin versinken. „Hey Kyo.“ vernehme ich seine sanfte Stimme. Auf seine Anrede schüttle ich jedoch nur den Kopf. Ich will die Hände nicht wegnehmen. Er soll mich so nicht sehen. Als ich merke, wie er seine Hände auf meine legt, versuche ich mich noch mehr zu verstecken. Doch er nimmt meine Hände weg und lächelt mich nur an. Mein Blick huscht hin und her und ich spüre wie sich das Kribbeln in mir verstärkt. Ich bin nervös und aufgeregt aber gleichzeitig strahlt er so eine Ruhe aus, die mich beruhigt. Meine Gefühle spielen einfach verrückt. „Ich liebe dich“, haucht der ältere und kommt mir näher. Hat er etwa vor? Weiter kommen meine Gedanken nicht, denn ich spüre seine weichen Lippen auf meinen. Mir wird heiß und kalt, es ist, als würde mein Kreislauf gleich zusammenbrechen, dazu kommt dieses unerträglich Kribbeln, das sich mittlerweile in meinem ganzen Körper verteilt. Der Kuss ist so sanft, was ich nicht gewohnt bin. Ohne es zu bemerken, laufen mir heiße Tränen über die Wange. Er liebt mich. Ein Gefühl was ich nicht kenne. Meine Gedanken drehen sich und ich versuche Halt an Katsuya zu finden. Nachdem er den Kuss gelöst hat, schaut er mich verwundert an und wischt mir die Tränen weg. „Was hast du?“, fragt er leise. „Nichts … ich bin es nur nicht gewohnt“, antworte ich ihm. „Stimmt und weißt du was? Genau das will ich dir zeigen. Was es heißt zu lieben und geliebt zu werden. Alles was dazu gehört. Jedes kleine Gefühl, was mit Liebe zu tun hat und wenn du irgendetwas hast oder mit etwas nicht klar kommst dann sag es mir bitte“, sagt der Ältere leise und legt seine Arme um mich. Wie bin ich nur in diese Situation geraten? Aber es fühlt sich gut an. So richtig. „Heißt das …“, beginne ich, werde aber unterbrochen von ihm mit den Worten: „Das wir zusammen sind? Ja genau das.“ Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Doch dieses schöne Gefühl wird schnell wieder zunichtegemacht. Auch wenn es sich so schön und so richtig anfühlt, das ist es nicht. Es ist falsch! Diese Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Wie konnte ich das nur vergessen? Es geht nicht, egal wie schön es sich anfühlt. Er ist mein Lehrer! Eine Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist verboten. Er kann seinen Job dadurch verlieren und ich mein Studium. Das kann ich ihm nicht antun. Nicht nach dem was er durchmachen musste. Katsuya will anderen helfen und das tut er auf seine Weise. Er hat so viel erreicht. Hat sich von Jemand, der nichts hat hier hingearbeitet. Meinetwegen seinen Beruf zu verlieren wäre nicht richtig. Ich könnte mir das nicht verzeihen. Sanft und doch bestimmt drücke ich den Dunkelhaarigen von mir. Dieser schaut mich natürlich verwirrt an. „Es tut mir leid, aber es geht nicht. Es ist nicht richtig. Wir sind Schüler und Lehrer. Ich will nicht, dass du meinetwegen deinen Job verlierst“, erkläre ich meine Tat. „Du bist süß. Immer Gedanken über andere machen aber nie an sich selbst denken. Keine Sorge, du hast dein Studium doch fast beendet, dann bist du kein Schüler mehr”, sagt er ruhig. „Mag sein, aber bis dahin geht es nicht. Es tut mir leid. Ich möchte dich nicht verletzen aber …“ beginne ich leise. „Du verletzt mich damit aber. Es sind nur ein paar Monate, ein paar Wochen. Es gibt viele Möglichkeiten, um es geheim zu halten und sich trotzdem zu sehen. Außerdem wohnst du bei mir. Demnach bist du so oder so immer bei mir. Niemand kann etwas sagen. Ach und wegen meinem Beruf als Lehrer, mach dir da keine Sorgen. Ich bin nicht wirklich Lehrer“, sagt er gelassen. Überrascht sehe ich ihn an.Wie nicht wirklich Lehrer? „Das wirst du noch sehen. Es ist eine Überraschung also schön still sein. Außerdem lasse ich dich eh nicht mehr gehen“, sagt er nur und kommt mir näher. „Vertrau mir“, haucht er und legt seine Lippen wieder auf die meine.
Einige Tage sind seit dem Geständnis von Katsuya vergangen. Wir unternehmen viel zusammen, passen aber auf, dass uns niemand sieht, der uns kennt. Es macht einfach Spaß mit ihm Zeit zu verbringen. Nur in der Schule bewahren wir den Abstand.
So auch heut wieder. Wir sitzen im Klassenzimmer und besprechen einige Dinge. Nächste Woche werden die Vorstellungen beginnen. Jeden Tag ist eine Gruppe an der Reihe. Wir müssen das Lied vorspielen, die Choreografie vortanzen und unsere Zusammenarbeit erzählen. Den schriftlichen Teil müssen wir bereits Ende dieser Woche abgeben. Am Ende bekommen wie die Einschätzung und unsere Note. Ich bin aufgeregt, denn nach der Woche sind es nur noch zwei Monate und dann haben wir unseren Abschluss. Trotzdem weiß ich noch nicht, was ich nach dem Studium machen will. Vielleicht sollte ich wirklich schauen, ob ich die Songs aufnehme. Es wäre ja schön, wenn jemand auf mich aufmerksam wird. Dafür muss ich mich aber noch mehr anstrengen und sollte auch endlich mal an einigen Dingen teilnehmen. Die Uni bietet viele Möglichkeiten, denn es werden oft Videos gemacht und mit unserem Einverständnis auf die Seite geladen. Ich habe es immer abgelehnt oder gar nicht erst mich Filmen lassen. Vielleicht sollte ich es einfach mal probieren. Mich etwas mehr öffnen. Sonst wird das nie etwas werden. „Hey Kyo?“, dringt Emilios Stimme zu mir durch und reist mich auch meinen Gedanken. „Mh ja was ist?“, frage ich ihn. „Hast du später schon was vor? Ich möchte dir etwas zeigen“, fragt mich der Rothaarige im Flüsterton. „Nein nichts geplant, also gern. Um was geht es?“, frage ich genauso leise. Kein Wunder eigentlich sollten wir unserem lieben Lehrer zuhören, der auch eben bemerkt hat, dass wir miteinander reden. „Ihr habt ja viel zu erzählen, das würden gern alle wissen“, sagt Herr Ito tadelnd. „Ich habe Kyo nur nach einem Taschentuch gefragt doch er hat leider keine“, kommt es sofort von Emilio. Wie er einfach immer die passendsten Ausreden hat. Ich muss mir ein Lachen verkneifen. Katsuya schüttelt nur leicht den Kopf und gibt uns eine Aufgabe. Wir sollen unsere Zusammenarbeit selbst einschätzen. Das ist leicht. Ich schnappe mir Zettel und Stift und fange an meine Einschätzung zu schreiben. Katsuya bemerke ich nicht, welcher zu uns kommt. „Du bist aber sehr direkt“, flüstert er nur und ich schrecke etwas zusammen. Überrascht sehe ich ihn an. „Wirklich, zeig mal“, murmelt Emilio und liest sich mein bis jetzt Geschriebenes durch. Stimmt, ich bin direkt, aber es bringt auch nicht jetzt zu schreiben, dass alle perfekt gelaufen wäre. Es gab eben ziemliche Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten am Anfang. Auch, wenn es zum Ende besser wurde. Obwohl, Sakura jetzt manchmal noch ziemlich zickt. Trotzdem bin ich irgendwie froh in dieser Gruppe zu sein, denn wir haben etwas Besonderes auf die Beine gestellt. Ich setze mich wieder an meine Einschätzung und bin darin vertieft, bis es zum Stundenende klingelt. Da es unsere letzte Stunde war haben wir jetzt Schluss. Die Einschätzungen sollen wir auf den Tischen liegen lassen. Ich habe gerade meine Sachen zusammengepackt als Emilio mich schon mit zieht. Ich folge ihm etwas überrumpelt in die Stadt. „Was willst du denn hier?“, frage ich ihn neugierig. „Ich habe gestern eine interessante Entdeckung gemacht als ich durch die Stadt geschlendert bin“, erzählt er. Was das wohl für eine Entdeckung ist, dass er sie mir unbedingt zeigen muss. Er führt mich durch die Straßen und bleibt vor einem Haus stehen. Ich mustere das Gebäude. Es handelt sich um eine Kneipe, die erst vor kurzen geöffnet hat. Sehr begehrt unter den jungen Leuten. Laut Aussagen haben sie eine gute Stimmung, sehr gute Musik und Getränke. „Und?“, frage ich, da mir nicht einfällt, warum er mir das zeigen wollte. „Ein Freund von mir hat den Laden eröffnet und sie wollen eine Band, die für ihre Bar arbeitet. Es haben sich auch schon ein paar Jungs gemeldet aber ihnen fehlen ein zweiter Gitarrist und ein Schlagzeuger. Ich weiß, dass du sowas nicht gern machst, aber hättest du Lust mit mir einmal vorzuspielen? Bitte. Es wäre doch toll. Wir verdienen auch gut“, erzählt er begeistert. „Ein Zweitjob wäre schon nicht schlecht aber ich arbeite im Café und das bis Abends. Irgendwann muss ich auch lernen“, gebe ich ihm zu bedenken. „Stimmt schon, aber unser Studium ist doch bald vorbei. Vielleicht entdeckt uns ja jemand“, murmelt er nur. „Hey Emilio was machst du denn hier?“, ertönt eine Stimme. „Oh hey Dave“, sagt mein bester Freund und dreht sich zu einem Mann. Auch mein Blick wandert zu ihm. Blonde kurze Haare und goldbraune Augen, trägt eine schwarze Hose, ein weises Hemd und eine schwarze Weste. Außerdem noch eine Fliege und eine Brille. Der Mann zündet sich eben eine Zigarette an. „Also?“, fragt er und bläst Rauch aus. „Ich hatte nur eine Idee und versuche ihn noch zu überzeugen“, antwortet Emilio. Dieser Dave schaut ihn nur fragend an. „Naja ihr sucht doch noch einen Schlagzeuger und einen Gitarristen. Das ich Schlagzeug spiele weißt du ja und Kyo spielt super E-Gitarre, nur arbeitet er schon in einem Café und dann das Studium es würde zeitlich nicht passen. Zumindest die nächsten wei Monate“, erklärt er. „Auch am Wochenende?“, fragt Dave und wendet sich an mich. „Wochenenddienst ist keine Pflicht für mich, aber ich verdiene damit mehr“, antworte ich. „Ihr müsstet nur am Wochenende auftreten. Wenn du den Dienst nicht machen musst, dann kannst du doch am Wochenende für mich arbeiten. Ich werde dich auch ausreichend entschädigen“, sagt er und grinst nur. Ablenkung wäre schön und, wenn es nur am Wochenende ist. Ich stimme zu und wir reden noch über einige Dinge. Da die anderen beiden, Zane und Luke, auch da sind dürfen Emilio und ich auch gleich mal vorspielen. Die Drei sind begeistert und so kommt es, dass Dave unsere Verträge die Woche machen will. Zane und Luke sind nett und mögen noch dazu dieselbe Musikrichtung wie wir. Die beiden spielen zwar im Moment nur Hobby mäßig wollen aber versuchen mit der Musik weiter zu kommen. Emilio musste es natürlich herausrutschen, dass ich selbst Lieder schreib. Wenn ich wollte, sollte ich nächstes Mal einen meiner Songs mal mitbringen, da sie ihn gern gesehen hätten.
Wir sind auf dem Heimweg da das alles doch länger gedauert hat als geplant. „Danke. Das wird bestimmt lustig werden. Ich bin froh, dass ich mit dir zusammenarbeiten darf. Ehrlich gesagt hatte ich etwas Schiss davor dort zu fragen“, gesteht mein Kumpel auf dem Weg. „Warum? Du kennst Dave doch“, frage ich verwirrt. „Ja das stimmt schon. Nur Luke und Zane nicht. Die drei kennen sich seit dem Kindergarten und eine eigene Bar mit Band war ihr Traum gewesen. Ich spiele nicht so gut Schlagzug“, murmelt er. „Du spielst also nicht gut Schlagzeug? Stimmt“, sage ich. Entsetzt schaut mich Emilio an. Kein Wunder er hat auch, glaube, nicht damit gerechnet, dass ich ihm zustimmen würde. „Ich bin also wirklich schlecht“, murmelt er nur und wendet seinen Blick ab. „Das habe ich nicht gesagt“, sage ich nur ruhig. „Aber-“ beginnt er doch, ich unterbreche ihn mit einer Handbewegung. „Ruhe ich bin noch gar nicht fertig. Ich stimme die zu, du spielst nicht gut Schlagzeug. Du spielst besser. Dein Spiel ist einzigartig und perfekt. Etwas ganz Besonderes. Gut kommt an dein Spiel nicht ran. Das wäre eine Beleidigung“, sage ich nur und grinse ihn frech an. „Du bist so ein Idiot! Und ich dachte schon. Danke Kyo“, sagt er und beginnt zu lachen.
