Verliebt
Es war Samstag Nachmittag. Ausnahmsweise war ich nicht zuhause und hörte Musik, wie ich es sonst machte. Ich hatte mich mit meiner Freundin verabredet. Sie war sowohl meine beste Freundin, als auch einfach meine Freundin. Ich hatte wenige Freunde. Wenige und gute. Meiner Meinung nach, war das nur so, weil ich mich bei anderen nicht so einschleimte und mir eher richtige Freunde suchte, aber eigentlich lag es nur daran, dass ich selten jemanden ansprach. Ich war schüchtern. Deswegen war es mir auch unangenehm im Park auf der Bank zu sitzen. Ganz allein, während viele gleichaltrige an mir vorbei gingen und ab und zu auch zu mir guckten. Natürlich war das nicht schlimm, doch wer wusste, was die ganzen Leute über andere dachten? Vielleicht lachten sie innerlich über mich. Ich starrte auf den Boden und beobachtete viele Schuhe, die an mir vorbei tappten. "Hey, Emily.", hörte ich plötzlich von oben und schaute hoch. Olivia stand da und hatte rote Wangen. "Ich bin gerannt um nicht so viel später zu kommen.", erklärte sie. "Du bist trotzdem zu spät gekommen.", sagte ich. "Aber das ist ja nicht schlimm.", fügte ich hinzu. Mir war es nicht mehr unangenehm unter Menschen zu sein. "Wie geht's?", fragte Olivia, während wir durch den Park gingen. "Wie immer. Gut. Ich hab meinen Mp3 Player vergessen, deswegen nicht so gut.", meinte ich Schulterzuckend. "Du liebst deine Musik, nicht?", lachte sie. Ich nickte grinsend. "Es ist richtig nett von dir, dass du mit mir Picknicken gehst... ich dachte sowas langweilt dich!", sagte ich. "Ach, das wird bestimmt witzig! Und den Picknickkorb zu packen war auch lustig.", sagte sie munter. Olivia war ein guter Mensch, doch manchmal war sie so, wie die Mädchen, mit denen ich nichts zu tun haben wollte. Ich hatte sie am Tag zuvor überredet, mit mir Picknicken zu gehen, auf meiner Lieblingswiese. Nach langem Betteln hatte sie zugestimmt und blickte dem ganzen Optimistisch entgegen. Endlich kamen wir auf der Wiese an. Niemand war hier. Die Wiese hatte ein erfrischendes Grün, voller Blumen und umrandet von vielen dunklen Bäumen. Wie ein grünes Auge... Zusammen mit Olivia breitete ich die Picknickdecke aus und wir fingen an zu Picknicken, zu essen, zu lachen. Nach einer Weile erzählte mir Olivia mal wieder eine Geschichte von ihr und ihrem Freund. "Olivia, d-du weißt das mir das egal ist, oder?", fragte ich vorsichtig. "Aber.- Ich liebe ihn! Er ist mein Seelenverwandter! Und du als beste Freundin müsstest dich doch für mich freuen!", kreischte sie. "Sch, hör mir damit auf.", ich verdrehte die Augen. "In einigen Wochen hast du 'nen neuen Seelenverwandten. Das ist keine Liebe." Olivias Augen verengten sie sich. "Woher willst du
das wissen? Du verliebst dich doch nie. Du bist dir zu wichtig. Du weißt nicht, wie schön das ist.", sagte sie wütend. "Natürlich und du weißt es. Du mit deinem Freund, der sich jeden Monat ändert. Weißt du, man kann sich nicht nur auf's Aussehen einschränken!", sagte ich ruhig, obwohl ich immer wütender wurde. "Jaja und du bist ja so schlau. Du machst dich nicht besser, wenn du dein Aussehen nicht pflegst und dich nicht für Jungen interessierst. Und dann bist du noch stolz darauf Rock Musik zu hören. Hallo? Das ist nicht cool. Wir sind doch nicht in den sechziger Jahren!", schrie Olivia mich an. Stumm starrte ich sie an. Sie war schon immer hübsch gewesen. Blonde, lockige Haare, ein nettes lächeln und hellblaue Augen, doch ich dachte, sie wär nicht so, wie sie aussah. So oberflächig. Doch ich hatte mich getäuscht. Sie war so, wie die anderen Zicken, die mich anekelten. "Ach vergiss es.", murmelte ich, nahm meine Tasche und und ging schnell weg. "Hey! Hey, du kannst doch nicht so einfach gehen! Du Idiotin! Du nennst dich Freundin?