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„Für immer mein“



Gesättigt legte er Messer und Gabel zur Seite und schob den leeren Teller von sich. Er hätte es schon viel früher tun sollen, dachte er sich. Immerhin liebte er sie schon lange. Wieder fiel ihm die erste Begegnung mit ihr ein …

Sie stand hinter der Theke in der Fleischereiabteilung seines Supermarktes. Schon als sie ihn das erste Mal ansah und nach seinen Wünschen fragte, konnte er das Funkeln in ihren blauen Augen sehen, wie sie ihn anstrahlte. Ihre Haare waren unter einer Mütze verborgen, doch eine blonde Strähne stahl sich darunter hervor. Ihr Mund, zu einem wundervollen Lächeln verzogen, zeigte gepflegte gerade Zähne und die Stimme, die diesen Mund verließ, erinnerte einen an das Singen der Vögel im Frühjahr. In dem Augenblick hatte er sein Herz an sie verloren.

Auch wenn er sicher war, dass sie DIE EINE für ihn war, dass sie für immer zu ihm gehörte, traute er sich nicht, sie anzusprechen. Dafür ging er von nun an jeden Tag in den Supermarkt, kaufte sich ein Stück Fleisch, nur um sie zu sehen.
Jedes Mal, wenn er dann zuhause war, bereitete er es zu und stellte sich dabei vor, wie sie bei ihm in der Küche stand und ihm beim Kochen half. Ihre blonden, langen Haare schwangen dabei in ihrem Zopf bei jeder Kopfbewegung hin und her, und ihre blitzenden Augen ruhten nur auf ihm.
Im Laufe der Monate trat sie in seiner Vorstellung immer mehr in sein Leben, saß in seinen Gedanken neben ihm beim Fernsehen und kraulte seine Locken. Dann kaufte er ihr Schmuck und stellte sich vor, wie sie sich darüber freute, wenn er ihn ihr anlegte. Er putzte die Wohnung sehr sorgfältig, bereitete alles dafür vor, dass sie sich auch wohlfühlen würde, wenn sie zusammenzogen, kaufte ein größeres Bett und Kleidung, die ihr sicherlich gut stehen würde. Im Bad deponierte er einen zweiten Zahnputzbecher mit Zahnbürste und auch das neue, von ihm für sie gekaufte Parfüm, räumte eine Schublade für ihr Schminkzeug frei und kaufte auch einen neuen, flauschigen Bademantel, der nur für sie war. Für die Küche besorgte er neue Töpfe und Pfannen und auch ein großartiges Messerset, das er in einem Haushaltsgeschäft gefunden hatte. Das Beste war gerade gut genug für sie. Als er dann noch in einem Prospekt des Supermarktes ein Bild von ihr entdeckte, war sein Glück beinahe perfekt. Er klaute sämtliche Prospekte aus den Zeitungen der Nachbarn, schnitt aus ihnen ihr Bild heraus und machte daraus eine Collage mit Fotos von ihm. Sie würden wirklich ein schönes Paar abgeben.

Dann, eines Tages, stand sie nicht mehr hinter der Theke und er wunderte sich. Von einer ihrer Kolleginnen erfuhr er, dass sie in Urlaub war. Doch wie konnte sie in Urlaub fahren, ohne ihn? Sie musste doch wissen, was er für sie empfand. So wie sie ihn immer anlächelte, musste es ihr ganz genauso gehen. Wieso fuhr sie dann weg? Ihm war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen, sein Herz sackte in ein tiefes Loch.
Dieses Mal ging er ohne ein Stück Fleisch nach Hause, legte sich, anstatt zu essen, in sein Bett und weinte bittere Tränen. Erst als die Tränen versiegt waren, gewann seine Gewissheit wieder Oberhand. Sie war nur schüchtern, das musste es sein. Ihre Schüchternheit hatte sie daran gehindert, ihn anzusprechen und so mit ihm zusammen den Urlaub zu planen.
Und weil er davon überzeugt war, dass es nur so sein konnte, machte er sich daran, den Urlaub für den Herbst zu planen.
Er klapperte Reisebüros ab, überdachte verschiedene Ziele und buchte letztendlich einen Urlaub für zwei Wochen in Paris, der Stadt der Liebe. Sie würde begeistert sein, wenn er es ihr endlich sagen würde, und so überstand er die Zeit, die sie in Urlaub verbrachte.

