Gemway kauerte zitternd zwischen einigen überfüllten Müllcontainern. Sie kuschelte sich ganz eng an ihre Puppe, Lady Darling, die eigentlich aus nichts Weiteren als einem Plastikkopf und einem Watte gefüllten Körper bestand. Von ihrem Kopf hingen ein Paar zerzauste Fäden weg und das eine Auge, dass sie noch besaß, war ganz schief. „Alles wird wieder gut, Lady Darling! Du brauchst keine Angst zu haben", murmelte Gemway immer wieder leise vor sich hin und wiegte ihr Püppchen dabei liebevoll in den Armen.
„Was sagst du?" Sie drückte ihr verdrecktes Ohr ganz sanft, gegen ihre mundlose Puppe.
„Nein, ich weiß auch nicht wo Curse bleibt.", antwortete Gemway nach einer kurzen Weile. Ihre Stimme verlor langsam an Sicherheit und es sammelten sich widerwillig Tränen in ihren Augen, als sie daran dachte, wo ihr Bruder gerade steckte und ob es ihm gut ging.
Nachdem diese betrunknen Psychopathen mit den Taschenmessern und Basebalschlägern auf die Gruppe losgegangen war, ist Gem einfach los gerannt, wie es Curse ihr befohlen hatte. Der Wind wirbelte einige Blätter durch die Lüfte und es wurde kälter. Zu kalt für ein zerfetztes Kleidchen und einen heruntergekommenen Strumpf, den sie sich zwischen einigen Tonnen zu eigen gemacht hatte. Manchmal wünschte sich Gemway einfach nur, wieder Zuhause zu sein.
Dort, wo sie zu Essen hatten und es Wände gab, die die Kälte wett machten. Dort, wo Jeder sein eigenes Bett hatte und man sich Abends nicht darüber Gedanken machen musste, wo man als Nächstes übernachten würde. Doch dann würde dieses ganze Theater wieder von vorne anfangen. Vater würde seine Wutausbrüche und all seinen Hass nicht unter Kontrolle bringen. Wahrscheinlich hatte er seine beiden Kinder schon längst vergessen. „Ich hab nämlich Mami umgebracht, weißt du. Da war ich noch ganz klein. Als ich geboren wurde.", begann Gem ihrer Lady Darling zu erzählen. Sie war eine gute Zuhörerin. „Das hat Papi gesagt.“, grummelte sie in den rauen Stoff ihrer Freundin. „Und deswegen bin ich nicht lieb.“ Sie schloss die Augen und dachte an damals: „OK, Kleines.Wir müssen uns neue Namen geben.“, hatte ihr Curse gesagt und sie bei der Hand gefasst. „Und wir können nie mehr zurück.“
Passion lief die Straße entlang. Gemway war nicht mehr da. Eben, bevor die Psychos sie angegriffen hatten und Alle weggelaufen, sich aber wieder gefunden hatten, war sie noch da gewesen. Pass lugte hinter die Bank, auf der sie neulich einmal geschlafen hatte. Fehlanzeige. Sie joggte langsam und immer noch mit suchendem Blick in den Augen zurück zum derzeitigen Lager. "Gem ist weg.", murmelte sie mit gesenktem Kopf. Der Asphalt Tribe - ihre Gang - schaute bedrückt zu Boden. Das könnten sie niemals Curse erklären. Curse war ihr Anführer, Gemway's älterer Bruder und ihre Bezugsperson. Fehlte er, Fehlte sie. Auch, wenn sie gerade nicht zusammen waren.
Auf einmal ertönte ein leises Schluchzen von den Mülltonnen her, die in der Nähe ihrer Schlafbänke standen. "Gem.. Gemway?", fragte Passion vorsichtig in die Richtung, von der sie dachte die Geräusche vernommen zu haben. Es raschelte und ein junges Mädchen mit verwuschelten, langen, dunklen Haaren und etwas verschmutzem Gesicht tauchte zwischen dem ganzen Abfall auf. Ein Lächeln fiel über Passion's Gesicht. „Da bist du ja! Wir haben Alles nach dir abgesucht! Curse sucht immernoch! Wieso hast du denn nichts gesagt?", fragte sie erleichtert und enttäuscht zugleich. Warum mussten sie denn alles durchsuchen, wenn Gemway sich die ganze Zeit, nichts ahnend, in ihrem alten Lager versteckt hatte?
