9.Juli
Der erste Urlaubstag.
Es ist unglaublich, aber wir fliegen heute wirklich ab. Um 11 Uhr geht der Flieger Richtung Spanien. Fast hätte es ausgesehen, als würden wir es nicht schaffen und Schuld daran hatte – meine Mutter. Sie hat Riesenstress gemacht und ein Tamtam als würde ich zum Mond fliegen oder zu einem vergessenen Stamm von Steinzeitindianern in Papua Neuguinea. Ich hab sie wieder einmal einfach stehen lassen. Ich konnte es mir einfach nicht mehr anhören. Natürlich hat sie Vater angerufen und natürlich hat sie ihn stundenlang bearbeitet. Er hat aufgelegt, sie hat angerufen – immer wieder – bis Eins in der Nacht. Vater war so genervt, dass dann auch wir noch gestritten haben und er mich fast nicht fliegen lassen wollte. Fast hätte sie es geschafft mir meinen Urlaub zu vermiesen. Wenn sie so versuchen sollte unsere Beziehung zu verbessern, geht sie wohl den völlig falschen Weg.
Ankunft auf Ibiza! Es ist warm, nein – es ist heiß! Heiß und feucht. Ein Taxi bringt uns zu unserem Hotel. Der Bungalow ist wie eine eigene Wohnung mit Wohn- und Schlafzimmer, Bad, WC, Küche und Essbereich. Als ich das alles zum ersten Mal sehe, stelle ich mir vor, wie sein würde mit Stefan wirklich gemeinsam zu leben. In unserer eigenen Wohnung. Ich liebe diesen Gedanken.
Als wir endlich aus dem Bungalow rauskommen („Das Bett sieht doch einladend aus – oder …“) ist es schon Abend. Also gehen wir mal was essen und schmeißen uns ins Nachtleben. Um vier Uhr morgens torkeln wir heim und lassen uns nur mehr ins Bett fallen.
Als ich aufwache ist es hell. Stefan räumt herum und pfeift vor sich hin.
„Guuten Mooorgen mein Schatz“ ruft er, setzt sich zu mir ans Bett und küsst mich auf die Stirn. Ich habe Kopfweh und es dreht sich immer noch alles. Eigentlich will ich nur schlafen.
„Los, auf an den Strand! Es ist wundervoll draußen! Und Sand, Sonne und Meer werden dir sicher gefallen!“ Stefan zieht mir die Bettdecke weg und ich kann meine Morgenlatte nicht mehr rechtzeitig verstecken.
„Na – was haben wir denn da?“ sagt er und versucht mich genau dort wach zu küssen. Eigentlich ist es ganz angenehm und so lass ich ihn machen, bis ich so laut aufstöhne, dass er mir den Mund zuhält. „Wir müssen mal über deinen Geräuschpegel reden, mein Freund! Du wirst immer lauter!“
„Ach halt doch den Mund und blas weiter!“ sag ich.
„Sir – yes Sir!“ sagt er lachend und macht sich wieder ans Werk!
Eine Stunde später machen wir uns auf den Weg zum Strand. Wir gehen seltsame Umwege, nicht direkt, sondern eine Zeit lang an der Uferpromenade entlang und dann auch am Strand, an einigen freien Plätzen vorbei. Ich frage mich langsam was das soll, als wir über ein paar Felsen klettern und endlich an einem recht nett aussehenden Strand ankommen, auf dem es ziemlich zugeht. Irgendwas ist komisch, aber ich bekomm nicht auf die Reihe was es ist.
Es ist knapp vor Zwölf und dementsprechend voll. Wir finden aber trotzdem ein Plätzchen für uns beide und knallen uns in die Sonne. Einerseits bin ich todmüde, aber andererseits doch voll neugierig, was sich hier so herumtreibt. So leg ich mich auf den Bauch und beobachte die Menschen rundherum.
Mir wird langsam klar was mir die ganze Zeit schon seltsam vorgekommen ist.
Mir Gegenüber dösen zwei Männer in Liegestühlen, der eine vielleicht 20 oder 25 Jahre alt, der andere ein um einiges älter und der Jüngere sieht nicht mal schlecht aus. Daneben liegen zwei ältere Herren mit einem kleinen Hund, der im Schatten eines Sonnenschirms vor sich hin hechelt. Links von uns eine Gruppe von fünf oder sechs Typen, von denen sich zwei küssen. Sie küssen sich in aller Öffentlichkeit! Und weit breit fast keine Frau zu sehen – nur hin und wieder mal. Außerdem sind keine Kinder am Strand – überhaupt keine.
Es gibt fast nur Schwule hier! Wir sind an einem schwulen Strand!
Ich dreh mich zu Stefan um und der sitzt im Schneidersitz da und grinst mich nur an.
„Du hast das gewusst?“
„Klaro!“ sein Grinsen wird immer breiter „hab mich nur gefragt, wann du es merkst.“ Er beugt sich zu mir runter, nimmt meinen Kopf in seine Hände und küsst mich.
Im ersten Moment ist mir das urpeinlich, aber dann ist es mir egal und ich küsse ihn auch.
Ich merke, dass ich einen Ständer bekomme und dreh mich wieder auf den Bauch.
„Wassn jetzt los?“ fragt Stefan verdutzt.
„Ich MUSS jetzt am auf dem Bauch liegen – deine Schuld!“
Stefan lacht und ich sehe, dass auch er eine ziemlich deutlich sichtbare und eindeutige Beule in der Badehose hat.
„Und es wäre besser, wenn du aufhörst zu lachen und dich auch auf den Bauch legst!“
Eine Sekunde später liegt er neben mir.
Die beiden uns gegenüber habe die Szene wohl mitbekommen, denn der eine hat sich zu seinem Freund rübergebeugt und ihm was zugeflüstert. Dann grinsen beide zu uns rüber.
Stefan hat mir die Hand auf den Rücken gelegt und ich finde die Situation einfach nur toll. Ich bin einfach nur glücklich und döse langsam ein.
Stefan rüttelt mich sanft und küsst mich in den Nacken. „Kleiner – du musst aus der Sonne oder Sonnencreme auftragen, sonst gibt es einen grandiosen Sonnenbrand!“
„Hm – sei lieb - schmier mich doch ein!“
Stefan sagt nichts, aber ich spüre wie er mir die Sonnencreme auf den Rücken tropfen lässt und beginnt sie sanft einzureiben. Im Nacken, auf den Schultern, den Armen und den Rücken entlang.
Ich legen die Arme unter den Kopf und schnurre mit geschlossenen Augen vor mich hin. Als ich die Augen aufmache, sehe ich, dass der Jüngere der beiden vor mir herüberstarrt. Und der hat eine ziemlich gewaltige Beule in der Hose. Stefan hat sich rücklings auf mich gesetzt und massiert mir weiter die Creme ein. Ich spüre seinen harten Schwanz an meinem Hintern und mir springt fast der meine aus der Hose. Der Typ vor mir beginnt sich an der Hose zu spielen. Ich gucke zu seinem Freund rüber und der grinst mich unverschämt an. Stefan beugt sich zu mir vor. „Duu?“ flüstert er mir ins Ohr.
„Ja?“
„Ich will was!“
„Ich auch! Und genau deswegen kann ich jetzt nicht aufstehen!“
„Ich auch nicht!“
Wir prusten beide los und Stefan kullert von mir runter.
Er legt sich wieder auf den Bauch.
„Creme mich ein!“
„Ich kann nicht, sagte ich doch schon!“
„SO groß ist er auch wieder nicht – fällt schon keinem auf!“
„Frechheit – gestern hast du noch unter mir gejammert!“
„Psst – muss ja nicht jeder wissen!“ Ich bin wohl etwas laut geworden.
Ich binde mir so gut ich kann ein Handtuch um und creme Stefan von oben bis unten ein.
Ich sehe mich um und vergleiche die Typen am Strand mit meinem Schatz. Da wird mir klar, was für ein Riesenglück ich doch habe! Stefan ist einer der absolut hübschesten und bestgebauten Typen hier am Strand. Nicht nur das, er ist einer der besten Menschen die ich kenne. Ich lieb ihn ganz furchtbar.
„Kleiner?“
„Ja?“
„Hör auf mich einzucremen!“
„Wieso, tu ich dir weh?“
„Ganz im Gegenteil!“
Er flüstert nur noch „Wenn du so weitermachst verliere ich die Beherrschung und vernasch dich hier, jetzt und sofort vor all den Jungs Schwulen!“
„Geil!“ flüstere ich zurück!
Er fährt herum und beginnt mich zu kitzeln. Wir jagen bis uns bis zum Wasser und weiter hinein.
Nach einer Weile kommen wir zurück zu unseren Handtüchern und merken, dass inzwischen wesentlich mehr Leute da sind. Anscheinend kommen die ganzen Nachtschwärmer jetzt hervor.
Die beiden Typen auf den Liegestühlen sind dafür weg. Es liegt aber eine Visitenkarte auf unserer Sporttasche: „Ca’s Mila“ – auf der Rückseite steht hin gekritzelt „19:30 – würden uns freuen, Klaus und Jürgen“.
Stefan und ich sehen uns groß an.
„Was nun?“ fragt Stefan „sollen wir hingehen?“
„Was ist das überhaupt?“
„Ein Restaurant – sogar ein ziemlich gutes und nicht weit weg von unserer Bleibe!“
„Ich hab doch nichts dabei mit für solche Anlässe! Oder hast du wieder irgendwo Smokings versteckt?“
Stefan lächelt, er weiß ganz genau worauf ich anspiele.
„Nöö – aber so fein ist es auch wieder nicht. Reicht schon was wir mithaben“
„Willst du hin?“
„Ich weiß nicht.“ Er denkt ein Weilchen nach. „Ich glaub eher nicht!“
„Ich auch nicht!“
Wir gehen nicht hin, dafür gehen wir zu einer Strandparty, die ca. 350 Meter weiter am Strand gerade vorbereitet wird. Am Abend brennt dort ein riesiges Lagerfeuer und es gibt Grillfleisch, Bier und Sangria bis zum Abwinken.
Ziemlich spät baggern uns zwei Mädchen an, als wir am Strand sitzen und hinaus aufs Meer schauen.
„Na, wie geht’s euch beiden?“ fragt die eine, ziemlich blond und ziemlich dürr mit ziemlich breitem deutschen Dialekt.
Stefan blinzelt sie gegen das Lagerfeuer an, dass direkt hinter ihr lodert. „Kein Grund zur Klage“
„Oh – ein Landsmann“ flötet die andere, ziemlich klein, pummelig und sommersprossig. Mit ihren Zöpfen links und rechts sieht sie aus wie eine übergewichtige Kopie von Pippi Langstrumpf.
„Nicht alle hier“ werfe ich ein und leg mich in den Sand. Die beiden setzen sich vor uns hin und plappern drauf los. Wie öde hier nicht alles sei, dass sie ihre Eltern nicht aus den Augen lassen – außer heute Abend, dass die Spanier alle ignorant und außerdem auch ziemlich selten seien, mehr Briten, Deutsche, Holländer als Spanier, usw. Blablabla.
Als es mir zu bunt wird und ich ihr Geplapper nicht mehr ertragen kann, beuge ich mich zu Stefan rüber und sehe ihm in die Augen. Er zwinkert mir zu und ich küsse ihn ganz einfach.
Pippi Langstrumpf bricht mitten im Satz ab und sagt kein Wort mehr.
Ihre Freundin meint nur „Hier haben wir wohl nichts zu melden. Komm wir verziehen uns! Anscheinend sind hier alle süßen Jungs schwul!“
Wir beide prusten los.
„Durst?“ fragt Stefan
„Immer!“
Gegen zwei sind wir Richtung Bett unterwegs. Auf einmal nimmt Stefan meine Hand und so gehen wir langsam in Richtung unseres Bugalows.
Ich liebe ihn.
Ich bin glücklich.
Am nächsten Vormittag wandern wir Richtung Strand zum gleichen Platz wie gestern. Klaus und Jürgen, falls es die beiden sind, liegen auch wieder am gleichen Platz.
Stefan und ich machen es uns wieder auf unserem Stammplätzchen bequem. Die beiden scheinen nichts von unserer Ankunft zu bemerken.
Irgendwann beginn Stefan herumzunörgeln.
„Wir können doch nicht die ganzen Wochen nur hier herumliegen und nichts tun!“
“Wieso nicht? Ist doch Urlaub.“
„Andreas und Jochen ziehen uns die Hammelbeine lang, wenn wir nicht zumindest halbwegs auf unsere Form gucken!“
„Du willst doch nicht etwa hier trainieren?“
„Wieso nicht? Wir könnten zumindest ein wenig joggen.“
„Hindernislauf durch den Tuntendschungel hier?“
Stefan muss lachen „Nee – ich mein doch abends. Wenn keiner oder fast keiner mehr am Strand ist!“
Hinter mir ertönt ein Lachen. Es ist tief und dunkel. Ich dreh mich um. Der Jüngere der beiden liegt nun wach auf seinem Liegestuhl und lacht. „Tuntendschungel – also wirklich. Ihr Jungs habt Humor!“
Stefan und ich sehen einander etwas unsicher an. Wir wissen nicht wirklich, was wir da antworten sollen.
„Wie würdest du denn das hier nennen?“ frag ich ihn und schau in die Runde.
Er schiebt die Sonnenbrille auf die Nasenspitze und sieht sich um.
„Hm – na ja, vielleicht hast du gar nicht so unrecht, wenn ich mich hier so umsehe…“
Dann sieht er uns wieder an, steht auf, kommt zu uns rüber und lässt sich auf ein Knie nieder.
„Hi, ich bin Klaus!“ dröhnt er und hält uns die Hand hin.
„Stefan“
„David“ Wir schütteln ihm beide die Hand.
„Seid ihr gestern angekommen?“
„Nöö – vorgestern Abend!“ Stefan sieht ihn misstrauisch an. Ich muss zugeben, dass sich auch nicht schlau aus ihm werde. Er sieht wirklich nicht schlecht aus, scheint nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen und bewegt sich mit einem Selbstbewusstsein, dass ihm aus allen Poren zu dringen scheint.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn mag!
„Ihr habt von Training geredet – was trainiert ihr denn?“
Stefan hat normalerweise keinerlei Hemmungen vom Ringen zu reden, aber komischerweise ist er diesmal richtig zurückhaltend.
