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Ich schliesse meine Augen, Irene

 

Müde fuhr sich Irene durch ihre Haare. Sie war müde von den Tränen von ihrer Heulerei. Sie schaute aus dem Fenster. Ihre Tränen waren schon lange versiegt aber im Kopf drehte sich immer wieder der gleiche Gedanke. Wie konnte sie nur? Wie konnte sie nur so gedankenlos und unmoralisch sein? Wieso hatte sie das getan?

Ihre Haare waren schon ganz zerzaust und sie war alleine in der Wohnung, ganz alleine. Seine Sachen waren weg nun fand sie die Wohnung so leer. Ohne ihn….

Er hatte ihr nicht verziehen, als er die Wahrheit entdeckte, er war genauso verletzt, verletzter als sie. Sie war nur traurig darüber, dass er weg war, dass sie ohne ihn sein müsste. Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, ging langsam in der Wohnung auf und ab. Hin und her, wusste nicht was sie machen sollte. In dieser Wohnung wollte sie auf jeden Fall weg. Sie wollte nicht mehr in der Wohnung leben, in dem sie mit ihm gelebt hatte und wollte nicht mehr im gleichen Bett schlafen in dem sie mit ihm geschlafen hatte. Auch er hatte sich damals dazu entschieden, vor ein paar Tagen, dies nicht mehr zu tun. Sie atmete tief ein und aus, damit sie nicht mehr weinen musste. Alles, dass alles war ihre Schuld! Sie wurde wütend, wütend auf sich selber auf ihre Taten. Sie fasste schnell einen Entschluss, nahm energisch einen Karton, baute es in eine Kiste um und schmiss ihr Zeug rein. Zwei oder drei Stunden brauchte sie, um das ihre Sachen ohne Möbel, in die Kisten zu packen. Die meisten Möbel wollte sie sowieso hier lassen, da die Erinnerungen zu stark waren. Sie wollte gehen, weit weg gehen, weg von dem Ort, wo sie denn Fehler begangen hatte, weg von der Wohnung, wo sie den Mann verletzt hat den sie doch so sehr liebte. Weit weg von alle de, irgendwo einfach ein neues Leben anfangen. Ihr Job liess es sowieso zu, das sie ihn auch woanders erledigen konnte, doch ihre Taten lies es nicht zu, dass sie hier weiter leben konnte. Weitere zwei Stunden und sie hatte auch die Möbel irgendwie verpackt die sie mitnehmen wollte. Sie zerriss die Fotos in den Bilderahmen und rief ihren Chef an.

„Ja, hier A.“

„Hallo A, hier Tepe.“

„Aaa, Irene Tepe. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Wäre eine Versetzung in eine andere Stadt oder Land möglich?“

Stille am anderen Ende der Leitung. Sie hörte ein Rascheln und ein Tippen, als würde ihr Vorgesetzter suchen.

„Ja, ich hätte da etwas. Sollen wir Ihnen auch die Wohnung dazu bereitstellen?“

„Ja.“

„Tepe. Warum dieser Entscheid? Ich dachte sie wollen nicht weg aus ihrer Ortschaft wegen Ihrer Familie?“

„Die ist grade gestorben.“ „Auch gut. Wie schnell können sie an der Walterstrasse 63, Berlin sein?“

„Ich mach mich auf den Weg, ich rufe sie an, wenn ich dort bin.“

Damit legte sei auf, wählte die Nummer von einem Transportdienst, damit ihre Boxen in die neue Wohnung transportiert werden und wartete rauchend auf die Männer vom Transportdienst.

Es ging nicht lange und bis Berlin waren es nur 3 Stunden doch es war weit genug um auf Replay zu drücken. Unterwegs rief sie den Vermieter ihrer alten Wohnung an um alles ab zu regeln. Sie wusste dass ihr Vorgesetzter bestimmt schon in der neuen Wohnung auf sie warten würde um ihr den Schlüssel und alles zu geben. Eine Firmenwohnung, immerhin musste sie sich dann um nicht viel kümmern.

Auf dem Weg dachte sie zurück an den Tag als sie ihr Freund alles rausfand.

Beichte, Aaron

„Wie konnte ich dir vertrauen?! Du kleine Schlampe! Wie konnte ich nur!“

Irene schaute zu Boden während ihr Freund jegliche Bücher vom Regal riss, um sie nicht zu schlagen oder sonst zu verletzten. Er war stink sauer. Wie konnte diese Frau das nur machen. Und sie sprach von grosser Liebe! Er würde sie am liebsten Prügeln bis sie im Krankenhaus lag.

Sie hatte ihn betrogen mit einem anderen. Er schmiss ihr seinen Ring entgegen, den sie ihm gegeben hat, als Symbol das sie für immer zusammen bleiben würden. Von wegen! Er musste hier weg. Er musste sich abreagieren. Wer war er eigentlich? Und wer war diese Frau, das sie sich das recht nahm ihn so zu verletzten? Woher zum Teufel nahm sie sich das Recht? Und wieso hatte sie ihn immer belogen? Sie war es doch die Vertrauen aufbauen wollte, die damals mit ihm zusammen ziehen wollte.

„Aaron…“

„Halt die Klappe! Ich will nichts wissen!“

„Ich gehe kurz raus, wenn du packen willst…“

„Ja! Tu das! Geh einen anderen ficken! Das kannst du ja anscheinend sehr gut!“

Sie schaute ihm nicht in die Augen sondern nur auf den Boden, beschämt. Schnell holte sie ihre Sachen und verschwand.

 

Als die Türe hinter ihr ins Schloss viel setzte er sich auf die Couch und weinte. Bittere, wütende Tränen. Er hatte sie wirklich geliebt. Doch jetzt nach dieser Scheisse. Er konnte ihr nicht verzeihen. Vielleich irgendwann mal, aber nicht jetzt, nicht mehr. Er sass sicher 10 Minuten da. Es kam ihm vor als hätte er kurz vergessen wer er eigentlich war. Er griff nach seinem Handy und rief seine beste Freundin an, er fühlte sich nicht stark genug seine Sachen zu packen. Diese Information, diese Gewissheit, dass Irene ihn betrogen hatte machte ihn fertig. Es fühlte sich an als würde ihn etwas von innen zerfetzten.

 

Als seine gute Freundin am andere abnahm, musste er nicht viel sagen. Ein: „Komm bitte hier her und nimm genügend Karton mit.“ Reichte vollkommen und 10 Minuten klingelte es an der Tür. Er bat sie, ihm beim Packen zu helfen und erzählte ihr dazwischen die Geschichte. Das Irene sich seit zwei Wochen mit einem anderen traf und von ihrer Affäre, die sie zwar schon beendet hatte aber ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Seine beste Freundin nickte immer wieder verständnisvoll oder gab einen beleidigenden Kommentar ab, während die beiden Aarons Sachen packten. Nach ein paar Stunden waren sie dann auch fertig und waren grade dabei, alles in Mirandas Auto zu stellen. Aaron schaute sich noch ein letztes Mal um und seine beste Freundin, Miranda, stellte den letzten Karton in den Gang als Irene aus dem Lift kam.

Miranda sah sie als Erste und meinte gehässig: „Dich sollte man windelweich prügeln! Du kannst nichts selber und verrätst den Mann der dir ständig unter die Arme greifen muss. Ohne Hilfe könntest du nicht mal die Schuhe selber binden:“

Irene schaute sie ausdruckslos an. Sie war leer, hatte keine Lust zu streiten, ihre einzige Antwort war: „Ich kann zurück schlagen.“ Miranda kam einen bedrohlichen Schritt näher und Irenes Hand wanderte automatisch zu ihrer versteckten Dienstwaffe unter der Jacke, die sie aus Gewohnheit mitgenommen hatte. Doch bevor Miranda einen weiteren Schritt auf sie zu machen konnte, kam Aaron aus der Wohnung und warf ihr einen angewiderten, kalten Blick zu. Irenes Hand verschwand gleich von der Stelle, wo ihre Dienstwaffe stecke und blickte ihm in die Augen. Leer, kalt. Sie erkannte seine Trauer und Traurigkeit in seinen Augen. Aaron nahm die Kiste und ging lautlos an ihr vorbei zum Lift. Miranda warf ihr langes, brünettes Haar zurück und stolzierte mit erhobenem Haupt an Irene vorbei. Wie gern hätte es Irene gehabt, das dieses arrogantes Mädel sie angriff, wie gerne hätte sie das Mädchen verprügelt, ihre Wut einfach an ihr ausgelassen. So zu sagen, ein kleines Dankeschön auf ihrer Haut hinterlassen für all die Jahre, in denen sie versucht hatte zwischen ihr und Aaron dazwischen zu funken. Irene blickte den beiden nach, bis sich die Lifttüren schlossen und ging dann selber, in die jetzt, leere Wohnung.

Neues Leben, neues Glück

Die ganze Fahrt über hatte Irene die Bilder der Vergangenen Tage im Kopf. Doch nun konnte sie endlich weg. Endlich ein Replay starten. Weit weg von dem Ort wo sie eigentlich bis jetzt bis 28 Jahren, ihr Leben verbracht hatte. Der Ort, wo sie in die Schule gegangen ist, wo sie ihre, sogenannten Freunde hatte, wo sie ihre Eltern mit 20 Jahren an einen Typen verloren hatte, der dachte, er müsste auf der Strasse ein paar Leute erschiessen, wo sie ihren Freund mit 17 Jahren kennen gelernt hatte, und dachte eine Zukunft mit ihm zu haben. Ein Ort an dem sie viel gelacht und geweint hatte. Sie hatte schon als Jugendliche das Gefühl hier weg zu müssen, doch je älter sie wurde, desto mehr fand sie, das der Gedanke nur aus jugendlichem Blödsinn entstanden war. Doch nun ging sie doch, lies alles hinter sich. Sie hatte Angst, grosse Angst, es nicht packen zu können. Sie hatte in ihrem Leben immer jemand gehabt, welcher ihr geholfen hat. Familie, Freunde und Aaron. Und nun muss sie das alleine packen.

Sie stellte die Musik in ihrer Corvette lauter und erinnerte sich lächelnd an Aarons grosse Augen, als sie mit der Corvette nach Hause kam. Er dachte damals, sie arbeite in der Stadtverwaltung und konnte kaum glauben, dass die Stadt ihr so einen teuren Wagen gab. Was ihre Arbeit betraf, war das eine Lüge, teilweise natürlich nur. Doch er schien es zu glauben. Sie konnte ihm schlecht sagen, dass sie für den BND (Bundesnachrichtendienst) arbeitete. Er hätte ihr wahrscheinlich auch nicht wirklich geglaubt. Sie

Nach drei Stunden kam sie endlich an der angegebenen Adresse an. Und stieg aus. Es war ein Haus in den etwas reicheren Gegenden Berlins. Sie stieg aus und wartete auf die Männer vom Transportdienst. Sie band ungeduldig ihre dunkel-blonden Haare nochmals zusammen und entschied sich dann, doch schon mal in die Wohnung zu gehen. Sie Tür war offen und die Wohnung schien ihr nicht besonders gross, aber gross genug um darin leben zu können. Sie war sowieso nie ein grosser Fan von allzu grossen Sachen. Man sollte alles in Masen geniessen, fand sie.

Sie ging ins Wohnzimmer, es war schon möbliert, zweifellos von der Firma, und fand dort ihren Chef. Der ihr, kaum hatte sie den Raum betreten, den Schlüssel für die Wohnung zu warf.

„Willkommen in Berlin, Tepe.“

Irene presste kurz die Lippen zusammen: „Danke, Sir.“

Er nickte und runzelte dann die Stirn: „Warum der plötzliche Entscheid zugehen?“

„Mein Leben dort ist gestorben.“

„Wie sie meinen. Umso besser, ein Einzelkämpfer ist immer besser, er ist schneller und lässt sich nicht aufhalten. Ich wusste, dass Sie sich von dort losreisen werden, Sie sind ein SteppenTepe.“

„Wollen wir’s hoffen. Sie sie nur hier wegen den Schlüsseln oder möchten sie mir beim Auspacken noch Gesellschaft leisten?“ Er schüttelte lächelnd den Kopf: „Nein, nein, ich denke, das überlasse ich schön Ihnen. Morgen um acht Uhr erwarte ich sie im Büro.“

Irene nickte und der Chef ging. Erschöpft sank sie auf einen der Sessel und stand erst nach 10 Minuten wieder auf, als es klingelte und die Männer vom Transport ihre Kisten ins Haus schleppten und sich dann bezahlen liessen. Nun sass sie im Wohnzimmer den Kopf in den Händen und schaute sich um. Sie ging die Treppe hoch und legte sich hin ohne gross aus zu packen. Sie zog nur die Hose au und schlief in Unterwäsche und Hemd, ihre Dienstwaffe legte sie auf ihr Nachttisch. 

„Ja, hallo?“, antwortete Irene gelangweilt. Sie sass eigentlich grade am Schreibtisch und lernte als das Telefonat sie aus den Gedanken riss.

„Ist hier Frau Tepe?“

„Ja, warum?“

„Würden sie bitte auf das Polizeirevier kommen?“

„Warum?“

„Wir brauchen hier Ihre Hilfe.“

Sie verstand, legte auf und machte sich auf den Weg und hinterliess ihren Eltern ein Zettel, damit sie wussten, wo sie war. Das Polizeirevier war etwa nur 15 Minuten von ihr entfernt und meldete sich gleich beim ersten Polizisten mit Namen. Als er ihren Namen hörte, sah sie Mitleid in seinen Augen.

„Folgen Sie mir bitte.“

Sie nickte und folgte ihm in den Keller wo zwei abgedeckte Leichen auf silbernen Tischen lagen. Als das Leintuch aufgedeckt wurde, traf Irene einen kleinen Schock. Sie stolperte zurück an die kalte Wand.

„Können sie Herr und Frau Tepe identifizieren?“

„Mum! Dad!“

Schreiend wachte sie auf und starrte mit klopfendem Herzen grade aus. Sie brauchte eine Weile, bevor sie sich beruhigte.

„6.00 Uhr morgens“, flüsterte sie vor sich. Sie stand auf und begab sich unter die Dusche, um den Schweiss ab zu duschen. Sie stützte sich an der Stange, welche die Dusche festhielt und lies sich der Wandentlang runtersinken und fing an zu weinen.

Sie wusste, dass sie nicht in Selbstmitleid versinken durfte, doch es war alles noch so frisch. Sie weinte bittere Tränen und die salzige Flüssigkeit vermischte sich mit dem Wasser aus der Dusche.

 

„Guten Morgen Sir.“

„Irene Tepe, guten Morgen. Ihr neues Büro erwartet Sie schon. Kommen Sie, Frau Tepe, hier entlang.“

Irene folgte ihrem Vorgesetzten ohne eine Regung in der Miene ihr Gesicht war kalt und zeigte keinerlei Gefühle. Sie wurde in ein gläsernes Büro geführt wo sich zwei Tische gegenüberstanden. Hinter dem einen sass schon ein grosser Mann mit dunkel blonden Haaren, welche ihm in die Stirn fielen. Seine Hand versank in seinen Haaren und zerzauste sie leicht, während er sich über den Schreibtisch beugte und anscheinend eine Akte durchlas.

