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Ein Mann sieht fern

Ein Mann sieht fern

Aus dem Tagebuch eines Fernseh-Konsumenten

 

 

Was sie wollen

 

Als ich den Fernsehapparat einschaltete, lief gerade eine französische Verwechslungskomödie. Seit Tagen brütete Pierre über dem Text. Er wollte eine Heiratsannonce aufgeben und die musste perfekt sein. Endlich fand er die richtige Formulierung, endlich konnte er sich dazu durchringen in einer überregionalen Tageszeitung, die Annonce aufzugeben. Jetzt trat er ins Büro der zuständigen Sachbearbeiterin. Als sie den Text las lachte sie laut auf. So etwas Schwülstiges hatte sie noch nie gelesen. Sofort eilte sie ins benachbarte Büro und las den Kollegen die Annonce vor. Heiteres Gelächter drang durch die Tür. Wie ein begossener Pudel stand Pierre alleine im Raum. Nun reichte es ihm. Schließlich war er der Kunde. Was fiel dieser blöden Sachbearbeiterin ein, ihn hier stehen zu lassen und sein Werk zu verlachen, an dem er tagelang gesessen hatte. Pierre verließ das Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Im Gang rief ihm die Sachbearbeiterin noch hinterher: „Soll ihre Annonce gedruckt werden?“ Wütend rief Pierre im Hinausgehen: „Drucken sie doch, was sie wollen.“ Und das tat sie dann auch. Am nächsten Tag erschien eine Heiratsanzeige, die nur aus diesen drei Worten bestand: „Was sie wollen.“ Mit vollständiger Kontaktadresse. Pierre las es am nächsten Tag und ärgerte sich. Das Verhalten der Sachbearbeiterin hatte ihn so entmutigt, dass er die Idee mit der Heiratsannonce nicht weiter verfolgte und wieder auf normale Art versuchte, eine Frau kennen zu lernen. Was Pierre nicht wusste war der zufällige Umstand, dass durch die Annonce die Aktivierung eines islamistischen Schläfers ausgelöst wurde. Jahrelang hatte sie unter uns gelebt. Hier studiert, höflich ihre Nachbarn gegrüßt, den Müll rausgetragen. Jahrelang hatte sie die Zeitung durchforstet und nach diesen drei Worten Ausschau gehalten. Jetzt war es soweit. Ihr anonymer Vorgesetzter hatte sich gemeldet. Sie hatte keine Zweifel. Ihn würde sie in den nächsten Tagen kontaktieren. Von ihm erwartete sie die Befehle und nähere Weisungen für den geplanten Anschlag.

Am nächsten Tag führte Pierre ein dringendes Telefonat. Er war Lehrer und rief eine seiner Schülerinnen an, um den Kontakt mit ihr zu vertiefen. Zuvor hatte er eine halbe Stunde lang unschlüssig vorm Telefon gesessen. Er hatte mehrmals ihre Nummer gewählt und mehrmals den Hörer wieder aufgelegt. Diesmal nahm er all seinen Mut zusammen und ließ es mehrmals läuten. Die Schülerin meldete sich. Er kam ohne große Umschweife zur Sache. „Hallo Michèle, ich rufe dich an, weil ich dir sagen will, ich finde du bist eine tolle Frau. Wir haben uns doch so gut verstanden. Möchten Sie meine mir Angetraute werden? Jetzt, wo Ferien sind, ist ja genug Zeit für solche Dinge vorhanden.“ Dann lauschte er gespannt ins Telefon und wiederholte etwas, das die Schülerin gesagt hatte. „Was ich damit meine?“ Bei ihrer Gegenfrage verließ ihn sein Mut vollends: „Ich meine damit ... eigentlich ... nichts ... nichts Besonderes. Vergiss es! Es, es war nur ein Missverständnis. Kein Problem. Ich möchte dich nur um einen Gefallen bitten. Bitte sag nicht dem Direktor, dass ich angerufen habe. Danke, dass du dicht hältst. Braves Mädchen.“ Dann legte er auf.

Noch bevor er über seinen blamablen Anruf näher nachdenken konnte, klingelte es. Pierre schaute durch den Spion und sah eine hübsche Frau, die vor seiner Türe stand. Er öffnete sie. Die Frau kam rein und wiederholte dreimal: „Was sie wollen.“ Pierre schaute sie fragend an. Dann kam er drauf. Es musste sich wohl um eine neue Nachhilfeschülerin handeln. Sofort korrigierte er ihre Satzstellung. Es heißt: „Was wollen Sie? Eigentlich müsste ich ihnen diese Frage stellen.“ Dann bat er sie in seine Wohnung und führte mit ihr den üblichen Einstufungstest für Ausländer durch. Er gab ihr die Testbögen und ließ sie eine Stunde allein. Dann schickte er sie weg. Am Abend, als er den Test auswertete, musste er feststellen, dass das sprachliche Niveau seiner Besucherin sehr gut war. Das war seltsam. Das konnte nur eines bedeuten ...

Als sie am nächsten Tag wieder erschien, begrüßte er sie mit den Worten: „Ich explodiere vor Neugier.“ Sie erschrak kurz. Er führte sie auf seine Couch, nahm ihre Hand und fragte: „Was erwarten sie von mir?“ Die Antwort kam prompt: „Ich erwarte von ihnen klare Anweisungen für den Anschlag, den ich ausführen soll. Die Ungläubigen sollen Bluten.“ „Tot Amerika“, rief sie laut. „Tot allen, die Amerika unterstützen. Was sind ihre Befehle?“ Pierre war irritiert, ließ sich aber nichts anmerken und sagte mit ruhiger Stimme: „Kommen sie nächste Woche zur selben Zeit wieder.“

Pierre wusste nun, dass sie eine Schläferin war. Eine Schläferin, die von ihm Anweisungen erwartet. Und irgendwie musste die Sache mit seiner Annonce in Zusammenhang stehen. Was sollte er tun? Sollte er sie der Polizei melden? Nächtelang lag er wach und grübelte, bis er sich zu einem Entschluss durchrang. Er wollte eine Frau zum Heiraten. Und diesmal sollte es kein Debakel werden. Diesmal wollte er es erfolgreich durchziehen. Und er entwickelte einen Plan. Er musste ihren Willen, einen Anschlag durchzuführen, für seine Zwecke nutzen. Sie hielt ihn für ihren Vorgesetzten. Er würde ihr einfach einen gefälschten Auftrag unterjubeln. Das war der Ausgangspunkt seiner Strategie. Im Internet recherchierte er Informationen über einen Geschäftsmann, irgendein hohes Tier, das gerade befördert worden war. In einem Presseartikel, einer Art Laudatio, wurden die Stationen seines Lebens genannt. Auch ein Bild des Mannes war dabei. Pierre druckte es aus. Die Privatadresse bekam er über die Auskunft heraus. Er steckte Bild und Wegbeschreibung in einen Umschlag und legte etwas Geld bei. Als er gerade damit fertig war, klingelte es. Die Schläferin, mit der er schlafen wollte, stand vor der Tür. Er ließ sie rein. „Ich habe mit Bin telefoniert“, sagte er ernst. Sie sollen einen Geschäftsmann verführen und anschließend erpressen. Al Kaida braucht das Geld in inländischer Währung für eine ganz große Sache, die noch diesen Monat laufen soll.“ Dann fragte er eher beiläufig: „Wann haben sie denn das letzte Mal mit einem Mann geschlafen?“ Sie zögerte mit der Antwort und Pierre fuhr fort: „O.K, dann müssen wir das üben. Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen. Al Kaida hat detaillierte Informationen über die sexuellen Vorlieben der Zielperson herausgefunden.“ Dann führte er sie in sein Schlafzimmer ... Am nächsten Morgen übergab er ihr den Umschlag mit dem Auftrag, die Zielperson zunächst einmal eine Woche lang zu observieren. Wie es dann weitergehen sollte, wusste er selber nicht. Weiter war sein Plan nicht ausgereift. Schon nach einer Stunde kam sie zurück. „Dafür wurde ich nicht ausgebildet. So etwas mache ich nicht“, prustete es aus ihr heraus. „Mich in die Luft sprengen, ja, aber ich schlafe nicht mit einem fremden Mann. Ich bin eine anständige Frau.“ Die Stunde der Wahrheit war gekommen. „Und ich bin gar nicht dein Vorgesetzter, ich bin nur ein kleiner Lehrer“, sagte Pierre. „Du Lügner“, schrie sie. „Und du“, entgegnete er. „Was bist du denn? Kommst hierher, als Schläferin, willst dich und andere in die Luft sprengen, weil du die westliche Welt als moralisch verwerflich ansiehst und stattdessen schläfst du mit mir. Du hast wohl den Begriff des Schläfers sehr frei interpretiert.“ Sie gab ihm eine Ohrfeige, rannte ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich zu. Pierre versuchte nicht, sie aufzuhalten. In dieser Nacht schlief er auf der Couch im Wohnzimmer. Als er am nächsten Morgen erwachte, war das Frühstück schon gemacht.

Am Küchentisch versuchte Pierre sie von den Errungenschaften der westlichen Gesellschaft zu überzeugen. „Also, wir leben hier in einer pluralistischen Gesellschaft. Das ist ein enormer Vorteil, von dem wir alle profitieren.“ Und was bedeutet pluralistische Gesellschaft?“, fragte sie. „Du hast doch sicher schon mal Popcorn gegessen. Es gibt süßes Popcorn und es gibt salziges Popcorn. Versuchen wir es mal so rum. In einer nicht pluralistischen Gesellschaft gibt es z.B. nur süßes Popcorn. Die meisten Menschen mögen süßes Popcorn. Aber was für den einen gut ist, ist nicht unbedingt für den andern gut. Was für den einen gut ist, kann für den andern sogar schlecht sein. Ein Diabetiker beispielsweise, der darf gar kein süßes Popcorn essen, weil er davon krank wird. Daran kann man den Vorteil einer pluralistischen Gesellschaft verdeutlichen. In einer pluralistischen Gesellschaft gibt es süßes und salziges Popcorn. Es gibt mittelsüßes, mittelsalziges und süßsalziges Popcorn. Sogar versalzenes Popcorn gibt es. In einer pluralistischen Gesellschaft gibt es die freie Auswahl. Jeder nach seinem Belieben. Hast du das soweit verstanden?“ „Der Vorteil der pluralistischen Gesellschaft besteht also darin“, fasste sie zusammen, „dass es versalzenes Popcorn gibt?“ „So hab ich das nicht gemeint. Theoretisch gesagt liegt der Vorteil darin, dass du versalzenes Popcorn essen darfst. Dass du also das tun darfst, was du sowieso nicht tust. Ist das, was ich dir sagen wollte, jetzt klarer geworden?“ „Sonnenklar“, sagte sie und fing laut an zu lachen: „In Zukunft esse ich nur noch versalzenes Popcorn, um die Vorteile der pluralistischen Gesellschaft auszukosten.“

Auch wenn ihre Gespräche anfangs etwas holprig waren, kamen sich die beiden im Laufe der Zeit immer näher. Sie wurden glücklich miteinander und gaben sich das Jawort. So hatte die Heiratsannonce am Ende doch noch die richtigen Menschen zusammengeführt. Es war ein triumphaler Sieg der Liebe über den Hass. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie auch heute noch.

