Cover

Der Geist von Halloween


Nadine hatte nichts für den Unfug über, den Halloween jedes Jahr aufs Neue auslöste. Ihr war dieser „Brauch“, der da vor gut zehn Jahren aus den USA zu uns herübergeschwappt war ihr sogar richtig zu wieder. Traditionen waren ihrem rebellischen Geist schon immer ein Dorn im Auge gewesen, aber von irgendeiner Industrie erfundene Traditionen, die nur dazu dienten noch mehr Geld zu verdienen, brachten sie zur Weißglut. Es hatte daher schon ein gehöriges Stück Überzeugungsarbeit gebraucht um sie dazu zu bringen, bei der Halloweenparty ihrer besten Freundin Sonja mitzumachen. Sonja war seit Kindertagen einer der wenigen Fixpunkte in ihrem Leben gewesen. Sie war einer der wenigen Menschen, die mit ihrer nach außen oft mürrischen Art umgehen konnten und es immer wieder schafften Nadine in gute Laune zu versetzen. Drei Wochen lang hatte Sonja auf Nadine eingeredet und nicht locker gelassen, bis sie endlich ja gesagt hatte – und sei es nur um endlich Frieden vor diesem Thema zu haben. Heute war der Tag und sie bereute es jetzt schon wieder, dass sie zugesagt hatte. Aber Sonja im Stich lassen und ihr absagen? Das kam nicht in Frage. Allerdings hatte die Kostümfrage schon fast dazu geführt, dass Nadine abgesagt hätte. Stunden über Stunden hatten sie vor dem PC gesessen und Webshops nach Kostümen abgeklappert. Manche waren einfach nur lächerlich, andere hatten obszön hohe Preise, aber nichts war dabei, dass Nadine hätte überzeugen können. Zum Schluss kamen sie auf eine völlig schlicht gestaltete Seite, auf der nur vier Kostüme angeboten wurden. Eines hatte es Nadine sofort angetan. Es sah aus wie aus der Essenz des Erdbodens gewebt, wie ineinander gewebte Blätter. Nadine konnte es nicht beschreiben, aber sie wusste – das war es. Dazu gehörte eine Kette aus Eicheln und eine Krone aus Ästen, die je nach Winkel aus der man sie betrachtete in unzähligen Braun- und Grüntönen zu schimmern schien. 19.99 zuzüglich Versand. Schneller als Sonja Einspruch erheben konnte, schloss Nadine die Bestellung ab.
„Das gefällt dir? Das sieht ja aus als hätte es Robinson Crusoe bei seinen ersten Schneiderversuchen zusammengeschustert.“ Sagte Sonja stirnrunzelnd.
„Ja – mir gefällt es und da ich es auch tragen werde, hast du da kein Mitspracherecht. Zudem muss ich wieder einmal anmerken, dass du eine Person von zynischem Charakter und lästerlicher Zunge bist!“ gab Nadine spitz zurück.
„Stimmt – und deshalb verstehen wir uns auch so gut!“ hatte Sonja gelacht und Nadine einen Kuss auf die Wange gegeben. „Apropos gut verstehen. Was ist denn mit deiner neuen Flamme? Diesem Rrrrrrrrrricardo?“
„Hör bloß auf – ein mit Testosteron gefüllter Hautsack ist das!“ Nadine war aufgestanden und hatte sich in der Küche einen Tee eingeschenkt. „Der will immer nur ‚Amore‘, davon dass man auch reden kann, hat der noch nie was gehört.“
„Ist aber eine sehr hübscher mit Testosteron gefüllter Hautsack. Mit mir dürfte er den ganzen Tag Amore machen.“
„Ich schenk ihn dir – wirst aber nicht viel Freude mit ihm haben.“ Nadine wackelte mit dem kleinen Finger der rechten Hand „Was an Größe fehlt, versucht er mit Tempo wett zu machen.“
„Oh“ mehr als zu dieser geistreichen Bemerkung war Sonja nicht fähig gewesen.