„So Irene, das ist dein neues Büro und der neue Fall liegt auf deinem Schreibtisch. Es geht um Datenschutz.“

Mit diesen Worten wand sich der ältere Herr von der 28 jährigen ab und wand sich dem anderen zu.

„Irene Tepe. Einer der besten Kriminologin und Ermittlerin und Ihre neue Partnerin.“

Der Mann stand kurz auf und reichte ihr die Hand wobei sich seine leicht geschwungene, volle Oberlippe zu einem unsicheren Lächeln verzog. „Guten Tag, Frau Tepe.“

Sie erwiderte das unsichere Lächeln nicht, sondern fragte nur nach seinem Namen.

„Michael. Michael Chas.“

Irenes Vorgesetzter schaute zwischen den beiden, jungen Menschen hin und her und verschwand dann.

 

„Hier sind die Akten und alles was du brauchst.“

Irene nickte als Dank und las die Papiere kurz, kurz durch. Es ging um einen Soldaten der anscheinend Vertrauenswürdige Informationen weiter gegeben hat. Er junge Mann wurde von einem anderen Soldaten angezeigt, angeblich der Augenzeuge.

„Ich denke, er war‘s“, meinte Michael und blickte von den Akten hoch, ihr direkt in die Augen.

Seine waren braun, wie helle Schokolade, mit kleinen Pupillen. Und obwohl seine Augen heller sind, wie die der meisten braunäugigen, konnte man sich in ihnen verlieren.

„Hmmm, ich denke nicht…“

„Seine Fingerabdrücke und all diese Beweise. Alle Indizien richten sich gegen ihn.“

Irene schüttelte langsam den Kopf und hoch die Kopie der Fingerabdrücke hoch.

„Der Verdächtige ist Rechtshändler, warum sollte er die Mappe mit der linken, tragen. Ich denke, dass die Fingerabdrücke nach gemacht wurden aber nur die von der linken Hand. Er ist nicht der Täter, nur ein armer Kerl, dem man alles in die Schuhe schieben will.“

„Du hast recht“, stimmte Michael ihr zu, nachdem er die Kopie länger betrachtet hatte.

„Ich möchte den angeblichen Verdächtigen jedoch einem Lügendetektor unterziehen nur um sicher zu gehen das er absolut nichts mit der Sache zu tun hat und dann holen sie den Typen hier her, der ihn Verpfiffen hat, ich habe das Gefühl, das er tief in der Sache verwickelt ist.“

 

Michael nickte und stand sogleich auf um all dies zu veranlassen. Der Fall wurde innerhalb von 20 Minuten gelöst. Na gut, solche Fälle hatte sie schon zu oft gesehen um sie nicht gleich lösen zu können.

Sie stand auf und holte sich einen Kaffee und holte setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und betrachtete eine Weile den Schreibtisch ihres Partners. Er war praktisch leer das einzige persönliche war ein Foto von ihm und einem anderen Mann, wahrscheinlich sein Bruder, denn er kam ihr nicht schwul vor und der andere Mann sah ihm zu ähnlich, als ob es sein Bruder wäre.

Sie trank in Ruhe ihren Kaffee uns summte im Kopf ein Lied aus dem Musical, „Les Miserables“, die Elenden auf Deutsch übersetzt und überlegte eine Weile. Sie dachte an nichts Bestimmtes sondern lies ihre Gedanken einfach Kreisen als das Telefon auf Michaels Tisch klingelte, aber da er nicht abnehmen konnte, tat sie es.

„Hier Irene Tepe, wie kann ich ihnen helfen?“

„Wo ist Chas?“

„Der muss grade was erledigen aber ich bin seine neue Partnerin, wie kann ich also helfen?“

„Ach, sie sind die neue! Herzlich Willkommen…sie beide werden an einen Tatort gerufen.“

Die weibliche Stimme am Apart nannte ihr die Adresse und Irene piepte ihren neuen Partner an. Sie trafen sich am Ausgang des Hauptquartiers und Irene bestand, das sie mit ihrem Auto fuhren, Micheal war’s erst egal doch als er ihr Auto sah, verstand sie, warum sie darauf bestand.

„Besser als James Bond!“

Irene zuckte die Schultern und sie stiegen ein und Irene lies ihr geliebtes Fahrzeug laut auf schnurren.

 

„Und von wo kommst du?“

„Keine Ahnung.“

„Du weisst nicht, warum du hier bist?“

„Nein, ich will es einfach nur noch vergessen.“

Damit drehte sie das Lied, welches grade lief, lauter.

„Fever?“

„Ja, warum?“

„Ich bin nicht so der Jazz Fan, Rock ist da schon eher meine Stilrichtung.“

„Das freut mich, aber falls es ihnen noch nicht aufgefallen ist, möchte ich gerne die Musik hören.“

Michael nickte und schaute aus dem Fenster. Er frage sich, wie man so unfreundlich sein konnte und was hinter dieser dunkel-blonden Haaren und den grau-blauen Augen steckte. Sie starrte auf die Strasse und konzentrierte sich nur noch auf sie, auf nichts anderes mehr. Auf die Sonnenstrahlen, die durchs das Glas des Autos schienen.

Wie der Asphalt jetzt wohl riecht. Nach Sommer, wie immer, wenn die Strassen ganz warm werden von den Sonnenstrahlen. Sie liebt den Geruch von regnerischen Tagen und wenn kurz darauf die Sonne kam. Sie liebte den Sommer auf all ihre Weisen. Einen guten Schluck Roten im Sommer. Ja, sie liebte den Sommer, dachte sie, während sie und ihr Partner die Strassen entlang fuhren. Die Adresse führte sie in ein nicht sehr reiches Viertel und sie sahen die Polizeiabsperrungen schon von weitem, jedoch keine Leiche. Irene parkte und beide stiegen aus. Die Polizei standen schon überall und auch die Spurensicherung aus der Mordkommission.

„Von der BND.“

Damit wurden die beiden durchgelassen und Irene blickte sich um. Keine Leiche, dafür Blut. Eine mittelgrosse Blutlache. Irene erblickte die Leiche erst, als sie die Bluttropfen in die Lache viel. Irene sah es wie in Zeitlupe. Es schien ihr, als würde sie das Blut riechen, diesen süssen, metallenen Geschmack. Jeder Tropfen lies Blut lies kleinere Tröpfchen aus der Lache woanders hin spicken aber nie auf dieselbe Stelle. Jeder Spritzer landete woanders. Die Chaostheorie.

„Wie heisst es denn so schön, es ist nicht wichtig, wo die Tropfen hinfallen, sondern aus was es ist und wie es ausgelöst wurde.“

„Was?“, fragte Michael verdutzt und Irene schüttelte nur leicht den Kopf und meinte dann: „Schau immer danach wo du nicht hinschauen würdest.“

Sie deutete nach Oben. Die Leiche war an einer Feuertreppe festgebunden und blutete aus verschiedenen Stellen. Gerichtsmediziner waren schon dabei die Leiche da los zu lösen. Irene schaute sich weiter um. Das einzige Blut, das sie sah, war das auf dem Boden, kein anderes Tröpfchen. Das Opfer wurde vorher also nicht bewegt.

Irene und Michael schauten sich weiter um, bis die Leiche endlich von der Feuerleiter entfernt wurde und auf den Boden gebracht.

„Herr Chas, Frau Tepe, wir bringen die Leiche in die Gerichtsmedizin und schicken ihnen die Ergebnisse.“

„Dreht sie dennoch bitte um.“

Die Leute taten wie geheissen und drehten die Leiche um, wobei Irene ein Tattoo im Nacken auffiel. Ein kleine schwarze Schlange, wie mit einem Schwert durchtrennt wurde. Irene nickte und lies die Leiche einpacken und mitnehmen.

„Was denkst du?“, fragte Micheal, als sie wieder in die schwarze Corvette einstigen.

„Ich weiss es im Augenblick nicht. Vielleicht ein Rache Mord, ein neure Serienmörder….ich weiss es nicht, ich brauche mehr Indizien.“

Er nickte und kurz lag eine seltsame Stille in der Luft.

„Würdest du mit mir nach der Arbeit was trinken kommen?“

Sie zuckte die Schultern: „Warum nicht.“

 

Sie war nicht abgeneigt von einem guten Tropfen Whisky, natürlich Talskier für sie. Er nickte, lächelte kurz und dann herrschte Stille im Auto. Nur Jazz Musik durchströmte das Auto und drang in ihre Gedächtnisse ein. Die Musik begleitete sie bis zurück bis zurück ins Hauptquartier. Dort setzten sie sich wieder an Akten und beschäftigten sich mit Laborergebnisse.

Um 17 Uhr war dann endlich fertig.

„Ich habe da eine Bar in meiner Nähe gesehen.“

Er zuckte die Schultern: „Ich habe da eigentlich eine Stamm-Bar aber von mir aus können wir auch gern in deine gehen.“

Sie nickte und beide fuhren zur „Star“.

 

Sie setzten sich dort an die Bar. Michael bestelle einen Cocktail und Irene ihren Lieblings Whisky. Micheal warf ihr einen grossen Blick zu und grinste sie betrachtete ihn fragend: „Was?“

„Ein Frau und Whisky? Das sehe ich nicht oft, willst du nicht lieber so nen Cocktail oder so?“

„Nein, nicht wenn ich was Besseres haben kann.“

Sie schaute sich um, es war klein gemütlich. Die Tische und Stühle waren schwarz und die Wände leuchteten vom blauen Neonlicht und der Boden war weiss, so dass es das blaue Licht reflektierte.

Irene zog ihr silbernes, altes Zigarettenetui hervor und zündete sich eine an.

„Du rauchst?“

„Eigentlich habe ich seit vier Jahren aufgehört. Ich habe mein Etui damals gefüllt für den Fall, das ich wieder anfange.“

„Warum denn?“

Sie zuckte die Schultern, sie hatte keine Lust, ihm die Geschichte zu erzählen, sie hatte nicht mal mehr besondere Lust, darüber nach zu denken. Sie war jedoch immer noch wütend, wütend auf sich selber und wütend auf die beste Freundin ihres Ex. Sie hatte ihm schon damals, als sie kaum ein paar Monate zusammen waren, gesagt, dass sie nicht gut genug für ihn war und jetzt hatte sie Recht behalten, nach all der Zeit.

Sie hasste nichts mehr, als wenn jemand recht über sie behält, ohne, dass sie es möchte. Sie nahm noch einen Schluck und schaute dann zu Michael der sich ebenfalls eine Zigarette anzündete.

„Ich dachte du rauchst nicht.“

„Nur weil ich anderen Leuten sage, das Rauchen Gift ist, bedeutet das nicht automatisch, dass ich es nicht auch konsumiere.“

Sie grinste kurz, ihr erstes Grinsen seit Tagen.

„Wieso erzählst du nichts von dir? Hast du jemanden Umgebracht und willst es nicht sagen?“

Ihr grinsen erlosch doch sie zwang es gleich wieder auf zusetzten: „Natürlich nicht.“

 

Wie nah er doch nur an der Wahrheit war. In Gewisser Weise hatte sie jemanden getötet, sogar zwei. Sie trank ihren Whisky in einem Zug leer und bestellte gleich darauf ein neues, gefülltes Glas.

„Na erzähl doch schon. Und wenn du schon nicht das erzählst, dann wenigstens den Grund, warum du in die BND gekommen bist.“

„Nur wenn du mir nachher deine Geschichte erzählst.“

Er willigte ein.

4. Bittersüsse Erinnerungen

„Also kommst du? Hallo?“

Helena brauchte kurz eine Weile ehe sie ein kurzes „Ja“, hervorbrachte. Innerhalb von Minuten sammelte sie ihre Sache zusammen, zog sich an und verschwand, ohne gross nochmals zurück zu blicken.

 

„Guten Morgen“, grinste Michael sie spöttisch an, als sie das Büro betrat. Sie nickte ihm nur kurz zu, lief an ihrem Büro vorbei den Flur entlang, direkt zur Kaffeemaschine. Sie war froh das sie im Kofferraum immer Wechselkleider hatte und ein bisschen Parfum um den alkoholischen Gestank zu überdecken oder wenn sie mal eine Nacht durcharbeitete sie nicht unbedingt gleich danach aussah.

Als sie wieder ins Büro lief mit einer Tasse Kaffee, fand sie ihren Partner mit den vollen Lippen, dort nicht vor, also ging sie in den Nebenraum.

„Was haben wir?“

„Alexander Wild“, meinte Michael und deutete auf ein Foto das er gleich unterhalb der Fotos vom Tatort aufgeklebt und ebenfalls eine Verbindungslinie gezeichnet hatte.

„Er wohnte in Berlin, seine Eltern sind schon seit längerem tot und sein Bruder verschwunden. Halt dich fest, Alexanders Bruder…“

Jetzt wird er ihr sicher erläutern, dass er ein Kriminalpolizist war, dachte Helena und schaute auf die Tafel, die bis jetzt immer noch ein wenig trostlos aussah, mit nur drei Bildern. Aber das oberste Gebot sollte eigentlich auch sein, das sie so trostlos blieb und sie nicht noch mehr solcher Verbindungen knüpfen mussten, aber das war sehr, sehr selten der Fall, sie persönlich hatte es so gut wie noch gar nicht erlebt.

 

„…Hat etwa eine Ortschaft weiter, etwa 3 Stunden entfernt von hier ebenfalls als Kriminalbeamter gearbeitet. In der Jugendschutzgesetz Abteilung. Die, die all diese Kinderschänder suchen und so.“

Helena hob beide Augenbrauen umso zu tu als sei sie überrascht, aber in Wirklichkeit suchte sie das Foto des Opfers nach Ähnlichkeiten mit Stephan ab. Doch sie konnte kaum welche entdecken was vermutlich auch erklärte warum sie nicht gedacht hätte das die Leiche auch nur im entferntesten etwas mit Stephan zu tun hätte. Der Mann auf dem Foto war etwas das genaue Gegenteil von Stephan. Er hatte schwarzes, ganz kurzes Haar und rehbraune Augen, die einem jedoch genau so warm entgegen sahen wie Stephans Augen. Er hatte auch das schmale Gesicht wie sein Bruder und die gleiche Nase und Lippenpartie. Während sie das Foto so betrachtete kamen ein paar Erinnerungen an Stephan  auf, wie er ihr zum ersten Mal einen Kaffee mitgebracht hatte oder ihr rote Rosen schenkte, was Aaron nie von sich aus für sie gemacht hätte…Wo Stephan jetzt wohl war? Warum ist er damals so plötzlich verschwunden?