 

 

Angriff der Killer-Heuschrecken

 

Im Fernsehen lief heute ein amerikanischer Katastrophenfilm: Angriff der Killer-Heuschrecken. Dabei handelte es sich um eine besonders fiese Sorte von Killer-Heuschrecken. Sie überfielen die Menschen in Schwärmen. So weit war noch alles in Ordnung. Dann aber krochen sie in alle Körperöffnungen, die der Mensch zu bieten hat und fraßen die inneren Organe. Anschließend krochen sie wieder heraus und flogen weiter, um sich auf neue Opfer zu stürzen. Der Film begann mit einer idyllischen Szene. Eine Gruppe von Nudisten sonnte sich am Strand. Einige spielten Federball, andere lagen faul in der Sonne. Ein lachendes Kind sagte: „Papi, eben ist eine Heuschrecke in deinen Po gekrochen.“ Und wie aufs Stichwort kam der ganze Schwarm angeflogen und stürzte sich auf die Menschen. Die wehrten sich mit Händen und Füßen, einige rannten panisch davon. Gegen die Übermacht hatten sie keine Chance. Schnell waren die Körper der Opfer vollständig von Heuschrecken übersät. Sie krochen in alle Körperöffnungen, sogar in die Nasen und Ohren. Es war schrecklich. Hätte man in diesem Augenblick ein Foto gemacht, wären auf dem Bild nur ein paar verängstigte Menschen am Strand zu sehen gewesen. Eine Minute später hätte das Foto schon ganz anders ausgesehen. Denn nun begannen die Heuschrecken ihr tödliches Werk. Sie fraßen sich von innen durch die Eingeweide zu den Organen durch und fraßen sie auf. Auch das wurde genau gezeigt. Es war schrecklich. Ich fragte mich, wie man solche Aufnahmen hinkriegt. In der nächsten Szene war der Tatort abgesperrt und ein Polizist betrat die Szene. Der Mediziner sagte: „Ich dachte ich hätte schon alles gesehen, aber so etwas ist mir noch nie begegnet. Bei allen Leichen fehlen die inneren Organe.“ „Meinen sie, dass Organhändler am Werk waren“, fragte der Polizist. „Möglich, aber unwahrscheinlich“, antwortete der Mediziner, „die Körper weisen keinerlei Schnittwunden auf. Keinerlei von außen wirkende Verletzungen. In meiner ganzen Laufbahn habe ich so etwas noch nie gesehen. Meinen sie, dass sie die Täter finden werden?“ Der Polizist erwiderte: „Ich werde die Täter finden und einbuchten.“ In diesem Moment lief eine Heuschrecke über seinen linken Schuh. Der Polizist bemerkte sie nicht.

Der Film wurde immer schrecklicher. Der unaufhaltsame Siegeszug der Killerheuschrecken traf die Menschheit katastrophal. Sie hatten ganze Städte überfallen, ganze Landstriche entvölkert. Ehe sich der erste Widerstand gegen diesen Feind formieren konnte, war es schon zu spät. 90 Prozent aller Amerikaner waren den Heuschrecken zum Opfer gefallen. Die Überlebenden kauerten in Kellern und Höhlen. Wer etwas mehr Glück hatte, rettete sich in eine der Industrieanlagen, die aus irgendeinem produktionstechnischen Grund hermetisch abgeschirmt waren und nun – zweckentfremdet - Schutz gegen Heuschrecken boten. Welchen anderen wichtigen Zweck gab es noch? Auch in einigen Militäranlagen lebten noch Menschen. Jetzt war der Mangel an Proviant zur nächsten Gefahrenquelle geworden. Am meisten Glück hatten die, die im staatlichen Luftschutzbunker untergekommen waren. Es war mehr als ein Bunker. Es war ein ganzer Komplex unterirdischer Röhren. Hier gab es Proviant für die nächsten 500 Jahre. Hier gab es alles, was man brauchte, denn für einen solchen Notfall war die Anlage gebaut worden. Nur 100 Menschen hatten Einlass gefunden. Der amerikanischen Präsident, seine Familie, Ärzte, Hebammen, Mediziner, Schauspieler, Sänger, Wissenschaftler, hochrangige Vertreter der bedeutendsten Wissenschaftszweige und Frauen mit gebärfreudigem Becken. Auf 20 Männer kamen 80 Frauen. Es war eine Arche Noah, doch diesmal unter der Erde. Der Notfallplan war exakt und ohne Zwischenfälle durchgeführt worden. Er sah vor, alle 10 Jahre ein zweiköpfiges Expeditionsteam auf die Erdoberfläche zu schicken, um die Lage zu erkunden. Durch ein System von Schleusen war es möglich, die Anlage zu verlassen, ohne dass ein Insekt eindringen konnte. Fünf Expeditions-Teams waren nicht zurückgekehrt. Im sechzigsten Jahr nach der Katastrophe wurde nur noch ein einzelner Mann an die Erdoberfläche geschickt: Dave Johnson, ein Abkömmling von Don Johnson. Er war noch nicht weit gegangen, da sah er in einem Bach das Skelett eines seiner Vorgänger. Dave Johnson ging weiter. Zwei Tage und zwei Nächte ging er durch den Wald, ohne auf Menschen oder Heuschrecken zu stoßen. Auf einer Lichtung fand er ein totes Reh. Dem Tier fehlten die inneren Organe und es war erst vor kurzem „ausgeweidet“ worden. War das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht. Das hieß, irgendwo da draußen gab es noch Killerheuschrecken. Sie hatten sich jetzt wohl auf Säugetiere spezialisiert. Bei den Säugetieren ließen sie offenbar immer eine genügend große Population am Leben, so dass diese sich vermehren konnten und ihnen weiterhin als Nahrungsquelle dienten. Nur bei den Menschen waren die Killerheuschrecken alles vernichtend vorgegangen. Dave Johnson ging weiter. Nach einer weiteren Stunde war er an einem Punkt angekommen, von wo aus er ein ganzes Tal überblicken konnte. Was er sah verschlug ihm die Sprache. Millionen von Heuschrecken bevölkerten das Tal. Sie hatten sich monumentale, hundert Meter in die Luft ragende Behausungen gebaut. Das ganze schien aus Ton oder Gips zu bestehen. Just in diesem Moment landete ein Raumschiff in seiner Nähe und zwei Außerirdische stiegen aus. Hätte Dave ihre Sprache verstanden, hätte er folgenden Dialog mitgehört: „Ich verstehe nicht, wie so primitive Lebewesen wie Heuschrecken Städte, Staudämme, Autos, Satelliten und Flugzeuge bauen konnten. Warum bauen sie Flugzeuge, wo sie doch selbst fliegen können?“ „Vielleicht für Interkontinentalflüge“, mutmaßte der andere. „Und warum haben sie seit ca. 50 Jahren alles verfallen lassen und leben nur noch in primitiven Bauten?“ Da kam Dave Johnson aus seinem Versteck hervor und ging auf sie zu. An das, was direkt danach geschah, konnte er sich später nicht mehr erinnern.

Als er aufwachte saß er in einem belüfteten Glaskasten. Ein Bett, ein Tisch und sogar sein Lieblingsessen, Schnitzel mit Pommes, alles Lebensnotwendige war vorhanden. Vor der Scheibe drängten sich seltsam aussehende Lebewesen und starrten ihn an. Einige zeigten mit ihren Rüsseln auf ihn. Dave Johnson musste lange nachdenken, bis er seine neue Gesamtsituation erfasste. Er war nicht in Gefahr. Er war die Haupt-Attraktion in einem Zoo in einer fernen Galaxie. Für die Zoo-Besucher war er sozusagen der „Außerirdische“.

 

 

Blind Date

 

Als ich umschaltete, lief ein Film mit dem Titel „Blind Date“. Ein Mann mit einer rosa Nelke im Knopfloch betrat ein Restaurant. Unsicher blieb er im Eingang stehen und hielt Ausschau nach der Frau mit dem rosa Pullover. Sie sah ihn zuerst und winkte ihn zu sich. Er setzte sich an ihren Tisch und die Frau begann sofort das Gespräch. „Also, wenn du auch nur so ein schwanzgesteuerter Mistkerl bist, dann such dir ne Nutte. Und wenn du nur jemanden brauchst, der deine Wohnung aufräumt, dann such dir ne Putzfrau. Verstanden?“ Noch bevor der Mann irgendeine Antwort geben konnte sprach die Frau weiter. „Also auf der Hinfahrt ist mir was Komisches passiert. Ich steh mit meinem Auto vor der Ampel und die Ampel wird grün. Und der vor mir bleibt noch ne halbe Stunde lang stehen. Da ruf ich: ‚du Idiot, fahr endlich, bist du blind oder was?’ Was ich nicht wusste, ich hatte das Dachfenster offen. Und der andere auch. Der hat alles gehört. An der nächsten Ampel stehen wir beide wieder da, diesmal nebeneinander, und der schaut mich so böse an. Und nach der Ampel geht es direkt auf die Autobahn und ich geb Vollgas und der Depp auch. Man war das geil, ein richtiges Wettrennen. Und was für ein Auto hast du?“ Jetzt durfte der Mann zum ersten Mal reden. „Ich weiß gar nicht wie die Marke heißt, irgendein Japaner.“ Und hast du auch Aufkleber?“, fragte sie weiter. Der Mann schien verwirrt. „Aufkleber? Ganz allgemein Aufkleber? Ach sie meinen bestimmt, ob ich auf meinem Auto Aufkleber habe. Nein, hab ich nicht, außer das Deutschland-Zeichen natürlich.“ Die Antwort schien der Frau nicht zu gefallen. Jedenfalls nahm sie ihr Handy und telefonierte ne dreiviertel Stunde mit einem anderen, während der Mann dumm da saß und so lange Zeitung las. Er hatte sich sein Blind Date sicherlich anders vorgestellt. Als sie gerade fertigtelefoniert hatte, fing ihr Handy an rot zu blinken. „Oh, Bernd hat gesimst“, sagte sie. Dann hielt sie dem Mann das Handy vor die Nase und zeigte ihm die SMS von diesem Bernd. Und dann fing sie auch noch laut an zu lachen. Und ihr Lachen wurde immer lauter. Und die Gäste an den Nachbartischen schauten schon alle rüber. Und sie lachte noch lauter. Der Mann musste sich die Ohren zuhalten. Und sie steigerte ihr Lachen immer weiter. Zufällige Spaziergänger von der Straße wurden darauf aufmerksam und wollten wissen, wo der Lärm herkam. Die Leute betraten scharenweise das Restaurant und drängten sich um den Tisch der lachenden Frau. Dem Mann war das peinlich. Auch die Angestellten vom Hotel gegenüber kamen vorbei und schauten sich das Schauspiel an. Und die Frau lachte immer weiter, immer noch lauter. Ein cleverer Straßenjunge kam auf die Idee, Eintritt zu verlangen. Ein Euro pro Person. Er ließ die Leute immer in 10er Gruppen rein und verteilte schalldämmende Kopfhörer. So ging es stundenlang. Sogar der Reporter einer Lokalzeitung kam und machte Fotos. Unter dem Vorwand, mal kurz auf die Toilette zu gehen, verließ der Mann das Lokal und ergriff die Flucht. Am nächsten Tag, als er an einem Kiosk vorbeikam, sah er sein Bild in der Zeitung. Er kaufte sich ein Exemplar und überflog den Artikel. Sein „blind date“ war in eine Spezialklinik eingeliefert worden, wo sie Tag und Nacht lachte. Der Mann verabredete sich nie wieder zu einem „blind date“. Fünf Jahre lang besuchte er kein Restaurant mehr, acht Jahre lang traf er sich nicht mehr mit einer Frau. Insgesamt blieb er 15 Jahre lang beleidigt.

