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Immer diese Männer!




„Männer sind doch alle gleich“, lamentierte ich und schenkte meiner Freundin einen Tee nach. „Immer wenn du sie brauchst, sind sie nicht da. Und wenn du sie nicht brauchst … ich muss wohl nichts mehr sagen.“ Brauchte ich auch nicht, denn Simone hatte mich auch so verstanden und nickte mit dem Kopf.
„Aber deswegen hättest du Kai doch nicht gleich abservieren müssen“, antwortete sie. „Immerhin hat er sich ja bemüht.“
Ich lachte laut auf.
„Er war stets bemüht. Weißt du, was so etwas in einem Arbeitszeugnis heißt? Dass er sich Mühe gab, aber trotzdem nichts gepackt hat. Und genauso ist es auch hier. Weißt du, Simone, ich hab ja nichts dagegen, wenn jemand da ist, mit dem man Freud und Leid teilen kann. Aber wenn ich nur sein Leid mit ihm teilen darf und er stets meine Freude, dann aber nicht zur Verfügung steht, wenn ich mal ein Problem habe, dann kann ich auch gerne drauf verzichten. Ich hab mir das jetzt ein halbes Jahr angetan, und ich bin mir sicher, dass sich das auch nach längerer Zeit nicht ändern würde. Soll ich wirklich SO mein Leben verbringen, bloß damit ich nicht alleine bin? Nein danke!“
„Na ja, aber es gibt ja auch noch mehr Männer auf der Welt“, stellte Simone fest. „Schau mal, ich hab doch auch ein vernünftiges Exemplar abbekommen.“
Sollte ich meiner besten Freundin wirklich sagen, was ich von ihrem Mann hielt? Er war ein Schaf, das zu allem Ja und Amen sagte. So jemanden würde ich niemals respektieren können. Aber gut, sie kam damit klar, und das wollte ich ihr nicht verderben.
„Weißt du, Simone, du magst vielleicht recht haben, aber mein Bedarf an Männern ist durch meine letzten Erfahrungen erst einmal für die nächsten Jahre gedeckt“, redete ich mich heraus. „Außerdem weißt du doch: Mit einem Partner kannst du zusammen Probleme lösen, die du ohne Partner nie hättest. Ich verzichte freiwillig!“
„Ich denke, wenn dir der Richtige über den Weg läuft, wirst du über das lachen, was du gerade gesagt hast. Und wer weiß? Vielleicht passiert dir das schon morgen.“ Meine Freundin trank ihre Tasse leer und erhob sich. „Für mich wird es langsam Zeit. Olaf kommt gleich nach Hause, und ich habe noch viel für ihn zu tun. Wir telefonieren dann später noch mal“, verabschiedete sie sich. An der Tür umarmten wir uns noch einmal, dann war sie verschwunden.
Für drei Stunden hatte Simone die Leere aus meinem Haus vertrieben, sie mit Leben gefüllt, doch dieses nahm sie auch wieder mit, als sie ging. Dieser Punkt war es, durch den ich immer das Gefühl hatte, ein Leben mit Partner wäre schöner. Andererseits, so ging es mir durch den Kopf, garantierte einem eine Partnerschaft nicht, dass man tatsächlich viel Zeit miteinander verbringen würde. Einer meiner Exen war z. B. im Krankenhaus tätig gewesen, hatte ständig Schichten geschoben, Bereitschaftsdienst gehabt. Er hatte wirklich nur sehr wenig Zeit für mich gehabt. Einem anderen wurde es bereits zu viel, wenn wir uns nur jedes Wochenende sahen. Dafür war mein Letzter ein Stubenhocker und nicht von meiner Seite zu kriegen. Bei ihm lag es allerdings daran, dass er jemanden brauchte, dem er sein ganzes Leid klagen konnte. So wurde er in seiner Firma angeblich gemobbt, seine Kunden hatten kein Interesse an seinen Produkten und seine Freunde taugten auch alle nichts. Bei Letzteren hatte ich mich nun eingereiht, da ich ihm zuletzt auch den Laufpass gegeben habe. ‚Wieso hatte ich überhaupt erst etwas mit ihm angefangen?’, fragte ich mich kopfschüttelnd. Ich schaltete meine Stereoanlage an, um die Stille zu überbrücken, und räumte die Teetassen in die Spüle zu dem Geschirr von heute Morgen. Das Abspülen übernahm ich immer erst am Ende des Tages.
