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Sprechen Sie deutsch? Sicherlich, sonst würden Sie das hier nicht lesen wollen. Auch ich spreche überwiegend deutsch, ich denke deutsch und ich lese deutsch. Mir ist klar, dass Sprachen stets im Wandel begriffen sind. Trotzdem kann man es nicht oft genug erwähnen: unsere Sprache wird unterwandert. Eigentlich ist das ein altes Thema, aber es ist eines, was mich immer wieder nervt. Es ist eines, welches mir jeden Tag begegnet. Es ist eines, welches mich immer wieder verwundert – und das schon seit meiner Schulzeit.

Schon mein Deutschlehrer hat mich seinerzeit bedrängt, ich solle doch mehr Fremdworte benutzen, da meine Sprache sonst naiv wirken würde. Ich weigerte mich und bekam den Denkzettel bei jeder Deutschklausur. Trotzdem habe ich mich durchgesetzt, denn diese Note tangierte mich nicht einmal peripher.

Was daraus wird, wenn man sich nicht so „naiv“ ausdrückt wie ich es getan habe, konnte ich an einem guten Freund sehen, der sich für ein Jurastudium entschied. Mit einem Mal fing er an, wirklich alles in Fremdwörter zu kleiden, was ihm den Lohn eingebracht hatte, dass ihn keiner mehr verstand. Teilweise lächerlich wurde es auch, wenn er Fremdwörter an unpassenden Stellen benutzt hatte. Man sollte schon wissen, was man sagt, wenn man sie denn benutzt.

Jedenfalls habe ich mich Zeit meines Lebens geweigert, mich so hochgestochen auszudrücken, nicht, weil ich es nicht könnte, sondern weil mir stets daran liegt, dass meine Umwelt mich versteht. Frankreich hat hier für mich wohl irgendwie Vorbildfunktion, denn viele Franzosen weigern sich, eigene Ausdrücke durch fremdsprachige zu ersetzen.

Vielleicht gerade deswegen fällt mir in den letzten Jahren der vermehrte Gebrauch von Anglizismen auf, und das an den unpassendsten Stellen. Bei jedem Einkauf komme ich an Ständern mit Klamotten vorbei, auf denen ein großes Schild mit der Beschriftung „SALE“ prangt. Brötchen kauft man jetzt in „Backshops“, die „Flyer“ diverser Drogeriemarktketten enthalten Artikel wie Natural Wellness Duschgel, Massage Pad, Meersalz-Öl-Peeling (es wundert mich mittlerweile, dass nicht von Oil-Peeling gesprochen wird), Body-Expertise Perfekt Slim Pro, Bodytonic, Fresh-up Fizzy Bath Balls, Figur Balance, Slim Fast, Trekking Rucksack, Nordic Walking Stöcke und letztendlich noch eine Body Lotion Pina Colada. Was, bitte schön, tun wir uns da an?

Im letzten Wochenblatt, welches hier in der Region erhältlich ist, stand eine Stellenanzeige: „40 Homearbeitsplätze für Outbound Callcenter- Agents bei freier Zeiteinteilung, gerne auch mit Fremdsprachen zu vergeben ...“. Da drängt sich mir doch die Frage auf: "Würde es denn ohne Fremdsprachenkenntnisse überhaupt noch gehen?"

Noch schlimmer finde ich allerdings, wenn sich Flughäfen in Deutschland Airport schimpfen und sämtliche Hinweisschilder dazu nur noch auf Englisch gehalten sind. Sollte man also dieser Sprache nicht mächtig sein, kann man nicht mehr fliegen, ohne sich einen Dolmetscher zu besorgen.

