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Was ist ein heutiger Mensch ohne Internet, handy, Telefon und Fernseher? Nichts! Falsch! Er ist kreativ, weil er sich anders verständigen und informieren muss!


„Ich muss jetzt los…“ Murmelte ich meinen Freunden zugewannt, die alle in einem Kreis dastanden und konzentriert an ihren Kippen zogen. Ich schnipste meine weg und trat sie mit meinem Schuh aus.
„Wohin willsten?“ Fragte mich meine ehemalige beste Freundin Aline und sah mich schon wieder provokant an.
Ich verdrehte die Augen und verließ den Kreis der „Coolen Raucher.“
„Eine Antwort bitte schön!“ Rief mir Sandra hinter her, die nicht besser war als alle Anderen und auch mal zu meinen engeren Freunden gehörte.
„Ich muss arbeiten! A.R.B.E.I.T.E.N. – Dinge die ihr nicht kennt!“ Antwortete ich und rannte zum Bus, der so eben an die Haltestelle einfuhr.
Als ich im Bus saß, bemerkte ich, wie sehr ich nach Rauch stank. Na lecker und kein Deo in der Tasche. Also steckte ich mir einen Kaugummi mit Aprikosen Geschmack in den Mund. Ich liebte Aprikosen, ob Shampoo, Kaugummi, Deo, Bonbons oder die Früchte einfach selber, ich konnte nichtgenug davon bekommen.
Ich fuhr an meinen Freuden vorbei, aber ich wollte sie nicht ansehen.
Eigentlich war es ja total peinlich, die Gruppe,- die aus 8 rauchenden Leuten bestand, als meine Freunde zu bezeichnen. Wir waren alle mal gut befreundet, aber jetzt zählte nur noch Rauchen, Kiffen, Saufen und Cool tun. Vielleicht ist es ja auch cool und vielleicht gehört das zum Erwachsen werden, aber ich konnte mich damit einfach nicht anfreunden. Warum ich trotzdem mit machte? Gruppenzwang! Langeweile? Zu viel Geld?!
Wenn meine Mutter das wüsste, wäre sie sicher sehr enttäuscht, was ich auch verstehen könnte, ich bin es ja auch von mir selber.
Ich setzte meine großen Kopfhörer, die ich bei eBay für wenig Geld ersteigert hatte, auf und ließ die Musik durch meine Ohren rauschen.
„This is the way you left me.
I'm not pretending.
No hope, no love, no glory,
No happy ending.”

Schönes Lied, es ist von Mika. Mir gefiel es von ihm am Besten. Vor allem die Zeilen mit: „No hope, no love, no glory,” Was so fiel hieß wie: “Keine Hoffnung, keine Liebe, keine Ehre“ Es stimmte ja, ein bisschen zumindest. Der Rest vom Lied war eigentlich unwichtig.
Es gab keine Hoffnung für meine Freunde, das sie mal zur Vernunft kamen und merkten dass Cool sein nicht alles ist. Ich hatte keinen Freund und war auch nicht verliebt und das mit der Ehre musste ich mir noch überlegen.
Als meine Haltestelle ertönte, stieg ich aus und lief genervt zu der Pferderennbahn. Heute war mein erster Tag dort. Meine Mutter hatte meinen großen Bruder und mich zum Arbeiten gezwungen. Sie wollte, dass wir eine ordentliche Beschäftigung hatten und nicht irgendeinen Mist machten. Na mal sehen wie lange ich das durchhielt. Mein großer Bruder machte Zurzeit jedoch eh eine Ausbildung zum Maler, also bekam er bereits Ausbildungsgeld und musste nicht zusätzlich arbeiten. Ich ging noch zur Schule, leider, 11. Klasse war echt nervig und die Besten Noten hatte ich auch nicht. Aber Bock auf Ausbildung war auch nicht da.

„Du bist also die Elvira?!“ Fragte mich der Chef, nach dem ich mich bereits vorgestellt hatte.
„Ja…“ Murmelte ich noch mal zur Bestätigung und kaute provozierend auf meinem Kaugummi herum.
Er erklärte mir dann was ich zu machen hatte. Irgendwas mit Wettscheine und Geld geben. Keine Ahnung, irgendeine Frau Maier würde mir schon helfen, hatte er auch noch erwähnt.
Also setzte ich mich in so eine Kasse und lehnte mich erst einmal zurück. Es war noch keiner da. Das Pferderennen begann auch erst in einer halben Stunde.
„Ich bin die Frau Maier, du kannst DU zu mir sagen!“ Stellte sich eine etwas dickere Frau, die an der Kasse neben mir saß, vor.
„´bin die Elvira.“ Stellte ich mich nun auch vor, aber mit nicht ganz so viel Interesse.
Die Frau strahlte mich an und musterte mich. „Das Piercing musst du aber raus machen!“
„Hä wieso?“ Fragte ich und berührte das Metall an meiner Lippe. Mir gefiel es ja eigentlich auch nicht, aber zu einer Feier hatte mich Aline abgefüllt und dann wurde ich zu einem Piercing Studio gezerrt. In meinem damaligen Zustand hatte es nicht einmal weh getan und langsam hatte ich mich auch damit abgefunden, das ich da was hängen hatte.
„Wegen der Sicherheit und es ist halt Vorschrift. Die Ohrringe kannst du aber drin lassen.“ Erklärte mir die Dicke, die ja eigentlich ganz nett war.
Also puhlte ich mir das Ding an meiner Lippe raus und steckte es in die Hosentasche. Außerdem nahm ich mir vor, das Teil nie wieder dran zumachen.