Das war nun mehr als eine Woche her. Nadine hatte gestern aus Irland ein riesiges Paket bekommen, in dem ihr Kostüm gewesen war. Sie hatte den Stoff ausgepackt und stundenlang nicht mehr weglegen können. Egal was sie tat, sie konnte nicht feststellen aus welchem Material das Kleid gefertigt war. Es war keine Wolle, keine Baumwolle und keine Seide, es schien auch aus keinem ihr bekannten Kunstmaterial gefertigt worden zu sein. Wenn sie daran roch, meinte sie Erde zu riechen, aber auch frischen Wind und Natur. Als sie es zum ersten Mal anzog war es erst eine Kleinigkeit zu weit, doch dann schien es sich der Figur Nadines anzupassen und saß nachher perfekt. Sie bemerkte es irritiert und schob es auf eine Sinnestäuschung. Sie zog begierig den Duft ein, der dem Kleid entströmte und konnte gar nicht genug davon bekommen. Kraft schien sie zu durchfluten. Eine Kraft von der sie noch nie etwas gehört oder geahnt hatte. Später legte sie auch noch die Kette an und setzte sich die Krone auf den Kopf. Dann trat sie vor den Spiegel. Scharf zog sie die Luft ein, denn sie erkannte sich selbst kaum noch. Eine königliche Gestalt blickte ihr entgegen, es war sie und doch nicht sie. Hinter ihr schien schemenhaft ein Wald zu sein, in dem wilde Männer und hoheitsvolle Frauen herumgingen. Sie selbst war die Herrscherin dieser Gemeinde und ein sanfter Glanz schien um ihre Gestalt zu liegen. „Was zum Teufel…“ zischte sie und schüttelte den Kopf. Als sie wieder in den Spiegel sah, war da nur sie selbst, immer noch eindrucksvoll in dem Kostüm, aber eben sie selbst. Schnell zog sie das Kostüm aus und legte es für den nächsten Tag bereit. Dann kramte sie in der Schachtel, in der das Kostüm geliefert worden war nach hinweisen, woraus das Ding denn eigentlich gemacht war. Aber sie fand nur einen kleinen Zettel, der nicht aus Papier zu sein schien. Die altertümliche Schrift wies in einem altertümlichen Englisch darauf hin, dass man das Kostüm mit nichts außer Wasser waschen durfte und man jeglichen Kontakt mit Eisen oder Stahl vermeiden musste. Am Grund der Schachtel fand sie noch ein kleines Paket, in dem ein wunderschöner Gürtel lag an dem ein kleiner bronzener Dolch in einer ledernen Scheide hing. Die Klinge des Dolches war rasiermesserscharf und Nadine konnte ihr Spiegelbild in dem polierten Metall sehen. Das muss ein Irrtum sein, für 19.99 gibt es das nicht, dachte sie und versuchte die Webseite aufzurufen, bei der sie das Kostüm gekauft hatte. Aber sie fand sie nicht mehr. Die Seite war nicht im Browserverlauf, nicht auf Google und auch sonst nirgends auffindbar. Spät abends gab sie sie Suche auf, denn sie erschien ihr auch nicht mehr so wichtig und ging ins Bett.
Sie träumte diese Nacht. Sie träumte von endlosen Wäldern, von kleinen, fast nackten Männern, die auf der Jagd waren. Sie träumte von Hirschen und ihren Hirschkühen und hörte ihre trappelnden Hufe, wenn sie durch den Wald hetzten. Sie träumte von der Hirschjagd und erkannte, dass der Königshirsch kein Hirsch sondern ein Mann war und er mit seinem Blut dem Land neues Leben gab, wenn er bei der Jagd getötet wurde. Sie träumte von hochgewachsenen Frauen, ganz so gekleidet wie sie es gewesen war, die die Hüterinnen dieser Kultur und des Landes waren. Und sie träumte von fremden Männern aus einem fernen Land, ganz in Eisen gepanzert, mit eisernen Waffen und grimmigen Gesichtern. Diese Männer jagten das kleine Volk und töteten es, wo immer sie konnten und dabei schrien sie „Gott will es so. Gott will es so!“ Sie träumte von den letzten Rückzugsgebieten des kleinen Volkes und dem Versuch zu retten, was noch zu retten war. Dann tauchte ein Gesicht in ihrem Traum auf. Ein Mann, hochgewachsen, schlank und dunkel, Sie sah nur sein Gesicht, dass männlich und androgyn gleichzeitig war. Die dunklen, feinen Augenbrauen waren an den Enden leicht nach oben gezogen und die Augen selbst waren bernsteinfarben. In der Iris tanzten kleine Lichter, die wie Sterne funkelten. Sie verlor sich in diesen Augen und hörte eine Stimme sagen „Das Ende ist immer auch ein Anfang.“
Dann wachte sie auf.
