Cover

Fünf Worte und ein Thema

Die Gruppe Abendliches versucht in einem Thema, die Kreativität herauszufordern, indem Texte geschrieben werden sollen, die bestimmte Vorgaben erfüllen müssen.
Die Vorgaben bestehen aus fünf Wörtern, die in den Texten vorkommen müssen und einem Oberthema, in das diese Wörter integriert werden sollen. Die Reihenfolge der Wörter muss dabei nicht eingehalten werden.
Um zu sehen, wie schwierig es sein kann, wird der geneigte Leser hiermit aufgefordert, es einmal selber zu versuchen. Die jeweiligen Begriffe sind jeweils am Anfang der Geschichten angegeben.

Wie unterschiedlich jeder auf diese Vorgaben reagiert und was man daraus alles machen kann, kann ein jeder in diesem Buch sehen. Und sicherlich sind noch viele weitere Geschichten möglich.


Die ersten Geschichten liefen unter dem Thema Weltuntergangsszenario oder Endzeitstimmung.
Die Worte waren: Toaster, Knochenmühle, Rechtsverdreher, Fernbedienung und Sonnenblumenfeld

Podonik:

Der Rechtsverdreher

nahm die Fernbedienung

und schaltet den Toaster

ein."Schöne moderne Welt" dachte er, während er mit leeren Blick das Sonnenblumenfeld

auf dem Ölgemälde musterte. Eigentlich ist sein Leben die reinste Knochenmühle

. Sonnenblumenfeld

er gab es schon seit Jahren nicht mehr. Wie denn auch? Die Erde war seit dem Ausbruch des Supervulkans in Nordamerika in eine Staubglocke gehüllt. Keine gescheiten Ernten wuchsen auf den Feldern. Das Klima war so was von abgekühlt, das selbst in den Tropen Schnee fällt. Und der Vulkan würde noch auf Jahre weiter die Luft verpesten. Weltweit verhungerten die Menschen. Langsam wurde selbst für ihn das Toastbrot zum Luxus.


Divina:

Sich immer wieder umdrehend lief sie über das Gelände. Es war alles so unwirklich. Hier war sie aufgewachsen, doch es sah alles vollkommen anders aus. Sie drehte sich um, einem Geräusch lauschend, doch sie sah nichts. Dort waren die Ruinen des alten Hauses zu sehen. Dann musste der Boden, auf dem sie stand, einmal das alte Sonnenblumenfeld

beherbergt haben, das ihre Mutter damals angepflanzt hatte. Sie erinnerte sich noch an die Farbenpracht. Ganz anders als heute, dieses Grau in Grau.
Ihr Vater hatte vor der Katastrophe noch einen Rechtsstreit gegen die Firma geführt, die sich im Ort niederlassen wollte, doch der Rechtsverdreher

der Firma konnte sich durchsetzen. Dann verlor ihr Vater seine Arbeit und bekam lediglich einen Job in der Knochenmühle

, wo Dünger für die Landwirtschaft hergestellt wurde. Es ging immer weiter bergab, bis - ja bis die Katastrophe geschah.
Die Firma, gegen die ihr Vater so erfolglos gekämpft hatte, explodierte. Die Verseuchung der gesamten Gegend nahm ihren Lauf, der Wind trug die Viren, die im Labor gezüchtet wurden, immer weiter in die Welt hinein.
Wieder das Geräusch. Sie ging in die Richtung, aus der es kam und sah etwas in der Sonne blitzen. Der Toaster

ihrer Mutter reflektierte das Licht eines Suchscheinwerfers, der sich träge durch das graue Licht kämpfte.

Hier drückte Jasmin auf die Fernbedienung

und schaltete den Fernseher aus. Ihre Mutter hatte sie gerade zum Essen gerufen. Schade, dass sie nun nicht mehr erfuhr, was dort im Halbdunkeln lauerte.

Petitpoint:

Genüsslich langte der Rechtsverdreher

nach einer Scheibe Brot aus dem Toaster

. Im Garten, an das ein Sonnenblumenfeld

grenzte, aus dem hunderte von goldenen Blüten leuchteten, lief seine kleine Tochter über den Rasen und bückte sich nach einem kleinen Metallkästchen auf dem ein rotes Lämpchen lustig aufblinkte. Das kleine Mädchen tippte mit ihren Fingerchen auf die Knöpfe neben der Lampe und.... eine gewaltige Explosion liess die Luft erzittern und beendete jäh das Frühstück des Rechtsverdreher

s. Ein Blitz, heller als tausend Sonnen erhellte die Erde und dann breitete sich die Stille des Todes aus. Ein riesiger Rauchpilz erhob sich gegen den Himmel. Dann senkten sich dunkle Wolken über das Land, aus welchen heisse Asche rieselte. Weite Gebiete der Erde waren unbewohnbar geworden.
Man erzählt sich, dass in dem kleinen Teil des Planeten Erde, wo noch Menschen existieren konnten, Knochenmühle

n auf Jahrzehnte hinaus mit der Beseitigung von Rohmaterial ausgelastet waren. Diese Mühlen wurden benötigt, weil das kleine Gebiet, wo noch Menschen lebten, zu klein war, um dort Friedhöfe anzulegen. Und Verbrennungsanlagen hatten die Luft zusätzlich mit Dunstwolken belastet. Dort, wo die Explosion die Gebiete verwüstet hatte, war die in der Hitze geschmolzene Erde zu hartem Stein erstarrt und für Bestattungen völlig ungeeignet.