„Helena? Hallo? Bist du noch hier?“

Die blonde, junge Frau schaute ein wenig verschreckt auf, weil ihr Partner sie grade aus ihren Gedanken gerissen hatte und schüttelte dann den Kopf.

„Ja, alle ist gut. Ich dachte nur kurz, das ich die Person kenne.“

„Und?“ „Ich muss mich wohl geirrt haben“, winkte Helena kurz ab und schaute von den Bildern wieder weg zu ihrem Partner.

Er nahm noch ein Foto vom Tisch und henkte es unter Alexander Wild auf. Stephan, da musste Helena nicht zweimal gucken um dieses Gesicht und diese Augen zu erkennen. Nun brauchte sie mit Garantie langsam ein Aspirin und am liebsten hätte sie gar nicht mehr hingeschaut. Sie wollte nicht mehr in diese ehrlichen Augen schauen die sie nun direkt von der Wand anstarrten. Es schmerzte, daran zu denken dass sie auf eine Art und Weise beide Männer betrogen hatte. Dem einem hat sie nichts gesagt und vor dem anderen hat sie nicht nur ihm nicht gestanden, sondern auch sich selber nicht, das sie ihn eigentlich gar nicht mehr liebt. Nein dieses Schlechte Gewissen, dass sie nun hatte, kam nicht davon, dass sie Aaron immer noch liebte, sondern weil sie Unrecht angetan hatte durch eine Unwahrheit, gerade sie, die eigentlich für das Recht kämpfte, und das nicht nur weil der Staat es wollte sondern auch aus eigener Überzeugung, dachte sie zumindest mal.

„Ach und die Gerichtsmedizin hat auch nicht vieles gefunden, ausser, dass das Opfer erwürgt wurde und sie haben uns noch die Fotos von den Füssen geschickt. Aber vielleicht finden sie noch mehr, sie sind immer noch an den Untersuchungen dran“, beendete Michael sein Bericht oder eher Monolog.

Michael reichte ihr die Fotos. Es zeigte jedoch nur wieder die Rune „EH“ einfach unterteilt, fügt man die jedoch zusammen, wird wieder die gleiche Rune daraus, wie sie Helena schon einmal gestern aufgezeichnet hatte.

„Ich fahre selber kurz in die Gerichtsmedizin, um das Ganze von der Nähe anschauen zu können“, mit diesen Worten drehte sie sich um wollte grade aus dem Raum gehen, doch als sie merkte, dass Michael ihr nicht folgte drehte sie sich nochmals um und machte eine einladende Geste, Richtung Ausgang.

„Ähm, ja“, stotterte er kurz, „ich komme.“

Kurz darauf folgte er ihr zum Lift der sie runter in den Keller fuhr.

Während der Liftfahrt hatte Helena zum ersten Mal wirklich Gelegenheit ihren Partner an zu schauen. Ein schmales, schlankes Gesicht, leicht eckig da er sehr schlank war. Er war ziemlich blass, seine Nase ein wenig breiter und mit Sommersprossen besprenkelt und sie fand auch noch einige Muttermale. Er hatte sich nicht rasiert, denn überall sprossen helle Stoppeln und er war riesig, sicher gut ein Kopf grösser als sie.

„Tut mir leid, wegen meiner schroffen Abweisung von gestern“, sagte Helena in die Stille des Aufzugs.

Er hob kurz die Augenbrauen, wobei sich seine Stirn in Falten legte und schaute zu ihr rüber: „Vielleicht kannst du es wieder gut machen, indem du die heutige Einladung annimmst.“

Helena lächelte spöttisch: „Nur, wenn du das Angebot um die Mittagszeit machst.“

Er lächelte kurz: „Ich werde dich um 12 Uhr daran erinnern.“

„Tu das“, meinte Helena und schaute wieder grade aus, das Lächeln war damit auch schon wieder verschwunden. Ein paar Sekunden später, erklang ein heller Ton und die Lifttüren öffneten sich. Ein etwas muffiger Geruch kam Helena entgegen und es war kalt, kälter als oben. Helena atmete tief ein und aus, sie bereitete sich innerlich darauf vor, auf Alexanders Leiche zu blicken. Auch wenn sie ihn nicht gekannt hatte, war er dennoch der Bruder, ihres Liebhabers, mit dem sie ihren Exfreund betrogen hatte. Der Grund, warum sie nun eigentlich hier war, hier in Berlin.

 

Sie folgte Michael durch den gräulichen Flur mit Wänden aus Stein, an irgendwelchen Türen vorbei, von denen die meisten eine Glasscheibe haben in der Mitte der metallenen Türen.

Als sie etwa beinahe am Ende des Ganges angekommen waren, hielt Michael vor einer dieser Türen, machte sie auf und trat ein, Helena folgte ihm noch immer. Der Raum war nicht besonders gross. Es hatte Platz für zwei Operationstische und die Einrichtung war eher ein bisschen düster. Alles schien gräulich in diesem Raum, auch wenn es nicht so war. Auf beiden Tischen lagen nackte Leichen, das einzige was man bei ihnen abgedeckt hatte, war das Genital.

 

Ein grosser, aber schon älterer Mann, etwa Mitte 40, stand an einem dieser Tische mit einer Mundschutzmaske. Seine Haare waren schon vollkommen weiss und als sie eintraten, schaute er natürlich gleich neugierig auf, da erkannte Helena  grüne Augen.

„Hallo Michael“, begrüsste der Gerichtsmediziner Helenas Partner herzlich. Sofort nahm er die Mundschutzmaske ab und natürlich auch die weissen Gummihandschuhe, die etwas viel Blut abbekommen haben.

Er streckte Helena dann auch so gleich die saubere Hand hin: „Und sie werden wohl Frau Sig sein, wenn ich mich nicht irre. Walter Henker.“

Helena verzog ihre Lippen zu einem freundlichen Lächeln und nahm erwiderte seinen kräftigen Händedruck. Sie bemühte sich, nicht zu prusten, als sie den Nachnamen hörte. Der Mann hatte anscheinend wirklich einen passenden Beruf gewählt.

 

„Dürfte ich euch bitten Schutzkleider an zu ziehen. Sie sind dort hinten am Kleiderhacken.“

Die beiden zogen sich auch so gleich so einen weissen Plastik-Überzug an und traten dann zum Toten. Wäre sein Bauch nicht offen, sähe es wohl aus als würde er schlafen.

„Nun ja, ausser die Todesursache und die, sagen wir mal, Schnitzereien in den Fusssohlen konnte ich noch nicht viel entdecken. Ausser das er schon einige Knochenbrüche erlitten hat und auch einige Narben trägt, vermutlich vom Militär.“

„Er war im Militär?“, fragte Helena überrascht. Walter nickte kurz.

„Er hatte ein gesundes Herz, war Nichtraucher und mehr kann ich auch nicht mehr sagen, was nützlich wäre, ausser….“, er hielt kurz inne und nahm etwas aus einer silbernen Schüssel. Eine Kette mit einem gebrochen Grabstein. Er reichte Helena die abgebrochene Hälfte.

„Das trug er in der Hosentasche. Könnten sie es vielleicht aufbewahren und dann seinem Bruder schicken? Ich meine, wenn er wieder auftaucht.“

Helena nahm die Hälfte und nickte. Sie liess es in ihrer Hosentasche verschwinden.

„Denkst du, das du noch was finden wirst?“, fragte Michael den Gerichtsmediziner. Dieser jedoch schüttelte nur den Kopf und versicherte ihm, dann bald seinen Bericht zu schicken.

 

Als sie wieder im Büro waren, bot Michael nun an, einen Kaffee zu machen. Helena nahm das Angebot natürlich an und startete den Computer auf, um Stephans Adresse aus ihrem E-Mail Account zu holen. Vielleicht konnte sie ihm den halben Grabstein auch gleich so schicken, er musste ja nicht wissen, von wo es kam.

Als der Computer schon auf gestartet war, aber Michael noch immer nicht zurückgekommen war, schaute sie kurz nach ihm. Aber dieser hielt ein Plauschen mit irgendeinem anderen Kollegen. Also setzte sich die junge Frau wieder zum Computer und loggte sich in ihren Account ein.

Ein leichter Schweissausbruch überkam sie, als sie sah wie viele E-Mails sie von Maria und anderen Leuten bekommen hatte. Darunter auch von Aarons bester Freundin, in der bestimmt nichts Gutes stand.

Sie zwang sich alle schnell zu löschen und sie nicht zu lesen. Doch es war zu spät. Ihre Hände waren schweiss nass und ihre Gedanken woanders. Wie eine Sucht. Mit zitternden Händen löschte sie ihren privaten E-Mail-Account. Krampfhaft unterdrückte sie ihre Tränen, stütze ihre heisse Stirn auf beide kühlen Handflächen und starrte auf die Tischplatte. Sie atmete tief ein und aus, immer wieder bis sie die Tränen soweit unterdrückt hatte, dass sie sicher war, dass sie die nächsten paar Stunden sicher nicht anfangen müsse zu weinen. Ihr Herz raste immer noch vor Aufregung und beruhigte sich auch nicht so schnell. Schlechte Laune breitete sich in ihr aus.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte Michael der im Türrahmen stand.

„Wie lange stehst du schon da?“

„Lange genug um zu wissen dass du dich mit irgendetwas abquälst.“

„Mir geht es gut, danke“, meinte sie kühl und tat so, als wollte sie irgendetwas am Computer tippen. Versuchte sich voll und ganz darauf zu konzentrieren. Sie bemerkte Michaels prüfenden Blick, als er ihr den Kaffee hinstellte, aber ignorierte es und tat so als würde sie es nicht bemerken. Sie tippte Stephans vollständigen Namen in die Suchmaschine und bekam ein Teil seiner Akte. Er war nun schon seit über vier Wochen verschwunden. Das erklärte auch, warum er sich nicht mehr bei ihr gemeldet hatte, warum er auch aus ihrem Leben verschwunden war. Sie hatte erst gedacht, dass er einfach nichts mehr von ihr wollte, und Aaron hatte es ja auch durch die SMS ein wenig später von dieser Affäre erfahren, damit hatte es sowieso ein Ende…

 

Ihre Gedanken schweiften ab, zurück zu den gelöschten E-Mails. Was Maria ihr wohl geschrieben hatte? Sie vermisste sie sicherlich. Und die anderen E-Mails von Freunden? Wurde sie zu Hause wohl nun sehr verachtet für ihr Verhalten? Sie schaute aus dem Fenster. Ob Maria und ihr Freund bei diesem schönen Wetter irgendwo am See lagen oder suchte Maria sie?

Ihre Gedanken wanderten weiter zu Aaron und zu dem Tag, als sie vom Tod ihrer Eltern erfahren hatte.

 

„Ja, hallo?“, antwortete Helena gelangweilt. Sie sass eigentlich grade am Schreibtisch und lernte als das Telefonklingeln sie aus den Gedanken riss.

„Ist hier Frau Sig?“

„Ja, warum?“

„Würden sie bitte auf das Polizeirevier kommen?“

„Warum?“

„Wir brauchen hier Ihre Hilfe.“

Sie legte sofort auf und machte sich auf den Weg und hinterliess ihren Eltern ein Zettel, damit sie wussten, wo sie war. Das Polizeirevier war etwa nur 15 Minuten von ihr entfernt und meldete sich gleich beim ersten Polizisten mit Namen. Als er ihren Namen hörte, sah sie Mitleid in seinen Augen.

„Folgen Sie mir bitte.“

Sie nickte und folgte ihm in den Keller wo zwei abgedeckte Leichen auf silbernen Tischen lagen. Als das Leintuch aufgedeckt wurde, traf Helena ein Schock. Sie stolperte zurück an die kalte Wand.

„Können sie Herr und Frau Sig identifizieren?“

„Mum, Dad!“, schrie sie auf und rutschte die kalte Wand hinunter. Sie fing an zu weinen, stützte ihre heisse Stirn an ihre Knie und verbarg ihr Gesicht darin. Sie hatte den Polizisten vollkommen vergessen. Vergessen wo sie eigentlich genau war. Das einzige was sie klar und deutlich spürte, war der Schmerz des Verlustes ihrer Eltern. Nie wieder würde sie mit ihnen sprechen können. Auch wenn sie vielleicht mehr gestritten haben als ein ruhiges Gespräch miteinander geführt, wusste Helena ja eigentlich, das es nur gut gemeint war oder glaubte es zumindest.

Sie wusste nicht, wie lange sie  da am Boden gesessen hatte ob nun Minuten oder Stunden, es kam ihr wohl sicher länger vor, dabei handelte es sich nur um ein paar Minuten. Irgendwann kniete sich der Polizist zu ihr runter.

„Es wird alles in Ordnung kommen. Wenn Sie wollen, helfe ich ihnen bei der Vorbereitung der Beerdigung.“

Helena schaute rauf in das freundliche Gesicht des Polizisten.

„Wie?“

Der Polizist seufzte auf: „Sie wurden auf offener Strasse von einem vorbeifahrendem Auto erschossen…“

 

 

„Helena?“

Helena blinzelte kurz ein paarmal und schaute dann zu Michael der vor ihrem Gesicht herum geschnippt hatte.

„Was?“

„Ich habe gefragt, ob du Hunger hast, ich hätte was vom Chinesen bestellt.“

Helena überlegte kurz und nickte dann: „Hühnchen Süsssauer.“

Er nickte und betätigte das Telefon für die Bestellung.

 

Nach dem Essen, suchten sie den ganzen Tag nach Hinweisen. Helena eröffnete einen neuen Email Account und schickte Stephan eine E-Mail. Vielleicht war er ja nicht tot und würde ihr antworten. Sie schrieb in der E-Mail, das sein Bruder tot war und bat ihn inständig, sich bei ihr zu melden. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht gross war, so konnte sie doch noch hoffen und genau das tat sie. Als es endlich sechs Uhr war, verliessen beide Kriminalangestellten das Büro und Helena nahm sich fest vor, nun endlich die Kartons aus zu packen und einkaufen zu gehen, also machte sie einen kurzen Abstecher in eine Tankstelle um sich ein paar Tiefkühlprodukte zu kaufen. Die Tankstelle war nicht besonders gross, einer der kleineren Sorten, wo die Verkäuferin lieber Kaugummi kauend in einer Zeitung las, statt die Kunden zu bedienen. Und wenn sie ihre Zeitung dann doch mal weglegte, um die Kunden zahlen zu lassen, sah ihr Gesicht so gelangweilt, als würde sie jeden Moment einschlafen.

So wie auch jetzt, als Helena ihre tief kühl Pizzen, Lasagnen und Weisswein bezahlen wollte. Und als sie dann noch nach Zigaretten fragte, drehte sich die Frau schon fast genervt um, um eine Packung aus dem Regal zu nehmen. Was viel der Kundin nur ein, auch noch etwas von ihr zu verlangen! Jetzt musste sie sich auch noch bewegen!

Helenas Lippen verzogen sich kurz zu einem spöttelnden Grinsen, ehe sie die Plastiktasche mit der Ware darin nahm und zurück zu ihrem Auto ging.