Der Traum hatte sie den ganzen Tag nicht losgelassen. So realistisch hatte sich noch nie geträumt und sie konnte sich auch an jedes Detail erinnern.
Am frühen Nachmittag läutete das Telefon – es war Sonja.
„Hi – kannst du schon früher kommen? Ich werde nicht mit den Vorbereitungen fertig.“
Nadine seufzte. Sie nannte diese Telefonate das Sonja Gambit. Nach den ersten Worten stand das Ergebnis schon fest. Sie würde ihr natürlich helfen.
„Ist schon gut – du braucht nicht weiter zu reden. In einer Stunde bin ich bei dir.“ Nadine lugte zur Digitaluhr in der Küche „Ist dir 4 recht?“
„Klar meine Süße“ flötete Sonja „Bis später“
Da Nadine nur über die Straße und ein paar Häuser entlang gehen musste hatte sie noch Zeit sich herzurichten.
Kurz stockte sie, als sie daran ging das Kleid anzuziehen, aber tat es dann doch und streifte es sich über. Es passte noch immer wundervoll. Als sie die Kette und die Krone angelegt und sich den Dolch umgeschnallt hatte, durchströmte sie das gleiche kraftvolle Gefühl wie gestern. Sie glaubte vor Tatendrang zu explodieren, irgendetwas tun zu müssen.
Als sie vor Sonjas Haustür stand und läutete, freue sie sich fast schon auf den Abend, etwas, was ich eigentlich gar nicht ähnlich sah. Sonja riss die Tür auf und erstarrte. „Du siehst …. gut aus!“ brachte sie schließlich hervor. „Irgendwie wichtig, aber gut! Komm rein.“
„Authentizität schön und gut, aber du hättest die schon Schuhe anziehen können.“ sagte sie später, als Nadine auf einer Holzleiter stand und Papierketten aufhängte. „Es ist zwar extrem warm für Ende Oktober, aber du wirst dir den Tod holen.“ Nadine schaute überrascht auf ihre bloßen Füße. Es war ihr nicht einmal aufgefallen, dass sie weder Schuhe noch Strümpfe trug.
„Wenn ich etwas mache, dann richtig! Kennst mich doch.“ gab sie zurück und pinnte das letzte Schnurstück an einen der Balken in der Wohnzimmerdecke. Danach machten sie noch Bowle, von der ein Gutteil schon vor verkostet wurde und stellten die Getränke in die mit kaltem Wasser und Eis gefüllte Badewanne. Inzwischen war es sieben Uhr durch und die ersten Gäste kamen. Nadine hatte sich wieder alle Teile ihres Kostüms angelegt, die sei während der Arbeit beiseite getan hatte. Sonja ging als junge Zauberin, was mit ihrer roten Mähne, dem hochgeschnürten Dekolletee und ihrer üppigen Figur eine durchaus glaubhafte Kostümierung darstellte. Seltsamer Weise unterhielt sie sich mit den Frauen die anwesend waren blendend, wäre die Männer fast scheu waren und Abstand hielten. Es wurde immer voller und es wimmelte inzwischen von Geistern, Mumien, Magiern und Feen. Drei verschiedene Versionen von schwarzen Kutten mit Sensen schlichen ebenfalls durch die Menge und machten den verschiedenen Skeletten auf schwarzem Stoff Konkurrenz. Die Party schien sich irgendwie rund um Nadine herum ab zu spielen. Sie selbst war ein Pol der Ruhe innerhalb der Menge. Nadine unterhielt sich gerade mit Mathilda, einer Bekannten, die sie mit ihrer Redseligkeit nahezu in den Wahnsinn treiben konnte. Da sah sie ihn zum ersten Mal. Er stand ca. zehn Meter entfernt und bildete ebenso einen Mittelpunkt der Ruhe im Strudel der Party. Er war groß und schlank, dunkelhaarig und hatte eine dunkle, fast ins Olive schimmernde Haut. Dann wurde Nadine bewusst, was sie so faszinierte – er war das Gegenstück zu ihr. Seine Hosen und sein Hemd waren aus dem gleichen seltsamen Material wie ihr Kleid. Er trug auch einen sehr ähnlichen Gürtel an dem das passende Gegenstück zu ihrem eigenen Dolch hing. Auf seinem Kopf trug er keine Krone, sondern einen Kranz aus kunstvoll geflochtenen Blättern.