Michelle.robin:

Weltuntergangs-Stimmung

Der CD- Player summt leise mein Lieblingslied.
Im Rhythmus der Musik gieße ich im Wohnzimmer die Grünpflanzen.
Die Sonne lacht. Strahlend liegt der Garten hinter der gläsernen Terrassentüre. Der Sonnenschein der Frühlingssonne und deren Wärme spüre ich durch das Glas hindurch.
Blumen blühen, ich rieche es bis ins Wohnzimmer, und das Zwitschern der Vögel habe ich in dem langen kalten Winter häufig herbei gesehnt.
Ich genieße es hier zu sein, zu Hause, meinem Zuhause. Diese wohltuende Ruhe. Meine Oase, meine Kraftquelle. -

Die Kinder spielen oben und nur ab und zu dringen ihre hellen Stimmchen bis hinunter ins Wohnzimmer.
Ich stelle die Gießkanne an ihren Platz auf der Fensterbank und öffne die Terrassentüre, um frische Luft herein zu lassen, um tief durch zu atmen. Kraft zu tanken...
Kater Mau vom Nachbarhaus schleicht gerade verbotener weise über unsere Terrasse.
Eigentlich mag ich das nicht, aber jetzt? -
Der Kater kommt sofort, als ich meine Hand ausstrecke, um ihn zu streicheln. Sein Fell ist weich und flauschig warm. Er schnurrt, dann geht er unvermittelt weiter – springt über das Gartentor in andere Gefilde und -
in ein anderes Abenteuer.
Ein Blick auf die Uhr. Wir müssen los.
Ein Klick auf die Fernbedienung

. Der CD-Player erlöscht. Ruhe!
Es riecht noch nach Frühstück und Kaffee in der Küche. Der alte Toaster

ist bereits aus.
Alles vorbereitet für den Abend, wenn wir zurückkommen. Ein schönes besinnliches Frühstück mit den Kindern war es heute gewesen. Mein Blick fällt auf das Ölbild meines Mannes. Es zeigt ein Sonnenblumenfeld

. Idyllisch, romantisch. Ich schlucke bei diesem Gedanken...
Das Bild wird mich für immer an ihn erinnern. Dieses schöne Gemälde als Erinnerung an unseren letzten gemeinsamen Urlaub...
„Kinder, zieht euch an... wir fahren los“, rufe ich stattdessen die Treppe hinauf.
Die acht Kinderfüße trampeln die Holztreppe herunter. Ein Wunder, dass die es jedes Mal aushält, wenn meine wilde Bande gelaufen kommt.
Wir ziehen uns an, wenige Worte, alle in Gedanken vor dieser wichtigen Fahrt.
„Mama, wie lange fahren wir?“ will die Sechsjährige wissen.
„Eine halbe Stunde, wenn deine Conny-CD durch gelaufen ist, sind wir bestimmt da“.
Ich öffne die Haustüre.
Der kalte Wind schlägt uns entgegen. Es ist nicht Sommer, nein, sondern erst Frühling

sbeginn.
Hatte ich das etwa vergessen?
Ich fröstle.
Ob das nur der Wind ist oder aber wegen dem bevorstehenden Gespräch mit dem gegnerischen Anwalt, weiß ich nicht.
Unsicherheit macht sich breit. Ein beklemmendes Gefühl. Mir schnürt es bei dem Gedanken die Kehle zu.
Der Rechtsverdreher

des Angeklagten erwartet uns zu einem Gespräch. Nein, nicht uns, er erwartet
MICH zu einem Gespräch.
Die Kinder lauschen im Auto der CD – ich achte gedankenverloren der Männerstimme vom Navi – und fahre konzentriert über die Autobahn.
Wir können meinen Mann nicht mehr bei uns sehen. Nur sein wunderschönes Bild mit einem Meer aus Sonnenblumen bleibt bei uns zurück, im Wohnzimmer neben dem Esstisch, damit ich unseren letzten gemeinsamen Urlaub nicht vergessen werde und ihn auch nicht vergessen möchte.
Ich fahre zu dem Rechtsanwalt eines Todesbringers, eines Knochenbrechers,
der ein sehr bekannter Unternehmer einer „Knochenmühle


( salopper Ausdruck für eine Firma mit äußerst schlechtem Ruf)
ist, der meinen Mann, den Vater meiner Kinder, ins Grab gebracht hat...


Bei den nächsten Begriffen fehlte uns das Oberthema, Nichtsdestotrotz arbeiteten wir die Begriffe ab: Milchzahn, Magen-Darm-Virus, Evakuierung, Wildlachs und Wollschal

Podonik:

Milchzahngedicht

Kein Milchzahn

im Gesicht ihn plagt,
im Magen-Darm ein Virus

nagt.
Der Wildlachs

hat zwar gut geschmeckt,
doch keiner weis, was in ihm steckt.
Evakuierung

der prisanten Speise,
durch Spontanentleerung seiner Sch..se,
wär jetzt das Mittel, das was bringt.
Auch wenn es danach gräßlich stinkt.
So wie ein Wollschal

hilft bei Kälte,
hilft Abführmittel ihn in Bälde.