Ich saß gefühlte 5 Stunden in der Kasse und hatte einfach nur Stress. Warum waren die Menschen so Wettsüchtig?! Hatten die zu viel Geld!?
„Schluss für heute. War schön dich kennen zu lernen, ich hoffe du bist das Nächste mal wieder dabei! In einer Woche?“ Sagte Frau Maier und schüttelte mir zum Abschied die Hand.
Ich nickte nur und sagte: „Mal schauen. Tschüß!“ Dann verließ ich die kleine, enge und mittlerweile stinkende Kasse.
Auf dem Weg nach draußen, hielt mich der Chef auf. „Willst du nicht dein Geld?“ Fragte er und grinste mich an.
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Na ja, doch…“
Er kramte in seiner Hosentasche, murmelte irgendwelche Zahlen vor sich hin und drückte mir anschließend 25 Euro in die Hand. Nicht schlecht, vielleicht kam ich ja doch noch mal her.
„Danke!“ Sagte ich und ging weiter. Ich musste an den stinkenden Pferdeställen vorbei. Ich konnte die Viecher nicht leiden, sie stanken, kackten und fraßen nur sinnlos rum.
Am letzten Pferdestall standen 2 Frauen mit Kopftuch, sie stritten sich laut. Als ich näher kam, sah ich noch wie die eine Frau ausholte und der Anderen ins Gesicht schlug. Ich blieb stehen und war entsetzt. Spinnt die?!
„Eh, so was gibt’s hier nicht, klar!!!“ Schrie ich in ihre Richtung und rannte zu ihnen.
Die Frau sah mich an und schrie mich auf irgendeiner Sprache, die ich nicht verstand, an.
„Ja bla, bla. Halts Maul!“ Sagte ich und widmete mich der anderen Frau die weinenden am Boden saß und sich das Gesicht hielt.
„Alles okay?!“ Fragte ich sie und kniete mich zu ihr. Außerdem hoffte ich, dass sie mich verstand.
„Hm…“ Murmelte sie und sah mich an.
Ich hob die Augenbrauen. Sie war nicht viel älter als ich. Ich drehte mich zu der Frau um, aber die war mittlerweile nicht mehr da, sondern auf dem Weg nach draußen.
„Tut es sehr weh?“ Fragte ich das Mädchen, weil mir nicht besseres einfiel.
Sie stand auf. „Was willst du eigentlich?“ Fragte sie mich. Ihr Deutsch war besser, als das von manch meiner deutschen Freunde.
Ich musterte ihre rote Wange. „Ich hasse Gewalt und Schläge. Da könnte ich kotzen!“ Erklärte ich ihr. Das stimmte, sogar wenn jemand ein Tier quälte ging ich ihm an die Gurkel. Bei so was konnte ich nicht wegsehen.
HAHA, vielleicht war ich ja doch kein Hoffnungsloser Fall, sondern total mitfühlend und liebenswert.
„Ich bin übrigens die Elvira!“ Stellte ich mich ihr vor, als sie schweigend den Boden betrachtete.
Sie nickte. „Ich heiße Aisha!“
Komplizierter Name, wie sollte ich mir den denn merken?!
„Ah ja, ok. Hast du auch einen Spitznamen?“ Fragte ich sie.
Sie sah mich verwirrt an. „Nee, wieso?“
Ich zuckte mit den Schultern. Schließlich konnte ich ihr ja nicht sagen, dass ich zu dämlich war, mir ihren Namen zu merken.
Ich kramte mein Skizzenbuch aus dem Rucksack, riss eine Seite raus und schrieb meine Handynummer drauf. „Hier, falls noch was ist!“ Sagte ich und gab ihr den Zettel.
Sie murmelte noch ein „Danke“ dann verschwand ich. Hoffentlich besaß sie so was wie ein Handy.
Als ich wieder im Bus saß und auf dem Heimweg war, fragte ich mich, warum ich der Ausländerin meine Handynummer gegeben hatte?! Ich hatte mit Mädchen die ein Kopftuch trugen eigentlich nichts zutun, obwohl es an meiner Schule auch ein paar von ihnen gab.

„Hallo Schatz, hilfst du Wanda bitte bei den Hausaufgaben? Ich muss mich grade um Timi kümmern, der ist hingefallen!“ Begrüßte mich meine gestresste Mutter, die dabei war, meinen Pflegebruder das Knie zu verarzten.
Also stieg ich über das ganze Spielzeug, das im Wohnzimmer verteilt lag und setzte mich zu meiner anderen Pflegeschwester an den großen runden Tisch auf dem eine Schale mit leckeren Aprikosen stand.
„Wieder mal Mathe?“ Fragte ich sie.
„Ja, leider…“ Murmelte Wanda und kramte ihr Heft aus dem Ranzen.
Mathe in der 4. Klasse war ja noch schön einfach, da konnte ich ihr gut helfen.

Am Abend saßen wir alle zusammen beim Abendbrot. Meine Oma hatte gekocht. Außerdem saß noch meine Tante am Tisch. Sie unterstützte meine Mutter gerne, weil sie selber keine Kinder bekommen konnte, hatte sie hier genug Beschäftigung.
Es gab nicht nur mich und meinen großen, 19 Jährigen Bruder Erik, sondern, wie bereits erwähnt Wanda, sie war 10 und unser Pflegekind, genau wie es auch der 7 Jährige Timi war und unser Neuling Luis der erst 2 Jahre alt war. War schon manchmal ganz schön stressig und laut, aber es war machbar. Immerhin hatte ich mein eigenes Zimmer in dem ich mich verkriechen konnte. Hatte ja eigentlich auch jede 17 Jährige oder nicht?!
Meine Mutter liebte Kinder, darum sind wir hier auch so viele, außerdem arbeitete sie auf einer Kinderstation im Krankenhaus.