Und er sah sie direkt an. Gerade als sie auf ihn zugehen wollte, schwebte ein Zombie durch ihr Blickfeld und als der vorbei war, war der Fremde verschwunden. Dann kam Sonja vorbei, die sich einen gut aussehenden Elfen geangelt hatte und gerade neckisch kicherte. Nadine Nahm sie beiseite. “Sag mal, wer ist denn der, der als Waldelb da ist?“
„Der heißt Klaus und ist total süß und wehe du versuchst mir da in die Quere zu kommen. Ich werde dir eine Warze auf die Nase und einen Buckel zaubern!“
„Der doch nicht – der fast das gleiche Kostüm anhat wie ich!“
„Da geht einer als Transe auf meine Party? Nö – so jemanden habe ich sicher nicht eingeladen!“
„Liebste Freundin, wenn dir die Hormone einschießen, bist du manchmal ein wenig schwer von Begriff! Der hat sehr wohl Hosen an, aber aus dem gleichen Material wie mein Kleid.“
„Nein so einen hab ich nicht gesehen – aber Klaus hat mir sehr interessante Sachen gezeigt, die mich wohl abgelenkt haben! Der muss nichts ‚mit Tempo wettmachen‘ wenn du weißt was ich meine.“ Sonja kicherte wieder wie ein kleines Mädchen und verschwand mit ihrer Eroberung in der Menge. Nadine ließ sie kopfschüttelnd ziehen und sah sich wieder in der Menge um. Aber der Mann blieb verschwunden. Tapfer kämpfte sie sich durch Menge um an die Bowle zu kommen. Als sie das Glas an den Mund führen wollte, legte sich eine Hand auf die ihre. Die Hand war warm und die Berührung jagte ihr Schauer durch den Körper. Sie drehte sich zur Seite und blickte dem fremden Mann in die Augen. Er drückte sanft ihre Hand mit dem Bowle Glas hinunter, bis es auf der Theke stand. Dann hob er seine andere Hand und die hielt einen Becher aus Holz, in dem eine klare Flüssigkeit schwappte. Nadine sah in die bernsteinfarbenen Augen aus ihrem Traum, in denen kleine Sterne tanzten, nahm den Becher und trank ihn in einem Zug aus. Es schmeckte wie Wasser, war aber erdiger, kräftiger. „Es ist Zeit, Herrin!“ sagte der Mann mit einer tiefen, sanften Stimme. Nadine verstand die Worte, war sich aber bewusst, dass es keine Sprache war, die sie jemals gehört hatte. Die Wörter rollten wie das Meer, waren eine verschlungene Kombination aus Konsonanten und Vokalen. „Wer bist du?“ fragte sie in derselben Sprache, die ihr völlig natürlich über die Lippen kam, als hätte sie anders gesprochen. „Ihr könnt mich Grin nennen, Herrin:“ sagte er. Nadine sah sich mit dem Fremden auf die Türe zugehen. Eigentlich ging sie nicht, sie setzte zwar einen Fuß vor den anderen bewegte sich aber viel schneller als es möglich war. Die Menge teilte sich vor ihnen, ohne dass sich die Menschen bewegten. Als sich Nadine umdrehte, sah sich um und sah dass die Partygäste hinter ihnen wieder auf ihre Plätze bewegten, ohne auch nur einen Schritt zu machen. Sie sah ihren Begleiter von der Seite an, sah die feine Gesichtszeichnung und die leicht spitz zulaufenden Ohren. Sie gingen durch die Haustüre, ohne dass sie sich öffnete und standen plötzlich im Wald. Es war nicht Nacht, es war hell, aber es war auch unmöglich zu sagen, woher das Licht kam. Es schien von überall zu kommen. Nadine war unterbewusst klar, dass es keinen Wald in der Nähe ihres Hauses gab. Unter ihren Füßen spürte sie weiche Erde mit einer Schicht aus Blättern darauf. Sie hörte und spürte das Leben, das rund um sie pulsierte. Sie spürte wieder das Rennen der Hirsche und des kleinen Volkes. Es war noch nicht die Zeit der Jagd. Die würde erst zu Beltane wieder kommen. Sie wusste nicht, woher sie ihr Wissen hatte, aber es war da. „Ja, es ist Samhain, Herrin.