Noch einmal Podonik:

Winterurlaub


Der junge Vater wickelt seiner kleinen Tochter den Wollschal

vom Hals. Sie ist nicht begeistert, das die Schlittenfahrt zu ende ist. Das Kind reißt sich los und läuft zurück zur verschlossenen Wohnungstür. Immer wieder zieht sie den Türdrücker nach unten und ruft; "Papa, Papa, Schlittenfahren!". Der Vater ist ein wenig ratlos. Seine Frau liegt mit einem Magen-Darm-Virus

im Bett. Eigentlich sollte er sich jetzt wieder um sie kümmern, aber die kleine Tochter möchte er auch nicht enttäuschen. Er muss sie mit irgend etwas ablenken. Aber was nur? "Ein Buch mit Bildern könnte helfen!", schießt es ihn durch den Kopf. "Verdammt, wo bekomme ich jetzt ein Bilderbuch her?" Wenn er doch nur die Bilderbücher nicht vergessen hätte. An alles hat er gedacht, aber nicht daran, das seine Frau im Urlaub erkranken würde. Was für ein Urlaub, zuerst donnert eine Lawine ins Tal, versperrt die einzige Zufahrt, dann muß die Evakuierung

abgeblasen werden, wegen Quarantäne. Irgend ein verdammter Virus hat den Großteil aller Leute im Ort erfasst. "Alle bleiben schön in ihren Häusern, mache das aber mal einem dreijährigen Kind klar, was da im Gange ist." seine Gedanken kreisen um die kranke Frau und das quängelnde Kind. Langsam kommt Panik bei ihm auf. Entschlossen geht er ins Wohnzimmer an den Bücherschrank und entnimmt ein Lexikon. Als er sich umdreht stolpert er fast über die Tochter, die ihn nachgelaufen ist. Er nimmt sie hoch, geht an den große Wohnzimmertisch und setzt sich mit Tochter auf das Ledersofa. Dann öffnet er das Buch auf seinem Knie. Tatsächlich erwischt er beim Aufschlagen ein buntes Bild. "Papa ein Fisch" ruft die Tochter und zeigte mit ihren kleinen Zeigefinger auf das Bild. "Das ist ein Wildlachs

." erklärt ihr der Vater. Die Kleine zieh das Buch auf ihre Seite und blätterte die Seiten um. Ihr Vater witterte eine Gelegenheit, sich für einen Moment ins Schlafzimmer zu seiner Frau zu entfernen. "Ich schau mal kurz nach Mutti, du bleibst schön hier. Guck dir die Bilder an." Keine Antwort von der Tochter. Sie ist beschäftigt. Der Vater geht zu seiner kranken Frau. Das Kind bleibt allein im Wohnzimmer.
Nach einer Weile ist das Buch nicht mehr interessant. Sie geht zum dunklen Eichen-Schrank und zieht eine der Schubladen weit auf. Sie wir fündig. Begeistert geht sie mit ihrer Beute zurück zum Tisch mit der weißen Damastdecke, legt das Buch darauf und beginnt ihr Werk. Zehn Minuten später kommt der Mann zurück. Ihn trifft fast der Schlag, als das Kind ihm freudestrahlend das Lexikon zeigt. Das Buch ist verschandelt, genauso wie die weiße Tischdecke. Die farbigen CD-Permanetstifte liegen noch zwischen all den bunten Krakeleien. Die Tochter aber stahlt in heller Freude, ist sich keiner Schuld bewusst.

Petitpoint:

Fröstelnd ziehe ich meinen Wollschal

um meine Schulter. Kann nicht schlafen. Irgenwas rumort in mir. Gut, dann lenke ich mich eben ab mit irgendwas. Im TV. Da kocht gerade ein Koch YXZ ein Gericht mit Wildlachs

. Ob der Räucherlachs, den ich heute auf meiner Schlemmerschnitte zum Abend hatte, wohl auch "wild" war? Oder? Irgendwann verschwimmen meine Gedanken und machen sich selbständig, Wie war das doch, Enkel Kai hat mir heute freudig seinen ersten rausgefallenen Milchzahn

gezeigt. Sowas kostet eine Oma 5 Euro. Uraltes Kinderrecht! Nun geistert der Milchzahn durch meinen Kurzschlaftraum. Wird grösser und grösser, durch das Dunkel windet sich ein Kanal, eine feindliche Armee von Magen-Darm-Viren

zwängt sich durch die Dunkelheit. "Achtung, Achtung, zwecks Evakuierung

aller Fremdeindringlinge alles in Richtung Ausgang begeben." Die Kommandostimme des Milchzahns weckt mich aus meinem Nickerchen. Das Rumoren im Bauch hat sich zu heftigem schmerzvollen Drängen gesteigert. Es treibt mich in mein Porzelankabinett, wo ich die Evakuierung

fremder Eindringlinge in das Netz der öffentlichen Kanäle unserer Stadt abschliesse. Mit einem angenehmen Gefühl von Müdigkeit, schlapp aber erleichtert setze ich meinen Schlaf im Bett fort.

Divina:

Nach der Evakuierung

des Gebäudes musste ich erst einmal sehen, wie ich mich warm bekommen sollte. Meine ganzen Kollegen standen herum und zitterten in der Kälte. Nicht einer hatte in der Eile daran gedacht, wenigstens eine Jacke mitzunehmen, als der Feueralarm ausgelöst wurde.
Als wenn die Woche nicht schon schlimm genug angefangen hätte. Meine Tochter hatte den Magen-Darm-Virus

aus der Schule mitgebracht. Danach ging er in der Familie reihum. Nun war ich gerade wieder genesen, komme den ersten Tag wieder zur Arbeit, und dann das. Mit Bedauern dachte ich an mein herrliches Wildlachs

brötchen, dass nun in meiner Büroschublade den Flammen zum Opfer fiel. Aber besser das, als wenn ich das gewesen wäre.
Ich griff in die Hosentasche und rieb an meinem Glücksbringer. Ich war mir sicher, dass er es war, der mich davor bewahrte, ein Opfer der Flammen zu werden. Also zog ich ihn heraus, um ihn näher zu betrachten. Er war es wert, mein in Gießharz gegossener, erster herausgefallener Milchzahn

. Wieder rieb ich daran und von hinten näherte sich eine Frau aus dem Nachbargebäude, sah mich an und legte mir in einem Anfall von Herzensgüte ihren Wollschal

um den Hals. Danke!