Die ganze Zeit über ging mir das Thema ‚Einsamkeit’ nicht mehr aus dem Kopf. Es musste doch möglich sein, allein zu sein, ohne sich einsam zu fühlen. Wie machten es denn andere Menschen? Das war die große Preisfrage, mit der ich mich schon lange beschäftigte.
Nachdem ich noch ein bisschen aufgeräumt hatte, nahm ich mir das Wochenblatt vor, das zweimal die Woche ausgetragen wurde, und führte mir die Artikel zu Gemüte. Ein Dorfpolitiker wurde der Klüngelei überführt und kündigte an, zurückzutreten, ein neunzehnjähriger Fahranfänger hat den Wagen seines Vaters in einen Schrotthaufen verwandelt und im Tierheim wurde ein Wurf Welpen abgegeben. Ich stutzte. Welpen? Ein Hund wäre DIE Lösung des Problems. Natürlich wusste ich, dass Tiere auch Arbeit machten, andererseits wäre ich dann nicht mehr alleine. Immer stärker setzte sich der Gedanke in mir fest, bis ich gänzlich davon überzeugt war, dass ein Hund ins Haus musste. Sch*** auf die Männer! Mit meiner Arbeit würde das auch nicht kollidieren, da ich einen großen Teil davon zuhause am Computer erledigen konnte. Und die paar Stunden, die ich im Monat zu meinem Arbeitgeber musste, würde der Hund sicherlich aushalten.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es zu spät war, um noch beim Tierheim anzurufen, also würde ich das Ganze auf morgen verschieben. Vielleicht war es auch besser, noch einmal eine Nacht darüber zu schlafen.

In meinem Traum ging ich durch das Tierheim, sah in die Käfige und fand einen schönen, großen schwarzen Hund mit sehr langem Fell und treuen Augen. Die Tierheimleiterin holte ihn heraus, gab mir die Leine, und ich ging mit einem wohlerzogenen, folgsamen Hund nach Hause. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mir klar, dass ich auf jeden Fall einen älteren Hund haben wollte. Außerdem durfte er nicht zu klein sein. Mit Fußhupen konnte ich nämlich nicht sonderlich viel anfangen. Ich musste schon etwas zu greifen haben.
Vollkommen schon auf ein zukünftiges Leben mit Hund eingestellt, machte ich mich fertig, schnappte mir dann die Autoschlüssel und schaute mir noch einmal an, wo ich hin musste.

Das Tierheim lag in einem abgelegenen Teil der Stadt, dicht bei einem Waldstück. Gut gelaunt ging ich hinein, wo mich auch gleich ein freundlicher Mitarbeiter empfing, sich als Manfred von Anders vorstellte, und nach meinen Wünschen fragte.
„Sehr erfreut, Herr von Anders. Mein Name ist Maike Friedrichs. Ich hätte gerne einen Hund“, antwortete ich. Der Mann nickte wissend und begann mich dann nach meinen häuslichen Gegebenheiten auszufragen. Haus mit Garten, keine Kinder, Arbeit von zuhause aus und der Wille, sich um das Tier zu kümmern, das alles schienen ideale Voraussetzungen zu sein, um sich ein Haustier zuzulegen. Dann führte er mich zu den Käfigen. Etliche Hunde kamen kläffend an das Gitter und sprangen daran hoch. Keinen von ihnen würdigte ich eines Blickes, da Kläffen in meinen Augen nicht das Prädikat für einen passenden Hund darstellte. In einem der Zwinger war der Wurf mit den Welpen untergebracht. Einer von denen kam an das Gitter und steckte seine Nase hindurch, die anderen blieben aneinandergekuschelt liegen. Ich konnte nicht anders, ich musste ihn anfassen. Er drückte seine Schnauze in meine Hand und genoss es, als ich ihn unter dem Hals kraulte.