Zu Hause angekommen ist noch niemand da. Ich bringe meine Tasche schnell ins Zimmer und begebe mich anschließend in die Küche, um Essen zu machen. Da Katsuya noch nicht da ist, freue ich mich unglaublich auf ihn. Ich habe einen neuen Job und das mit meinen besten Kumpeln, einen wunderbaren Freund. Was will man mehr? Ein Glücksgefühl macht sich in mir breit. In letzter Zeit habe ich das oft. Vor allem warte ich irgendwie immer sehnsüchtig auf ihn. Es ist so schön, diese Gefühle sind so schön und ich frage mich in letzter Zeit immer mehr, wie ich es vorher nur ohne ausgehalten habe. Diese angenehme Wärme einer anderen Person, dieses Glücksgefühl und die Geborgenheit sind einfach etwas ganz Besonderes. Es ist für mich etwas ganz Besonderes. Katsuya ist so sanft und liebevoll aber dennoch immer noch neugierig. Er hat sich nicht viel verändert, aber man merkt, dass eine Last von seinen Schultern ist. Auch ich fühle mich deutlich besser. Zumindest am Tag, denn in der Nacht werde ich geplagt von Alpträumen, in denen er mich auslacht und von mir geht. Ich schrecke immer mit einem Schrei aus dem Schlaf und habe oft Angst, dass er es bemerkt. Sein Schlafzimmer ist zwar am anderen Ende des Flures, aber so dick sind seine Wände doch nicht. Vielleicht hat er mich auch nur noch nicht darauf angesprochen um mich nicht zu kränken. Dabei wäre es schön mit ihm darüber zu reden. ‚… wenn du irgendetwas hast oder mit etwas nicht klar kommst dann sag es mir bitte‘ kommen mir seine Worte in den Kopf. Ein Seufzen entweicht mir. „Was hast du?“, ertönt eine Stimme und ich höre, wie eine Tür ins Schloss fällt. Sofort drehe ich mich Richtung Flur um. „Habe nur eben über etwas nachgedacht“, antworte ich ihm und lächle leicht. Wo ist das endlose Vertrauen, welches ich vorher immer zu ihm hatte? Auch das habe ich bemerkt. Wir reden immer noch über viele Dinge aber das was mich belastet behalte ich für mich. Ich habe Angst, so wie es immer ist. Diese Angst bekomme ich nicht los. Verlustängste. Hat Katsuya nicht dasselbe Problem? Allerdings wäre ich froh, wenn es nur Verlustängste wären. „Du schaust aber nicht gut aus. Hast du genug geschlafen?“, fragt mich der Ältere, als er vor mir steht. Ich habe letzte Nacht gar nicht geschlafen und das sieht man auch sehr deutlich, seine Frage ist also nicht verwunderlich. „Ich habe zu lange an einem Lied gearbeitet und die Zeit vergessen“, antworte ich nur halb die Wahrheit. Denn eigentlich wollte ich nicht wieder von diesen Alpträumen geplagt werden und habe mich deswegen Hals über Kopf in ein neues Projekt gestürzt. „Dann solltest du dich dann etwas ausruhen. Du siehst nicht gut aus“, sagt er besorgt. Ich nicke nur leicht und bringe ein Lächeln zustande, dann wende ich mich wieder dem Essen zu. „War ich nicht heute eigentlich dran?“, fragt Katsuya amüsiert. „Du kennst mich doch“, sage ich nur leicht lachend. Stimmt eigentlich haben wir uns die Tage aufgeteilt, aber ich koche ziemlich gern, weswegen ich oft seine Tage übernehme. „Du warst heut mit Emilio unterwegs, oder?“, fragt der Dunkelhaarige, als er beginnt den Tisch zu decken. „Ja er wollte mir unbedingt etwas zeigen. Ich habe mich ziemlich gewundert aber weiß ja jetzt um was es ging“, antworte ich ihm. Während des Essens erzähle ich Katsuya dann auch von der Bar und meinem Zweitjob. Wie nicht anders erwartet macht er sich Sorgen um mich, weil er denkt, ich überanstrenge mich wieder. Allerdings wird das so schnell nicht passieren. Ich bekomme eher Probleme, wenn ich das mit meinem Schlaf nicht auf die Reihe bekomme.
Nach dem Essen will er unbedingt, das ich mich ausruhe, weswegen er die Küche aufräumt. Ich sitze auf dem Sofa und schalte durch die Sender. Irgendwie kommt aber auch gar nichts Interessantes. Letzten Endes bleibe ich dann bei einem Horrorfilm. Als Katsuya fertig ist, setzt er sich neben mich und fast automatisch lehne ich mich an ihn. Ich liebe einfach diese Wärme und Geborgenheit. „Du bist aber wirklich immer kuschel bedürftig“, bemerkt er amüsiert. „Pff ich muss eben viel nachholen“, gebe ich gespielt beleidigt von mir und setze mich auf um die Arme vor der Brust zu verschränken. Er lacht kurz auf und zieht mich wieder zu sich. Allerdings lande ich mit meinem Kopf auf seinem Schoß. Überrascht blicke ich zu ihm auf. „Was?“, fragt er unschuldig und streicht mir durchs Haar. Ich schüttle nur den Kopf und genieße die Berührung von ihm. Dabei fallen mir immer wieder meine Augen zu. Jedoch bin ich ganz schnell wieder wach, als ich etwas Weiches auf meinen Lippen spüre. Verwirrt blicke ich zu Katsuya auf, welcher sich zu mir gebeugt hat und mich sanft küsst. Ich erwidere den Kuss ebenso sanft und bemerke, dass seine Hand, welche mir die ganze Zeit durch Haar strich, an meiner Wange liegt. „Entschuldige, es war einfach zu niedlich wie du versucht hast dich wach zu halten. Warum gehst du nicht ins Bett, wenn du so müde bist?“, fragt er mich flüsternd. Das ist leicht zu beantworten, weil ich wieder Alpträume haben werde und nicht schlafen kann. Unbewusst verkrampfe ich mich etwas. „Ich sagte doch, du kannst immer mit mir reden, wenn etwas nicht stimmt“, haucht er und sein Daumen streicht über meine Lippen, um anschließend wieder an der Wange liegen zu bleiben. Ich schmiege mich der Wärme entgegen. Eine Weile betrachtet Katsuya mich so. „Denkst du, ich habe es nicht bemerkt? Du schläfst in letzter Zeit kaum noch. Was plagt dich des Nachts so, dass du so eine Panik bekommst?“, fragt er sanft. „Du“, murmle ich nur. Sein Blick wandelt sich von ruhig zu überrascht und anschließend zu verwirrt. „Ich träume von dir. Du lachst mich dann plötzlich aus und lässt mich allein. Ich bin nicht so stark wie man denkt. Das ist immer bei mir. Du fragtest mich doch, warum ich nicht singe. Ganz einfach ich habe Angst. Angst davor nicht gut genug zu sein, allein gelassen zu werden, ausgelacht zu werden, es nicht zu schaffen. Ich habe auch Angst davor dich zu verlieren“, gebe ich ehrlich zu und unterdrücke meine Tränen. „Mein Lieber ich werde dich nicht verlassen. Auch nicht auslachen oder etwas. Das einzige was ich immer tun werde ist dich lieben und hinter dir stehen. Egal was ist ich bleibe bei dir und helfe dir. Vertrau mir“, sagt er liebevoll und gibt mir wieder einen Kuss. „Du bist mir so wahnsinnig wichtig, ich könnte dich nicht einfach allein lassen. Damit würde ich mir selbst weh tun“, haucht er an meine Lippen. Katsuya steht auf und trägt mich in sein Schlafzimmer. „Was?“, frage ich überrascht. „Du bleibst einfach hier. Ich habe genauso so viel Angst davor dich zu verlieren wie du. Lass uns einfach zusammenbleiben und es gemeinsam überstehen“, sagt er ruhig. So kommt es, das ich diese Nacht eng an ihn gekuschelt einschlafe und seit Jahren endlich mal ruhig und erholsam durchschlafe.
Seitdem ich mit Katsuya gesprochen habe blieb es nicht bei der einen Nacht wo ich bei ihm schlief. Mittlerweile schlafen wir immer zusammen und ich habe dadurch einen ruhigen und erholsamen Schlaf. Doch weiß ich genau, dass ich bald wieder ein Problem haben werde. Dennoch genieße ich die Zeit, gehe meiner Arbeit nach und lerne für das Studium. Dave hat sich auch bei Emilio und mir gemeldet. Das wird zwar etwas anstrengend, aber ich kenne es ja nicht anders und bin es gewohnt. Es ist ja auch nicht mehr lang. Außerdem weiß ich immer wo ich zu Ruhe kommen kann. Bevor ich jetzt allerdings an das alles denke, sollte ich mich darauf konzentrieren, dass wir eine gute Bewertung bekommen. Wir sind als letztes an der Reihe und ich bin ziemlich aufgeregt. Meinen schriftlichen Teil habe ich gestern abgegeben. Es war anstrengend ihn zu schreiben und Zeit dafür zu finden, doch letzten Endes habe ich es geschafft.„An was denkst du?“, reist mich Katsuyas Stimme aus meinen Gedanken. „An unser Lied und die Choreografie“, antworte ich ihm. „Ihr schafft das schon. Trotz der Schwierigkeiten am Anfang habt ihr etwas Besonderes auf die Beine gestellt“, muntert er mich auf. Ein Seufzen entweicht mir. „Ich weiß. Ganz ehrlich ich bin froh, wenn Sommerferien sind. Dann habe ich endlich etwas Ruhe“, sage ich und blicke in den Himmel. „Aber du bürdest dir doch auch immer so viel auf“, bemerkt er ruhig. „Ich kann nicht anders“, murmle ich nur. Es stimmt, ich kann wirklich nicht anders. Ich bin es gewohnt immer viel zu tun und überall zu helfen. Das plötzlich zu ändern ist nicht so leicht. Ehrlich gesagt kann ich es mir auch nicht vorstellen, wenn ich nichts zu tun habe. Ich muss einfach immer was zu tun haben, sonst fühle ich mich schlecht. „Komm mit ich will dir was zeigen“, sagt der Ältere plötzlich und greift nach meiner Hand. Er führt mich zum Auto und ich steige etwas verwirrt ein. Wo will er denn hin? Jedoch sagt er mir das nicht, selbst nachdem ich nachgefragt habe. Alles was er mir sagt ist, dass es eine Überraschung ist. Ich betrachte die Landschaft, welche an uns vorbeizieht. Die Gegend kenne ich gar nicht. Wo fährt er denn hin mit mir?
Als wir endlich stehen bleiben und ich ausgestiegen bin, blicke ich mich sorgsam um. Wir stehen vor einem Aquarium. Ich wollte zwar schon immer mal in eins und habe es auch mal erwähnt aber, dass er mich einfach hierher bringt überrascht mich doch sehr. „Katsuya“, murmle ich leise. „Du wolltest doch mal in eins“, sagt er flüsternd und steht plötzlich hinter mir. „Ja schon aber-“ beginne ich, werde aber unterbrochen. „Aber? Freust du dich nicht?“, fragt er besorgt. „Im Gegenteil ich freue mich wahnsinnig. Ich bin nur so überrascht. Danke“, antworte ich ihm. „Genieße es“, haucht er und gibt mir einen leichten Kuss auf die Wange. Sofort legt sich eine leichte Röte auf meine Wangen. Kein Wunder normalerweise sind wir auch Zuhause, wenn er mich küsst. Zusammen gehen wir in das Aquarium und ich bin sofort begeistert. Die verschiedensten Meeresbewohner. Fasziniert beobachte ich die Tiere und vergesse dabei fast Katsuya. „Die gefällt es was?“, fragt er flüsternd, als ich eben eine Schildkröte beobachte. „Ja. Schon als kleines Kind wollte ich mal an so einen Ort“, antworte ich ihm. Meine Begeisterung wächst noch mehr als wir durch den Gang gehen, wo wir von Wasser umrundet sind. Es ist so bezaubernd wie die Tiere über unseren Köpfen mit Leichtigkeit durch das Wasser gleiten. Es scheint so, als würden sie da durch fliegen. So mühelos, obwohl Wasser ein Widerstand ist. Ich bin einfach hin und weg von allem was ich sehe und Katsuya ist sichtlich amüsiert über mein Verhalten.
Nachdem wir das Aquarium verlassen haben, sind wir in ein Restaurant gegangen. Nicht verwunderlich es ist bereits abends. Wir haben also mehrere Stunden in dem Aquarium verbracht. „Dir hat es gefallen“, sagt Katsuya beruhigt. „Ja sehr sogar. Vielen Dank. Es war etwas ganz Besonderes für mich“, sage ich und lächle leicht. Der Dunkelhaarige erwidert das Lächeln und mir wird warm.
Nachdem wir gegessen haben machen wir uns auf den Weg zum Auto. Er hat heut so viel für mich gemacht. Irgendwie fühle ich mich schlecht, weil ich ihm nichts geben kann. Da fällt mir was ein, jeder Kuss von uns geht von ihm aus. Vielleicht kann ich ihm doch etwas geben. „Katsuya?“ beginne ich und warte darauf, dass er sich zu mir umdreht, da er leicht vor mir läuft. Als der Ältere sich zu mir gedreht hat handle ich schneller als ich denken kann. Schnell habe ich mich zu ihm gestreckt und meine Lippen auf seine gelegt. Diesmal habe ich nicht meine Augen geschlossen, da ich seine Reaktion beobachten will. Überrascht weiten sich seine Augen ehe er sie schließt und den Kuss erwidert. Seine Arme legen sich um meine Hüfte und ziehen mich näher zu ihm. Wieder breitet sich dieses angenehme Kribbeln in meinem Körper aus und mir laufen kalte und heiße Schauer über den Rücken. Ich liebe ihn. Ja ich liebe ihn wirklich unglaublich sehr. Nie wieder will ich ihn in meinem Leben missen. Eine Hand des Dunkelhaarigen streicht plötzlich über meine Wange, weswegen ich mich dieser Wärme entgegenschmiege. Nach einer Weile lösen wir uns wieder voneinander. „Womit hab ich das verdient?“, fragt Katsuya amüsiert. Er weiß genauso gut wie ich, dass ich eher passiv bin und die meisten Handlungen von ihm begonnen werden. „Ich wollte dir auch etwas geben“, murmle ich verlegen. Dadurch schaffe ich es ihn zum Lachen zu bringen. „Pff dann eben nicht“, murre ich und drehe mich weg. „Du bist süß. Wenn du das öfter machst, garantiere ich für nichts mehr“, raunt er in mein Ohr. Wieder läuft ein Schauer über mein Rücken. Wie schafft er das nur bei mir? Was macht dieser Mann mit mir? „Lass uns nach Hause“, haucht er und ich nicke nur. Wir steigen ins Auto und fahren Heim. Auf dem ganzen Weg schweige ich und schaue aus dem Fenster bis mir die Augen zufallen.