Die Kleine Gem begann nur sehr zaghaft zu sprechen. „Ich wollte doch, aber ich war mir nicht sicher ob diese verrückten Menschen noch da sind und Lady Darling hatte solche Angst...", schniefte sie etwas beschämt. Sie drückte ihre alte Puppe fest an ihre Brust und blickte mit großen Augen zu Passion hoch. „Wo iss‘n Curse?" Sie blickte sie sich ängstlich nach ihrem Bruder um. Aber jetzt wo Pass und der Rest der Straßengang bei ihr waren, würde sicher wieder alles gut werden.
In diesem Moment kam Curse um den halb kaputten Zaun gesaust. Als er seine jüngere Schwester erblickte atmete er erleichtert einen Stoß Luft aus und trieb seine Beine noch schneller an, bis er schließlich direkt vor ihr stand und in die Hocke ging, um ihr in ihre haselnuss braunen Augen sehen zu können.
„Da bist du ja, Kleines." Curse beugte sich grinsend zu Gemway hinunter. „Hast wohl einen kleinen Spaziergang gemacht, was? Geht‘s dir gut?" Gem nickte heftig und umarmte fröhlich ihren Bruder. „Ich hatte richtig Muffelsausen.", gab sie kleinlaut zu.
Passion lächelte. Dann setzte sie sich auf eine Bank. ‚Was sollen wir bloß machen? Wir müssten bald wieder essen. Aber wir haben überhaupt kein Geld, und wieder betteln gehen will ich lieber nicht‘
, dachte sie trübsinnig. „Curse?! Wir... müssen mal ein paar Mäuse auftreiben.", murmelte sie an ihren Anführer gerichtet. Dieser runzelte die Stirn. "Gut, Leute.", meinte er an Alle. „Wir brauchen Geld. Irgendwelche Vorschläge?" Die klägliche Gruppe tuschelte durcheinander. „Betteln?", wurde von einem stemmigen Jungen, Keyblade, vorgeschlagen. "Äh, dealen?" - "und mit was? Wir haben doch Nichts!" - "Wir könnten... ein Klamottenstück verkaufen?" Alles würde nichts bringen!
Passion fasste sich an ihren Bauch. Sie begann, langsam aber deutlich, abzumagern. Das war sie gewöhnt. Wenn sie bald etwas zu Essen bekam, würde es ihr vielleicht für die nächsten Tage besser gehen. ‚Ich könnte doch wieder Autorennen...‘
, blitzte es ihr plötzlich durch den Kopf. „Leute, ich hab was. Ich bin gleich wieder da.", meinte sie nervös, stand auf, und kletterte elegant über die Plastikmauer, die ihr Lager umgab. Curse zog eine Augenbraue hoch und blickte Pass erwartungsvoll hinterher.
In der Zwischenzeit kletterte Gemway auf eine morsche Parkbank und wiegte Lady Darling in den Schlaf. Ganz langsam wurde es finster draußen und bittere Kälte machte sie breit. „Hörst du? Passion hat eine Idee wie wir zu Geld kommen können. Bald gibt es wieder etwas zu essen! Du brauchst nicht traurig zu sein. Ich hab' ja auch hunger.", flüsterte sie ihr ins Ohr.
Curse ließ sich neben seiner Schwester nieder.
„Na? Wie geht es Lady D denn?" Gem grinste breit. Ihr gefiehl es, wenn Curse ihre Puppe so nannte. „Sie sagt, sie hat Bauchschmerzen... und ich auch". - „Keine Sorge, bald treiben wir was Leckeres auf. Versprochen." Gem ließ nicht locker. „Curse? Und was ist wenn es nicht klappt und wir verhungern müssen?" Sie blickte ihm ausdrucklos in seine grellgrünen Augen. Er sagte nichts darauf, sondern gab ihr stattdessen einen zarten Kuss aufs Haar. ‚Gute Frage, kleine Schwester. Leider kann ich sie dir nicht beantworten.‘
, dachte Curse lautlos. Keyblade kauerte neben Curse an die Bank gelehnt. Sein Atem roch einfach traumhaft, trotz der „Umstände"“. Keyblade konnte den Blick einfach nicht von ihm abwenden. Er war betört von Curse‘ Art und wie liebevoll er mit Gem umging.