„Wir ringen ein wenig. So dass es halt als Amateur reicht“
Ich schau ihn fragend an und merke viel zu spät, dass Klaus meinen Blick bemerkt.
„Klaus? Lass doch mal die Kinder in Ruhe! Wir müssen weg!“ eine unangenehme, kratzende Stimme meldet sich aus dem Back. Das muss wohl Jürgen sein. Er ist aufgestanden und fängt an ihre Sachen zusammen zu packen. Jetzt sieht man, dass er um einiges älter sein muss als Klaus – so ungefähr im Alter von meinem Vater und nicht annähernd was von der Figur von Klaus hat. Im Gegenteil, er ist sogar ziemlich wabbelig. Wenn ich mir bei Klaus nicht sicher bin, weiß ich ganz genau, IHN mag ich nicht! Kinder hat er uns genannt – pfffff!
„OK, Alter – bin ja schon unterwegs!“ brummt Klaus und steht auf.
„Grüß euch ihr zwei – man sieht sich!“ ruft er uns noch zu und geht zu den Liegestühlen, um beim Einräumen mit zu helfen.
„Seltsam das“ meint Stefan.
„Was?“
„Na, die zwei. Kannst du dir vorstellen, dass die zusammen sind?“
„Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass man mit jemand anderen zusammen ist, der nicht so ist wie du!“
„Du hast ja ein Rad ab! Ideen hast du manchmal, Kleiner! Aber das liebe ich an dir.“
Wir liegen nur am Strand und tun überhaupt nichts, außer uns grillen zu lassen und hin und wieder ins Wasser zu gehen.
Als es gegen Abend zugeht stell ich Stefan die Frage die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf geht: „Wär das es nicht schön, wenn wir uns überhaupt nie mehr verstecken müssten?“
„Mhm – jau“ brummt Stefan nur.
Dann dreht er sich zu mir um. „Was willst du denn damit sagen? Bist du nicht glücklich mit mir?“
„Doch sicher! Aber das ganze Versteckspiel und die Heimlichkeiten gehen mir ziemlich auf den Wecker. Der darf‘s nicht wissen und die auch nicht. Bei Partys müssen wir immer höllisch aufpassen was wir wann zu wem sagen und so weiter. Wär‘s nicht schön, wenn es alle wüssten und wir ganz offen und schmusend durch die Gegend laufen könnten?“
„Schatz, du weißt doch, das geht nicht! Meine Eltern bekommen die volle Krise und deine Mutter wahrscheinlich auch. Und Karriere könnten wir uns volle Kanne abschminken. Da müssten wir dann schon auf eine einsame Insel auswandern!“
„Schämst du dich etwa für mich?“
„Du bist ja wohl voll irre geworden! Was redest du für einen Blödsinn daher?“
„Vergiss es“ sag ich „Hab nur davon geträumt, wie es sein könnte!“
Ich leg mich auf den Rücken und schaue in den langsam dunkler werdenden Himmel.
Stefan legt seinen Kopf auf meinen Bauch. „Ja, davon träume ich auch!“
Es wird dunkler und es sind auch immer weniger Leute am Strand.
„Davy?“
„Hm?“
„In nicht 6 Wochen bist du achtzehn!“
„JA! Endlich!!“
„Kleiner, ich muss dich was fragen:“ er dreht sich so, dass sein Kopf zwar auf meinem Bauch liegen bleibt, er mir aber ins Gesicht schaut.
„Was denn?“ ich fahr ihm mit der Fingerspitze das Ohr entlang.
„Würdest du dann bei mir einziehen?“
Ich bin sprachlos. Dann schrei ich in die den Abend hinaus „JAAAA!“
Und leiser „Ja – mein Bärchen – sofort, wenn es nach mir geht!“
Er sagt nichts – muss er auch nicht. Wir müssen überhaupt nichts mehr sagen, wir sind einfach nur mehr glücklich. Wir bleiben noch lange am Strand, lange bis nach Sonnenuntergang und lange nach dem die Sterne am Himmel aufgegangen sind, liegen wir immer noch dort. Wir lieben uns einfach.
Später müssen wir dann noch feststellen, dass Sand SEHR unangenehm sein und an den unmöglichsten Stellen zu den schlechtesten Zeiten auftauchen kann.
Es ist lange nach Mitternacht als wir heim wandern, Hand in Hand und teilweise eng umschlungen.
Ich schlafe diese Nacht nicht. Ich liege wach im Bett und Stefan liegt neben mir und schläft tief und fest. Ich sehe ihn mir die ganze Nacht nur an. Es ist die schönste Nacht meines Lebens. Als es hell wird weiß ich, dass ich ihn nie mehr verlassen werde. Wir werden unser ganzes Leben zusammen verbringen. Bis zu unserem Tod.
Die nächsten Tage sind einfach nur traumhaft. Wir liegen am Strand, blödeln herum oder liegen einfach nur da und schauen uns an. Hin und wieder plaudern wir auch mit Klaus. Eigentlich ist er gar nicht so übel, nur sein Freund Jürgen nervt immer wieder. Kaum merkt er, dass wir uns mit Klaus gut unterhalten, fängt er an herumzunörgeln und drängt auf Aufbruch.
Eine Woche nach unserer Ankunft diskutieren Stefan und ich wieder über das Thema ‚Training’. Wir machen ab, am Abend am Strand zu laufen, ein bisschen Konditionstraining zu machen und dann vielleicht auch noch ein paar Griffe zu übern. Klaus hat das sichtlich gehört, und kommt rüber und fragt ob er mitmachen kann. Eigentlich spricht ja nichts dagegen, also sagen wir ja. Als Klaus zu Jürgen zurückgeht, sieht der nur mit zusammengekniffen Lippen und ziemlich sauer zu uns rüber.
Um halb Sieben treffen wir uns am Strand und joggen ca. eine Stunde am Strand entlang. Es ist ziemlich anstrengend, wesentlich anstrengender als ich gedacht hatte, im Sand zu laufen, vor allem wenn er nass ist. Wir plaudern mit Klaus über alles Mögliche, während wir an einem flachen Felsen ankommen, wo wir dann noch ein paar Liegestütz, Situps und so weiter machen. Während Stefan und ich Griffe im Sand üben, fragt Stefan auf einmal „Sag mal, was hat es eigentlich mit dir und Jürgen auf sich?“
Klaus sagt vorerst nichts. Er macht eigenartige Übungen, als würde er gegen unsichtbare Gegner kämpfen, und wie er uns gesagt hat macht er Karate und Kickboxen. Sogar ziemlich erfolgreich, denn er ist in der deutschen Bundesliga und hat Chancen auf die Nationalmannschaft.
Plötzlich hört er auf und setzt sich auf den Felsen. Wir liegen gerade vor ihm im Sand und üben Standardsituationen. Brücke, Bank, Beinangriff und so weiter.
Er schaut uns ein Weilchen zu und beginnt auf einmal zu erzählen.
Er war 12 als er angefangen hat Karate zu machen. Sein Vater hatte ihn in Köln in einem Verein eingeschrieben. Dort war Jürgen einer DER Spitzensportler und schon damals in der Nationalmannschaft – mit 23. Als er, Klaus, 14 war ist er so langsam dahinter gekommen, dass er nicht so ist, wie die anderen und mit 15 wusste er, dass er schwul war ist. Auf einer Klappe am Kölner Bahnhof (Ich muss natürlich fragen, was das ist, was bei Stefan und Klaus nur Erheiterung hervorruft „Ein öffentliches WC, in dem sich Schwule treffen“- „Und wieso heißt das Klappe?“ – Schulterzucken.) hat er dann Jürgen getroffen, der sich gerade mit einem anderen einen runtergeholt hat.
Wir haben uns inzwischen auf den Felsen gelegt und hören ihm zu.
Es gab ein paar dramatische Szenen zwischen ihnen, aber dann hat sich die Situation geklärt und Jürgen hat Klaus unter seine Fittiche genommen – als väterlicher Freund sozusagen. Klaus kommt aus ziemlich düsteren Verhältnissen. Vater Säufer, Mutter Sekretärin, die nicht viel verdient. Eigentlich waren seine Chance was zu werden so gut wie nicht vorhanden. Jürgen hat ihn da rausgeholt, ihm das Abi ermöglicht und sogar Arbeit besorgt. Als Klaus 18 war, hat wer rausbekommen, dass Jürgen schwul ist. Er wurde aus der Mannschaft geschmissen und aus dem Verein. Er hat sogar seine Arbeit verloren. Die Familie hat ihn, bis auf eine Schwester, für nicht mehr existent erklärt und seine Freunde haben ihn fast alle sitzen lassen. Danach sind sie von Köln nach Hamburg gezogen und haben dort begonnen ein neues Leben aufzubauen. Jürgen hat es nie wirklich überwunden, er hat aufgehört zu trainieren und angefangen mehr zu trinken als gut für ihn ist.
„Liebst du ihn?“ frag ich
„Lieben? – ich bin ihm sehr dankbar für alles, aber lieben? Wie einen Vater vielleicht.“
„Warum zickt er dann die ganze Zeit herum?“ fragt Stefan
Kurz wird der Blick von Klaus ziemlich düster.
„Ist das nicht ziemlich klar? Ich stelle alles das dar, was er verloren hat. Ich habe meinen Job, meine Freunde und den Sport. Ich weiß, wenn man ihn so sieht möchte man es nicht glauben, aber er war früher genauso drauf wie ich. Tja – und was euch beide betrifft…“ er schweigt plötzlich.
„Wieso, was ist mit uns?“
„Wenn er euch sieht, denkt er darüber nach, was mit uns hätte sein können…“
„Er ist doch zu alt für dich – oder?“
„Glaubst du Alter ist alles? Ich bin jetzt fast 25. Ich bin gerade im besten Alter für meinen Sport. Bin ich alt?“
Wir schütteln beide den Kopf.
„Schaut!“ sagt er und deutet auf das Meer hinaus. Dort berührt die Sonne gerade den Horizont.
Stefan sitzt hinter mir, ich habe mich vor ihn hingelümmelt und kuschel mich jetzt an ihn; er hat die Arme um mich geschlungen und lehnt sich an den Felsen hinter ihm. Klaus sitzt zwei Meter neben uns, die Arme locker auf die Knie gelegt. So schauen wir zu, wie die Sonne im Meer versinkt.
Es ist windstill und am Himmel sind nur einzelne Wolken die in allen Farben spielen, von Gelb über Gold, flammendes Rot und Purpur bis zu einem unglaublichen Violett. Die Sonne ist tiefrot, als sie schon zu dreiviertel versunken ist. Es ist so schön, dass mir die Tränen über die Wangen rinnen.
„Weinst du etwa, Kleiner?“ fragt Stefan hinter mir.
„Es ist soooo schön. Hier und jetzt mit dir. Es soll immer so bleiben!“
Stefan seufzt und küsst mich auf die Wange. Wir drücken uns aneinander.
„Ich bin richtig neidisch!“ sagt Klaus auf einmal „Ich würde auch gerne mit meinem Lover hier rumknutschen!“
Auf einmal sieht er richtig traurig aus, wie so die letzten Sonnenstrahlen auf sein Gesicht fallen.
„Warum hast du denn keinen?“ frag ich, naiv wie ich nun mal hin und wieder bin.
Er schaut wieder Richtung Meer, wo von der Sonne nur mehr ein letzter Zipfel über dem Horizont heraus schaut.
Es dauert ein Weilchen bis er ganz leise antwortet. „Bis jetzt hat mir Jürgen alle vergrault oder sie madig gemacht!“ Ich hab das Gefühl, dass er gar nicht mit uns redet.
Er wischt sich mit der rechten Hand über die Augen und springt auf. „Aber was red ich da eigentlich? Will euch ja den Abend nicht verderben!“
„Ist ja nichts passiert!“ meint Stefan „Willst du heute was unternehmen? Da gibt’s ja diese geile Disco, die erst um zwei aufsperrt. Ich hätte mal wieder Lust zu tanzen. Was meinst du Schatz?“
Tanzen wäre gar nicht so schlecht – eigentlich wäre es sogar sehr gut! „Jau – Machen wir auf PAAARTYY!“ ruf ich.
Klaus schaut erst ein wenig unsicher. „Ach, drauf geschissen! Ich gehe mit!“
Wir machen uns aus, dass wir uns um eins vor der Disco treffen und dann machen wir uns auf den Weg zurück in unseren Bungalow. Ich hab einen Bärenhunger und will noch unbedingt was essen und mich ein wenig in der Stadt umsehen, bevor wir tanzen gehen.
Um zehn nach zwei kommt Klaus auch wirklich daher geschlendert – in knallengen Jeans, die an den Knien und hinten eingerissen sind und einem hautengen, ärmellosen roten Shirt. Er sieht wirklich gut aus, dass muss man ihm lassen. Stefan und ich sind im Urlauberlook unterwegs. Knielange Schlabberhosen und unsere Hawaiihemden, die wir schon in Frankreich an hatten. Wir sehen aus wie Amis. Die Nacht wird noch total witzig. Wir tanzen, bis wir nicht mehr können. Alle drei haben wir die Hemden hinten in die Hosen gesteckt und sind von Schweiß überzogen. Es ist ein total geiles Gefühl sich unter offenem Himmel, bei dröhnend lauter Musik, wegzushaken. Wir blödeln den ganzen Abend herum und lassen ein gutes Dutzend Mädels und Frauen auflaufen, die sich an uns ranmachen wollen.
Nur einmal, als es was Langsames spielt wobei Stefan und ich eng umschlungen auf der Tanzfläche sind(als etwas Langsames gespielt wird und Stefan mit mir eng umschlungen auf der Tanzfläche ist), sieht uns Klaus mit einem ziemlich traurigen Blick dabei zu.
Es ist schon hell und wir sind so müde, dass wir überlegen abzuziehen. Als wir rausgehen, kann tut mir alles weh vom vielen Tanzen, die Ohren dröhnen und ich höre alles wie durch Watte.
Klaus geht ein Stück mit uns, bis wir an eine Straßenkreuzung kommen, wo wir uns trennen müssen.
Er steht kurz da und sieht uns an. Dann nimmt er Stefan rechts und mich links in den Arm drückt uns jeweils einen Schmatz auf die Wange und flüstert „Danke für den tollen Abend ihr zwei! Ich mag euch wirklich!“
Damit lässt er uns los, dreht sich um und stapft davon – bevor wir noch irgendwas sagen können.