 

Zu Hause, schaltete sie gleich den Ofen an und verstaute ihr eingekauftes im Kühlschrank. Während der Ofen am Aufheizen war, fing sie an die Kartons aus zu packen. Nun bestand ihr Schlafzimmer nicht mehr nur aus einem Bett mit braunen Bettgestell und einem braunen, weissen Kommode  Nun gab es auch noch weisse Vorhänge durch die Plastik Blumen gezogen wurden. Die Bettwäsche hatte sie ausgetauscht und einen Teppich vor das Bett gelegt. Sie füllte die Kommode und den Kleiderschrank im Ecken mit Kleidern. Zum Schluss stellte sie ihr Schmuckästchen in die Mitte der Kommode. Müde schützte sie sich mit beiden Händen auf der Kommode und schaute müde in den breiten Spiegel, oberhalb der Kommode.

 

Dunkelblaue Augen mit einem fast nicht sichtbaren, gelblichen, goldenen Stern um die Pupillen und nach innen, hellte die Farbe ein wenig auf. Sie schaute auf ihre Lippen, die zwar nichts so voll waren, wie die von anderen Frauen aber dennoch leicht geschwungen. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem wirren Knoten zusammen gebunden und das weisse Oberteil, das eine freie Sich auf ihre schmalen Schultern zuliess, lies ihre Haut noch blasser erscheinen. Ihr Spiegelbild schaute sie müde an.

Sie wandte sich vom Spiegel ab und öffnete ihre Schmuckschatulle um eine Kette raus zu nehmen, dessen Anhänger ein halbes Herz darstellte. Sie setzte sich auf das Bett und betrachtete den Anhänger eine ganze Weile, während sie sich daran erinnerte, was er bedeutete.

 

„O Mein Gott! Wir sind endlich 18!“, rief Maria aus, während sich die beiden Freundinnen am der Hand hielten und im Kreise sprangen wie kleine Kinder es aus Freude pfelgten. Beide grinsten über beide Ohren und Helena zog ihre beste Freundin durch eine kleine versteckte Gasse der  Stadt in einen Laden.

„Komm! Ich habe dein Geburtstagsgeschenk noch nicht abgeholt!“

Maria folgte ihr mit einem breiten Grinsen in den Laden zu ihrem Juwelier.

„Guten Tag Herr Scott! Haben sie meine Bestellung fertig?“

Der Mann hinter dem Tresen nickte und überreichte Helena zwei schwarze Schatullen. Helena hatte schon vor einer Woche bezahlt deshalb war eigentlich auch schon alles erledigt.

„Danke!“

Der Mann nickte lächelnd und verschwand wieder in ein Hinterzimmer und Helena zog ihre beste Freundin aufgeregt aus dem Laden.

„Hier“, meinte Helena und reichte ihrer Freundin einer der Schatullen. Maria öffnete es und lies einen kurzen Freudenschrei erklingen.

„Danke! Sie ist wunderschön!“

Maria zog die Kette aus der Schatulle und zog es schnell an. Auch Helena zog ihre Hälfte gleich an.

„Jetzt ist egal, was passiert. Wir werden uns immer aneinander erinnern können.“

Stürmisch umarmten sich die beiden vor Freude. Ja, nun werden sie sich immer aneinander erinnern können.

 

Sie liess sich im Bett zurück fallen und fing an mit der Kette zu spielen. Sie fing an zu weinen während sie die Kette weiter betrachtete, sie rollte sich zusammen und weinte. Bittersüsse Tränen liefen ihr die Wangen runter. Irgendwann stand sie langsam auf und, immer noch die Kette in der Hand. Sie ging runter in die Küche und schob ihre Pizza in den Ofen. Öffnete ihre Flasche Wein und nahm ein paar Schlucke. Sie setzte sich an den Küchentisch und schaute raus. Es war bereits dunkel und es hatte angefangen zu Regnen. Sie schaute den Tropfen zu, wie sie langsam die Scheibe runter liefen. Sie schaute wieder zur Kette und betrachtete sie im Licht der Deckenlampe. Seufzend  legte Helena ihre silberne Kette auf den Tisch und ging mit dem Weinglas in der Hand zum Fenster.

 

Derzeit woanders.

„Aaron sag mir doch wo sie ist!“

„Keine Ahnung“, meinte die Stimme gleichgültig am anderen Ende des Apparats. Wütend legte Maria auf. Sie wusste schon längst, dass Helena ihren Freund betrogen hatte. Miranda, Aarons beste Freundin und jetzt auch seine jetzige Freundin, hatte es schliesslich jedem erzählt, ob er es nun hören wollte oder nicht. Maria hatte Helena gleich eine E-Mail nach der anderen geschrieben, sie angerufen und alles aber ihre Freundin antwortete nicht und ausgezogen war sie auch, wie Maria vom Vermieter erfuhr. Wo zum Teufel steckte denn das Mädchen und wieso meldete sie sich nicht? Schliesslich waren sie doch beste Freundinnen. Maria griff nachdenklich zu ihrer Halskette, welche Helena für sie zum 18. Geburtstagen fertigen liess. Eine Handfertigung von Helenas Goldschied. Es war ein halbes Herz und Helena hatte die andere Hälfte.

Maria fing sich langsam an Sorgen um ihre Freundin zu machen. Helena wäre doch nie gegangen, nicht ohne etwas zu sagen. Ihre Freundin, dieses blonde Mädchen war nicht der Typ dafür einfach abzuhauen. Nein, nicht Helena. Ihre beste Freundin brauchte oft Gesellschaft wenn es ihr schlecht ging, zumindest war Maria immer da, wenn Helena eine Schulter brauchte noch nie hatte sie ihre Freundin in den schlechtesten oder freudigsten Momenten alleine gewusst. Aber vielleicht wollte sie auch nur Ferien machen von all dem, das Geld hatte sie ja als Bankangestellte. Sie wählte die Nummer von Helenas Chef, wenn jemand wüsste, wo sie ist, dann sicher er.

 

Der Anruf dauerte nicht lange. Der Chef war nicht zu sprechen und die Sekretärin meinte, wenn sie was von ihm wolle, dann müsse sich Maria persönlich auf den Weg zu ihm machen. Eine drei stündige Fahrt, aber das war’s Maria wert, wen sie dafür nur Helena bald wieder sehen könnte.

 

 

Zur selben Zeit an einem anderen Ort

„Wer hat dich angerufen?“, fragte Miranda ihren Freund, der an der Balkontür gelehnt da stand und raus schaute, raus in den Regen der aus den dunklen Wolken fiel. Ein Donner rollte über den Himmel und ein Blitz lies für eine Sekunde den Himmel Taghell erleuchten.

Langsam drehte sich Aaron zu seiner neunen Freundin um und zuckte gleichgültig die Schultern.

„Nicht so wichtig.“

Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog ihn runter zu sich, da sie ein wenig kleiner war als er.

Sie war das genaue Gegenteil seiner Ex. Sie hatte lange, dunkle Locken und Mandelbraune Augen. Sie war auch von der Art her ganz anders, nicht ganz so ruhig wie Helena, im Gegenteil, eher ein kleines Energiebündel.

Er berührte mit seinen Lippen nochmals leicht die ihrigen. Lächelnd nahm sie nach dem Kuss seine Hand und führte ihn zu ihrem jetzigen gemeinsamen Bett. Aaron lächelte zwar, aber in Gedanken war immer noch bei Marias Anruf. Die beiden waren doch sonst beinahe unzertrennlich. Na gut, es war schon immer eine Seltenheit Helena mal ganz alleine zu sehen, ausser in der Wohnung, da sonst immer jemand bei ihr gewesen war. Und jetzt war sie anscheinend gar nicht mehr da. Na nu, sie würde sicher wieder auftauchen…Hoffte er, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte.

5. Im Namen der Freundschaft

Der Regen verdeckte ihr die Sicht, als sie fuhr. Sie konnte nur die Lichter vor ihr erkennen auf der Autobahn, mehr nicht. Nun ist sie schon gut ein und halb Stunden gefahren. Sie hatte einen Plan. Die eine Hand wanderte vom Steuer rüber zu ihrem Hals mit der silbernen Kette welche immer wieder das Licht der Autobahn reflektierte, mal rot, mal orange, mal gelb.

Sie wechselte auf die Überholspur und versuchte schneller zu fahren, als ein Auto sie von hinten mit seinen Lichtern blendet. Die junge Frau fluchte kurz auf und versuchte noch schneller zu fahren, aber immer noch vergebens, das Auto hielt stand und lies nicht von ihr ab. Immer wieder schaute sie in den Rückspiegel. Das andere Auto kam näher! Doch sie konnte nicht schneller werden, ausser sie würde in das andere Auto rein fahren, also wechselte sie wieder die Spur, das Auto folgte ihr noch immer. Und sie wechselte auf die Pannenstreife, von dem man aus in den Wald kam. Sie hielt an und das andre Auto hielt dicht hinter ihr. Wütend stieg sie aus: „Was zum Teufel sollte das vorhin!“

Die andere Wagentür öffnete sich ebenfalls und ein Mann stieg aus. Die Frau konnte ihn nicht richtig erkennen, da die Lichter seines Wagens immer noch an waren. Er sagte nichts kam aber immer näher…

 

Zur gleichen Zeit sass Michael in seiner kleinen Küchen, in einer zwei Zimmer Wohnung in der Innenstadt. Er nahm noch einen Schluck von seinem Tee und schaute in seinen Laptop, während er auf die Daten wartete die  er suchte. Nur ein paar Nachforschungen um seine Neugierde zu befriedigen.

Wer war diese Frau eigentlich, taucht einfach auf und gibt so wenig wie möglich von sich Preis. Das Einzige, was er sehen konnte, war, dass sie irgendetwas erlebt haben musste, was sie von dem letzten Ort weg getrieben hatte. Endlich öffnete sich nach wenigen Sekunden, nach dem er Helenas vollständigen Namen eintippte.

„Diese Akte ist gesperrt!“

„Mist“, fluchte er, eigentlich waren die Mitarbeiter-Akten für ihn und seiner Abteilung, nicht gesperrt. Seufzend lehnte er sich zurück und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Das machte ihn nur noch neugieriger, dadurch dass ihm Informationen vorenthalten wurden. Er beugte sich wieder vor zum Laptop. Eigentlich war alles was er bis jetzt über die Frau wusste, welche Musikrichtung sie mochte, welches Auto sie fuhr und anschliessend gerne was trank. Auch wenn seine Partnerin es heute Morgen versucht hat zu überdecken, hat er den leichten Alkoholgeruch dennoch wahrgenommen, als hätte sie gar keine Zeit gehabt zu duschen. Und ihr Benehmen heute, als er ihr Kaffee geholt hatte und dann als sie das Opfer gesehen hatte, ist sie viel zu ruhig geblieben, es war ihr zu egal, als wäre es gespielt gewesen. Das hatte eher schon etwas Unnatürliches und einen Preis, für die beste  Schauspielerin des Jahres würde er ihr auch nicht zwingend geben.

Er nahm seine Tasse zur Hand und wollte grade ein Schluck Tee nehmen, merkte dann jedoch, dass seine Tasse leer war. Müde stand er auf und kochte nochmals Wasser auf, während draussen der Regen weiterhin an das Küchenfenster trommelte. Stirnrunzelnd starrte er vor sich hin, ging abermals an den Laptop und lies nach Stephans Akte suchen.

Er fand nichts Neues. Nochmals liess er die letzten Tage durch seinen Kopf wandern. So wie Helena reagiert hatte könnte sie Stephan gekannt haben. Vielleicht fand er mehr Informationen in Stephans ursprünglichem Heimatort… Er fand Helenas Namen im Register, nach dem er sich in die Datenbank eingeloggt hatte. Doch vor allem, fand er’s sehr interessant, dass bei ihrem Wohnsitz zwei Namen angegeben wurde. Aaron…Helena hatte also einen Freund… Er würde sie gleich morgen fragen, wenn er sie sah. Müde klappte er den Deckel der Maschine runter und ging zu Bett, das hatte ja sonst noch alles bis morgen Zeit.

 

Helena erwachte am nächsten Morgen nur dank ihrem Wecker, sie hätte sonst sicherlich verschlafen, so lange, wie sie gestern noch wach war. Müde haute sie ihrem Wecker auf den Deckel und drehte sich wieder auf die Seite, so dass sie die Dämmerung beobachten konnte. Mittwoch, es war erst Mittwoch, sie konnte es nicht glauben. Es fühlte sich an, als wollten die Tage einfach nicht vergehen, als würde jede Stunde in die Länge gezogen werden.

Sie drehte sich auf den Rücken und streckte ihren Körper durch, dass sie einige Knackse von der Wirbelsäule her hörte. Nach dem sie noch einige Sekunden liegen blieb stand sie auf und ging sofort unter die Dusche. Sie verschob denn Kaffee auf später im Büro, sie hatte den Wecker zu spät gestellt und unter der Dusche einfach zu lange gebraucht. Sie hielt die exakte Geschwindigkeitsvorgabe ein und sogar mehr aber die Strasse war einfach zu voll um auf die Minute pünktlich zu sein. Sie hasste den Morgenverkehr und noch mehr, dass sie kein Fenster öffnen konnte, ohne das ihr gleich der ganze Strassengestank in die Nase stach. Genervt drückte sie auf die Hupe, aber da war sie auch nicht die einzige. Na toll, sie hatte noch keinen richtigen Kaffee oder Zigarette gehabt und hatte schon Stress. Ein Morgen, wie er auf keinem Fall anfangen durfte, nicht wenn er nicht scheisse enden wollte.

 

Endlich ging es weiter im Verkehr und sie konnte in eine ruhigere Nebenstrasse einbiegen. Als Helena dann endlich in der Garage war, durquerte sie diese mit schnellen, hektischen Schritten. Die leichten Absätze ihrer schwarzen Schuhe hallten von den Wänden wieder. Schnell stieg sie in den Lift, ein Blick auf ihre Armbanduhr genügte, um ihr zu zeigen dass sie spät dran war. Sie seufzte und war froh als der Lift dann endlich in ihrem Stock zum Halt kam. Als sie durch den Gang zu ihrem Büro lief, waren alle schon fleissig mit ihrer Arbeit beschäftigt.

„Morgen“, begrüsste ihr Partner sie, der mittlerweile schon ordentlich und offensichtlich um einiges entspannter da sass als das sie Helena fühlte.

„Moin“, begrüsste sie zurück und setzte sich an den Tisch stand aber gleich wieder auf, um sich Kaffee zu holen.

„Bisschen gestresst?“

Helena gab keine Antwort und holte sich ihren Kaffee.

 

„So, haben wir was neues?“, fragte Helena als sie endlich in Ruhe hinsetzten konnte und gemütlich von ihrem Kaffee schlürfte.