-" Mehr hörte ich nicht. Ich hatte die Wiese verlassen und ging wieder auf dem Fussgängerweg, der durch den Park ging. Wütend starrte ich auf den Boden. Sie war keine Freundin. Damals, in der fünften Klasse war sie das. Als ich noch nicht so war. Damals lief ich jedem nach. Sie war die jenige, die ich mochte. Dann wurde ich älter, dachte eigenständiger. Doch wir verstanden uns immernoch gut... und irgendwann, da waren wir einfach Freundinnen. Wie ein altes Ehepaar. Kamen jeden Tag miteinander aus, doch geredet wurde selten und wenn, immer über das selbe. Ich hatte mir eingebildet, sie würde irgendwann doch wieder eine gute Freundin sein. Doch anscheinend dachte sie zu schlecht von mir. Plötzlich rempellte ich jemanden an. Ganz ausversehen, denn ich schaute nicht hoch. Ich schaute hoch. "Oh, tut mir leid!", nuschelte ich und wusste, dass ich rot anlief. Ich hatte einen Jungen angerempellt. Junge konnte man nicht sagen. Er war älter als ich, nicht viel älter, doch seine Augen sahen aus, als hätten sie schon viel erlebt. Sehr viel. Vielleicht war er ein junger Mann... Erst jetzt merkte ich, dass ich immernoch vor ihm stand. Er starrte mich auch an, wie ich ihn angestarrt hatte. "Du weinst ja...", sagte er leise. Ich fasste mir an die Wange. "Oh... ja.", sagte ich und merkte, wie ich angefangen hatte zu zittern. Er raubte mir den Atem, obwohl ich ihn nicht kannte. Ich wusste nicht, wieso er immernoch vor mir stand, oder wieso ich es tat. "Hast du dich verletzt?", fragte er nochmal. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, mir geht es gut.", antwortete ich. "Wie heißt du?", fragte er plötzlich. "Emily...", murmelte ich. Ich war noch nie in so einer Situation gewesen. Ich wusste nicht, das man jemanden einfach nach dem Namen fragte. "D-du?", fragte ich langsam. "John.", seine hellgrünen Augen starrten auf mich hinunter. "Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe...", sagte er. "Wieso solltest du das?", fragte ich. "Weil man Mädchen nicht einfach so anspricht.", sagte er leise. "Dein Name ist nicht... nicht Deutsch, woher kommst du?", ich fühlte Blut in meinen Wangen. "Ich komme aus England, lebe aber schon... eine ganze Weile in Deutschland.", sagte er und schaute weg. Und dann redeten wir. Wir redeten einfach. So etwas war mir noch nie passiert. Ich gab ihm meine Nummer. Ich wollte mich länger mit ihm unterhalten, doch dann musste er weg. "Bitte ruf mich an!", sagte ich, während er wegging. Ich sah ihm hinterher. Seine dunkle Gestalt, mit der hellen Haut, den leuchtend grünen AUgen und den verwuschelten schwarzen Augen. Irgendwas an ihm war nicht so, wie es sein sollte. Er gefiel mir, auch, wenn er eigentlich zwei oder vielleicht auch drei Jahre älter war als ich. Ich hatte mich verliebt.
Tag der Veröffentlichung: 22.09.2010
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