“ sagte Grin neben ihr. Sie spürte die Energie in jedem Baumstamm und sie spürte, wie das Leben in Grin pulste. Jeder Herzschlag gab der Natur Kraft und Energie. Und sie selbst war der Mittelpunkt, das schlagende Herz dieses Waldes. Sie hörte irgendwo Gesang, der ohne Worte auskam. Dann drehte sie sich zu Grin, der völlig nackt vor ihr stand. Er trat einen Schritt näher und hielt plötzlich den bronzenen Dolch in der Hand. Sie bemerkte, dass auch sie die Waffe hielt. Er hob den linken Arm und zog die Klinge über seinen Unterarm. Blut sammelte sich und tropfte auf den Boden. Nadine sah wie auch sie ihren Arm hob und das Gleiche tat. „Blut für Leben. Der Kreislauf muss geschlossen werden.“ Hörte sie sich sagen. So banal die Worte auch klangen, sie hatten eine unglaubliche Wirkung. Ein starker Wind kam auf und wirbelte Blätter und kleine Äste auf. Dunkelheit senkte sich über den Wald und nur Nadine und Grin standen in einer Insel des Lichts und der Ruhe. „Er kommt“ sagte Grin schlicht. Eine Gestalt trat aus dem Wald. Groß, eindrucksvoll und Nadine spürte auch eine Gefahr davon ausgehen. Die Gestalt trug kaum mehr als einen Kranz aus Blättern um die Hüften und ein Hirschgeweih auf dem Kopf. Sie hob den rechten Arm und streckte Grin und Nadine die nach vorne zeigende Handfläche entgegen. Die Gestalt war über und über mit Ornamenten bedeckt, die mit Blut gemalt worden waren. Dann fiel plötzlich absolute Dunkelheit über sie herein. Genau so plötzlich war es wieder hell und der Wind ließ völlig nach. Nur einige Blätter schwebten noch langsam zu Boden. Nadine drehte sich wieder zu Grin. Er beugte sich vor und sah ihr in die Augen. „Der Hirschkönig hat uns gesegnet!“ flüsterte er. Sie versank in dem Blick und ließ es widerstandlos geschehen, dass er sie sanft auf den weihen, warmen Erdboden legte.

Es war später Vormittag, als sie erwachte „Wow – was für ein Traum!“ sagte sie leise und räkelte sich in ihrem Bett. Nachdem sie sich getreckt hatte ging sie ins Bad. Dann sah sie auf die Kommode im Schlafzimmer und sah ihr Handy. Einundzwanzig entgangene Anrufe und über fünfzig SMS. Nadine runzelte die Stirn. Was war denn los gewesen? Als sie ihr Kostüm suchte, musste sie feststellen, dass es verschwunden war. Sie konnte es nicht finden, wo auch immer sie auch nachschaute. Als sie duschen wollte, bemerkte sie eine Schnittwunde von ca. 10 Zentimeter Länge auf ihrem linken Unterarm, die aber aussah, als wäre sie schon Tage alt und nicht erst ein paar Stunden. Jetzt sah sie genauer auf das Display auf ihrem Handy. Es war der 4.November.
Sie hatte die letzten Wochen immer wieder erklärt, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie die vier Tage gewesen war. Sie hatte die Art satt, wie ihre Verwandten und Freunde versuchten möglichst rücksichtsvoll zu sein und sie hatte es satt fest zu stellen, dass man es ihr zwar nicht ins gesicht sagte, aber es war klar, dass man ihr nicht glaubte.
Und sie musste feststellen, dass ihre Periode ausgeblieben war.
Am 28.Juni des folgenden Jahres begannen die Wehen. Nach unglaublich kurzen 60 Minuten und sehr wenig Schmerzen brachte sie einen gesunden Jungen zur Welt. Die Schwestern waren seltsam irritiert und verstört, als sie den Neugeborenen gewaschen und eingewickelt hatten. Dann legten sie das Kind zu Nadine ins Bett. Das Kind hatte dunkle Haut, schwarze Haare. Fassungslos sah Nadine die leicht spitz zulaufenden Ohren und die in feinem Bogen nach oben geschwungenen Augenbrauen. Dann sah sie dem Kind in die Augen, die die Farbe von dunklem Bernstein hatten. Und wenn man ganz genau hinsah, bemerkte man kleine Funken, die in der Iris schwammen. Der Junge sah Nadine an und lächelte.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /