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Gesellschaftsdroge Alkohol

Ja, ich weiß, wieder jemand, der mit erhobenem Zeigefinger da steht und auf die böse Droge Alkohol schimpft. Nein, eigentlich war das gar nicht meine Absicht. Ich habe viel eher vor, von meinen Erfahrungen zu berichten und dabei so den einen oder anderen Schwank zum Besten zu geben. Nun muss ich aber schon im Voraus enttäuschen – viele wird es nicht geben.

Meine Eltern hatten einen Getränkehandel, so einen, bei dem man hinkommen und direkt vor Ort kaufen konnte, oder aber man bestellte telefonisch (ja, so geht es auch, man braucht kein Internet dazu) und es wurde angeliefert.
In diesem kleinen Familienbetrieb wäre es für uns Kinder natürlich ein Leichtes gewesen, an Hochprozentiges zu kommen. Und so hat meine Mutter sich etwas Besonderes ausgedacht. Als ich einmal danach fragte, etwas davon probieren zu dürfen (keine Ahnung, wie alt ich da war … fünf oder sechs Jahre), gab sie mir einen Magenbitter. Danach fragte ich verständlicherweise nie wieder. Nun, bei uns Mädchen hatte es funktioniert, mein Bruder war da schon ein bisschen härter gesotten. Er brachte es fertig und mixte sich die Reste aus den Flaschen zusammen, was er dann trank. Die Übelkeit, die ihn danach überkam, geschah ihm wohl recht.

Natürlich hielt dieser Magenbittergeschmack nicht ewig vor, denn mit der Zeit verblasst die Erinnerung daran, dennoch hat mein Unterbewusstsein das heiße Gefühl im Hals, das sich beim Hinunterschlucken dieses Getränks ergeben hat, als unangenehm eingegraben. Und so ergab es sich, dass ich jedes alkoholische Getränk, welches ich probiert hatte, einfach nur eklig fand.
Ich erinnere mich daran, dass mir irgendjemand aus Spaß einen kleinen Schluck Sekt in den Apfelsaft zu Silvester gemischt hatte – damals war ich 14. Ich nahm einen Schluck und spuckte es wieder aus. Dieses Silvester hatte ich nicht mit angestoßen.

Lustig fand ich es immer, wenn ich im Laden stand und ich Jugendliche, die älter waren als ich, nach ihrem Ausweis fragte, wenn sie Alkoholisches kaufen wollten. Ich war da sehr konsequent. Unter Achtzehnjährigen sagte ich dann auch, dass sie noch zu jung seien und nichts bekommen würden. Handeln ließ ich mit mir nicht.

Als ich fünfzehn war, lernte ich im Urlaub einen Jungen kennen, der beinahe ein Jahr jünger war als ich. Er war süß und konnte hervorragend küssen. Das Problem dabei war, wenn er Bier getrunken hatte, war ich nach den intensiven Küssen hinterher duhn. Seine Eltern erlaubten ihm das Biertrinken und mir war es egal. Nur als ich danach im Vorzelt des Wohnwagens nicht mehr gerade stehen konnte, fand ich das dann doch irgendwie komisch.

Nun wird Frau ja auch älter, Alkohol trinken ist gesellschaftlich anerkannt, alle um einen herum trinken etwas. Überall ist es präsent und so wird es einem auch leicht gemacht, seine Abneigung dagegen doch zu überwinden. Und so kam es dann, dass ich mich ein Silvester über meinen Freund geärgert hatte und mich dazu entschloss, nun doch etwas Sekt zu trinken. Ich schwöre, es war nicht einmal ein halbes Glas voll, aber die Luft, mit der ich die Luftschlange auseinander pusten wollte, verteilte sich schon vor derselben, was es mir unmöglich machte, sie auch nur ansatzweise auseinander zu pusten. Ein wenig beduselt ließ sich diese Feier dann auch ertragen und ich vertrug mich mit meinem Freund auch sehr schnell wieder.

Geschmack hatte ich nie daran gefunden. Aber weil alle das trinken, konnte es so schlecht ja auch nicht sein. Das war sozusagen der Auftakt, dass ich mir dann doch mal ein Gläschen antat. Allerdings jedes Mal hinterher mit entsprechenden Konsequenzen:

Zwei kleine Gläschen roter Feierabendsekt in der Firma. Erst merkte ich nichts davon. Fröhlich ging ich in Richtung Bahnhof, kam noch an einem Klamottenladen vorbei, ging hinein, suchte mir etwas aus und verschwand in der Kabine. Doch als ich stand und mich ausziehen wollte, fiel bei mir der Vorhang. Noch niemals hatte ich solche Schwierigkeiten gehabt, mich auszuziehen und wieder anzuziehen. Als ich das ausgewählte Stück endlich angetüddelt hatte, ging ich vor die Kabine, um mich dort im Spiegel zu betrachten. Eine Frau stand bereits davor, doch die hatte ich erst bemerkt, als sie protestierte, weil ich mich einfach vor sie stellte.
Nun ja, ich kaufte das Teil, wankte weiter zum Bahnhof und stieg in den Zug, den ich gerade noch erwischt hatte. Da stand ich nun, als einzige ohne Sitzplatz … und mir war nach Lachen zumute. Und ich lachte. Und wie ich lachte. Mir standen die Tränen in den Augen und die Leute hielten mich, den Blicken nach, offensichtlich für total plemplem.