Die letzten Tage sind meiner Meinung nach viel zu schnell vergangen. Heut ist bereits Freitag und wir sind dran. Eigentlich sollte ich endlich mal schlafen doch ich wälze mich nur hin und her. Hoffentlich wecke ich Katsuya nicht. Mein Blick liegt starr an der Decke. Ich bin so aufgeregt. Was ist, wenn wir es versauen? Ich mache mir so viele Sorgen. „Mit offenen Augen wirst du nicht schlafen können“, dringt plötzlich Katsuyas Stimme zu mir durch. Ich schrecke zusammen und blicke ihm dabei zu, wie er sich aufsetzt. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht wecken“, flüstere ich. „Du hast mich nicht geweckt. Ich habe noch nicht geschlafen. Ehrlich gesagt war das Einschlafen auch etwas schwer“, sagt er belustigt. Bedrückt sehe ich weg. „Keine Sorge es ist nicht schlimm. Du denkst an morgen. Bist du immer so nervös?“, fragt er beruhigend. „Ja leider. Ich kann nichts dagegen machen“, murmle ich nur. „Da gibt es eine einfache Lösung. Kopf aus“, sagt er nur. Nett, nur bekomme ich meinen Kopf nicht aus. Als würde Katsuya eben meine Gedanken lesen lacht er kurz und legt seine Lippen auf meine. Immer wieder küsst er mich und schafft es damit, dass meine Gedanken verschwinden. Aber bei seinen Küssen und seinen Berührungen könnte ich auch gar nicht an etwas denken oder mir Sorgen machen.
Der Tag beginnt mit dem schrillen Geräusch des Weckers, den ich ausschalte. Ich strecke mich und stehe auf um mich für den Tag fertig zu machen. Anschließend mache ich noch Kaffee für einen gewissen Herrn, der früh eher träge aus dem Bett kommt. Es ist schon lustig. Er ist immer total vernünftig und erwachsen, aber wenn es ums aufstehen geht, kann er wie ein kleines Kind sein. Ein Kichern entweicht mir bei dem Gedanken. Als der Kaffee fertig ist, nehme ich eine gefüllte Tasse und gehe wieder ins Schlafzimmer. „Hey komm du musst aufstehen“, versuche ich es doch bekomme keine Reaktion von ihm. Ich seufze leicht und stelle die Tasse auf den Nachttisch. Wie jeden Morgen, aber da kommt mir eine Idee. „Herr Ito sie müssen aufwachen. Der Unterricht beginnt“, sage ich nur und rüttle leicht an seiner Schulter. Sofort schlägt er die Augen auf und sitzt im Bett. „Bin wach. ‘Tschuldigung“, nuschelt er verschlafen. Bei dem Anblick kann ich mir das Lachen nicht verkneifen. Verwirrt blickt er mich an als er auch mal endlich realisiert, dass wir noch zu Hause sind. „Du bist ein Fiesling mich so zu wecken“, sagt er nur eingeschnappt. „Anders bekomme ich dich doch nicht wach. Hier“, sage ich beschwichtigend und reiche ihm die Tasse. „Danke meine geliebte Frau“, kommt es von ihm, als er mir die Tasse abnimmt. „HEY!“, meckere ich. Wir fangen beide an zu lachen. „Los beeil dich. Ich will heute nicht zu spät kommen“, sage ich nur und stehe auf. Es dauert auch nicht lange und er ist mit allem fertig, sodass wir uns auf den Weg zur Uni machen.
„Guten Morgen“, begrüße ich die anderen. Wir sprechen nochmal alles ab, proben das Lied und den Tanz. Bevor wir bewertet werden haben wir nochmal eine Stunde, um zu üben. Diese Stunde kommt mir jetzt endlos vor. Ich bin so aufgeregt und will es endlich hinter mir haben. „Na wie sieht es aus?“, fragt uns Herr Ito. „Ich will es langsam hinter mich bringen“, sagt Miriam und die anderen nicken zustimmend. „Na dann“, kommt es nur von ihm. Alle anderen aus unserer Klasse werden uns zusehen, so wie wir bei ihnen zugesehen haben. Dazu unsere Lehrer. Ich bin total aufgeregt. Der Anfang wird noch leicht, denn wir müssen da nur erklären, um was es in dem Lied geht und warum wir es so ausgewählt haben. In dem Moment wird mir auch klar, dass alles was Katsuya von uns verlangt hat uns, auf das hier vorbereitet hat. Auch, wenn die anderen manchmal darüber gemeckert haben, es hatte alles seinen Sinn. Die Frage warum wir Musik machen, die Einschätzung, die alleinige Zusammenarbeit und sogar das Brainstorming hat uns nur hierfür vorbereitet. Als wir auf der Bühne stehen beginnen wir damit unser Thema und die Wahl dazu zu erklären. Da wir es mit ihm damals durchgegangen sind, fällt es uns sehr leicht. Einige andere Gruppen hatten da bereits ihre Schwierigkeiten. Anschließend spielen wir das Lied vor. Dies verläuft ohne einen Patzer und auch die Vorführung der Choreografie verläuft problemlos. Erleichtert atme ich aus, als wir fertig sind. Zwar bin ich verschwitzt aber glücklich. Jetzt kommt der etwas schwierigere Teil, denn jede Gruppe hat bis jetzt am Ende eine Frage gestellt bekommen. „Ich möchte gerne von ihnen wissen, wie sie die Arbeit und Hilfe von Herrn Ito in ihrer Gruppe gefunden haben?“, fragt uns der Professor. „Was? Aber er hat doch kaum geholfen“, flüstert Sakura und auch die anderen wissen kein Rat. Ein Schüler kann doch nicht seinen Lehrer runter machen, aber das müssen wir auch nicht. „Ich hätte mir keinen besseren Lehrer für diese Aufgabe vorstellen können“, sage ich ruhig und ernte überraschte Blicke der anderen. „Erklären sie“, fordert mich unser Professor auf. „Nun ja er hat uns einfach perfekt für den heutigen Tag vorbereitet. Auch wenn wir manche Aufgaben manchmal sinnlos fanden, so ist mir jetzt klar geworden, dass jede einzelne Tat von ihm einen guten Grund hatte. Jede seiner Fragen hat nur dafür gesorgt, dass wir hier heute ohne Probleme stehen können. Seine Frage warum wir Musik machen. Die Einschätzung über unsere Zusammenarbeit. Auch, dass er uns eher allein als Team arbeiten lassen hat. Sogar das Brainstorming von ihm. Alles waren kleine Teile, von dem was heute auf uns zukam. Wir mussten unsere Themenwahl erklären, mussten das hier als Team durchziehen und müssen jetzt eine Einschätzung geben, was eine Aufgabe war, die wir nicht wussten. Gesagt wir müssen eben improvisieren. Auch wenn ich aufgeregt war, wusste ich, dass wir es ruhig schaffen werden, da mir aufgefallen ist, dass er uns auf alles perfekt vorbereitet hat“, erkläre ich. „Da hast du Recht Kyo. Auch, wenn es bei uns anfänglich Schwierigkeiten gab, er hat doch dafür gesorgt, dass wir heute das hier gemeinsam als Team durchziehen, weil er vorher bereits uns als Team zusammen arbeiten lassen hat. Wir haben von Anfang an unsere Probleme gemeinsam gelöst“ stimmt Emilio mir zu. Nachdem wir fertig sind, kommt unsere Einschätzung. Sowohl von Herrn Ito als auch von den anderen. Aufgeregt haben wir den Worten gelauscht und umso größer war die Freude und Erleichterung als wir alle eine Eins bekommen haben. Besser konnte es nicht laufen. Das war ein super Tag.
Nur noch eine Woche und das Studium ist beendet. Ich bin aufgeregt, denn Katsuya hat etwas geplant. Oft habe ich versucht herauszubekommen was er denn geplant hat, doch er meint immer nur, dass es eine Überraschung sei. Ich hasse es manchmal so geduldig zu warten. Es ist dasselbe wie mit seiner Aussage damals, dass er nicht wirklich Lehrer ist. Immer wieder zerbreche ich mir den Kopf deswegen, aber ich komme auf keine Antwort. Ein Seufzen entweicht mir und ich blicke in den Himmel. Ich bin eben auf dem Weg zur Arbeit. Es ist warm geworden, meiner Meinung nach zu warm. Dafür haben wir im Café guten Umsatz. Viele kommen, um da eine Pause zu machen und sich mit einem Eisbecher abzukühlen. Es ist immer viel los und demnach haben wir genug zu tun. Obwohl ich am Wochenende abends in der Kneipe mit den anderen Jungs arbeite, besser gesagt spiele, helfe ich vormittags auch noch im Café. Es ist anstrengend, doch ich bin es gewohnt.
„Guten Morgen Kyo. Danke, dass du wieder aushilfst“, begrüßt mich mein Chef, als ich den Laden betrete. „Kein Problem“, sage ich nur und verschwinde in den Personalraum um mich umzuziehen. Nachdem ich fertig bin, mache ich mich auch gleich an die Arbeit. Dabei werde ich von zwei Kollegen gegrüßt und auch von einigen unserer Stammgäste. Wie es sich gehört erwidere ich höflich. Ich nehme die Bestellungen auf, gebe diese an die Küche weiter, helfe beim Zubereiten, bringe den Gästen ihre Bestellung, kassiere und säubere die Tische. Es ist ein angenehmer Arbeitstag und auch, wenn es anstrengend ist, macht es doch Spaß.
Nach 8 Stunden bin ich auch fertig und darf mich wieder auf dem Heimweg machen. Die Nachmittagssonne ist unangenehm heiß und lieber wäre ich wieder in dem kühlen Geschäft. Ich mag den Sommer nicht wirklich. Das einzig gute war, dass man schwimmen gehen kann. Am Meer war es meist kühler. Zu meinem Pech ziehen sehr schnell Wolken auf und es dauert nicht lange, da fallen die ersten Tropfen auf den Boden. Schnell beginnt ein starker Regen und man hört in einiger Entfernung Donnergrollen. Schnell laufe ich nach Hause, doch obwohl ich mich beeile, komme ich komplett durchnässt zu Hause an. Mit tropfenden Sachen schließe ich die Tür hinter mir. Ob Katsuya wohl schon zu Hause ist? Aber darüber kann ich mir nicht viele Gedanken machen. Ich sollte zusehen, dass ich trocken werde und etwas esse. „Ohje Kyo was ist denn mit dir passiert“, ertönt die Stimme meines Freundes als ich ins Wohnzimmer komme. „Es regnet“, bemerke ich nur. „Warte“, kommt es knapp von ihm und er verschwindet. Ich schäle mich gerade aus meinen nassen Klamotten, als Katsuya wiederkommt und mir ein Handtuch über den Kopf wirft. „So wirst du nur krank“, sagt er und trocknet mir meine Haare ab. Ich lasse es zu und nachdem er fertig ist, gehe ich mich schnell umziehen. „Na aufgeregt?“, ertönt die fragende Stimme des Älteren. Die Frage ist berechtigt. Morgen ist mein Abschluss. Natürlich bin ich ein wenig aufgeregt. 4 Jahre habe ich Musik studiert und habe jetzt meinen Abschluss. Nur was mache ich danach? Einen genauen Plan habe ich noch nicht. Gerne würde ich als Berufsmusiker mein Lebensunterhalt verdienen. Vielleicht konzentriere ich mich auch auf die kleine Band in der Kneipe. Wer weiß was die Zukunft bringt. Hätte ich viel Geld, dann wäre ich erstmal auf Reisen gegangen, aber so gut habe ich es nicht. „Hey Kyo?“ Katsuyas Stimme reist mich aus meinen Gedanken. „Ja ich bin aufgeregt“, gebe ich zu. Zwei Arme legen sich um mich und ziehen mich an einen warmen Körper. Sofort schmiege ich mich an die Wärmequelle. Wir verbringen den Nachmittag und Abend gemeinsam bis ich irgendwann einschlief.
Am nächsten Morgen bin ich sehr zeitig munter. Viel zu zeitig denn es ist noch dunkel. Ich versuche an mein Handy zu kommen, was gar nicht so leicht ist da Katsuya mich fest umarmt, um auf die Uhr sehen zu können. Als ich es erreicht habe, blendet mich erstmal das helle Display, weswegen ich die Augen zusammenkneife. Nach einem kurzen Moment gewöhne ich mich daran und erkenne, dass wir es gerade mal um zwei haben. Ich kann schlecht jetzt schon aufstehen. „Das ist hell“, murrt plötzlich Katsuya. Überrascht halte ich den Atem an, denn ich habe nicht damit gerechnet, dass er so einen leichten Schlaf hat. Er greift nach meinem Handy und betätigt einen Knopf wodurch es wieder dunkel wird. „Ruh dich noch etwas aus“, haucht er an mein Ohr. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. „Ich kann nicht mehr schlafen. Du kannst gerne noch schlafen, aber ich werde aufstehen“, murmle ich und versuche mich aus der Umarmung zu befreien. Dies geht allerdings ziemlich schnell schief, denn ich liege bald auf dem Bauch und er sitzt auf meinem Gesäß. „Du stehst jetzt noch nicht auf. Am Ende schläfst du später bei deinem Abschluss ein. Versuch dich zu entspannen“, sagt er streng, aber doch auch ruhig. Seine Hand streicht über meine Wange und wieder läuft mir ein Schauer über den Rücken. „Katsuya“, flüstere ich kaum hörbar. Seine Nähe und Wärme beruhigt mich, doch es macht mich wahnsinnig, dass ich ihn nicht richtig sehen kann. Seine Hand streicht über meinen Nacken zu meinen Schultern, welche er sanft massiert. „Entspann dich“, meint er nur und massiert nach und nach Schultern, Nacken und Rücken. Durch seine Berührungen schaffe ich es tatsächlich mich zu entspannen und mit der Entspannung kommt die Müdigkeit wieder in meine Glieder. Ich schließe meine Augen und schlafe noch einmal ein.
Als ich das nächste Mal wach werde spüre ich ein Gewicht auf mir. Meine Gedanken wandern wieder an die Situation in der Nacht. Wie lange hat er mich wohl massiert? „Hey Katsuya?“, sage ich leise. „Mhm …gleich“, kommt es von ihm. Ein Schmunzeln huscht über meine Lippen. Dieser Morgenmuffel. „Katsuya ich kann nicht aufstehen“, sage ich leise. „Was ist passiert? Warum kannst du nicht aufstehen?“, kommt es panisch von ihm und ich merke, wie er sich aufsetzt. „Oh entschuldige“, sagt er leise und geht von mir runter. „War ja in gewisser Weise meine Schuld“, sage ich kichernd und stehe auf um mich für die Uni fertig zu machen. Heut ist ein besonderer Tag. Wir bekommen dann sogar extra Kleidung. Ich bin aufgeregt aber irgendwie auch traurig. Die anderen kommen alle mit Familie nur ich nicht. Ob sie stolz auf mich wären? Ich bezweifle es, denn sonst hätten sie mich nicht ausgesetzt.
In der Uni herrscht reges Treiben. Überall laufen Leute hin und her. Ich gehe meine Sachen abholen und anschließend in ein ruhiges Zimmer. Doch lange bin ich nicht allein. „Wusste doch, dass ich dich hier finde“, ertönt Emilios Stimme als er den Raum betritt. „Mh ich wollte noch etwas Ruhe haben“, sage ich nur. „Verständlich. Es ist viel los. Hast du einen Plan?“, fragt er mich. Ich schüttle mit dem Kopf, da ich weiß auf was er anspielt. „Also ich werde mich wahrscheinlich auf die Arbeit in der Kneipe konzentrieren. Wer weiß vielleicht schaffen wir es ja und kommen mal groß raus“, sagt er motiviert. „Wer weiß“, sage ich nur und blicke aus dem Fenster. „Woran denkst du?“, fragt er und eine leichte Besorgnis schwingt in seiner Stimme mit. „Nichts.“, flüstere ich nur. Es ist gelogen. So sehr gelogen. Mein Inneres ist aufgewühlt und ich weiß nicht warum. Ich will zu ihm. Schnell verlasse ich den Raum und durchlaufe den Campus. Mein Blick wandert unruhig von einer Person zu nächsten. Ich passe nicht auf, wo ich hinlaufe, bis ich gegen jemanden renne. „Kannst du nicht aufpassen du Idiot!“, werde ich von einer bekannten Stimme an geblafft. „Entschuldige“, flüstere ich nur und blicke mich weiter um, beachte die Person nicht. Er ist ebenfalls in meiner Klasse und hat es sich noch nie entgehen lassen mich fertig zu machen. „Na nach wem suchst du denn? Nach deiner Liebsten?“, fragt er spottend. „Nach was ich suche, geht dich ein scheiß an“, murre ich nur und will an ihm vorbei. „Warum denn so gereizt? Bist du nicht ausgelastet?“, fragt er und drängt mich gegen die nächste Wand. Habe ich vorhin noch gesagt, dass überall Leute hin und her laufen so ist jetzt hier niemand. „Lass mich los!“, knurre ich und drücke ihn von mir. „Aber. Aber“, kommt es von ihm und er drückt mich an meinem Hals an die Wand. Sofort greife ich nach seiner Hand und versuche sie von mir zu bekommen. „Mobbing, sexuelle Belästigung und Körperverletzung sind drei Straftaten, für die man sehr bestraft wird“, ertönt plötzlich eine Stimme im Gang. „Katsuya …“ keuche ich. Die Hand weicht plötzlich von mir und ich sacke keuchen und nach Luft ringend auf den Boden. „Du kannst die deinen Abschluss damit versauen. Ich werde es eurem Leiter melden. Er wird nicht sehr begeistert darüber sein“, sagt Katsuya ruhig und kommt näher. Der Mann murrt nur etwas unverständlichen und geht. „Geht es dir gut?“, fragt mich der Ältere sanft. Ich nicke leicht und suche seinen Blick. Diese unendliche Tiefe seiner rotbraunen Augen ziehen mich in ihren Bann. Ohne es zu bemerken, nähere ich mich ihm. Erst als sich unsere Lippen berühren komme ich aus dieser Trance raus. „E-entschuldige“, sage ich schnell und weiche zurück. „Schon okay. Ist doch eh niemand hier“, sagt er nur und hilft mir auf, allerdings lässt er mich nicht los, sondern zieht mich wieder in einen Kuss. Er ist sanft doch voller Leidenschaft. Sofort fühle ich mich sicher und komplett beruhigt. Meine Unruhe von vorhin ist weg und ich genieße den Moment einfach. „Du solltest los. Es beginnt gleich“, flüstert er, nachdem er sich gelöst hat. Ich nicke leicht und verschwinde. Allerdings bin ich nicht der letzte, der den Saal betritt. Ben, welcher mich vorhin gewürgt hatte, kommt nach mir in den Raum und grinst nur leicht. Es sollte mich beunruhigen, doch das Gefühl von Katsuyas vergangenem Kuss lässt dies nicht zu. Der Direktor beginnt mit seiner Rede, alle Studenten werden gelobt, jeder wird nacheinander aufgerufen und erhält sein Zeugnis, seinen Abschluss. Als vorletztes wird Ben aufgerufen und ich beobachte, wie Katsuya dem Direktor etwas zuflüstert. „Leider sind nicht all unsere Studenten so besonders. Deine Leistungen sind gut doch dein Verhalten nicht. Über dein Verhalten von vorhin werden wir dann reden. Ich dulde keine Gewalt an meiner Universität“, sagt der Direktor streng und tadelt ihn. „Bevor sie mit mir reden sollten sie erstmal ihre Lehrer im Auge behalten. Ist es nicht strafbar als Lehrer eine Beziehung mit seinem Schüler einzugehen?“, fragt er spottend. „Was meinst du?“, fragt unser Direktor. Bens Blick trifft meinen und mein Herz bleibt stehen. Er hat es bemerkt. War er vorhin noch da? Ist er deswegen erst nach mir gekommen? „Ich denke, das kann uns Kyo am besten erklären“, kommt es von ihm. Ich kenne unsere Lehrer gut genug. Dies wird jetzt hier, vor allen Anwesenden, geklärt. „Herr Kobayashi kommen Sie bitte nach vorn“, durchbricht die strenge Stimme den Raum. Nur zögerlich stehe ich auf und gehe nach vorn. „Was ist damit gemeint?“, fragt er streng. Mein Blick liegt auf dem Boden. Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann doch Katsuya nicht verraten. Das kann ich nicht. „I-ich …“ beginne ich flüsternd. Ich spüre plötzlich zwei Arme, welche sich um meine Hüfte legen. Überrascht und ängstlich sehe ich auf. „Schon okay. Stimmt, ich führe mit ihm eine Beziehung. Es ist aber auch nicht seine Schuld, denn ich habe ihn überredet“, sagt Katsuya ruhig. Ein leises Gemurmel geht durch die Reihen. „So ist das. Kyo erstmal zu deinem Abschluss. Du bist ein großartiger Schüler von uns gewesen. Du hast viel Potenzial und wie bei allen anderen wünschen wir dir, dass du deine Träume erzielst. Zu der Sache mit Herr Ito … es ist schön, dass ihr beide euch gefunden habt. Wir Lehrer wissen alle von deiner Vergangenheit und umso schöner ist es, wenn man endlich jemanden in seinem Leben hat“, sagt unser Professor ruhig. Überrascht sehe ich ihn an. Er muss doch etwas dazu sagen. Es ist verboten! „Ist das alles?“, blafft Ben los. „Ja, das ist alles, denn im Gegensatz zu allen anderen eurer Lehrer ist Katsuya Ito der einzige, der kein Lehrer ist und nicht für uns Arbeitet“, kommt es von ihm. Ein verwirrtes Raunen geht durch die Reihen. „Warten sie! Alle Gruppen hatten offizielle Lehrer und wir waren die einzigen, die einen hatte, der keine Ahnung hatte?“, kommt es plötzlich von Sakura. „So würde ich das nicht nennen. Also erstmal habt ihr es doch geschafft und keine Ahnung habe ich nicht. Ich arbeite für das Tonstudio, in welchem wir waren. Mein Beruf ist Musikproduzent und seit einigen Jahren helfe ich immer wieder in der Universität. Ihr wisst es absichtlich nicht, denn ich suche immer wieder nach neuen Musikern für unser Unternehmen. Ich bin kein Lehrer und demnach ist es keine Straftat“, erklärt Katsuya. Dass er kein Lehrer ist, wusste ich ja. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass er Musikproduzent ist. Das ist überraschend.
Irgendwie überstehe ich also den Abschluss. Dennoch sind meine Gedanken immer bei Katsuyas wahrem Beruf. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich damit umgehen soll.
„Wollen wir heim?“ dringt die Stimme des Älteren zu mir. Ich stehe abseits in der Gaststätte, denn wir sind anschließend hier her um gemeinsam als Klasse unseren Abschluss zu feiern. Nur habe ich heut einfach keine Lust auf Feiern. Demnach kommt mir Katsuyas Frage sehr gelegen. Ich nicke und zusammen machen wir uns auf den Heimweg. Zu Hause verbringen wir den Abend gemeinsam und eher ruhig, was mir irgendwie lieber ist.
Mit einem doch eher überraschenden Abschluss haben die Ferien begonnen. Noch bin ich Arbeiten, aber in einer Woche habe ich Urlaub. Bis jetzt habe ich immer noch nicht herausgefunden, was Katsuya geplant hat. Aber in letzter Zeit kreisen meine Gedanken immer mehr um ihn und dies ist nicht gerade jugendfrei. Aber was will man machen. Ich bin auch nur ein Mann mit Bedürfnissen. Meine Zeit mit ihm zu verbringen liebe ich und vor allem seine Nähe, aber in letzter Zeit reicht es mir nicht. Ich habe das Gefühl, dass wir auf der Stelle laufen. Außerdem habe ich auch immer noch kein Plan, was ich machen soll. Ich habe zwar einen Job und könnte damit auch locker leben, denn jetzt fallen die Studiengebühren weg aber so genau bin ich mir noch nicht sicher. Was gehen würde, wäre dort weiter zu arbeiten und nebenbei Musik zu machen. Ich möchte bei meinem Chef nicht aufhören. Es macht Spaß bei ihm zu arbeiten. Außerdem kann ich immer noch sein Angebot annehmen. Ich würde damit stellvertretender Leiter sein. Mein Lohn würde sich erhöhen und damit hätte ich sogar noch mehr. Es ist eigentlich gar keine schlechte Idee. Ich sollte es annehmen. Mit dem Gedanken gehe ich wieder rein, da ich eben auf dem Balkon die Wäsche aufgehangen habe. Mittlerweile bin ich fertig mit allem. Als ich das Öffnen einer Tür höre, blicke ich nach oben. „Guten Morgen“, begrüße ich Katsuya. „Morgen? Mittag ist wohl eher angebracht. Warum hast du mich nicht geweckt?“, fragt er. Überrascht blicke ich auf eine Uhr, welche mir zeigt, dass wir es bereits um elf haben. „Oh ich habe gar nicht bemerkt, dass wir es schon so spät haben. Entschuldige. Du hast so friedlich geschlafen und heute frei, da wollte ich dich nicht wecken“, antworte ich ihm. „Also hast du mich beim Schlafen beobachtet“, bemerkt der Dunkelhaarige. „Was? Nein, das habe ich nicht“, antworte ich total hektisch und merke, wie mir wärmer wird. Oh doch ich habe ihn beobachtet und das eine sehr lange Zeit und die Gedanken, welche mir dabei kamen will niemand wissen. „Deine Antwort kam viel zu schnell und hektisch. Du bist schlecht im Lügen, wenn es um solche Dinge geht. Außerdem warum wirst du dann so Rot?“, fragt er völlig ruhig und scheint mich ärgern zu wollen. „Ähm das ist, weil es so warm ist“, sage ich nur und deute nach draußen. Katsuya grinst leicht und kommt auf mich zu. Er legt seine Arme um meine Hüfte und zieht mich näher zu sich. „Hey sag was hast du dir vorgestellt?“, haucht er in mein Ohr. Ich zucke etwas zusammen. Hat er es bemerkt? Am Ende hat er nicht geschlafen, sondern nur so getan. Aber sein Atem ging so ruhig. Katsuyas Hand fährt meine Seite entlang und wandert zu meinem Kinn. „Ich möchte es wissen“, raunt er und legt sanft seine Lippen auf meine. Mein Herz setzt einen Moment aus nur um danach in einem schnellen Rhythmus fortzufahren. Ein Kribbeln breitet sich in meinem Körper aus und ich spüre wie meine Beine zu zittern beginnen. Seine Küsse haben eine immer intensivere Wirkung auf mich. Von Mal zu Mal habe ich das Gefühl schwächer zu werden, wenn er mich küsst. Wie ein Raubtier, das mit seiner Beute spielt und sie immer wieder kurz jagt, bis sie am Ende keine Kraft mehr hat, wenn es angreift. Seine Lippen sind so sanft und der Kuss so sinnlich. Ich spüre wie er leicht über meine Lippen leckt und um Einlass bitte, welchen ich ihm ohne zu zögern gebe. In so einem Moment könnte er glaub alles mit mir machen, weil ich einfach jegliche Gegenwehr verliere. Unser zärtliches Zungenspiel wird jedoch nach kurzer Zeit durch die Türklingeln unterbrochen. Widerwillig lasse ich von ihm ab und blicke betrübt auf die Tür. „Entschuldige ich habe vergessen, dass wir Besuch bekommen“, flüstert er leise. „Schon okay. Es ist dein Besuch, also werde ich mal das Essen machen“, sage ich und gehe betrübt in die Küche. Wäre er weiter gegangen, wenn es nicht geklingelt hätte? Wie so oft in letzter Zeit entweicht mir ein Seufzen. „Hey Kyo“, ertönt eine bekannte Stimme. Überrascht drehe ich mich um. „Emilio was machst du denn hier?“, frage ich verwirrt. „Dein Liebster hat Zane, Luke und mich eingeladen. Kein Plan wegen was“, antwortet er. Ich nicke leicht und blicke ins Wohnzimmer als die anderen auch kommen. Warum hat er sie denn eingeladen? „Weißt du, was er will?“, spricht Emilio meine Gedanken aus. Ich schüttle nur den Kopf als Antwort. Wenn ich es wüsste, dann würde ich nicht so überrascht sein. „Danke, dass ihr Zeit gefunden habt. Mir hat ein Vögelchen gezwitschert, dass ihr zusammen spielt”, beginnt Katsuya. Sofort blickt mich mein bester Freund an, doch ich schüttle sofort den Kopf. Zwar habe ich Katsuya gesagt, dass ich am Wochenende mit drei Jungs zusammen in einer Kneipe spiele aber nicht mit wem oder wo. Er hat auch nicht nachgefragt, sondern hat mich einfach beglückwünscht. Ich habe keine Ahnung von wem er das hat. „Wie es jetzt in euren Köpfen rattert von wem ich das weiß. Euer Chef und ich waren damals zusammen in der Schule“, sagt er und schmunzelt leicht. „Sie kennen Dave?“, fragt Emilio überrascht. „Ja und er hat euch gefilmt und dieses Video mir zukommen lassen. Außerdem war ich auch einmal selbst da“, antwortet der Ältere. Mittlerweile bin ich auch mit zu den Sofas gegangen. „Und was wollen sie jetzt von uns?“, fragt Zane verwirrt. „Kyo und Emilio wissen es bereits, durch ihr Studium. Ich bin Musikproduzent und arbeite für ein Tonstudio. Ihr vier seid nicht schlecht, ganz im Gegenteil. Was würdet ihr von einer Förderung durch unser Unternehmen halten?“, erklärt Katsuya. Überrascht sehen wir ihn alle an. „Was?“, fragt Luke komplett durcheinander. „Ehrlich gesagt habe ich ein persönliches Interesse an euch. Ich erkenne Menschen, die es weit bringen können mit den möglichen Mitteln. Ihr habt Talent, deswegen lasse ich euch weder in andere Hände noch akzeptiere ich ein Nein“, kommt es von ihm. „Ähm, also … sie meinen sie würden uns …“ beginnt Emilio wird aber unterbrochen. „Ich würde dafür sorgen, dass ihr bei uns unter Vertrag genommen werdet. Das heißt ihr werdet unterstützt, sowohl geldlich als auch in eurer Kariere. Eine Zukunft als Berufsmusiker. Wäre das was für euch?“, erzählt mein Freund weiter. „Au ja!“ kommt es von Zane, Luke und Emilio zeitgleich. Die drei schauen mich abwartend an. Es wäre eine riesen Chance aber irgendwie bin ich mir noch nicht ganz sicher. „Ähm könnte ich vielleicht eine Nacht darüber schlafen?“, frage ich unsicher. „Na klar das ist immerhin eine wichtige Entscheidung“, sagt Luke und lächelt aufmunternd. „Danke“, sage ich nur leise. Die Vier reden noch über weitere Dinge, da sie auch ohne mich weitermachen würden. Dadurch begebe ich mich in die Küche und konzentriere mich auf das Essen. Dies ist allerdings schwerer als gedacht, denn immer wieder wandern meine Gedanken zu der Chance. Ich hatte mir doch erst Gedanken darüber gemacht, wie schön es wäre, als Berufsmusiker sein Lebensunterhalt zu verdienen. Warum zögere ich dann jetzt? Was will ich eigentlich? Wieso bin ich immer so unsicher? Ich verstehe mich selbst mittlerweile nicht mehr.
Nachdem die anderen wieder gegangen sind, sitze ich auf dem Sofa und hänge meinen Gedanken nach. „Hey worüber machst du dir so viele Gedanken?“, fragt Katsuya leise. „Ich weiß nicht. Das ist viel in letzter Zeit“, sage ich nur. Ich bemerke Katsuyas fragenden Blick, als er sich neben mich setzt. „Naja erst bietet mir mein Chef eine Beförderung an und jetzt das“, murmle ich leise. „Beförderung? Davon hast du gar nicht gesprochen“, sagt der Ältere leicht überrascht. „Ich habe es auch noch niemandem gesagt. Hab es ja noch nicht angenommen. Er bietet mir an seine rechte Hand zu werden. Damit würde ich natürlich auch mehr Lohn bekommen“, erzähle ich ihm. „Also wärst du dann stellvertretender Leiter des Cafés. Das ist doch eine gute Möglichkeit“, sagt er. „Du machst es mir nicht leichter, weißt du!“ meckere ich ihn plötzlich an. Es platzt einfach aus mir raus und als mir klar wird, was ich gesagt habe blicke ich auf den Boden. Warum habe ich das gesagt? Er kann doch gar nichts dafür! „Hey Kyo. Wovor hast du Angst?“, fragt Katsuya ruhig und rutscht vom Sofa um sich vor mich zu hocken. Angst? Habe ich wirklich Angst? Eine dumme Frage denn ich kenne die Antwort. „Ich weiß es nicht. Momentan weiß ich gar nichts mehr. Ich frage mich, was ich machen soll. Alle anderen wussten genau was sie nach dem Studium machen und ich? Ich sitze da und weiß nicht weiter. Ja ich habe Angst, aber vor mir selbst“, antworte ich leise. „Kyo?“ „Weißt du, ich kann nicht einfach wie andere etwas ausprobieren und hoffen, dass es gut geht. Ich rechne immer mit dem negativen und davor habe ich Angst. Was, wenn ich es nicht schaffe? Wenn man mich ablehnt? Ich frage mich, ob ich hier überhaupt dazu gehöre. Irgendwie mache ich doch immer alles falsch“, bricht es aus mir raus. „Du brauchst dringend mehr Selbstvertrauen. Hey Kyo du bist nicht allein. Wir stehen das zusammen durch. Egal wie einsam du dich fühlst, du bist es nicht. Um dich herum ist so viel Leben. Überall wo du gehst und stehst. Selbst wenn du scheinbar allein bist, ist dennoch leben um dich. Auf einer Welt wo so viel Leben existiert, kannst du nicht allein sein. Es wird immer Leute geben, die dich scheitern sehen wollen aber du darfst nicht in ihre Richtung blicken. Diesen Menschen musst du den Rücken kehren, um endlich die zu sehen, die an dich glauben. Die hinter dir stehen und dir helfen. Ich weiß, es ist schwer, aber du kannst das. Genieße dein Leben, denn du hast nur eins. Lebe deinen Traum und fange jetzt damit an. Lass dir von niemandem etwas vorschreiben. Du musst nicht perfekt sein oder funktionieren nur damit andere dich akzeptieren. Es reicht, wenn du, du bist. Es ist dein Leben und du sollst später nicht in die Vergangenheit Blicken und bemerken, dass du deine Träume nie erfüllt hast. Du sollst später sagen können, dass es ein Leben war, für das es sich gelohnt hat zu leben. Du musst dein Leben mit Freude füllen. Man hat nur dieses eine. Versuche nicht andere glücklich zu machen, denn wenn du es bei allen versuchst wirst du eine Person vergessen und diese Person ist wichtiger als jeder andere für dich“, sagt der Dunkelhaarige ruhig. Ich blicke ihn fragend an. „Du vergisst dich glücklich zu machen. Das darfst du nicht. Vielleicht liegen dir Steine im Weg aber egal von wo man beginnt, es ist überall so. Du musst lernen, dass man aus diesen Steinen wunderschöne Schlösser bauen kann. Hör auf dein Herz und gehe deinen Weg. Irgendwann wirst du ganz oben stehen und alle auslachen, die versucht haben dich aufzuhalten. Das Wichtigste in deinem Leben bist du. Du lebst für dich und für niemand anderen. Menschen, die an deiner Seite bleiben wollen, werden den Weg mit dir gemeinsam gehen. Lass uns gemeinsam der Dunkelheit entfliehen“, flüstert er und hält mir eine Hand hin. Zögerlich ergreife ich sie und werde auf die Beine gezogen. „Wie wäre es mit einer Auszeit? Einfach einen Moment fliehen und alles vergessen?“, fragt er leise an meinem Ohr. „Ich habe noch keinen Urlaub“, antworte ich ihm. „Egal das kläre ich schon. Geh dir ein paar Sachen zusammenpacken“, fordert er mich auf und ich nicke leicht. Ich weiß nicht warum, aber seine Worte geben mir Kraft. Woher weiß er nur immer genau was gesagt werden muss? Katsuya ist einfach etwas Besonderes. Mit einem leichten Lächeln gehe ich in mein Zimmer und packe meine Sachen.
Stumm blicke ich aus dem Fenster und betrachte die Landschaft, welche an uns vorbeizieht. Ich weiß nicht wie Katsuya das hinbekommen hat, aber mein Chef hat mein Urlaub verlegt. Er hat mir jetzt schon freigegeben. Zwei Wochen Urlaub genießen und das mit Katsuya. Ich freue mich schon total darauf auch, wenn ich immer noch nicht weiß, wo es hingehen soll. Deswegen bin ich wahrscheinlich noch mehr aufgeregt als so schon. Mir wäre ja alles recht, denn ich war noch nie im Urlaub. Es gibt also noch viel, was man sehen kann. Ich lese mir die Schilder der Autobahn durch, als ich bemerke, dass Katsuya anscheinend auf dem Weg zum Flughafen ist. „Ähm Katsuya?“, frage ich leise. „Warte einfach und sei geduldig“, kommt es nur von ihm. Wie lange soll ich denn noch warten? Obwohl ich doch mein ganzes Leben geduldig gewartet habe, dann werde ich das doch jetzt auch schaffen. Als Kind habe ich mir oft ausgemalt wie es woanders ist. Wie es ist zu reisen und unterwegs zu sein. Was ist eigentlich wichtig im Leben? Heutzutage macht man seine Schule, studiert oder lernt einen Beruf, arbeitet bis ins hohe Alter um Geld zu verdienen, macht sich all die Jahre kaputt und dann versucht man für das Geld die Gesundheit zurückzubekommen. In all den Jahren vergisst man zu leben. Katsuyas Worte haben mir ziemlich geholfen diese Blickrichtung zu bekommen. Man sollte für sich selbst leben und nicht für andere. Am Ende des Weges sollte man glücklich sein und nicht kaputt. „Woran denkst du?“, fragt mich der ältere sanft. „Hab mich an deine Worte erinnert und daran für was man leben sollte“, antworte ich ihm. „Hast du deine Antwort gefunden? Dein Ziel im Leben?“, fragt er. „Ja das habe ich. Katsuya?“, sage ich nur. „Mh?“ „Lass uns für immer zusammen sein. Zusammen viele Dinge erleben und glücklich sein“, flüstere ich leise und blicke ihn hoffnungsvoll an. „Alles was du wünschst. Das Leben also genießen und Spaß haben. Das bekommen wir hin“, sagt er und lächelt leicht. Er hält das Auto an und beugt sich zu mir um mir einen leichten Kuss zu geben. „Wir gegen den Rest“, haucht er. „Ähm du kannst doch nicht einfach stehen bleiben auf der Autobahn“, kommt es unsicher von mir. „Bin ich nicht. Wir stehen auf dem Parkplatz. Los komm. So viel Zeit haben wir nicht mehr“, sagt er und steigt aus. Überrumpelt tue ich es ihm gleich und betrachte das große Gebäude. Wir vergessen jetzt alle, dass ich ein Flughafen nur aus Büchern oder dem Fernseher kenne. Ich schnappe mir meine Reisetasche und folge Katsuya. Ohne ihm wäre ich hier wohl komplett aufgeschmissen, denn ich habe kein Plan von all dem. Deswegen bleibe ich einfach die ganze Zeit bei ihm und lausche ab und zu einem Gespräch. „Na komm, wir können schon in unser Flugzeug“, sagt er. Ich nicke und folge ihm wieder sofort. Gibt es nicht Menschen mit Flugangst? Ob ich so jemand bin? Aber bis jetzt bin ich nur aufgeregt.
Ich bin so in Gedanken versunken und darin die Umgebung zu bestaunen, das ich in Katsuya renne als dieser stehen bleibt. „Entschuldige“, murmle ich verlegen. „Schon ok. Hier“, sagt er und reicht mir einen Kaugummi. Diesen nehme ich auch an und setze mich, nach seiner Aufforderung, ans Fenster. Das mit dem Kaugummi kauen habe ich schon mal gelesen. Es hilft bei dem Druckwechsel.
Der Flug vergeht ruhig. Gerade am Anfang war ich fasziniert davon, wie klein alles wird. Irgendwann habe ich angefangen über mein Handy einen neuen Text zu schreiben. Dadurch habe ich das meiste des Fluges verpasst. „Na kommst du? Wir sind da“, reist mich mein Freund aus meinem Tun. Ich nicke schnell und packe mein Handy ein. Hastig stehe ich auf und folge ihm. Mist jetzt habe ich gar nicht aufgepasst, wo wir gelandet sind. Doch meine brennende Frage wird bereits im Flughafen beantwortet. „Katsuya … wir sind nicht wirklich in Italien, oder?“, frage ich ungläubig. „Doch genau da sind wir. Noch dazu in der Millionenstadt Neapel“, sagt er gelassen. „Hätte es kein billigerer Ort sein können? Das kann ich dir niemals zurückgeben“, flüstere ich nur. „Musst du auch nicht. Ich habe den Ort aus gutem Grund gewählt. Aber das wirst du später erfahren“, sagt er nur und greift nach meiner Hand. „Du hältst im Moment viel vor mir geheim“, flüstere ich kaum hörbar. „Keine Sorge mein Schatz. Es ist nicht so, dass ich es dir nicht sagen will. Ich liebe es einfach wie deine Augen funkeln, wenn du überrascht bist“, erklärt er sich. „Und dafür so viel Geheimhaltung?“, kommt es amüsiert von mir. „Vielleicht“, sagt er und grinst mich an. Wir holen unser Gepäck und verlassen den Flughafen. Draußen nehmen wir uns ein Taxi und fahren ins Hotel.
Auch hier kümmert sich Katsuya um alles. In unserem Zimmer angekommen staune ich nicht schlecht. Ich hole eben tief Luft, um etwas zu sagen, als mich der Ältere mit einem Kuss zum Schweigen bringt. „Sag nichts. Genieß es einfach. Ich habe das nicht alles bezahlt“, haucht er, nachdem er den Kuss gelöst hat. Verwirrt sehe ich ihn an. „Es gibt da jemanden, der dich kennenlernen möchte. Sei mir deswegen nicht böse. Ich erkläre es dir später. Jetzt möchte ich erstmal die Zeit mit dir genießen”, flüstert er sanft. Wieder berühren sich unsere Lippen und ich genieße diese sanfte Berührung. Am liebsten würde ich ihn nie wieder loslassen. „Lass uns etwas raus gehen“, sagt Katsuya sanft und ich nicke leicht. Eigentlich hätte ich weiterhin mit ihm hier bleiben können, denn solange er da ist, fühle ich mich wohl.
Draußen schlendern wir durch die Straßen und ich betrachte die Gebäude. Ich habe noch nie Urlaub gemacht und jetzt bin ich gleich in Italien. Ein Ort in Deutschland hätte mir auch gereicht. Dennoch bin ich unglaublich glücklich. Allein, weil er da ist. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Es ist schön mit ihm. Ich bin so dankbar, dass ich Katsuya kennenlernen durfte. Egal was er tut oder sagt, er hilft mir damit. Mein Blick wandert nach vorn, als ich ein Rauschen höre. „Wie weit sind wir gelaufen?“, frage ich ungläubig. „Nicht so lang. Du hast doch mal erwähnt, dass du gerne ans Meer möchtest“, antwortet der Ältere mir. „Das hast du dir gemerkt? Ich habe das nur mal so ganz nebenbei erwähnt“, kommt es überrascht von mir. „Ja klar. Es ist immerhin etwas Wichtiges“, bemerkt er gelassen. „Idiot“, flüstere ich nur und betrachte das blaue Wasser, welches in stetigem Rhythmus den Sand mal etwas mehr bedeckt, bis es wieder zurückfließt. Ich bin so begeistert von dem Anblick, dass ich komplett vergesse weiter zu laufen. „Was ist, kommst du?“, reist mich Katsuya aus meinen Gedanken. Mein Blick huscht zu ihm. Kurz schüttle ich meinen Kopf und folge ihm dann eilig. Wir laufen am Stand entlang, wobei ich nach einiger Zeit meine Schuhe ausgezogen habe, und ich betrachte alles genau. Plötzlich werde ich festgehalten und Katsuya legt seinen Kopf auf meine Schulter. „Freust du dich?“, haucht er in mein Ohr. Sofort nicke ich als Antwort. Warum sollte ich mich auch nicht freuen? „Du bist so still“, bemerkt er leise. „Weil es so viel zu sehen gibt … und ich mich ziemlich zurückhalten muss“, gebe ich ehrlich zu. „Du musst dich nicht zurückhalten“, sagt er und greift nach meiner Hand. Ohne, dass ich antworten kann, zieht er mich ins Meer. „Sei einfach wie du bist. Genieße es und hab Spaß“, sagt er und lässt mich so plötzlich los, dass ich mein Gleichgewicht verliere und ziemlich schnell im Wasser sitze. Der Dunkelhaarige beugt sich über mich und legt eine Hand an meine Wange. „Es ist nicht schlimm, wenn man mal kindisch ist. Ganz im Gegenteil, es ist gut, wenn man sich diese Seite behält, denn es macht das Leben gleich noch lebenswerter. Außerdem liebe ich es, wenn du lachst. Es ist ein seltener Anblick bei dir, doch ich möchte es viel öfter sehen“, sagt er so ruhig, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft. Auf meinen Wangen spüre ich die Hitze, weswegen ich meinen Blick abwende. „Wie? Wie schaffst du das immer?“, frage ich. „Wie ich das schaffe? Tja ich bin einfach unglaublich gut“, sagt er selbstsicher. „Oh ja und ich bin der Kaiser von China“, sage ich und muss lachen. „Na geht doch“, haucht er kaum hörbar, doch ich verstehe es. Dieser elendige Idiot. „Blödmann!“, sage ich und spritze ihn mit Wasser voll. Da dies sehr unerwartet kommt, weicht er natürlich zurück und verliert selbst das Gleichgewicht. „Du gehst wohl gerne Baden“, sage ich amüsiert. Eine ganze Weile albern wir im Wasser herum, spritzen uns gegenseitig nass, bis irgendwann die Dämmerung beginnt. „Oh Fuck! Wir haben die Zeit verpeilt“, kommt es hektisch von meinem Freund. „Warum so hektisch?“, frage ich besorgt. „Ich sagte doch, dass dich jemand kennenlernen will nicht? Er hat uns zum Abend eingeladen. Da wir unsere Handys im Hotel gelassen haben werde ich bestimmt hunderte Anrufe haben“, sagt er und ist sichtlich bedrückt. „Hey das kann doch mal passieren“, versuche ich ihn aufzumuntern. „Mir als Manager darf so etwas nicht passieren“, kontert er sofort. „Katsuya du bist auch nur ein Mensch. Man vergisst mal etwas und man macht mal Fehler. Das ist ganz normal. Es macht dich menschlich. Sowas ist nichts Schlimmes. Erkläre es ihm einfach. Du bist immerhin ein Mensch und keine Maschine. Selbst die machen Fehler“, sage ich beruhigend. „Die werden von Menschen programmiert also sind es nicht ihre Fehler“, bemerkt der Ältere amüsiert. „Ach man jetzt mach mir nicht meine tollen philosophischen Worte kaputt“, murre ich nur, muss mir aber das Lachen verbeißen. „Philosophisch?“, fragt er lachend. „Ja. Es waren weise und tiefsinnige Gedanken“, bemerke ich. „Du bist verrückt“, sagt er lachend und wuschelt mir durchs Haar. „Hey!“, murre ich nur und versuche meine Haare zu schützen. „Na komm. Wir werden es mal auf gut Glück probieren. Vielleicht ist er noch da“, schlägt Katsuya vor. Ich stimme zu und wir machen uns auf dem Weg.
Als wir in dem Restaurant ankommen schaut sich Katsuya gründlich um. „Oh ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr. Hast du meine Anrufe nicht bekommen?“, ertönt eine mir unbekannte Stimme. „Entschuldige, ich hab die Zeit vergessen und mein Handy liegt im Hotel“, entschuldigt sich der Dunkelhaarige. Mein Blick wandert zu der Person. Der Mann dürfte ungefähr in Katsuyas Alter sein. Er hat blonde Haare und grüne Augen. „Mh du musst Kyo sein. Hab ja schon einiges von dir gehört. Ich hoffe, der Blödmann hat dir kein Mist über mich erzählt“, sagt der Mann und lächelt mich an. Auf Katsuyas entsetzte Aussage achtet er nicht. „Er hat mir gar nichts gesagt“, flüstere ich. Am liebsten würde ich ja gehen. Fremde Leute sind mir nicht geheuer. „Hat er nicht?“, fragt er überrascht. „Du hast es mir doch selbst so gesagt!“, bemerkt Katsuya. „Mh also ich bin Ryan. Freut mich dich kennenzulernen. Es ist schon spät, wollen wir vielleicht in euer Hotel? Da können wir in Ruhe reden“, fragt der Grünäugige. Katsuya stimmt zu und so fahren wir, mit dem Auto von diesem Ryan, ins Hotel. Was er wohl will?
Wir sitzen in unserem Hotelzimmer und irgendwie bin ich nervös. Mag sein das Katsuya Ryan kennt, aber mir ist die ganze Situation nicht ganz geheuer. „Du fragst dich bestimmt, was ich von dir will, nicht wahr?“, fragt der Mann. Ein leichtes Nicken ist meine Antwort. „Ich bin genauso wie Katsuya Musikproduzent. Allerdings war ich vorher selbst Sänger gewesen. Katsuya hat von dir total geschwärmt und ich wollte dich kennenlernen. Soweit ich weiß, hat er dir und ein paar Jungs bereits ein Angebot gemacht. Ich bin ebenfalls interessiert. Aber ich möchte euch kein Angebot machen, ich möchte mit euch zusammen arbeiten. Katsuya würde nicht zulassen, dass ich euch wegschnappe und das will ich auch nicht. Ich möchte euch mit ihm managen und euch einige Tipps geben. Da ich selbst in einer Band war, habe ich einiges an Erfahrung und könnte euch sicherlich hilfreich sein. Letztendlich ist dies natürlich eure Entscheidung. Es würde mich sehr freuen, wenn ihr zustimmt“, erklärt er sich. Überrascht sehe ich den Blondhaarigen an. In letzter Zeit bekomme ich viele Angebote. Jeder andere wäre froh gewesen. Aber so richtig sicher bin ich mir noch nicht. „Ähm ich weiß nicht so genau“, murmle ich leise. „Keine Sorge du musst dich nicht sofort entscheiden. Er meinte schon, dass du dir noch unsicher bist. Ich werde dann mal gehen. Hoffe, ich sehe euch nochmal, bevor ihr wieder abreist. Also dann. Schöne Nacht euch noch“, sagt er und steht auf. Katsuya begleitet ihn noch zu Tür. Ich selbst sitze verwirrt auf dem Sofa. „Hey wollen wir ins Bett?“, fragt mich mein Freund flüsternd, als er wiederkommt. Wieder nicke ich nur als Antwort. Schnell gehe ich ins Bad, um mich umzuziehen und frisch zu machen.
Im Bett kuschle ich mich an Katsuya, welcher mir leicht über den Rücken streicht. „Irgendwie scheint Ryan ziemlich viel über mich zu wissen“, bemerke ich leise. „Ja. Ryan ist mein bester Freund. Er hat mir geholfen, damit ich mir überhaupt klar über meine Gefühle werde. Anfänglich habe ich unbewusst von dir gesprochen. Es passiert mir heut auch noch oft. Ich bekomme dich eben einfach nicht aus meinem Kopf“, sagt er wodurch ich leicht kichern muss. „Bin ich so hartnäckig?“, frage ich amüsiert. „Viel schlimmer“, haucht er und küsst mich leicht. Nach dem Kuss bette ich meinen Kopf auf seiner Brust und schlafe irgendwann ein.
Am nächsten Tag wache ich erst gegen Mittag auf. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel weswegen, ich mich unter der Decke verkrieche. Ich strecke mich im gesamten Bett aus, wodurch ich bemerke, dass ich allein liege. Katsuya? Überrascht stehe ich auf und sehe mich im Hotelzimmer um. „Na ausgeschlafen?“, ertönt eine sanfte Stimme. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich sehe zu Katsuya. „Ja schon. Hast du heut was vor?“, frage ich neugierig. „Du hast die Wahl zwischen Strand oder Wald“, sagt er leicht schmunzelnd. „Mh heute ne Pause am Strand und morgen wandern im Wald“, kommt es grübelnd über meine Lippen. „Na dann steht es fest“, sagt der Dunkelhaarige. Begeistert gehe ich ins Bad und mache mich schnell fertig. Da Katsuya darauf bestanden hat, habe ich auch noch schnell was gegessen.
Nachdem wir uns fertig gemacht haben, machen wir uns auf den Weg runter zum Strand. Ich mag es im Sommer schwimmen zu können. Das war der einzige Vorteil vom Sommer. Ansonsten war es eine schreckliche Jahreszeit. Tatsächlich bin ich schon als Kind gerne geschwommen. Leider konnte ich jetzt schon seit zwei Jahren nicht mehr schwimmen. Ich bin einfach nicht dazu gekommen. Auch, wenn Ferien waren, musste ich arbeiten und habe da versucht immer Extraschichten einzulegen um etwas Geld zurücklegen zu können.
Als wir endlich am Strand ankommen, kann ich es kaum erwarten. Ungeduldig laufe ich Katsuya hinterher, der einen etwas abgelegenen Platz aufsucht. „Du bist genauso ungeduldig wie ein Kind“, kommt es plötzlich von eben jenem. „Sag nicht ständig Kind zu mir“, protestiere ich wodurch er zu lachen beginnt. „Das ist doch nicht böse gemeint. Ich liebe diese Art an dir“, flüstert er und streicht kaum merklich über meinen Arm. Durch diese hauchzarte Berührung läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ich habe meine Sachen schnell abgelegt, wie bereits am Vortag haben wir unsere Wertsachen im Hotel gelassen, und laufe zum Meer hin. Wie sehr habe ich das Gefühl vermisst. Das Wasser, welches sich um einen schlingt. Eine so gewaltige Naturmacht und doch kann sie so sanft sein. Als würde das Wasser einen regelrecht empfangen und nur darauf warten, dass man hineinspringt und durch die Wellen gleitet. Der Tag ist heiß und durch die Sonne ist die Oberfläche ebenfalls angenehm warm. Ziemlich schnell habe ich Katsuya vergessen und auch das Gespräch vom Abend. Ich bin nicht wie die meisten die langsam ins Wasser gehen, im Gegenteil ich gehe nur ein Stück rein, bevor ich in das Wasser springe. Da ich ein gutes Lungenvolumen habe, muss ich auch nicht so schnell auftauchen, sondern bleibe eine Weile Unterwasser. Es ist einfach herrlich im Wasser umher zu schwimmen. Als ich auftauche, blicke ich mich erstmal um. „Du bist mir einer“, ertönt Katsuyas Stimme hinter mir. „In so einem Moment kann ich nicht anders“, sage ich und man hört, wie glücklich ich bin. „Na dann. Lass uns den Tag genießen“, sagt er sanft und lächelt leicht.
Den ganzen Nachmittag verbringen wir am Strand. Während ich die meiste Zeit im Wasser bleibe sitzt Katsuya auch manchmal draußen. Dennoch macht es unglaublich viel Spaß. Wie spritzen uns mit dem Wasser nass oder machen kleine Wettkämpfe. Wer schneller ist oder länger die Luft anhalten kann. Leider verliert er beim Luftanhalten immer. Ich genieße die Zeit mit ihm zusammen.
Zufrieden seufzend lasse ich mich auf mein Handtuch sinken. Diesmal bin ich vor ihm raus gegangen, aber im Gegensatz zu ihm war ich sonst die ganze Zeit im Wasser. Mein Blick klebt regelrecht an meinem Freund. Damals hatte ich mich gefragt ob er wohl gut bemuskelt ist oder nicht. Ich habe ihn mittlerweile oft oben ohne gesehen und musste bereits beim ersten Mal feststellen, dass mir das was ich sah, sehr gefiel. Auch jetzt kann ich es nur wieder bestätigen. Katsuya Ito hat eine wirklich sehr anziehenden, sexy Körper. Wenn er gewollt hätte, hätte er jede Frau bekommen können. Mir sind die Blicke nicht entgangen. Zum Glück weiß ich, dass er nicht auf Frauen steht. Sonst hätte ich mir Sorgen machen müssen. Dennoch, irgendwie bin ich eifersüchtig. Es nervt mich, dass sie ihn so anstarren. Ich will ihn allein so sehen und ich will wesentlich mehr von ihm sehen. Meine Gedanken drifteten in eine ganz andere Richtung, die jetzt im Moment nicht von Vorteil waren. „Woran denkst du?“, haucht Katsuya plötzlich an mein Ohr. Ich schrecke aus meinen Gedanken und schaue peinlich berührt von ihm weg. „Ich glaube, ich will ganz genau wissen, an was du gedacht hast. Jedes kleine Detail, aber nicht hier“, haucht er verführerisch. „Ich habe an nicht besonderes gedacht“, versuche ich ihm auszuweichen. „Mh hast du nicht? Als ich dich beobachtet habe kamen mir viele Dinge in den Kopf“, flüstert er und der Atem, welcher mein Ohr kitzelt, erhitzt mich etwas. „Lass uns zurückgehen. Kyo ich weiß nicht, ob ich das noch länger durchhalte“, flüstert er und seine Stimme klingt so viel anders als sonst. Ich nicke leicht und schnell haben wir unsere Sachen zusammen gepackt. Katsuya hat nur ein Hemd übergezogen. Da er noch nass war, klebt dieses an seiner Haut und gibt dem ganzen Bild noch mehr. Er hält es nicht mehr aus, aber was soll ich sagen? Unsere Finger sind ineinander verschränkt als wir die Straßen entlang laufen. Es ist so schön. Viel zu schön. Vor ein paar Monaten hätte ich niemals daran geglaubt, dass das Leben auch so schön sein kann. Damals habe ich immer so schöne Zeiten als Vorboten für etwas Schreckliches gesehen. Während des Laufens lehne ich mich leicht gegen ihn. „Katsuya was hast du vor?“, frage ich neugierig. „Das wirst du sehen, wenn es soweit ist. Jetzt erstmal-“ beginnt er, wird aber plötzlich von einem Hupen unterbrochen. Einige Menschen schreien auf und wir hören ein Krachen. Aus Reflex drehen wir uns um und sehen das Auto, das direkt auf uns zukommt. „Kyo!“, dringt Katsuyas Stimme zu mir durch und ich spüre nur noch einen plötzlichen Druck, durch den ich mein Gleichgewicht verliere. Ein Aufprall und ein Kreischen durchdringen die Luft. Schnell rapple ich mich auf und laufe zu dem Körper meines Freundes. „Katsuya! Katsuya!“ kommt es panisch von mir. Meine Hand legt sich an die Wange meines Freundes. „Ky-o …“, kommt es kaum hörbar von ihm. Das Auto hat ihn nur mit der Ecke erwischt, aber trotzdem habe ich große Angst davor ihn zu verlieren. Er blutet am Kopf und ich will nicht wissen, wie viele innere Verletzungen er hat. „Ich bin hier. Es wird alles gut werden, hörst du? Du darfst jetzt bloß nicht einschlafen. Du musst wach bleiben ok?“, flüstere ich leise. Der Dunkelhaarige versucht seine Hand zu bewegen was ich sofort verhindere. „Nein beweg dich jetzt nicht. Bleib liegen“, sage ich leise.
„Es ging viel zu schnell. Wir waren auf dem Weg zum Hotel, als wir plötzlich eine Hupe hörten und einige Menschen. Aus Reflex haben wir uns umgedreht. Da kam auch schon das Auto an. Er … hat mich weggeschubst aber es selbst nicht geschafft. Ich …“, erzähle ich, breche aber ab als mir Tränen über die Wange laufen. Mein Blick wandert zu dem Rettungswagen in dem Katsuya liegt. „Dürfte ich gehen?“, frage ich den Polizisten vor mir. „Ja natürlich. Wir haben alle Daten von ihnen und werden uns nochmal bei ihnen melden“, antwortet er. Abwesend nicke ich und beeile mich um zum Rettungswagen zu kommen. Als ich einen Sanitäter sehe, spreche ich ihn auch prompt an. „Könnte ich vielleicht mitfahren?“, frage ich ihn. „Sind sie ein Verwandter?“, fragt er in gebrochenem Deutsch. „Nein ich bin sein Freund“, antworte ich. „Nur Verwandte“, sagt er und schließt die Tür. „Aber …“ der Mann ignoriert mich total. Verdammt was mach ich denn jetzt? Katsuyas Handy! Es liegt im Hotel. Vielleicht kann ich Ryan erreichen. Schnell schnappe ich mir unsere Sachen und eile zum Hotel. Dort angekommen stürme ich ins Zimmer und suche nach Katsuyas Handy. Als ich es habe und mein Freund zum Glück keine Sperre drin hat, versuche ich Ryan anzurufen. Doch dieser geht zu meinem Bedauern nicht ran. Mittlerweile rufe ich zum 5. Mal an. „Geh doch ran!“, murmle ich und Tränen laufen wieder über meine Wange. „Katsuya ich bin in einem Meeting! Wenn es nicht wirklich wichtig ist, reiß ich dir den Kopf ab“, werde ich plötzlich angeblafft. „E-entschuldige“, sage ich mit zitternder Stimme. „Mh Kyo bist du das?“, fragt der andere. „J-ja. Ich … Katsuya …“, bringe ich hervor. „Hey jetzt beruhig dich mal. Was ist passiert?“, fragt er beruhigend. „Da war dieses Auto und dann lag er da“, hauche ich. „Warte! Hatte er einen Unfall?“, fragt er plötzlich hektisch. „Ja. Sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht aber ich durfte nicht mit“, sage ich. „Wo bist du?“, fragt Ryan. „Im Hotel. Wir hatten die Handys hier gelassen“, antworte ich ihm. „Ok ich komme sofort und wir fahren ins Krankenhaus“, sagt er und legt auf.
Ich bin dankbar, dass Ryan dabei ist. Er kommt hier perfekt zurecht. Bereits als wir das Krankenhaus betreten haben war ich total panisch und aufgewühlt. „Hey beruhige dich. Das tut ihm nicht gut“, dringt die Stimme des Älteren zu mir. Wir laufen eben einer Krankenschwester hinterher. Verzweifelt versuche ich mich zu beruhigen, aber ich schaffe es nicht. Ich habe so Angst um ihn und will doch einfach nur wissen, was los ist. Das Gespräch zwischen der Krankenschwester und dem Arzt bekomme ich gar nicht mit, so sehr bin ich mit mir selbst beschäftigt. „Nun du scheinst aber sehr in Gedanken zu sein. Sie gehören also zu dem Herrn Kazuya Ito?“, reist mich eine tiefe Stimme aus meinen Gedanken. Ich sehe auf und erblicke einen braunhaarigen, gut gebauten Mann im weißen Kittel. „Ähm …“ kommt es über meine Lippen. „Ich bin ein sehr guter Freund und Arbeitskollege von ihm und der junge Mann hinter mir ist sein Freund“, sagt Ryan ruhig. Wenn ich nur so ruhig wäre, aber das schaffe ich nicht. „Freund?“, fragt der Mann. „Ja! Schlimm wenn zwei Kerle zusammen sind?“, platzt es aus mir raus. „Sehr impulsiv. Nicht falsch verstehen, ich habe nichts dagegen. Es wundert mich nur, dass du dann nicht mit dem Rettungswagen mitgefahren bist“, sagt er beruhigend. „Weil sie es nicht zugelassen haben“, sage ich leiser. „Unverschämt. Was Herrn Ito betrifft, er hatte Glück im Unglück. Zwar musste seine Platzwunde genäht werden und er hat ein paar Prellungen, doch er ist wirklich gut da raus gekommen. Es hätte auch anders kommen können. Er wird in ein paar Stunden bestimmt wieder aufwachen. Sie können gerne zu ihm“, sagt der Mann. Ihm geht es also gut? Erleichtert atme ich aus. Ich folge Ryan, der dem Arzt zu einem Zimmer folgt. Zusammen betreten wir den Raum und mein Blick wandert sofort zu dem Bett. „Kazuya“, flüstere ich kaum hörbar und gehe zu eben genannten. Ich betrachte den bewusstlosen Körper und streiche sanft über den Verband, welcher er um seinen Kopf trägt. „Er ist stark also mach dir keine Sorgen“, sagt Ryan ruhig. „Das weiß ich. Er hat mir mittlerweile viel von sich erzählt“, bestätige ich ruhig. „Ach ja? Kazuya redet eigentlich wenig über sich und seine Vergangenheit. Das zeigt, wie wichtig du ihm bist. Hey möchtest du was zu trinken? Ich gehe was holen“, sagt er und wendet sich ab. „Ryan ich würde dein Angebot gern annehmen“, flüstere ich leise. Er schaut mich leicht verwirrt an. „Also damit meine ich nicht das Trinken. Ich meine dein Angebot, dass du und Kazuya uns managen“, erkläre ich. Ein Lächeln legt sich auf die Lippen des Älteren. „Das freut mich zu hören. Dann sollte er jetzt schnell wieder gesund werden damit du es ihm ebenfalls sagen kannst“, sagt er ruhig und verlässt den Raum. „Kazuya … ich hoffe, du wachst bald wieder auf. Ich will nicht ohne dich sein. Es ist egoistisch, aber ich komme ohne dich nicht klar. Keinen Tag, keine Stunde, nicht mal eine Minute. Ich liebe dich also komm bitte bald zurück“, murmle ich und greife nach der Hand des Bewusstlosen.
Eine Weile sitze ich jetzt schon neben dem Bett. Dafür das Ryan nur etwas zu trinken holen wollte braucht er ziemlich lange. Was macht er denn? Mein Blick liegt die ganze Zeit auf Kazuya, dessen Hand ich in meiner halte. Der Arzt meinte ein paar Stunden. Ich hoffe sehr, er wacht auf, solange ich hier bin. Er sieht so friedlich aus, wenn er schläft. Ich habe Kazuya schon oft beim Schlafen beobachtet. In solchen Momenten wirkt er so schutzlos und niedlich. Eine leichte Bewegung seiner Hand lenkt meine Aufmerksamkeit von seinem Gesicht weg. Hab ich mir das eben eingebildet? „Kyo …“ kommt es kaum hörbar über die Lippen meines Liebsten. „Kazuya!“, hauche ich überrascht und erleichtert zugleich. Meine Augen verfolgen jede kleine Regung von ihm. „Wie geht es dir?“, kommt es über meine Lippen. Eigentlich eine total sinnlose Frage doch in dem Moment einfach das einzige was mir eingefallen ist. „Als wäre ich angefahren worden?“, antwortet er ironisch. „Idiot. Ich mache mir halt Sorgen“, flüstere ich. „Schon ok. Schön, dass du hier bist. Hey Kyo komm her“, sagt er leise. Ich folge seiner Aufforderung und beuge mich leicht zu ihm. Schneller als ich es erwartet habe zieht er mich zu sich runter und versiegelt unsere Lippen miteinander. Genüsslich schließe ich meine Augen und genieße die sanfte Berührung unserer Lippen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er verletzt ist und Schmerzmittel bekommen hat doch er vertieft den Kuss ziemlich schnell. Er leckt mit seiner Zunge über meine Lippen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich halte den Atem an. Mein Herz schlägt so schnell, dass ich Angst habe er könnte es hören. Diese intensive Berührung verursacht ein seltsames Gefühl in mir. Ein Verlangen, das ich nicht kenne. Als er den Kuss löst, seufze ich enttäuscht. „Mein Lieber du bist aber gierig. Ich hatte mir den Tag anders vorgestellt. Vor allem das Ende“, sagt er und lächelt leicht. „Was nicht ist, kann noch werden. Hebe es dir für ein andermal auf“, flüstere ich frech. „Hast du was auf den Kopf bekommen?“, fragt der Dunkelhaarige. „Nein. Vielleicht bildest du es dir ein“, sage ich und strecke ihm die Zunge raus. Wir unterhalten uns noch eine Weile, in der auch Ryan wiederkommt, mit der Aussage er musste noch etwas klären, bevor wir das Krankenhaus verlassen. Innerlich wehrt sich alles dagegen Kazuya hier allein zu lassen aber anders geht es nicht. Er muss ein paar Tage zur Beobachtung hier bleiben. „Willst du mit zu mir oder ins Hotel zurück?“, fragt mich Ryan. „Hotel reicht“, antworte ich ihm. „Na gut. Aber schlaf auch und ruhe dich aus“, sagt er seufzend. Verwirrt sehe ich ihn an. „Man sieht dir an, dass du nicht gehen willst. So viele Tage sind es nicht“, erklärt er sich. „Schon gut, ich werde mich ausruhen“, sage ich. Er nickt leicht und bringt mich zum Hotel.