Endlich war es soweit, sie war wieder da und schenkte ihm ihr Lächeln. Jetzt war wohl der Zeitpunkt gekommen, wo er ihr sagen musste, dass er sie liebte. Mutig ging er an den Tresen, auf ihr erwartungsvolles, liebliches Gesicht zu, freute sich über ihr Lächeln und stellte sich vor, wie sie jubeln würde, wenn er sich ihr endlich offenbarte.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie ihn wie immer, und Wärme breitete sich in seinem Herz aus. Es frohlockte beinahe aus Vorfreude bei dem, was er nun zu tun gedachte. Er öffnete den Mund.
„Heiraten Sie mich. Ich liebe Sie!“, brachte er glücklich heraus, doch anstatt, dass sie sich darüber freute, so wie er es dachte, verlor ihr Gesicht alle Farbe und sie betrachtete ihn nur fassungslos. Erst dachte er, sie wäre nur sprachlos, weil sich ihre Hoffnungen endlich erfüllen sollten, doch als er das noch einmal wiederholte, schüttelte sie den Kopf und sah ihn entsetzt an. Dann band sie sich die Schürze ab und stürzte mehr, als dass sie ging, in den Hinterraum. Sie kam nicht wieder, dafür die andere Frau, die ihre Urlaubsvertretung gemacht hatte.
„Kann ich etwas für Sie tun?“, erkundigte sie sich, doch er schüttelte nur schwer enttäuscht den Kopf und verließ eilends den Supermarkt.
Warum freute sie sich nicht? Warum reagierte sie nur so? Hatte er denn nicht alles für sie getan? Er verstand die Welt nicht mehr. Immer wieder drehten sich seine Gedanken im Kreis, immer wieder suchte er nach einer Erklärung. Es dauerte wirklich lange, bis er dahinter kam, dass es nur an ihrer verdammten Schüchternheit liegen konnte. Immerhin hatte er ihr die Liebeserklärung in einem Laden voller Leute gemacht. Kein Wunder, dass sie so reagierte. Also musste er einen Weg finden, es ihr dann zu sagen, wenn sie alleine war.

Lauernd sah er erst auf seine Uhr und dann wieder zu der Tür, durch die die Angestellten das Gebäude verließen. Es konnte nicht mehr lange dauern, denn der Supermarkt hatte seine Pforten gerade geschlossen.
Endlich hatte sie Feierabend und verließ den Supermarkt durch den Hinterausgang. Erst überlegte er, ob es sinnvoll wäre, es ihr gleich zu sagen, doch dazu fehlte ihm noch der Mut. Also folgte er ihr.
Glücklicherweise schien sie in der Nähe zu wohnen, denn sie legte den Weg zu Fuß zurück. Bereits zwei Häuserblocks weiter, dort, wo die Einfamilienhaussiedlung begann, verschwand sie in einem weißen Bungalow. Hier wohnte sie also. Ja, das Haus passte irgendwie zu ihr. Vielleicht sollte er lieber zu ihr ziehen? Dann müsste sie sich auch nicht an eine neue Umgebung gewöhnen. Für sie würde er sogar das ins Auge fassen.
Beruhigt, dass nun wieder alles in Ordnung war, machte er sich auf den Heimweg. Es machte nichts, dass sie so schüchtern war, das war eben sie, wie er sie liebte.