Ein weiteres Mal ließ ich mich dazu hinreißen, eine halbe Flasche Sekt ganz alleine auszutrinken. Wir waren bei Freunden im Auto mitgefahren, ich saß hinten und nahm die Flasche, nachdem sie bei den anderen (außer dem Fahrer) gekreist war, für mich in Beschlag. Wir waren in einem Bistro oder so etwas. Jedenfalls kann ich mich noch daran erinnern, dass meine Spaghetti mich unwahrscheinlich zum Lachen gebracht hatten, und zwar so weit, dass meine Stimmung umschlug und ich zuletzt nur noch heulend über denselben gesessen hatte. Irgendwann hatte ich mich halbwegs beruhigt und wankte zur Toilette. Ich weiß bis heute noch nicht, warum dieses Lokal so einen wabbeligen Boden hatte. Wie unpraktisch … Jedenfalls suchte ich nach dem Essen das Auto die Straße runter, obwohl es genau gegenüber geparkt war.

Der Kater am nächsten Tag geschah mir wirklich Recht, und ich nahm mir vor, keinen Alkohol mehr anzurühren. Bei Feiern erntete ich ständig verständnislose Blicke, wenn ich sagte, dass ich nichts trinke. Meistens kam dann: „Och, nur ein Tropfen, nur mal probieren.“ Daraufhin erwiderte ich, dass ich keinen Grund sehe etwas zu probieren, was ich nicht mag, wenn es doch so viele Getränke ohne Alkohol gab, die ich mag.
Gut, manche Feier wäre besoffen wohl leichter zu ertragen gewesen. Zum Beispiel kann ich mich an eine Faschingsfete erinnern, bei der an Mitternacht alle sturzbesoffen waren. Ein junger Mann wollte unbedingt mit mir „Dirty Dancing“ tanzen. Das ließ ich mir ja noch gefallen. Aber als er sich dann nach vorne beugte, drehte ich den Kopf schnell zur Seite. Der Gedanke daran, wo ich seine Zunge gehabt hätte, die ich gleich darauf in meinem Ohr spürte, brachte mich dann dazu, diese Veranstaltung zu verlassen.

Da mich irgendwie nichts dazu bewegte, Alkoholisches zu trinken, und auch mein Mann keinen Drang danach verspürte (ich gebe zu, das lag an meiner Einwirkung), hatte ich auch nie etwas im Haus. So langsam gewöhnten sich unsere Gäste daran und fragten nicht mehr nach. Dafür hatten wir dann alle nüchtern Spaß. Wenn mich jetzt jemand fragt, ob ich Alkohol trinke, sage ich augenzwinkernd: nichts außer Hustensaft, den aber literweise.

Betroffen gemacht hat mich, als ich miterleben musste, wie ein paar Bekannte meiner Eltern ins Krankenhaus gerufen wurden, weil ihre vierzehnjährige Tochter mit einer schweren Alkoholvergiftung eingeliefert wurde (im Übrigen nicht das erste Mal). Das Mädchen wurde von den Leuten bei einem Faschingsumzug immer fleißig mit Korn versorgt, bis es umkippte. Nun ja, die Eltern trinken auch ab und zu mal gerne einen Schluck und ein kleiner Schluck zu Silvester und bei Feiern macht auch Kindern nichts, wie sicherlich jeder bestätigen wird … So kann man Kinder natürlich auch an den Geschmack gewöhnen.

Neulich war meine große Tochter bei einer Feier eingeladen. Als sie nach Hause kam, fragte sie mich ganz entrüstet: „Sag mal Mutti, hättest du mir nicht sagen können, dass Prosecco so schei.. schmeckt?“ Tja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm ;-)

Soweit zu meinen eigenen Erfahrungen. Wer jetzt weiter liest, mag sich bitte seine eigenen Gedanken zu diesem Thema machen.


Wissenswertes:

Alkohol wurde bereits bei den Ägyptern rund 3000 vor Christi genutzt. Auch bei den Griechen und Römern war es bekannt. Die alten Römer benutzten Alkohol für medizinische Zwecke, zur Seuchenbekämpfung und als Wein getrunken als Schutz vor ansteckenden Krankheiten. In unseren Breitengraden kennt man die Alkoholherstellung mittels Destillation seit dem 11. Jahrhundert.

Heutzutage bringen Verkäufe alkoholischer Getränke dem Staat Steuereinnahmen von rund drei Milliarden Euro. Circa eine Milliarde Euro wird durch die Hersteller in Werbung gesteckt.
Dem gegenüber stehen ungefähr 1,5 bis 1,9 Millionen alkoholkranker Bundesbürger, die durch Unfälle, Produktionsausfälle und ähnlichem einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von acht bis zehn Milliarden Euro verursachen. Manche sprechen sogar von wesentlich mehr verursachten Kosten.
Außerdem werden jährlich circa 2000 Kinder mit zum Teil schweren Schäden geboren, da ihre Mütter in der Schwangerschaft getrunken haben.

Im Zusammenhang mit Alkohol gibt es jedes Jahr rund 42.000 Todesfälle.
Im Jahr 2007 wurden allein von der Techniker Krankenkasse mehr als 980.000 Euro für die Entgiftungsbehandlungen von betrunkenen Jugendlichen unter 20 Jahren aufgewendet. Dabei sind die Folgekosten noch gar nicht mit eingerechnet. Und auch nicht, dass nicht nur die Techniker Krankenkassen betroffen sind. Laut einer Studie der WHO liegt das durchschnittliche Alter des ersten Alkoholrausches bei 13 Jahren.

Na dann Prost!




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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010

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