Als er schon ein paar Meter weg ist dreht er sich noch mal um und winkt uns zu.
„Da hab ich mich wohl getäuscht!“ meint Stefan.
„Wieso?“
„Ich konnte ihn am Anfang eigentlich nicht wirklich leiden, scheint aber ein echt Netter zu sein!“
„Wieder was, was das wir gemeinsam haben. Hab ihn auch falsch eingeschätzt.“
Wir schleppen uns Richtung Bungalow. Eigentlich dachte ich nicht, dass noch irgendwas bei mir einen Muskelkater verursachen kann, aber mir tun die Beine schon weh, als ich in die Dusche gehe.
Kaum hab ich das Wasser aufgedreht, steht Stefan neben mir „Wasser sparen!“ grinst er mich an. Ich war eigentlich der Meinung, dass ich dafür schon zu müde sein würde – aber man täuscht sich doch immer wieder über die eigene Leistungsfähigkeit.
Es ist sieben, als wir uns endlich Richtung Bett bewegen. Dummerweise bin ich zwar todmüde, kann aber nicht einschlafen. Stefan geht es sichtlich nicht anders.
„Gehen wir frühstücken und werfen wir uns dann an den Strand?“ fragt er nach einer Stunde.
„OK – hier wach herumliegen bringt ja auch nichts!“
Wir werfen schnell unsere Badesachen in die Sporttasche und gehen frühstücken. Um neun liegen wir dann schon auf unserem Stammplätzchen am Strand. Jürgen ist schon da, Klaus fehlt. Wir denken uns, dass der wohl pennen wird. Jürgen wirft uns extrem böse Blicke zu, aber irgendwie ist es uns vollkommen egal, wir sind einfach nur todmüde und pennen irgendwann einfach ein.
Als ich aufwache liegen wir so wie daheim im Bett, Stefan hinter mir, den rechten Arm unter dem Kopf und den linken um meine Brust gelegt und ich meinem Arm über seinen gelegt. Ich sehe kurz auf die Uhr: ist es kurz nach zwei.
Stefan drückt mich fester an sich. „Juten Morjen mein Schatz. Oder soll ich ‚Mahlzeit’ sagen?“
„Hi Bärchen!“ flüstere ich und dreh mich zu ihm.
Er küsst mich auf die Nasenspitze „Ich hab dich ganz viel lieb!“
„Ich dich noch viel lieber!!“
„Gibt’s ja gar nicht!“ er kitzelt mich am Bauch und schon balgen wir uns wieder.
„Hi ihr zwei! Dachte vielleicht, ihr habt so `nen Brand wie ich.“
Klaus steht über uns und hat zwei große Becher in der Hand.
„Ist nur Saft!“ meint er noch.
„Is ja super! Danke, aber womit haben wir das verdient?“
„Als kleiner Dank für gestern. Hab mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten.“
Ich schau schnell zu den beiden Liegestühlen, aber der von Jürgen ist leer und auch seine Handtücher und sein ganzes anderes Zeug sind fort.
„Darf ich mich zu euch legen?“
Stefan schaut kurz, sagt dann aber „Na klaro – pack dich her. Wo ist denn eigentlich Jürgen?“
„Dem ist es am Nachmittag hier zu heiß. Der hockt lieber im Hotel und macht auf Zicke…“
Klaus packt sein Zeug und legt sich neben mich – neben Stefan ist kein Platz mehr.
Wir holen noch dreimal Getränke nach und plaudern übers Ringen, über Karate und tausend andere Dinge. Irgendwann hören wir auf zu reden und ich schlafe wieder ein. Munter werde ich, weil ich Klaus ziemlich laut neben mir sägt. Wir liegen alle drei am auf dem Bauch und sowohl Stefan, als auch Klaus haben im Schlaf je einen Arm auf mich gelegt. Klaus über meine Schulter und Stefan etwas tiefer. Plötzlich kommt mir der Gedanke wie es wäre mit Klaus Sex zu haben. Seit unserem damaligen Erstversuch mit Matthias haben wir keinen Dreier mehr gemacht. Ich muss unbedingt mit Stefan darüber reden. Ich liege so, dass ich Stefan anschaue. Er sieht aus wie ein Engel, wenn er so schläft. Ich kann nicht anders, ich muss ihm einen Kuss auf die Stirn geben. Er macht langsam die Augen auf und lächelt mich an. Er will mit seinem Arm weiter nach oben fahren und stößt dabei auf den Arm von Klaus. Er sieht kurz auf, und mich dann mit einem fragenden Blick an. Ich weiß nicht genau, was er damit ausdrücken will. „Er schläft“ versuche ich ganz leise zu flüstern. Stefan sieht mich ganz komisch an, und rückt dann näher und dreht sich auf die Seite. Er küsst mich ganz leicht auf den Mund und ehe ich mich’s versehe, hab ich schon wieder einen Ständer. Seine rechte Hand fährt langsam an mir nach unten. „Oha! Das kenn ich doch!“ sagt er ganz leise, als er mit der Hand unter mich und in die Badehose gleitet. „Du kleines geiles Miststück du!“ Er hat recht – ich bin wirklich absolut geil. Er fängt an zu massieren und sanft zuzudrücken. Dann fährt er auch noch ganz leicht über meine Eichel. Ich bin kurz davor zu explodieren. „Nicht, sonst komm ich noch!“ versuch ich ganz leise zu flüstern, aber inzwischen zittert meine Stimme schon ziemlich und ich rede lauter, als ich eigentlich wollte.
Stefan grinst mich unverschämt an „Und? Wen stört‘s?“ und arbeitet noch ein wenig heftiger als vorher.
Ich will noch sagen ‚Mich’, aber da ist es schon zu spät. Ich grabe meinen Kopf in das Handtuch und beiß noch hinein um ja nicht laut zu werden. Ich zucke und zittere am ganzen Körper.
Ich dreh meinen Kopf zu Stefan um. In diesem Moment zieht er die Hand aus meiner Hose und beginnt sich die Finger abzuschlecken. „Guuut – ich hab ja außer Frühstück heute noch nichts gegessen.“
„Du spinnst ja vollkommen!“ sag ich und muss gleichzeitig lachen.
„Ja – aber das weißt du ja!“
„Na warte, das gibt Rache!“
Bis jetzt haben wir geflüstert, um Klaus ja nicht zu wecken, aber jetzt höre ich von der anderen Seite „Jungs – ihr macht mich total deppich!“ ~dabbisch oder deppert
Ich dreh meinen Kopf zu ihm. Er hat sich auf die Seite gelegt, den Kopf in den Arm gestützt und schaut mich an. Sein Grinsen zieht sich von einem Ohr zum anderen.
„Was meinst du denn?“ frag ich scheinheilig.
„He – das Ding, das ihr gerade durchgezogen habt, hat der halbe Strand mitgekriegt – und ich lieg neben euch!“
„Ups – Stefans und Davids private Peepshow – vielleicht sollten wir Eintritt verlangen!“
„Untersteh dich! Du gehörst nur mir!“ ruft Stefan und fängt wieder an mich zu kitzeln.
„Schwimmen?“ ruft er dazwischen.
Ich mag aber nicht aufstehen, sonst sieht ja jeder den Fleck auf der Badehose.
„Nein!“
„Doch – wir gehen jetzt schwimmen!“
„NEIN!“
Stefan versucht mich irgendwie in Richtung Wasser zu schleifen, aber ich wehre mich mit Händen und Füßen.
Klaus lacht und ich sehe wie die beiden Blicke wechseln. Stefan nickt Klaus zu. Auf einmal hat mich Stefan unter den Armen gepackt und Klaus bei den Füßen und so tragen sie mich zum Wasser. Mit einem lauten PLATSCH werfen sie mich hinein. Auch nicht schlecht, das Zeug auf meinem Bauch hat gerade begonnen einzutrocknen und zu zwicken. J , jetzt kann ich es abwaschen. Dann beginnen wir im Wasser herumzutollen wie kleine Kinder. Tauchen uns gegenseitig unter, versuchen uns die Füße wegzuziehen und uns gegenseitig zu fangen. Als ich unter Wasser zwei Beine sehe, tauche ich mit dem Kopf dazwischen und stehe auf. Vor mir steht Stefan, der sich gerade das Wasser aus dem Gesicht wischt und mich ansieht.
Vor mir steht Stefan er sich gerade das Wasser aus dem Gesicht wischt und mich ansieht, ich habe Klaus erwischt. Er thront auf meiner Schulter und ruft „Heeyyy – dat taugt ! Hopp Hopp schneller!“ Ich schau Stefan fragend an, er nickt und ich lass die Beine von Klaus einfach los, beuge mich leicht nach hinten und schieb an den Fersen an. Mit einem lauten Schrei und einem großen Platsch landet er hinter mir im Wasser. Stefan und ich prusten los.
„Fair war das nich’!“ Klaus ist spuckend aus dem Wasser wieder aufgetaucht.
„Nö, aber lustig!“ grinse ich ihn an.
„Na warte!“ Er versucht mich unterzutauchen, aber dann kommt mir Stefan zur Hilfe. Wir toben einige Zeit herum und auf einmal läuft jeder jedem nach und wir bewegen uns im Kreis. Einem Kreis der immer enger wird und bis wir nur noch einen halben Meter auseinander sind. Als hätte jemand HALT gerufen, bleiben wir stehen und schauen uns abwechselnd an. Das Wasser geht uns gerade bis zum Bauchnabel und die Wellen sind gerade so hoch, dass uns die höchsten bis zur Brust reichen. Stefan schaut mich an und ich ihn, dann nickt er ganz leicht in Richtung Klaus, während der schon langsam auf uns zugeht. Wir gehen auch vorsichtig in seine Richtung, aber Klaus bleibt auf einmal stehen und starrt auf den Strand „Scheiße – nur das jetzt nicht!“ flüstert er ganz leise.
Am Strand steht Jürgen, den Mund zusammengekniffen und die Hände zu Fäusten geballt. Er ist nur Zorn und Wut. „Shit!“ sagt Stefan relativ laut und ich habe schon Angst, dass Jürgen das gehört haben könnte.
„Probleme?“ frag ich ziemlich unnötiger Weise unnötig.
„Ja – und jetzt gibt’s ordentlich Zoff“ presst Klaus zwischen Zähnen hervor. Er stapft hinaus auf den Strand zu Jürgen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine ziemlich heftige Diskussion, die zuerst leise ist und dann immer lauter wird. Stefan und ich stehen im Wasser und wissen nicht was tun.
Nichts wie weg, denken wir uns, und fangen wir an aufs Meer hinaus zu schwimmen.
„Schöne Scheiße das…“ fängt Stefan an, während die beiden hinter uns immer lauter werden.
„Bist du mein Vater – oder was? Seit wann kannst du mir vorschreiben was ich tun und lassen soll?“ hören wir Klaus jetzt ziemlich deutlich. Seine Stimme trägt weit über das Wasser, während wir nicht verstehen, was Jürgen sagt.
„Das bist du nicht! Und das haben wir schon ein- für allemal geklärt! Also führ dich auch nich’ so auf!“ Klaus wird immer lauter. Dann schreit Jürgen wieder was, was wir nicht verstehen und alles als letztes „Verpiss dich doch du alte Tunte!“ das war Klaus. Man hat ihn sicher bis in unser Hotel gehört, so wie er gebrüllt hat. Ich gehe von gemächlichem Brustschwimmen auf Kraul über, damit ich nichts mehr höre. Ich sehe das Stefan neben mir mitzieht. Nach ein paar Minuten halte ich dann an und sehe mich um in Richtung Strand, aber dort ist nichts mehr. Klaus ist fort und Jürgen stapft wütend Richtung Uferpromenade, vorbei an der Kantine.
Ein paar Meter hinter mir hat Stefan auch haltgemacht und sieht in Richtung Strand.
„Die Luft scheint rein zu sein!“ ruft er mir zu.
„Denk ich auch – schwimmen wir zurück?“
„Ja – ich hab eigentlich genug für heute!“
Wir schwimmen gemächlich zurück zum Strand und als wir zu unseren Handtüchern kommen seh ich zwei Dinge: Erstens einen ziemlich großen und ziemlich auffallenden Fleck auf meinem Handtuch und dann Klaus, der auf seinem Handtuch sitzt und ziemlich wütend dreinschaut.
Als er uns sieht schaut er auf.
„Hi Jungs. Tut mir schrecklich leid die Szene, aber Die Szene tut mir schrecklich leid, mir sind einfach die Nerven durchgegangen!“
„Nicht böse sein, aber das hat man bis aufs Meer hinaus gehört!“ sage ich, während ich unauffällig mein Handtuch gegen das Ersatztuch in der Sporttasche tausche und mich dann damit abtrockne.
„Scheiße, ich mag ihn ja, aber manchmal könnte ich ihn…“
„Geht uns ja nichts an, aber was war das eigentlich?“ fragt Stefan unter seinem Handtuch hervor, während er sich die Haare abrubbelt.
„Das? Das ist langsam Normalzustand bei uns. Er geht immer noch davon aus, dass vielleicht mehr ist, als ich es will“
„Und ist da mehr?“
Klaus schaut Stefan mit einem Ausdruck an, der einfach nicht zu deuten ist.
„Nöö – schon lange nicht mehr. Und bevor eine von euch Nasen fragt: Ja, ich war mal mit ihm in der Kiste. Vor fünf Jahren – und ich bereu ’s heute noch.“
Mein Magen knurrt laut und vernehmlich und erinnert mich daran, dass ich ordentlich Hunger habe.
Stefan schaut mich an und grinst. „Stimmt ja – DU hast ja seit dem Frühstück noch nichts gegessen!“
„Ferkel!“
„Ja, aber ein süßes – oder?“ Dabei klimpert er mich mit den Wimpern an.
Das bricht denn Bann, wir müssen alle drei lachen.
„Ich MUSS was essen Leute, oder ich sterbe!“
Stefan fängt an unsere Sachen in die Tasche zu packen und meint „Vorschlag: wir gehen was einkaufen und zaubern uns im Bungalow was für ’s Abendessen – wie wäre das?“
Klaus schaut auf die Uhr „Dann müsst ihr euch aber sputen – die Läden machen bald dicht. Zumindest die, wo ihr was Vernünftiges bekommt!“
Eigentlich fände ich es nett, wenn Klaus mitkommen würde, aber wie soll ich Stefan fragen? Ich schau ihn also an und er sagt nur „Klar doch!“ zu mir. Er liest in mir, wie in einem offenen Buch. Ich bin baff.