Bereits am nächsten Tag ging er wieder in den Supermarkt, und als er sie hinter der Theke stehen sah, zwinkerte er ihr zu. Er hatte verstanden und würde nun nichts mehr vor anderen Leuten machen, wollte er ihr damit zum Ausdruck bringen. Doch sie war nicht alleine da. Die Vertretung stand neben ihr und, als er auf den Tresen zuging, war sie es, die ihn ansprach.
„Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte sie ihn. Er blickte zu seiner Angebeteten, doch die sah nur zu Boden. An diesem Tag hatte sie kein Lächeln für ihn übrig. Sie musste wegen seiner Aktion gestern ziemlichen Ärger bekommen haben, dachte er. Also schüttelte er den Kopf.
„Hören Sie, wenn Sie nichts kaufen wollen, dann gehen Sie bitte und baggern nicht unsere Angestellten an“, sagte die Vertretung zu ihm, und das klang in seinen Ohren ziemlich unfreundlich. So ging man nicht mit seinen Kunden um, genauso wenig, wie man seine Angestellten für etwas zurechtwies, was sie nicht verschuldet hatten. Wenn man in diesem Laden so behandelt wurde, dann wollte er nichts mehr damit zu tun haben. Hier würde er jedenfalls nichts mehr kaufen.
Überaus sauer ging er nach Hause. Er musste mit seiner Frau unbedingt darüber reden, dass sie dort unter diesen Bedingungen nicht weiterarbeiten konnte. Das ging ja wohl gar nicht! Immer mehr redete er sich in Rage, bis er vollkommen außer sich war.
„Gleich hat sie Feierabend, dann werde ich ihr mal die Meinung sagen“, schimpfte er halblaut vor sich hin, schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg zu ihrem Haus. Er drückte sich direkt vor ihrer Haustür herum, ging auf und ab und wartete ungeduldig darauf, dass sie endlich heimkommen würde.
Dann war sie da. Ihr Schritt stockte, als sie ihn sah, ihre Miene wurde eisig.
„Was wollen Sie von mir?“, fragte sie ihn.
Er machte ein paar Schritte auf sie zu, doch sie wich zurück, also blieb er stehen.
„Du kannst da nicht weiterarbeiten!“, erklärte er ihr. „Das Liebesleben ihrer Mitarbeiter geht die Arbeitgeber gar nichts an, und du hast es nicht nötig, dir so etwas bieten zu lassen.“
„Meine Arbeitgeber haben sich vollkommen korrekt verhalten. Lassen Sie mich einfach in Ruhe!“, fuhr sie ihn so grimmig an, dass er zurückzuckte. Da stimmte irgendetwas nicht, so verhielt sich doch keine liebende Ehefrau.
„Aber du liebst mich doch“, wimmerte er kleinlaut.
„Wie kommen Sie denn auf diesen Blödsinn?“, blaffte sie.
Wieder einmal schwand das Blut aus seinem Kopf. Das war alles nur ein Albtraum, dachte er sich und wartete darauf, dass er endlich aufwachen würde, doch das passierte nicht.
„Die Blicke, die du mir zugeworfen hast. Und dann hast du dich immer extra für mich so hübsch gemacht. Was kann einem Mann mehr zeigen, dass seine Liebe erwidert wird, als so etwas?“, versuchte er zu erklären, doch sie meinte, dass er sich das nur eingebildet hätte, und wiederholte ihre Aufforderung, dass er verschwinden sollte. Dieses Mal drohte sie ihm sogar mit der Polizei, was ihm nun endgültig den Boden unter den Füßen wegriss.
Er weinte den ganzen Weg über, heulte und jammerte über die betrügerischen Frauen, die einem erst die große Liebe vormachten und sie einem dann vor die Füße spuckten. Sein Herz schmerzte, bis er glaubte, dass es zerspringen müsste. Zuhause angekommen warf er sich in sein Bett und weinte, bis er keine Tränen mehr hatte und vor Erschöpfung einschlief.

Am nächsten Tag regnete es in Strömen und gab so seine Stimmung wieder. Er war nicht mehr in der Lage, auch nur noch einen Fuß vor die Tür zu setzen. Widerstreitende Gefühle rangen in ihm um die Oberhand. Zum einen war es die Trauer um die unerwiderte Liebe, zum anderen war es die Wut auf diese Hinterlist, mit der ihn diese Frau wie eine Spinne in ihr Netz gelockt hatte. Und wenn das alles doch nur ein Missverständnis war? Vielleicht hatten sie nur aneinander vorbei geredet. Wenn er ihr zeigen würde, was er alles für sie getan hat, würde sie endlich begreifen, dass nichts ihre Liebe würde zerstören können, dass sie füreinander bestimmt waren.
Langsam reifte in ihm ein Plan, wie er vorgehen würde. Er musste sie dazu bringen, in seine Wohnung zu kommen. Nur war er irgendwie inzwischen sicher, dass sie es nicht freiwillig tun würde, also blieb ihm nichts anderes übrig, als sie zu entführen.