Nach dem Essen ging ich noch mit dem Hund raus spazieren, immer an den Selben Ort. Erst ein Stück durch die Innenstadt, dann über ein kleines Feld, dann wieder durch die Innenstadt und dann zum Fluss. Es führte eine Treppe runter zum Wasser, was eigentlich mehr als Sitzmöglichkeit genutzt wurde und die sich über mehrere Meter entlang zog. Dort saßen öfters viele Menschen und sonnten sich. Aber jetzt, wo es langsam dunkel wurde, war hier keiner weiter.
Ich setzte mich und holte mein Skizzenblock raus. Ich zeichnete meinen Hund, aber weil der nicht still stand, fing ich an, die andere Seite vom Fluss zu zeichnen. Der Fluss war nicht sehr breit, vielleicht nur 20 Meter und die Strömung war auch nicht sehr stark. Aber trotzdem lud das Wasser nicht zum drin baden ein. Auf der Anderen Seite war dann übrigens Baden Württemberg, ich wohnte nämlich in Rheinland Pfalz und dieser Fluss, was der Rhein war, trennte die beiden Bundesländer. Fand ich eigentlich ziemlich interessant. Die auf der anderen Seite hatten auch andere Termine für die Ferien. Aber ich wusste nicht genau, ob sie Zurzeit zur Schule gingen, denn ich hatte nur noch eine Woche Ferien, dann fing wieder Schule an.
Ich hörte wie auf der anderen Seite jemand anfing Gitarre zu spielen. Es klang richtig gut.
Auch ihn zeichnete ich in mein Skizzenbuch, auch wenn ich nur die Umrisse erkannte, da es mittlerweile ziemlich dunkel war. Aber ich wollte nicht aufstehen, ich wollte lieber weiter dem Jungen oder was das war zuhören.
Er hörte auf zu Spielen und ich klatschte laut in die Hände. Ich sah wie er sich verbeugte und seine Sachen einpackte. Dann ging er. Also machte ich mich auch auf den Heimweg.

Am nächsten Tag wollte ich mit dem Hund wieder zum Rhein, aber als wir in der Innenstadt bereits waren, traf ich auf meine „Freunde.“ Sie waren wieder einmal am Rauchen und in eine sehr lauten Unterhaltung vertieft. Außerdem hing Aline am Ohr von Mike und leckte daran rum. Iiiih!
„Na Elvira, was geht?“ Begrüßte mich Sandra. „Wie wars Arbeiten?“ Ich wusste, das sie mich damit aufziehen wollte und am Liebsten hätte ich meinen Hund auf sie gehetzt, aber ich ließ es dann doch und sagte nur: „War schön. Und wie war es noch beim Rauchen und sinnlos auf dem Fußweg rumstehen?“ Ein bisschen provozieren musste ich ja schließlich auch.
„Besser als Abreiten, würd ich mal sagen!“ Mischte sich Aline ein. Ich sah sie genervt an. Fresse halten?
„Ignorier es! Zigarette?!“ Fragte Robert, der einzigst Normale von den ganzen Idioten.
Ich zündete sie an. Gruppenzwang und Frust! Dann lauschte ich der sinnlosen Unterhaltung. Es ging um irgendein Mädchen was neu in der Stadt sein sollte und bereits 5 Kerle „gevögelt“ hätte, unter anderen Mike, an dem bereits Aline wieder klebte. Aber so was störte sie anscheinend nich. Billig.
Als der deutsche Wortschatz dann zum Assi-Gelaber wurde, verließ ich die Gruppe.
Am Fluss setzte ich mich wieder auf die Selbe Stufe wie am letzten Tag und suchte die andere Seite nach dem Gitarristen ab. Aber er war nicht da.
Also streckte ich mein Gesicht in die Sonne, holte ein paar Aprikosen aus dem Ruchsack, aß sie und kraulte neben bei das Fell vom Hund.
Wenig später hörte ich wieder das Selbe Lied von Gestern. Ich setzte mich auf und sah ihn wieder. Diesmal erkannte ich ihn besser und ich sah wie er mir zu winkte.
Ich winkte schüchtern zurück. Es war ein Junge, mit schwarzen Locken. Das erkannte ich sehr gut, denn sie standen sehr komisch von seinem Kopf ab. Er trug auch eine lange Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Obwohl es ziemlich warm war.
Ich sah ihn die ganze Zeit an und er mich irgendwann auch, anscheinend hatte er bereits alle Lieder vorgespielt und ihm fiel keins mehr ein. Also holte ich meinen etwas größeren Block aus dem Rucksack und schrieb drauf: „Happy Ending –Mika“ Das war das Lied was mir so gefiel, dann hielt ich den Block hoch.
Ich sah wie der Junge grinste und dann fing er tatsächlich an, dieses Lied zuspielen. Mir blieb der Mund offen stehen. So bekannt war das Lied eigentlich gar nicht, wieso konnte er es auf Gitarre spielen? Ich lauschte ihm bis zum Ende. Es kam zwar nicht alles klar und deutlich bis zu mir an, aber ich erkannte es sehr gut.
Ich schrieb auf ein neues Blatt dann meinen Namen und einen Pfeil auf mich und hielt es wieder hoch. Der Junge hielt seinen Daumen hoch.
Am Liebsten hätte ich ihm den Block rüber geworfen, damit er auch seinen Namen drauf schrieb, aber das ging ja schlecht.
Also baute ich ein Schiff und ließ es ins Wasser. Leider kam es nicht auf der anderen Seite an, sondern ging unter. Schade!
Ich suchte nach einer Brücke, wo man einfach mal zu ihm rüber gehen könnte. Aber es war keine da. Zumindest nicht in der Nähe. Erst 3km weiter und auf so weites laufen hatte ich keine Lust. Ein Ander mal!
Mein Handy summte in der Tasche los und ich ging rann.
„Ja?“ Rief ich in das Gerät, da ich die Nummer nicht kannte.
„Elvira?“ Fragte jemand.
Ich zog die Augenbrauchen hoch und schaute zum anderen Ufer wo der Junge immer noch saß, er war es nicht mit dem ich gerade telefonierte, schade!
„Ja hier ist die Elvira…“ Antwortete ich.
Kurzes Schweigen. „Ja also….hier ist die Aisha, können wir uns treffen?“
WER?!?! Weil ich nicht sofort antwortete sagte das Mädchen: „Die ohne Spitznamen und mit dem Kopftuch von der Pferderennbahn!“
Aaaaaah!! „Ja klar, wo willst du dich mit mir treffen?“ Fragte ich sie also nach meinem Blackout.
„Bei dir?“ Fragte sie.
Ich überlegte. Hm! „Ja ok…“ Dann gab ich ihr noch meine Adresse durch und legte auf. Ich war ein wenig genervt, denn Zuhause war Zurzeit nur Chaos und mein Zimmer war auch nicht gerade das ordentlichste.
Also machte ich mich mit dem Hund auf den Weg zu unserer Siedlung, ein bisschen aufräumen sollte ich vielleicht doch. Obwohl ich dem Jungen noch gerne zu gehört hätte, aber was solls, war ich eben mal eine gute Freundin für ein fremdes Mädchen mit Kopftuch.

