Den ganzen Tag begleitet sie uns. Wir sehen sie am Wegrand, an Häuserfassaden, in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, im Fernsehen, im Internet und hören sie auch im Radio. Milliarden werden für sie ausgegeben und das, obwohl die meisten von ihr genervt sind. Eine gesamte Industrie hängt an ihr. Und? Schon erraten, worum es geht?
Es geht um das Kind, welches im Supermarkt vor dem Kühlregal steht und mit nervenzermürbender Stimme den armen Mitarbeiter anschreit: „GIB MIR SOFORT EIN SCHOKOFRESH, SONST SCHUBS ICH DEIN REGAL UM!“, sodass man Mühe hat, seine Hände bei sich zu behalten und nicht auf den Fernseher einzudreschen. Es geht um einen dicken Mann, der auf einem überdimensionalen Stuhl sitzt und die Fernsehgemeinde auffordert, in einem überdimensionalen Möbelmarkt ihr Geld zu lassen. Es geht darum, dass wir doch nicht blöd sind oder darum, dass bestimmte Erkennungsmelodien dermaßen in unser Hirn eindringen, dass wir sie sogar auf dem Weg zur Bahn pfeifen und sie uns den halben Tag im Kopf rumgeistern. Es geht weiter um die Stimme eines Mannes, die uns eindringlich und hypnoseartig mitteilt, wie gut das Müsli schmeckt, die Mails, in denen einem Penisverlängerungen und Viagra angeboten werden. Kurz: es geht um Werbung.
Ich persönlich, wie Millionen anderer Menschen auch, neige ja dazu, wenn ich denn mal fernsehe, die Werbepausen im Fernsehen dazu zu benutzen, um mir etwas zu essen zu holen, mich auf die eine oder andere Art zu erleichtern, meinen Kindern gute Nacht zu sagen oder auch, die Wäsche abzunehmen. Nun sehe ich generell recht wenig fern. Nicht so mein Mann, der in seinem gemütlichen Sessel den Schlaf des Gerechten schläft, während im Hintergrund der Fernseher seine Werbetiraden auf ihn niederprasseln lässt. Das würde mich ja normalerweise nicht stören, wenn nicht ich dicht neben ihm sitzen und auf die Computertastatur einhämmern würde. Aber auch das ist noch nicht schlimm. Schlimm ist, dass mein Mann die Macht, in Form der Fernbedienung hat. Schlimm ist, dass ich diese nicht anfassen kann, ohne dass er aufwacht. Schlimm ist, dass ich meinen PC nicht verlassen will, bloß weil wieder irgendwelche blödsinnige Werbung läuft. Und so darf ich mich dann während meiner geistigen Ergüsse von verkaufsfördernden Stimmen berieseln lassen.
Natürlich habe ich den Überblick. ICH falle bestimmt nicht auf die Werbung herein. Mein Waschmittel wäscht so weiß, dass es weißer nicht geht – was soll ich mir ein anderes kaufen? Wobei – man könnte ja eigentlich Geld sparen, wenn man Megaperls zum kleinsten Preis von diesem Waschfuchs kaufen würde. Oder nehme ich doch lieber das Waschmittel von dem sympathischen Meister-Glatzkopf mit erstaunlichem Muskelbau, von dem es früher nur Allzweckreiniger gab? Oder das, was früher mal mit einer roten Schleife verkauft wurde, denn da weiß man schließlich, was man hat. Ich bin verwirrt. Nee ehrlich – ich boykottiere das ganz einfach und wasch meine Wäsche jetzt mit Waschnüssen – die waren letztens bei einer Supermarktkette im Angebot.
Im Übrigen möchte ich ein Mal, wirklich nur ein einziges Mal erleben, wie ein Kind mit matschigen Stiefeln über die weißen Fliesen läuft und die Mutter mit freudigem Gesichtsausdruck ihren neuen Wischmop nimmt und dem Kind hinterher wischt. Meinem hätte ich den Wischmop in die Hand gedrückt und gesagt, dass es den Mist bitte restlos selber zu entfernen hat – mit anschließender Androhung entsprechender Konsequenzen, sollte es das nicht tun oder pfuschen. Und ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die Frauen in der Werbung lediglich einen Spritzer eines Allzweckreinigers auf ein Tuch machen, mit diesem mit einem! Wisch über die Fliesen gehen und schon blitzen Bad und Küche? Ist mir noch nie passiert. Was mach ich eigentlich falsch?