Michelle.robin:

Der Magen drehte sich bei der Fünfjährigen heute zum sechsten Male um. Ein Magen-Darm-Virus

wie er im Buche stand. Die Toilettenspülung rauschte erneut. Der Mieter unter der Familie war mitten in der Nacht wirklich zu bedauern.
Die übernächtigte Mutter konnte ihre Tochter zur bedauern. Oder sich selbst durch den fehlenden Schlaf. Bei diesem Brechreiz hatte ihre Tochter in einem Tränenmeer ihren ersten Milchzahn

in der Kanalisation verloren … ein Alptraum für das Kind!

Der grauhaarige Mann hustete und zog sich den Wollschal

fester um den Hals. Bei ihm hatte der Infekt besonders hartnäckig zugeschlagen. Morgen sollte er eigentlich den Projektplan ausarbeiten. Das schaffte er ohnehin nicht weder mit oder ohne grippalem Infekt. Das war ein Unding. Vielleicht sollte er doch einen Besuch beim Hausarzt noch in Erwägung ziehen... Somit hätte er eine Entschuldigung für den Chef.

Die Journalistin zögerte, bevor sie die Arztpraxis betrat. Was bedeutete es „Kalium-Mangel“ zu haben? War das ansteckend? Sie setzte sich ins Wartezimmer und versuchte ihre trüben Gedanken in einem Groschenroman abzulenken, vergeblich.

Der junge Arzt hörte anhand Würgegeräusche und Husten im Wartezimmer, dass er bereits in aller Frühe nicht mehr alleine in der Praxis war. Genugtuung machte sich breit.
Mehrere Augenpaare waren sehnsüchtig auf den Halbgott-in-Weiß gerichtet.
„Guten Morgen“, begrüßte er die Patienten und genoss es, so erwartet zu werden. Sein Blick fiel über die Menschenansammlung. Die junge Frau von gestern war wieder zu sehen. Dabei müsste sie nur endlich Wildlachs

oder Kalium-Tabletten zu sich nehmen. Dann wären ihre Blutwerte wieder in Ordnung. Er lächelte. Vielleicht wollte sie ihn nur einmal wieder besuchen.... Er liebte seinen Beruf.
Hämisch hatte er noch eine andere Idee und drückte kurzentschlossen heimlich den Feuer-Alarm-Knopf.
Ein schrilles Läuten erklang. Die Patienten blickten sich irritiert über das unbekannte Geräusch an.
„Feueralarm....“, rief der Arzt sichtlich beglückt. „Bitte verlassen Sie das Gebäude, bevor die Feuerwehr uns mit einer Evakuierung

anrückt“.
Die Patienten gehorchen. War auch nicht anders zu erwarten. Der Arzt in Weiß grinste. Somit käme er selbst draußen erst noch einmal zu seiner Zigarette. Und eine Magenentleerung seiner Patienten wäre draußen im Gras auch besser zu beseitigen, als auf dem Teppichboden im Wartezimmer...
Joindre l`utile á l´agréable! Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden!


Die dritten Vorgaben sind als Thema: ein schöner Abend beim Tanztee
Worte: Depressionen, Schlamm, Alkoholfahne, Sensemann, Tapetenkleister

Podonik:

versetzte Frau

Am Abend bei dem Tanztee
ich manchen feisten Wanst seh.
Das macht mir Depressionen

,
ich sollte mich da schonen.

Zäh wie Tapetenkleister


tanzt ein Raketenmeister,
der Heeresgruppe Süd.
Oh Gott, wie der sich müht.

Ein and`rer, wie ich ahne
hat Alkohol mit Fahne

.
Wo durch er sehr gut glänzen kann,
im Auge von dem Sensemann

.

Denn bei Promille zehn,
ist`s um ihn dann geschehn.
Den Geist wird er auf geben,
das kostet ihn sein Leben.

Erst schwillt ihn noch der Kamm,
dann liegt er tot im Schlamm

.
Dicht neben einer Eiche,
gleich drüben bei dem Teiche.

Wie ich solch Tanztees hasse,
die sind nicht meine Klasse.
Doch kam ich nicht drum rum,
das läuft auch wirklich dumm.

Es ist schon ziemlich spät,
verdammt, wo bleibt mein "Date".
Hier wird heut nichts mehr glücken,
ich werd mich jetzt verdrücken.

Michelle.robin:

Der Pianist, der seinen Namen nicht verdient hat, gab sein Bestes. Aber es war wirklich nicht genug. Doch die Kurgäste, die sich in dem bürgerlichen Kursaal zum wiederholten Male zu einem schönen Abend beim Tanztee eingetroffen hatten, ließen dem Musiker keine Chance sich zu profilieren, sondern unterhielten sich lautstark über die erlebten medizinischen und anderen therapeutischen Behandlungen in dem kleinen Kurort. Natürlich bekamen dabei alle näheren und weiteren Beteiligte ihr Fett weg.
„Hast du vom Müller gehört?“ rief die Gold glitzernde Lady mit Bauchringen ohne Schwimmflügel, während sie den grell-bunten Cocktail demonstrativ schlürfte.
„Ist das der Mann, der immer eine leichte Alkoholfahne

hat?“ will die dünne grauhaarige Begleiterin am gleichen Tisch gegenüber sofort wissen, während sie nervös ihr stilles Wasser trank.
„Der trinkt schon zum Frühstück seinen Kaffee im Schnaps... Das dauert nicht mehr lange, bis den der Sensemann