„Was ist? Willst du mitkommen? Wär’ doch sicher lustig!“ fragt Stefan ihn, bevor ich was sagen kann. Komischerweise wurmt mich das, dass er die Frage gestellt hat.
Die Miene von Klaus erhellt sich richtig und man sieht, dass er sich freut. „Eh – wenn ich darf – aber gerne doch! Eine Bedingung“
„Und die wäre?“ frag ich
„Ich kaufe ein und ich koche!“
„Du kannst kochen?“
„Hab ich vergessen zu erwähnen, dass ich von Beruf Koch bin?“
„Koch mit Abi – nicht schlecht Herr Specht!“ feixt Stefan.
„Soll’s geben!“ grinst Klaus retour.
Wir trollen uns Richtung Bungalow. Dort werfen wir unser Zeug schnell in eine Ecke und gehen dann einkaufen. Klaus kauft ein als müsste er eine Kompanie versorgen: Fleisch, Fisch, Gemüse, Gewürze, Rotwein und Säfte. Er zahlt dann die nicht ganz unbeträchtliche Rechnung mit Kreditkarte. Ich kann es mir nicht verkneifen und schau auf den Namen auf der Karte ‚Klaus-Dieter Stilbs’ steht dort ganz deutlich. Irgendwie hab ich gerechnet, dass Jürgen Irgendwas draufsteht.
Während sich Klaus ans Kochen macht, duschen Stefan und ich noch schnell und ziehen uns was Frisches an.
Ich hab nicht genau gesehen was er macht, aber er hat Gemüse, Fleisch und Fisch gewaschen und geschnitten und zwar Unmengen davon, Wasser aufgesetzt und am Herd was gebrutzelt.
Nachdem er die größte unserer Pfannen ins Rohr und einen Topf auf den Herd gestellt hat, fragt er uns ob er auch Duschen darf. No na ned – auf gut Wienerisch.
Wir haben inzwischen die erste Flasche Rotwein aufgemacht und schon das eine oder andere Glas getrunken. Der Alkohol steigt mir ziemlich schnell in den Kopf. Kein Wunder, sehr wenig geschlafen, den ganzen Tag Sonne und so gut wie nichts gegessen.
Während Klaus in der Dusche ist, leg ich mich aufs Bett und schau durch das offene Fenster in den Park hinaus. Stefan kommt zum mir und legt seinen Kopf auf meine Schulter.
„Du weißt, worauf das alles hier hinzielt?“ rausläuft
„Natürlich – bin ja nicht dumm!“
Er fährt mir mit der Hand unter das Shirt und beginnt meinen Bauch zu streicheln. „Mein kleines geiles Schweinchen!“
„Da redet wer – darf ich dich an die Szene am Strand erinnern?!“
„Jaaaa – aber geil war’s schon!“ er küsst mich am Hals – ganz leicht und knabbert mir am Ohrläppchen, weil er weiß, dass mich das wahnsinnig macht.
„Sexmonster!“
„Jajajajajaja!“
Ich lache und dreh mich zu ihm und irgendwie sind wir beide aus den Shirts draußen und wälzen uns am auf dem Bett, als eine amüsierte Stimme meint „Na, welche Art von Benehmen soll denn das sein? Laden sich Gäste ein und hüpfen in die Kiste, sobald die mal duschen sind“
Stefan und ich sehen rüber zu Klaus. Er steht da, nur schnell das Handtuch um die Hüften geschlungen, an den Türrahmen zum Schlafzimmer gelehnt und die Arme verschränkt. Er lächelt uns an.
„Tut mir leid euch zu unterbrechen, aber in zehn Minuten gibt’s Essen!“
Wir sehen uns etwas verdutzt an, rappeln uns aber auf und gehen nach draußen.
Klaus hat inzwischen den Tisch gedeckt, irgendwoher hat er sogar zwei Kerzen aufgetrieben. Die große Terrassentür ist offen und eine leichte, kühle Brise weht durch das Zimmer.
Stefan und ich setzen uns nieder und schauen uns nur verdattert an.
Als ersten Gang gibt es eine Bouillabaisse und als Hauptgang Paella. Es ist erstens unglaublich gut und zweitens unglaublich viel. Nach der Paella bin ich voll bis zum Rand und kann kaum noch reden.
„Ich muss mindestens zwei Wochen verschärftes Training machen um das wieder wegzukriegen!“ stöhnt Stefan.
Klaus lacht „Erstens hat das alles gar nicht so viele Kalorien und zweitens habt ihr das bei eurem Sexualleben in Null komma Nix wieder weg!“
Ich schau Stefan an und muss lachen, er wird aber eher rot! Er – MEIN - Stefan, der sich nicht scheut mir am Strand einen runterzuholen, wird bei so einer Aussage rot. Ich fasse es nicht!
Wir sitzen am Tisch und blödeln herum, trinken Rotwein und reden über Gott und die Welt. Irgendwie frage ich mich langsam, wie das weitergehen soll. Der Wein steigt mir in den Kopf und die Müdigkeit legt sich langsam schwer über mich.
Klaus steht auf räumt die Teller ab. Stefan und ich wollen aufstehen um ihm zu helfen
„Nix da, ihr bleibt sitzen – gleich kommt der Nachtisch!“
„Nachtisch??“ Stefan und ich rufen es gleichzeitig. „Ich kann nicht mal mehr PAPP sagen“ stöhnt Stefan.
„Moooment“ sagt Klaus und verschwindet in die Küche.
„Und ich dachte, ER wäre der Nachtisch!“ flüstere ich leise!
„Triebmensch!“ lacht mich Stefan an.
Als er zurückkommt, hat er sein weißes T-Shirt an und eines der weißen Tischtücher mit einer Schnur wie eine Kellnerschürze umgebunden. Auf den Händen balanciert er drei Teller mit Eis und Früchten drum herum. Er stellt uns die Teller hin und schaut kurz auf den Tisch „Hab ich doch was vergessen!“ Er dreht sich um und geht in die Küche. Da sehen wir, das er unter der ‚Schürze’ nichts anhat und sein Hintern frei ist.
Stefan und ich prusten los. Klaus kommt zurück und gießt aus einer Flasche was über das Eis und die Früchte „Grand Marnier – das Tüpfelchen auf dem i“ sagt er, nimmt ein Feuerzeug und zündet das Ganze an. Es brennt mit einer ruhigen blauen Flamme ab und als sie ausgeht essen wir das auch noch auf. Nun sind wir wirklich satt und lümmeln uns auf die Sessel. Klaus steht auf, stellt sich zwischen uns und legt jedem eine Hand auf die Schulter „Uuund hat’s geschmeckt?“ fragt er scheinheilig. „Und wie!“ meint Stefan und wir geben uns wie auf ein Zeichen hinter ihm die Hände und legen sie dann auf je eine seiner Arschbacken.
„Wie ungezogen!“ sagt er noch leise und dann beugt er sich runter und küsst zuerst mich und dann Stefan auf den Mund.
„Danke noch mal ihr zwei!“
„Wofür denn? Was haben wir schon groß getan?“ möchte ich wissen
„Sag ich euch später! Aber jetzt zeige ich euch WIE dankbar ich bin.“ Er zieht uns von den Sesseln hoch und bugsiert uns in Richtung Schlafzimmer.
Sehr viel später liegen wir im Bett. Stefan links und Klaus rechts von mir. Beide schlafen tief und fest. Ich bin zwar immer noch total fertig, kann aber nicht schlafen. Die letzten Stunden gehen mir nicht aus dem Kopf. Irgendwann stehe ich leise und vorsichtig auf, damit ich die beiden nicht wecke und gehe Richtung Terrasse. Die Kerzen auf dem Esstisch sind von selbst ausgegangen.
Ich setzte mich auf einen der beiden Stühle und schaue aufs Meer hinaus, das man durch die Bäume und Palmen sehen kann.
Tief in Gedanken versunken sitze ich da, als ich auf zwei Hände auf meinen Schultern spüre, die mich leicht massieren. „Na Kleiner – kannst du nicht schlafen?“
„Nöö – viel zu aufgedreht. Wenn das so weitergeht, brauch ich Urlaub nach dem Urlaub!“
Stefan küsst mich hinten auf den Nacken. „Ich weiß ganz genau, was du meinst!“
„Hab ich dich aufgeweckt?“
„Ne, war sowieso munter, als du raus bist.“
Stefan sagt lange nichts, aber wir kennen uns inzwischen so gut, dass ich genau weiß, wenn was los ist.
„Was hast du denn?“
„Wieso sollte ich denn was haben?“
„Ich kenn dich viel zu gut. Irgendwas ist los! Red schon“
„Ist wegen Klaus“
„Was ist mit ihm – ist doch ein ganz Netter!“
„Eben, der ist viel zu nett um wahr zu sein.“
Mir kommt ein ganz ein blöder Gedanke. „Bärchen, sag ja nicht, du hast dich in ihn verknallt!“
Ich spüre wie er mit den Händen von meinen Schultern weg zuckt.
„Wie … was. Wie kommst du denn darauf?“
„Ich weiß nicht. Aus dem Bauch heraus gesagt“
Er legt mir jetzt die Arme um die den Hals „Ich liebe nur dich! Ganz alleine dich auf der großen weiten Welt, aber wenn es dich nicht gäbe, ja – dann würde ich mich wahrscheinlich in ihn verknallen.“ Er küsst mich auf den Nacken.
„Ja, stimmt schon. Er ist süß, freundlich, charmant, zuvorkommend, SEHR gut aussehend und im Bett ist er ein geiles Stück! Also so ziemlich alles was ich nicht habe.“
„Du Arsch – was redest für einen Stuss daher? Das alles hast du doch auch! Und außerdem bist du im Bett die irrste Rakete, die ich kenne. Ihn eingeschlossen. Mach dich bitte nicht selbst schlecht.“
Ich weiß nicht warum, aber auf einmal hab ich eine irre Angst um Stefan, dass ich ihn verlieren könnte, dass ihn ein anderer mir wegschnappt.
„Küss mich“ flüstere ich „küss mich sofort!“
Stefan geht um den Stuhl herum, setzt sich auf mich und schlingt die Arme um meinen Hals.
Wir küssen uns wie noch nie zuvor und auch wenn ich schon geglaubt habe, ich könnte heute nicht mehr, bekomme ich doch fast sofort wieder einen Ständer. Stefan spürt es natürlich und fährt mit seinem Becken so lange hin und her und vor und zurück, bis ich merke was er will. Ich greife mit Hand nach vorne und halte meinen Schwanz die richtige Position. Stefan spürt es und lässt sich langsam nach unten sinken. Ich weiß nicht wie lange es dauert, aber Stefan macht immer genau die richtigen Bewegungen im richtigen Tempo und dann komme ich wie verrückt und spüre im gleichen Moment, wie mir etwas von unten gegen das Kinn klatscht.
Schwitzend und keuchend klammern wir uns aneinander während auf einmal von irgendwo aus dem Park jemand „Ruhe – kann man in diesem Kaff eigentlich nie schlafen!“ schreit. Zuerst sind wir baff und dann beginnen wir zu Lachen. Mit Klaus vorher war es irre geiler Sex, aber das jetzt war der schönste Sex bisher in meinem Leben.
Als wir ins Bett zurückkommen meint Klaus nur schlaftrunken „Also ihr beiden bekommt ja wirklich nie genug!“
„Hast du etwa was mitbekommen?“
„Die ganze Stadt bis zur Burg hinauf muss das gehört haben!“ murmelt er ins Kissen.
„Ich hab dir immer schon gesagt – du bist einfach zu laut!“ feixt Stefan zu mir rüber!
„Sonst beschwerst du dich nie!“
„Ruhig ihr zwei!“ von Klaus kommt ein Polster geflogen, der geht aber meilenweit vorbei „kommt ins Bett und gebt Frieden!“.
Irgendwann wache ich dann auf, weil ich mal aufs Klo muss, aber es liegen nur Stefan und ich im Bett. Klaus ist weg.
Im Wohnzimmer liegt ein Zettel ‚Guten Morgen ihr zwei Süßen. Muss mal in mein Hotel – sehen uns am Strand. Tausend Küsse. Klaus’.
Ich geh wieder ins Bett. Stefan schaut sich um „Wo iss denn Klaus?“
„Hat einen Zettel dagelassen. Musste in sein Hotel. Will uns später am Strand treffen.“ Murmel ich schon halb im Schlaf. Stefan dreht sich zu mir und kuschelt sich an mich. So schlafen wir ein. Das Leben ist toll, nein es ist wundervoll, auch falsch – ES IST EINFACH GROSSARTIG!
Stefan rüttelt mich. „Schatz – aufwachen!“
Ich versuche irgendwie meine Augen aufzumachen. Es ist finster und irgendwer trommelt auf oder in meinem Kopf herum.
Langsam komm ich irgendwie wieder zu mir. Es ist wirklich finster, aber das Trommeln kommt von außen. Es regnet nicht, es schüttet in Strömen und riesige Tropfen prallen vom Dach des Bungalows ab.
Ich habe einen veritablen Muskelkater und mein Kopf ist ungefähr fünfmal so groß wie sonst. Hoffentlich passt er durch die Tür. Außerdem habe ich an Körperstellen Schmerzen, wo sie eigentlich nichts verloren hatten. Wieso schmerzt mir mein verlängertes Rückgrat bloß so?
„Wir haben Besuch – kommst du raus?“
„Wie spät ist es denn überhaupt?“
„Kurz nach eins!“
„Mitten in der Nacht – was soll das?“
„Ein Uhr Mittags – Dolm!“
Langsam wälze ich mich aus dem Bett. Herr im Himmel, was hab ich nur angestellt. Mir tut wirklich ALLES weh. Haben wir gestern trainiert? Und wenn ja, was für eine Art von Training war das um Gottes Willen. Es dämmert so langsam, was gestern war. Der Rotwein beim und nach dem Essen erklärt den Zustand meines Gehirns und was danach war, na ja das kommt erst so allmählich wieder in mein Bewusstsein. Jesus, was haben wir gestern bloß aufgeführt?
