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Im Schreibwarengeschäft



Voll widerstreitender Gefühle ging Stella mit Sven und Chris wieder zurück zu ihrem Zimmer, trat ans Fenster und schaute nach draußen. Die Nachmittagssonne leuchtete golden vom blauen Frühlingshimmel. Erste hellgrüne Blätter zeigten sich an den Zweigen der Büsche. Gelbe Osterglocken und rote Tulpen schienen ihr mit nickenden Blütenköpfen zuzuwinken.
Plötzlich bekam sie Lust, nach draußen zu gehen.
„Wollen wir mal losfahren und uns ein Eis kaufen?“
„Tolle Idee“, stimmte Chris sofort zu. „Nach der heißen Suche verdienen wir eine Abkühlung.“
„Sehr gut“, sagte auch Sven. „Ich müsste übrigens einen neuen Füller kaufen, bevor die Schule wieder anfängt.“
„Wir können das kombinieren, Eis und Füllerkauf.“
„Los, fahren wir.“ Chris stand schon an der Tür.
Sie rannte mit den beiden nach unten. Draußen schloss sie das Haus ab und machte sich voller Unternehmungslust auf den Weg.

Sie radelte zwischen den beiden. Auf der stillen Straße machte das Nebeneinanderfahren keine Probleme.
„Erst das Eis und dann der Füller“, schlug Chris vor.
„Von mir aus“, sagte Sven.
„Ich finde das nicht gut“, wandte sie ein. „Das Schreib- warengeschäft liegt am Weg und schließt bald. Wir sollten zuerst den Füller kaufen, dann können wir in Ruhe im Eiscafé sitzen.“
„Gemein, Stella“, neckte Chris sie. „Du denkst nur an Svens Wünsche und nicht an meine!“
„Quatsch!“
„Na ja“, grinste Chris, „ich bin trotzdem einverstanden.“
Die Straße wurde belebter. Sie bogen auf den Fahrradweg ein. Nach kurzer Zeit erreichten sie das Schreibwaren- geschäft. Sie stellte ihr Rad in einen Fahrradständer und schloss es ab. Nachdem auch Sven und Chris ihre Räder versorgt hatten, betrat sie mit ihnen das Geschäft.

Der Verkaufsraum war groß, aber jetzt in der Ferienzeit war nicht viel Betrieb. Sven ging gleich mit großen Schritten zu den Vitrinen, in denen die Füller ver- schiedener Hersteller ausgestellt waren. Sie blieb mit Chris ein Stück zurück, angezogen von einer niedlichen Postkarte. Eine süße Katze mit einer schräg aufgesetzten Jeansmütze war darauf abgebildet.

Plötzlich stieß Chris sie mit dem Ellenbogen in die Seite und deutete schweigend mit dem Finger nach vorne. Sie sah in die Richtung, in die er zeigte, und entdeckte die blonde Moni. Schick war Moni zurechtgemacht, mit kurzem Rock und rosa Bluse und mit einem rosa Reifen in den lang herabhängenden hellblonden Haaren. Sie steuerte schnurstracks auf Sven zu. Stellas Laune ging in den Keller.
„Hey, Sven!“, hörte sie Moni sagen, die sich neben Sven stellte.
Sven schaute auf und schien überrascht.
„Hey, Moni.“
Seine Stimme klang deutlich verlegen.
„Ich komme vom Ballettunterricht und will mir jetzt auf dem Rückweg einen neuen Füller kaufen. Und du? Du auch?“
„Ja“, lächelte Sven.
„Wie findest du diesen blauen da?“
Chris konnte die Szene wohl nicht länger ertragen, ging zu den beiden hinüber und stellte sich neben Sven.
„Der blaue Füller taugt nichts. Kauf doch lieber den grünen, Sven.“
Gespannt schaute sie auf Sven und wartete auf seine Reaktion.
„Kann ich dir helfen?“ hörte sie ausgerechnet in diesem Moment eine freundliche Stimme neben sich. Eine junge Verkäuferin war zu ihr getreten und sah sie fragend an.
„Ach so, ja ...“, stotterte sie, „diese Postkarte möchte ich gerne kaufen.“
„Die ist wirklich niedlich.“
Die Verkäuferin zog die Karte aus dem Ständer und begleitete sie zur Kasse. Sie zwang sich, nicht zu Sven und Moni hinüberzusehen. Doch in ihrer Fantasie malte sie sich aus, dass Sven Moni schön fand und bewunderte. Mit niedergeschlagenen Augen bezahlte sie ihre Karte
an der Kasse. Als sie sich umwandte, standen Sven und Chris hinter ihr.
„Warte einen Moment, Stella, ich muss auch noch be- zahlen“, sagte Sven mit einem grünen Füller in der Hand.
„Wo ist denn Moni?“, konnte sie sich nicht verkneifen zu fragen.
„Die ist noch nicht fertig mit dem Aussuchen.“
Chris grinste.
Ihre Stimmung hellte sich auf. Vielleicht mag Sven Moni doch nicht so gerne, dachte sie erleichtert. Sie trat abwartend zur Seite. Dabei stieß sie fast mit einem riesigen Mann zusammen. Als sie aufblickte und den Augen des Mannes begegnete, überfi el sie jäh ein Anflug von Angst. Sie kannte diesen stechenden Blick!
Im nächsten Moment verzog sich das Gesicht des Mannes zu einem gezwungenen Lächeln.
„Entschuldigung!“, sagte er und wandte sich zur Seite. Wo nur war sie diesem Blick schon einmal begegnet? Verwirrt stand sie da.
„Stella?“, holte Svens Stimme sie in die Gegenwart zurück.
„Was ist los mit dir?“
Er trat neben sie und sah ihr in die Augen.
„Der Mann ... der Mann hat mich erschreckt. Ich kenne seine Augen irgendwoher.“
„Welcher Mann denn?“
„Der, der gerade neben mir stand.“
„Ich habe nicht darauf geachtet. Wo ist er?“
Sie schaute umher. Nirgendwo konnte sie ihn entdekken.
„Er ist verschwunden.“
Geistesgegenwärtig nahm Sven ihre Hand und zog sie zur Ausgangstür.
Draußen blickte sie rechts und links die Straße entlang.
Nichts von ihm war zu sehen.


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Texte: erschienen im Desina Verlag ISBN: 978-3940307170
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010

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