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In meinem Bändchen zum „Thema Verlagssuche“ (hier bei bookrix) habe ich festgestellt, dass ca. 90% Prozent aller unverlangt eingesandten Manuskripte von den Verlagen zurückgeschickt werden, in der Regel ohne konkrete Begründung, also per sog. „Formbrief“.

Mancher verzagte Autor mag sich da fragen: Was wird denn überhaupt angenommen?

Die Frage ist leicht zu beantworten. Gehen Sie in eine Buchhandlung. Dort finden Sie die Bücher, die „gemacht“ wurden. Auf den Bestsellerlisten, die in beinahe jeder Zeitschrift zu finden sind (die bekannteste wohl im „Spiegel“) rangieren die Bücher mit den größten Verkaufserfolgen; aus den „Bestenlisten“ (etwa der Long- und Shortlist für den Deutschen Buchpreis) hingegen können Sie ersehen, was die Verlage für ihre literarisch gelungensten Bücher halten (mit einigen Konzessionen an den mutmaßlichen Publikumsgeschmack). Hier sind die Bücher zu finden, von denen die Verlage sich wünschen, sie möchten demnächst in den Bestsellerlisten auftauchen (was nur selten geschieht).

Schwerer zu beantworten ist dagegen die Frage: WAS FÄLLT DURCH? Was wird abgelehnt und aus welchen Gründen? Diese Vorgänge spielen sich nämlich „im Dunkeln“ ab und werden selten oder nie öffentlich diskutiert bzw. hinterfragt. Der Prozess der – mehr oder weniger automatischen – Ablehnungen geht stillschweigend vor sich, und so manchem Autor bleiben die Gründe, warum er durchgefallen ist, womöglich zeitlebens ein Rätsel.

Hier also ein paar Hinweise darauf, welche Art von Manuskripten mit einem sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden (werden).

Notabene: Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder auf absolute Gültigkeit. Ausnahmen bestätigen, wie immer, die Regel. Es gibt sehr viele, sehr unterschiedliche Verlage; es gibt vorsichtige, risikofreudige, freundliche und zynische Lektoren. Es kann durchaus passieren, dass der 30. Verlag ein Ms. annimmt, das zuvor 29 abgelehnt haben. Bekanntlich wurde auch der Mega-Bestseller „Harry Potter“ von fast allen großen Verlagen abgelehnt. „Zauberlehrlinge gehen nicht“, hieß da die allgemeine Einschätzung. Ein schöner Beweis dafür, dass auch Lektoren fehlbar sind.

Aber: Jeder, der berufsmäßig eine Auswahl zu treffen hat, folgt gewissen Kriterien. Anders geht es nicht. Aus diesem Grundsatz folgt, dass man (mit aller gebotenen Vorsicht) Regeln dafür aufstellen kann, welche Art von Manuskripten von den Verlagen (Lektoraten) ausgesiebt werden.

Da sind zunächst einmal die formal unzulänglichen Manuskripte.

Ist schon die erste Seite (oder gar der Angebotsbrief, das sog. Anschreiben) von deutlicher Rechtschreibschwäche oder Problemen um Umgang mit der Grammatik geprägt, dann wird jeder Lektor spontan den Kopf schütteln. Orthografische und grammatische Korrektheit ist das absolute Minimum, das ein Ms. aufweisen sollte, das man einem Fachmann (also dem Lektor – die weibliche Form sei immer stillschweigend mit eingeschlossen; ich hasse Wörter wie LektorInnen) vorlegt. Selbst wer ein etwas obskures Schreibprogramm ohne Rechtschreibprüfung benutzt, sollte sich das Korrekturprogramm des „Duden“ leisten. Im Zweifelsfall lieber einen Freund oder Kollegen fragen, der auf diesen Gebieten sattelfest ist. Wohlgemerkt: Jeder kann Fehler machen. (Ich auch.) Aber ein Manuskript sollte nicht von Fehlern strotzen. Bekommt der Lektor den Eindruck, der Autor/die Autorin kann nicht auf dem erforderlichen Niveau mit der Sprache umgehen, wird er das angebotene Ms. kaum für aussichtsreich halten. Also weg damit!

Bedenken Sie: Lektoren sind durch die Bank Akademiker; ihr „Diskurs“ ist geprägt vom „elaborierten Code“, den sie schlicht bei jedem, mit dem sie professionell umgehen (also auch den Autoren) als sicher beherrscht voraussetzen.