Sein nächster Weg führte ihn in einen Baumarkt, wo er silberfarbenes Klebeband, einen Kartoffelsack, ein paar Handschuhe und ein Brecheisen erstand. Ihr Grundstück war glücklicherweise von der Straße aus nicht einsehbar, dass er es gewiss wagen konnte, auf dem unbekannten Areal herumzulaufen. Seinen Wagen parkte er auf dem öffentlichen Parkplatz direkt vor ihrem Haus, sodass er keinen allzu langen Weg würde zurücklegen müssen. Er tat die Utensilien in den Kartoffelsack, damit sie nicht mehr auffielen, und verschwand auf ihrem Grundstück.
Langsam schlich er um ihr Haus, suchte nach einem gekippten Fenster und hatte auf der Rückseite Glück. Dieses Fenster war recht klein, also würde er keinen großen Schaden hinterlassen, wenn er es öffnete.
Er zog die Handschuhe an, setzte die Brechstange an den Rahmen, drückte am Ende dagegen und schon sprang der Fensterflügel mit einem Krachen auf. Vorsichtig sah er sich um, doch aus keinem der anderen Häuser kam eine Reaktion. Also kletterte er durch das offene Fenster, lehnte es wieder an und erkundete dann das Haus.
Sie war wirklich geschmackvoll eingerichtet, das musste er ihr lassen. Der ganze Bungalow war hell und freundlich eingerichtet, überall standen Pflanzen wie kleine Farbtupfer für die Augen. In ihrem Schlafzimmer durchwühlte er ihren Schrank, und was er dort fand, machte ihn teilweise wirklich wütend. BHs und Slips aus Spitze, Strapsgürtel und Nylonstrümpfe, und die Spitze des Eisbergs war ein batteriebetriebenes Sexspielzeug. Diese kleine Nutte! Aber er würde ihr das schon austreiben und dafür sorgen, dass das ganze Zeug auf dem Müll landete. Und so suchte er sich eine Plastiktüte, in die er alles hineinstopfte und es dann im Mülleimer versenkte.

Immer näher rückte der Zeiger der Uhr auf ihren Feierabend zu, und es wurde Zeit, besondere Vorkehrungen zu treffen. Er nahm das Klebeband aus dem Sack und riss mehrere Abschnitte ab, die er mit einem Ende an einem Regal in der Küche festklebte. So hätte er sie schnell zur Hand. Als Nächstes öffnete er dort alle Schubladen, bis er ein stabiles Messer fand. Das war zwar nicht ganz so gut wie das aus dem Messerset, was er besorgt hatte, doch es würde seinen Zweck erfüllen. Und dann konnte er nichts weiter tun, als darauf zu warten, dass sie endlich nach Hause kam.