„Nein, nicht wirklich. Dieser Stephan lässt sich immer noch nicht finden, aber wir haben da eine neue Leiche, und damit einen Tatort, an den wir hinsollten.“ Helena Stöhnte auf: „Bitte nicht gleich. Lass mich erst meinen Kaffee trinken.“

„Also doch schon gestresst?“

Helena warf ihm einen Blick zu, der so viel bedeutete, wie er soll jetzt besser einfach ruhig sein und sich seine Kommentare sparen konnte. Michael grinste kurz auf, da er ihren Blick sehr wohl verstanden hatte.

„Wo hat den der Mord stattgefunden?“

„Neben der Autobahn.“

Helena schaute ihn überrascht an: „Und für was braucht man dann uns genau?“

„Die Runen“, erwähnte Michael beiläufig, „man hat es auf den Handgelenken der Leiche gefunden. Man vermutet, dass es etwas mit dem unserem jetzigen Fall zu tun hat.“

Helena seufzte: „Gut, dann lass uns gehen, würde ich mal sagen?“

Michael nickte, nahm seine Jacke vom Stuhl und sie gingen.

Wie Helena vermutet hatte, würde die weisse Wand nicht leer bleiben, wäre auch zu schön gewesen.

 

„Was haben wir da?“, fragte Michael einen der Streifenpolizisten, die hinter dem Absperband standen, während er und seine Partnerin selber unter einem durch kamen zum Tatort.

Immerhin gab es hier neben der Autobahn nicht so viele Gaffer wie beim letzten Tatort, stellte Helena befriedigend fest. Sie mochte diese neugieren Leute nicht, die ständigen versuchten ein Foto von der Leiche zu kriegen oder gar den Tatort betreten wollen und so die Beamten an ihrer Tätigkeit hinderten.

Helena schaute sich um, der Körper lag vor dem Gebüsch das gleich vor dem Zaun, der den Wald von der Autobahn trennte, wuchs, doch einer ihrer Ballerina Sandalen lag neben dem abgestellten Auto, welcher vermutlich dem Opfer gehörte, beinahe so, als hätte sie Angst bekommen, wäre ausgestiegen und versuchte davon zu laufen, wobei sie in der Hast, jedoch den einten Schuh verloren hatte.

 

„Nun ja, eine Leiche, wie immer Chas. Die Techniker sind schon drauf und dran die Beweise zu sicher und Herr Metzger untersucht die Leiche bereits. Wir haben ihren Ausweis und ihr Auto.“

Helena schaute nochmals rüber zum Fahrzeug, Maria fuhr einen ähnlichen blauen Ford. Als die Polizistin näher kam, sah sie, dass es das genau gleiche Modell ist.

Michael lief schon zum Gerichtsmediziner, während Helena das Auto gemustert hatte, nun folgte sie ihm jedoch zur Leiche.

„Na, hast du schon die Ursache?“, fragte Michael den weisshaarigen Mann, der neben der Leiche kniete. Helena konnte das Gesicht des Opfers nicht erkennen, da die Visage in Richtung des Zauns lag, und das auf eine sehr merkwürdige Weise.

„Genickbruch“, meinte der Gerichtsmediziner ohne jedoch auf zu blicken.

 

Diese schwarzen, langen Haare, diese Kleidung kam Helena sehr bekannt vor. Das Opfer war doch nicht….Helena machte noch ein Schritt und noch ein Schritt bis sie das Gesicht erkennen konnte. Ihr wurde übel, es schien ihr, als würde ihr Magen grade Purzelbäume schlagen. Sie rannte weg, bis sie sich nicht mehr in der abgesperrten Zone befand und erbrach ihren ganzen Mageninhalt.

„Das passiert jeden mal“, hörte sie Metzger sagen. Verkrampft hielt sie sich am Zaun fest, der dünne Draht war kalt und es schmerzte ein wenig doch sie spürte es kaum. Sie war nur noch am Würgen und hoffte dass sie damit auch das Bild von grade eben vergessen könnte doch es hörte nicht auf.

Vielleicht war alles nur ein Traum und sie würde gleich aufwachen? Vielleicht war das ein grosser Witz oder eine Einbildung…

 

Als anscheinend nichts mehr in ihrem Magen war das noch raus kommen könnte, hielt sie sich zwar erschöpft aber weiterhin fest am Zaun. Sie spürte eine warme Hand auf ihrer Schulter.

„Alles in Ordnung?“

Helena brachte keinen Ton mehr raus, sie war müde, sie wollte los heulen, wollte sich betrinken oder sonst irgendetwas machen, um dieses Bild zu vergessen. Das Bild wie ihre beste Freundin da lag mit gebrochenem Genick… Helena sass immer noch in der Hocke da und starrte runter auf ihr Erbrochenes, dann hoch zum Himmel.

Was zum Teufel ging hier vor? Wer machte so etwas? Ihr wurde kalt, es schien ihr, als würde diese Kälte in den Fingern anfangen und dann rapide den ganzen Körper beanspruchen. Sie zitterte, sie wollte hier weg, doch bevor sie das tat, musste sie noch etwas wissen. Mit einer ruckartigen, steifen Bewegung stand sie auf, Michael, der ihr die Hand auf die Schulter gelegt hatte, wie kurz erschrocken von der abrupten Bewegung zurück.

„Helena? Alles in Ordnung?“, fragte ihr Partner sie abermals doch ihre Antwort war nur ein stummes nicken. In einer steifen, angespannten Haltung ging sie nochmals rüber zur Leiche. Nein sie wollte das Gesicht nicht sehen, wollte den toten Körper nicht nochmals betrachten müssen, aber sie musste es wissen…

Metzger schaute sie überrascht an, als hätte er nicht erwartet, dass sie nochmals in die Nähe der Leiche kam, was sie ursprünglich auch nicht vorhatte.

„Trägt sie irgendwelchen Schmuck?“, fragte die Kriminalbeamtin und versuchte dabei ihre Stimme so weit zu beherrschen, das sie nicht sofort anfing los zu weinen.

Der schon etwas ältere, grauhaarige Mann nickte und deutete auf den Hals des Opfers. Eine silbernes, halbes Herz…

Irene wandte sich ab, um nicht gleich los heulen zu müssen und ging schnell zu Michael.

„Ich nimm mir für heute frei…soll ich dich ins Büro fahren oder findest du eine andere Mitfahrgelegenheit?“

Seine grünen Augen musterten sie, musterten ganz genau ihr Gesicht. Es kostete Helena sehr viel Beherrschung, die Mimik ruhig zu behalten und sich nichts anmerken zu lassen. „Komm, ich fahr dich, nicht das du noch einen Unfall baust.“

Die blonde, junge Frau hatte keine Kraft mehr um zu protestieren und überlies ihrem Partner die Autoschlüssel.

 

Auf dem Weg zu Irenes kleinem Häuschen, wurde kein Wort geredet, als ob Michael zu spüren schien, dass es nun besser sei kein Wort zu sprechen, dass es sie nur nerven würde oder ihre Tränen herausfordern.

Als sie ausstieg und Michael ihr ihre Autoschlüssel zurück gab bedankte sie sich halblaut und ging zur Haustür. Sie schloss auf, ging in ihre eigenen vier Wände. Als sie die Tür hinter sich schloss, rutschte sie die weisse Haustürentlang zu Boden, fuhr sich mit den Händen durch das Haar…Wie konnte das nur passieren…Was war da überhaupt passiert? Warum Maria? Sie hätte keiner Fliege was antun können, nicht sie. Nicht das Mädchen mit den warmen, braunen Augen und dem herzförmigen Gesicht. Nein, wenn jemanden den Tod am wenigstens verdient hätte, dann ihre beste Freundin!

Sie fing wieder an zu weinen. Es schmerzte, dieser Schmerz war unbeschreiblich, jede Faser in ihrem Körper schien zu reissen. Sie presste ihre Faust gegen ihren Mund und wiegte sich langsam hin und her während die Tränen ihre Schminke verschmieren liessen. Sie schluchzte und schlug ab und zu auf den Boden vor Wut über den, der das gemacht hatte. Nun war sie nicht nur traurig sondern auch verdammt sauer. Sie schwor sich diesen kranken Bastard zu finden, und wenn es sein müsste, Selbstjustiz ergreifen.

6. Der schwarze Schwan

Der Laptop fiepte kurz auf. Eine Nachricht von Helena. Das sie ihm immer noch schrieb. Er hatte gehofft, dass sie ihn bereits vergessen hatte. Es tat ihm so leid, dass er damals einfach gegangen war, ohne einen richtigen Abschied. Hoffentlich würde sie ihm verzeihen. Wahrscheinlich schon, schliesslich arbeiteten sie in derselben Branche, da musste man manchmal sein Leben aufgeben und den Job zu erledigen. Er war hier ja auch bald fertig, nicht mehr lange und er würde sie dann endlich wieder aufsuchen können und sich entschuldigen für alles. Es handelte sich nur noch um Tage und nicht mehr um Wochen.

 

Neugierig öffnete er ihre E-Mail und hoffte dass sie ihn nicht schon wieder fragte, wo er steckte und ihn wiedermal ein schlechtes Gewissen bereitete.

Er ging Zeile um Zeile durch, was er da jedoch las, gefiel ihm nicht, absolut gar nicht. Das hörte wohl nie auf in seinem Job, sich mit Toten beschäftigen, daran hatte er sich ja schliesslich auch langsam gewohnt. Aber es war etwas ganz anderes, wenn es sich um seinen eigenen Bruder handelte!

Er musste sie sehen, wollte mir ihr reden, genauere Fragen stellen aber er konnte nicht, solange er an diesem Auftrag dran war aber er musste ihr nun endlich ein Zeichen geben, das er lebte. Nach kurzer Überlegung, entschied er sich auf die altmodische Art zu antworten, auch wenn er nicht sehr gerne Briefe schriebe, aber seine Handschrift würde sie sicher sofort erkennen.

Ihre Adresse rauszusuchen, da er sich nicht mehr sicher war,  war nicht schwer, es gehörte schliesslich zu seinem Beruf solche Dinge rauszufinden.

Während er überlegte was er ihr schreiben könnte dachte er an den ersten Brief, den er ihr damals hinterlassen hatte und wie sie dazu gekommen waren.

 

„Klopf, klopf, jemand da?“, fragte Stephan grinsend während er sich an die Wand lehnte und an den Türrahmen klopfte.

Sie drehte sich mit einem Lächeln von ihrem Computer weg und schaute ihn aus grossen, dunkel blauen Augen die mit ein bisschen Wimperntusche und Kajal umrahmt waren. Die Weise Bluse und das Top, welches sie darunter trug, betonten ihre helle Haut und das blonde Haar.

„Nein.“

„Lust auf Italienisch?“

„Auf den Wein schon…“

Stephan grinste schief und machte eine Handbewegung Richtung Ausgang: „In diesem Fall, hätte ich eine andere Idee Señora.“

Skeptisch hob Helena die linke Augenbraue, was ihr Lächeln jedoch nicht verschwinden liess und noch weniger die Freude darüber ihn zu sehen.

„Soso, welche denn?“

Stephan zuckte die Schultern, als wüsste er selber noch nicht so genau, wohin er jetzt eigentlich wollte: „Lass dich doch überraschen.“

Helena seufzte, nahm ihre Jacke jedoch von der Lehne und folgte ihm runter in die Garage zu seinem Wagen.

Sie fuhren keine 10 Minuten, als sie vor einem drei Sterne Hotel hielten. Helena schaute ihn mit grossen Augen an, blieb jedoch ruhig, als wüsste sie selber nicht was genau zu sagen. Manchmal wünschte er sich, er könnte ihre Gedanken lesen…oder besser nicht, da Frauen ja bekanntlich zu viel dachten.

„Na, kommst du?“ Sie nickte und sie stiegen aus.

„Hast du das etwa alles geplant?“

Er schüttelte den Kopf: „Nein, aber dafür mach ich es jetzt.“

Mit diesen Worten gingen sie zur Rezeption und buchten ein Zimmer für eine Nacht. Helena machte sich schon auf den Weg während Stephan noch kurz mit der Rezeptionistin redete.

 

Das Zimmer war riesig und mit Doppelbett, Couch, Fernseher und allem.

„Mein Gott, Stephan! Du bist schlimm, ich habe mich gar nicht auf so etwas vorbereitet!“

Er grinste, sagte jedoch nichts, sondern nahm sie in den Arm und küsste sie kurz, wobei sie den Kuss auch erwiderte.

Sie wurden unterbrochen von einem Klopfen an der Tür und der Zimmerservice brachte drei verschiedene Weine. Stephan war sich nicht mehr so sicher, welcher genau von denen Helenas lieblingswein war und da alle ähnlichen klangen, hoffte er das der richtige schon darunter zu finden sei.

Zufrieden betrachtete er ihr überraschtes Gesicht und diesen besonderen Glanz in ihren Augen, der ihm Bewies dass sie nun grade einer der glücklichsten Menschen der Welt war. Er hoffte dass er diesen einen wunderschönen Glanz immer irgendwo in ihren blauen Augen finden würde, egal was passieren würde.

„Darf ich ihnen einen Schluck offerieren?“, fragte Stephan mit einer gespielt, höfflichen Stimme.

„Ouh gerne, der Herr, wenn sie mich schon danach fragen“, antwortete sie in der gleichen Stimme und beide fingen an zu lachen.

 

Sie setzten sich auf die Couch mit dem Glas und redeten über dies und das und nach der ersten Flasche schaute Helena den jungen Mann neben sich, plötzlich ganz ernst an.

„Danke, danke für alles.“

Stephan lächelte: „Keine Ursache.“

„Nein, du verstehst nicht…“, doch bevor er noch ein Wort erwidern konnte, küsste sie ihn verlangend ihre Hände wuschelten durch sein Haar. Er hob sie hoch und setzte sie auf seinem Schoss.

Ich liebe sie, schoss es Stephan durch den Kopf während seine Lippen weiterhin von ihren bedeckt wurden und ihre Hand wanderte seinem Hemd entlang und knöpfte es langsam auf während ihre Bluse bereits am Boden war.

 

Stephan wachte auf wegen seinem Handywecker denn er aber sofort abschaltete um Helena nicht zu wecken. Ihr Gesicht und der nackte Rücken durch die Sonne grade beschienen wurde. Ihr linkes Bein war unbedeckt und so erkannte man auch ihr kleines Tattoo auf Fussknöchel, ein schwarzer Schwan mit ausgebreiteten Flügeln.

Ihr Gesicht war ruhig aber hatte dennoch so eine friedliche, glückliche Ausstrahlung, auch wenn sie schlief. Er küsste ihre Stirn und stand auf um  sich an zu ziehen schliesslich musste er auch heute zur Arbeit erscheinen, auch wenn er am liebsten dabei gewesen wäre wenn sie aufwacht.

Er hinterliess ihr eine kleine Notiz auf  seinem Kissen bevor er ging.

 

Tut mir leid dass ich schon gegangen bin, muss heute arbeiten und wollte dich nicht wecken.