Über das sog. Exposé wurde schon im ersten Band – Thema: Verlagssuche – das Notwendige gesagt. Ein Manuskript, aus dem nicht hervorgeht, um was es sich überhaupt handelt, erzeugt in den Lektoraten eher Ratlosigkeit. Es schreckt ab, wenn man erst 200 eng beschriebene Seiten lesen muss um herauszufinden, was der Autor einem da überhaupt anbieten will – zumal dann, wenn man ihn/sie nicht kennt. Das Exposé, also die kurze (!) Beschreibung dessen, was einem da zugeschickt wurde, ist also sehr, sehr wichtig. In sie wirft der Lektor zumindest einen Blick.

Und dann entscheidet sich oft schon das Schicksal eines Manuskripts, nämlich wenn es heißt: Falscher Verlag. Ein immer wieder gern herangezogenes Beispiel lautet: Schicken Sie einem wissenschaftlichen Verlag keine Lyrik. Die bekommen Sie postwendend zurück. Ein Manuskript, das Sie anbieten, muss zum Verlagsprogramm passen. Wie finden Sie das Programm eines Verlags heraus? Indem Sie recherchieren! Sie sind zunächst einmal derjenige, der etwas will, also müssen Sie eine gewisse Arbeit auf sich nehmen. Jeder Verlag hat eine Homepage, auf der er sich und sein Programm präsentiert. Ein Blick (oder Klick) auf diese Verlags-Selbstdarstellung erspart Ihnen im Zweifelsfall viel Mühe und Porto.

Manche Verlage sind ausgesprochen spezialisiert, etwa auf Esoterik. Das kann für Sie von Vorteil sein, wenn Sie just auf diesem Gebiet arbeiten. Aber wenn Sie quer zu diesem Thema stehen, sollten Sie hier gar nicht erst anklopfen.

Leider ist es auch so, dass bestimmte Genres (der Literatur) es ausgesprochen schwer haben. Da ist zunächst einmal die Lyrik oder Poesie. Jeder Verlagsmensch (vor allem diejenigen mit den Rechenstiften, die Verlagskaufleute) wissen, dass Lyrik „nicht geht“, d.h. sich nicht verkaufen lässt. Wahrscheinlich gibt es sehr viel mehr Leute, die Gedichte schreiben als solche, die sie lesen (oder gar kaufen). Anders wären die traurigen Verkaufszahlen von Lyrikbänden nicht zu erklären.
Je kommerzieller ein Verlag ausgerichtet ist (und welcher wäre das nicht?), desto störrischer wird er sich gegenüber Manuskripten verhalten, die einer Gattung angehören, die als Kassengift verschrien ist. Mag der Lektor auch gelegentlich mit einem Lyriker/einer Lyrikerin durchaus noch „etwas anfangen“ können (er ist halt Literat), spätestens in der Verlagskonferenz, in der auch die Geldleute sitzen, erleidet er mit seinem Vorschlag Schiffbruch.
Wohlgemerkt: Lyrik ist nicht gänzlich aussichtslos! Es gibt ja Lyrikbände auf dem Markt. Aber sie gilt als (und ist in der Regel auch ein) Zuschussgeschäft, und das leisten sich nur wenige Verlage. Also, die traurige Wahrheit ist: Als Lyriker werden Sie es sehr, sehr schwer haben. Leben können Sie davon ohnehin nicht. (Gottfried Benn hat einmal ausgerechnet, dass er mit seinen sämlichen Lyrikbänden zeitlebens auf einen Monatsverdienst von 40 Pfennigen gekommen ist.)

Leider gilt das Kassengift-Verdikt – nicht ganz so rigoros wie bei der Lyrik, aber – auch für Erzählungen und Kurzgeschichten. Anders als etwa in den USA (oder hier bei Bookrix) gibt es für diese Gattungen hier in Deutschland nur einen sehr eingeschränkten Markt. Kein Verleger „macht“ gern Bände mit Erzählungen, da er (meist mit Recht) ein Zuschussgeschäft befürchtet. Das leistet er sich in der Regel nur dann, wenn er sich von dem (meist jungen) Autor demnächst den „großen Erfolgsroman“ erhofft. Er reicht dann den „Erzählband“ quasi als Appetithappen an das Publikum und – besonders – an die professionelle Kritik weiter, um deutlich zu machen, dass hier nach seiner Ansicht jemand „im Kommen“ ist. Aber: Alles wartet dann auf den ersten Roman, das eigentliche Debut. Falls Sie das große Glück haben, einen Erzählungsband untergebracht zu haben, einen zweiten wird man ihnen wohl kaum abnehmen, es sei denn, sie haben „zwischendurch“ tatsächlich den Erfolgsroman vorgelegt. (Ausnahmen wie Judith Hermann oder Ingo Schulze bestätigen auch hier die Regel.)