Endlich hörte er ihren Schlüssel in der Tür. Er versteckte sich hinter der Küchentür. Es klapperte, die Haustür ging auf, ihre Schritte tapsten in den Flur und schließlich schloss sie sie wieder hinter sich. Er konnte hören, wie sie sich auf dem Flur bewegte, und vor seinem geistigen Auge sah er jede ihrer Bewegungen. Jetzt legte sie die Jacke ab und hängte sie an die Garderobe, nun folgte ihre Tasche. Sie zog die Schuhe aus und schlüpfte in ein paar bequeme Hausschuhe. Ab da war es schwieriger, ihre Bewegungen zu verfolgen, dennoch bekam er mit, als sie sich der Küche näherte. Die Tür ging auf und sie stockte mitten im Schritt. Sein Blick ging in die Richtung, den ihrer genommen haben musste, und fiel genau auf die Klebebandabschnitte. Es wurde Zeit, aktiv zu werden.
Schnell sprang er hinter der Tür hervor und hielt ihr das Messer vor das Gesicht und packte sie gleichzeitig mit der freien Hand am Arm. Sie schrie erschrocken auf und wimmerte gleich „Tun Sie mir nichts!“
„Du musst keine Angst haben, dir passiert nichts!“, sagte er, hielt ihr aber gleichzeitig das Messer eng an den Hals, damit sie keine Dummheiten machte. Er dirigierte sie zu dem Regal mit den Klebebändern, stellte sich ihr so in den Weg, dass sie nicht weg konnte, zog eines von den Bändern ab und wies sie an, ihm ihre Hände geschlossen hinzuhalten. Als sie zögerte, drückte er mit dem Messer zu. Zu seiner Überraschung war es so scharf, dass ein dünnes Rinnsal Blut an ihrem Hals herunterlief.
Offensichtlich reichte ihr diese Demonstration, sodass sie ihre Hände über Kreuz legte und er ihr das Klebeband herumwickeln konnte.
„Warum tun sie das?“, fragte die ängstlich. Eine Träne lief ihr über die Wange und er musste sich beherrschen, dass er sich auf sein Vorhaben konzentrierte und sie nicht wegwischte.
„Aber Liebling, ich will dir doch nur zeigen, was ich alles für dich gemacht habe. Ich bin sicher, wenn du das siehst, dass du mich dann ebenso lieben wirst“, antwortete er.
Sie schaute ihn entgeistert an.
„Glauben Sie wirklich, dass ich jemanden lieben könnte, der so mit mir umgeht?“
Ein roter Schleier trat vor seine Augen. Er wurde wütend. Wie konnte sie es wagen, seine Handlungsweise zu kritisieren? In seiner Wut stach er stärker zu und die Messerspitze bohrte sich ihr in den Hals. Ihr Aufschrei ließ ihn zurückzucken und wieder halbwegs zur Besinnung kommen.
„Tut mir leid, aber du bringst mich dazu, solche Dinge mit dir zu machen. Du wirst mit mir kommen, ob du willst oder nicht! Und jetzt halt still! Dein ewiges Geschrei nervt mich!“, blaffte er sie an und zog ein weiteres Klebeband vom Regal, welches er ihr über den Mund klebte. Dann dirigierte er sie ins Wohnzimmer und ließ sie sich auf die Couch setzen.
Er wollte warten, bis es draußen dunkel wurde. Erst dann würde er sie zum Auto bringen, um sie zu sich nach Hause zu fahren. Er setzte sich direkt neben sie und fing an zu erzählen, von seinen Gefühlen für sie und seiner Enttäuschung, als er feststellen musste, dass sie in Urlaub war. Er erzählte ihr stolz von seinen Urlaubsplänen und auch, was für Veränderungen er in seiner Wohnung vorgenommen hatte. Als er endlich bei seinem Kummer der letzten Tage angekommen war, war es auch schon dunkel genug, dass er es wagen wollte. Er wies sie an, aufzustehen, und dirigierte sie mithilfe des Messers nach draußen zu seinem Wagen. Ihren großen Augen nach hatte sie viel zu viel Angst, um sich zu wehren, und dazu hatte sie auch allen Grund. Die Stichwunde am Hals blutete immer noch etwas, und sie wollte sicher nicht riskieren, dass sie noch weitere erhielt. Sehr vernünftig!
Und so bugsierte er sie in sein Auto und fuhr sie die paar Straßen zu sich nach Hause. Auch hier konnte er sie unbemerkt in seine Wohnung schaffen. Jetzt begrüßte er es zum ersten Mal, dass sich die Nachbarn hier alle um ihren eigenen Dreck kümmerten. Dann führte er sie in seiner Wohnung herum und wies auf jede Kleinigkeit hin, die er für sie verändert hatte. Als sie die Wand mit den gemeinsamen Bildern in seinem Schlafzimmer sah, fing sie an zu weinen. Endlich sah er sich bestätigt. Es tat ihr wohl leid, dass sie ihn so zurückgewiesen hatte, jetzt, wo sie bildlich sehen konnte, wie gut sie zusammenpassten. Also riss er ihr vorsichtig das Klebeband vom Mund ab, in der Hoffnung, endlich von ihr ein Lob, vielleicht sogar einen ersten Kuss zu bekommen. Da er dazu beide Hände brauchte, legte er das Messer beiseite. Er fühlte sich vollkommen sicher.
„Du bist total krank“, heulte sie stattdessen, schubste ihn beiseite und versuchte sich das Messer zu greifen, doch er war schneller, drehte sich damit zu ihr herum und sie lief ihm direkt hinein.
Ungläubig und mit Tränen überströmt sah sie ihn an, röchelte, sah an sich herunter und brach zusammen. Er warf das Messer beiseite, ging neben ihr in die Knie, bettete ihren Kopf in seinen Schoß und flüsterte ihr beruhigend zu:
„Hab keine Angst. Ich werde dafür sorgen, dass wir immer zusammen sein werden. Das verspreche ich dir. Wir beide werden eins sein, für immer und ewig!“
Ein letztes Zittern durchlief ihren Körper, dann schloss sie die Augen und atmete nicht mehr.

Er hatte sein Versprechen gehalten. Nachdem sie in seinen Armen gestorben war, legte er sie auf sein Bett. Die Rippen aufzubrechen war das Schwerste an seiner nun folgenden Arbeit, doch als er ihr Herz in der Hand hielt, wusste er, dass sich die Arbeit gelohnt hatte. Mit dem Organ in der Hand ging er in die Küche, nahm eines seiner guten Messer, und schnitt das Herz in dünne Scheiben. Diese briet er dann in einer Pfanne und aß sie Stück für Stück auf.
Gesättigt legte er Messer und Gabel zur Seite und schob den leeren Teller von sich. Jetzt würde er die Polizei rufen. Immerhin hatte er eine Leiche in seinem Schlafzimmer liegen, und er wusste ja, was sich gehört. Der Körper in seinem Bett war ohne Herz nur noch eine leere Hülle und hatte für ihn keine Bedeutung mehr.
Er spürte seine Frau in sich und so fing er an, mit ihr zu reden.
„Aus der Reise nach Paris wird wohl mit Sicherheit nichts werden“, sagte er laut, „aber egal, wohin wir gehen, du bist für immer mein!“

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Texte: Divina Michaelis
Bildmaterialien: Divina Michaelis
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2012

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