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Digital Kiss

 
Völlig aufgedreht und trotzdem müde kam Peter spätabends nach Hause.
Schnell schälte er sich aus seiner Jacke, ging ins Wohnzimmer und schaltete seine Konsole an.
Während die Konsole piepsend zum Leben erwachte, sprang er unter die Dusche. Genussvoll seufzte er, als das warme Wasser den Schweiß und Staub des Arbeitstages wegwusch.
Beim Abtrockenen hörte er plötzlich schwere Stiefelschritte in seiner Wohnung. Eilig wickelte er sich ein Badetuch um die Hüfte und schnappte sich die alte Duschbürste. Dann schlich er die Bürste wie einen Baseballschläger schwingend durch den Flur zur Wohnungstür.
Im Eingangsbereich war alles normal und nichts deutete darauf hin, dass hier irgendjemand eingedrungen wäre.
Verwirrt kratzte er sich am Kopf.

Hier ist keiner reingekommen... aber im vierten Stock kommt auch keiner so leicht durchs Fenster! Hab ich mir die Schritte nur eingebildet?

Gerade als er sich sicher war, dass alles nur Einbildung war, hörte er wieder Schritte und das knallen der Badezimmertür.
Mit schnellen Schritten war er an der Tür und wollte sie öffnen, doch sie war von innen verschlossen.
Energisch klopfte er dagegen und rief: „Wer ist da? Was tun Sie in meiner Wohnung?“
Eine samtige Frauenstimme antwortete ihm gelassen: „Mach mir schon mal einen heißen Kakao, ich komme gleich!“ mit einem leisen Stöhnen fuhr sie fort: „Oooh, tut das gut!“ Alles weitere wurde vom Rauschen des Wassers übertönt.
Kopfschüttelnd machte Peter sich auf den Weg ins Schlafzimmer um sich anzuziehen.
In der im Wohnzimmer integrierten Küchenzeile packte er Popcorn in die Mikrowelle und holte Milch aus dem Kühlschrank.
Beim Kakaokochen fielen ihm schlammige Fußspuren vom Wohnzimmer zur Badezimmertüre auf.

Jetzt fange ich langsam an zu spinnen! Naja wenn das alles nur Einbildung ist, muss ich es wenigstens nicht wegputzen!

Im Wohnzimmer lief die Konsole noch, aber es war eine DVD eingelegt, die nur darauf wartete abgespielt zu werden.
Schaudernd stellte er fest, dass es sich um einen „Frauenfilm“ handelte, ein vergessenes Überbleibsel von seiner Ex.
Mit Kakao und Popcorn bewaffnet nahm er schließlich auf der Couch platz, nahm den Controller zur Hand und versuchte den letzten Spielstand seines Action-Adventures zu laden.

 
CHARACTER INFORMATION NOT FOUND!
Teilte ihm seine Konsole widerwillig piepsend mit.

Stirnrunzelnd las Peter die unbekannte Fehlermeldung, beendete das Spiel, lud es nochmal neu und versuchte erneut seinen gestrigen Spielstand zu laden.

 
CHARACTER INFORMATION NOT FOUND!
Teilte ihm seine Konsole abermals piepsend mit.

„Was zum?!“ rief er aufgebracht. „Dabei bin ich gestern so weit gekommen!“
Seufzend wählte er einen älteren Spielstand aus und versuchte diesen zu laden.

 
CHARACTER INFORMATION NOT FOUND!
Teilte ihm seine Konsole hämisch piepsend mit.

„Du willst mich wohl verarschen?!“ brüllte er die Konsole wütend an.

 
Neben ihm gaben die Couchpolster plötzlich ein wenig nach.
Erschrocken wandte er seinen Kopf nach rechts. Was er sah, verschlug ihm den Atem.
Dort saß eine ihm unbekannte Frau nur mit einem Badetuch bekleidet.
Wie gebannt verfolgte er einen Wassertropfen der aus ihren langen braunen Haaren rann.

 
„Du hast die ganze Woche nur gespielt, heute machen wir mal etwas anderes!“ verkündete sie bestimmt und sah ihm fest in die Augen.
Während er noch glaubte in ihren Augen, die die Farbe von flüssiger Schokolade hatten, zu versinken. Hatte sie sich schon die Tasse Kakao und die Fernbedienung geschnappt.
Als dieser unsägliche „Frauenfilm“ lief, lehnte sie sich genussvoll seufzend an Peter und nippte am Kakao.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gut es tut endlich von dieser Insel runter und wieder im Warmen zu sein! Seit einer gefühlten Ewigkeit laufe ich nur dreckig im Regen rum und friere wie ein Hund!“
Als Peter nichts sagte fuhr sie fort: „Danke für den Kakao, sowas hat noch keiner für mich gemacht!“
„Ähm gerne!“ sagte Peter und verschwieg, dass es eigentlich sein Kakao gewesen war.
„Was machst du eigentlich, wenn du nicht spielst?“ fragte sie neugierig.
„Ich arbeite in einem Umzugsunternehmen. Am Wochenende oder wann ich sonst Zeit habe, gehe ich mit meinen Kumpels auf die Piste.“
„Du fährst Ski?“ fragte sie erstaunt.
„Was? Nein! Das sagt man so, wenn man feiern oder Tanzen geht in Discotheken oder Clubs und so.“
„Achso!“ murmelte sie und legte ihren Kopf an seine Schulter.
„Tanzen oder essen gehen würde mir auch mal wieder gefallen... ich habe nur eine sehr verschwommene Erinnerung daran.“ sagte sie leise.
„Wie heißt du eigentlich?“ fragte Peter neugierig.
„Das kann ich dir nicht sagen, sonst wäre es doch zu einfach!“ neckte sie mit einem müden Lächeln und gab ihm einen sanften Kuss auf den Mund.
„Von welcher Insel hast du gerade gesprochen?“
Überrascht davon, dass sie ihm nicht antwortete, blickte er ihr neugierig ins Gesicht und stellte fest, dass sie seelenruhig schlief.
Kopfschüttelnd breitete er eine Decke über ihr aus, legte den Arm um ihre Schulter und sah sich den Film ohne Ton an.

 
Orientierungslos wachte Peter am nächsten Morgen mit steifen Gliedern auf der Couch auf.
Schmunzelnd ließ er sich seinen verrückten Traum durch den Kopf gehen.
Danach rieb er sich den Schlaf aus den Augen und schaltete den Fernseher aus, über dessen Röhre und schwarz-weißer Ameisenkrieg flimmerte.
Verschlafen tapste er in Richtung Bad, um sich die Zähne zu putzen.
Vor dem Spiegel blieb ihm der Mund offen stehen. Dort stand mit rotem Lippenstift geschrieben:

 

Danke für den netten Abend

xxx

 

 
Ich hatte doch gar keinen Damenbesuch heute Abend!
Neugierig verließ er das Bad und suchte nach Spuren, die ihm Hinweise geben könnten.
Erstaunt betrachtete er die schlammigen Fußspuren vom Badezimmer zum Wohnzimmer.
Das war doch ein Traum oder...?

 

 

 

 

Impressum

Texte: Dhanalein
Bildmaterialien: Dhanalein
Lektorat: CiCi
Tag der Veröffentlichung: 07.04.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vielen Dank an CiCi, dank ihr gibts jetzt auch Kommas :)

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