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Prophezeiung


Es ist schon eine ganze Weile her und entgegen der Prophezeiung meines Sohnes lebe ich immer noch.
Was mich persönlich sehr freut.

Es war in der Zeit als Kinder erziehen ein Kinderspiel war, nur wusste ich es noch nicht.
Der Bengel war aus dem Gröbsten raus und noch nicht in der Schule.

Man, das war herrlich einfach, unkompliziert, Mama Wundergirl und Papa Superman.
Für jedes Problem gab es eine Lösung, bis zu diesem Tag.

Als ich begriff, dass unser Ansehen in den Augen unseres Sprösslings zu bröckeln begann.

 

***


Wütend ging die Türglocke, irgendjemand hatte beschlossen, wie wild auf den Knopf zu drücken. Als ich öffnete,stand der Prinz und ganze Stolz des Hauses aufgebracht und mit hochrotem Gesicht vor der Tür.

 
Der gerade mal ein Meter große Hüftschnüffler schnaubte aus, drängelte sich an mir vorbei, zerrte sich seine Gummistiefel von den Füßen und warf sie, gegen seine Gewohnheit, mit voller Wucht an die Wand.

Aus dem sonst so höflichen Munde kamen Flüche, die ich noch nie von ihm gehört hatte. „Blöde Weiber“,
„Dämlich Tussis „, „Zimtzicken“: Erstaunt, dass er die Worte überhaupt kannte, fragte ich ihn, bei wem er denn so ein Zeug gehört hatte.

Seine Antwort: „Kevins Bruder.“ Okay, dieser war bereits zwölf und Kevin ein Nachzügler im Alter meines Sohnes, ihre Familie lebte im Nachbarhaus.
Aber das erklärte immer noch nicht, warum er so aufgebracht von seiner Spielkameradin kam, die im gleichen Haus über uns wohnte.

Ich wollte nicht, dass mein Sohn weiter so wütend war, schließlich verschaffte mir ihr gemeinsames Spielen etwas Freiraum und ich war mir sicher, dass man diesen Streit beilegen konnte. Zugegeben, es war blanker Egoismus, hier vermittelnd eingreifen zu wollen.

Also, hinterher, den wütenden kleinen Mann eingefangen, bevor die Tür zu seinem Zimmer krachend ins Schloss fallen konnte, und ihn fragen:

„Was ist denn los? Hast du dich mit Jasmin gestritten?“

 
„Geh weg, das kannst du nicht kleben.“
Wie? Kleben? Noch so ein neues Wort im Gebrauch.

„Das wird schon wieder, wirst sehen.“

Ich drehte ihn an den Schultern herum, bückte mich nach unten, um ihn direkt in die Augen sehen zu können, die bereits feucht schimmerten. Das ging ja nun gar nicht, Kindertränen, da muss eine Mama doch die Welt retten. Oder?

Er wandte sich ab, klettert auf sein Bett, warf sich bäuchlings hin, schnappte sich sein Schmusetier und vergrub sein Gesicht darin. Nur keinen sehen lassen, das Jungs weinen.

Wer hat ihm denn nur diesen Blödsinn erzählt?

Ich setzte mich zu ihm aufs Bett, streichelte ihm beruhigend über den Rücken und wieder die Frage: „Was ist denn passiert?"

„Mädchen sind doof!“ , kam es brummig von ihm, den Kopf inzwischen zur Wand gedreht.

„Wie? Mädchen sind doof? Ich bin doch auch Eines? Bin ich dann auch doof?“

Daraufhin setzte er sich auf, schlang seine Arme um meinen Hals, legte die Stirn an meine Schulter und schüttelte den Kopf. Ich schloss meine Arme um ihn und streichelte weiter seinen Rücken.

„Magst, du mir nicht erzählen, was passiert ist?“

Er schniefte kurz, das Gesicht noch nass. Dann sprudelten die Worte aus ihm heraus.

„Die Jasmin zieht weg! Ganz weeiiiit!“Von den Umzugsplänen wusste ich schon und ahnte, dass es dem Knirps schwerfallen würde.

„Aha - und deswegen sind alle Mädchen doof?“

„Ja doch! Sie hat versprochen, immer mit mir zu spielen, auch wenn wir schon groß sind!“

Immer noch tröstend die Arme um mein Kind geschlungen. Keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte, im Moment fiel mir nichts Besseres ein als:

„Ach komm, Krümel, die Mami ist doch auch noch da. Wenn du nicht mit jemanden anderen spielen willst, mit Kevin oder Peter vielleicht, dann können doch wir zusammen etwas spielen.“

Mein Sohn hob den Kopf, sah mich ein paar Sekunden an. Dann stellte er sich auf sein Bett.

Das schiere Entsetzen in seinen Augen! Er zeigte mit dem Finger auf mich, rief im voller Entrüstung:

„Spinnst duhuhu?... Wenn ich einundzwanzig bin, bist du schon fast tot!“

 

***

Inzwischen ist der Knirps doppelt so groß, und ich fühle mich immer noch quicklebendig.

 

 

Impressum

Texte: Alles bei mir
Bildmaterialien: P.Bogdan mit freundlicher Genehmigung www.pi-web-concept.de
Lektorat: Tom Schuster
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2014

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