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Prolog

Es war dunkel. Nur der Mond brachte ein schwaches Licht. Ruinen weit und breit und zurückgelassene Gegenstände die quer über Straßen und Wiesen verteilt lagen. Und ich, nun, ich war mittendrin.


Am Morgen war noch alles in Ordnung gewesen, der Ort war belebt gewesen. Es hatten Familien gemeinsam ihr Frühstück gegessen, Kinder auf der Straße gespielt und Nachbarn sich fröhlich begrüßt und sich gegenseitig einen wundervollen Tag gewünscht.
Für mich hätte der heutige Tag nur ein ganz normaler Tag werden sollen, doch das wurde er nicht. An einem Tag verschwand alles, das ich kannte. Die Ruinen ließen nur erahnen, was sich hier einmal befunden und sich mein Zuhause genannt hatte.
Ich lief seit Stunden durch die Straßen, auf der Suche nach anderen Menschen, Tieren, was auch immer. Hauptsache ich würde nicht mehr alleine sein. Die Suche nach meiner Familie und meinen Freunden hatte ich noch immer nicht aufgegeben, trotz der Leichen überall, die meine Hoffnung nicht gerade verstärken sollten. Doch, da ich sie unter den Leichen bisher nicht fand, blieb ich optimistisch.
Die meisten Häuser waren halb zerstört und nur sehr wenige waren unberührt geblieben. In einem der wenigen Häuser suchte ich ein Plätzchen zum ausruhen. Ich spürte jeden Muskel, wie sie zuckten und pochten, jeden Wimpernschlag, der so schwer schien, jeden Atemzug, der hunderte Nadelstiche in meinem Brustkorb mit sich brachte und die Einsamkeit, die mich aus dem Nichts überfiel und mich nicht mehr los lassen wollte. Für einen kurzen Augenblick merkte ich, wie Tränen hervorkommen und meine Wangen runter rollen wollten, doch ich schluckte sie mit einem Schluchzen wieder herunter und biss mir auf meine aufgeschürfte Unterlippe. Weinen brachte mich jetzt auch nicht weiter. Im Gegenteil. Es würde mir nur Kraft rauben, die ich später noch brauchen würde, denn ich hatte wie es schien eine weite Reise vor mir, die alles andere als leicht werden würde.
Ich stand langsam wieder auf und verlies das Gebäude. In dem Haus sah es so ordentlich und unberührt aus, dass ich von dem Anblick der Verwüstung hier draußen fast einen Schlag bekam. Innerhalb von Sekunden hatte ich mich aber wieder gefangen und lief los. Immer gerade aus. Immer weiter.
Der Entschluss weiter nach meiner Familie und meinen Freunden zu suchen, hatte zu einer Stundenlangen Verzweiflung und schlussendlich zur Enttäuschung geführt. Ich gab auf. Wenn sie noch am leben waren, dann hatten sie es auch hier raus geschafft. Ich wettete, dass meine Mutter sicherlich nicht freiwillig diesen Ort ohne mich gefunden zu haben verlassen hatte. Wahrscheinlich war es mein Bruder, der sie von hier weg zerrte, während sie weinend weiter suchen wollte und sich letztlich von ihm überreden lies aufzugeben. Ein anderer Gedanke war jetzt gut, denn sonst würde ich nur auch noch anfangen zu weinen, also musterte ich meine Füße während ich lief. „Shit.“, sagte ich zu mir selbst. Meine Schuhe waren total zerfleddert. „Ich werde mir wohl irgendwo ein neues Paar Schuhe suchen müssen.“

Ich folgte der Straße raus aus der Stadt, weg von Zuhause und ich wusste nicht, ob ich jemals wieder hierher zurück kehren würde.

 

 