holt“.
Lady in Gold schüttelt die Dauerwellen-Löckchen.
„Nein, der alte FRED ist der Alkoholiker. Ich rede vom Müller, der gestern zum ersten Mal im Schlamm

nein, nicht Schlamm, er hatte eine Moorpackung verordnet bekommen und die dicke Masseurin hatte ihn vergessen...“.
„Wie vergessen?“ rief die nervöse dünne Frau mit belegter Stimme.
„Die Masseurin hat Feierabend gemacht und hat ihn in der Packung liegen gelassen.... Seitdem hat Müller Depressionen

oder wie heißt das, wenn man Angst hat? Eine Phobie oder so... ja und er kann nicht mehr alleine im Dunkeln sein und Schlamm oder Moor anfassen. ...“.
„Oh mein Gott, der arme Müller!“ Die Dünne der beiden Frauen nickte immer wieder bedauernd.
Laut schlürfend trank Gold-Glitzer-Lady das hellgrüne Getränk leer.
„Jetzt muss er sich langsam wieder an Glitschiges gewöhnen.... sagt der Therapeut, damit Moor keinen negativen Beigeschmack mehr für ihn hat, wenn er wieder nach Hause fährt.... Jeden Tag wird für Müller jetzt ein Eimer voll Tapetenkleister

angerührt, damit er mit den Händen darin herum rühren darf.... Konfrontationstherapie. Nächste Woche muss er wieder ins Moor - in Begleitung der dicken Masseurin, die ihm dies eingebrockt hat “.
Die Frauen grinsten sich an. Der Pianist spielte „Tulpen aus Amsterdam“, passend zum Frühling

. Was soll´s. Die Kur war bald zu Ende... die heilbringenden Therapien auch.

Divina:

Rendezvous zum Tanztee

Mir ist schon total kribbelig im Bauch. Heute habe ich mein erstes Rendezvous mit diesem Mann. Schnell spüle ich noch den letzten Tapetenkleister

aus dem Pinsel. Bis eben noch war ich mit tapezieren beschäftigt, weil ich von meiner alten Tapete Depressionen

bekommen hatte. Nun muss ich mich aber beeilen. In einer Stunde will er da sein und ich habe immer noch die alten Arbeitsklamotten an. Also schnell geduscht und umgezogen. Zu meinem schlamm

farbenen, weiten Rock trage ich eine schicke weiße Bluse und einen kleinen Bolero, der zu meinem Rock passt. Nebenbei schlürfe ich noch ein Gläschen Sekt. Ich brauche das, um meine Nervosität loszuwerden. Zehn Minuten noch. Probehalber hauche ich noch einmal in meine Hand, nicht, dass ich eine Alkoholfahne

hatte. Zum Zähneputzen hätte ich grad noch Zeit. Aber nein, es ist okay. Aber nun habe ich noch neun Minuten zu überbrücken, bevor er mich abholen würde, da fällt mein Blick auf das Buch, das ich beinahe durch hatte. Es ist über den Geisterjäger John Sinclair und trägt den Titel: Der Sensemann

als Hochzeitsgast. Schnell setze ich mich hin und lese noch ein paar Seiten, bis es klingelt und ich das Buch beiseite lege.
Sein bewundernder Blick spricht Bände, als er mich sieht. Das wird ein toller Abend beim Tanztee werden, dessen bin ich mir sicher.

Petitpoint:

der verhinderte Tanztee

Einst trat ein wildes Flussgewässer
über die Ufer. Nass und nasser
wurd es in unserem Heim dem trauten
weil wir zu nah am Fluss es bauten.
Die Fluten stiegen hoch hinan,
Wir sahen schon den Sensemann


mit seiner Sense zu uns eilen
während wir auf dem Dach verweilen.
Doch fiel das Wasser welch ein Glück
zur rechten Zeit ein grosses Stück.
Wir kletterten vom Dach herunter
ergriffen eine Schaufel munter
entfernten ohne Depressionen


(Die sich ja sowieso nicht lohnen)
den zähen Schlamm

aus unserm Haus
mit aller Kraft zur Tür hinaus.
Mit Farbe, Lack Tapetenkleister


Tapeten und nem Malermeister
der fröhlich seine Alkohol-
fahne

schwingt, gelingt es wohl:
Der Schaden wird bald wieder gut.
Naja, wohl bis zur nächsten Flut.


Als nächstes folgen zum Oberthema Krimi folgende Worte: Frühling, Maiglöckchen,
Regenwurm, blauer Himmel und Vollmond

Petitpoint:

Die Moritat am Waldsee

Es war einer der wunderschönen Tage, die nur der Frühling

zu bieten hat, als Kommissar Brandt genüsslich einen Regenwurm

am Haken seiner Angelschnur befestigte. Endlich hatte er mal wieder einen freien Tag und konnte sich seiner Lieblingsbeschäftigung hingeben, dem Angeln in seinem herrlich im Walde gelegenen kleinen Fischweiher. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel

, die Maiglöckchen

, die in großen Gruppen den Waldboden bedeckten verströmten ihren betörenden Duft. Irgendwo aus den Bäumen drang ein rhythmisches Klopfen. Da war wohl ein Specht auf Nahrungssuche und ein winziger Zaunkönig sass auf dem Ast der Eiche und schmetterte sein Frühlingslied aus voller Kehle in die blaue Luft. Kommissar Brand gab sich entspannt der Ruhe dieses Tages hin, als er plötzlich aus seinen Träumen gerissen wurde. Etwas Schweres hatte sich am Ende der Angelschnur verfangen. Alle Anstrengungen, den Gegenstand mit der Angel aus dem Wasser zu heben, waren umsonst. Kommissar Brandt, der zum Glück seine wasserdichte Gummihose trug, watete durch das nicht allzu tiefe Wasser des Weihers zum Ende der Angelschnur und entdeckte gleich unter der Wasseroberfläche einen länglichen Gegenstand der in Plastiksäcke gehüllt war und der Gestalt eines Menschen sehr ähnlich sah. Ein Seil mit einem abgerissenen Ende war mehrfach um die Hülle aus Plastik geschlungen. Offenbar war dort etwas abgerissen, was den Gegenstand auf dem Grund des Weihers halten sollte. Kommissar Brandt fluchte innerlich. Nun verfolgte ihn die Arbeit schon bis zu seinem geliebten Angelteich! Unter Aufwand seiner ganzen Kraft zog er den Gegenstand an das Ufer und entfernte dort, wo er den Kopf der Gestalt vermutete, die Plastikhülle. Etwas erstaunt blickte er in die starren, mit langen Wimpern geschmückten Augen einer --- Schaufensterpuppe. Im gleichen Augenblick ertönte hinter ihm ein lautes Rufen und Gelächter. "Hallo, Du glaubst doch nicht, dass wir Dein 25jähriges Dienstjubiläum so vorbeigehen lassen!" Alle Kollegen des Kommissars kamen, beladen mit Getränkekisten, einem Kohlegrill und vielen Köstlichkeiten hinter den Bäumen hervor. Schnell wurde alles aufgebaut und der Vollmond

, der am nächtlichen Abendhimmel seine Runde zog, wunderte sich sehr, dass mitten unter den lachenden und fröhlichen Menschen eine besonders hübsche junge Frau so starr und steif, scheinbar völlig unberührt von der lustigen Feier um sie herum, auf einem Fleck stehen blieb.

Podonik:

Der Hobby-Gärtner

entdeckte auf dem Maiglöckchen

Beet einen fetten Regenwurm

und dachte bei sich, das es nun wirklich Frühling

ist. Frühling, da war doch noch was! Richtig, den fiesen Nachbar würde er eine Abreibung verpassen. Im Sommer und Herbst des vergangenen Jahres hatte er Samen von Schierling und Jakobs-Kreuzkraut gesammelt. Jetzt war die Zeit gekommen den Untergang der Karnickelzucht vor zu bereiten. Er würde es nicht tun bei Sonnenschein und blauen Himmel

, nein, kommende Nacht, bei Vollmond

würde er die drei Kilo Samen in Nachbars Garten verstreuen. Und dann werden Samen keimen, zu Pflanzen heranwachsen und der Nachbar wird sie für Unkraut halten und an seine Karnickel verfüttern. Ha, dann ist bald Schluss mit dem Misthaufen an der Grundstücksgrenze.

Michelle.robin:

Freundinnen fürs Leben

Immer wieder war ich in unserer 20-jährigen Freundschaft die Verliererin gegenüber dir gewesen. Jetzt war der Gedanke an deinen Tod nicht mehr aus meinem Hirn weg zu denken. Alle Einzelheiten hatte ich theoretisch seit Jahren in meinem Kopf und heute war mein Sieg greifbar nah. Es war Mai und du hast Schnupfen.
Erbarmungslos zuschauen wie du das Zeitliche segnest, denn du würdest mir nicht erneut wie vor Jahren meinen Freund wegschnappen, um ihn dann lachend wieder fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Diesmal nicht, Greta!
Jetzt im Frühling

, wenn tagsüber vom blauen Himmel

die Sonne immer wärmer ihre Strahlen schickt, war es auch Abends noch lange hell. Vor allem heute, bei Vollmond

. So konnte ich die Vorgärten und Waldwege jetzt am Abend besser erkennen. Ideal!
Ich lächelte, als ich gedankenverloren den kleinen Regenwurm

am Wegesrand erblickte. Der kleine Wurm soll leben, aber du, Greta, du sollst kein Unheil mehr anrichten...
Innerlich grinsend pflückte ich am Wegesrand unbemerkt die grünen Blätter der Maiglöckchen

, die deiner Lieblingspflanze, dem gesunden Bärlauch, so ähnlich sehen.
Morgen wirst du Maiglöckchen-Nudeln zu essen bekommen, deren Blätter deinem geliebten Bärlauch so ähnlich sehen. Mit deinem Schnupfen wirst du den fehlenden Knoblauch-Geruch, der für Bärlauch typisch ist, nicht vermissen. Zur Not würze ich mit Knoblauch-Pulver etwas Geschmack dazu.
Kein Mensch wird dich vermissen. Ich besonders nicht und mein jetziger Freund, der wird keine Sekunde an dich denken, denn ich bin die Siegerin.... Morgen, am Freitag, den 13., meinem Glückstag....

Divina:

Es war Frühling

und ich kroch durch dunkle, enge Tunnel. Wieder hörte ich das unheimliche Klopfen hinter mir. Es klang beinahe wie ein Regenschauer. Vielleicht sollte ich einmal nachsehen, doch ich hatte nicht unberechtigte Angst, meine Deckung zu verlassen. Bei Vollmond

mochte das ja noch angehen, da waren nur wenige meiner Feinde unterwegs, jene, die mir nach dem Leben trachteten, doch jetzt ... jetzt war es ungünstig, denn bei dem blauen Himmel

dort oben war ich mir sicher, dass sie dort nur auf mich lauerten.
Wieder dieses Klopfen. In kurzen Intervallen war es zu hören. Vielleicht war es doch Regen? Ich bahnte mir einen Weg nach oben, ich musste es wissen. Doch nein, zu spät, sie hatten mich gefunden. Mein letzter Blick fiel noch auf ein Maiglöckchen

, als die Amsel mich mit ihrem Schnabel aufpickte und letztendlich verschluckte. Adieu, du schönes Regenwurm

leben. Auf dass dein Tod irgendwann einmal gesühnt wird.