 

 

Das Jahrestreffen der investigativen Journalisten

 

Es war wieder einmal so weit. Das Jahrestreffen der investigativen Journalisten fand statt. Natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie es sich für verdeckt operierende Ermittler gehörte. Etwa 30 Leute waren anwesend. Es war der elitäre Kreis derer, die sich trotz der besonderen Anforderungen und Gefahren dieses Berufes mit Leib und Seele dem Aufdecken von Missständen in der Gesellschaft widmeten. Es war das erklärte Ziel der Gruppe, dafür zu sorgen, dass es auf der Welt keine Geheimnisse mehr gab. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung. Wie jedes Jahr, begann das Treffen mit einem Erfahrungsaustausch. Jeder war aufgefordert, vor der Gruppe zu berichten, woran er gerade arbeitete. Als Erster wurde ein junger Journalist aufgerufen. „Herr Müller“, sagte der Vorsitzende förmlich, „sie ließen sich sterilisieren, um über diese Grenzerfahrung aus erster Hand berichten zu können. Deshalb meine Frage: ‚Welche Gefühle hat es bei ihnen ausgelöst, als Mann zeugungsunfähig zu sein?’ „Eigentlich gar keine“, lautete die Antwort. “Aber ohne den Selbsttest hätte ich das nie herausgefunden.“ Im Saal wurde es still, nur aus dem Hintergrund hörte man gedämpftes Klatschen. Dann erteilte der Vorsitzende einem anderen Kollegen das Wort. „Ich war Medikamententester. An mir und fünf anderen wurde ein neues Kreislaufmittel erprobt. Nach zwei Wochen wurde der Test abgebrochen, weil sich als Nebenwirkung starke Kopfschmerzen und Muskelzittern einstellten.“ „Und wollte man sie zum Weitermachen zwingen?“, fragte der Vorsitzende. „Eigentlich nicht. Ich selbst habe versucht den Projektleiter zu überreden, den Test weiterzuführen, doch der ließ sich nicht darauf ein. Immerhin konnte ich rausfinden, dass die betreffende Firma, deren Namen ich nicht nennen will, sich streng an die Gesetze hält.“ Wieder war aus dem Hintergrund leises Klatschen zu hören. Ohne Kommentar erteilte der Vorsitzende einem weiteren Kollegen das Wort. „Ich war drei Monate lang als Obdachloser unterwegs“, fing er an, „und das mitten im Winter. Ich hab bei Eiseskälte im Freien übernachtet.“ „Das ist ja noch gar nichts“, unterbrach ihn ein anderer, „ich lebte 3 Monate in Moskau als Penner, um zu testen, ob die Mafia mir Organe entnimmt und illegalen Handel damit betreibt. Und ich habe konkrete Ergebnisse vorzuweisen. Ich hab nur noch eine Niere“, rief er stolz. Da riss sich sein Nachbar die Maske vom Gesicht und rief: „Und ich war der Chirurg, der ihnen die Niere entnommen hat. Es hat über fünf Jahre gedauert, mich in die russische Unterwelt einzuschleusen.“ Alle klatschten Beifall und riefen: „Gut gemacht, guter Mann.“ Plötzlich riss sich der Nächste die Maske vom Gesicht und rief: „Und ich war der Chef der kriminellen Bande, die den Organhandel betrieb. Ihre Niere hat genau 5752 Dollar eingebracht. Ging an einen reichen Amerikaner. Das können sie alles nachlesen in meinem Buch, das nächste Woche auf den Markt kommt.“ Dann überreichte er den beiden feierlich ein Vorab-Exemplar seines Buches. Aus der Menge erschallten laute Rufe: „Gut gemacht, guter Mann.“. Als die Rufe abgeflaut waren stand einer auf und sagte: „Das ist ja noch gar nichts. Ich ließ mich in China von Kriminellen entführen und musste drei Jahre lang 16 Stunden am Tag hart arbeiten. In einer Ziegelei. Bei Wasser und Brot. Einer, der fliehen wollte, wurde vor meinen Augen totgeprügelt.“ Wieder kam es zu spontanen Zurufen: „Gut gemacht, mutiger Mann.“ Als der Beifall nachließ, stand der Nächste auf und sprach: „Das ist ja noch gar nichts. Ich kann nachweisen, dass in Indien immer noch Witwenverbrennungen stattfinden.“ Ein Raunen ging durch die Menge. „Ich hab alles im Kasten“, sagte er und zeigte dabei auf seine Digitalkamera. „Ich hab mich als Inder verkleidet und dort geheiratet. In der Hochzeitsnacht nahm ich ein stark wirkendes Medikament zu mir, das mich scheintot werden ließ. Daraufhin wurde meine Frau verbrannt. Als die Wirkung des Mittels nachließ, befreite ich mich aus meinem Grab, schlich heimlich zur Verbrennungszeremonie und nahm alles mit der Kamera auf, ohne von jemandem gesehen zu werden.“ „Super Verkleidung“, rief einer. „Super Timing“, rief ein anderer. Und alle riefen wie im Chor: „Gut gemacht, guter Mann.“ Der spontane Applaus dauerte ununterbrochene 20 Minuten.

Gegen Ende der Sitzung las der Vorsitzende eine Namensliste vor. „All diese Kollegen können heute nicht unter uns sein“, sprach er. „Sie haben sich seit über einem Jahr nicht mehr gemeldet. Keiner weiß, wo sie sich aufhalten. Vielleicht sind sie undercover tätig und ihre Lage erlaubt es ihnen nicht, sich zu melden. Vielleicht sind sie auch schon tot. Lasst uns aufstehen und ihrer gedenken.“ Da riss sich ein Kellner die Maske vom Gesicht und rief: „Mich könnt ihr getrost von der Liste streichen. Bin seit einer Woche wieder im Lande.“ Alle klatschten und freuten sich.

Der Vorsitzende bückte sich und suchte in seiner Aktentasche den Text für seine Rede. Leichte Panik stieg in ihm auf, er konnte den Zettel nicht mehr finden. Da reichte ihm seine Assistentin das fehlende Manuskript. „Woher haben sie das?“, fragte er überrascht. Das ist eine Kopie meiner handschriftlichen Notizen. Ich habe das Manuskript gestern Abend geschrieben und niemandem gegeben.“ Da riss sie sich die Maske vom Gesicht und rief triumphierend: „Ich bin gar keine Assistentin. Das Manuskript habe ich heimlich kopiert. Ich habe mich bei ihnen eingeschlichen mit dem Ziel, sie auszuforschen. Das gehört zu meinem Praktikum. Ich studiere Journalismus im 1. Semester.“ „Viel Potential“, rief einer. „Bei dem Nachwuchs brauchen wir keine Angst um die Zukunft unseres Berufsstandes zu haben“, riefen alle. Der Vorsitzende nahm die Papiere entgegen, bedankte sich höflich und lobte den Fall als ein gutes Beispiel für den Nutzen des investigativen Journalismus. Jetzt konnte er seine Rede halten. Danach übergab er das Wort seiner Frau, die in der ersten Reihe saß. „Du, Schatz“, sagst du uns ein paar Worte zum Thema „Die Rolle der Frau im investigativen Journalismus gestern und heute“? Da riss sie sich ihre Maske vom Gesicht und rief: „Ich bin gar nicht ihre Frau. Ich studiere Journalismus im 4. Semester. Ich bin nur eine Scheinehe mit ihnen eingegangen, um eine Seminararbeit darüber zu schreiben.“ „Gut gemacht“, lobte der Vorsitzende sie. „Täuschend echt. Und unsere beiden Kinder?“, fragte er. „Die sind in Wirklichkeit adoptiert. Meine Schwangerschaften war nur vorgetäuscht.“ Da riss sich der Vorsitzende seine Maske vom Gesicht und rief: „Der Leiter der Adoptionsstelle, das war ich.“ „Gut gemacht“, rief sie anerkennend. Jetzt gab es tosenden Beifall und alle riefen wie aus einem Munde: „Herr Vorsitzender, sie haben sich wieder einmal selbst übertroffen.“

 

 

Heidelberg unter Wasser

 

Als ich den Apparat einschaltete, lief ein deutscher Film. Halb Dokumentation, halb Spielfilm. Er hatte ein völlig unwahrscheinliches Szenario zum Inhalt. Die Bundesregierung plante, das Neckartal unter Wasser zu setzen, zwecks Errichtung eines Wasserkraftwerks zur Stromgewinnung. Der Verein „Rettet das Neckartal e.V.“ organisierte ein Treffen, bei dem erregte Bürger und Befürworter des Projekts aufeinander trafen. Die Versammlung fand in einer großen Halle statt. Die Plätze waren restlos besetzt. Gerade betrat der Chef-Ingenieur das Rednerpult. Es hagelte Buh-Rufe. „Aber bedenken sie doch den enormen Nutzen des Projekts“, begann er seine Rede. „Man kann damit die ganze Region mit Strom versorgen. Fakt ist, die Bundesregierung hat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Ergo muss Strom auf alternative Weise erzeugt werden. Für den Energiewandel benötigen wir ihre Unterstützung. Wir werden Heidelberg selbstverständlich originalgetreu wieder aufbauen; und zwar in Sachsen. Mit Schloss und allem drum und dran. Nur die Landschaft wird eine andere sein. Heidelberg wird in eine ebene Landschaft eingebettet, ohne Fluss. Darin liegt gleichzeitig ein Beitrag zum Aufbau Ost. Wir haben dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Bedenken sie doch die enormen Vorteile. Die Vernunft lässt keine andere Entscheidung zu, die Vernunft gebietet diesen Schritt.“ Die letzten Worte sprach er mit pathetischem Ernst. Er wollte die Menschen überzeugen und wurde stattdessen von der Menge niedergeschrien. Es gab wütende Proteste und tumultartige Szenen. Die Sicherheitsleute mussten den Ingenieur durch einen Hinterausgang aus der Halle bringen.

