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Foren sind im Kommen. Teilweise dienen sie der Befriedigung der Mitteilsamkeit, teilweise der Problembesprechung. Nein, ich muss mich berichtigen: sie dienen größtenteils der Problembesprechung. Als Moderatorin eines Flirt und Liebe Forums kann ich davon ein Lied singen.

Wohl an die fünf Jahre mach ich das schon. Die häufigste Überschrift, die immer wieder auftaucht ist: "HILFE!!!!!!!!", was natürlich besonders überzeugend ist, da die Großschreibung und die vielen Ausrufungszeichen unbedingt auf die Hilfsbedürftigkeit dieses einen und wichtigsten User hindeuten, der alleine an der Front steht und als Einziger ein Problem zu haben scheint. Diesem kann auch sofort geholfen werden. Als erstes lese ich mir sein Problem durch, dann editiere ich den Titel und gebe ihm ein Aussehen, dass jeder hilfsbereite User weiß, was ihn erwartet, der problembehaftete Nutzer aber sein Thema nicht wieder findet. Wenn ich ganz fies bin, verschiebe ich das Thema auch in einen gänzlich anderen Forenbereich, weil es da besser hinpasst oder schließe es, weil tausendfünfhundertzweiundvierzig andere Nutzer bereits das gleiche Problem hatten.

Suchen scheint aus der Mode gekommen zu sein, lesen noch viel mehr. Wie anders ist es zu erklären, dass trotz ständiger Hinweise ein und dieselbe Frage immer und immer wieder gestellt wird? Und dass dann trotz Tipps das Problem weiterhin besteht? Na gut, Letzteres liegt wohl eher an der Beratungsresistenz der unbelehrbaren Problemfuzzis, die es mit ihrer Art immer wieder schaffen, dass eine Beziehung nach der anderen in die Binsen geht.

Eine Nutzerin z.B. regte sich darüber auf, dass ihr Freund Dinge tat, die ihr nicht passten. Trennen wollte sie sich nicht, diese Dinge akzeptieren aber auch nicht. Über 90 hilfreiche Beiträge später, in der ihr von beinahe jedem aus dem Forum gesagt wurde, dass er nach eigenem Willen handeln und letztendlich machen kann und wird, was er will, brachte sie dann etwas wie das hier: „Ja ich werde mich dran halten! Aber dann muss er sich auch dran halten dass Er das nicht mehr macht! Weil ich finde Er hat sowas nicht nötig!
Oder sehe ich das falsch?“


Als ich das gelesen hatte, fasste ich mich nur an den Kopf, zweifelte an meinem, ich denke doch, gesunden Menschenverstand und hatte dann schließlich auf die letzte Frage mit einem einfachen „Ja“

geantwortet.
Ich verstehe auch den Freund nicht, dass er immer noch mit ihr zusammen ist. Das hat doch mehr mit Masochismus zu tun als mit Liebe. Da möchte man doch glatt zur Peitsche greifen – oder eine Mauer vor die Tür stellen, gegen die er, immer mit dem Kopf zuerst, gegenlaufen kann.

Oft bekommt man auch das Problem aufgetischt, dass eine Beziehung in die Brüche gegangen ist, aus welchem Grund auch immer, und dass dieses nur ein Partner, nämlich der, der Schluss gemacht hat, akzeptieren kann. Spätestens nach zwei Wochen kann man sicher sein, dass bei uns nach Beendigung solch einer Beziehung die Frage auftaucht: „Wie bekomm ich sie/ihn zurück?“. Anscheinend hat jeder Mensch das Recht auf seinen Wunschpartner gepachtet. Ist man einmal zusammen, hat man auch zusammen zu bleiben, ein Leben lang, weil doch alles so toll läuft. Meistens fallen in dem Zusammenhang Sätze wie: „Ich habe doch alles für ihn/sie getan.“ Ja, wie jetzt? War der Partner unfähig, sich selbst zu rühren, bettlägerig oder was? Wenn man nicht gerade einen grenzdebilen Menschen zum Partner hat, ist der Ausgang der Beziehung nicht weiter verwunderlich.

Eifersucht – welch schillernde Facetten zeigen sich hier. Natürlich ist sie durch „Zufall“ seinen Verlauf im Internetbrowser oder Chatprogramm durchgegangen oder hat rein zufällig die empfangenen Mitteilungen auf seinem Handy durchgelesen. Interessant, welche Zufälle das Leben so für uns bereithält. Dumm nur, dass das Ergebnis dann eine von Selbstzweifeln geplagte Person zurücklässt, welche sich Hilfe suchend an die Forengemeinde wendet. „Warum tut er das?“ – Ja, woher sollen wir das denn wissen?