Vielleicht sehen wir uns später? ich lieb dich,

Stephan.

 

Stephan dachte mit einem Lächeln an ihre erste Nacht zurück und wusste jetzt auch was er schrieb. Ja er musste diesen Job hier unbedingt so schnell wie möglich zu Ende bringen, damit er bald bei ihr sein konnte. Und vor allem wollte er auch wissen wer sein Bruder umgebracht hatte.

 

Ein Klingeln durchschnitt die Stille des Wohnzimmers.

„Hier Helena.“ „Hallo, hier ist dein Vorgesetzter, du erinnerst dich doch noch an mich oder?“

„Ja ´A´, was gibst?“ „Das frage ich Sie, warum sind Sie gestern einfach gegangen und heute nicht gekommen?“

„Weil ich grade trauere.“

„Um wen?“

„Um eine gute Freundin.“

„Könnten Sie mir das genauer erläutern?“ „Ich habe eine Nachricht empfangen das einer meiner Freundinnen einen Unfall hatte und tot ist.“ War zwar nur die halbe Wahrheit, aber würde sie ihm die ganze erzählen, würde er ihr bestimmt den Fall entziehen, da es nun etwas Persönliches war, das sie Antrieb den Mörder zu finden.“

„Nun gut, Helena. Aber das nächste Mal rufen Sie bitte an.“

„Ja Sir.“

Damit legte er auf und es war wieder still im abgedunkelten Zimmer. Toten stille. Sie erinnerte sich an verschiedene Szenen mit ihrer Freundin. Sie kannte sie schon seit über 15 Jahre und nun war sie einfach weg…

Es war ihre Schuld, sie hätte wissen sollen, dass ihre Freundin anfangen würde nach ihr zu suchen. Aber warum wusste sie wo sie war. Die Strecke auf der ihre Freundin gefunden wurde hat nach Berlin geführt. Aber warum wusste Marie, dass sie in Berlin war?

Und die andere Frage war, wäre Marie auch gestorben wenn sie ihre kleine Stadt da, in der sie ihr Leben verbracht hatte, nicht verlassen hätte?

 

Helena schüttelte den Kopf, wollte ihre Gedanken loswerden, Tränen kamen ihr wieder auf. Ob Mann oder Frau, sie würde den Täter finden!

Sie nahm noch einen Schluck von ihrem „Legendo do Lisboa“, zweifellos wieder ein Chardonnay, wie konnte es auch anders sein. Das bisschen Licht, welches sich durch die Fensterläden schleichen konnte wurde von ihrem silbernen, halben Herz reflektiert. Sie weinte, schloss den Anhänger in die Faust und presste es fest gegen ihr Herz. Sie wollte bei niemanden mehr Trost suchen, wollte alleine für sich bleiben, es war ihr ganz recht dass sie hier keine Freunde und Familie hatten die ihr jetzt vermutlich versuchen würden mit Rat und Nähe beiseite zu stehen. Nun stand sie auf eigenen Füssen und das aus eigener Kraft, auch wenn es schmerzvoll war, die ganze Situation hier. Würde die Trauer je versiegen? Vielleicht…irgendwann...der Schmerz um den Verlust ihrer besten Freundin würde aber vermutlich nicht so schnell schwinden, wie sie es sich erhoffte.

Müde vergrub Helen ihr Gesicht hinter ihren Knien, kurz bevor sie einschlief.

 

Wo sie wohl nur war? Michael schüttelte den Kopf, er hatte die Wand mit den Bildern mittlerweile erweitert und nun auch schon die nächste Rune ermittelt. Wunjo hiess diese und sieht ein wenig aus wie ein sehr eckiges „P“.

Nun hatten sie schon zwei Wörter, welche Michael unter einer Reihe auflistete, Freundschaft und Gesetzt. Egal wie Micheal es drehte, er fand keinen Reim auf die beiden Wörter. Er versuchte die Wörter in einen Satz zu binden, wo bei es teilweise auch Sinn ergab, wenn man daran glaubte, wie zum Beispiel, „Die Freundschaft ist das Gesetzt“ oder „Das Gesetzt ist die Freundschaft“, aber die anderen Sätze, welche er darauf bildete, ergaben für ihn weniger Sinn, da sie sich auch nicht so tiefsinnig anhörten wie die ersten beiden Beispiele.

Michael verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf und lehnte sich zurück. Er brauchte langsam ein anständiges Profil. Alles was die Opfer bis jetzt verband waren Runen und Helenas seltsame Reaktionen, die er so noch nie bei einem oder einer Polizistin und generellen Beamtin erlebt hatte. Aber das war kein wirklicher Anhaltspunkt. Und so viel er wusste, hatten die beiden sonst nicht viel zusammen, ausser vielleicht noch dass der Bruder des ersten Opfers und das zweite Opfer aus der gleichen Ortschaft kamen, ausser der, wo auch Helena mal ihren Wohnsitzt hatte. Er runzelte die Stirn. Eins und eins zusammen zu zählen ist nicht schwer, eigentlich, aber wenn man die Lösung nicht sehen will werden auch die leichtesten Fragen, automatisch zu den schwersten. Entweder ergab man sich der Angst und lies es zu, das sie anfing dich zu beherrschen oder aber man lügt sich nicht selber an und stellt sich der Angst, so schwer es auch scheinen mag. Jedoch ist der Mensch bequem und ergibt sich oft der Angst um sich nachher einzureden das man gar keine Angst hat.

 

Michael war hierbei auch nur ein Mensch und hätte die Augen am liebsten auch verschlossen aber nun wurde es erst richtig spannend. Die verschlossene Helena dürfte bald nicht mehr so verschlossen sein, er hatte viele Fragen, denn seit sie aufgetaucht ist sind diese Morde alle passiert, oder aber er übergab den Fall der Polizei von dort, was vielleicht gescheiter war. Aber er hatte ja nun einen ganzen Abend Zeit darüber nach zu denken. Damit schloss löschte er die Lichter aus im Büro und ging nach Hause in seine kleine zwei Zimmer Wohnung, doch mitten auf dem Weg kehrte er um und fuhr zu Helenas Haus.

 

Es dauerte nicht lange, bis er vor ihrer Haustür stand und klingelte, einmal, zweimal und noch ein drittes mal. Nach dem dritten Mal hörte er, wie sich Schritte näherten und ein Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.

„Oh, Michael, du bist es.“

„Hast du jemand anderen erwartet? Übrigens ich würde mal dein Briefkasten leeren“, und deutete auf den Briefkasten oberhalb der Klingel.

Sie schaute ihn nur an, ihre Augen waren geschwollen, als hätte sie geweint und ein paar Strähnen hatten sich aus ihrem Knoten gelöst. Sie war bleich, richtig kränklich sah sie aus, nicht wie diese unnahbare Frau, welche er anfangskennen gelernt hatte, aber ihre Haltung und ihr Gesicht, schienen immer noch die Distanz zu wahren. Langsam drehte sie ihm den Rücken zu und leerte den Briefkasten während sie sprach.„Was willst du hier?“„Ich wollte nach dir sehen, da du ja nicht zur Arbeit gekommen bist. Kommst du morgen?“Sie drehte sich wieder zu ihm um, diesmal war der einte Arm gefüllt mit Werbeprospeckte.„Ja. Sonst noch was?“Er nickte langsam: „Neue Informationen.“Sie seufzte, sie hatte jetzt keine besondere Lust über den Fall zu reden: „Tee oder Kaffee?“Er lächelte ein wenig müde: „Kaffee gerne.“Damit folgte er ihr ins Häuschen, direkt in die Küche. Auf dem Weg konnte er einen kurzen Blick ins Wohnzimmer erhaschen, alles war abgedunkelt und auf dem Wohnzimmertisch thronte eine Weinflasche.

 

Die Küche war relativ gross für eine einzelne Person. Der Boden blau gekachelt und vor der Kücheneinrichtung war so was wie eine kleine Bar mit Barhockern. Helena deutete mit einer einladenden Geste, das er sich auf die Hocker setzten kann, was er auch tat, während sie die Kaffeemaschine anmachte und die Post daneben durchsuchte nach irgendeinem normalen Brief.

„Also, was gibt’s?“

„Na ja, unser Opfer“, und nun hörte sie halb zu, während er über die Rune der Freundschaft erzählte. Mitendrinn schaltete sie ab, als sie einen Brief entdeckte, welcher nicht wie Werbung aussah. Sie erkannte die Schrift, konnte das sein?

 

„Helena?“

Erschrocken sah die blonde Frau auf: „Ja?“„Hast du mich grade gehört?“

„Äh, irgendetwas über Runen?“

Er schüttelte den Kopf, während sie ihm einen Kaffee rausliess und ihm die Tasse vor die Nase stellte.

„Die Opfer haben eine Gemeinsamkeit, abgesehen vom Mörder, sie sind alle in derselben Ortschaft geboren. Du weisst schon, da wo du ja auch mal gewohnt hast.“

Helena starrte ihn an, überrascht über sein Wissen und wusste nun grade nicht was antworten.„Na ja, wie auch immer, ich glaube wir sollten den Fall abgeben.“„Wieso?“„Das soll die Polizei von dort machen.“

Sie starrte ihn immer noch an, dann schaute sie runter zum Brief. Anscheinend konnte sie nicht flüchten, das klappte wohl nie richtig!

„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, Michael, sie sind nicht dort gestorben“, erwiderte sie ein wenig provozierend.

„Doch Helena, das ist mir aufgefallen. Na gut, aber kannst du mir mal verraten, wer Aaron ist? Du weisst schon, der Typ mit dem du zusammen gewohnt hasst? Und kanntest du die Opfer?“

Sie schaute zum Brief, es juckte ihr in den Fingern, diesen sofort zu öffnen, aber sie wollte es auf keinem Fall vor Michael machen und noch weniger hatte sie Lust, ihm die Wahrheit zu erzählen oder auch nur einen Teil ihrer Vergangenheit. Entweder liess sie ihn den Fall jetzt abgeben oder erzählte ihm etwas von ihr. Na ja, sie musste ja nicht alles erzählen, ein kleiner Teil genügte, so dass sie seine Fragen beantwortet ohne jedoch unnötige Information weiterzugeben, die ihn ohnehin nichts angingen.

 

„was sollen diese Fragen?“

„Nur so. Deine Akte war gesperrt aber dein Wohnort war im Internet. Wirst du mir nun die Frage beantworten?“

Wieder seufzte sie, schaute vom Brief neben ihr wieder hoch zu ihm, atmete einige Minuten tief ein und aus ehe sie antwortete.

„Also, ja ich habe da gewohnt, Aaron war mein Freund aber wir haben uns getrennt und ja ich habe Marie und Stephan, den Bruder von unserem ersten Opfer, gekannt. Und ich finde nicht dass wir den Fall abgeben sollten, schliesslich ist das unser Fall.“

„Bei dem wir noch nicht weiter gekommen sind. Und irgendjemand sollte Maries Familie informieren.“Helena nickte langsam: „Kann ich morgen übernehmen. Also, war’s das?“

Michael schaute sie lange an, als würde er versuchen, zu ergründen, was sie grade dachte eher er aufstand und sie ihn zur Tür begleitete.Kaum war er weg, ging sie rasch in die Küche und öffnete den Brief.

Eine schwarzer Schwan ist selten aber dennoch vorhandenEr lebte noch! Dieser verdammte Arsch! Wenn sie ihn in die Hände bekam, durfte er sich erst mal etwas anhören, das  war ihr klar. Sie setzte sich auf einen der Hocker und lies die wenigen nochmals und nochmals dann zog sie ihre Jogging Hose ein wenig Hoch und schaute runter auf ihr Tattoo. Es gibt manchmal Dinge im Leben, die ganz unerwartet geschehen. Solche Dinge, wie genau dieser Brief, Dinge wie zum Beispiel einen schwarzen Schwan sehen. Sie schaute nochmals runter auf den Brief, er lebte! Das hätte sie wahrlich nicht gedacht. Sie stand auf, tigerte auf und ab, wie lange der Brief wohl bereits in ihrem Briefkasten lag? Wie gerne würde sie ich sofort sehen. Es war an der Zeit, ihr selbst ein zu gestehen, dass sie ihren damaligen Freund nicht betrogen hatte, weil sie mit jemand anderen ins Bett gegangen ist, oder jemand anderes Lippen geküsst hatte. Sie hatte ihn betrogen, in dem sie ihn jedes Mal angelogen hatte, wenn sie ihm sagte, dass sie ihn liebe, denn das tat sie da schon nicht mehr. Sie hat nicht nur ihn belogen, sondern sich selber, in dem sie sich eingeredet hatte, das sie ihn noch liebe und diese Affäre bald beenden würde, das es nur ein Ausrutscher sei. Ja, sie hatte aus Angst vor der Konfrontation die Augen geschlossen und in einer Lüge gelebt. Sie hatte es aus Angst gemacht, aber das war keine Entschuldigung, und das wusste sie nun ganz bestimmt, deshalb ist damals ist sie vor grade einer Woche abgehauen, aus Angst darüber, was die anderen sagen würden und weil sie keine Lust hatte belästigt zu werden von Miranda.Sie atmete tief ein und aus.Nochmals und nochmals, presste Stephans kurze Nachricht gegen ihren Körper. Sie musste Maries Mutter noch Bescheid geben das ihre Tochter gestorben ist. Das würde nicht einfach werden, das wusste sie. Marie war ihre einzige Tochter, der Bruder war grade im Militär…

Sie griff zum Hörer und wählte die Nummer die sie in und auswendig kannte.

„Hier Theresa Meier?“

„Hallo, hier ist Helena.“

Schlagartig änderte sich Theresas Stimme: „Hallo Helena! Wie geht’s dir denn so?“Helenas Stimme drohte zu ersticken, als sie Theresas fröhliche Stimme hörte. Nein, die arme Frau wusste nichts, noch nicht. Sie ahnte es wahrscheinlich nicht mal, was jetzt los war, doch es war Helenas Pflicht, das sie diese Nachricht von niemand anderem hörte, als von ihr.

„Danke der Nachfrage. Theresa…deine Tochter ist tot.“

Stille und dann ein kurzes lachen.

„Meine Liebe, bis zum ersten April ist es noch weit, las die Scherze…“„Das ist kein Scherz. Sie wurde hier in Berlin bei der Gerichtsmedizin schon untersucht, ich sorge dafür dass du ihre Leiche bald holen kannst. Wir gehen von Mord aus und es wäre schön wenn du zur Befragung herkommen könnten.“

Stille und das nun schon eine ganze lange Weile.