 

Die Bürgerproteste weiteten sich aus, doch sie nützten nichts. Das Projekt wurde durchgeführt. Der Staudamm wurde gebaut, Heidelberg geflutet. Nur einer bekam davon nichts mit: Onkel Anton. Als das Wasser durch das Fenster des dritten Stocks seines Hauses zu fließen begann, rettete er sich in letzter Sekunde mit einer Luftmatratze und schwamm zwei Tage und zwei Nächte durchs Neckartal, bis ihn zufällig ein Journalist, der mit einem Helikopter das Tal abflog, entdeckte. Die herbeigerufene Wasserschutzpolizei konnte ihn dann retten. Der Überlebende wurde sofort von dem Reporter interviewt. „Aber haben sie denn die Zeitung nicht gelesen? Es kann doch nicht sein, dass sie gar nichts mitbekommen haben. Es stand doch in jeder Zeitung.“ „Wissen sie, ich lese schon lange keine Zeitung mehr. Ich interessiere mich nicht mehr für so was.“ „Und haben sie denn das Klopfen an der Türe nicht gehört? Jeder Haushalt wurde einzeln aufgesucht und gewarnt.“ „Wissen sie, ich mach schon lange keinem mehr die Tür auf. Ich sitze in meinem Zimmer und warte auf mein Ende. Meine Frau ist vor zwei Jahren gestorben, die Kinder kommen nicht mehr, sie haben eigene Familien gegründet. Jetzt gibt es für mich auf dieser Welt nichts mehr zu tun.“ „Und als das Wasser durchs Fenster stieg, ist ihnen da nichts Ungewöhnliches aufgefallen?“ „Gut, ich musste zum Essen holen in den Keller tauchen, wo ich die Suppendosen aufbewahre. Ansonsten ist mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Meine Frau hat immer gesagt, man muss sich nur zu helfen wissen.“ „Sie sind wohl manchmal etwas langsam?“ „Das kann sein, auch zwischen meiner Frau und mir hat es nicht sofort gefunkt. Es dauerte mehrere Jahre bis ich meine Liebe zu ihr entdeckte. Da waren wir schon längst verheiratet und das erste Kind war schon aus dem Haus.“

Zum ersten Mal im Leben war der Journalist sprachlos. Mit offenem Mund stand er da und stellte Onkel Anton keine weiter Fragen.

 

 

Oh Ted, what have you done

 

Wieder einmal zappte ich durch die Sender. Auf einem Kanal lief ein amerikanischer Spielfilm mit dem Titel „Oh Ted, what have you done“. Die Handlung ist schnell erzählt. Ein kleiner Bankangestellter namens Ted lebt seit 5 Jahren in einer langweiligen Beziehung mit seiner Freundin. Auf Drängen ihrerseits und weil er sie nicht verlieren will ringt er sich endlich dazu durch, sie zu heiraten. Tags drauf lernte er seine Traumfrau kennen. Mit ihr ist er glücklich, mit ihr kann er all das erleben, was er mit seiner Ehefrau nicht erlebt. Zu allem Überfluss lernen sich auch noch seine Ehefrau und seine Traumfrau zufällig kennen und werden ohne sein Wissen beste Freundinnen. Ich schaltete gerade ein als Ehefrau und Traumfrau sich gerade in einem Café trafen, um miteinander zu quatschen.

„Stell dir vor, ich hab einen neuen Lover. Er heißt Ted.“ „Ted ist ein guter Name, mein Mann heißt auch so.“ „Das ist ja ein Zufall. Wie auch immer. Ich bin momentan etwas besorgt. Gestern war er so zurückhaltend mir gegenüber. Manchmal flirtet er mit mir wie ein Italiener und manchmal ist er gehemmt und es wirkt so, als wolle er mir lieber aus dem Weg gehen. Was soll ich davon halten?“ „Kein Grund zur Besorgnis. Viele Männer werden plötzlich gehemmt, wenn die Beziehung allmählich ernst wird. Das ist ganz normal. Wenn ich da an meinen Ted denke. Ich hab eine Idee. Mach doch mal etwas Besonderes für deinen Lover. Erdbeeren mit Schlagsahne zum Beispiel. So was wirkt manchmal Wunder. Mein Ted zum Beispiel, der tut alles für Erdbeeren mit Schlagsahne. Es hat lange gedauert, bis ich darauf gekommen bin. An dem Tag, an dem er zugestimmt hat, mich zu heiraten, hab ich ihm zu Frühstück Erdbeeren mit Schlagsahne serviert. Ruf doch mal deinen Lover an.“ „Wenn du meinst.“ Dann zückte sie ihr Handy und rief Ted an. Ted wusste nicht, dass seine Traumfrau an einem Tisch mit seiner Ehefrau saß. Die Traumfrau wusste nicht, dass Ted der Ehemann ihrer neuen Freundin war. Und die Ehefrau wusste nicht, dass der neue Freund ihrer Freundin ihr Ehemann war. Am anderen Ende der Leitung ging also Ted ans Telefon. „Hi Darling, ich hab mir etwas Besonderes für dich ausgedacht: Erdbeeren mit Schlagsahne. Magst du Erdbeeren mit Schlagsahne?“ „Das ist meine Lieblingsspeise, woher weißt du das?“ „Frauengeheimnis. Übrigens, ich sitze gerade mit meiner Freundin in einem Café. Ich soll dir Grüße von ihr ausrichten. Grüße unbekannterseits. Soll ich sie von dir zurückgrüßen? O.K., mach ich. Dann bis Morgen. Tschau.“

 

Die beiden Frauen wunderten sich noch über den Zufall, dass der neue Freund ebenfalls Ted hieß und Erdbeeren mit Schlagsahne mochte. Doch sie schenkten diesem Umstand keine weitere Beachtung. Dann schaltete ich um. Ich hatte keine Lust auf Beziehungskomödien.

 

 

Die Rache des Hühnergottes

 

Danach lief wieder etwas Amerikanisches. Es ging um unglaubliche Geschichten, bei denen der Zuschauer entscheiden konnte, ob sie wahr oder nur erfunden waren. Die Geschichte, die gezeigt wurde, war unheimlich. Ein Mann machte sich einen Spaß daraus, Hühner zu köpfen und in die Luft zu werfen. Ohne Kopf flogen die Hühner noch mehrere Meter weiter. Da kam ein alter Mann mit Krückstock vorbei und ermahnte ihn, damit aufzuhören. Er sagte: „Auch Hühner sind Geschöpfe Gottes und alle Geschöpfe teilen dasselbe Schicksal.“ Der Mann ließ sich jedoch nichts sagen und machte unbeirrt weiter. Am nächsten Tag fuhr der Hühnerschänder mit seinem Motorrad auf die Autobahn. Da traf ihn die Rache des Hühnergottes. Ein LKW, auf dessen Ladefläche eine Betonplatte herausragte, scherte unerwartet vor ihm aus und köpfte den Mann auf dem Motorrad. Der Tote fuhr ohne Kopf auf der linken Fahrbahn weiter und überholte noch einen Schulbus mit Kindern. Nach einem Kilometer erreichte er einen Hühnertransport; einige Hühner schauten gelangweilt aus ihren Käfigen; am Steuer saß der alte Mann. Dann schalteten sie zurück ins Studio und der Redner fragte: „Wahr oder falsch? War es Ironie des Schicksals, dass der Mann, der die Hühner köpfte, am nächsten Tag selbst geköpft wurde? Oder ist die Geschichte frei erfunden? 17 Prozent der Zuschauer hielten die Geschichte für wahr.

 

 

 

 

Komm her, du Schuft

 

Auch die nächste Geschichte war unglaublich. Sie fing ganz harmlos an. Michael traf in einer Kneipe einen alten Freund. Der Freund war dafür bekannt, dass er immer über das Thema Frauen zu sprechen kam. Egal mit welchem Thema man anfing, nach spätestens drei Minuten lenkte er jedes Gespräch auf Frauen. Frauen im Allgemeinen und Frauen im Besonderen. Gerade sagte er: „Ich könnte die Beziehung mit Margarete retten, wenn ich sie 24 Stunden am Tag mit Schlafmittel ruhig stelle oder betäube. Ansonsten macht sie nur Unsinn.“ In Bezug zu einer andere Frau sagte er wenige Minuten später: „Ich könnte die Beziehung retten, wenn ich ihr alle 10 Monate ein Kind zeuge. Dann wär sie gezwungen auf das Kind aufzupassen. Ansonsten macht sie nur Unsinn.“ „Du machst dir viel zu viel Mühe mit den Frauen“, entgegnete Michael. „Die Weiber sind doch den ganzen Aufwand gar nicht wert. Ich zum Beispiel hab die Erfahrung gemacht, Frauen haben sich nur dann in mich verliebt, wenn ich in einer Hierarchie, die der Frau wichtig war, über ihr stand. Frauen sind doch so was von berechnend. In den letzten Monaten hab ich etwas Pech gehabt. Im Moment bin ich Hartz 4 Empfänger. Jetzt bin ich in der sozialen Hierarchie ganz unten. Welche Frau wird sich jetzt noch in mich verlieben?“ „Obdachlose Alkoholikerinnen“, sagte der andere mit messerscharfer Logik. Dann fingen beide an zu lachen. Sie quatschten noch bis spät in die Nacht. Als Michael in die U-Bahn stieg, um nach Hause zu fahren, saß tatsächlich zwei Reihen weiter eine obdachlose Alkoholikerin. Die setzte sich auch noch zu ihm hin, direkt gegenüber. Jetzt bekam Michael ein mulmiges Gefühl und er beschloss, eine Station früher auszusteigen und einen längeren Heimweg in Kauf zu nehmen. Kaum hatte er die U-Bahn Station verlassen, kam auch schon eine Gruppe von fünf obdachlosen Alkoholikerinnen direkt auf ihn zu. Sie hatten Einkaufswägen dabei, in denen sie ihre Habseligkeiten transportierten. Vor Angst fing Michael an zu rennen. Die Frauen rannten hinterher und verfolgten ihn. „Bleib stehen du Schuft“, riefen sie wütend. An der nächsten Straßenecke warteten schon zehn obdachlose Alkoholikerinnen und schlossen sich der Verfolgergruppe an. An jeder Straßenecke kamen neue hinzu. Sie kamen immer näher. Da sie die ganze Zeit ihre Einkaufswägen vor sich her schoben, war Michael schneller. Nach einer Stunde gelang es ihm, sie abzuschütteln. Mit letzter Kraft rettete er sich in sein Appartement, schloss die Tür von innen und saß stundenlang verstört in seinem Sessel. Er war noch einmal mit dem Schrecken davongekommen.