Ein Erlebnis der besonderen Art hatte ich, als ich den halbjährlichen Anruf im Wirbelsäulenzentrum des UK Eppendorf vornahm, um einen Termin zu holen. Ich wählte. Es tutete. Ein Anrufbeantworter sprang an. Eine Stimme meldete sich: „Spine-Center“, und noch irgendwas. Ich legte auf. Ich überprüfte die Nummer, wählte sie per Hand noch einmal und wieder meldete sich das „Spine-Center“. Hm. Als sich dann eine Sprechstundenhilfe meldete, erkundigte ich mich danach. „Entschuldigen Sie“, sagte ich, „ich wollte das Wirbelsäulenzentrum haben.“ Die Stimme lächelte förmlich durch das Telefon: „Dann sind Sie hier richtig.“ Nach einer erfolgreichen Terminabsprache folgte von mir eine E-Mail an das „Mangement“ des Krankenhauses, mit einer Erklärung des Telefonatablaufs und weiterem folgendem Inhalt:

„Können Sie mir mal bitte erklären, was dieser Schwachsinn soll? Die bisherige Ansage mit dem "Wirbelsäulenzentrum" war ansprechend und selbsterklärend. Wir leben hier in Deutschland und trotz aller Internationalität hat auch eine Klinik in Deutschland sich verständlich auszudrücken.
Ich könnte es ja noch verstehen, wenn der überwiegende Teil der Patienten englischsprachig wäre, aber ich wage doch stark zu bezweifeln, dass dem so ist. Kein anderes Land macht solch einen Blödsinn, alle sind bemüht, für ihre Patienten da zu sein, anstatt sich von ihnen zu entfernen.
Dass sich die Uniklinik Eppendorf nun der an Idiotie grenzenden allgemeinen Tendenz anschließt, Anglizismen zu verwenden, halte ich für einen starken Rückschritt - genau das Gegenteil von dem, was damit wohl bezweckt werden sollte.
Unsere Sprache ist schon genug von unverständlichen Wörtern infiltriert. Tragen Sie doch dazu bei, dem einen Riegel vorzuschieben und besinnen Sie sich auf unsere, für jeden (Patienten) gut verständliche Sprache.“



Als Antwort bekam ich:

„Sehr geehrte Frau Michaelis,

als Beauftragte des Zentralen Beschwerdemanagements erhielt ich Ihre Beschwerde zum o.g. Thema.

Wir danken Ihnen auch im Namen des Vorstandes für Ihre Hinweise. Die Erfahrung zeigt, dass die Qualität unseres Klinikums insbesondere dann verbessert werden kann, wenn Patienten uns auf unbefriedigende Situationen und Eindrücke aufmerksam machen.

Es tut uns sehr leid, dass Sie durch die Umbenennung der Wirbelsäulenchirurgie zunächst verunsichert wurden.

Ich werde Ihre Kritik an unsere Geschäftsführung weiterleiten, damit die Aspekte, die Sie nannten in zukünftigen Namensgebungen Beachtung finden können. Neue Namen werden von unserem Vorstand und anderen Gremien zusammen bestimmt.

Grundsätzlich sieht man in Deutschland den Trend, Anglizismen zu verwenden sehr häufig, was auch mit der allgemeinen Globalisierung zu tun hat.

Ihre Sichtweise ist durchaus nachvollziehbar und wir danken Ihnen für Ihre Hinweise.“



Es ist ja nett, dass das besprochen wird und vielleicht in zukünftigen Namensgebungen Berücksichtigung findet, doch wäre es mir lieber, wenn das schon bei den bestehenden passieren würde. Ich war so frei und habe dieses auch der Dame geantwortet und auch, dass stationäre Institute für die vorhandene Bevölkerung trotz Globalisierung verständlich bleiben sollte. Beim entsprechenden Termin war im Übrigen selbst meine Tochter über den Ausdruck irritiert. Was soll die Umbenennung bringen, wenn nicht einmal die nachfolgende Generation sie versteht?

Eine Firma, die Babypflegeprodukte herstellt, hat meiner Meinung nach in der letzten Zeit den Vogel abgeschossen. Sie hat eine Produktserie draußen, die heißt Baby Soothing ... - davon gibt es dann eine Baby Soothing Naturals Intensiv-Creme, eine Baby Soothing Naturals Lotion, eine Baby Soothing NATURALS™ Wasch- & Duschcreme und ein Baby SOOTHING NATURALS™ Cremebad. Des Weiteren hat sie nun eine Produktserie mit dem Namen Baby Softwash™ , welches beinhaltet Baby Softwash™ Cremedusche, Baby Softwash™ Cremedusche beruhigend (warum nicht hier soothing? - so konsequent sollte man doch schon sein), Baby Softwash™ Cremedusche harmonisierend Aloe Vera, Baby Softwash™ Cremedusche Extrapflege und Baby Softwash™ Duschgel mit Öl. Ich denke, deutsche Babys sollten nicht mehr mit Mitteln gepflegt werden dürfen , deren Sinn einem schon auf der Verpackung entgeht, schon alleine zum Schutz der Babys.

Diese unglaubliche Deutsch-Englisch-Mischung macht dem Verbraucher die Anwendung mit Sicherheit nicht einfacher. Wenn man die Mütter fragt, dann wissen mit Sicherheit 98% nicht, was Soothing bedeutet. Bei Softwash könnte man da schon mehr Glück haben. Traurig wird es in deutschen Landen ...

Da ich auch hier nicht meine Finger stillhalten konnte, habe ich auch diese Firma kontaktiert. Folgende Antwort bekam ich zu lesen:

„Sehr geehrte Frau Michaelis ,

vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wir freuen uns über Ihr Interesse an unseren Produkten und antworten gerne auf Ihre E-Mail.

Ihre Anregung, unsere Baby Soothing Naturals~ Produkte umzubennen, haben wir mit großem Interesse gelesen und an unsere zuständigen Kollegen zur Kenntnisnahme weitergeleitet.

Da wir stets daran arbeiten, die Qualität unserer Produkte zu verbessern und den sich wandelnden Bedürfnissen der Verwender anzupassen, sind Ihre Anmerkungen eine wertvolle Bereicherung unserer Arbeit. Durch Hinweise und Anregungen, wie die Ihrige, erhalten wir Einblicke in die Wünsche und Vorstellungen zu unseren Produkten und dies ist uns sehr wichtig.

Da hier aber unterschiedlichste Aspekte zu berücksichtigen sind, können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehen, ob und gegebenenfalls wann eine entsprechende Änderung möglich sein wird.“



… mit anderen Worten: schön, dass es Ihnen aufgefallen ist, aber wir haben kein Interesse daran und werden nichts ändern.

Globalisierung ist ja wirklich schön und gut. Allerdings sollte man doch immer den Nutzen einer Umbenennung abwägen, wenn es doch einen verständlichen deutschen Ausdruck für die gleiche Sache gibt. Niemand muss es übertreiben. Leggings müssen nicht in Beinlinge umbenannt werden und auch Joggen darf man gerne.
Ich werde mir jetzt jedenfalls meine Vans anziehen, mein Handy schnappen, um keine Shortmessages zu verpassen, mich in meinen shadowblue-farbenen Touran in der Highline Ausstattung setzen und auf Shopping-Tour begeben. Danach, wieder at home, werde ich mich in T-Shirt und Jogginghose kleiden und auf dem Crosstrainer ein paar Kilometer laufen. Vielleicht hilft es mir dabei, mich ein wenig abzuregen.


Nachtrag:

Meine Anmerkung an den Hersteller der Babypflegeprodukte schien doch Früchte getragen zu haben. Inzwischen wurde die Babypflegeserie umbenannt in "Intensiv-Linie"
Na also, geht doch ;-)

Auch hier bei Bookrix habe ich im Übrigen eine Tendenz dazu bemerkt, den Büchern einen englischen Titel zu verpassen. Als Erklärung meinen hier viele Autoren, dass es einfach besser klingt. Nun ja, ich suche mir am liebsten Titel aus, die im Deutschen sowohl gut klingen als auch aussagekräftig sind - sowohl beim Selberschreiben, als auch beim Lesen. Wer meint, seiner Geschichte einen englischen Titel verpassen zu müssen, hat zumindest mich als Leserin verloren. Da bin ich ziemlich konsequent!



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Impressum

Texte: Umschlaggestaltung: Divina Michaelis
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet den Mitgliedern des weiß-weisen Forums im ewigen Kampf um die Erhaltung der deutschen Sprache.

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