„Wer bitte schön meinst du mit WIR? Du klingst fast wie eine Polizistin.“

„Ich bin eine. Theresa, bitte, komm morgen nach Berlin, ich kann dich auch gerne abholen, wir müssen dich wirklich befragen und wahrscheinlich auch Tom aus dem Militär holen dafür.“Nichts, totenstille am anderen Ende. Ob sie es immer noch für einen Scherz hielt?“„Helena, ich bitte dich. Ich weiss nicht, was das sollte, aber mit so was macht man keine Scherze, ich bin wirklich sehr enttäuscht!“, und damit war die Leitung auch schon tot. Helena stöhnte auf, das hiess dann wohl, dass sie morgen eine dreistündige Fahrt auf sich nehmen konnte, um der Frau das ein Foto vom Leichnam unter die Nase zu halten. Das würde ja wohl ein Spass werden. Sie war müde und noch immer in Trauer, doch nun lenkte sie ihre Arbeit ein wenig ab, und genau deshalb machte sie diesen Job.

 

Als Michael am Morgen ein wenig verspätend im Büro ankam und auf Helenas Platz schaute, war da niemand, und auch keine 30 Minuten danach. Genervt rief er sie an und sie nahm auch ab.

„Helena! Ich dachte, du wolltest heute kommen?“

„Na ja, ich habe dir doch gesagt, dass ich Marias Mutter sagen werde, das ihre Tochter tot ist und da sie mir am Telefon nicht geglaubt hat, bin ich extra ganz früh aufgestanden und bin jetzt auf dem Weg zu ihr. Du weisst, das gehört schliesslich auch zu unserem Job. Ich versuche sie hier her zu bringen für eine Befragung.“

„Na gut, dann sehen wir uns sicher später?“

„Sieht so aus“, antwortete Helena und legte auf.

 

Sie brauchte nicht mehr lange, nur noch 10 Minuten, sie konnte den letzten Abend nicht schlafen also ist sie schon gegen halb sechs losgefahren. Herr Metzger hatte ihr das Foto ihrer toten Freundin auf ihre Anweisungen hin, via MMS geschickt als Beweis für Theresa. Sie hasste diese Autobahn, die sie erst vor paar Tagen gefahren ist, sie hasste es wieder da zu sein, wo sie eigentlich nicht hinwollte, dahin wo sie geboren wurde.Sie schüttelte den Kopf, verliess die Autobahn und fuhr durch die Strassen bis sie vor Theresas Haus angekommen ist und klingelte. Das blaue Haus lag in einem kleine Wohnquartier, hier war Marie mit ihrem Bruder aufgewachsen, sie hatte nur 10-20 Minuten, je nachdem wie schnell man lief, weiter gewohnt mit ihren Eltern, in einer 4-Zimmer Wohnung.Sie klingelte. Eine Stimme erklang, Theresas Stimme die ihr bestätigte, dass sie nicht mehr lange zu warten brauchte, bis jemand aufmachte. „Helena! Willst du dich für deine geschmacklosen Scherz von gestern entschuldigen?“Helena sagte nicht, machte keine Gestik, zeigte kein Lächeln, keine Emotionen. Stumm holte sie ihre Marke hervor und hielt es Theresa unter die Nase, ehe sie ihr das Foto ihrer toten Tochter zeigte. Theresa erkannte sie natürlich sofort, sie schien wie erstarrt zu sein. Erschrocken legte sie sich ihre Hand vor ihren Mund und schaute dann von dem Foto hoch zu Helena und wieder runter ehe sie anfing zu weinen und Helena sie sogleich in den Arm nahm.

Sie konnte Theresas Schmerz gut nachempfinden und am liebsten hätte sie auch gleich wieder angefangen zu weinen doch sie hatte zwei Tage lang immer wieder geweint, es schien ihr, als hätte sie gar keine Tränen mehr übrig, sie konnte gar nicht mehr weinen.

 

Sie hielt Theresa ruhig, während sie sich an ihrer Schulter ausweinte. Sie hielt sie, damit die arme Frau nicht auf den Boden sank. Helena wusste nicht, wie lange sie so dastand mit einer weinenden Mutter in den Armen, aber es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit. Immer wieder tätschelte sie ihren Rücken, sprach jedoch kein Wort. Erst als Theresas Schultern langsam aufhörten zu zittern, dachte sie, dass sie nun endlich was sagen konnte.

„Theresa, kannst du jetzt bitte mitkommen? Oder soll ich dich hier befragen?“

Die kleine, schon ältere Frau, trat einen Schritt zurück und schaute zu Helena, wobei sie ein wenig hoch schauen musste, da Helena sie um eine halben Kopf überragte, wobei auch die blonde Frau nicht besonders gross war.

„Komm doch rein, Helena.“

Die Frau wischte sich die verschmierte, schwarze Tusche weg und ging ins Haus. Das Zimmer war das gleiche wie das letzte Mal vor einem Monat, als sie und Marie zusammen hier waren. Theresa setzte sich auf eines der blauen, alten Sofas. Es war einer dieser Sofas, in die man so richtig rein sank.

„Na dann, kann ich dir etwas anbieten, Helena? Kaffee oder Tee oder sonst irgendwas?“

„Nein danke.“

Die Frau nickte, stand aber auf und ging in die Küche, als sie wieder zurückkam, hatte sie in der einen Hand eine Whisky Flasche und in der anderen ein Glas. Kaum hatte sie sich gesetzt, goss sie sich gleich ein und nahm einen Schluck ehe sie angewidert den Kopfschüttelte. „Also, seit wann bist du Polizistin?“

„Schon seit immer, seit ich arbeite.“

Theresa runzelte die Stirn, die gleiche hohe Stirn, die auch Maria hatte: „Und warum hast du dann immer gesagt das du Bankangestellte bist?“

„Vermutlich, weil ich nicht immer dumme Kommentare hören wollte und von meinem damaligen Freund nicht immer diese Sprüche anhören wollte, wie bescheuert Polizisten sind und sie können sowieso gar nichts und so weiter. Na du weisst schon.“„Warum dein damaliger Freund? Bist du denn nicht mehr mit Aaron zusammen?“

„Nein, ich wohne auch nicht mehr hier. Ich wollte einfach woanders ein neues Leben anfangen und ich wäre dir auch sehr dankbar, wenn du meinen jetzigen Wohnort für dich behalten könntest. Wie auch immer…Also, stört es dich wenn ich das Gespräch aufnehme?“„Für was denn?“„Fürs Protokoll.“Sie nickte und Helena holte ihr Diktiergerät hervor, schaltete es an und legte es auf den Wohnzimmertisch zwischen ihnen.

„Hatte Marie irgendwelche Feinde?“„Du solltest das doch eigentlich besser wissen als ihre beste Freundin.“„Auch mir hat sie nicht alles erzählt.“Theresa schaute sie an, ja Maria kam ganz nach ihrer Mutter, die dunklen Augen, die hohen Wangenknochen und Stirn, die schwarzen Haare…

„Na ja, sie hat auch mir gegenüber nicht von irgendjemanden erwähnt der ihr schaden wollte. Im Geschäft lief alles gut, sie hatte nicht mal ärger mit ihrem Boss.“„Hat sie in der letzten Woche irgendetwas mit dem keltischen Kult am Hut gehabt oder so was?“„Nein, ausser der Typ, der von Haustür zur Haustür geht und irgendwelchen Schmuck verkauft der solche Wikingerverzierungen trägt.“

Helena wurde aufmerksam.

„War er auch schon mal bei dir?“Marias Mutter schüttelte den Kopf: „Deshalb weiss ich ja davon, weil Maria mich danach gefragt hatte.“„Hat sie einen Namen erwähnt?“„Nein.“„Sonst noch irgendwas Wichtiges?“„Nicht das ich wüsste. Wann kann ich die Leiche meiner Tochter holen?“„Wann immer du willst. Sie ist schon hergerichtet aber wenn du willst, kann ich auch ein Unternehmen anrufen, damit du dir die drei Stunden Fahrt sparen kannst, wenn du willst.“„Danke. Ich gib dir dann das Datum wegen der Beerdigung.“Helena nickte, schaltete das Diktiergerät aus und stand aus, drückte Theresa als Abschied und ging zurück zu ihrer Corvette. Sie wusste ganz genau, das Theresa sich nun betrinken würde und trauern genau wie sie es getan hatte. Doch für Theresa war das ganze bestimmt noch schlimmer, denn sie hatte Maria schliesslich aufwachsen sehen und war wirklich von Anfang an dabei. Keine Mutter sollte ihre Kinder begraben müssen.Helena warf einen letzten Blick zum Haus, ehe sie losfuhr in Richtung von Marias zwei Zimmer Wohnung auf dem Weg rief sie Michael an und fragte ob man Marias Handy irgendwo gefunden hatte als dieser bestätigte, wies sie ihn an, das er alle Nachrichten durchlesen sollte. Sie wusste das ihr Handy mit einem billigem Code gesperrt war, der sehr leicht raus zu finden war und sie hatte praktisch alles auf dem Handy, ihr Outlook synchronisierte ihre Termine immer direkt mit ihrem Kalender auf dem Handy und sie löschte praktisch nie eine Nachricht, ausser E-Mails vielleicht.Helena wusste ganz genau, das da sicher auch noch Nachrichten drauf waren, die sie und ihre Freundin ausgetauscht hatten, aber sie wollte jetzt den Mörder ihrer Freundin finden, da war es ihr egal ob man da die Verbindung zwischen ihr und Maria rausfand, denn es würde eh bald ans Licht kommen, vermutlich, so wie die Geschichte mit Stephan.

Sie dachte kurz an sein Lachen und ein Gesicht. Vielleicht würde er sie schon bald besuchen? Ihre Adresse kannte er ja anscheinend ja schon, aber sie waren auch im gleichen Beruf tätig, da war das auch nicht allzu schwer, diese raus zu finden. Sie schüttelte innerlich den Gedanken ab, als sie vor dem Haus hielt, in welchem sich Marias Wohnung befand. Sie parkierte elegant irgendwo am Rande der Strasse zwischen zwei anderen Autos und schaute hoch in den Himmel. Es schien keine Sonne, nicht so wie gestern und die Wolken waren grau, ein eisiger Windhauch lies ihr offenes Haar zerzausen und hinterliess eine Gänsehaut in ihrem Nacken. Sie schaute rüber zum Haus, genau da, wo Marias Schlafzimmer lag. Sie wollte nicht rein, und alles sträubte sich in ihr doch sie musste, also zwang sie sich zu den Briefkästen und holte Marias Hausschlüssel, welcher auf der Seite im Innern des Milchkastens klebte.Sie brauchte nicht lange, bis sie dann kurz darauf in Marias Wohnung eintrat. Es war kühl, aber Helena war sich im Augenblick grade nicht sicher, ob das nun war, weil es hier keine Maria mehr gab oder weil die Heizungen wirklich nicht angestellt wurden. Sie schaute sich um, alles war wie immer.Sie zog sich ein paar Latexhandschuhe über, um nicht ihre eigenen Fingerabdrücke in der ganzen Wohnung zu verteilen. Sie ging vom Gang direkt in Marias Zimmer. Ein einziges Kabuff von Papieren lag auf ihrem ungemachten Bett, dafür war aber ihr Schreibtisch praktisch leer nur zwei eingerahmte Bilder  und eine Lampe waren drauf, neben ein paar Büchern, lagen da auf dem Schreibtisch und natürlich ihr geliebter Laptop. Sie nahm das eine eingerahmte Foto in die Hand und musste schmunzeln. Es zeigte sie beiden, beide hatten das Herz um. Helena konnte sich noch ganz gut erinnern, es war ein Frühlingsmorgen aufgenommen worden als sie beide Ferien am Bodensee machten. Das Foto hatte Aaron aufgenommen, als die beiden grade auf ihn zu rannten, um ihn irgendetwas weg zu nehmen, aber Helena konnte sich nicht mehr erinnern was es genau war.Sie legte das Foto zurück und schaute zum anderen.Maria und ihr Ex, Mathias, witzig das sie das Foto noch immer da stand und noch nicht entsorgt wurde…Es mussten jedenfalls ein paar Techniker her, damit die Wohnung auch richtig untersucht wurde, da Helena im Augenblick das nötige Werkzeug fehlte. Eigentlich war sie hier her gekommen um als erste in den Schubladen ihrer toten Freundin zu schnüffeln, sie fand nicht, das die ganze Welt alles über Maria Meier erfahren mussten, falls hier irgendetwas über ihren Fall publik gemacht werden würde also öffnete sie eine Schublade von diesem alten Holztisch, nach dem anderen.Briefe und lauter Postkarten, sie schaute sich jede Einzel an bis sie welche fand,  von der ihre Freundin ihr nie etwas erzählt hatte. Briefe eines heimlichen Verehrers. Die Briefe wurden nie unterschrieben nur immer mit den Initialen A.B. versehen. Sie runzelte die Stirn und packte sie ein um sie später dem Labor zu geben, vielleicht hat der Typ ja einige Fingerabdrücke hinterlassen…