 

 

Hai an der Angel

 

Auf einem anderen Sender lief ein Streich mit der versteckten Kamera. Einige Angler saßen am Teich. So wie jeden Sonntag. Auch Bernd war da, mit seinem Sohn. Neben ihm stand ein Kasten Bier, wie jeden Sonntag. Doch eine Sache war nicht wie jeden Sonntag. „Was die Angler nicht wussten“, sagte der Sprecher, „wir haben diese furchterregende Hai-Attrappe in den Teich gesetzt. Sie ist sieben Meter lang und wiegt sechs Kilo. Ein Taucher aus unserem Team sorgte dafür, dass der Hai auch anbiss. Zusätzlich haben wir per Fernsteuerung ein paar kleine, zusätzliche Scherze eingebaut.“ Dann verstummte der Sprecher und sie zeigten den Streich. Der weiße Hai biss an, als der Junior gerade die Angel hielt und Bernd mit dem Rücken zum Teich stand. „Du Papi, da ist ein Hai an der Angel“, rief der Junge. „Bitte nerv mich nicht“, erwiderte Bernd. „Aber ich hab wirklich einen Hai an der Angel, schau doch selbst.“ Und als Papi sich umdrehte war der Hai, schwupps, wieder verschwunden. „Gib mir mal die Angel“, sagte Bernd und nahm die Sache wieder selbst in die Hand. Plötzlich tauchte der weiße Hai wieder auf und biss erneut zu. Ohne zu Zögern nahm Bernd todesmutig den Kampf mit der Bestie auf. Das Ungetüm wedelte mit den Schwanzflossen hin und her, eine Wasserfontäne schoss 20 Meter in die Luft. Es öffnete sein Maul und blutverschmierte Zähne traten hervor. Jetzt erschallte ein wildes Brüllen, es klang wie das Trompeten eines Elefanten. Geradezu todesverachtend zeigte Bernd vollen Einsatz an der Angel und mit letzter Kraft gelang es ihm, den Hai an Land zu ziehen. Da lag nun das Ungetüm auf der Wiese und immer noch spritzte Blut aus seinem Maul.

Das nächste Opfer blieb ganz gelassen. Der Angler zog den Hai einfach an Land und legte ihn zu seinem Fang, so als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, Haie aus dem Teich zu ziehen.

Das dritte Opfer bekam einen Riesenschreck, ließ die Angel fallen und raste mit dem Auto davon. Der Taucher rannte ihm noch hinterher, konnte ihn aber nicht mehr einholen.

 

 

Schicksal über den Wolken

 

Heute lief zur besten Sendezeit ein amerikanischer Film, eine Mischung aus Drama, Komödie und Dokumentation. Der Streifen hieß „Schicksal über den Wolken“. Ali Achmed stand an der Schalterhalle des Flughafens und beschwerte sich lautstark: „Sie müssen mich durchlassen, sie müssen mich unbedingt durchlassen“, rief er. Doch das Flugzeug startete ohne ihn. Er war zu spät gekommen. Als ein bewaffneter Polizist auf ihn aufmerksam wurde entfernte er sich auffällig unauffällig und verließ das Gebäude. Ali setzte sich in ein Taxi und bat den Chauffeur, ihn zurück ins Hotel zu fahren. Da klingelte sein Handy. „Hi Bin, wie geht’s denn so, altes Haus?“, begrüßte er den Anrufer. Doch während des Gesprächs verfinsterte sich seine Mine immer mehr. „Was?“, wiederholte Ali kleinlaut, „Amerika sofort verlassen? Mit dem nächsten Flugzeug? O.K., kein Problem, habe verstanden.“ Dann ließ er den Chauffeur umkehren und nahm die nächste Maschine, die das Land verließ. Er hatte nicht einmal gefragt, wo es hin ging. Im Flugzeug saß Ali in Gedanken versunken, schweigend auf seinem Sitz. Seine Sitznachbarin war eine alte Dame. Nach einer Stunde des Schweigens fragte sie unvermittelt: „Junger Mann, was hat ihnen denn an Amerika am besten gefallen?“ Genau darüber hatte Ali die letzte Stunde nachgedacht und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit fing er an, offen zu reden. „Die Freiheit hat mir am besten gefallen. Wissen sie, dort wo ich herkomme, sind die Menschen permanent in Zwänge eingebunden. Jeder noch so kleine Lebensbereich ist davon betroffen. In Amerika ist das anders, hier habe ich zum ersten Mal das freie Leben gespürt. In Amerika darf jeder seinen eigenen Weg gehen.“ „Wenn er genügend Geld hat“, ergänzte die alte Dame. „Und auch der Pizza-Service war toll“, sprach Ali weiter. In feierlichem Ton fasste er seine Antwort zusammen: „Was ich am meisten an Amerika geliebt habe war Freiheit und Pizza. Ich habe es genossen.“ Der Terrorist schien plötzlich seine Liebe zu Amerika zu entdecken. „Aber warum sprechen sie denn in der Vergangenheitsform?“, fragte die alte Dame weiter. Plötzlich fing das Flugzeug an zu wackeln. Es verlor bedenklich an Höhe. Panik machte sich breit. Direkt neben Ali sagte die Stewardess zu ihrer Kollegin: „Alle Piloten sind ausgefallen. Fischvergiftung. Wir sind verloren. Jetzt kann ich es dir ja sagen, ich habe mit deinem Mann geschlafen.“ Die Kollegin erwiderte: „Und ich habe mit deinem Freund geschlafen.“ „Mit meinem neuen oder mit meinem alten Freund?“ „Mit beiden, ich habe dich immer beneidet, ich war nie in der Lage, dir deinen Erfolg zu gönnen.“ Dann fielen sie sich in die Arme und heulten. Ali bekam von dem, was um ihn herum passierte, fast nichts mit. Während die andern von Panik ergriffen waren, saß er ruhig da und dachte über sein bisheriges Leben nach. In diesem Moment fiel ihm zum ersten Mal auf, dass er vieles in seinem Leben falsch gemacht hatte. Er hatte den falschen Ansatz gewählt, völlig falsch eingefädelt und das Falsche für das Richtige gehalten, jahrelang. Ganz leise formten seine Lippen die entscheidenden Sätze: „Sie haben meine Ideale und meine Dummheit für ihre Zwecke missbraucht. Ich habe vergessen, dass ich ein Mensch bin.“ Ein heftiges Gefühl von Scham und Wut ergriff ihn. Er hatte es satt, als Teilchen eines Kollektivs immer nur Befehlsempfänger zu sein. Ein Bauernopfer im Kampf der Systeme. Er hatte noch nie richtig gelebt, er hatte noch nicht viel gesehen von der Welt. Er kannte nur staubige Trainingslager und Menschen, die ihn immerzu manipulierten. Sollte das alles gewesen sein? Allmählich erwachte sein Überlebensinstinkt. Wozu hatte er denn die Flugausbildung erhalten? Die einzige Ausbildung in seinem Leben. Wann sollte er seine Fähigkeiten einsetzen, wenn nicht jetzt? Als die Panik am größten war stand er auf und rief: „Ruhe bewahren! Das ist ja noch gar nichts!“ Dann ging er ins Cockpit und flog die Maschine sicher zum nächsten Flughafen, nur die Landung war etwas holprig. Sofort kamen die Presseleute herbeigeeilt. In einem Live-Interview sagte die Stewardess: „Als dieser Mann aufstand und um Ruhe bat, da wusste ich, wir waren gerettet.“ Es war der 11. September.

 

 

Die afrikanische Braut

 

Ich zappte ziellos weiter. Ein Streich mit der versteckten Kamera fesselte meine Aufmerksamkeit. Ein Deutscher hatte in Deutschland eine Afrikanerin geheiratet und die Hochzeitsreise ging nach Afrika. Seine afrikanische Braut hatte darauf bestanden, die Hochzeitsnacht in ihrem Heimatdorf zu verbringen. Aus Liebe zu seiner Frau ließ der frischgebackene Ehemann sich zu dieser anstrengenden Reise überreden. Allein die Fahrt mit dem Land Rover von der nächstgelegenen Stadt zum Dorf dauerte bei glühender Hitze fünf Stunden. Als sie ankamen wurden sie von allen herzlich empfangen. Der Häuptling ließ es sich nicht nehmen, die Ankömmlinge persönlich zu begrüßen und lachende Kinder umringten sie. Seltsamerweise trugen die Kinder Patronengürtel und jeder hatte eine Pistole. Beim Begrüßungsfestessen in der Hütte des Häuptlings stellte der Deutsche die besorgte Frage, was das zu bedeuten hätte. Seine Braut übersetzte: „Ein menschenfressender Löwe sucht das Dorf heim. Ein böser Geist wohnt in ihm. Wir nennen ihn Menschmampf. Die Pistolen sind nur zu unserem Schutz.“ Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgte sogleich. Gegen Abend versammelten sich alle um ein Lagerfeuer. Der Mann wollte lieber in der Hütte bleiben, doch seine Frau überredete ihn herauszukommen. Es sei eine Beleidigung, die Einladung abzulehnen. Außerdem sei es eine einmalige Gelegenheit, afrikanische Folklore kennenzulernen. Also setzte sich er sich ängstlich ans Lagerfeuer. Immer, wenn er sich unbeobachtet glaubte, schaute er über seine eigene Schulter und hielt Ausschau nach der drohenden Gefahr. Das ganze Dorf war auf den Beinen, sie sangen und tanzten. Je später es wurde, desto stärker wirbelten die Trommeln und desto wilder wurde das Tanzen. Der Ehemann traute seinen Augen nicht. Da tanzte seine Braut, zusammen mit den andern Frauen des Dorfes, splitternackt um ein Feuer herum. Ihre Brüste wippten rhythmisch hoch und runter und sie stieß ständig geile Schreie aus. Sichtlich schockiert saß er mit offenem Mund da und beobachtete die Szene. Er hatte seine Frau immer für einen modernen Menschen gehalten. In Deutschland war sie Reiseverkehrskauffrau. Und jetzt tanzte sie splitternackt um ein Feuer herum und stieß geile Schreie aus. Das war nicht mehr der Mensch, den er kannte; das war nicht mehr die Frau, die er geheiratet hatte. Dieses war der zweite Streich und der dritte folgte sogleich. Jetzt liefen einige der Dorfbewohner über glühende Kohlen. Der Häuptling forderte den Deutschen auf mitzumachen, was er vehement ablehnte. Seine Braut kam hinzu und sagte, dass es eine Beleidigung der Stammesehre sei, die Einladung abzulehnen. Schon packten ihn zwei kräftige Männer, einer rechts, einer links, und schleiften ihn zu den glühenden Kohlen. Doch er befreite sich und lief in die Wildnis hinaus. Seine Frau folgte ihm und rief: „Komm sofort zurück, es ist gefährlich da draußen, der Menschmampf wird dich holen.“ Da tauchte der wilde Löwe auf und brüllte furchterregend. Der Bräutigam blieb wie versteinert stehen. Dann versteckte er sich hinter einem Busch. Der Menschenfresser war nur noch zwei Meter entfernt. Gleich würde er auf ihn springen und ihn zerfetzen. Doch was war das? Der wilde Löwe stellte sich auf zwei Beine, nahm seinen Kopf ab und lachend stieg Frank Elstner aus dem Löwenkostüm.