Als Aisha eine halbe Stunde später schweigend auf meinem- von Klamotten und Stiften überfülltem Bett saß, wusste ich nicht so richtig wie ich ein Gespräch anfangen sollte. Meine Mutter wollte sie ja sofort kennen lernen und sie über ihre Kultur ausfragen, aber Aisha sah davon nicht ganz so begeistert aus und auch meine Geschwister fanden ihr Kopftuch nicht sehr passend. Timi sagte sogar, dass es für Tücher draußen viel zu warm wäre. Wo er ja auch Recht hatte. Aber ich wollte sie auch nicht fragen, warum ihre Mutter sie geschlagen hatte. Vielleicht war es ja auch nur ein Missverständnis gewesen oder Aisha wollte darüber nicht reden.
„Ok, also..ähm, wie geht’s?“ Fragte ich sie schließlich zögernd, weil mir auch wirklich nichts besseres einfiel.
„Gut.“ Antwortete sie und saß immer noch Kerzengerade auf dem Bett.
Ok! „Hunger?“
„Nein, danke.“
Ich war mit ihr überfordert. Was wollte sie denn dann hier?
„Hm, was dann?“ Fragte ich sie also.
Aisha sah mich nur verwirrt an und ich verdrehte die Augen. „Warum wolltest du dich mit mir treffen?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Zuhause war es doof und meine Freundinnen sind nicht da.“ Erklärte sie mir. Aha, also war ich jetzt ihre Notlösung, na schön!
„Hast du denn keine Geschwister?“ Fragte ich sie. Aisha schüttelte den Kopf. „Und wo kommst du eigentlich her?“
„Türkei!“ Antwortete sie kurz.
„Cool und was willst du dann hier in Deutschland, dort drüben ist es doch viel wärmer.“ Sagte ich und dachte an den kalten Winter den wir hier manchmal hatten.
Aisha stand auf und betrachtete meine Bilder die ordentlich eingerahmt an meiner Wand hingen. „Wer ist das?“ Fragte sie schließlich und deutete auf meinen Bruder, der auf dem Bild mit mir zusammen drauf war. Das Foto war erst 2 Monate alt, wir hatten da zusammen Grimassen gezogen und meine Pflegeschwester Wanda hatte es zufällig fotografiert.
„Das ist mein großer Bruder.“ Erklärte ich ihr und trat neben sie. Aisha war nicht viel größer als ich, ein bisschen nur und sie war genau so schlank wie ich, zumindest sah das unter diesem Vorhang so aus. Also es war kein Vorhang, sondern ein sehr langes Kleid und darunter trug sie noch eine Jeans. Geschmackssache…
„Wie heißt er?“ Fragte sie neugierig.
„Erik.“ Ich zog meine Augenbrauen hoch, anscheinend hatte sie für den Affen Interesse. „Er ist 19 und Single, also falls du Interesse hast? Du kannst ihn haben.“ Ich fügte aber nicht hinzu, dass er bestimmt nicht viel von ihrem Kopftuch hielt.
„Bist du verrückt!? Niemals!“ Rief Aisha entsetzt und wendete sich dem Bild wieder ab.
„Willst du lieber mal irgend so einen 50 Jährigen,- Notgeilen Mohamed in der Türkei heiraten??“ Fragte ich sie und bereute diese Frage, schließlich konnte sie ja nichts dafür, dass sie so eine Religion lebte, oder doch!?
Aisha antwortete mir nicht, also hatte ich Recht!
Nach dem wir uns noch weitere 10 Minuten anschwiegen, beschloss Aisha zugehen.
Also führte ich sie noch durch den Flur bis zur Tür.
„Na Halloa, neue Freunde gefunden, Elvira?!“ Erik kam so eben aus seinem Zimmer und musterte Aisha ganz genau. „Schickes Kopftuch, H&M?“
Ich verdrehte die Augen und hätte ihm am Liebsten eine geklatscht.
„Ähm, ja!“ Antwortete meine neue Freundin schüchtern und sah beschämt zu Boden.
„Cool. Man sieht sich.“ Sagte mein Bruder und ging ins Wohnzimmer.
Ich grinste Aisha an. Süüüß!
„Ich muss jetzt wirklich-„
„Er ist auch bei Facebook, kannst ihm ja mal schreiben!“ Unterbrach ich sie und grinste immer noch.
„Äh nein, wir haben kein Internet Zuhause. Tschüß!“ Und damit verschwand sie im Treppenhaus. Kein Internet? Oh Mein Gott!