Also, ein Grund, warum Ihr Ms. abgelehnt wurde, kann lauten: Falsches Genre. Oder: Das Manuskript ist zu kurz.

Zu kurz? Wie kann das sein? Ganz einfach: Bücher erfordern eine gewisse Zahl von „Druckbögen“, um später in der Buchhandlung „absetzbar“ zu sein. Testen Sie sich selbst: Geben Sie gern EUR 20 für ein dünnes Bändchen im Großdruck aus? Das kann passieren, klar, wird aber die Ausnahme bleiben. In der Regel „verlangen Sie etwas für Ihr Geld“, und das heißt unter anderem auch: Volumen. Wenn Sie also nicht Peter Handke sind, werden Sie mit einem Manuskript von 50 bis 80 Seiten (Endfassung!) Ihren Lektor eher ratlos machen. Die Frage lautet in diesem Fall: „Wie soll ich das herausbringen?“ Ein „mittellanges“ Manuskript ist weder Fisch noch Fleisch. Keine Erzählung, aber auch kein „ausgewachsener“ Roman. Der erfordert in aller Regel mindestens 200 Seiten, lieber jedoch ein paar mehr, also im Idealfall 300 bis 350. (Ein Lektor will auch etwas zu streichen haben!) Steht also in Ihrem Exposé: Manuskriptumfang (unbedingt immer angeben!) ca. 75 Seiten, dann wird der Lektor eher zur Ablehnung als zur Zustimmung neigen. (Ausnahmen, etwa P. Handke, siehe oben.)

Also: Das Ms. muss das richtige „Format“ haben. Am besten, sprich aussichtsreichsten ist immer der „ausgewachsene“ Roman von ca. 250 bis 350 Seiten (von je 30 Zeilen mit ca. 60-65 Anschlägen im 12-Punkt-Format.)

Die nächste Frage, die ein Lektor sich stellt, ist die nach dem „allgemeinen Interesse“ des Werks. Hier gibt es wahrscheinlich zwischen Autor und Lektor das am schwersten überbrückbare Verständigungsproblem. Der Autor wird das, was er zu Papier gebracht hat, wohl immer „wichtig“ finden. Schließlich hat er es (oft) selbst durchlebt, durchlitten. Ihm gab, so empfindet er es, „ein Gott zu sagen was er leidet“. Er reicht im Extremfall sein „Herzblut“ dar. (Das sage ich ganz ohne Ironie! Es ist so; ich weiß es!)
Der Lektor muss da in der Regel eher unsentimental (also herzlos) herangehen. Er fragt sich, ob das Geschilderte (sofern es alle übrigen Voraussetzungen erfüllt), tatsächlich von einer „öffentlichen Relevanz“, das heißt über die persönliche Betroffenheit des Autors hinaus mitteilenswert (oder auch schlicht: mitteilbar) ist. Die „Memoiren eines Päderasten“ werden wohl von vornherein als „unmöglich“ eingestuft werden. (Jugendschutz, Indizierungsgefahr.)

Kleiner Exkurs zum Thema Sex. Jeder Verleger weiß: „Sex sells!“ (Sex verkauft sich.) Allerdings wird er eindeutige Pornografie mit Rücksicht auf den Ruf seines Hauses abweisen. Wo die Grenze zwischen (verpönter) Pornografie oder (erwünschter) sexueller „Freizügigkeit“ verläuft, entscheidet sich von Fall zu Fall, wobei – neben der Rücksicht auf die jeweilige „Zielgruppe“ - die „Balance“ zwischen Form und Inhalt wohl letztlich ausschlaggebend ist. Motto: „Man kann alles machen – wenn man es kann.“ (Allerdings gibt es „Spezialverlage“ für nahezu alles und jedes. Die muss man nur finden…)