„Die sind wirklich süß“, sagte ich, und konnte mich kaum von diesem kleinen Racker lösen. „Nur etwas zu jung“, seufzte ich bedauernd. „Der braucht sicherlich noch viel Erziehung, und genau das wollte ich vermeiden.“
Manfred von Anders grinste wissend und lenkte meinen Blick auf einen anderen Zwinger, aus dem mich neugierig ein eindeutig ausgewachsener Hund ansah.
„Dieser hier dürfte also eher Ihrem Wunsch entsprechen“, meinte er. „Die Welpen bringen wir mit Sicherheit schnell an den Mann, bei älteren Hunden sieht das Ganze schon anders aus.“
Intelligente Augen betrachteten mich, sahen mir zu, wie ich näher kam. Dann setzte der Hund sich artig, als ich vor dem Käfig stand, und betrachtete mich abwartend. Er war groß, so wie ich es mir gewünscht habe, mit kurzem schwarzen Rückenfell, braunen Füßen und etwas Braun an den Lefzen, weißem Maul und Brustfell. Das Brustfell war etwas länger als der Rest, was den Hund aussehen ließ, als würde er ein Lätzchen tragen.
„Du scheinst ja wirklich gut erzogen zu sein“, sprach ich ihn an, woraufhin er aufstand und mit dem Schwanz wedelte. Er kam ein wenig näher, hob seine Nase witternd in die Luft und ich hielt ihm meine Hand hin, die er sorgfältig beschnüffelte.
„Was ist das für einer?“, erkundigte ich mich und begann ihn hinter den Ohren zu kraulen, was der Hund gründlich genoss.
„So genau weiß das keiner, aber ein großer Anteil an Berner Sennenhund ist auf jeden Fall vorhanden, aber auch vom Labrador scheint er etwas zu haben, zumindest lässt sein Fell darauf schließen. Sein Name ist Olaf. Wollen wir mal zusammen einen Spaziergang machen? Dann bekommen Sie auch einen Eindruck, wie gut er zu Ihnen passt – und ob Sie zu ihm passen.“
Innerlich musste ich lachen, war der Name vom Hund doch der gleiche, wie der des Mannes meiner Freundin. Es war bestimmt witzig, wenn ich sie zum Grillen besuchte und meinen Hund rief. Ob ihr Mann dann auch folgsam angeschlichen käme?
Ich wollte seine Frage gerade schon bejahen, als ein leises Winseln und ein klägliches „Jaff“ meine Aufmerksamkeit erregten. Ich drehte mich um und blickte in die großen Augen des Welpen. Er stand immer noch am Gitter, eine seiner riesigen Pfoten auf eine Strebe gelegt, den großen Kopf schief zur Seite, als wollte er mir mitteilen, dass er der Richtige für mich wäre. Als ich nicht reagierte, kläffte er noch mal ein süßes „Jaff“, nahm die Pfote vom Gitter, drehte eine kleine Runde vor der Tür und blickte mich schwanzwedelnd an. Mein Herz schmolz bei diesem Anblick nur so dahin.
„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete ich ehrlich. Eine Schnauze stupste meine Hand an, und damit zog der große Hund wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Olaf war auch toll, ohne Zweifel, und wahrscheinlich die vernünftigere Wahl. Aber der kleine Racker da drüber war auch soooo süß. Egal, für welchen Hund ich mich entscheiden würde, ich fühlte mich jetzt schon wie eine Verräterin.
Herr von Anders sah mich grinsend an.
„Anscheinend passen Sie zu zwei unserer Hunde, das kommt auch nicht oft vor. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie als Anfängerin in Sachen Hundehaltung lieber auf den älteren zugreifen. Schließlich kann er Sie zu einem ordentlichen Frauchen erziehen“, versuchte er, mir bei der Entscheidung zu helfen. Das war ja wirklich nett gemeint, änderte aber nichts an der Tatsache, dass mich mein Gewissen nicht in Ruhe lassen würde.