Ich schwanke ins Wohnzimmer.
„Hi Davy“ Ich blinzle in die Richtung aus der die Stimme kommt. Dort sitzt Klaus und sieht vollkommen frisch aus. Erschreckend frisch!
„Kleiner – wenigstens eine Short hättest du dir anziehen können!“
Ich bin tatsächlich nackt! Aber was soll’s, nach dem, an was ich mich erinnere, macht das wohl kaum einen Unterschied.
„Würde ich ja, wenn ich mich bücken könnte! Mir tut alles weh. Was zur Hölle haben wir gestern aufgeführt? Hallo Klaus“
Klaus und Stefan schauen sich an und lachen. „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du das alles wirklich wissen willst!“ sagt Stefan und nimmt einen Schluck aus einer Kaffeetasse. KAFFEE ! Das ist es. Ich laufen hin und nimm ihm die Tasse aus der Hand und nehme einen tiefen Schluck.
„Bääähhh Tee!“
Wieder lachen die Beiden und ich lass mich in den Sessel fallen. Aber der Schmerz schießt von meinem Hintern nach oben. „Auuutsch!“ ruf ich, heb mich ein wenig von der Sitzfläche um mich vorsichtiger noch mal hinzusetzen.
„Was war denn das?“
„Das gehört zu dem Teil, an den du dich sichtlich nicht mehr ganz erinnern kannst!“
Ich werde knallrot „Versteh ich nicht – Stefan, du hast doch schon öfter…“ langsam dämmert mir was und ich drehe meinen Kopf langsam zu Klaus. Der lächelt nur und nimmt einen Schluck aus der Tasse. Das finde ich nun gar nicht gut – was hab ich bloß getan? Die Absprache für Dreier zwischen Stefan und mir lautete doch „… und nicht von einem anderen ficken lassen, dass gehört nur uns zwei…“. Mir ist auf einmal ein wenig übel. Ich schau Stefan an und hab ein verdammt schlechtes Gewissen. Sein Blick ist verwirrt. „Was ist denn jetzt los? Warum schaust du denn auf einmal wie vom Donner gerührt?“ Er beugt sich zu mir vor und streicht mir mit der Hand über die Wange. „Hey Kleiner, alles in Ordnung?“ Er ist wirklich besorgt. Ich fasse es nicht! Müsste er nicht wütend sein, schreien, toben oder zumindest traurig sein?
„Aber … wir hatten doch abgemacht… nie … ein anderer…“ Ich stottere irgendwas zusammen, von dem ich selber kaum den Sinn verstehe. Aber Stefan kapiert sofort.
„Ach deswegen regst du dich auf!“ Er lacht – „ich wollt es doch selber so und eines sage ich dir: es war affentittengeil da zuzuschauen! Also mach dir deswegen keinen schweren Kopf. Es ist wirklich in Ordnung.“
Puuhhh – mir fällt ein Stein vom Herzen. Und es unglaublich, was für einen tollen Freund ich habe.
Klaus hat mir einen Kaffee gemacht und mir hingestellt. Langsam geht es mir besser.
„Das Wetter ist ja ziemlich bescheiden,“ sag ich irgendwann „was machen wir heute?“
„Alsooo„ fängt Stefan an „zuerst dachte ich an ein kleines Training, ein bisschen Laufen, ein wenig Zirkel und dann ein paar Griffübungen“. Ich muss derart blöd dreinschauen, dass Klaus vor Lachen fast seinen Tee verschüttet und laut losbrüllt. Im Gesicht von Stefan sehe ich zuerst gar nichts, doch dann zucken seine Mundwinkel und schließlich beginnt auch er zu lachen.
„Nöö – war ein Scherz. Klaus hat einen Vorschlag. Deshalb haben wir dich auch aus den Federn geholt.“
„Ich bin bei einem Freund eingeladen, wenn ihr wollt, könnt ihr mitkommen“
„Und wo ist das?“
Klaus drückt ein wenig herum.
„Na ja, die Finca, wo wir hinfahren würden ist gemietet und nicht gerade in der Nähe.“
„Und wo ist da das Problem?“
„Dauert ungefähr ne Stunde bis wir dort sind!“
„Dann glaub ich, ich brauch mal eine Dusche!“ langsam dreh ich mich aus dem Sessel und schleiche in die Dusche.
„Mach nicht zu lange Schatz!“ ruft mir Stefan noch zu.
Nach nicht einmal einer halben Stunde bin ich wirklich fertig und wir können fahren. Klaus hat einen Mietwagen besorgt. Nichts Besonderes, aber er reicht völlig aus.
Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und die Luft ist dick und schwül. Während der Fahrt reden wir endlich mal. Irgendwie geht es mir ganz gut, Klaus und Stefan haben mich zwar auf den Rücksitz verfrachtet, damit ich ‚vielleicht noch ein wenig pennen kann’, aber eigentlich bin ich wieder putzmunter.
„Klaus, du hast uns gestern was versprochen! Weißt du noch?“
Ich hab meinen Kopf zwischen den beiden Vordersitzen und red einfach drauflos.
Klaus schaut mich durch den Rückspiegel an „Hm? Was meinst du?“
„Na, nach dem Essen – du wolltest uns sagen, wofür du uns dankbar bist“
„Stimmt, ja, das interessiert mich jetzt aber auch!“ Stefan schaut Klaus an.
„Warum eigentlich nicht jetzt. Is vielleicht ganz gut so, wenn ich das jetzt kläre!“
Er sagt mal nichts, sondern scheint irgendwie nachzudenken.
Nach ein paar Minuten spricht er weiter.
„Das Ganze hat mit Jürgen zu tun. Das könnt ihr euch ja vielleicht denken. Ich mag ihn, ich mag ihn wirklich, aber durch euch ist mir was klar geworden, an dem ich schon länger herumkaue. Klar geworden stimmt nicht ganz, ich weiß schon länger, wollte aber nie darüber nachdenken. Seit elf Jahren hat er mir alles abgenommen und alles für mich getan. Er war immer da, wenn’s mal Not tat. Mir hat nie was gefehlt, ich hab mich nie um was kümmern müssen. Er hat alles immer für mich klar gemacht. Aber langsam dämmert mir so, was der Preis dafür ist. Ich lebe in einem Käfig, der hat zwar goldene Stäbe, ist aber trotzdem ein Käfig. Jürgen bestimmt alles, Jürgen macht alles. Er entscheidet über mein Leben. Aus lauter Dankbarkeit, hab ich jahrelang alle seinen Launen ertragen, weil ich nichts anderes kenne. Ich habe gelebt, als wäre ich in Watte eingepackt gewesen und es gäbe nichts außerhalb unseres Lebens. Aber mir ist nun klar geworden, dass ich mich hab einlullen lassen die ganze Zeit, damit er nicht alleine ist, und das es auch ein anderes Leben gibt und ich muss nur zugreifen. Ich muss endlich komplett auf eigenen Beinen stehen, meine eigenen Fehler machen und auch dafür gerade stehen wenn was schief geht. Und ich muss auch zusehen, dass ich endlich eigene Freunde und einen Lover finde. Das mir das alles endlich klar ist, dafür stehe ich bei euch in der Kreide. ist es wofür ich bei euch in der Kreide stehe. Ihr habt mich wachgerüttelt.“
Er schweigt zwischen den Sätzen manchmal länger, manchmal weniger lang, beißt sich hin und wieder auf die Lippen oder sucht nach den richtigen Worten.
„Wir haben doch gar nichts dazu getan.“ meine ich schüchtern.
„Oh doch! Alleine wie ihr miteinander umgeht, wie natürlich und ungezwungen und unglaublich glücklich ihr beide mit einander seid, das hat schon gereicht. Ihr seid das Fenster aus meinem Käfig in die Welt hinaus!“
„Sieht man das so sehr, dass wir glücklich sind?“
Klaus grinst „O JA! Und wie!“
Nach einer Stunde Fahrt, kommen wir bei einem niedrigen Haus hinter hohen Mauern an. Wie beschreibt man eine Finca?
Am besten als Bauernhaus mit roten Ziegeln gedeckt und hinter Mauern, Büschen und Bäumen versteckt.
Wir fahren durch ein schmiedeeisernes Tor in den Hof. Ein paar große Autos, ein Kleintransporter und ein Kleinbus stehen herum, aber zu sehen ist niemand.
Wir parken uns ein und gehen zum Eingang. Klaus klopft an und ein Mann so um die 30 macht auf.
„KLLAAAAAUUUUUSIIIIIIIIIIIIIIIIII!“ Er fällt ihm um den Hals und schmust ihn ab.
„Hallo Jens, ich freu mich ja auch dich zu sehen, aber jetzt lass mich mal Luft holen!“
Jens schaut sich um „Wo ist denn Jürgen?“
„Der ist nicht da!“
„Seh ich, aber wo ischer? Im Hotel?“
Klaus schaut auf die Uhr. „Nö – jetzt ist er schon im Flieger Richtung Hamburg!“
„Was? Wo ischer?“ Jens scheint eigenartiger Weise nicht enttäuscht, sondern erleichtert zu sein „Soll ich raten, oder erzählst du was passiert ist?“
„Später! Dürfen wir rein, oder sollen wir draußen stehen bleiben?“
„Ups – sorry! Sicher kommt rein, kommt rein! Und wer sind denn deine jungen Freunde?“
„Stefan und David – wir haben uns am Strand kennen gelernt!“
Jens begrüßt uns und bittet uns ins Haus, bevor ich mich umdrehe, sehe ich noch, wie er Klaus zuzwinkert und mit der rechten Hand den Daumen hochhält.
Drinnen ist es wesentlich angenehmer als draußen, die dicken Mauern scheinen die Schwüle draußen zu halten.
„Wer ist denn noch da? Ich mein, wegen der ganzen Autos draußen.“ fragt Klaus.
„Hm – hab ich das nicht erzählt? Ich hab einen Teil des Anwesens für zwei Wochen vermietet.“
„An wen denn?“
„An Hasso und sein Team.“
„WAS!?“ Klaus bleibt wie angewurzelt stehen.
„Mach jetzt keinen Stress bitte. Er ist ganz okay, wenn man ihn mal kennt und außerdem zahlt er gutes Geld für die paar Tage. SEHR gutes Geld!“
„Hm na ja – ich muss mich ja nicht mit ihm unterhalten.“
„Eben!“ grinst Jens.
„Und halt ihn fern von uns!“
„Jau – ist gebongt!“
Jens hat uns auf eine Terrasse hinter dem Haus geführt, hier weht ein kühler Wind und man hat einen fantastischen Ausblick. Das Haus liegt auf einem Hügel, von der Terrasse führt eine Treppe ein paar Meter hinunter in eine Art Park, wo große, alte Bäume stehen und darüber hinweg sieht man weit ins Land hinaus, bis zum Meer. Zwischen Bäumen ist ein Pool zu sehen um den ein Haufen Leute herumstehen oder hektisch hin und her laufen. Man sieht Scheinwerfer, Kabel und allerlei technischen Kram.
„Drehen sie gerade?“
Jens nickt. „Hasso hat vollen Stress und zickt nur mehr rum. Mikael hat seit einer Stunde einen Hänger und nichts hilft! Hasso dreht durch, weil er dem Drehplan weit hinterherhängt.“ Jens lacht als hätte er einen tollen Witz gemacht.
„Die drehen einen Film?“ Stefan runzelt die Stirn.
„Ja“ Jens grinst als er einen Schluck aus seinem Glas nimmt.
„Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, einen Porno.“ Stefan sieht nicht wirklich glücklich aus dem Gedanken.
„Oh – nicht nur hübsch, sondern auch klug!“ Jens stellt sein Glas ab.
Klaus sieht weniger glücklich drein, als er sein Glas absetzt.
„Ein kleiner Tipp: Haltet euch fern von Hasso! Wenn er euch zwei sieht, wird er alles versuchen euch vor die Kamera zu bekommen!“ nach einer kurzen Pause setzt er nach „Glaubt mir – ich weiß wovon ich rede!“
„Du hast da schon mal mitgemacht?“ Irgendwie turnt mich der Gedanke an, einen Film zu sehen, in dem Klaus mitspielt.
„Ja – und ich rede nicht gerne darüber!“
Irgendwie schade, aber die Botschaft ist angekommen.
Inzwischen hat Jens das Thema wieder auf Jürgen gebracht und Klaus erzählt ihm, was eigentlich geschehen ist, nachdem er uns verlassen hat. So erfahren wir auch, dass es im Hotel noch einen Riesenaufstand gegeben hat; Jürgen zuerst getobt, dann geheult und geflennt und zum Schluss wutentbrannt ausgecheckt und seinen Rückflug organisiert hat. Es fällt aber auf, das Klaus nichts über die Nacht bei uns erzählt. Wir belassen es dabei, denken dass Klaus schon seine Gründe haben wird nicht darauf einzugehen.
Da poltert ein dicklicher Mann die Stufen hoch, er trägt Shorts, die blasse dünne Beine zeigen, ein offenes Hawaiihemd, das einen ziemlichen Bierbauch freigibt.
Er schimpft wie ein Rohrspatz.
„Verflucht noch mal. Einen ganzen Tag kostet mich dieser kleine Wichser! Fickt die ganze Nacht in der Gegend rum und bringt heute keinen hoch! Scheiße verdammte!“
„Nein, nicht das!“ Klaus versinkt in seinem Sessel.
Der Typ, von dem ich annehme, dass es dieser Hasso sein muss, bleibt stehen und sieht uns an.
„Aber Hallo! Was haben wir denn hier?“ säuselt er auf einmal herum. Er kommt auf uns zu und ignoriert Jens vollkommen. „Kläuschen mein Schatz, hast du es dir doch noch anders überlegt? Und was hast du denn da für zwei Sahneschnitten dabei? Ich bin Hasso und wer seid ihr beiden Süßen?“ er streckt uns eine Hand hin, bei der man sieht, dass sie regelmäßig manikürt wird und an jedem der dicklichen Finger steckt ein Ring; am Handgelenk baumelt ein Goldkettchen, ähnlich der dicken Goldkette am Hals.