 

 

Klogespräche eines Ausscheiders

 

Ich schaute nun München TV. Bundeswehr Abgänger, in Bayern „Ausscheider“ genannt, liefen grölend und halb angetrunken durch die Fußgängerzone. Im Minutentakt schrie jeweils einer so laut er konnte: „Ausscheider“. Schon näherte sich ein Münchner Lokalreporter der Gruppe und hielt einem der Ausscheider das Mikrofon vor die Nase: „Ein Lebensabschnitt geht bei ihnen zuende, ein neuer beginnt. Wenn sie ihre Bundeswehrzeit Revue passieren lassen, was hat ihnen am besten gefallen? Was werden sie am meisten vermissen?“ „Wenn ich ehrlich bin“, antwortete der Angesprochene, „am meisten werde ich die Klogespräche vermissen.“ „Was sind denn Klogespräche? Stand das auf dem Dienstplan?“ „Nein, es waren eher zufällige Gespräche. Wenn man in der Mittagspause auf dem Klo war, da gab es immer gute Gespräche mit den anderen Klobesuchern. Die Klos sind nämlich oben offen. Man sieht den andern nicht, kann aber miteinander reden. Im Klo entstanden immer die besten Gespräche.“ „Und wie muss man sich das genau vorstellen?“ „Also, die ersten Klobesucher kamen immer so gegen zwölf Uhr und begannen während ihrer „Sitzung“ irgendein Gespräch. Die nachfolgenden Klobesucher führten dann das gleiche Gespräch weiter. Es war praktisch so, dass Klobesucher kamen und gingen, und alle führten quasi ein fortlaufendes Gespräch miteinander, bei dem ein Gedanke den nächsten ergab. Es waren oft tiefsinnige Gespräche darunter, aktuelle Themen, deren Besprechung ein Stück Lebenshilfe darstellte. Wissen sie, das Besondere daran war: auf dem Klo ist jeder gleich. Es herrschte eine Art Woodstock-Atmosphäre auf dem Klo. Jeder, der sich am Gespräch beteiligte, leistete damit seinen Beitrag. Auf anderen Klos hab ich diese Intensität nie erlebt. Ich sage immer, ein gutes Klogespräch erspart dir den Psychiater. Erst auf dem Klo hab ich gelernt, mich andern gegenüber zu öffnen, meine Gedanken und Gefühle mitzuteilen. Dadurch hat sich auch die Beziehung zu meiner Freundin verbessert.“ In seiner Stimme Klang Wehmut gepaart mit Dankbarkeit. Zum Schluss fügte er noch hinzu: „Erst im Klo habe ich meine geistige Verstopfung überwunden. Und ich wünsche jedem, dass die Tradition der Klogespräche bei der Bundeswehr auch nach uns weitergeführt wird.“ Die anderen hatten sich zwischenzeitlich im Kreis um ihn versammelt und der emotionalen Rede zugehört. Einige weinten. Selbst der Reporter war ergriffen. Er beendete das Interview mit den Worten: „Ausscheider, im wahrsten Sinne des Wortes.“

 

 

Hoffnungen

 

Letzte Woche bin ich umgezogen, von der Provinz in die Großstadt. Noch bevor ich mir Arbeit suchen konnte, streckte mich eine Blinddarmentzündung nieder. Nach der Operation lag ich noch eine Woche im Krankenhaus. Am dritten Tag kam diese hübsche Krankenschwester in mein Zimmer und fragte mich, wie es mir denn ginge? Bei dieser Frage überkam mich eine wohlige Wärme. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sich wieder jemand nach meinem Befinden erkundigt. Endlich hatte in dieser großen Stadt ein weibliches Wesen ihr Herz für mich entdeckt. Sofort begann ich, mir Hoffnungen zu machen und ich schaute sie sehnsuchtsvoll an. Dann sagte sie: „Und wie war ihr Stuhlgang heute?“ Mit einem Schlag sank ich zurück in die Kissen. Ihre Aussage traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht. Von einer Sekunde auf die andere sah ich all meine Hoffnungen jäh zerstört. Von einer Sekunde auf die andere wurde ich vom siebten Himmel auf den Boden der Realität zurückgeschmettert. Die hübsche Krankenschwester merkte, dass es mir immer schlechter ging. Sie fühlte meinen Puls und gab mir eine Tablette.

 

 

Unlauterer Wettbewerb

 

Als ich den Fernseher einschaltete lief gerade ein Zeichentrickfilm. Es ging um ein Sperma namens Paul. Das Sperma hatte Augen und einen Mund. Unvorsichtigerweise war es zu spät losgelaufen und die andern Spermien lagen beim Wettrennen um das Erreichen der Eizelle uneinholbar vorne. Da nahm das Sperma eine Trillerpfeife aus seiner Tasche und pfiff die Konkurrenten wieder zurück. „Zurück an die Grundlinie“, befahl es. „Alle sollen die gleichen Chancen haben!“ Und tatsächlich, alle Spermien kamen zurück und stellten sich schön brav an der Grundlinie auf. „Auch du da hinten“, rief es, „zurück zur Grundlinie.“ Das ertappte Sperma wurde rot und ging, wie alle anderen, zurück an die Grundlinie. „Erst wenn ich diese Fahne schwenke geht es los“, gab Paul die Spielregeln bekannt. Während er all das sagte, war er unmerklich immer weiter nach vorne gegangen. Jetzt war er so weit vorne, dass er sich außerhalb der Hörweite der anderen befand. Da nahm Paul ein Megafon und rief in strengem Ton: „Alle an der Grundlinie aufstellen und nicht schummeln.“ Kaum hatte er den Satz beendet, warf er das Megafon auf den Boden und lief los. Und ehe die andern merkten was gespielt wurde, hatte das Sperma schon die halbe Strecke zurückgelegt. Beinahe hätte ein anderes Sperma ihn noch eingeholt, doch Paul bewarf den Konkurrenten mit der Trillerpfeife und brachte dadurch den andern aus dem Tritt. Und so gewann unser Sperma das wichtigste Rennen seines Lebens. Es wuchs heran und wurde zu einem Menschen. Heute ist Paul Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wettbewerbsrecht.

 

 

Beim Chinesen

 

Sie zeigten wieder mal einen Streich mit der versteckten Kamera. Ein Mann hatte in einem chinesischen Restaurant gerade fertiggegessen und wollte zahlen. Als der Ladenbesitzer an den Tisch kam sah er, dass der Gast auf der Tischdecke einen kleinen Fleck gemacht hatte. Missbilligend schüttelte der Chinese den Kopf und sagte: „Das muss ich ihnen anrechnen. Die Reinigung der Tischdecke kostet 30 Cent.“ Der erstaunte Gast war damit nicht einverstanden, doch aller Protest stieß auf taube Ohren. Vor den Augen des Gastes wechselte der Chinese demonstrativ das Tischtuch und sagte: „Jetzt muss ich ihnen die Rechnung neu machen.“ Dann ging er zurück an die Kasse. Der Gast blieb sitzen und schüttelte den Kopf. Jetzt setzte sich ein Mann vom gegenüberliegenden Tisch zu ihm. Natürlich handelte es sich dabei um den Lockvogel. Mit gedämpfter Stimme, fast flüsternd fing er an zu sprechen: „Sie können froh sein, dass er ihnen nur 30 Cent berechnet. Ich bin Stammgast. Ming Fu ist bekannt dafür, dass er alle möglichen Kosten auf die Gäste abwälzt. Am besten freiwillig zahlen, sonst wird es noch teurer.“ Als der Chinese wiederkam, wollte der gewarnte Gast die Bezahlung schnell über die Bühne bringen. Doch Ming Fu rümpfte die Nase und sagte: „Sie haben gefurzt. Da muss ich ihnen einen Teil der Belüftungskosten anrechnen. Ich mach ihnen sofort die Rechnung fertig.“ Dann ging er und ließ den empörten Gast zurück. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte er zum Lockvogel. „Seit 20 Jahren bin ich in der Gastronomie, aber so was habe ich noch nie erlebt. Unglaublich.“ „Das ist hier ganz normal“, sagte der Lockvogel. „Vor einem Jahr, als Ming Fu von einem China-Urlaub zurückkam, hat das ganze Theater angefangen. Wir Stammgäste haben uns mittlerweile daran gewöhnt. Ich würde einfach zahlen, bevor er noch höhere Kosten auf sie abwälzt.“ Der Gast schüttelte immer noch den Kopf: „So etwas hab ich noch nie erlebt. Das geht nicht. In einem guten Restaurant geht das nicht.“ „Achtung“, unterbrach ihn der Lockvogel, „da kommt Ming Fu.“ Der Chinese reichte ihm die um zwei Euro erhöhte Rechnung. Auf der Rechnung war tatsächlich der Posten „Furzgebühr“ aufgeführt. Als der Gast das las wurde er wütend: „Das ist ja unglaublich. ‚Furzgebühr’“, wiederholte er ungläubig. In diesem Moment kam zufällig die hübsche Tochter des Chinesen vorbei und der Gast schaute sie kurz an. Da sagte Ming Fu: „Sie haben meine Tochter angeschaut. Das kostet 50 Cent. Ein Moment, ich mache ihnen die Rechnung fertig.“ Fassungslos ließ er den Gast erneut zurück. Der verlor jetzt seine Zurückhaltung und mit rotem Kopf rief er, so dass jeder es hören konnte: „Ich zahl doch nicht fürs gucken. Bin ich hier in einem Restaurant oder in einer Peepshow.“ Der Lockvogel versuchte ihn zu beruhigen und alles als völlig normal hinzustellen. „Am besten nicht mit ihm anlegen, er kann Kung Fu. Ich war einmal dabei wie er einen Gast auf die Straße gesetzt hat. Achtung, da kommt die Tochter wieder. Nicht hinschauen, sonst kann es teuer werden. Am besten, sie machen die Augen zu, ich sag ihnen, wann sie wieder hinsehen können.“ Der eingeschüchterte Gast machte tatsächlich die Augen zu. „Jetzt können sie wieder hinschauen.“ Als er die Augen öffnete stand Frank Elstner vor ihm.