Bedingt durch meine Tätigkeit, bei der ich viel Zeit an meinem elektronischen Ein- und Ausgabegerät und diese überwiegend im Zwischennetz verbringe (neudeutsch Computer und Internet), stoße ich mit schöner Regelmäßigkeit auf Werbefenster, in denen bewegte Banner laufen. Gegen sich plötzlich öffnende Fenster installiert man sich natürlich einen Werbeblocker. Aber weil das immer mehr Nutzer tun, haben findige Werbefuzzis etwas Neues programmieren lassen, was nicht so einfach zum Verschwinden gebracht wird. Und so öffnet sich in schöner Regelmäßigkeit ein Werbefenster, welches so groß gehalten ist, dass der „Schließen-Knopf“ außerhalb des Bildfensters liegt. Und da sie so findig programmiert wurden, dass sie sich mit dem Hoch- und Runterschieben des Fensters mitbewegen, besteht auch keine Chance, diese zu umgehen. Mein Rezept dafür: diese Seite nicht mehr aufrufen. Dank der meistgenutzten Suchmaschine finden sich auch andere Seiten, auf denen man nicht mit solchem Schmarrn belästigt wird. Werbebanner an den Rändern interessieren mich im Übrigen herzlich wenig. Sie überlese ich, dank angeborener Wahrnehmungsstörung, sehr leicht. Dank an meine Gene.
Dann haben wir ja auch noch die großformatigen Bildchen, die uns auf jedem Weg begleiten. Dort werben oft regionale Geschäfte oder welche mit Filialen in der Region, was ich völlig OK finde. Außerdem wird man aber auch von überdimensionalen Lippenpflegestiften erschlagen, darf von einer Reise unter Palmen träumen, die man sowieso nie antreten wird oder fährt beinahe in den nächsten Baum, weil eine reizende junge Dame mit ausgesprochen appetitlicher Figur für Wäsche, zwischen zwei Pfeilern einer Bushaltestelle, wirbt. Schade, dass man diese Figur nicht mit der Wäsche kaufen kann, sonst wäre das doch glatt etwas für mich. So enthalte ich mich lieber dieser Unterwäsche und kaufe beim nächstbesten Markt, in dem ein laufendes T-Shirt mit quietschiger Stimme das Markenzeichen ist. Bis ich feststellen muss, dass Klamotten vom Textildiscount qualitativ auch nicht das Gelbe vom Ei sind.
Mein letzter Familienausflug in einen Freizeitpark wurde am laufenden Band von Eigenwerbung mittels unausweichlicher Beschallung begleitet. Denen scheint nicht klar zu sein, dass ich mich bereits in dem Park befand. Ich weiß normalerweise, wo ich bin. Und es war mir leider auch nicht möglich, dank der ausgeklügelten Liedkomposition zu vergessen, wo ich war. So blieb man dann von morgens bis abends, um den Kindern ein angemessenes Erlebnis zu bieten und den ziemlich hohen Eintrittspreis zu nutzen. Dies führte zu dem Ergebnis, dass einem das Lied auch noch im Kopf herumschwirrte, wenn man schon längst mit seinem Liebsten zwischen den Laken des Bettenlagers aus dem Prospekt der letzten Woche lag, und eigentlich an ganz andere Sachen denken sollte.
Möchte man der ganzen Werbeflut entkommen, bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als entweder in die Wüste oder an den Nordpol zu ziehen. Aber selbst da könnte man inzwischen schon Werbefernsehen empfangen. Wahrscheinlich macht dort auch eine Firma mit einem Pfotenabdruck als Markenzeichen Werbung für ihre Wintermode und ein schwedisches Möbelhaus dürfte auch hier die Frage stellen: "Wohnst du noch oder lebst du schon?". Anscheinend müssen wir wohl damit leben. Dazu fällt mir eigentlich nur noch eines ein:
YippieYaYaYippieYippieYeh!
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Tag der Veröffentlichung: 24.01.2010
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