Am nächsten Tag war mir langweilig, draußen regnete es und auf meine Freunde hatte ich keine Lust. Die ganze Nacht hatte ich darüber nachgedacht, meinen Bruder mit Aisha zu verkuppeln, das wäre sicher lustig. 2 totale Gegensätze ein Paar, süß!
Als ich wieder das Lied von Mika hörte und neben bei meine Skizzen von den letzten Tagen betrachtete, fiel mir auf, dass der Junge mit der Gitarre vom anderen Ufer ziemlich hübsch war. Oder hatte ich ihn einfach nur hübsch gezeichnet?! Vielleicht hatte er total komische Flecken im Gesicht, die ich nur von nahen gesehen hätte. Obwohl, es muss ja auch hübsche Jungs geben. Nur das die für mich unerreichbar waren. Schließlich war ich nicht so ein Mädchen, das enge Jeans und weit ausgeschnittene T-Shirts trug, außerdem sah an mir alles ziemlich doof aus. Ich hatte es ja schon mal ausprobiert, aber ich mochte halt doch lieber meine großen Pullover, T-Shirts oder Hemden. Ich trug zwar auch mal kurze Hosen oder mal ein Kleid, auch Strumpfhosen kamen vor. Aber es sah nie so elegant aus, wie zum Beispiel bei Paris Hilton oder den anderen reichen Tussis. Auch Absatzschuhe trug ich nicht, darin konnte ich nicht laufen, obwohl es mir meine Mutter mal versucht hatte beizubringen, aber es war hoffnungslos. Ich liebte meine Stiefel bzw. meine Chucks die voller Farbkleckse waren. Außerdem liebte ich meine braunen Haare. Ich hielt es nicht für nötig sie blond zu färben, wie es fast jeder meiner „Freundinnen“ tat.
Prrrrrrrrr. Mein Handy unterbrach meine Gedanken.
„Hallo Aisha.“ Rief ich ins Telefon als ich auf dem Display ihren Namen las.
„Hi, hast du Lust zu mir zukommen?“ Fragte sie.
Hatte ich denn Lust? Nicht wirklich, aber besser als sich zu langweilen.
„Klar, bis später.“ Antwortete ich schließlich und machte mich wenig später auf den Weg zu ihr.
Draußen war es leider nicht mehr so warm, also zog ich mir einen Pullover über und musste mir sogar die Kapuze überziehen.
Aisha wohnte etwas weiter von mir entfernt und so musste ich 20 Minuten mit dem Bus fahren. Ihre Gegend war aber wirklich ziemlich schön, viele Bäume und Blumen. Nicht so viele Wäscheständer und Spielplätze wie in meiner Gegend.
„Komm doch rein!“ Begrüßte sie mich herzlich, als ich vor ihrer Haustier stand. In der Wohnung roch es nach süßen Tee und Kräutern. Aisha führte mich in das Wohnzimmer, indem lauter Teppiche lagen und auch hangen. Außerdem standen 3 große Sofas dort und ein riesiger Fernseher. Auf den Sofas saßen noch 3weitere Mädchen verteilt.
„Das sind übrigens meine Freundinnen Gülcan…“ Sie zeigte auf ein Mädchen mit bunten Kopftuch, normalen Jeans und einer Bluse. „…das ist Amira…“ Das war das Mädchen das ganz in schwarz gekleidet war. „Und das hier ist Kayra.“ Ein Mädchen was gerade an einer Tasse nippte. Blaues Kopftuch und ein dunkles Kleid mit Jeans drunter. Interessant. Die Namen merkte ich mir sicher nicht, nur durch die Kopftücher konnte ich sie vielleicht unterscheiden.
Die 3 Mädchen sahen mich neugierig an. „Ach so, ja, hallo, ich heiße Elvira und trage kein Kopftuch.“ Stellte ich mich dann etwas unbeholfen vor. Sie kicherten.
„Das werden wir ändern!“ Sagte auf einmal Aisha und drückte mir ein rosa Tuch in die Hand.
„Was soll ich damit?“ Fragte ich verwirrt und fand die Farbe von dem Fetzen einfach nur widerlich.
„Als Kopftuch um machen!“ Sagte das Mädchen ganz in schwarz. Amira?!
Also versuchte ich ganz professionell mir das Kopftuch um zubinden, was am Ende eher sehr misslungen aussah und ich hoffte, dass sie deswegen nicht beleidigt waren.
„Das lassen wir gelten.“ Sagte Aisha zufrieden und gab mir eine Tasse mit Tee. Aprikosentee. Sehr geil! „Erzähl mehr von deinem Bruder!“ Drängelte sie auf einmal.
Ich musste schmunzeln und fing anschließend an alles „tolle“ von ihm zu erzählen. Wie lustig er doch sein konnte, das er unsere ganze Wohnung allein gemalert hatte, dass er total lieb zu Kindern war, das er kreativ wäre, auch gerne viel Mist machte, und noch vieles mehr…
Aisha und ihre Freundinnen hörten mir sehr aufmerksam zu und unterbrachen mich nicht einmal. Ich kam mir wie in der Schule vor. Schrecklich!
„Oh man, er ist toll…“ Rief Aisha, nach dem ich über eine Stunde lang von meinem Bruder erzählt hatte.
Ich grinste. „Kannst gerne noch mal vorbei kommen. Dann stell ich euch noch mal richtig vor!“
Sie sah beschämt zu Boden und ihre Freundinnen redeten auf einmal total hektisch auf Türkisch oder was das war, auf sie ein.
„Wollen wir uns Gesichtsmasken machen?“ Schlug Aisha ganz plötzlich vor. Sie wollte damit sicher das Thema wechseln, was ihr auch gelang, denn die Anderen waren von der Idee hin und weg.
Gesichtsmasken? Davon hielt ich eigentlich nicht sehr viel, ich stand mehr auf Nivea-Creme. Aber ehe ich widersprechen konnte, saß ich wenige Minuten später bereits im Badezimmer und ließ mir von Gülcan(?) das Gesicht einschmieren.
„Hast du einen Freund, Elvira?“ Fragte sie mich und auch die Anderen, die ebenfalls mit Gesichtsmasken im Bad saßen, sahen mich fragend an.
„Ähm, nein…“ Stotterte ich. „Und ihr?“
„Na ja, mal hier und dort ist jemand Interessantes dabei, aber ich werde noch warten!“ Erklärte mir Kayra (?). Die Anderen nickten zustimmend. Interessant und sehr vernünftig waren sie. Meine Freunde konnte ich ihnen gar nicht vorstellen, das würde total nach hinten los gehen. Denn Aline oder weiß Gott wer, hätte für so ein „Nonnen-Verhalten“ sicher kein Verständnis.
„Warum nehmt ihr nicht mal euer Kopftuch ab?“ Rutschte es mir auf einmal raus.
„Dürfen wir nicht. Außerdem kommt es ja auf die Inneren Werte an, die der Mann sehen soll, nicht unser Aussehen!“ Erklärte mir Aisha.
Ich verdrehte innerlich die Augen. „Aber in Deutschland ticken die Jungs glaube etwas anders…“ Murmelte ich.
„Ist dein Bruder auch so oberflächlich?!“ Fragte Aisha panisch nach. Warum eigentlich panisch?
„Nein, nein. Niemals…“ Antwortete ich hastig. Ob das wirklich so war wusste ich nicht.
Später, als die Gesichtsmaske abgewaschen war und sich mein Gesicht ja so(oooooo) sehr verändert hatte, rief meine Mutter an, das ich mal eben auf meine Geschwister aufpassen sollte. Also verabschiedete ich mich und hastete Nachhause.