 

 

Der Sherpa

 

Heute zeigten sie alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen einer englischen Himalaja-Expedition. Jahrzehntelang hatten diese Aufnahmen in einem Archiv geschlummert. Heute wurden sie zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Der englische Bergsteiger, ein Sir, wurde bei der Gipfelbesteigung des Mount Everest von einem unbekannten Sherpa gefilmt. Damit der Engländer auch ja gut ins Bild kam, musste der Sherpa ihn manchmal von weit oben, dann wieder von weit unten filmen. Dadurch war der Tibeter gezwungen, ihn immer wieder zu überholen und dann wieder vorbeizulassen. Zusätzlich war er mit schweren Ausrüstungsgegenständen beladen, während der Engländer nur einen leichten Rucksack trug. Der Europäer hatte außerdem eine Sauerstoffmaske, während der Einheimische ohne künstliche Hilfen auskam. Die letzten Tausend Meter zum Gipfel musste der Sherpa den erschöpften Bergsteiger auch noch Huckepack tragen. Bei der Rückkehr nach England wurde der große Bergsteiger von einer jubelnden Menschenmenge empfangen und er blieb ein hochangesehener Mann bis an sein Lebensende. Den Namen des Sherpas, der die doppelte Leistung erbracht hatte, kennt heute niemand mehr.

 

 

Der zwölfte Klon

 

Heute lief Zur besten Sendezeit ein amerikanischer Science-Fiction. Einem genialen Wissenschaftler war es gelungen, sich selbst zu Klonen. Der künstlich erschaffene Mensch war in Aussehen, Charakter und Intelligenz eine exakte Kopie seines Originals. Der ehrgeizige Wissenschaftler wollte nun herausfinden, ob seine Umgebung dazu in der Lage war, Original und Kopie voneinander zu unterscheiden. Das erste Experiment nahm er an seiner Frau vor. Nachts im Ehebett stand er auf und tat so, als würde er nur kurz auf die Toilette gehen. Stattdessen ging er durch eine geheime Tür in sein Labor und schickte den Klon ins Ehebett. Gespannt verfolgte der Wissenschaftler die Szene mit einer geheimen Infrarotkamera. Der Klon küsste sie und schlief mit ihr. Die Frau bemerkte keinerlei Unterschied. Unterdessen hatte der Wissenschaftler alles auf dem Monitor beobachtet und er jubelte vor Freude. Das Experiment war gelungen. Als nächstes schickte er den Klon an seine Arbeitsstelle. Auch sein Chef und die Kollegen bemerkten keinen Unterschied. Der Klon erbrachte dieselbe Arbeitsleistung wie er. Beim Mittagessen mit den Kollegen führte er die gleichen Gespräche, machte die gleichen Witze, hatte das gleiche Lieblingsessen. Von seinem Erfolg ermutigt, beschloss der Wissenschaftler, zehn weitere Klone von sich selbst anzufertigen. Damit erreichte sein Experiment ein neues Stadium. Die zehn Klone waren so programmiert, dass sie ihre wahre Herkunft nicht kannten, keiner wusste etwas von den anderen. Er schickte jeden in ein anderes Land. Der Wissenschaftler saß nur noch in seinem Labor und überwachte das ganze Experiment mit geheimen Monitoren, Peilsendern und Sattelitentechnologie. Insbesondere interessierte ihn, ob sie sich unterschiedlich entwickeln würden. Jahrelang war er mit diesen Forschungsarbeiten beschäftigt. Eines Tages in der U-Bahn hob der Wissenschaftler eine zufällig auf dem Boden liegende Tageszeitung auf. Eigentlich fuhr er nie U-Bahn, eigentlich las er nur wissenschaftliche Publikationen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit überflog er die Artikel auf der ersten Seite der Boulevardzeitung und blätterte gelangweilt durch die restlichen Seiten. Gerade als er das Blatt weglegen wollte, erschrak er beim Anblick eines Bildes. Das Foto zeigte eine Menschenmenge auf einem Volksfest und im Hintergrund waren undeutlich fünf seiner Klone zu sehen. Sie saßen auf einer Bank und unterhielten sich. „Das kann doch gar nicht sein“, dachte er. „Die Klone kennen sich nicht. Jeder lebt in einem anderen Land. Ich habe sie alle rund um die Uhr kontrolliert. Sie können unmöglich hier in der Stadt sein.“ Immer wieder betrachtete er das Bild. Im Grunde war auf dem unscharfen Bild nicht viel zu erkennen. Dennoch ergriff ihn eine innere Unruhe, die er nicht mehr los wurde. Nach drei schlaflosen Nächten beschloss er, der Sache näher nachzugehen. Dann schaltete ich um und ich habe nie erfahren, wie der Film zuende ging.

 

 

 

Einsteigen und losfliegen

 

Sie zeigten wieder mal einen Streich mit der versteckten Kamera. Irgendwo in München stiegen einige Damen und Herren in einen Nahverkehrsbus. Auf der Scheibe war ein Aufkleber angebracht mit der Aufschrift: Einsteigen und losfliegen. Darunter das Bild eines Busses, der über den Wolken flog. Auf der Anzeige stand: Ostbahnhof US. Nachdem sich die Türen schlossen, wurden die Fahrgäste von einer blonden Stewardess begrüßt, die an alle Essen austeilte. Danach ergriff sie das Mikrofon und sprach: „Willkommen an Bord. Im Namen des Münchner Verkehrs Verbundes begrüße ich sie als Teilnehmer des Pilotprojekts: Einsteigen und losfliegen. Wie sie an der Anzeige ‚Ostbahnhof U S’ gesehen haben, fahren wir zunächst in Richtung Ostbahnhof. Dann geht es auf direktem Wege zum Flughafen. Dort steht schon ein Flugzeug für sie bereit, das sie nach Amerika bringt.“ Dann ging die Blondine durch die Reihen und ein Mann sprach sie an: „Gnädige Frau, ich habe doch nur ein Nahverkehrsticket für den Innenraum, vier Ringe.“ „Ihr Nahverkehrsticket ist völlig ausreichend“, versicherte sie ihm. „Alles ist inklusive.“ Während der Fahrt erklärte ein Stadtführer den Reisenden die Sehenswürdigkeiten, an denen sie vorbeikamen. Auch das war inklusive. Inzwischen befand sich der Bus auf dem Rollfeld des Flughafens. Eine Rampe führte direkt vom Bus in den Flieger. Alle folgten bereitwillig der Aufforderung einzusteigen und das Flugzeug startete. An Bord wurde zunächst ein Schönheitswettbewerb veranstaltet. Es ging um die Wahl der Miss Stewardess. Leicht bekleidet gingen fünf Stewardessen den Gang auf und ab. Die Männer waren hochzufrieden und beteiligten sich lebhaft an der Wahl. Allen Passagieren wurde ein Einkaufsgutschein im Wert von 1000 Dollar versprochen. „Sie gehen heute noch in New York shoppen. Es ist alles inklusive“, versicherte der Pilot über die Sprechanlage. Erst jetzt fand die Ticket-Kontrolle statt. Dabei stellte sich heraus, dass sich ein „Schwarzfahrer“ an Bord befand. „Sie konnten kein gültiges Ticket vorweisen, sagte der bärtige Kontrolleur in strengem Ton, „ich muss sie bitten auszusteigen.“ Daraufhin überreichte er dem Ärmsten einen Fallschirm. Sein Sitznachbar versuchte, sich für ihn einzusetzen. „Das können sie doch nicht machen, sagte er.“ „Warum mischen sie sich jetzt ein“, entgegnete der Kontrolleur. „Ich bin Betriebsrat, ich bin es gewohnt, mich für andere Menschen einzusetzen.“ „Dann müssten sie auch wissen, dass sie nur für ihren Stammbetrieb gewählt sind. Hier haben sie keinerlei Beteiligungsrechte.“ Kleinlaut gab der Betriebsrat seine Bemühungen auf. Der Schwarzfahrer bekam es nun mit der Angst zu tun und fing an zu betteln. Der bärtige Aufsichtsbeamte indes blieb hart und sagte: „Es ist ihre eigene Schuld. Warum mussten sie auch schwarzfahren? Ich muss mich an die Regeln halten und sie müssen jetzt aussteigen. Den Sprung aus 3000 Meter Höhe werden sie schon überleben. Wir üben so was jede Woche.“ Der Unglückliche fiel auf die Knie und bettelte um sein Leben. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Dann rief er: „Gier, Gier ist die Wurzel allen Übels. Ich werde es nie wieder tun.“ Endlich ließ der Kontrolleur sich erweichen: „Na ja, ich will ja kein Unmensch sein. Dann drücken wir mal ausnahmsweise ein Auge zu. Der Schwarzfahrer kicherte vor Erleichterung und lachte vor Freude, als hätte man ihm ein neues Leben geschenkt. Alle Passagiere klatschten und freuten sich mit ihm. Jetzt wurde das Ergebnis des Schönheitswettbewerbes bekannt gegeben. Vor den Augen des gespannten Publikums sollte nun die gewählte Miss Stewardess nach vorne treten. Stattdessen erschien Frank Elstner in Frauenkleidern. Er riss sich die Perücke vom Kopf und löste den ganzen Scherz auf. „Danke, dass sie alle so toll mitgemacht haben.“

 

 

Kandi, der Außerirdische

 

Eine indische Seifenoper fesselte meine Aufmerksamkeit. Kandi, der Außerirdische, der in Menschengestalt auf die Erde kam, um die Welt zu verändern. Kandi trat zunächst als ganz normaler Entwicklungshelfer auf. Er gründete ein Waisenhaus in Indien. Das Projekt wurde durch weltweite Spenden finanziert. Alles lief hervorragend bis er eines Tages Besuch von einem Politiker bekam. Der forderte 10 Prozent aller Spenden; ansonsten würde er alles platt machen. Kandi lehnte vehement ab. „Das Geld ist für die Kinder da und nicht um ihren fetten Wanst zu stopfen“, rief er ihm hinterher. Am Abend kam das Killerkommando. Kandi lag in seiner Hütte auf einem Feldbett. Sie zündeten die Hütte an und feuerten eine halbe Stunde lang ihre Gewehr-Salven hinein. Kein Mensch konnte das überleben. Doch Kandi war kein Mensch. Am nächsten Morgen stand er auf als wäre nichts gewesen. Er hatte nicht die leiseste Schramme. Er stand einfach auf, wie Phönix aus der Asche, kletterte über die Trümmer und ging zum Fluss, um sich zu waschen. Dann ging er ganz normal seiner Arbeit nach. Als er in der Stadt Einkäufe erledigte, kam ihm zufällig auf der anderen Straßenseite einer der Killer entgegen, der auf ihn geschossen hatte. Kandi grüßte ihn höflich. Das einzige, das sich an Kandi veränderte, war, dass er jetzt mehr Interesse für das Verhalten der Menschen zeigte und er studierte, wo immer er konnte, die Eigenheiten der menschlichen Rasse. In der Folgezeit überlebte er mühelos drei weitere Mordanschläge. Kugeln, Gift, Messerstiche, all das konnte ihm nichts anhaben. Nach genau einem Jahr kletterte Kandi auf einen Baum und sprach: „Hiermit verkünde ich die Abschaffung des Kastensystems. Wer andere aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert, wird ab sofort mit Hautausschlag bestraft.“ Seine Stimme war in diesem Moment überall in Indien laut und deutlich zu hören. In jedem Dorf, in jeder Stadt, ob drinnen oder draußen, alle hörten gleichzeitig Kandis Stimme. Fragen sie mich nicht, wie das funktionierte. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Außerirdische Technologie. Am nächsten Tag lagen alle Personalchefs der großen Firmen des Landes auf der Intensivstation. Ihre Körper waren von oben bis unten mit rotem und blauem Hautausschlag bedeckt. Sogar die Zungen und die Innenseiten ihrer Backen blieben nicht verschont. 90 Prozent der politischen Elite des Landes lag im Krankenhaus. Überraschenderweise gab es viele Menschen, die auf ihrer Haut nicht die kleinste Rötung aufwiesen. Meistens handelte es sich dabei um kleine Leute: Handwerker, Feldarbeiter, Händler. In der Schlussszene wurde nur noch die Haut der verschiedensten Menschen gezeigt.