Kapitel 1

„Guten Morgen! Los, steh auf, oder willst du etwa zu spät kommen?“, sagte meine Mutter mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Wie um alles in der Welt konnte man schon so früh am Morgen so gut gelaunt sein? Ich gab zu, ich war ein Morgenmuffel, aber von der aller feinsten Sorte. Ich brauchte eben meinen Schönheitsschlaf, auch, wenn der mich, wie ich später vor dem Spiegel herausfand, nicht vor einem Pickel genau zwischen meinen Augen bewahren konnte. 
Am Esstisch war ich, trotz vorheriger Dusche, noch immer nicht wirklich wach. Ich dachte an die warme Decke und die weichen Kissen, die mich vermutlich gerade still und heimlich auslachten. 
Mein Bruder, der gerade ebenfalls zu Tisch kam, sah nicht wirklich wacher aus als ich das tat. So unähnlich wir zwei auch waren, die grummelnden Halbschlaf-Laute hatten wir beide echt gut drauf!
„Na ihr beiden? Hungrig? Ich habe extra mal was anderes gemacht.“ Mum stellte für jeden einen Teller mit Rührei auf den Tisch und strahlte uns an, bevor sie uns aufforderte es zu essen „Na los! Haut rein, bevor es noch kalt wird!“ Ich stopfte mir den Mund voll und kaute um mein Leben, oder eher um jede Minute, die ich früher aufstehen konnte. Ich spürte, dass ich mich besser beeilen sollte und im nächsten Moment wurde mir dank meiner Mutter auch klar wieso. „Sag mal Layra, bald sind doch die Prüfungen, oder?“ Mein Bruder grinste in sich hinein, während ich mich an meiner zu gierig in den Mund geschaufelten Portion Rührei verschluckte und einen Hustenanfall bekam. Als ich mich gefangen hatte, antwortete ich ihr: „Ja, die sind nächsten Monat um genau zu sein.“ Meine Mutter nickte nur und verschwand danach in ihr Arbeitszimmer. Sie war selbstständig und arbeitete von Zuhause aus an ihren Designs. Wie man mit den Designs von derart merkwürdigen Möbelstücken Geld verdienen konnte war mir ein Rätsel. Im Ernst, die Möbel waren ein Graus. Ich war mir nie ganz sicher, ob das Jahrhundert, in dem solche Dinge beliebt waren, schon lange vorbei war, oder wohl noch in tausenden von Jahren auf uns wartete. Ich würde diese Möbel jedenfalls nicht kaufen.
Während ich noch mit meinem letzten Bissen Rührei beschäftigt war, hatte mein Bruder schon lange alles in sich hinein gestopft und auf dem Weg zur Tür gewesen.
„Layra! Kommst du jetzt mal? Oder soll ich dir vorher noch einen Zettel schreiben und ihn dir auf die Stirn kleben? So langsam, wie du bist würde ich das gleich zwei Mal schaffen, ehe wir aus dem Haus sind.“ Also, der geduldigste war mein Bruder ja nicht gerade. „Bin ja schon da!“, rief ich und hetzte zur Tür, wo ich mir schnell Schuhe und Jacke anzog und mit meinem Bruder das Haus verließ.
Mein Bruder hieß Cyril und war älter, größer, und schlauer als ich. Manchmal hatte es den Anschein, dass es nichts gab, in dem ich ihn hätte schlagen können, doch eine Sache gab es da. Sport. Er hasste Sport, während ich ihn liebte.

Auf dem Weg zur Schule nervte mich die Stille zwischen uns. Mein Bruder und ich verstanden uns sehr gut und quatschten normalerweise den ganzen lieben Tag lang über irgendwelche Dinge. Wir erzählten uns alles wie beste Freundinnen, oder beste Kumpels. Heute hatte er noch kein Wort herausbekommen seit wir aus dem Haus waren.
„Cyril, was ist los?“, fragte ich und schaute ihn fragend an. Er schaute verdutzt „Was soll sein?“, sagte er. „Du wirkst abwesend und bist so verdammt ruhig. Sonst kannst du dich nicht mehr halten und die Worte sprudeln nur so aus dir heraus. Ist halt komisch.“ Wir blieben stehen. „Komisch? Hm. Weiß nicht. Denke halt grad‘ über was nach.“ Er dachte oft über Dinge nach, aber so schweigsam war er dabei nie. Meistens plapperte er seine Gedanken gleich aus und wollte wissen was ich so darüber denke. „Und über was denkst du nach?“, fragte ich während wir weiter liefen. „Über uns.“. antwortete er. „Über uns?“ Ich musste lachen „Wir sind doch kein Paar oder so etwas!“, meinte ich. „Du Doofkopf! So habe ich das doch gar nicht gemeint! Es ist nur…“ „Layra! Cyril! Da seid ihr ja! Gott, ich dachte ihr würdet heute schwänzen oder so und lasst mich einfach im Stich!“, rief eine laute Stimme von etwas weiter weg, die ich dann als Hannahs Stimme identifizieren konnte, als mein Bruder und ich in ihre Richtung schauten. Sie rannte auf uns zu und grinse furchtbar breit, als hätte sie im Lotto gewonnen. „Dich im Stich lassen?“, fragten Cyril und ich fast synchron. „Ja! Ich gehe doch heute für mein Date morgen shoppen und brauche euch unbedingt!“, sagte sie als wäre das selbstverständlich. Hannah nahm uns beide jedes mal mit. Meinen Bruder, weil er wusste was Jungs gerne an Mädchen sehen und mich damit ich sie genauso berate, aber auch bremse, wenn es zu teuer wird. Auf Preise schauen konnte sie nicht wirklich gut, aber dafür hatte sie ja mich, sagte sie immer. „Ach klar, wie konnten wir das vergessen!“, sagte ich zu ihr und stieß meinen Ellbogen leicht in Cyrils Seite, der dann nur zustimmend nickte, aber nichts weiter dazu sagte. „Dir hat man heute wohl den Mund zu geklebt, was?“ Hannah starte Cyril an. Ihr schien es wohl auch merkwürdig, dass er so ruhig war, zumal er normalerweise gleich ablehnen wollte, sobald die Wörter „Date“ und „Shopping“ in einem Satz fielen.
Auf dem restlichen Weg zur Schule schwiegen wir alle. Ich war nun auch ziemlich ins Grübeln gekommen, weil ich unbedingt wissen wollte, was Cyril mir erzählen wollte. Vor Hannah wollte ich ihn nicht nochmal danach fragen, sonst hätte Hannah gleich allen irgendwas erzählt. Geheimnisse waren bei ihr auf keinen Fall sicher. Auch wenn sie das nicht mit Absicht machte, plauderte sie alles weiter, was sie mal zu hören bekam. Ich würde einfach meinen Bruder fragen, wenn wir allein waren. In der Pause zum Beispiel.

