Das Kettenbriefdesaster
Schon als Kind verfolgte mich dieses Papier: Briefe mit noch relativ harmlosem Inhalt, mit Gewinnversprechen, angebliche Glücksbriefe oder welche, nach denen man hinterher über eine riesige Menge an Briefmarken oder Rezepten verfügte. Allen gemein war die Aufforderung, sie an eine bestimmte Anzahl an Freunden weiterzuleiten und bei Missachtung würde einen das Unglück verfolgen oder der Schlag treffen. Was musste ich, wie viele andere auch, für Ängste ausstehen, wenn ich es nicht schaffte, auf die erforderliche Anzahl an Freunden zu kommen, denn wer wünscht sich schon das Unglück an den Hals? Immerhin machte ich fleißig und so gut es ging mit. Doch irgendwann bekam ich fast jeden dritten Tag solche Schreiben, teilweise welche, die ich vom Inhalt her schon selbst verschickt hatte. Das Ende vom Lied war, dass ich mir das Papier sparte, meine Freunde mit solchen Briefen verschonte und einfach abwartete, was passieren würde. Nichts! Ich wurde weder krank noch mehr als üblich vom Unglück verfolgt. Zwar hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn solch ein Brief bei mir mal sein Ende fand, doch auch das legte sich mit der Zeit.
Es kam die Zeit der Computer. Ja, ich bin schon so alt, dass zu meinen Lebzeiten nicht jeder Haushalt über einen oder sogar mehrere Computer verfügte. Ich stamme noch aus einer Zeit, in der meine Eltern einen Fernseher hatten, der nur Filme in schwarzweiß zeigte, eine Zeit in der große schwarze Scheiben, genannt „Schallplatten“, für Musik sorgten und in der das Telefon noch fest installiert war, sofern man denn eines hatte und woran mittels Drehscheibe gewählt werden musste. Jedenfalls lebten ich und mein Computer eine gute lange Zeit in trauter Zweisamkeit. So lange war alles gut. Doch dann wagte ich es, meine ersten Schritte im weltweiten Netz zu machen und richtete mir eine elektronische Postadresse (E-Mail) ein. Was taten sich dort für wundersame Dinge auf. Ich bekam Post. Solche, die ich mir wünschte, allerdings auch solche, die mich stark an meine Kindheit erinnerten, nur auf etwas anderem Niveau.
Plötzlich wurde ich gewarnt vor Viren, die herumgehen und die kein Virenscanner erkennen würde. Teilweise wurde ein Programm mitgeliefert, das die Dinger gleich wieder entfernen soll. Natürlich installierte ich das Programm, und lud mir damit den Virus erst auf meinen Rechner. Das tat ich genau ein Mal – und dann nicht wieder. Aus Schaden wird man klug.
Dann bekam ich Mails mit Petitionen, die ein bestimmtes Anliegen betrafen. Hier sollte die Weitergabe ein bestimmtes Projekt unterstützen oder meinen Unmut mit etwas kundtun. Nach längerem Überlegen, wie ich als Betroffener auf solch eine Mail reagieren würde, stellte ich fest, dass ich solch eine Petition, die auf Kettenbriefen basiert, nicht ernst nehmen, sondern mich eher über das übergelaufene Postfach ärgern würde. Jeder sollte sich im Klaren darüber sein, dass auch Menschen solche Petitionen weiterschicken, denen das Anliegen an sich egal ist und die dem Ersteller oder Freund, der das losgeschickt hat, lediglich einen Gefallen tun wollen.
Als nächstes gab es Bettelbriefe, weil irgendjemandem ein schlimmes Los widerfahren ist. Hier wurde oftmals geschrieben, dass für jede Mail eine bestimmte Summe an Geld gespendet wird, nur von wem wurde nicht gesagt, oder es befand sich kein seriöser Spender hinter dem Namen, der angegeben war. Zudem – sollte jemand so viel Geld besitzen, warum spendet er es dann nicht direkt?
Ich bekam eine Mail über Katzen, die in Flaschen gezüchtet werden und über die ich mich so lange aufgeregt habe, bis ich im Internet lesen konnte, dass das nicht mehr als ein schlechter Witz war.
Auch solche Briefe erreichten mich, die auf das Unglück einer bestimmten Person hinwiesen, wie z.B. jemand, der dringend einer Blut- oder Knochenmarkspende bedurfte. Sollte so eine Mail einen wahren Hintergrund haben, so dürfte derjenige, dem geholfen werden soll, inzwischen entweder tot oder geheilt sein. Die Mail jedenfalls wird nicht helfen. Dafür belastet sie die Postfächer und manches Mal auch noch die hinterbliebene Familie, wenn Jahre später noch Mitteilungen kommen.
Es kamen Glücksbriefe, teilweise als Power-Point-Präsentation, nett anzusehen aber wieder mit dem Hinweis darauf, dass es Unglück bringen würde, sie nicht weiterzuschicken. Bis auf den letzten Hinweis mit dem Unglück eine nette Angelegenheit, doch auch hier wurde wieder mit Ängsten gespielt und da mache ich grundsätzlich nicht mit. Bis heute warte ich noch auf das Unglück, dass sich über meinem Kopf in geballter Form entladen müsste, weil ich diese Briefe unterbrochen habe.
Auch wenn ich mir manchmal denke, dass einige der Mails so gut formuliert sind, dass ich sie ohne weiteres glauben könnte, so muss ich mir auch jedes Mal klar machen, dass ein seriöses Unternehmen niemals auf diese Art und Weise auf etwas aufmerksam machen würde. Es gibt andere Mittel und Wege, Menschen zu erreichen und eine E-Mail, PN oder mittlerweile auch SMS, in der die Verbreitung gefordert wird, ist die schlechteste Variante davon. Sie richtet höchstens Schaden an, indem sie die Kosten für Internetseitenbetreiber in die Höhe schießen lässt, da der Traffic (das Maß, in dem die Seiten angeklickt werden) steigt, verstopft Postfächer, sind somit höchst lästig.
Hier bei Bookrix hat diese Kettenbriefgeschichte für mich eine neue Dimension erreicht. Wer viele Bookrixfreunde hat, bekommt ohne weiteres auch zwanzig PNs mit ein und demselben Inhalt am gleichen Tag. So ist es gerade mir ergangen, und ich kann nur sagen, dass es mich ziemlich geärgert hat und ich weder den Erhalt solcher Briefe wünsche, noch sie jemals weiterleiten werde. Und da hinter Kettenbriefen niemals ein seriöser Gedanke steht, solltet ihr es genauso handhaben.
In diesem Sinne:
Kettenbriefe - Nein Danke!
P.S. Der Kettenbrief bezüglich der Knochenmarkspende ist seit Ende 2000 im Umlauf und hat seitdem nur großen Schaden angerichtet. Nachzulesen bei der dkms und leicht zu finden, indem man in der Suchmaschine "dkms kettenbrief" eingibt.
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2011
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