„Warst du wieder bei deiner Türken Gang?“ Fragte mich Erik spöttisch, als ich Zuhause ankam.
„Ja war ich!“ Antwortete ich und setzte mich zu Timi und Wanda die friedlich auf dem Boden malten. Erik setzte sich mit Luis auf dem Arm zu mir. „Wie heißt sie eigentlich?“
„Wer?“ Fragte ich und gab Timi einen gelben Stift für die Sonne.
„Das Mädchen mit dem Kopftuch was du gestern mit dabei hattest…“ Nuschelte er.
„Aisha! Interesse?“ Fragte ich diesmal spöttisch und grinste ihm frech ins Gesicht.
„Nee! Ich will nur wissen mit was für Leuten du dich abgibst.“ Sagte er schließlich und wandte sich von mir ab. Blödmann!

Es vergingen die restlichen Tage von den Ferien viel zu schnell, denn da begann wieder die Schule. In der zwischen Zeit fand ich heraus, das Aisha ein ziemlicher Streber war, wie ich in die 11. Klasse ging, jedoch auf eine andere Schule und das sie unsterblich in meinen Bruder verknallt war. Deswegen hielt sie sich auch öfters bei uns Zuhause auf. Mein Bruder zeigte auch ab und zu mal Interesse und morgen wollen sie sogar zusammen ins Kino. Wie schön und bei mir war morgen wieder Schule. Meine Klasse war größtenteils peinlich und laut. Jedoch gab es auch ein paar Normale unter ihnen mit den ich mich gut verstand. Schließlich kann Gymnasium ja nicht ganz so „unsozial“ sein. Jedoch hatten es solche Leute viel Aline, Mike und Sandra auch bis hier her geschafft, aber das hielten sie sicher nicht mehr lange durch.
Es stand eine Exkursion auf dem Plan und zwar auf die andere Seite des Flusses nach Baden Württemberg fahren und uns dort ein wenig umschauen. Ich war eigentlich noch nie groß artig dort gewesen und auch nie mit viel Interesse, aber diesmal war ich hin und weg von dieser Idee. Schon allein wegen des Jungen! Ich hatte die restlichen Tage wieder ab und zu mal dort gesessen und seiner Gitarre gelauscht. Sogar mal heimlich mit dem Fernrohr saß ich dort versteckt. Er war wirklich ziemlich hübsch. Aber mein olles Handy schaffte keine richtige Nahaufnahme zu fotografieren. Ich überlegte schon seit Tagen ob ich mal meine Handynummer auf den Block schreiben sollte, aber das kam ziemlich blöd. Oder meinen Facebook Namen, aber das kam auch ziemlich komisch rüber. Zu ihm schwimmen wollte ich aber nicht. Konnte er ja machen?! Denn er musste ja auch Interesse haben, wenn er jeden Tag dort hinkam und auf seiner Gitarre klimperte.