Schon wieder etwas, mit dem sie nicht gerechnet hätte, das ihre Freundin ihr nicht ganz alles erzählt und vor allem nicht so was. Sie kannten sich wahrscheinlich besser als Schwestern und hatten nie ein Geheimnis vor einander. Na ja, vielleicht hätte es Maria ihr später sagen wollen und ist nicht mehr dazu gekommen….Helena schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. Es kam ihr so vor, als sei einfach alles auf den Kopf gestellt worden. Alles hat mit einem Streit begonnen und nun dachte das Leben, das es einen völlig anderen Strom zu schwimmen hatte, so kam es ihr zumindest vor. Helena schaute sich noch ein wenig um in der düsteren Wohnung doch konnte nichts Interessantes finden also verlies sie sie, nicht jedoch ohne das Bild von Marias Schreibtisch mitgehen zu lassen.Wie gerne hätte er Helena das alles erspart, das ganze Leid und die Trauer. Doch nun war die Zeit gekommen, dass sie endlich erkannte wer sie war und das sie endlich frei war. Wie lange hatte er auf ihren ersten Schritt in Richtung Freiheit gewartet. Er dachte, sie würde es machen, sobald ihre Eltern weg waren, doch das hatte genau das Gegenteil bewirkt, umso mehr hatte sie sich abhängig gemacht von andern. Umso mehr stand sie nicht mehr auf eigenen Füssen, umso mehr lebte sie in dieser Lüge. Er konnte sie damals nicht zum ersten Schritt zwingen, so wie man einem Stein nicht sprechen beibringen kann.Er hatte ihr zugesehen, wie sie von allen um sich rum angelogen wurde, sah zu, wie sie sich selbst anlog und ihre Umwelt nur um eine Welt aufrecht zu halten, die gar nicht existierte. Er hatte damals zu gesehen, wie sie ihre Eltern anlog, da diese nicht wollten, das sie eine Polizistin wurde, sie sahen mehr eine Akademikerin in ihre einzige Tochter. Er hatte gesehen, wie sie ihre ganze Umwelt wegen ihrer Ausbildung anlog, aus einer Mücke wurde ein Elefant. Anfangs waren es nur die Eltern, und danach die Freunde, damit diese Lüge nicht aufflog. Er hatte zugesehen, wie all ihre Freunde ihr immer zu sprachen wie stark und gut sie sei, als ihre Eltern starben doch hatte er dann schnell die bösen Zungen gehört, die eifersüchtig waren und es in den Augen der Leute gesehen, die sich nur an Helenas Leid labten. Doch nun war sie endlich weg, hatte sich zum ersten Mal versucht abnabeln von all denen die ihr eigentlich nichts Gutes wollten und auch beinahe geschafft, aber er musste sie nun einfach mit ihrer Vergangenheit konfrontieren, damit sie selber erkannte, in was für eine Lüge sie gelebt hatte, damit sie selber erkannte, wieso das alles passiert. Er muss die Geister ihrer Vergangenheit nach und nach töten, damit sie endlich endgültig frei war und nicht länger in dieser Lüge leben musste, damit diese Spirale der Lüge und Angst nicht mehr existierte. Er liebte sie zu sehr um sie so zu sehen und es hatte ihn auch damals von Anfang an geschmerzt, von Anfang an als er mit Helenas Vater sprach, dass er es nicht als richtig erachtet das Mädchen in eine Welt zu zwingen, die vielleicht gar nicht die ihre war. Doch sein Bruder hatte wie immer Ausreden und Argumente und tat so als sei es gar nicht so wie es aussehe. Nach dieser Diskussion hatte auch er nicht mehr länger in die Welt von Helenas Vater gepasst und der Kontakt wurde abgebrochen, so dass Helena nichts von ihrem eigenem Onkel wusste. Ja, schon ihr Vater hatte sich selbst und sie angelogen, seine eigenen Lügen geglaubt und starb auch mit ihnen, genau wie ihre Mutter. Doch Helena durfte nicht so enden und im Augenblick war sie auch auf dem besten Weg, den ihrer erster Schritt hat mit der Wahrheit begonnen, ausgelöst durch einen kleinen Fehler der in der Gesellschaft nun mal als sehr hochgewertet wurde. Doch aus seiner Sicht betrachtet, war das eigentlich kein Fehler denn sie begangen hatte, in dem sie ihren damaligen Freund hintergangen hatte, denn so wie er das gesehen hatte, hatte sie ihn wirklich geliebt, auch wenn er anscheinend nicht mehr existierte, da er wahrscheinlich gestorben war und sein Bruder deshalb als Symbolersatz herhalten musste, und sie hat den ersten Schritt in Richtung Wahrheit gewagt. Und wenn man eine Tat nicht bereut, ist es dann wirklich ein Fehler oder lässt man sich das nur von jemand anderem einreden? Ab wann ist ein Fehler denn eigentlich ein Fehler?

7. Der heimliche Verehrer

 

„Na du warst aber lange weg“, begrüsste sie Michale, kaum hatte sie das Büro nach der langen Fahr und einem kleinen Zwischenstopp, um zu essen, betreten. „Fang!“, meinte sie nur und schmiss ihm das Diktiergerät zu.„Hast du eigentlich schon was auf dem Handy entdeckt?“Er schüttelte den Kopf: „Es ist nicht ihres Sondern das von irgendeinem Matty, sie hatte gar keines dabei, wahrscheinlich hat es der Täter mitgenommen oder so, wenn wir es nicht haben.“„Vielleicht. Ich habe der Mutter versprochen, das die Leiche ihrer Tochter zu ihr gefahren ist und ausserdem hab ich sie befragt, aber sie wusste auch nichts. Und in der Wohnung habe ich Briefe eines namenlosen Verehrers gefunden, die habe ich grade, bevor ich gekommen bin, dem Labor abgegeben wegen den Fingerabdrücken…“„Wow! Kaum hier, gibst du ja voll Gas!“Helena zuckte mit gut gespielter Gleichgültigkeit die Schultern lächelte innerlich jedoch über das Kompliment und setzte sich.„Ach übrigens, schick ein paar Techniker rüber in ihr Haus, auch wenn ich nicht denke, das die noch was finden werden. So, und was hast du die letzten paar Tage so gemacht?“„Eins und eins zusammen gezählt.“Er erhob sich von seinem Stuhl und wiedermal viel ihr auf, wie klein sie eigentlich war oder wie gross ihr Partner und was ihr ausserdem noch auffiel, das er gar nicht so schlecht aussah mit seinen vollen Lippen und den braun-blonden Haaren die ihm in die Stirn viel, auch wenn er etwas zu bleich war für ihren Geschmack.Er deutete auf die Tafel, wo sie zusammen das wichtigste aufgehängt hatten um alles grade übersichtlich zu haben und daneben hatte er die Gemeinsamkeiten aufgeschrieben.Helena las sie sich in Ruhe Durch.- Runen- Geburtsort- MörderSie drehte sich zu ihrem Arbeitspartner um: „Das ist nicht besonders viel.“Er zuckte die Schultern und hob dann das Diktiergerät hoch: „Na ja, ich hör mir zuerst mal an was Marias Mutter gesagt hat, wenn es dich nicht stört“„Nur zu“, meinte sie und ergänzte Micheals Liste im Kopf mit ihrem Namen. Sie liess Michael das Diktiergerät abhören und ging in der Zeit runter ins Labor um nach zu schauen, wo ihre Ergebnisse blieben. Sie wusste, dass es wahrscheinlich noch keine Ergebnisse existierten, sonst wäre sie sicher schon längst benachrichtig worden, aber sie hatte keine Lust einfach nur rumzusitzen und Theresas Stimme nochmals zu hören.

Sie schritt im raschen Gang zum Lift der sie gleich runter führte zu den Laboren. Als sie in eines der unteren Stockwerke ankam, schritt sie gleich durch die Gänge zu dem Raum, den sie suchte. „Und habt ihr was?“Ein Mann, etwa in ihrem Alter, oder etwas älter als sie, so Mitte dreissig, wie Helena vermutete, drehte sich zu ihr um und lächelte: „Ja, wir haben ein paar Fingerabdrücke und ich habe sie auch schon durch die Datenbank gehen lassen, liegt aber noch kein Ergebnis vor. Aber warum haben Sie das eigentlich nicht selbst gemacht?“Helena hob überrascht die Augenbrauen: „Ich darf hier die Räumlichkeiten auch mit benutzten?“Der Man nickte: „Natürlich, solange es etwas mit ihrem Fall zu tun hat und sie eine Ahnung davon haben... was sie als Kriminalpolizistin ja auch haben, hoffe ich.“„Danke…“„Kelvin Gom“, antwortete der Mann und reichte ihr die Hand. Sie ergriff sie und lächelte ebenfalls: „Helena Sig. Es ist mir eine Freude.“Kelvin unterbrach sein Zähne zeigendes Lächeln mit einem kurzen Nicken: „Die Freude liegt ganz auf meiner Seite.“Helena musterte ihn, ein schlankes Gesicht, jedoch nicht so knochig, das man gleich die Wangenknochen abzeichnen konnte, wie sie es eigentlich sonst bei den Männern in ihrer Umgebung vorfand. Er war schlank und hatte lange Finger, wie jemand der Piano spielt. Die Nase war etwas länger aber das Lächeln herzlich was auch von seinen blauen Augen und den Lachfältchen um die Augen wiedergespiegelt wurde. „Verzeihen sie mir die Frage, aber sind sie wirklich Deutscher?“„Keine Problem, um ehrlich zu sein, nicht ganz, meine Mutter kommt aus Schottland und ich habe auch eine Weile dort gelebt. Was hat mich verraten?“„Sie sind viel zu höflich“, erwiderte Helena, wobei Kelvin kurz auflachte über ihre Bemerkung. Kelvin war ihr irgendwie auf Anhieb sympathisch mit seinem offenen und doch, höflichem Lächeln. „Seit wann arbeiten Sie den hier? Ausser, als Sie mir so hastig die Arbeit abgeliefert haben, habe ich Sie, glaube ich, und korrigieren Sie mich, falls ich mich irren solle, noch nie hier gesehen.“„Stimmt auch. Ich bin seit erst gut einer Woche hier, auch wenn es mir mittlerweile, schon wie ein Monat vorkommt.“Er runzelte die Stirn, als hätte er ihre Worte erst nicht richtig verstanden, doch keine Sekunde darauf, wurde sie auch schon wieder glatt: „Na ja, in diesem Job, kann das schon mal passieren.“Helena presste als Bestätigung nur ihre Lippen zusammen und wollte grade Luft holen um noch etwas zu sagen, als es hinter Kelvins Rücken eine Maschine, anfing pfeifende Laute von sich zu geben. Der halbe Schotte, drehte sich sogleich um und schaute in den Monitor, kurz darauf erwachte der Drucker, gleich neben dem PC, zum Leben. Kelvin nahm die bedruckten Papiere der Maschine entgegen und reichte sie an Helena. „Die Fingerabdrücke gehören einem Anton….Anton Leif Bucher. Er war schon im System gespeichert, da er schon einmal für drei Jahre gesessen hat.“Helena verschaffte sich ebenfalls einen kurzen Überblick über die Papier, welche ihr gereicht wurden. Das Foto zeigte einen Mann, anfangs dreissig, mit langen blonden Haaren, einem Ziegenbärtchen und grimmigen Blick. Dieser Typ war wohl in seiner Jugend, in der Hafie Metall Phase stecken geblieben, und so einer schriebt gerade ihrer toten Freundin solche, wie Helena fand, nicht mal so schlechte Texte und Heiratsanträge?Sie schaute von den Unterlagen hoch und damit direkt in Kelvins Gesicht, der sich an einen Tisch gelehnt hatte und sie mit verschränkten Armen gemustert hatte, als sie den Blick über die Informationen schweifen lies.„Kennen sie ihn?“„Er kommt…“Da kam ihr ein Verdacht hoch, sie drehte sich auf den Fersen um und verlies hastig den Raum, als sie bemerkte, das sie noch etwas vergessen hatte, also lief sie die paar Schritte Rückwärts, zurück zum Eingang von Kelvins kleinem Reich. „Danke übrigens.“Kelvin winkte nur mit einem amüsierten Schnauben ab und sie beeilte sich zurück zu ihrem eigenen Schreibtisch.

Das Gesicht…Es kam ihr so bekannt vor, und in ihrem Kopf hatte sich auch schon eine Vermutung breit gemacht, sie hoffte jedoch, dass sich diese nun nicht bestätigen würde, auch wenn die Wahrscheinlichkeit wohl eher klein war.Kaum war sie an ihrem Platz, tippte sie den Namen in die interne Suchmaschine ein um keine Minute später hatte sie auch schon die Akte von diesem Anton vor der Nase.Anton Leif Bucher, 31 Jahre. Er wurde damals festgenommen, wegen versuchter Vergewaltigung. Und hatte sonst noch ein paar Jugenddelikte. Helena konnte sich noch mehr oder weniger an den Fall erinnern, auch wenn er schon länger her war, 4 Jahre, der Akte zufolge. Es war ihr ein Vergnügen gewesen, diesem schmierigen Typ die Handschellen anzulegen. Nur das er der heimliche Verehrer ihrer besten Freundin….Das Geschnippe ihres Partners vor der Nase, ries sie aus ihren Gedanken, erschrocken sah sie hoch. „Helena! Schön dass ich jetzt endlich deine Aufmerksamkeit habe!“„Äh ja, was ist Michael?“Er schüttelte den Kopf und lies eine besondere Stelle vom Diktiergerät laufen, welche sie schon beinahe vergessen hatte.Erst erklang Helenas Frage und dann erklang Theresas Stimme: „Du solltest das doch eigentlich besser wissen als ihre beste Freundin.“Kaum war der Satz zu Ende gesprochen, schaltete Michael das Band auch schon wieder aus und schaute Helena verärgert an. „Du weisst schon dass wir den Fall zusammen lösen sollten? Das bedeutet, keine Geheimnisse, vor allem nicht, wenn du die Leute gekannt hast.“„Tut mir ja leid, dass ich dir mein Privatleben nicht grade auf dem Silbertablett serviere. Es ist nicht grade einfach wenn grade deine beste Freundin gestorben ist, aber eigentlich tut das ja auch nichts zur Sache oder.“Das war keine wirkliche Frage, ehe eine Feststellung.Sie erkannte an Michaels Stimme dass er über ihre zynische Bemerkung umso verärgerter wurde: „Doch das tut es! Das bedeutet, dass du mit grösster Wahrscheinlichkeit, deine Objektivität verlierst. Deshalb sollte man ja eigentlich auch nicht an einem Fall arbeiten, den einen persönlich betrifft. Du kennst die Regeln.“Helenas Blick verdüsterte sich: „Las die Objektivität mal meine Sorge sein, und du weisst ja seit gestern das ich die Mordopfer mehr oder weniger kenne und hast den Fall trotzdem nicht abgegeben. Die Frage ist, wirst du es jetzt tun?“Er schaute ihr eine Weile in die Augen, dunkles, warmes blau, doch im Augenblick ging eher eine eiserne Kälte von ihnen aus.„Nein. Aber ich werde es melden, sobald ich auch nur ein wenig merke, dass du nicht mehr objektiv bleibst, ist das klar?“Helena lies unmerklich und erleichtert die Luft aus ihren Lungen entschwinden, die sie dort angespannt für die paar Sekunden fest gehalten hatte und nickte dann. „Gut, also, ich habe hier einen Verdächtigen, zumindest war er es, der Maria diese Briefe geschrieben hatte. Anton Leif Bucher, er hat schon mal gesessen und gut möglich das er es war.“„Welches Motiv sollte er haben? Ich meine, gut, er war der heimliche Verehrer aber warum sollte er dann Alexander umbringen?“„Ich bin mir da noch nicht sicher. Vielleicht als Rache an den Bruder. Deshalb die Rune „Recht“ und die Rune Freundschaft, die in Marias Handgelenk geritzt war, hast du vielleicht falsch übersetzt, denn oft hat eine Rune mehr als nur eine Bedeutung, oft sind es Bedeutungen, die sehr ähnlich sind, wie Freundschaft und Liebe.“„Und du denkst er kennt sich mir Runen aus?“„Sein zweiter Name klingt doch schon sehr nordisch und dieses halbe Tattoo da am Hals? Wir sollten ihn auf jeden Fall befragen.“ „Und was ist mit diesem Matty?“Helena zuckte die Achseln: „Ich bezweifle das das viel bringen wird, aber gut.“Michael nahm sofort das Telefon zur Hand während Helena das Foto des heimlichen Verehrers ihrer Freundin anstarrte. Was war, wenn er nur Rache an ihr nehmen wollte und deshalb auch Alex umgebracht hatte…oder hatte er Maria umgebracht, weil sie ihn abgewiesen hatte und warum hatte Helena nichts davon gewusst?“

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Texte: Diana.Pia
Bildmaterialien: Diana.Pia
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013

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Widmung:
Kämpfe, suche, finde und beuge dich nicht! - Alfred Lord Tennyson Für denjenigen, der sich nur für Geld interessiert, und denkt, das Leben hätte nicht mehr zu bieten.

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