Klaus antwortet bevor wir dazukommen „Hasso, ich hab’s mir nicht anders überlegt und die beiden werden GANZ sicher nicht bei deinen billigen Filmchen mitmachen! Also lass deine klebrigen Finger von ihnen.“
„Gaaanz ruhig – kein Grund sich aufzuregen. Können die beiden nicht selbst reden?“
„Können wir!“ Stefan runzelt die Stirn und sieht Hasso ganz und gar nicht freundlich an „und Klaus hat Recht, wir werden uns da bestimmt nicht reinziehen lassen!“
Hasso dreht sich indigniert um „Auch andere Mütter haben hübsche Söhne. Jens, kann ich mir mal die Zimmer oben ansehen? Die Szenen am Pool werden heute wohl nichts, wir machen im Haus weiter. Hannes und Markus sind schon ganz geil aufeinander und dieser Hurensohn Mikael bringt’s heute sowieso nicht mehr.“
Jens sieht nicht besonders glücklich drein, als er „Mach nur!“ zu Hasso sagt.
Hasso dreht sich um und brüllt in Richtung Pool „Frank: Baut alles ab – wir ziehen die Hausszene 3 vor.“ Von unten brüllt irgendwer eine Bestätigung zurück. Hasso brummt und geht Richtung Treppe, dreht sich aber noch mal um und sieht zu uns her. „Wirklich schade, ihr drei, was würde das für eine Szene geben!“ Er schnalzt mit der Zunge und geht weiter.
Klaus beugt sich vor „Jens, wie konntest du nur diesen Haifisch hereinlassen?“
„Tja, er zahlt sehr gut – und ich kann das Geld wirklich brauchen. Die Aufträge kommen nicht mehr so rein wie früher.“
„So schlimm?“
„Ich nage nicht am Hungertuch – noch nicht, aber es war schon mal wesentlich besser. Aber genug jetzt von mir, woher hast du denn deine neuen Freunde?“
„Wie gesagt, hab ich am Strand kennen gelernt. Wir haben uns ziemlich schnell angefreundet!“
„Und Jürgen war darüber sicher nicht glücklich. Jetzt wird mir einiges klar. Musste ja eines Tages so kommen!“
„Was meinst du?“
„Das du dich abnabelst. Ich hab Jürgen schon öfter gesagt, dass er dir dein eigenes Leben lassen muss, sonst verliert er dich ganz. Scheint so weit zu sein. Na ja, wer nicht hören will muss fühlen!“
„Da hast das gewusst? Mir ist das erst die letzten Tage klar geworden.“
„Junge, ich bin vielleicht keine Zwanzig mehr, aber hab noch lange keinen Altersschwachsinn!“
Jetzt beginnt eine ganze Karawane von Typen bei an uns vorüber zuziehen, beladen mit allem Möglichen. Kabeln, Scheinwerfer, Kameras, Stühlen und allen anderen Kram und bringen alles in den ersten Stock.
„Ich würde vorschlagen, wir gehen zum Pool runter. Geht schon mal vor, ich hol noch was zu trinken.“
Wir sitzen am Pool, bis es dunkel ist, planschen im Pool herum, essen eine Kleinigkeit, trinken und reden. Irgendwann, senkt sich die Müdigkeit, die ich bis jetzt ja nur unterdrückt habe, wie eine Decke auf mich und ich kann kaum noch meine Augen offen halten. Ich merke kaum, wie mich Stefan und Klaus zum Wagen bringen und wir zurückfahren. Kaum sind wir losgefahren, schlafe ich ein. Beim Hotel angekommen verabschiedet sich Klaus. Er muss auch mal ‚wirklich schlafen’ und wir verabreden uns für morgen am Strand. Eine halbe Stunde später, schlafe ich in den Armen von Stefan wieder ein.
Drei Tage später muss auch Klaus abfliegen. Wir bringen ihn zum Flughafen und als zur Passkontrolle geht bleibt er noch mal kurz stehen und nimmt uns in den Arm.
„Ich hab euch beide sehr gern! Ich melde mich in spätestens zwei Wochen bei euch!“ ruft er und verschwindet Richtung Gate.
Di, 27. Juli
Die nächsten Tage vergehen wie im Flug und der Tag des Rückfluges rückt immer näher es rückt der Tag des Rückfluges immer näher.
„Heute gehen wir essen und zwar auswärts und nicht im Hotel!“ verkündet Stefan am Nachmittag.
„Aha – und wieso?“ Ich weiß ganz genau warum, aber ich stell mich dumm. Heute ist Jahrestag. Vor einem Jahr, da haben das erste Mal miteinander geschlafen. Ich hab schon in Wien was für Stefan besorgt. Einen Anhänger mit Kette – aus Silber. Er sieht aus wie eine Münze und auf der Rückseite ist ‚In Love! Now and for ever’ eingraviert. Ich hab das Geschenk schon in Wien ganz unten in meinem Koffer versteckt.
„Weil mir danach ist, du Schlaumeier!“
„Zu Befehl Sir!“
Wir gehen ins Ca’s Mila. Stefan hat einen Tisch auf der Terrasse, fast am Meer reserviert.
Wir sind gerade mit dem Nachtisch fertig, als er endlich anfängt. Ich sitze schon den ganzen Abend auf glühenden Kohlen und warte, bis er das Thema auf den Jahrestag bringt.
„Mein lieber Schatz, der Grund, warum wir heute hier sind, ist ganz einfach. Ich hab heute vor einem Jahr den liebsten, besten, nettesten und unglaublichsten Menschen gefunden, den man sich vorstellen und wünschen kann. Ich könnte noch hundert Jahre suchen, aber ich würde nie jemand finden, der dir auch nur annähernd gleichkommt. Das ist ein Tag den man feiern muss. Alles Liebe zum Jahrestag!“ Damit holt er ein Päckchen aus seiner Jackentasche und legt es auf den Tisch.
„Da muss ich dir widersprechen!“ Stefan schaut mich groß an.
„W…was?“
„ICH habe damals den liebsten, besten, nettesten, hübschesten Freund gefunden, den man sich nur wünschen kann. Und dir auch alles Liebe zum Jahrestag!“ damit lege ich mein Päckchen auf den Tisch.
Er macht ein so dummes Gesicht, das ich lachen muss.
„Du hast es nicht vergessen?“ Er sieht so unglaublich glücklich aus, dass ich ihn am liebsten gleich hier abschmusen möchte.
„Dummkopf – wie könnte ich?
In meinem Paket ist ein Ring aus Gold und Platin. Innen eingraviert steht ‚In Liebe D+S 21.7.1992’.
Kurze Zeit später gehen wir über den Strand zurück in den Bungalow. Am letzten Abend sehen wir uns den Sonnenuntergang an und kuscheln uns bis spät in die Nacht am Strand aneinander. Es ist wie in einem kitschigen Film.
Wir wollen beide nicht weg hier. Es soll immer so bleiben.
31.Juli 1992
In Wien angekommen, ist das erste, dass uns Paps nicht abholt. Ich rufe zu Hause an, aber es ist niemand da. Wir nehmen also ein Taxi und fahren als erstes zu mir. Das Haus ist dunkel. Drinnen sieht es aus, als wäre seit Tagen keiner mehr da gewesen. Ich beginne mir echte Sorgen zu machen und rufe Maria an. Bevor ich aber noch fertig gewählt habe, läutet es an der Tür. Maria steht draußen.
Ich will ihr schon um den Hals fallen, als ich merke, wie ernst sie drein schaut.
„Davy, ich muss dir was sagen! Lass uns aber bitte zuerst reingehen.“
Mir wird schlecht und ein ganz mieses Gefühl kriecht meine Wirbelsäule hoch.
Paps ist tot.
Herzinfarkt vor zwei Tagen.
Gestern ist er im Krankenhaus nach einem zweiten Infarkt gestorben.
Es zieht mir den Boden unter den Füßen weg.
Ich bekomme von den nächsten Tagen so gut wie nichts mit. Meine Großeltern kümmern sich um mich, versuchen es zumindest. Stefan ist immer da. Er und Maria sind die einzigen Menschen, die an mich rankommen. Das Schlimmste ist, ich kann nicht weinen. Nichts. Nada. Der Schmerz sitzt wie ein Knoten in meiner Brust und kann nicht raus. Er war nicht mein richtiger Vater, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meinen echten Vater mehr geliebt hätte. Mein echter Vater war Soldat in der US-Armee. Mutter hat ihn in Deutschland kennen gelernt. Sie hat mir erzählt, dass er sie betrogen hat und deshalb hätten sie sich getrennt. Ihre Schwestern und meine Großeltern erzählen die Geschichte allerdings ganz anders. Er hatte große Schwierigkeiten gehabt, die Erlaubnis zu bekommen, dass sie heiraten können. Damals, Mitte der 70er, war es nicht leicht für einen US-Amerikaner, der dazu noch Soldat ist, eine Deutsche oder Österreicherin zu heiraten. Das US Militär und das US-Außenministerium mussten einverstanden sein. Dazu wurde aber die Familie der Braut genau durchleuchtet. Da mein Großvater im zweiten Weltkrieg gekämpft und vor allem danach eine zeitweise sehr kritische Haltung zu den Amerikanern und er hat nie mit seiner Meinung hinterm Berg gehalten hatte, war es sehr schwer diese Erlaubnis zu bekommen. Aber er bekam sie.
Ich war damals ein Jahr alt und lebte mehr oder weniger bei meinen Großeltern.
Meine Mutter war damals krankhaft eifersüchtig. Sie hatte ihm das Leben zur Hölle gemacht und bei jeder Gelegenheit bis spät in die Nacht mit ihm gestritten. Oh, wie ich das kenne!
Als er eines Tages mit der schriftlichen Erlaubnis kam, wollte er eigentlich mit ihr feiern, aber sie hatte wieder eine Ihrer Phasen und im Streit hat sie die Papiere zerrissen. Das war dass das Ende. Meine Tante hat mir erzählt, dass er am nächsten Tag stundenlang bei meinen Großeltern geweint hat. Vielleicht bin auch ich deshalb so nah am Wasser gebaut? Wer weiß denn schon, was noch alles erblich ist.
Mein Vater hat daraufhin seine Versetzung zurück in die Staaten veranlasst und ist auf immer aus Europa verschwunden.
Stefan hat seinen Wagen bekommen. Ich versuche mich mit ihm darüber zu freuen, irgendwie geht es aber nicht – ich bin wie in Watte gepackt, alles zieht wie in einem Film an mir vorbei.
Das Begräbnis geht wie im Traum vorüber. Mutter ist auch da, aber ihre Trauer hält sich stark in Grenzen. „Du ziehst natürlich wieder zu mir.“ Das ist alles was sie zu mir sagt.
Vorerst wohne ich im Haus meines Vaters, da kann ich allerdings nicht ewig bleiben, denn es ist nur gemietet und die Miete ist nur bis Ende August gezahlt und dann muss ich raus. Mit der Hilfe von Stefan und Maria verkaufe ich das Mobiliar an einen Trödler und in zwei Wochen wird alles abgeholt.
Was übrig bleibt, kann ich bei Maria im Keller einlagern.
Maria, Chris, Stefan und ich sitzen bei Maria zu Hause im Garten. Es ist ein warmer Abend und die Sonne ist schon untergegangen. Es fällt Licht aus dem Wohnzimmer auf die Terrasse, ansonsten ist es dunkel.
„Is doch klar, du ziehst zu mir!“ für uns ist das vollkommen klar, als Stefan das sagt. Maria und Chris werfen sich einen seltsamen Blick zu und Chris nickt Maria zu.
„Was ich jetzt sage, wird dir nicht gefallen Davy, aber hör mir zumindest einmal zu!“ sagt Maria leise.
Ich bin bei Gott nicht in der Stimmung um zuzuhören, aber ich sage mal nichts!
„Ihr solltet euch das vielleicht doch noch einmal überlegen.“
„Was? Wieso? Soll ich vielleicht zu meiner Mutter zurückziehen? Du spinnst ja!“ fahre ich auf
„Bitte hör mir wenigstens zu!“
Stefan nimmt mich am Arm und zieht mich sanft in den Sessel zurück. „Lass sie wenigstens ausreden. Bitte Schatz!“ ich kann meinem Stefan einfach nichts abschlagen, aber ich werfe ihm einen bösen Blick zu. Will er etwa nicht mehr, dass wir zusammenleben?
Maria fährt fort „Es gibt da ein paar Probleme, über die ihr euch vielleicht noch keine Gedanken gemacht habt. Erstens: Du musst mal Matura machen und dann auch noch deinen Dienst beim Heer ableisten. Das heißt, du verdienst zumindest die nächsten zwei Jahre nichts. Wie willst du denn dein Leben bis dahin finanzieren? Oder willst du, dass Stefan alles bezahlt?“
„Ich hab doch das Geld, dass Paps mir hinterlassen hat und aus dem Verkauf der Möbel!“
„Das sind gerade mal etwas über 20.000 Euronen. Was glaubst du denn, wie lange das reicht? Das Leben ist teuer Kleiner. Damit kommst du vielleicht ein Jahr über die Runden, wenn überhaupt. Aber das zweite Problem ist viel schlimmer. Deine Mutter!“
„In vier Wochen bin ich achtzehn. Dann kann sie mich mal!“
„Und dass wird sie hindern, euch und vor allem Stefan Schwierigkeiten zu machen?“
Scheiße daran hab ich noch nicht gedacht.
„Sie kennt Stefan nicht, sie weiß ja nicht einmal wer er ist!“
„Sie kennt ihn vom Begräbnis und hat da schon versucht zu erkundigen, wieso er dabei ist und wie er zu dir steht und wer er überhaupt ist! Sie hat von mir nichts erfahren, keine Sorge!“
Ich werde blass. „Und? Sie kann ja nicht hellsehen!“ langsam verzweifele ich.
„Sie arbeitet bei einer Behörde. Sie kann sich alles an Daten besorgen was sie will. Falls du zu Stefan ziehst, kann sie jederzeit deine Meldeadresse erfahren und dann kennt sie auch den vollen Namen von Stefan. Sie mag ja seltsam sein, aber dumm ist sie nicht. Sie wird irgendwann eins und eins zusammenzählen und die richtigen Schlüsse ziehen.“
Stefan greift nach meiner Hand und drückt sie „Wir stehen dass durch! Es wird einen Weg geben!“
Maria sieht uns beide an und ich sehe Tränen in ihren Augen.