Endlich kam Passion wieder von der Mauer gesprungen. Sie landete gerade wie eine Eins auf dem Asphalt und strich sich eine lockige, blonde Strähne aus dem Gesicht. ‚Morgen, alte Plüschtierfabrik, wenn die Sonne untergeht.‘
, dachte sie, und setzte sich dann zu den Anderen. „Leute, .. ich fahre wieder.", verkündete sie entschlossen. Curse schaute sie verwirrt an. „Wie.. wieso, Pass?! Du wolltest doch damit aufhören, es ist vie zu gefährlich und du könntest abgezockt werden.", bemängelte er kritisch ihre Idee.
Pass biss sich auf ihre Unterlippe und grummelte dann: „Curse, wir brauchen Geld, um zu überleben. Und für meine Familie tue ich alles." Dann richtete sie sich auf, und schlug die schmalen Beine übereinander. "Außerdem ist doch Leonardo da." Leonardo hatte sie vor circa einem Jahr kennengelernt. Bevor sie Curse und Gemway getroffen hatte. Leo war so etwas wie ihr größerer Bruder geworden, den sie nie hatte. Er hatte ihr das Autofahren beigebracht und war mit ihr schon illegale Straßenrennen gefahren. Sie war damals eine heißbegehrte Attraktion gewesen: ‚Die Kleine mit dem Highspeed.'
Bei dem Gedanken daran musste sie grinsen. Aber einmal war sie gefahren und hatte sich in einer Kurve beim Aufprall den Kopf blutig geschlagen. Es wurde notdürftig genäht und sie spürte es kaum noch. Abgesehen von den Kopfschmerzen, die sie hin - und wieder mal hatte. Ihre gelockten, langen Haare bedeckten die Narbe außerdem gut. Und sehen konnte sie sie auch nur in Schaufenstern.
Curse unterbrach ihre Überlegungen. „Gut, aber wir kommen mit. Ich möchte nicht...", begann er und sah seine Schwester an, "schon wieder Jemanden verlieren."
Passion nickte.
Keyblade blickte Curse an und versuchte mit ins Gespräch kommen: "Und nun? Wir können doch nicht einfach hier bleiben und darauf warten, dass ein Wunder geschieht!" Keyblade stand auf, schritt schnell die Straße entlang und sah einen kleinen Obststand. Die Versuchung zu stehlen war groß, sehr groß. Der Stand war nicht einmal besetzt, nach längerem Überlegen schnappte sich Keyblade ein paar Äpfel und meinte unentdekt zu bleiben. Doch gerade als er die Beute einstecken wollte krächzte eine alte Dame: "Halt! Du hast das noch nicht bezahlt!" Keyblade stöhnte, tolle Situation. Wenn er Glück hatte, könnte er die Oma entweder irgendwie beruhigen ohne das irgendein Passant ihn bemerkte. Wenn er Pech hatte, würde es sich wahrscheinlich herausstellen, dass die Alte eine Meisterin im Kung-fu war. Keyblade forderte lieber das Glück heraus, er sprach mit ganz ruhiger Stimme: "Nein, nein, ehrwürdige Frau. Ich habe diese Äpfel schon vorher bezahlt, wollen sie vielleicht Einen?" die Frau blickte ihn skeptisch an, erst jetzt bemerkte Keyblade den Polizeistern auf ihrer Weste. Jetzt konnte er nur noch laufen, schnell laufen. Er rannte so schnell ihn seine Beine trugen. Die Oma hatte ein ganz schönes Tempo drauf. Wieder kam Keyblade bei Curse und Gemway an. Curse hatte ein enttäuschten Gesichtsausdruck. Das würde ihn ganz bestimmt nicht anturnen. Keyblade blickte in der nächsten Straße hinter sich. Die Gesetzeshüterin schien weg zu sein. Erleichtert ließ sich das Straßenkind auf einer schmutzigen Plastikplane nieder.
Nach endloser Stille rappelte sich Curse schließlich seufzend auf und blickte seine Freunde an. „Wer kommt mit mir zum Supermarkt?"
„Wie? Supermarkt? Wir haben nicht mal Geld.", behauptete Passion irritiert und verschränkte die Arme vor der Brust. Curse lachte auf, als hätte er vorraus gesehen, dass sie das sagen würde. „Und genau deswegen möchte ich dort hin! Also folgt mir nun Jemand oder nicht?"
Passion zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe zwar keinen blassen Schimmer was du schon wieder vor hast. Aber es wird wahrscheinlich immer noch besser sein, als hier zu bleiben und auf das Nichts zu warten. Können wir uns mit dem Geld, dass wir uns hoffentlich verdienen werden, Aspirin oder sowas kaufen? Mein Kopf bringt mich sonst um." - „Klar doch, Passion. Wir kaufen wir aaaaaalles was du willst! " grinste Curse bübisch. Dann wandte er sich zu Keyblade. „Passt du in der Zwischenzeit auf Gemway auf?" Keyblade nickte. "Ja, mach ich. Aber wenn es Nacht wird seid ihr doch wieder da, oder? " - „Natürlich!", versicherte Passion ihm. „Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir zurück." - „Aber nicht ohne Kohle." ,bestätigte Curse und lächelte ermutigend. Mit diesen Worten machten sich die Beiden auf den Weg zum Supermarkt, der sich etwa zwanzig Minuten vom derzeitigen Lagerplatzt befand. Als sie ankamen, machten die beiden einen großen Bogen um das eigentliche Gebäude bis zu den Abfalltonnen, die sich dahinter angesammelt hatten. Curse machte sich eifrig daran den Müll zu durchwühlen. „Was machst du da?" ,fragte Passion verwirrt. „Ich dachte wir wollten dem Supermarkt einen Besuch abstatten" - „Tun wir doch." ,gab Curse zurück ohne mit seinem Tun aufzuhören. „Ich hab schließlich gesagt, dass wir ZUM Supermarkt gehen, nicht HINEIN." Pass verdrehte die Augen.
„Und was suchst du nun?" Er zuckte leichthin mit den Schultern, ehe er antwortete. „Weiß ich nicht. Vielleicht etwas, dass wir brauchen könnten... Oh, guck mal, hier!" In der Hand hielt er ein Blatt Papier, dass auf der einen Seite schon bedruckt war. Dann war da noch ein stumpfer Buntstift, dessen Ende von irgendjemanden abgenagt worden ist, und ein Taschenmesser, dass er sich gleich in die Hosentasche steckte. ‚Kann man immer gebrauchen, wenn man von so zugelaufenen Vollpfosten attackiert wird.'
Passion runzelte bloß die Stirn und lehnte sich stumm gegen die Tonne, während Curse anfing auf dem Papier herum zu kritzeln. Als er damit fertig war, zeigte er Passion stolz sein kleines Werk. „Geld für ... Mariyuana?!" las sie, bevor sie laut loslachte. „Das ist nicht dein ernst oder? Hast du zu viel Uhu-Kleber geschnüffelt, Curse? Dafür werden dir die Leute nie und nimmer Geld geben. Die werden höchsten die Bullen rufen und dann können wir vergessen, dass - " Curse unterbrach sie mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. „Wir werden sehen."
Mit dem neu angefertigten ‚Geld für Mariyuna‘
-Schildchen stellten sich die beiden vor die Stadtbank, die direkt gegenüber vom Supermarkt lag und warteten darauf das etwas geschah. Ein Großteil der Leute, die vorbei kamen starrten sie nur fassungslos an und suchten schnell das Weite. Es dauerte eine Weile, bis schließlich eine junge Frau, die die Bank gerade verlassen hatte, direkt auf die Beiden zukam. Sie hatte ihr aschblondes Haar zu einem kleinen Zopf hochgebunden und trug einen ziemlich teuer aussehenden Blazer. „Das ist aber keine besonders hilfreiche Methode, um an das Geld anderer Leute zu kommen. Findest du nicht?" Die Frau klang ehrlich und schien auch keine Angst davor zu haben, dass irgendwelche Straßenkinder plötzlich auf sie losgehen würden. „Achja?" ,gab Curse selbstsicher zurück.
„Wenn ich geschrieben hätte: ‚Geld für Essen und Kleidung‘
würden sie mir doch noch weniger Glauben schenken als sonst. Oder nicht?“ - „Aber du hättest es wenigstens RICHTIG schreiben können.“ ,betonte die Frau.
„Richtig schreiben wozu? Sind sie meine Lehrerin?“
„Nein, aber so nimmt dich doch Niemand ernst. Hör zu, Junge. Ich möchte dir nur helfen. Du musst nicht um Geld betteln. Hast du denn keine Ausbildung?“ - „Möglich das ich eine Ausbildung habe. Vielleicht aber auch nicht. Ich wüsste nicht, was sie das interessiert. Wenn sie mir wirklich helfen möchten, dann - .“ Er brach mitten im Satz ab und tippte mit seinen rußverschmutzten Fingern auf das Stück Papier. Die Frau ließ nicht nach. ‚Verdammt, sowas Hartnäckiges aber auch!‘
„Aber du bist doch noch so jung. Bestimmt nicht älter als 16. Möchtest du wirklich nicht darüber nachdenken dieses Straßenleben einfach hinzuschmeißen und neu anzufangen? Du kannst noch so viel aus dir machen!“
„Verdammt, vielleicht will ich das aber nicht!“ ,schnauzte Curse gereizt, klang danach aber wieder ruhiger. „Ich leben gerne so. Frei von allen Pflichten. Von all dem Stress. Mein Leben ist abwechslungsreich! Ich komme nicht jeden Tag Nachhause, esse, mache brav Hausaufgaben und geh schlafen. Ich bin nicht einer von diesen Robotern, derren Leben keinen Sinn hat. Ihr tut doch alle nur das Selbe! Das will ich nun einmal nicht. Und ich würde meine letzten Socken darauf verwetten, dass sie etwas Besseres zutun haben, als hier mit einem Straßenkind darüber zu diskutieren, wessen Lebenseinstellung die Richtige ist!
„Warte!“ , forderte die Frau, ehe Curse sich wegdrehen konnte. Sie griff in ihre kleine, schwarze Handtasche und angelte ein Portmonee hervor, dass mit witzigen grünen und roten Punkten bestickt war. Passion sah erstaunt zu, wie sie einen Fünfdollarschein herauszog und ihn bereitwillig zu Curse streckte. „Es ist deine eigenen Entscheidung was du damit anstellt. Ob für Drogen oder Essen. Du solltst nur darüber nachdenken, was ich dir gerade eben gesagt habe. So musst du nicht leben! Du kannst es ändern. Jederzeit. Okay?" Curse nickte nur und wartete darauf, dass die Dame ihm das Geld in die Hand drückte. Dann verschwand sie. Genauso schnell, wie sie auch erschienen war.
„Und, was sagst du dazu, Pass?“ ,Curse hielt stolz seine Fünf Dollar in die Höhe und wackelte dabei mit den Augenbrauen. „Möchtest du wissen was der Trick an dem Schild ist?“ Er lächelte Passion breit an. „Ich höre.“ ,drängte sie und wartete darauf, dass er weiter sprach. „Das ich Marihuana absichtlich falsch geschrieben habe. So bekommen diese Oberschlauen Mitleid, weil die Straßenkinder so eine armselige Schulausbildung abkriegen.“
Passion grinste nur und schüttelte den Kopf. Ihre Locken wippten verspielt hin - und her. „Wie du das bloß immer schaffst.“ ,murmelte sie. Curse zuckte mit den Schultern, als wäre es keine große Sache gewesen. „Aber für richtiges Essen oder so reicht das immer noch nicht.“ ,meinte er. Pass nickte zustimmend. „Was jetzt? Mit dem Schild erreich wir wohl kaum $50.“ ,bedauerte sie und hoffte dabei inständig, dass Curse noch einen Plan B parat hatte. Er runzelte nachdenlich die Stirn. „Glaub‘ ich auch. Aber wir könnten uns ein neues Schild herstellen.“ - „Und mit was drauf?“, lachte Passion. „Diesesmal ‘Wir brauchen Koks‘?“
„Ne, vielleicht könnten wir uns irgendwie Musikinstrumente zusammen basteln? Und dann auf das Schild schreiben, dass wir uns eine richtige Gitarre kaufen wollen.“ - „Da könnten Gemway und ich auch direkt auf der Straße tanzen“, sagte Passion kopfschüttelnd. „Gute Idee!“, kicherte Curse, „oder wir gehen von Haus zu Haus und singen Weihnachtslieder.“ -
„Weihnachten... Ach stimmt, das ist ja bald.“, fügte sie hinzu. Curse nickte. „Wann haben wir das letzte mal Weihnachten gefeiert?“, fragte er sich. „Warte kurz. Wir könnten: ‚Wir sammeln Geld für Weihnachtsgeschenke‘ draufschreiben. Oder du tust so, als wärest du schon Mutter und möchtest deinen Kindern ein schönes Weihnachtsfest ermöglichen."
Passion biss sich auf die Lippe. „Meinste denn, das kaufen die uns ab? Dann müssten wir schon Gemway holen. Aber dafür ist sie wieder zu alt, oder?"
"Keine Sorge, dass klappt. Und jetzt zurück zum Lager, damit wir nach Verkleidungen für euch suchen können."
Mit ihren neuen Ideen trotteten die beiden, durch den Schnee stapfend Richtung "Hause". Nach einigen Schritten, waren die beiden an dem Maschendrahtzaun angelangt. Die blaue Plastikplane, auf der anderen Seite, die soetwas wie das 'Dach' des Asphalt Tribes sein sollte, war kaum zu übersehen.Curse entdeckte ein Loch in dem Zaun und die beiden krochen durch.Ein Hund bellte und Keyblade bog eine Ecke der Plane zurück.
„Curse! ", lächelte er erfreut darüber, dass sie schon so schnell wieder zurück waren.
„Da seid ihr ja wieder!"
„Hinreißendes Hotel, Keyblade!“, grinste Passion und setze sich unter das undichte ‚Dach', weil es langsam wieder anfing zu schneien. Gemway saß eng in Zeitungspapier gewickelt da.
Sie presste ihre zerzauste Puppe dicht an ihre Brust und schnarchte ganz leise vor sich hin. Ihr Gesicht war ganz blass, aber ruhig und entspannt. Als Keyblade fragte, ob die beiden denn Geld verdient hätten, begann Pass ihm aufgeregt von dem Schild und von der Weihnachts-Idee zu erzählen.
„Das wird ein Spaß!", grinste Keyblade erfreut und seine Augen strahlten voller Hoffnung.
„Ich will ja eure kleine Konversation ungerne unterbrechen. Aber wo zum Teufel kommt dieser Hund her?“, fragte Curse, als der jungen, zotteligen Spanielwelpe anfing an seiner schmutzigen Hose zu zerren. Keyblade zuckte mit den Schultern. „Den haben Gem und ich vor einer halben Stunde im Park gefunden, als wir betteln waren. Armes kleines, ausgehungertes Hündchen. Wurde einfach von Herrchen und Frauchen ausgesetzt. Schlimm sowas... " - „Uns geht es doch auch nicht besser! " In Passion's Stimme lag ein Hauch von Vorwurf. „Gemway wollte ihn unbedingt behalten!" verteidigte Keyblade sich. „Wir können uns nicht noch einen hungrigen Magen leisten, der gefüttert werden muss." - „Das habe ich Gem auch gesagt. Da hat sie angefangen zu weinen. Und ihr wisst doch, dass ich schnell weich werde, wenn es um echte Tränen geht ..." - „Habt ihr beim Betteln wenigstens Geld verdient?“, fragte Passion interessiert. Keyblade öffnete die Hand, in der sich ein 5$ Schein befand. „Und was machen wir jetzt mit dem Hund? " Man merkte sofort, dass Keyblade ihn lieb gewonnen hatte. Curse fuhr dem hechelndem Welpen durch's Fell. Er blickte ihn mit großen, unschuldigen Augen an. „Hat er denn einen Namen?"
Da ertönte plötzlich die leise, piepsige Stimme von Gemway aus dem Zeitungshaufen. „Bug." Curse seufzte. Dann tätschelte er den abgemagerten Hund erneut. „Na dann, willkommen im Asphalt Tribe, Bug."
Am nächsten Tag kam die Sonne wenigstens etwas heraus. Die Leute liefen in Pullovern oder offenen Jacken herum. „Ach, geradezu ein perfekter Tag, um ein bisschen Ect.asy zu verkaufen.", erklärte Curse und streckte sich. „Soll ich mitkommen?“, schlug Keyblade vor, der schon Anstallten machte auf zustehen. „Ne, ist nicht notwendig. Ich bin so schnell wie Möglich wieder zurück." Keyblade zog schmollend die Unterlippe vor.
„Hey, Gemway und Passion brauchen dich doch für ihren großen Auftritt später. Du musst ihnen unbedingt beim 'Umstyling‘ helfen, damit die beiden auch wirklich wie Mutter und Tochter aussehen.“, sagte Curse. Das hellte Keyblade‘s Mine etwas auf. „Na schön. Ich werde mir Gem und Passion hier bleiben.“ - „Alles klar.“, grinste Curse. „Dann sehen wir uns in ein paar Stunden wieder.“ Er drehte sich zu dem aufgeweckten Bug um. „Na Bug? Möchtest du mich vielleicht begleiten? Ich glaube es macht einen ganz guten Eindruck, wenn ich so eine gefährliche Kampfmaschine wie dich dabei habe. Für alle Fälle.“ Sofort begann der Hund heftig mit seinem Schwanz zu wedel. Und mit einem lauten Jaulen stimmte er schließich zu.Curse beugte sich zu ihm hinüber und nahm das andere Ende des Seil's fest in die Hand. „Pass auf, dass er dir nicht wegläuft!“, lächelte Passion, die mit angezogenen Beinen an dem Zaun lehnte. „Sonst verprügelt dich noch Gemway!"
„Ich werde so vorsichtig wie nur möglich sein!", versprach Curse lachend. Dann verschwand er mit Bug an der Leine zwischen ein paar Bäumen. Keyblade klatschte in die Hände und rappelte sich auf. „Dann wollen wir mal... "
„Woher bekommen wir Kleidung und Schminke?" fragte Gem, aus ihrer Ecke. Keyblade zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, Süße. Wir könnten in ein paar Containern suchen. Oder betteln!" - „Könnten wir vorher mit dem Geld, dass ihr gestern beim schnorren erworben habt, Tabletten für meinen Kopf kaufen? Ich hab schon wieder solche Schmerzen.“, bat Passion ohne die beiden dabei anzusehen. „Aber natürlich!" Keyblade's Augen weiteten sich. „Schaffst du es alleine bis zur Apotheke?", fragte er hoffnungsvoll.
Passion nickte und stand auf. „Ja... ja, ich denke schon. Ihr könnt schon einmal zum Stoneline Place gehen und die Tonnen dort durchsuchen. Vielleicht findet ihr was. Ich komme dann nach." - „In Ordnung! Sei aber vorsichtig!" Keyblade reichte ihr das Geld, dass schon ein bisschen zerknittert war. „Keine Sorge, ich weiß was ich tue."
Mit diesen Worten wandte sich auch Passion ab. Sie überquerte die unbefahrene Straße und war schon bald nicht mehr zu sehen. Unterwegs wurden die Kopfschmerzen jedoch immer schlimmer. Es fühlte sich so an, als würde Jemand immerzu dagegen hämmern. Als sie es nicht mehr ausshielt, beschloss sie eine kurze Pause einzulegen. Sie ließ sich schnaufend auf einer Bank nieder und atmete tief ein. Die schwachen Sonnenstrahlen die auf ihrer Haut kitzelten taten gut und schon bald waren die Schmerzen wieder einigermaßen erträglich. Gerade wollte sie aufstehen um ihren Weg fortzusetzen, da wurde sie von hinten, am Oberarm gepackt und kopfüber von der Bank geschleudert. Benommen versuchte sie sich wieder aufzurappeln und ihrem Gegner ins Gesicht zu blicken. Der packte sie aber gewalltsam an den Haaren und riss sie erneut zu Boden. Dann zog er sie wieder hoch, sodass Passion ihm nun endlich in die Augen sehen konnte.
Es war ein großer, gut gebauter, muskulöser Mann. Behaartes Gesicht, kranke gelbe Augen und ein übler Mundgerucht. Ohne Frage, er war angetrunken. „Na Süße? Verlaufen?", fragte er herausfordernd. Passion nutze den Augenblick. Sie holte tief schwung und trat dem Typen so fest sie nur konnte zwischen die Beine. Das reichte um ihn für einige Minuten außer gefecht zu setzen. Er bracht mit einem schmerzverzehrtem Schrei zusammen. Rasch stand Passion auf und rannte so schnell sie nur konnte davon.
„Mistkerl, Schweinehund, Wichser ... "Passion zuckte von der erzürnten Stimme, die ganz aus der Nähe kam, zusammen. Ihr war klar, dass mit 'Mistkerl' nicht sie gemeint war.
Aber der verzweifelte Klang in dieser fremden Stimme, ließ sie inne halten. Neben ihr, in einer Gasse saß ein verschmutztes Mädchen, etwa in ihrem Alter. Sie hatte langes, blondes, zerzaustes Haar mit einigen Kirschfarbenen Strähnchen, trug einen knappen, roten Rock, darunter eine Netzstrumpfhose, die mehrere Löcher hatte und eine Lederjacke. Ihr Make Up war ganz verschmiert und ihr Gesicht war genauso dreckig, wie das von Pass. Es sah aus, als hätte das Mädchen geweint. Langsam erhob sie den Blick und lächelte Passion mit ihren kristallblauen Augen nur ganz schwach zu. In diesem Moment schlang Jemand von hinten seine Arme um Passion. Es war der gestörte Mann, dem sie vor ein paar Minuten noch in die Eier getreten hatte. „Hände weg, sie Penner!“, schrie Passion laut. In diesem Moment sackte der betrunkene Mann in sich zusammen. Aber nicht, weil Passion ihn 'Penner' gennant hatte, sondern weil das blondhaarige Mädchen aus der Gasse ihm geräuschvoll eine Flasche rübergebraten hatte.
„Mistkerl, Schweinehund, Wichser!" widerholte sie sich und blickte zu dem bewusstlosen Typen hinunter. Dann lehnte sie sich erschöpft gegen die Mauer und ließ sich an ihr herunter gleiten. Bestimmt hatte der Verrückte sie auch verfolgt.
Passion tat das selbe an der Wand gegenüber. Es war sehr lange ruhig. Dann fragte Passion schließlich, als sie die Stille nicht mehr aushielt: „Auch von Zuhause abgehauen?" Das Mädchen sah sie an und zog eine Augenbraue hoch. „Seh‘ ich etwa so aus?" - „Ganz ehrlich? Ja!" Die Blondine grinste breit. Ihr Atem roch nach Bier und anderen alkoholischen Getränken. Aber sie war eindeutig nicht betrunken. „Das Gleiche kann ich nur zurückgeben."
„Und was hast du jetzt vor?" Passion legte den Kopf leicht schief und wartete auf eine Antwort. Das Straßenmädchen zuckte nur mit den Schultern. Es biss nervös auf ihren Lippen herum, als müsste sie die Worte, die aus ihrem Mund kamen unterdrücken: „Hast du...Geld?“
Bei der Frage erinnerte sich Passion wieder daran, warum sie eigentlich hier vorbei gekommen war. „5 Dollar.", gab sie offen zurück. „Aber ich brauche es selbst um mir Medizin zu kaufen!", fügte sie schnell hinzu. „Wozu bräuchtest du denn das Geld?"
„Ich bin 'ne verschmutzte Straßengöre. Ich brauche IMMER Geld!", lächelte das Mädchen.
„Was brauchst du denn für ein Medikament?" Passion spitzte die Lippen. „Keine Ahnung. Irgendwas wie Aspirin oder so."
„Das kostet höchstens 3$. Bleiben noch 2 ..."
Langsam wurde Passion mistrauisch. „Worauf willst du hinaus?"
Das Mädchen stand auf. „Hör zu, du gibst mir die 2 übrigen Dollar und dafür kriegst du was auch immer du willst." Darüber dachte Passion nach. „Hast du Make Up?“ Sie zeigte auf das verschmierte Gesicht des Straßenmädchens. Dieses nickte grinsend. „Von Eyeliner bishin Lippenstift! " - „Gib mir deinen Lippenstift und wir sind im Geschäft!"
Passion reckte ihr die Hand hin. Das Make Up könnte sie gut für ihren 'Auftritt' mit Gemway gebrauchen. „Deal? " fragte sie eifrig. „Wenn du mich über's Ohr ziehst belebe ich den Mistkerl-Schweinehund-Wichser wieder“ Sie machte eine Kopfbewegung zu dem Bewusstlosen, „und sage ihm, dass DU ihm die Flasche an die Birne geschlagen hast!", grinste die Blondine und drückte ihr die Hand. „Keine Sorge! Das Risiko gehe ich sicher nicht ein." lachte Passion. „Wie heißt du eigentlich?" Das junge Mädchen strich sich eine violett-rote Strähne aus dem Gesicht. „Arrow."
„Passion."
Die beiden lächelten sich noch eine Weile an, dann standen sie auf und machten sich
gemeinsam auf dem Weg zur Apotheke.
Texte: Marina, Kenza, Palina, Celia | Idee und Inspiration by Morton Rhue
Bildmaterialien: Favim.com, Bearbeitung: Marina
Lektorat: Marina
Tag der Veröffentlichung: 17.08.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für die, die uns nie aufgegeben haben.