„KINDER, bitte nicht so laut. Hier wollen die anderen Leute ihre Ruhe haben!“ Brüllte unsere Lehrerin am Tag der Exkursion. Als wären wir Kinder. Aber sie hatte ja Recht. Es war wie immer laut und peinlich. Und das ausgerechnet am Fluss, wo der Junge immer saß. Ich schaute mich suchend nach ihm um, aber er war nicht zusehen. Da war ich echt enttäuscht. Da war man schon mal hier und dann war er nicht da!
„Eh Aline, schau mal. Der Typ dort drüben….“ Flüsterte Sandra meiner ehemaligen besten Freundin zu. Beide standen neben mir, also konnte ich es hören und schaute in die Richtung, in die sie ihren Finger mit dem hässlich langen Fingernagel hinstreckte.
„OH MEIN GOTT, süüüüüß!“ Quitschte Aline auch sofort los. Was war denn da? Ein Kaninchen, Hundebaby oder….ein Typ. Ich entdeckte ihn. IHN! Den JUNGEN!
„Komm, den quatschen wir mal an!“ Rief Sandra hysterisch und Beide rannten zu ihm.
Er war nicht weit von uns entfernt, wieder mit seiner Gitarre. Anscheinend hatten die hier immer noch Ferien.
Ich sah Aline und Sandra nach, die mittlerweile bei dem JUNGEN angekommen waren. Unsere Lehrer merkten das nicht einmal, so sehr waren sie in ihre auswendig gelernten Vorträge vertieft. Aber interessieren tat das hier offensichtlich niemanden, denn jeder machte was anderes. Über die Hälfte hing Gedankenversunken an der Zigarette, Andere unterhielten sich über eine Modezeitschrift die rum ging und andere alberten sinnlos rum. Und was tat ich? Zusehen wie sich 2 Weiber hemmungslos an den Jungen rann machten, den ich seit einer Woche beim Gitarre spielen zuhörte und anhimmelte! Das kam jetzt so rüber als wäre ich eifersüchtig, war ich aber nicht! Oder doch…oh man! Ich kannte ihn ja gar nicht, also musste ich ihn kennen lernen. Das hätte Aisha jetzt sicher auch gesagt.
Aline und Sandra kamen mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck zurück. „Bestimmt schwul oder so…“ Sagte Aline und schmiss sich wieder Mike an den Hals.
Ich sah wieder zu dem Jungen, der seine Gitarre wieder einpackte und gehen wollte. Nein, das konnte er doch nicht machen, oder!??!?! Wollte er jetzt echt gehen, ohne mich gesehen- bzw. mit mir ein Gespräch geführt zuhaben!?
Kurz entschlossen lief ich ihm hinter her.
„Hi!“ Rief ich atemlos, als ich endlich neben ihm angekommen war und blieb stehen. Auch er blieb stehen und sah mich verwirrt an.
„Bist du auch eine von den Weibern? Ich bin nicht bei Facebook und geb auch nicht so einfach meine Handynummer weiter…“ Erklärte er mir mit fester Stimme. AHA? Noch einer der nicht bei Facebook war. OH MEIN GOTT!
„Nein, also ja doch, ich gehör zu denen, aber das konnte ich mir leider nicht aussuchen.“ Sagte ich und lächelte ihn etwas schief an.
Er musterte mich. „Kennen wir uns?“
Ich verdrehte die Augen und musste lachen. „Ja, ich bin die Alte von drüben, die dir ständig beim Gitarre spielen zuhört!“
Der Junge, der übrigens wirklich schwarzes lockiges Haar hatte, wieder eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt trug, musste lächeln. Dabei bekam er Grübchen in den Mundwinkeln. Das fand ich klasse.
„Ich erinner mich.“ Sagte er schließlich und musterte mich wieder. Ich sah unauffällig an mir runter. Eigentlich sah ich heute doch gar nicht so scheiße aus? Grauer Pullover, kurze Hose und die bunten Chucks. Die Haare hatte ich offen, die sahen vom Wind bestimmt total ungekämmt aus.
„ELVIRA!!!!!!!!!!!“ Hörte ich auf einmal meinen Lehrer schreien. Verdammt…
„Ja, haha, mein Name übrigens…“ Murmelte ich verlegen.
„Ich weiß.“ Lachte der Junge.
„Ähm, bekomm ich deine Handynummer?“ Fragte ich zögernd.
Der Junge grinste und schüttelte den Kopf.
„ERLVIRA, SOFORT HER KOMMEN!!!“
„Scheiße. Na ok. Tschüß!“ Rief ich und rannte zurück zu meiner Klasse, die total neugierig schaute.
„Woher kennsten den?“ Fragte Aline und musterte mich.
„Äh, mein Cousin.“ Log ich, schließlich ging es sie ja nichts an.
Ich schaute noch mal zurück, aber der Junge, dessen Namen ich nicht wusste, war nicht mehr da. Seine Handynummer hatte ich auch nicht. Oh man, die Frage war sicher total peinlich rüber gekommen und dann noch diese Assi-Klasse im Hintergrund. Ich stand sicher total schlecht da. Ob er sich überhaupt Gedanken über mich machte? Warum auch? Er war so hübsch, dass er sicher Jede haben konnte.
Der Tag war sehr langweilig gewesen und zum Glück schnell vorbei. So das ich wieder mit meinem Hund am Fluss sitzen konnte. Da heute, mehr oder weniger, mein Glückstag war, war der Junge wieder da. Aber ohne Gitarre. Ich entdeckte ihn einfach nur so sitzend am Ufer. Mit einem Block auf dem er rum kritzelte. Ob er mich schon entdeckt hatte?!
Da hielt er auf einmal unerwartet den Block hoch und ich konnte „Edgar“ entziffern. Sein Name? Interessant. Hört man ja auch nicht alle Tage. Auf einmal ging er. Was sollte das denn?