Neues Thema, neue Worte: Stofftier, Bahnhof, Rauchzeichen, Kind, Greis
Thema: Leben

Divina:

Der Stoffhund

„Papa!“, schrie das Kind

aufgeregt, als es den Mann auf dem Bahnhof

entdeckte. Es waren Ferien und nach langer Zeit durfte der fünfjährige Tim seinen Vater endlich mal wieder besuchen. Der Vater breitete die Arme aus, Tim riss sich von seiner Zugbegleiterin los und rannte seinem Vater entgegen. Dieser fasste ihn fest und schleuderte ihn im Kreis um sich herum, sodass Tim laut aufjuchzte. Tränen standen ihm in den Augen, was der Junge natürlich sofort bemerkte.
„Bist du traurig?“, fragte er ihn prompt, doch der Vater schüttelte den Kopf.
„Nein, ich freu mich nur so. Geht es dir gut? Was macht Mama denn so?“, konnte er sich nicht verkneifen, zu fragen.
„Och die ist ständig mit ihrem neuen Freund beschäftigt. Ich find den total doof“, beschwerte sich Tim. „Dauernd sagt er, ich soll ein großer Junge sein und dass große Jungen keinen Krach machen würden.“
Der Vater schüttelte den Kopf und verkniff sich das zu sagen, was er darüber dachte. Uneinigkeiten zwischen den Eltern sollten nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.
„Na, jetzt bist du ja hier. Und bei mir kannst du Krach machen, so viel du willst“, entgegnete er stattdessen. Dann bückte er sich und zog ein Stofftier

aus seiner Tasche und reichte es zu Tim rüber. Mit leuchtenden Augen nahm Tim das Stofftier entgegen und betrachtete es fröhlich. Es war ein Hund mit langen Schlappohren. Auf seinem Bauch war ein großes rotes Herz genäht. Ehrfürchtig betastete Tim das Herz.
„Das soll dir immer zeigen, wie lieb ich dich habe“, erklärte der Vater.
Tim drückte den Hund an sich, als wollte er ihn nie wieder loslassen. Dann verabschiedete er sich von der Zugbegleiterin und verschwand mit seinem Vater, um zu ihm nachhause zu fahren.
Die nächsten fünf Wochen begleitete der Hund den kleinen Tim auf jedem seiner Wege, die er mit seinem Vater tat. Die Ferien neigten sich dem Ende zu und mit bangem Herzen sah er seiner Heimfahrt entgegen. Eigentlich wollte er viel lieber bei Papa bleiben, doch der musste wieder arbeiten und würde dann keine Zeit mehr für Tim haben. In der letzten Nacht weinte Tim, der den Hund fest an sich presste, und beichtete ihm seinen Kummer, bevor er vor Erschöpfung einschlief.
Am nächsten Morgen war die Stimmung gedrückt. Der Zug würde bald fahren und traurig und stumm saß Tim die ganze Zeit hinter seinem Vater im Auto. Immer dabei seinen Hund an sich gedrückt.
Auf dem Bahnsteig schließlich meinte der Vater dann zu Tim, dass er sich nicht vom Fleck rühren sollte, er müsste ihm mal kurz etwas Proviant für die Fahrt besorgen. Und so blieb Tim auf einer Bank am Bahnsteig zurück, wartete und passte auf den Koffer auf.
Schon nach kurzer Zeit setzte sich ein alter Greis

neben ihn, eine Pfeife paffend, die lustige Rauchzeichen

von sich gab.
„Hey Junge“, sprach er, „toller Hund. Darf ich den mal sehen?“, fragte er und schaute Tim sehr freundlich an. Tim jedoch wusste, dass er nicht mit Fremden sprechen durfte und kauerte sich zusammen, den Hund unter sich. Der Mann sollte ihn nicht bekommen.
„Ja, ich hätte auch Angst vor mir“, sagte der Mann daraufhin. „Aber wenn du mich den Hund nur ganz kurz antippen lässt, dann wird er dir in der Nacht lebendig werden, sodass du wirklich mit ihm über deine Sorgen reden kannst. Aber du musst mir versprechen, dass du das niemandem sagst, weil er sonst wieder nur ein normaler Stoffhund sein wird.“
Daraufhin hob Tim ihn ein Stück hoch und richtete den Hund mit dem Herzen in Richtung des alten Mannes. Dieser tippte einmal kurz auf das Herz.
„Siehst du, schon erledigt“, grinste ihn der Mann, Rauchwölkchen in der Luft hinterlassend, und erhob sich. Noch einmal zwinkerte er Tim zu, bevor er ihn verließ.
Im gleichen Augenblick kam der Vater um die Ecke. Er sah Tims Strahlen, als er seinen Hund betrachtete.
„Ist etwas?“, erkundigte er sich. Tim schüttelte den Kopf. Kurz nachdem der Mann weggegangen war, hatte der Hund ihm zugezwinkert und Tim wusste, dass der Greis

die Wahrheit gesagt hatte.
„Nein Papa, es ist alles in Ordnung“, erklärte Tim. „Danke für den Hund. Ich hab dich lieb!“, sagte er und legte seine dünnen Ärmchen um den Hals seines Vaters.

Michelle.robin:

Ausschnitt aus einem kleinen Augenblick „Leben“


Das Kind

, ein sechsjähriges Mädchen, hielt sein Lieblings-Stofftier

, den zerschlissenen Hasen, fest in der Hand. Den durfte ihr keiner nehmen. Auch nicht ihr Großvater, der inzwischen ein grauhaariger, aber agiler Greis

war, und den das Mädchen ganz besonders liebte.
Die alte Dampflok zischte ratternd aus dem Bahnhof

des kleinen Städtchens. Die beiden Fahrgäste blickten sich lächelnd an. Es sollte heute ein besonders schöner Tag werden mit dieser besonderen Fahrt, alleine ohne die anderen.
Das Mädchen drückte den Hasen an sich und schaute fasziniert aus dem Fenster. Die Dampflok stapfte ihren Weg holpernd und mit immer wieder lautem Quietschen über die Schienen an den grünen Auen vorüber. Geheimnisvolle Rauchzeichen

schienen in den Wolken der aufsteigenden Rauchschwaden zu erkennen zu sein. Vielleicht sollte es die Vorahnung der betagten Lok sein, dass die beiden einen schönen Tag im Grünen haben würden – Enkelkind und Opa, über 70 Lebensjahre trennten sie - eigentlich. Doch heute waren sie vereint, sich so nahe wie schon lange nicht mehr.
Der Alte lächelte, als er seine jüngste Enkeltochter liebevoll betrachtete. Die Kleine lächelte zurück. Das Glück sprach aus ihrer beiden Gesicht. Glücksmomente im Leben, die verbinden, über Generationen!

Podonik:

Ein Atemzug

Es sind Momente, da kann ich mit einem Atemzug ein ganzes Menschen Dasein erfühlen.
Gleichzeitig "sehe" ich das kleine Kind

mit seinem zum Teil noch tapsigen Bemühen seine Umwelt zu begreifen.
Oder das Schulkind, den Anforderungen an seiner Person ausgesetzt, die es gern erfüllen würde, aber im Grunde genommen eigentlich gar nicht möchte, denn die eigenen Wünsche liegen doch wo anders.
Und die Liebe zum Stofftier

, der Trost bei Augenblicken der Einsamkeit durch Unverstanden sein.
Und dann der jungendliche Mensch, Erwachen und Erfüllung der Sehnsüchte.
Erwachsen sein, die Welt anpacken, das will ich tun und erreichen!
Konsumieren, leben, nichts kann daran etwas ändern, alles im Griff.
Der Mensch,um die Mitte des Lebens.
Risse in der Fassade, nichts blieb unverändert, alte Ideale über Bord.
Manches erreicht, aber nicht immer das, was man wollte.
Rauchzeichen

vom Bahnhof

„Endstadion“ werden bewusster wahrgenommen.
Zu alt für das Stofftier

, wo ist der Ersatz, was tun bei unabwendbaren Einschnitten ins Leben.
Haarloser Greis

, durch Jahre gegerbte Haut, hat das Leben gehalten, was es zu Beginn versprach?
Was bleibt zum Schluss von den mühselig errungenen Früchten der eigenen Existenz, ganz zum Schluss?
Nach diesem Atemzug bleibt ein Hauch von Traurigkeit und Freude, ein seltsames Gemisch, das sich bald verflüchtigt.
Es war ein Atemzug Leben.

Petitpoint:

Gerda fuhr mit dem Auto auf den Parkplatz, der direkt gegenüber von den Bahnsteigen

angelegt war. Früher, als Gerda hier ihre Kindheit verbracht hatte, war dieses Gelände eine Verladerampe gewesen. 3 mal die Woche wurde hier lebendes Vieh in Güterwagons verladen. Eine Gaudi für die Kinder. Damals, das war schon lange her, es war die Zeit der Dampfzüge. Die Lokomotiven fauchten, zischten und pfiffen, und sandten ihre Rauchzeichen

in die Luft. Diese Zeit war lange vorbei. Gerda dachte an den Tag, als sie, noch ein Kind

, unvorsichtigerweise zwischen den Gleisen mit ihrem Stofftier

, einem Plüschteddy gespielt hatte. Sie war so vertieft in ihr Spiel gewesen, dass sie den Zug, der angebraust kam, nicht wahrgenommen hatte. Denn Züge fuhren auf der großen Gleisanlage viele. Als Gerda den Zug endlich wahrnahm, der auf sie zukam, war er schon so nahe, dass sie vor Schreck erstarte. Da spürte sie einen heftigen Stoss. Ein alter Mann, schon ein Greis

mit schlohweissen Haaren kam von der Seite, schubste das Kind von den Gleisen und stolperte dabei so unglücklich, dass er selber auf die Geleise fiel. Der Zug sauste um Haaresbreite an dem Kind vorbei, erfasste aber noch den alten Mann. Bremsen quietschten, Leute kamen plötzlich gelaufen, über die Geleise, unten von der Strasse, ein Krankenwagen raste mit heulender Sirene herbei, aber, dem alten Mann konnte niemand mehr helfen. Er war tot, das Leben des Kindes hatte er gerettet. Das war schon viele Jahre her.
Gerda stieg aus dem Auto, nahm den Blumenstrauss der auf dem Vordersitz lag, und legte ihn zwischen den Geleisen nieder an der Stelle, wo sich die Geschichte vor langer Zeit zugetragen hatte. Wie jedes Jahr, wenn sie ihre alte Heimatstadt besuchte, um des Mannes zu gedenken, der ihr vor vielen Jahren das Leben gerettet hatte und selber dabei das seine verloren hatte.

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Texte: Die Vervielfältigungsrechte liegen beim jeweiligen Autor
Tag der Veröffentlichung: 28.04.2010

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