„Stefan, ich wünsche euch beiden alles, alles Gute und nur das Allerbeste, aber ich halte Davy’s Mutter für fähig sogar deine Familie anzurufen, oder ihr einen Brief zu schreiben, wenn sie alles herausgefunden hat.“ Scheisse SCHEISSE SCHEISSE – sie hat recht!
„Was schlägst du vor? Soll ich zu meiner Mutter zurückkriechen, wie ein Tier und mir weiter das Leben zur Hölle machen lassen?“ Ich fühle mich wie ein Bär in einem Käfig und nirgends ist ein Ausweg in Sicht.
„Ich weiß es nicht…“ flüstert sie ganz leise „…ich weiß es wirklich nicht.“
Drinnen läutet das Telefon. Nach dem zweiten Läuten will Chris schon aufstehen, aber dann hört es auf. Der Vater von Maria und Chris ruft nach einer Minute „David – ist für dich. Deine Mutter!“
Das hat noch gefehlt! Ich habe weiche Knie, als ich zum Hörer greife, der auf dem Telefontisch liegt.
„Ja.“ Mehr bringe ich nicht raus.
„Weiß ich doch, wo ich dich finde. Ich wollte nur wissen, wann du gedenkst, wieder heimzukommen?“
Nach Hause? Ich habe kein zu Hause mehr. Das Haus ist weg und das Mobiliar verkauft. Und wenn ich jetzt ein zu Hause habe, dann ist es bei Stefan.
„Was meinst du?“ sag ich stattdessen.
„Stell dich nicht dumm. Wann ziehst du wieder bei mir ein?“
„Gar nicht!“
Ruhe auf der anderen Seite der Leitung. Etwas wie Glas klingt herüber.
„So? Denkst du? Und was glaubst du, wo du wohnen willst? Bei einem deiner komischen Freunde? Ich bin immer noch deine Mutter – schon vergessen? Nachdem dein Stiefvater jetzt tot ist, wirst du gefälligst tun, was ich sage!“ Sie betont das ‚Stiefvater’ als wäre es ein Schimpfwort.
In meinem Rückgrat kriecht eiskalte Wut hoch.
„Ich werde in ein paar Wochen achtzehn! Schon vergessen? Dann kann ich sowieso tun und lassen, was ich will! Und wieso willst du mich anketten? Was zum Teufel bringt es dir, wenn du mich mit Gewalt zwingen willst? Was kann ich dafür, wenn dir die Männer immer weglaufen. Meinen echten Vater hast du bis nach Amerika zurückgescheucht und meinen Stiefvater hast du erst aus dem Haus und dann ins Grab gejagt, als er deine Scheißlaunen nicht mehr ertragen wollte. Bin ich es, der immer mit deinen Freunden streitet oder du? Bin ich schuld, dass du auch dauernd mit der Familie im Clinch liegst? Soll ich jetzt auf ewig dafür herhalten, nur weil ich dein Sohn bin? Ich bin nicht dein Ersatzehemann!“ schreie ich ins Telefon. Maria und Stefan stehen neben mir, während Maria nur bestürzt die Hand vor den Mund gelegt hat und verzweifelt den Kopf schüttelt, hat Stefan die Stirn gerunzelt und mich an der Schulter gepackt.
Es ist kurz still am Telefon. Ohne weiteren Kommentar legt sie auf. Ich zittere am ganzen Körper und hab sogar Schwierigkeiten Luft zu holen. Ich dreh mich um falle Stefan um den Hals und kann endlich weinen. Jetzt löst sich der Knoten und ich lasse alles raus.
Stefan hält mich nur fest und drückt meinen Kopf an seine Schulter.
Viel später liegen wir beim ihm in der Wohnung angezogen auf dem Bett und sagen nichts. Maria hat die Wahrheit gesagt, dass kommt mir immer mehr zu Bewusstsein und ich suche verzweifelt einen Ausweg, aber ich finde keinen. Auch Stefan ist sehr nachdenklich, er liegt neben mir und kaut an der Unterlippe. Wir müssen darüber reden, aber ich finde keinen Ansatz, wie ich anfangen soll.
Am nächsten Tag ruft Maria an und schlägt vor, dass wir alle gemeinsam ins Schafbergbad gehen sollten.
Es hat doch keinen Sinn, sich einzusperren auch wenn man niemanden sehen will. Irgendwie hat sie ja Recht, also fahren wir im neuen Wagen hin. Im Bad ist die ganze Clique versammelt. Norbert, Markus, Ben, Hermann, Ernst, Maria, Chris sogar Karin und Peter sind da. Und Manfred. Als wir ankommen wissen sie natürlich schon was passiert ist und verschonen mich aber dankbarer Weise mit Fragen.
Stefan, Maria und ich legen uns etwas abseits von den anderen auf die Wiese und versuchen eine Lösung zu finden. Obwohl es ein wunderschöner Tag ist, ist seltsamerweise nicht viel los und so gibt es genug Platz. Nach einiger Zeit haben wir ein Dutzend Varianten durchgesprochen und wieder verworfen. Jetzt liegen wir nur nachdenklich da und schwiegen. Plötzlich steht Manfred vor uns.
„Ich habe nachgedacht. Ich hätte vielleicht eine Lösung für euer Problem! Ich sehe das Ganze so: Zu deiner Mutter willst du nicht zurück. Versteh ich. Zu Stefan kannst du offiziell nicht ziehen, sonst zerpflückt deine Mutter euch in der Luft – vor allem ihn. Aus dem Haus musst du in ein paar Wochen raus. Ergo – zieh offiziell bei mir ein – wo du deine Zeit wirklich verbringst, ist doch dann scheißegal! Vater ist nur alle heiligen Zeiten mal zu Hause und das nur für ein, zwei Tage pro Monat und er unterschreibt alles, was ich ihm gebe, also auch deinen Meldezettel.“
Ich staune. Das wäre wirklich eine Lösung für mein Wohnungsproblem!
Ich schaue Stefan an und er starrt Manfred mit unbeweglichem Gesicht an.
„Warum?“ fragt Stefan leise.
„Was warum?“
„Warum würdest du das für uns tun? Du hast doch sicher keinen Grund mir gegenüber so freundlich zu sein.“
Manfred hockt sich vor uns hin.
„Jetzt hör mal zu, du Schlaumeier! Ich tu das sicher nicht für dich – okay?. Ja, ich habe den Kleinen geliebt und ja – ich liebe ihn noch immer. Aber ich sehe, dass er derart glücklich mit dir ist, dass es mich auch glücklich macht, obwohl es bedeutet, dass ich ihn nie zurückbekommen werde! Ich würde alles tun, dass er glücklich ist und ich tue es für ihn. Und bevor du etwas Dummes sagst: Ich werde nichts tun, was eurer Beziehung schaden könnte. Klaro?“
Stefan nickt nur und ich fasse es nicht, was Manfred gerade von sich gegeben hat.
Ich kann nur „Danke“ sagen.
Damit ist es abgemacht. Ich ziehe offiziell bei Manfred und in Wirklichkeit bei Stefan ein. Ich werde bei meinem Schatz wohnen – es wird wenigstens ein Traum wahr!
Bleibt nur die Frage, wie es finanziell weitergeht. Dafür haben wir noch keine Lösung. Und dann ist auch noch das Heer! Ich habe vor ein paar Tagen den Stellungsbescheid bekommen.
„Ich könnte mich bei der Stellung ja so dumm anstellen, dass ich beim Heer untauglich bin.“ Sinniere ich vor mich hin.
Maria und Manfred sehen mich an wie ein Ochs ein neues Tor. „Ganz sicher, dass nehmen sie dir ab!“ sagt Stefan trocken.
Ben hat sich gerade zu uns gesellt und das mitbekommen. „Wir könnten ja am Tag davor einen Kampf machen. Dann hätten sie am nächsten Tag so viel Mitleid mit dir, dass sie dich nie einziehen!“
„Ha ha – selten so gelacht!“ Stefan findet dass wohl gar nicht so lustig, ich aber auch nicht.
Ben wird rot und verzieht sich Richtung Wasser.
Ich muss mal und gehe Richtung WC. Als ich fast dort bin kommt mir mein Cousin entgegen. Wir haben uns zwar immer ganz gut verstanden, sehen uns aber nicht allzu oft, das letzte Mal beim Begräbnis.
„Hallo David! Was machst du denn hier?“
„Hi Michl! Bin hier mit Freunden schwimmen und du?“
„Meine Eltern meinten, dass es eine gute Idee ist mit ihren Freunden hierher zu kommen und Karten zu spielen. Jetzt liegen sie auf der unteren Wiese und spielen schon den ganzen Tag Karten. Ich versuch verzweifelt hier irgendein Mädel aufzutun, aber bis jetzt nix – Gar nix!“ er schaut ziemlich traurig drein. Michael ist 20 und ziemlich groß, blond und gar nicht mal unhübsch, aber er hat einen deutlichen Schwimmreifen um die Hüften und seit ich mich erinnern kann, ist er entweder weiß wie die berühmte Wand gewesen, oder knallrot wie ein Krebs, wenn er denn mal in der Sonne war und mit Sport hat er sowieso nix am Hut.
Im Gegensatz zu ihm bin ich tiefbraun von unserem Urlaub. Er sieht mich von oben bis unten an und pfeift dann leise durch die Lippen „Mein lieber Schwan! So wie du aussiehst, müssten dir eigentlich die Mädls traubenweise an den Fersen kleben. Toll siehst du aus!“
Soll ich ihm sagen, dass ich auf die Girls pfeife? Kurz spiele ich mit dem Gedanken, lass es aber bleiben. „Geht so, aber ich bin in festen Händen!“ sag ich stattdessen.
„War ja zu erwarten dass dich eine krallt und nicht mehr loslässt! Kommst du mit zu meinen Eltern und sagst mal guten Tag?“
Warum nicht, aber ich muss zuerst pinkeln und dann bei Stefan Bescheid sagen. Doppelt?
„Okay, aber ich muss zuerst wohin und dann noch kurz bei meinen Leuten Bescheid sagen!“
Michi beschreibt mir noch kurz wo sie liegen und geht dann in diese Richtung.
Ich erledige schnell mein Geschäft und will kurz Stefan Bescheid geben, aber er schläft. Also bitte ich Maria Stefan zu sagen, wo ich bin und gehe runter.
Meine Tante Katherina und mein Onkel Albert. Sie ist eine liebenswürdige Frau, die allerdings auch recht resolut werden kann, aber nie böse, sondern immer gutmütig, er ist ein Zyniker, allerdings auch von der netten Sorte. Ich mag die beiden. Sie sitzen im Schatten eines großen Baumes mit Freunden von Ihnen, die ich noch nie gesehen habe.
Es gibt eine voll herzliche Begrüßung und ich merke, dass sie sich wirklich freuen, mich zu sehen.
Mein Onkel sieht mich an und dann rüber zu seinem Sohn. „Gut siehst du aus, da könnten sich andere ein Beispiel nehmen!“
Dann reden wir natürlich über die Familie – dass ich mich doch mal bei meinen Großeltern melden sollte, die machen sich große Sorgen, wie es mir geht und wo ich denn jetzt wohne, über meine andere Tante, die endlich ihren Freund heiraten will, was mich wirklich freut und – natürlich – auch über meine Mutter. Dass sie überall Ärger macht und mit fast allen nur zerstritten ist. Sie tut mir in diesem Moment ziemlich leid, aber das wird wieder vom Ärger verdeckt den ich empfinde, wenn ich an die letzten Wochen und Monate denke.
Da schlendern auf einmal Stefan und Maria heran. Sie merken nicht einmal, dass ich in der Nähe bin, sondern scheinen tief in einem Gespräch zu stecken. Stefan schaut ziemlich ernst und Maria redet ziemlich heftig auf ihn ein. Stefan sieht mich und sein Gesicht hellt sich auf, für mich ist es, als würde die Sonne wieder scheinen. Ich habe gar nicht gehört, was meine Tante gerade gesagt hat.
„David? Hörst du mir zu?“
„Entschuldige, hab gerade nicht aufgepasst.“
„Macht ja nichts. Ich hab nur gemeint, dass deine Mutter überall versucht herauszufinden, mit wem du dich herumtreibst, wer deine Freunde sind und so weiter!“
„Sie soll sich bloß aus meinem Leben draußen halten!“ knurre ich.
„Aber sie ist doch deine Mutter!“ meine Tante scheint wirklich erschrocken zu sein über meine Reaktion.
Ich beobachte Stefan und Maria, wie sie weitergehen. Was geht dort bloß wieder vor?
„Dann soll sie sich auch so benehmen! Ich bin weder ihr Eigentum, über das sie verfügen kann, wie es ihr gefällt, noch ihr Ersatzehemann, -freund oder sonst was in dieser Richtung. Ich bin in zwei Wochen 18! Was glaubt sie denn? Das ich bis ins hohe Alter bei ihr wohne und ihre Launen ertrage?“
„Sie ist doch so einsam!“
„Meine Schuld?“ langsam werde ich zornig.
„Nein, natürlich nicht, aber denkst du nicht, dass du ihr was schuldig bist? Immerhin hat sie dich zur Welt gebracht!“ Ich liebe meine Tante, aber Psychologin wäre sie eine lausige. DAS war genau der falsche Satz zur falschen Zeit.
„Ich hab sie nicht darum gebeten. Ich bin ihr nichts schuldig. Nicht mehr.“ sag ich eiskalt und stehe auf.
„Das kannst du doch nicht ernst meinen!“ ruft meine Tante. Ihre Freunde und mein Onkel haben sich längst in die Kantine verzogen und mein Cousin ist auch weg, wahrscheinlich wieder auf der Jagd.
Mir wird schwindlig und ich beginne zu schwanken, als wäre ich betrunken. Es rauscht in meinen Ohren, wie bei einem Sturm, dann wird es schwarz und dann, dann ist da nichts mehr.
Als ich wieder zu mir komme, schaue ich in die Augen von Stefan. Er kniet im Schatten und mein Kopf liegt in seinem Schoß. „Junge – was machst du denn für Sachen?“ Er streicht mir eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Schräg gegenüber steht meine Tante und redet mit Maria.