Der Unterricht von Mrs. Donwell war heute ausnahmsweise mal richtig spannend und ich hatte vermutlich so viel mitgemacht, wie in meinem gesamten Leben zuvor noch nicht. Mrs. Donwell war dafür bekannt den langweiligsten Geschichtsunterricht überhaupt zu machen, aber heute hatte sie einen Film mitgebracht, den sie zwischendurch immer mal pausierte um selbst etwas zu erzählen. Die meisten hatte das genervt, weil sie einfach nur den Film schauen wollten um in die Pause gehen zu dürfen, aber ich fand die kleinen Geschichten von ihren Ausflügen an die im Film genannten Orte sehr interessant. Ich wollte auch schon immer reisen, nur leider fehlte mir dazu meistens das Geld.
In der Pause schlich ich mich schnell davon und suchte Cyril, den ich an unserem Lieblingsplatz, eine kleine Sitzecke unter einem Baum, die außer uns wieso auch immer niemand anderes in Anspruch nahm. Ich war schon gespannt darauf, was er mir gleich erzählen würde.
Ich wartete auf ihn, aber er ließ sich ziemlich viel Zeit, um aufzutauchen. „Da bist du ja!“, rief ich ihm zu. Irgendwie machte er einen sehr nervösen Eindruck auf mich. „Ist was?“, fragte ich nach. „Kannst du das von heute Morgen bitte einfach vergessen?“ „Was? Eigentlich wollte ich dich gerade fragen, was du mir eigentlich erzhällen wolltest“ Ich stutzte. „Vergiss es bitte einfach“, sagte er und drehte sich einfach wieder um. Wollte er jetzt wirklich einfach abhauen? Ich lief ihm hinterher. Ich wollte nicht kleinbeigeben, aber vielleicht war es ja wirklich nichts wichtiges. Er schien genervt davon, dass ich ihm hinterherlief, sagte jedoch nichts. Ich fühlte mich komisch.

Die letzten Schulstunden verbachte ich damit, halbherzig dem Unterricht zu folgen und mir Hannahs Vorstellungen ihres Dates heute Abend anzuhören. Da mein Bruder heute länger Unterricht hatte, vertröstete ich Hannah damit, dass ich als Beratung reichen würde und entschied meinen Bruder von ihrem Shoppingwahn zu verschonen. Ich hatte das Gefühl, dass er mir später danken würde.

Kapitel 2

 Zuhause angekommen taten mir meine Füße vom Shoppen mit Hannah weh. Natürlich hatte es nicht gereicht sich in einem Kaufcenter geschweige denn in einem einzigen Laden nach dem passenden Outfit zu suchen und so hatten wir gefühlt 50 Geschäfte abgeklappert um letzendlich doch im ersten Geschäft das rote Kleid mit Spitze an den Ärmeln zu kaufen. Ich fand das knallrote Kleid viel zu auffällig und zu viel des guten, aer Hannah konnte gar nicht genug auffallen. Sie mochte es gesehen zu werden. Sie war das totale Gegenstück zu mir. Ich trug viel unbunte Kleidung. 
Es klopfte. „Layra. bist du schon Zuhause?“ Meine Mum kam in mein Zimmer und schaute mich genmauso breit grinsend an wie heute früh. So langsam machte mir das Angst. 

 *** Fortsetzung folgt! (Hoffentlich bald!) ***

 

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Tag der Veröffentlichung: 17.09.2018

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