Was auch immer wieder als beliebtes Thema gehändelt wird ist: „Sie kommt nie/Er kommt zu früh“. Kein Wunder, dass sie nicht kommt, wenn er so früh fertig ist. Anscheinend ist es unmodern geworden, die Partnerin anzufassen und ihr so Erleichterung zu verschaffen. Oder aber der Mann definiert den Orgasmus als ultimatives Ergebnis beim Sex und ist enttäuscht, wenn sie nicht kommen kann. Sie dagegen beschwert sich, dass der Sex so langweilig ist, dass sie nebenbei ihre Fingernägel manikürt oder die Einkaufsliste für den nächsten Tag schreibt. Fantasie ist Mangelware geworden.

Und dann sind da noch die Männer, die sich ihr Leben lang fragen, ob zwanzig Zentimeter ausreichend sind, um die Frau befriedigen zu können. Als wenn ein langes drittes Bein eine Garantie für guten Sex wäre. Sie scheinen zu glauben, dass sie sich dann nicht mehr anstrengen müssen, jede Frau bei ihrem Anblick entweder in Ohnmacht fällt, oder aber glänzende Augen bekommt, den garantierten Höhepunkt inklusive. Oder die Fragen, wieso er nicht rein kommt. Bitte? Wie viele Möglichkeiten hat eine Frau denn da unten? Vielleicht sollte man sich für die Begriffsstutzigen unter den Männern noch ein paar Löcher extra bohren lassen, damit „er“ auch treffen kann.

Dass manche Männer/Frauen mehr Sex haben wollen als ihre Partner, ist ja schon beinahe ständiges Thema. Entweder wird das Thema dann in der Partnerschaft tot geredet, oder es wird stillschweigend hingenommen und gelitten – bis das Fass übergelaufen ist und gestritten wird, was irgendwann zur Trennung führt. Und zwei Wochen später landen sie wieder bei uns und wollen ihre Freundin zurück.

Man sollte meinen, dass in der heutigen Zeit, in der in jeder Bravo, Yam oder Mädchen beinahe alles über Sex drinsteht, auch jeder aufgeklärt sein sollte. Aber mitnichten. Es ist eher so, dass diese Zeitschriften anscheinend nur gekauft werden, um sich das neuste Poster von Tokio Hotel an die Schrägwand über dem Bett zu pinnen. Lesen ist ja nicht mehr in. Und so kann man sich auch erklären, warum immer wieder nach dem ungeschützten Sex gefragt wird, ob der Lusttropfen auch schwanger machen kann. Er hat ihn ja vorher rausgezogen.

Und um Himmels Willen – wozu stecken die in Pillenpackungen eigentlich immer so große Zettel mit rein? Am besten frag ich erst mal meine Freundinnen, wie das Ganze funktioniert (beim Frauenarzt hab ich nur halb hingehört). Dazu sagt mir zwar jede etwas anderes, aber zur Not kann ich ja noch einmal im Forum fragen und richte mich dann nach der Mehrheitsmeinung.

Es gibt aber nicht nur solche Threads, bei denen jedes kleine Problem zum wiederholten Male durchgekaut wird. Nein, es gibt auch einfallsreiche Probleme, welche tatsächlich noch nie auftauchten. Eine Frage war z.B. vor kurzem, ob durch Analverkehr, wenn beide HIV-negativ sind, HIV entstehen kann – weil: „im Hintern ist es ja schmutzig“

… ich glaube, dazu brauch ich nichts sagen.
Dann wäre da noch diese Frage, die ich unbedingt im O-Ton wiedergeben muss – es geht nicht anders: “Ich habe bei mir bemerkt , das wenn ich meine Muschi rasiere , dann werde ich sehr schnell feucht und geil . Das Gefühl bleibt auch sehr lange erhalten . Dabei habe ich keine Gedanken an Sex oder so . Wie entsteht das denn ? ... Dazu kommt noch , das hin und wieder blubbernde Geräusche aus meiner Muschi kommen . Das ist mir schon etwas peinlich .“

Ich konnte mich wirklich nicht zurückhalten und schrieb als Antwort: “Wieso rasierst du deine Katze? Und wenn sie blubbernde Geräusche von sich gibt, solltest du ihren Kopf vielleicht mal wieder irgendwann aus dem Wasser ziehen oder ihr nicht so viel zu trinken geben.“

Ich wundere mich, dass mir dabei keine Hörner gewachsen sind.

Wenn ich fies wäre, würde ich die häufigsten Fragen in einer FAQ zusammenfassen und dann jede neu aufkommende Frage dazu schließen. Dann wäre aber innerhalb kürzester Zeit das Forum ausgestorben, denn eigentlich ist schon fast alles beantwortet. Doch dann würde ich Ärger von unserem Admin kriegen – der liebt nun mal Leben in seinem Forum. Also wird man mich auch weiterhin vor dem PC sitzen sehen können, mal die Hände über dem Kopf zusammenschlagend, mal die Hand vor die Stirn klatschend, mal Tränen lachend und manchmal, aber auch wirklich nur manchmal, ein kleines bisschen frustriert sein. Aber immer fleißig in die Tasten tippernd.



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Tag der Veröffentlichung: 23.01.2010

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