Dann kommen die beiden zu uns rüber. „Wann hast du eigentlich das letzte Mal was gegessen?“ fragt meine Tante. Ich denke angestrengt nach, aber es fällt mir nicht ein. Ist es drei Tage her? Oder Vier? Stefan und Maria haben immer wieder versucht mich zu füttern wie ein kleines Kind, aber ich hab einfach keinen Hunger. Und kaum esse ich was, wird mir schlecht.
Dann kommt auch noch ein Sanitäter. Misst meinen Blutdruck und hört mich ab. „Kreislaufkollaps würd’ ich sagen. Aber bei ihrer Konstitution wundert mich das. Empfehlung: Schauen sie mal bei ihrem Arzt vorbei und heute keine Sonne mehr.“ Damit zieht er ab. „Es ist besser, ihr bringt ihn nach Hause, wo immer das gerade ist. Und außerdem sollte er dringend etwas essen!“ sagt meine Tante. Sie sieht mich auffordernd an, aber ich werde mich hüten, irgendwas dazu sagen.
„Machen wir und zwar auf der Stelle!“ Maria hat einen Unterton, der keinen Widerspruch zulässt.
Stefan hilft mir auf und wir gehen unsere Sachen holen.
„Kleiner, was ist los mit dir?“ Stefan, Maria und ich sind wieder zu Hause, Maria werkelt in der Küche und ich habe noch kein Wort gesagt, seit wir aus dem Freibad raus sind.
„Geht’s jetzt besser?“ Er nimmt meinen Kopf und sieht mir in die Augen. Ich nicke und wische mir mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Ja, seltsamer Weise geht es mir jetzt wirklich besser. Maria ist auch da und hält meine andere Hand. Die beiden Menschen, die ich am liebsten habe auf der ganzen Welt, sind bei mir.
Diesen Abend esse ich endlich mal was und schlafe dann bis spät in den Vormittag des nächsten Tages hinein. Als ich aufwache sitzt Stefan im Lehnstuhl am Fenster und liest.
„Guten Morgen Bärchen!“
„Hallo mein Kleiner, wie geht’s denn? Hast nicht besonders gut geschlafen glaub ich“
„Nicht wirklich – hab irgendeinen Scheiß geträumt, weiß aber nicht mehr was!“
„Du hattest Alpträume. Ziemlich schlimme sogar. Einmal hast du sogar geschrien.“
„Na, dann bin ich ja froh, dass ich nicht mehr weiß welche!“
Ich setze mich so halb auf und schaue etwas genauer hin “Was liest du denn da?
„Du hast mir gestern deine Tagebücher gegeben? Kannst du dich nicht mehr erinnern?“
Tatsächlich, jetzt wo er es sagt, kann ich mich wieder erinnern!
„Ich geh dann mal packen!“
Stefan ist total verwirrt? „Was? Wieso? Rastest du jetzt komplett aus?“
„Eigentlich nicht, aber wenn du die gelesen hast, dann kann ich sowieso einpacken!“
„Blödsinn. Hör sofort auf mit der Kacke!“ Wenn er sich aufregt fällt er immer in seinen deutschen Dialekt zurück, den ich normalerweise so süß finde.
„Wo bist du denn gerade?“
„Hmm – Sommer 1989. Tunesienurlaub!“
Was ? Du bist schon beim Zweiten? Wie viel hast du denn heute eigentlich geschlafen?“
„Um ehrlich zu sein – gar nix. Hab viel nachgedacht und gelesen.“
„Und was denkst du über die Bücher?“
„Bin ein wenig überrascht. Mit vierzehn Bauernjungen vernaschen, die um Jahre älter sind als du… tztztz! Du warst ja damals schon unersättlich!“ er grinst dabei.
Ich werfe ein Polster nach ihm, und treffe dabei aber nur die Stehlampe, die bedrohlich wackelt, aber dann doch nicht umfällt. Das erste Mal seit zwei Wochen lachen wir wieder und das erste Mal, seit wir aus Spanien zurück sind, haben wir auch wieder Sex.
Wir liegen den ganzen restlichen Tag im Bett und reden stundenlang. Stefan schläft dann ein und ich liege nur da, sehe ihn an und überlege wieder einmal, wie und womit ich es verdient habe, einen solchen Freund zu haben.
Den Tag darauf fahren wir ins Haus und holen meine Sachen, die ich nicht verkauft habe.
Ich zieh bei Stefan ein! Wir werden zusammen leben – in einer Wohnung. Es ist wie ein schöner Traum und ich hab Angst aufzuwachen.
Am nächsten Tag holen wir Maria ab und fahren mit ihr einfach nur durch die Gegend. Das Wetter ist wunderschön, wir lassen laut Musik spielen und gleiten über die Straßen des Wienerwalds. Zu Mittag essen wir in der Waldschenke und als danach Wolken aufziehen und es nach Regen aussieht, fahren wir zu Manfred um noch mal abzuklären, wie ernst es ihm mit seinem Angebot war, dass ich mich bei ihm anmelden kann.
Blöd von uns anzunehmen, dass das nur eine Laune war. Er hat sogar schon den Meldezettel ausgefüllt.
Am Abend schneidet Stefan an, dass was mir auch schon auf der Zunge liegt: Training! In vier Wochen beginnen wieder die Ligakämpfe und wir haben seit zwei Wochen nichts mehr trainiert, ich beginne es langsam schon zu merken.
Nach der Dusche stehe ich vor dem Spiegel und sehe, dass ich mich ein wenig verändert habe. Die Haare auf Brust und Bauch sind mehr, dafür die Muskeln ein bisschen weniger geworden, bilde ich mir zumindest ein.
„Ganz schön eitel mein Kleiner!“ feixt Stefan, der im Türrahmen steht und mir zusieht.
Morgen gehen wir wieder trainieren.
Andreas hat eine Stinklaune, weil über die Ferien so gut wie niemand zum Training kommt. Wir sind nur zu fünft und er lässt seinen Frust an uns aus. Eine Stunde verschärftes Zirkeltraining und ich bin danach tot. Stefan liegt neben mir auf der Matte und kämpft genauso um Luft wie ich. Ich kann mich kaum bewegen, aber Andreas lässt uns gegeneinander antreten. Immer zwei und zwei und einer darf Pause machen. Das geht noch eine Stunde so. Wir kriechen nachher in die Dusche und während Andreas uns auch dort noch eine Standpauke über „wie kann man sich nur so gehen lassen und keine Disziplin … blabla“ hält, lassen wir uns abwechselnd heißes und kaltes Wasser über den Körper laufen.
Nach einer weiteren dreiviertel Stunde kriechen wir ins Auto und Stefan schleicht dann durch die Stadt Richtung Wohnung. Zum Glück findet er einen Parkplatz direkt vor dem Haus und wir schleppen uns in die Wohnung, lassen unsere Taschen einfach fallen und purzeln einfach so ins Bett. Samt Klamotten.
Es ist kurz nach neun, als ich noch einen Blick auf den Wecker werfe. Um Zwei wache ich auf, Stefan liegt so wie er vor ein paar Stunden hingefallen ist und schnarcht leise vor sich hin. Ich habe ihn noch selten schnarchen gehört, außer wenn er wirklich fertig war. Ich rüttle ihn sanft und bringe ihn dazu sich auszuziehen. Er stöhnt leicht, als er sich das T-Shirt über den Kopf zieht, was mir zeigt, dass er morgen den gleichen grauenhaften Muskelkater haben wird wie ich.
Der nächste Tag ist von Schmerzen dominiert. Jede Bewegung tut weh, jeder Schritt ist eine Qual und jeder Handgriff erzeugt das Gefühl von tausend Nadeln in Armen und Schultern.
Stefan schafft es trotzdem zum Briefkasten zu gehen.
„Post aus der BRD!“ ruft er, als er nach oben kommt.
Klaus hat geschrieben:
„Hallo ihr zwei Süßen!
Wie versprochen, habe ich versucht euch anzurufen, aber entweder seid ihr nie zu Hause, oder versucht schon wieder den Rekord in Sachen Dauersex zu brechen, jedenfalls ich habe euch nicht erreicht. Daher versuche ich es auf diesem Weg, in der Hoffnung, dass ihr zwischen zwei Nummern die Zeit findet die Post zu holen und zu lesen.
Ihr könnt euch wahrscheinlich denken, dass es nach meiner Ankunft in Hamburg so richtig schön hergegangen ist. Jürgen hat getobt, geschrien, geheult, geflucht und gebettelt. Nachdem er sich beruhigt hat, hat er eingesehen, dass es so nicht weitergeht, aber ich möchte euch nicht mit Details langweilen.
Ich habe mir eine schnuckelige kleine Wohnung in der Nähe vom Hauptbahnhof in St.Georg gefunden und ziehe übernächste Woche ein. Vielleicht finden Jürgen und ich so ja eine neue Basis für unsere Freundschaft, obwohl meine Hoffnungen da eher gering sind. Diesen Schritt hätte ich schon längst machen sollen und ich habe es euch zu verdanken, dass ich ihn nun getan habe. Hab ich schon erwähnt, dass ich SEHR gerne an die Tage mit euch zurückdenke? Nicht nur, weil – wie sag ich? – ach was, weil es saugeil war (Ups – ich merk ’s schon wieder in der Hose wenn ich nur dran denke), sondern auch, weil ihr zwei was ganz Besonderes seid! Übrigens lässt euch Jens lieb grüßen. „Grüße an deine beiden Schnuckis!“ hat er wörtlich gesagt. Ihr habt ihn sichtlich beeindruckt, was nur wenigen gelingt. Respekt!
Damit komme ich zu etwas weniger angenehmen:
Hasso macht Stress. Er ist wieder in Hamburg und hat mich sofort angerufen. Da muss ich euch noch was sagen. Ich war nicht ganz ehrlich, was seine Filme angeht. Ich habe mehr als nur einen Film gedreht, leider! Aber auch nur, weil die anderen Darsteller sooo schnuckelig waren. Jürgen weiß allerdings nichts davon.
Sorry Jungs, aber irgendwie war es mir peinlich und deswegen hab ich nichts gesagt.
Zurück zu Hasso. Er will euch unbedingt als Darsteller haben und er kann extrem hartnäckig sein.
Von Jens weiß er leider dass ihr aus Wien kommt und Ringer seid. Kann durchaus sein, dass er bei einem Turnier auftaucht. Nochmal: Haltet euch fern von ihm und lasst euch ja nicht mit ihm ein! Bitte!
Ihr würdet es bereuen, so wie ich es bereue!
Jetzt ein Vorschlag: Ich würde im Oktober vielleicht eine Woche freibekommen. Wenn ihr wollt und es keine Umstände macht, würde ich euch gerne in Wien besuchen. Ich weiß, die Stadt sollte man im Frühling sehen, aber da bekomme ich sicher nicht frei denn von Februar bis Juni ist bei uns Urlaubssperre.
So, jetzt ist es kurz vor zwei Uhr morgens und ich habe um 8 wieder Dienst, ich bin ziemlich fertig und muss ins Bett.
Lasst was von euch hören! So wie es mich freuen würde, von euch zu hören oder gar euch wieder zu sehen, würde es mich traurig machen, wenn ihr euch nicht melden würdet.
Ganz viele, liebe Grüße und Küsse
Euer Klaus“
Unsere Gefühle sind zwiespältig. Einerseits freuen wir uns für ihn, dass er sein Leben nun selbst bestimmen kann und wir freuen uns auch, dass er uns besuchen will, aber was er über Hasso geschrieben hat, macht uns das Herz schwer. Er könnte alles zerstören, wenn er uns bei einem Turnier findet. Er könnte allen sagen, dass wir schwul sind, unseren Familien, allen im Verein, jedem der uns kennt. In uns kriecht ein wenig Panik hoch.
Wir reden lange darüber und als erstes beschließen wir einen Weg zu finden in nächster Zeit nicht bei Turnieren mitzumachen und zweitens Klaus zu schreiben.
Er soll uns gerne besuchen und, wenn möglich, irgendwie Hasso im Auge zu behalten und uns zu warnen, wenn Hasso nach Wien, oder Österreich kommen sollte.
Am nächsten Morgen schreiben wir den Brief und schicken ihn noch am gleichen Tag ab.
Mein 18. Geburtstag.
Ich besuche am Vormittag meine Großeltern und höre mir zwei Stunden ihre Klagen bezüglich meiner Mutter an. In einer Beziehung haben sie Recht: ich habe mich aus der Situation raus gestohlen und überlasse es anderen damit fertig zu werden. Ich fühle mich gar nicht gut. Bin ich wirklich ein solcher Egoist, wie sie behaupten? Mit diesen Gedanken fahre ich zurück zu Stefan. Wir verbringen den Tag ganz alleine – ohne Trubel und ohne Party.
Es ist mein achtzehnter Geburtstag. Ich bin ab heute volljährig. Alles was von meinem Leben vor einem Jahr geblieben ist, ist mein Freund, den ich über alles liebe und der mich liebt, Maria, die immer zu mir gestanden hat und steht, der Sport und meine Freunde aus Schule und Verein. Vater ist tot und begraben und die Beziehung mit meiner Mutter befindet sich auf einem absoluten Tiefpunkt. Das Verhältnis zu meiner restlichen Familie ist bestenfalls ambivalent. Finanziell stehe ich vor einem dunklen Loch.
Aber ich stehe jetzt auf eigenen Beinen, muss auf eigenen Beinen stehen. Jetzt muss ich nur noch schauen, dass ich zu Geld komme. Was bedeutet, ich muss einen Job suchen, um Geld zu verdienen. Die Schule möchte ich nicht hinschmeißen, immerhin will ich ja studieren, also kann ich nur am Wochenende oder Abends arbeiten. Wie sich das mit dem Sport vereinbaren lassen soll weiß ich nicht und es würde auf alle Fälle bedeuten, dass ich weniger Zeit für Stefan habe, selbst wenn ich mit dem Ringen aufhöre. Aber wie hat Stefan einmal gesagt? Das Leben ist nicht fair, es kennt nicht Gut und Böse. Man kann es nur nehmen wie es kommt und schauen, dass man das Beste daraus macht. Ich denke langsam, die Jungendjahre sind nun vorbei und es beginnt das was man als ‚Ernst des Lebens’ bezeichnet, oder anders ausgedrückt, ob ich will oder nicht, ich bin nun erwachsen; und das hat nicht nur damit zu tun, dass ich mich jetzt schon fast jeden Tag rasieren muss, oder mir die Haare auf der Brust wachsen.
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2010
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