Obwohl ich gesagt hatte, dass ich mich ausruhen werde liege ich mitten in der Nacht wach. Ich kann einfach nicht schlafen. Mein Inneres ist total aufgewühlt und meine Gedanken kreisen immer wieder um seine Worte. Was wäre passiert, wenn der Unfall nicht gewesen wäre? Er war so anders gewesen. Seine Worte haben mir die Möglichkeit gegeben zu verstehen was er in seinem Kopf hatte. Bei den Gedanken daran läuft mir ein Schauer über den Rücken. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, höre ich etwas Musik und gehe meine Nachrichten durch. Zu meiner Überraschung werde ich genau in dem Moment von Emilio angeschrieben. >Hi du bist noch wach? Wie ist euer Urlaub?< lese ich seine Nachricht. Da er in unserer Bandgruppe geschrieben hat, kommt mir eine Idee. >Soweit ganz gut nur hatte Kazya einen Unfall.< schreibe ich zurück. Sofort mischen sich auch Zane und Luke ein und fragen was passiert ist. Ich erzähle ihnen von dem Unfall, behalte aber das Angebot noch für mich. >Gute Besserung. Das ist ja mal doof. Da bist du doch jetzt ganz allein. Kein Wunder, dass du noch wach bist.< kommt es von Emilio. >Schon OK. Hey Leute ihr erinnert euch doch noch an das Angebot von ihm, oder?< frage ich sie. >Ja klar das kann man auch nicht vergessen. Hast du dich entschieden?< kommt es mit einer Gegenfrage von Luke. >Nicht nur das, ich habe auch noch was anderes.< schreibe ich zurück und grinse leicht als ich die neugierigen Fragen und Aufforderungen von den Drein lese. In einer längeren Nachricht erzähle ich von dem Treffen mit Ryan, seinem Angebot uns zusammen mit Kazuya zu managen und auch von meiner Entscheidung. >Das ist ja unglaublich. Das könnte unser neues Leben werden. Ich freue mich schon darauf, dass ihr wieder hier seid.< kommt es von meinem besten Freund. >Dann starten wir richtig durch. Kyo danke.< schreibt Zane und bringt mich damit zum Lächeln. Es könnte unser Neuanfang sein. Ich könnte das vergangene vergessen und in die Zukunft blicken. Jetzt weiß ich endlich was ich vorhabe und weiß, dass ich es mit ihnen schaffen kann. Es wird vielleicht nicht leicht, aber wann war es das jemals? Das wichtigste ist doch, dass man Spaß, an dem hat, was man tut. Man darf nicht aufgeben und muss für seine Träume Kämpfen. Egal wie schwer es wird. Umso schwerer der Weg ist, umso schöner ist das Ziel. Mit den Gedanken und dem daraus entstehenden Mut schaffe ich es doch irgendwie einzuschlafen.
Einige Tage sind vergangen, in denen ich täglich bei Katsuya im Krankenhaus war. Heut darf er endlich nach Hause. Ich bin so froh darüber und demnach konnte ich die Nacht eigentlich gar nicht schlafen. Dies sieht man mir anscheinend auch an, da Ryan mich direkt darauf anspricht, als er mich abholt. Da es sinnlos wäre es zu leugnen stimme ich ihm zu. Auf dem Weg zum Krankenhaus werde ich immer ungeduldiger. „Du weißt aber schon, dass wir ihn nur abholen, oder?“, fragt Ryan amüsiert. „Klappe! Ich hatte ihn eben nicht mehr bei mir.“ kontere ich. „Du warst jeden Tag im Krankenhaus“, bemerkt er. „Das ist nicht dasselbe. Ihn zu besuchen und ihn wieder bei mir zu haben sind Welten voneinander entfernt“, sage ich ernst. „Natürlich. Ich bin es nur nicht mehr gewohnt. Er hat echt Glück mit dir“, sagt er ruhig. „Hey sag mal, wenn du auch unser Manager wirst, kommst du da mit?“, frage ich ihn. Es interessiert mich schon die letzten Tage. „Nicht sofort, ich muss hier noch was erledigen, aber ja ich komme dann wieder Heim. Gott wie lange war ich da nicht mehr“, antwortet er mir. „Warte! Du lebst eigentlich auch in Berlin?“, frage ich überrascht. „Ja wohne ich. Nur habe ich damals eine Chance gesehen und sie ergriffen. Aber irgendwann wollte ich wieder zurück. Ihr gebt mir die Möglichkeit“, antwortet er und lacht leicht.
Im Krankenhaus angekommen gehen wir zu Kazuyas Zimmer. „Schön dich zu sehen.“ kommt es von ihm und als ich nur nah genug bin zieht er mich sofort zu sich, um mir einen Kuss zu stehlen. So ging es in den letzten Tagen immer. „Du hast mich doch gestern auch gesehen“, bemerke ich, nachdem ich mich von ihm gelöst habe. „Mag sein, aber es ist ein Unterschied zu wissen, dass man zusammen wohnt und getrennt ist“, er leise. Ryan beginnt zu lachen und ich werfe ihm nur einen bösen Blick zu. Kazuya blickt nur verwirrt von einem zum anderen. „Lass uns gehen. Ich will nicht länger hier bleiben“, kommt es schließlich von meinem Freund. Wir verlassen das Krankenhaus als Kazuya seine Hand in meine legt. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen. Ich freue mich so, dass er heut gehen darf. Ab jetzt ist er wieder bei mir. Mit ihm zusammen habe ich das Gefühl, dass ich einfach alles schaffen kann. Egal wie schwer es auch ist, zusammen stehen wir es durch. Als könnte Kazuya meine Gedanken lesen, drückt er leicht meine Hand. Ich bin so froh ihn kennengelernt zu haben. Sonst wüsste ich glaub heut noch nicht, wie ich weitermachen soll. Hätte jetzt immer noch die schlechte Ansicht vom Leben. Erst durch Kazuya habe ich doch überhaupt Mut bekommen. Er hat mir gezeigt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur fest daran glaubt und daran arbeitet. „Kazuya?“, flüstere ich. „Später, ok?“, haucht er kaum hörbar. Ich nicke leicht und laufe einfach weiter. Kazuya lehnt es ab von Ryan zum Hotel gebracht zu werden. Nach einigen Metern weiß ich auch warum. Er will nicht ins Hotel, sondern läuft durch die Straßen und scheint nach etwas zu suchen. „Kazuya?“, frage ich besorgt. „Dein erster Urlaub sollte nicht so schrecklich werden. Also will ich, dass es wenigstens schön endet. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich länger gebucht. Verzeih mir“, sagt er leise. „Aber Kazuya dafür kannst du nichts! Das kann man doch gar nicht wissen. Es war trotzdem ein wunderschöner Urlaub für mich“, sage ich ruhig. Stimmt, ich habe es ganz vergessen aber morgen reisen wir wieder zurück. Zwar erst Nachmittag aber es sind die letzten Stunden hier. Trotz des Unfalls habe ich die Zeit mit Kazuya genossen und als er im Krankenhaus war, hat mir Ryan einige Dinge gezeigt. Ich habe viel Neues gesehen und gelernt. Da kann es doch gar nicht schlecht sein. Außerdem habe ich ihn wieder bei mir und das ist das wichtigste. „Danke. Komm lass uns was essen gehen“, sagt er und zieht mich mit. Ich folge ihm einfach und lächle leicht.
Nachdem wir in einem Restaurant essen waren laufen wir langsam zum Hotel. Beim Essen war Kazuya so ruhig. Es ist ja nicht so, dass ich das nicht kenne, nur ist es merkwürdig gewesen. Seine Augen funkeln aber er ist völlig ruhig. Es macht mich nervös. Im positiven Sinne nervös. Wieder kommen mir die Gedanken an den Tag des Unfalls. Was wäre da passiert? „An was denkst du?“, fragt Kazuya plötzlich ruhig. „Mh? Na ja ich frage mich nur, was alles passiert wäre, wenn du nicht den Unfall gehabt hättest“, gebe ich ehrlich zu. „Was da passiert wäre. Weißt du was? Das kann ich dir gern zeigen“, sagt er und ich werde plötzlich vor ihn und somit in unser Zimmer geschoben. Ich habe gar nicht bemerkt, dass wir schon im Hotel angekommen sind. Leise fällt die Tür ins Schloss, weswegen ich mich umdrehe. Der Dunkelhaarige zieht mich zu sich und legt seine Lippen auf meine. Im Gegensatz zu sonst ist es kein sanfter Kuss. Nein er ist intensiv, gierig und leidenschaftlich. „Kazuya …“, murmle ich leise. „Ich sagte doch bereits, dass ich es nicht länger aushalte. Kyo ich brauche dich und will dich nicht verlieren. Ich würde dich so oder so nicht gehen lassen. Sei einfach meine und gib dich mir hin“, flüstert er verführerisch. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. „Du wirst mich nicht verlieren und deine bin ich doch auch, oder nicht? Ich gehe erst, wenn du mich wegschickst“, antworte ich ihm leise. „Gut, dass das nie passieren wird. Ich liebe dich“, haucht er sanft und küsst mich wieder. „Ich dich auch“, erwidere ich zwischen zwei Küssen. Seine Hand streichelt meine Seite entlang, was ich sichtlich genieße. Diese Berührungen sind einfach zu schön. Ich habe das Gefühl, in seinen Händen zu schmelzen. Da kommt mir was in den Kopf, weswegen ich Kazuyas Hand aufhalte. Verwirrt schaut er mich an und wenn ich mich nicht täusche, dann liegt in seinem Blick ein klein wenig Trauer. „Werter Herr Ito sie wissen aber schon, dass ich so etwas noch nie gemacht habe“, sage ich leise. „Herr Ito? Wie lange habe ich das nicht mehr von dir gehört“, sagt er und lacht leise. „Es ist noch gar nicht so lange her. Aber Herr Ito könnten sie es mir zeigen? Als Lehrer ist es doch ihre Pflicht den Schülern zu helfen“, sage ich und versuche meine Stimme verführerisch klingen zu lassen. „Da hast du Recht und ich helfe dir wahnsinnig gern“, haucht er und drängt mich aufs Bett. „Kazuya …“ kommt es überrascht von mir. „Du weißt gar nicht, was du in mir anrichtest. Aber das darfst du jetzt spüren mein Lieber“, flüstert er mit rauer Stimme in mein Ohr. Wieder überkommt mich ein Schauer. Kazuya die ganze Nacht so nah bei mir zu spüren weckt Gefühle in mir, die ich vorher nicht kannte, doch unglaublich schnell lieben lerne.
Am Nächsten Tag wachen wir erst am Mittag auf. Hektisch wecke ich Kazuya. „Mach doch nicht so eine Hektik“, sagt er amüsiert. „Halt die Klappe! Ich muss noch die Sachen packen und kann mich kaum bewegen“, meckere ich. „Keine Sorge ich mache das. Ruh du dich aus“, sagt er und gibt mir einen sanften Kuss. Ich beobachte ihn dabei, wie er unsere Sachen packt. „Katzuya deine Prellungen“, murmle ich, als ich einige blaue Flecke betrachte. „Keine Sorge. Das geht. Die letzte Nacht war anstrengender“, sagt er und lacht leicht. Bei dem Gedanken legt sich ein Rotschimmer auf meine Wangen. Er muss mich ja nicht noch daran erinnern. Ich freue mich darauf wieder Heim zu kommen. „Kyo wenn wir zu Hause sind, was hast du vor?“, fragt mich der Größere. „Was ich vorhabe? Ryan und du werden Luke, Zane und Emilio managen. Und ich. Ich habe vor neu anzufangen“, antworte ich ihm. Überrascht schaut mich Kazuya an. „Zusammen mit dir. Ich möchte mein Ziel erreichen. Also hilf mir bitte“, sage ich leise. „Heißt das, du machst mit?“, fragt er nach. Ich nicke leicht und werde von ihm umarmt. „Es freut mich wahnsinnig. Ich werde dir auf jeden Fall helfen dein Ziel zu erreichen. Dann lass uns nach Hause und dort neu anfangen. Zusammen schaffen wir es“, haucht er und gibt mir einen sanften Kuss. Ich lächle in den Kuss hinein. Damit ist es nicht nur eine Reise zurück, sondern auch in ein neues, glückliches Leben. Ein Leben zusammen mit Katzuya und den anderen.
Tag der Veröffentlichung: 04.09.2018
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