„Es war so(oo) schön mit deinem Bruder!“ Durfte ich mir jetzt jedes mal von Aisha anhören, wenn sie mich anrief oder bei mir war. Ob sie jetzt mit Erik zusammen war, wollte sie mir zwar auch nicht sagen, aber egal. Das ging sicher alles gegen ihre Religion…
Eines Abends, als wir alle fertig waren mit Abendbrot, stand Aisha heulend vor unserer Tür. Natürlich ließ meine Mutter sie sofort herein und kümmerte sich fürsorglich um sie. Aber Aisha sagte nichts, sondern weinte nur.
„Jetzt sag schon, was ist denn los?“ Fragte ich sie und auch Erik war nun dazu gestoßen. Er legte ganz lieb einen Arm um sie und endlich beruhigte sie sich. Vielleicht waren sie ja doch zusammen!
„Also?“ Drängelte ich weiter.
Sie schluchzte. „Kann ich hier wohnen?“
Ich zog die Stirn in Falten. Wieso das denn?!
„Aber natürlich, Aisha. Wo möchtest du schlafen? Hast du Sachen dabei?“ Fing meine Mutter an und streichelte ihr über die Haare. Wir schauten auf die große Tasche neben ihr, die sie mitgebracht hatte und so war die letzte Frage auch geklärt.
„Ich will bei Erik schlafen…“ Murmelte Aisha die sich immer mehr beruhigte. Na pff, sollte sie doch bei ihm schlafen, meinet wegen.
„Und warum willst du jetzt hier wohnen?“ Fragte ich sie schließlich, um endlich mal auf den Punkt zukommen.
Wieder brach Aisha in Tränen aus und mein Bruder sah mich böse an. Was denn?
„Meine Eltern haben mich raus geschmissen…“ Schluchzte sie wieder.
Mein Blick verriet alles und sie sprach weiter: „Ich…ich bin….schwanger!!“

Ja, genau so war es. Aisha war schwanger, von meinem Bruder natürlich. Meine Mutter kümmerte sich seit dem um sie, außerdem wohnte sie nun auch bei uns. Auch mein Bruder stand zu ihr. Sogar ihr Kopftuch nahm sie dann in der Wohnung ab, schönes schwarzes Haar hatte sie. Sogar in der Öffentlichkeit nahm sie es dann mal ab. Ok, das machte sie am Anfang auch nur, weil ich sie dazu drängelte. Ich fand sie so hübsch ohne den Fetzen und ich wusste, dass sie sich auch so viel wohler fühlte. Das merkte man einfach. Außerdem lernte ich sie noch viel besser kennen. Aisha war zum Beispiel ein sehr dickköpfiges und auch mutiges Mädchen. Sie hatte immer ihre eigene Meinung und zu der stand sie auch. Also kein Wunder, das ihre Eltern sie rausgeworfen hatte. Sie passte einfach nicht in diese Religion!
Ihr Bauch wurde immer größer. Von Tag zu Tag. Nein, das war natürlich quatsch, das bildete ich mir nur ein. Schließlich ging das nicht so schnell.

Nun sitz ich wieder hier am Ufer, mit dem Hund und hatte die Aufgabe bekommen, einen Deutsch-Türkischen Namen zu suchen. Ich wusste weder ob Junge oder Mädchen, noch kannte ich irgendwelche Türkischen Namen.
Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich die Rufe gar nicht sofort hörte.
„ELVIRA!“ Hörte ich es wieder und sah mich hinter mir suchend um. Aber da war niemand, außer ein paar Rentner die in eine Unterhaltung vertieft waren.
Also schaute ich zurück und sah dann auf dem Fluss ein kleines Boot. Es war nicht gerade das modernste und sah auch aus, als würde es gleich zusammen brechen, aber das war mir egal, als ich sah wer drauf saß und einen Block hoch hielt. Der JUNGE! EDGAR! Und er kam immer näher ans Ufer. Auch seine Gitarre lag neben ihm. Also rannte ich runter zum Ufer und erkannte auch was auf dem Papier stand. Eine 11-Stellige Nummer. Eine Handynummer. SEINE HANDYNUMMER!!! Am liebsten hätte ich einen Freudetanz aufgeführt, aber ich wollte ja nicht, dass er gleich wieder zurück paddelte. Also riss ich mich zusammen und wartete bis er endlich ankam.
„Willkommen in Rheinland Pfalz!“ Begrüßte ich ihn als er an Land trat und riss ihm den Block aus der Hand.
Er grinste mich an "Wurde ja auch mal Zeit das ich auf diese Seite mal komme." Seine schwarzen Locken fielen ihm kreuz und quer ins Gesicht bzw. standen sie auch ab. Wieder trug er eine Jeans, aber diesmal ein kariertes Hemd dazu, was überhaupt nicht so richtig zu seinen unordentlichen Chucks passte. Total unperfekt, aber doch schon fast zu perfekt für mich.
Ich holte ein Aprikose aus meinem Rucksack, reichte sie ihm und grinste das dümmste und peinlichste (Grinsen?), was ich jemals zustande gebracht hatte.
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals einem Jungen eine Aprikose schenken würde, das war ein echter (Liebes)-Beweis bzw. hätte ich auch nie gedacht das ich fast jeden Tag an einem Fluss sitzen würde und ihn beim Gitarre spielen zuhören würde. Liebe, bla, bla…
Er verdrehte gespielt die Augen und biss in die Aprikose. Das sah so(oooo) süß aus, dass ich ab diesen Zeitpunkt hoffnungslos in ihn verknallt war und mit mir nicht mehr viel anzufangen war.

„Oh man, es war so(oooo) schön!!!“ Erzählte ich Aisha nach diesem Tag.
„Seit ihr jetzt zusammen?“ Fragte sie mich neugierig und strahlte mich an.
Ich überlegte. Waren wir das? Eigentlich ja nicht. „Nö, aber das kommt noch!“ Sagte ich schließlich und war von dieser Tatsache festüberzeugt.

„No hope, no love, no glory,” Stimmte also doch nicht, aber trotzdem war es ein sehr schönes Lied, was ich mir nun jeden Tag, von der tollsten, schönsten und (perfektesten) Person anhören konnte. Warum? Na „Happy Ending“ halt! :D



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Tag der Veröffentlichung: 08.09.2011

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