Heikel wird es bei der Einschätzung dessen, was „öffentliche Relevanz“ besitzt.
Da wird der Lektor in der Regel (mindestens) zwei Kriterien anwenden, ein formales und ein inhaltliches. Die „formale“ Frage lautet: „Schreibt der Autor seine Geschichte so, dass sie Kunstansprüchen genügt?“ Es ist also die Messlatte des Stils, des literarischen Könnens, die hier angelegt wird. Texte auf „Tagebuch-Niveau“ (oder niedriger) werden wohl eher als „nicht marktfähig“ abgelehnt werden.
Vergessen Sie eins nicht: Sie bekommen es „da draußen“ mit einer Menschengattung zu tun, die in der traulichen Gemeinschaft von Bookrix eher unbekannt ist, nämlich den KRITIKERN. Deren – oft strenge bis gnadenlose – Kriterien hat der Lektor stets im „Hinterkopf“; er bezieht nolens, volens die mutmaßliche, zu erwartende „Rezeption“ des Buchs bei der professionellen Kritik in seine Urteile mit ein. Wer sitzt schon gern in einer Verlagssitzung, wenn auf dem Tisch der Stapel mit den Verrissen liegt, den der Presseausschnitt-Dienst frisch ins Haus geschickt hat? Man kann sich dann schon vorstellen, wie das Echo in der „Vertretersitzung“ ausfallen wird. (Die Vertreter sind sehr wichtige Menschen; sie stellen den Kontakt zwischen Verlag und Buchhandel her.)
Um zu den „inhaltlichen Überlegungen“ zurückzukehren. Hier könnte man den Satz aufstellen: Je „schwieriger“ oder „sperriger“ der Buchinhalt, desto überzeugender, unwiderstehlicher muss die literarische Form sein, in der das Thema präsentiert wird. Ein Manuskript, das irgendwie „preisverdächtig“ oder nach einem Kritiker-Erfolg „aussieht“, hat immerhin schon einige Argumente auf seiner Seite. Wenn hingegen abzusehen ist, dass die Kritiker die Nase rümpfen werden und sagen: „Schon wieder so ein… (nach Belieben ergänzen)!“ – dann wird der Lektor wohl zurückschrecken.

Das bringt uns auf das Problem des „verbrauchten“ (oder gar „abgedroschenen“) Themas. Das zählt leider gerade bei der sog. Qualitäts-Literatur. Während einem erfolgreichen Vampir- oder Serienmörder-Roman in der Regel sehr schnell die Nachahmer folgen, gilt bei der „hohen“ Literatur das „Alleinstellungsmerkmal“. Hat gerade ein bekannter Autor ein Buch über seine schwere, in einem Säuferhaushalt verbrachte Jugend herausgebracht (um nur ein Beispiel zu nennen) und damit Erfolg gehabt, so werden die Verlage dieses Thema in der nächsten Zeit nicht mehr „anfassen“, weil sie glauben, die Leser hätten nun erst einmal genug davon. (Fiel das Buch durch, gilt das Thema sowieso auf absehbare Zeit als „Kassengift“.)

Ein – vorerst einmal – letztes zu erwähnendes Kriterium ist die stilistische Originalität. Schreiben Sie „wie“ der Autor/die Autorin XY (setzen Sie hier den Namen Ihres Lieblingsautors ein), dann werden Sie zumindest in dem Verlag, der diesen Autor publiziert, abgelehnt werden, da man seinen Autor vor Epigonen schützen will (die bringt dann, im Erfolgsfall, die Konkurrenz heraus). Originalität - das heißt: eigener Stil, ausgeprägte Autorenpersönlichkeit - ist Trumpf!


Fassen wir also zusammen. Wann wird Ihr Manuskript mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden:

Wenn es formal unzulänglich (sprachlich und orthografisch fehlerhaft) daherkommt.

Wenn es nicht ins Verlagsprogramm passt.

Wenn es ein „unklares“ Manuskript ist. (Umfang, Genre etc. nicht einschätzbar.)

Wenn es zu kurz ist oder einem „ungeliebten“ Genre angehört. (Nicht „marktfähig“ ist, wie man so sagt.)

Wenn es schlicht „nicht gut geschrieben“ ist.

Wenn das Thema und seine Behandlung nicht „von allgemeinem Interesse“ sind. (Sog. „Betroffenheitsliteratur“.)

Wenn der Verlag gerade etwas Ähnliches herausgebracht hat; speziell dann, wenn er dafür Verrisse kassiert hat. (Also: Den Markt beobachten; Feuilletons lesen!)


Sicherlich habe ich das eine oder andere vergessen.
Ich werde, falls mir etwas Zusätzliches einfällt und wichtig genug erscheint, Ergänzungen, Korrekturen etc. an diesem Band vornehmen. (Wie bei dem ersten zum „Thema Verlagssuche“ bereits geschehen.) Sehen Sie dieses Büchlein also als „work in progress“ an.

Einstweilen hoffe ich, Ihnen ein wenig genützt zu haben.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

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