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Das Fingernageldesaster




Fingernägel – laut Wikipedia sind sie gewölbte, durchscheinende Keratinplatten auf der Oberseite der Fingerspitzen, die dem Schutz der Fingerkuppen und der Unterstützung der Greiffunktion dienen. Sie bestehen aus 100 bis 150 übereinander geschichteten Lagen von Hornzellen. Schön – wenn die Fingernägel das bloß auch mal wüssten.
Als Schulkind hatte ich die Angewohnheit, Fingernägel zu kauen und, jetzt wird’s eklig, bis es geblutet hat. Natürlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anspruch auf schöne Nägel – wen interessierten die blöden Dinger schon, die, wenn sie sich denn ein Stückchen zu wachsen trauten, nur kratzig waren, unregelmäßig, störend – und bei Nervosität so schön zu beißen. Meine Mutter versuchte alles Mögliche, von Belohnung bis Bestrafung, von eklig schmeckendem Daumexol bis Schimpftiraden, nichts nützte was.
Bis ich in die achte Klasse kam und mein Interesse einem Jungen aus der Parallelklasse galt. Auf einmal schämte ich mich für diese Dinger, versteckte sie. So abgebissen waren sie einfach potthässlich und die Hände damit auch. So brauchte ich lediglich die Osterferien, um mir das Kauen abzugewöhnen. Natürlich musste jetzt eine Nagelfeile her. Und es wurde gefeilt, damit alles schön glatt war, denn sobald der Nagel Haken oder Ecken bekam, landeten die Finger automatisch im Mund, damit die Zähne die Ecken beseitigen konnten, was eher mehr Ecken verursachte und den Nagel entsprechend kürzer werden ließ, als dass es half.
Dumm nur, dass meine Fingernägel überaus weich waren. Die hatten nie was gehört von wegen Schutzfunktion der Fingerkuppen oder so. Nein, meine Fingernägel ließen sich nach hinten überklappen, ohne Risse zu bekommen. Das war zwar als Gag für den Ekelfaktor auf Partys ganz nützlich, für den täglichen Gebrauch dagegen taugten sie nicht.

Bei der kleinsten Gelegenheit hakte ich irgendwo damit hinter und schwupps – wieder war einer ab. Natürlich dachte ich zuerst daran, dass meine Kauerei daran schuld sein musste. Wahrscheinlich, so dachte ich, hatte ich damit die Nagelhaut so verletzt, dass die Nägel nun nicht mehr vernünftig wachsen konnten. Also versuchte ich mich an solchen Dingen wie Nagelhärter und Nagellack. Egal, wie dick ich die Schicht auf diese Quallen geschmiert habe, das Endergebnis war, dass der Lack bröckelte und die Nägel irgendwo wieder einrissen, womit das Schicksal ihrer Länge besiegelt war. Eigentlich fand ich meine Finger immer noch hässlich, alleine schon weil sie meiner Meinung nach nur mit langen Fingernägeln schlank aussehen konnten. Ich hatte zwar schon immer recht lange Beine, meine Finger und Zehen jedoch waren für mein Empfinden zu kurz geraten. An den Füßen störte mich das nie – die sah man eh kaum, doch die Finger …

Den Jungen aus der Parallelklasse habe ich nie wirklich kennen gelernt. Trotzdem bin ich ihm bis heute noch dankbar, dass es ihn überhaupt gab und er mich somit vom Kauen weggebracht hatte. Dafür lernte ich mit Ende 16 meinen jetzigen Mann kennen. Ein Schatz von einem Kerl. Und er hatte wundervolle, feste, harte Fingernägel. Gut, das half meinen wenig, dafür durfte er sich an allen Dingen versuchen, für die meine Nägel zu weich waren.

Immerhin schaffte ich es zeitweise, die Nägel so weit wachsen zu lassen, bis das Weiße rund zwei Millimeter über dem festgewachsenen Teil stand. Das war zwar immer noch nicht viel, hielt auch nie besonders lange, dafür waren meine Nägel nicht nur dünn sondern auch scharf. Das durfte das arme Opfer beim Erste-Hilfe-Kursus erfahren, dem ich die Arterie im Arm abdrücken sollte, und der mit einem lauten Schrei fragte, ob ich dafür einen Waffenschein hätte. Dass ich sie mir bereits kurz nach dem erste Hilfe Kursus wieder an irgendeinem Stück Papier eingerissen hatte, was ihnen ein erneutes Ende beschied, hatte er nicht mehr mitbekommen.

Nun waren meine Nägel nicht nur äußerst dünn, sie wuchsen auch sehr schnell. Hat ja auch Vorteile, wenn der Nagel bis unten runter einreißt und innerhalb von vierzehn Tagen wieder auf der alten Länge ist. Um das Dickenwachstum zu unterstützen, dachte ich mir, könnte ich es ja mal mit einer Kombination von Calzium und Kieselerde ausprobieren. Ein halbes Jahr hab ich mir das Zeug gekauft und immer artig eingenommen, immer mit neidischem Blick auf die Nägel meines Mannes. Das Ergebnis war enorm: die Nägel wuchsen mit doppelter Geschwindigkeit, wurden jedoch nicht fester. Immerhin brauchten sie nun nur noch eine Woche, bis sie für meine Verhältnisse lang waren. Das war für mich allerdings nicht besonders befriedigend, denn die Sache war kostspielig und auf die eine Woche kam es mir auch nicht sonderlich an. Mittlerweile hatte ich mir angewöhnt, alles, wozu mein Mann Fingernägel nehmen konnte, mit Hilfe einer Schere oder Nagelfeile zu machen, damit ich nicht immer seine Hilfe bei beinahe alltäglichen Dingen beanspruchen musste. Entsprechend fand sich beides auch in jeder Jacken- oder Handtasche, mit der ich unterwegs war, manchmal auch in doppelter Ausführung.

Dann bekam ich Kinder. Bei beiden stellte ich fest: die hatten meine Gene – leider – ist aber üblicherweise so bei Müttern und ihren Kindern. Und damit hatten sie auch diese weichen Dinger an den Fingern, was allerdings nicht sonderlich schlimm war, da auch meine Kinder Fingernägel kauten. Hätte nicht mein Mann ein bisschen mehr von seinen Genen in sie stecken können? Dann wäre ihnen auch das Kauen schwerer gefallen. Das Ergebnis war, dass wir alle drei stets zu ihm hinliefen, wenn wir eine Clementine abgepult, einen neuen Schlüssel an den Schlüsselring gemacht haben wollten oder ein Knoten im Schuhband aufgelöst werden musste. Klar gibt es Klettverschlüsse. Trotzdem mag ich Schuhbänder lieber. Die Lösung waren letztendlich Slipper.

Die nächste Überlegung waren falsche Fingernägel, doch ich muss zugeben, dass mir die als wenig attraktiv erschienen. Solche Plastikdinger oben auf dem Nagel kleben haben. Neeee. Also lebte ich weiter damit, dass an allen Fingern meine Nägel unterschiedliche Längen aufwiesen. Bei wem reißen die schon gleichmäßig ab?
Die Erleuchtung kam dann schließlich in Form von Arbeitskolleginnen, die mit ihren super gepflegten Nägeln ohne Probleme Kartons einrissen. Sie erklärten mir, dass man mit Hilfe von UV-Gel die Fingernägel verstärken lassen könne. Super, dachte ich, das tu ich mir auch an. Also machte ich mich auf den Weg in ein Nagelstudio und ließ mir meine Fingernägel verstärken. Achtunddreißig Euro bin ich dafür los geworden. Schon mal gutes Geld. Und wenn ich nun daran denke, dass meine Nägel so wahnsinnig schnell wachsen und jede Auffüllung mich nochmals achtundzwanzig Euro kosten würde … Aber Frau ist ja nicht doof. Wie gut, dass es Internet gibt. Dort hab ich mir entsprechendes Material bestellt, kann nun meine Nägel selber auffüllen und hab das Ganze schon bei dreimaliger Benutzung raus. Meinen Kindern kann ich die Nägel nun auch verstärken. Und das Schöne ist, ich kann mich richtig kratzen, ohne dass meine Nägel reißen, die Tastatur gibt ein interessantes Klackern von sich, wenn ich schreibe und überhaupt – nur schön.

Jetzt muss ich eigentlich nur noch einen schönen formaldehydfreien Nagellack finden, dessen Trocknungszeit nicht jedes Mal die Stundengrenze überschreitet. Denn jedes Mal, wenn ich meine Nägel schön lacke, brauche ich nur irgendwo gegen kommen, und der Lack ist wieder ruiniert.

Was man auch macht … ;-)


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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 14.03.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meinen Arbeitskolleginnen, die mir zu ganz neuen Erkenntnissen verholfen haben.

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