Da ich mich nicht mehr rührte, noch etwas sagte, sondern lediglich bekümmert zwischen beiden Hunden hin und her schaute, seufzte der Mann auf und bot mir an, mit beiden Hunden eine Runde zu drehen. Langsam nickte ich.
„Ja, das wird das Beste sein“, bestätigte ich und hoffte, dass mich das einer Entscheidung näher bringen würde.
Wir gingen spazieren, Manfred von Anders und ich, unterhielten uns, und ich konnte dabei beide Hunde genau beobachten. Olaf, der erwachsene Rüde, trottete folgsam neben uns her, schnüffelte hier und da, verrichtete sein Geschäft, ganz so, wie es sich für einen gut erzogenen Hund gehörte. Er reagierte auch vollkommen gelassen auf die stürmischen Attacken, die der kleine Racker auf ihn anlegte. Der Kleine hopste um ihn herum, kniff ihm in die Füße, kaute, wenn wir stillstanden, dem Großen am Ohr, und der ließ sich das mit einer Seelenruhe gefallen, als wäre er der Vater des Kleinen. Nur ein einziges Mal, als der Kleine zu aufdringlich wurde, wies ihn Olaf in seine Schranken.
Das Problem an dem Ganzen war, dass ich, als wir wieder beim Tierheim angekommen waren, einer Entscheidung kein Stück näher gekommen war. Sicherlich musste ich noch ein paar Mal wiederkommen, bevor ich einen von ihnen mit nach Hause nehmen durfte, aber ich befürchtete, dass sich mein Problem dadurch nicht in Luft auflösen würde. Klar, wenn sich für den kleinen Racker zwischenzeitlich jemand anderes finden würde, wäre ich einer Wahl enthoben, aber ob ich damit glücklich wäre?
Die beiden waren jeder auf seine Art wirklich liebenswert. Mir war bewusst, dass ich mit dem Kleinen definitiv eine Hundeschule besuchen musste, wenn ich mich für ihn entscheiden sollte. Da würde ich nicht drum herum kommen. Ein Problem wäre das aber auch nicht, denn die Zeit würde ich mir dafür nehmen. Aber wenn ich mich für ihn entschied, was wäre dann mit Olaf, dem liebenswerten, großen und sehr folgsamen Hund? Das war eine wirklich schwere Wahl, die mir beinahe das Herz zerriss.
Herr von Anders schien meine innere Zerrissenheit zu spüren.
„Und wenn Sie beide Hunde nehmen?“, fragte er. „Ich könnte zweimal die Woche bei Ihnen vorbeischauen und Ihnen auch helfen, falls Sie Fragen haben sollten“, schlug er vor. „Außerdem könnte ich Ihnen Olaf auch solange abnehmen, wie Sie mit dem Kleinen in der Hundeschule sind.“
Beide Hunde? Das wäre die Lösung. Dass sie sich vertrugen, hatte ich ja auf dem Spaziergang gesehen. Und Olaf würde sich von dem Kleinen auch nicht alles bieten lassen, folglich an seiner Erziehung einen gewissen Anteil haben. Und dann noch mit der Unterstützung des Mitarbeiters … Ich sah auf und Herrn von Anders direkt in die Augen. In ihnen las ich großes Interesse, nur war ich mir nicht sicher, ob sich das auf die Hunde oder auf meine Person bezog. Nun, das würde ich mit ziemlicher Sicherheit bald herausfinden können, dachte ich. Ich strahlte den sympathischen Mann an und nickte.
„Ich nehme beide!“, erklärte ich bestimmt.

Impressum

Texte: Divina Michaelis
Bildmaterialien: Divina Michaelis
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meiner Freundin Heike, die über dieses Thema sicherlich auch ein Lied singen kann ;o)

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