 

 

Die mutige Putzfrau

 

Auf München-TV lief ein Interview mit einer türkischen Putzfrau, die vor kurzem ihre Arbeit verloren hatte.

„Und dann wurden sie zum Abteilungsleiter und zum Marktleiter eines großen Möbelhauses gerufen?“ „Korrekt.“ „Und was haben die ihnen vorgeworfen?“ „Dass ich putzen zu langsam.“ „Und was haben sie geantwortet?“ „Dafür ich putzen gründlich.“ „Und wie wurde ihre Arbeit kontrolliert? Wie sind die darauf gekommen, dass sie mutmaßlich zu langsam putzen?“ „Chef sagen, er haben Videokamera mit Kontrollsoftware. Kamera mich nehmen auf, wenn ich putze und rechnen aus Quadratmeter Putzleistung pro Stunde. Und wenn ich zu langsam, dann blinken rotes Licht auf Schreibtisch von Chef.“ „Und wie haben sie auf diese Mitteilung reagiert?“ „Ich sagen, er sollen anschließen Selbstschussanlage an Kamera. Wenn Arbeitnehmer zu langsam, dann schießen automatisch.“ „Und was haben sie noch gesagt?“ „Ich geh zu Wallraff.“ „Vielen Dank für das Interview, sie sind eine mutige Frau.“

 

 

Gewusst, wie

 

Auf TV München lief ein Interview mit einem Jugendlichen aus Hasenbergl. Das Gespräch fand direkt im Zimmer des Jugendlichen statt. An der Wand hingen Bravo-Poster. Vor laufender Kamera setzte der 15-Jährige sich an seinen Computer, wählte eine Internet-Adresse und loggte sich in ein Online-Spiel ein. Es war ein Baller-Spiel. Auf einem virtuellen Spielfeld gab es verschiedene bewaffnete Figuren und jeder konnte jeden erschießen. Wer am Ende übrig blieb, hatte gewonnen. „Und du gewinnst das Spiel immer?“ fragte der Reporter. „Genau“, antwortete der Jugendliche. „Ich habe ein Hintertürchen entdeckt. Es gibt einen toten Winkel. Von dort aus kann man unbeobachtet ganz leicht alle anderen abschießen. Es ist die leichteste Sache der Welt. Wenn ich mitspiele, hat noch nie ein anderer gewonnen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Programmierfehler.“ „Dann zeig uns doch mal was du drauf hast“, forderte der Reporter ihn auf. Der Jugendliche begann das Spiel und München-TV filmte. Eine der Spielfiguren stand an einem Brunnen, sprang hinein und tauchte mit weit ausholenden Bewegungen durchs Wasser. Als er wieder auftauchte wurde er sofort erschossen und trieb nur noch tot umher. An anderer Stelle hatten sich drei Spieler zusammengeschlossen. Sie gaben sich gegenseitig Rückendeckung. Jeder richtete seine Waffe in eine andere Richtung. Wer würde gegen diese Übermacht bestehen? Plötzlich sackten alle drei von Schüssen getroffen tot zu Boden. Ein anderer Spieler ging in einen Turm und rannte die Treppe hoch. Oben angekommen stand er vor einer Tür. Dann wurde er durch die Tür hindurch erschossen und stürzte die Treppe wieder herunter. „Das genügt“, sagte der Reporter. „Wir glauben dir. Bei diesem Spiel bist du unschlagbar.“ „Ich darf es nur nicht zu oft Spielen, sagte der Jugendliche. „Sonst fällt den andern noch auf, dass immer der gleiche gewinnt.“

 

 

Carlotti, der Furchtlose

 

Als ich heute den Apparat einschaltete, lief ein italienischer Spielfilm. Es ging um das Leben eines Kellners namens Carlotti. Im Vorspann wurde gezeigt, wie er mit müden Schritten von der Arbeit nach Hause ging. Er lief gerade an einem Gartenzaun entlang, da flog von hinten im Sturzflug eine Amsel an ihn heran. Als sie auf seiner Höhe war, flog sie nach rechts, nicht etwa im Bogen, sondern durch geschicktes Verstellen ihrer Flügel flog sie direkt um die Ecke, knapp an seinen Beinen vorbei, mit voller Geschwindigkeit durch einen Lattenzaun hindurch. Der kleinste Flugfehler hätte genügt und die Amsel wär vor seinen Augen an einer Holzlatte zerschellt. Carlotti musste schmunzeln und staunte nicht schlecht über die Flugkunst und den tollkühnen Wagemut der Kamikaze-Amsel. Einen Tag später fuhr er mit seinem Auto zu einem Rendezvous. Die Dame wohnte in der Innenstadt und die wenigen freien Parkplätze in der Nähe ihrer Wohnung waren alle belegt. In einer kleinen Nebenstraße fand er gerade noch eine Lücke, wo er mit viel Mühe einparkte. Als er ausgestiegen und schon einige Schritte gegangen war, fiel ihm zufällig auf, dass alle anderen parkenden Autos in der Straße den linken Außenspiel nach innen geklappt hatten. Er wollte noch einmal zurückgehen und seinen Spiegel ebenfalls einklappen, doch dann besann er sich eines anderen. Er hatte es sehr eilig, um noch rechtzeitig zu seinem Rendezvous zu kommen. Als er nach einer Stunde mit zufriedenem Lächeln auf den Lippen zurückkam, war sein Außenspiegel abgerissen. Irgendein Idiot hatte ihn wohl gerammt und Fahrerflucht begangen. Carlotti fluchte kurz und stieg in seinen Wagen. Am Abend, als es an seiner Tür klingelte, hatte er den Vorfall längst vergessen. Er öffnete die Tür und zwei kräftige junge Männer schubsten ihn gewaltsam zurück in die Wohnung. Die ungebetenen Besucher waren die Handlanger eines stadtbekannten Mafiosi. Sie klärten ihn auf, dass sein nicht eingeklappter Außenspiegel daran schuld gewesen sei, dass der Porsche ihres Chefs nun eine Schramme habe und sie seien gekommen, um ihn für seine unentschuldbare Unachtsamkeit zu bestrafen. Carlotti erfuhr, dass der Boss täglich mit seinem breiten Porsche durch die engen Gassen der Stadt zu rasen pflegte. Jeder Anwohner wisse das und habe sich darauf einzustellen. Der ungewollte Gastgeber saß jetzt an seinem Schreibtisch und die beiden Schläger standen davor. Sie fühlten sich wohl ziemlich sicher. Da nahm Carlotti seelenruhig seine Pistole aus der Schublade und schoss dem linken der beiden Halunken eine Kugel zwischen die Stirn. Der getroffene sackte sofort tot zusammen. Der andere blieb erschrocken stehen und sah den Schützen entsetzt an. Der sprach seelenruhig weiter: „Ihr wolltet mich also bestrafen, weil euer Chef meinen Außenspiegel abgefahren hat? Sehe ich das richtig?“ Dabei deutete er mit der Waffe auf den Überlebenden. Der nickte nur stumm. „Dann sag deinem Chef, dass er gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen hat. Man schießt nicht gleich aus nichtigem Anlass heraus mit Kanonen auf Spatzen. Sag deinem Chef, dass er kein gutes Benehmen hat. Und nun raus mit dir, bevor ich es mir noch anders überlege.“

Eine halbe Stunde später teilte der Überlebende seinem Boss alles mit. Gerade sagte er: „Und ich soll ihnen ausrichten, dass sie kein gutes Benehmen haben, Chef.“ „Und du hast untätig dagestanden und ruhig zugeschaut wie er deinen Kollegen abgeknallt hat? Bin ich denn nur noch von Idioten umgeben“, brüllte er. „Was sollte ich denn machen? Eine falsche Bewegung und er hätte mich als nächstes abgeknallt. Mit so einer heftigen Gegenwehr hatte ich wirklich nicht gerechnet; bei so einer kleinen Sache. So ein Kratzer kann doch mal vorkommen.“ „Das war keine kleine Sache, du Idiot“, rief der Boss wütend. Dann wurde er wieder still und saß nachdenklich da. Nach einer Weile sagte er: „O.K; dann hetzen wir ihm eben die Polizei auf den Hals; wir haben eine Leiche in seinem Haus und eine Tatwaffe.“ „Das ist eine gute Idee, Chef“, sagte der Handlanger, „dann lassen wir zur Abwechslung mal die Bullen für uns arbeiten.“ „Und du wirst jetzt die Polizei anzurufen.“ „Was, ich soll die Bullen anrufen?“ „Und da du zu dumm bist, dir eine Geschichte auszudenken, sag ihnen einfach die Wahrheit.“ Noch während er dies sagte, streckte er ihm den Telefonhörer entgegen.

Keine Zwei Wochen später fand der Prozess gegen Carlotti statt. Die Anklage lautete auf Mord. Seltsamerweise wurde keine Leiche und keine Tatwaffe gefunden. Der Handlanger blieb zwar verschwunden, aber dafür konnte es 1000 andere Erklärungen geben. Und der Angeklagte wurde ca. 20 Minuten nach der „Tat“ in einem anderen Stadtviertel gesehen, wo er seelenruhig am Strand entlangspaziert war und sich sonnte. Würde sich jemand so verhalten, der kurz zuvor einen Menschen erschossen hatte? Er wurde von mehreren Zeugen zweifelsfrei wiedererkannt. Es gab keine Leiche und der einzige Tatzeuge erschien unglaubwürdig. Der Angeklagte hatte nur noch einen Tag Untersuchungshaft vor sich, dann musste der Richter ihn gehen lassen.

Carlotti war ein einfacher Kellner. Nie war er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Das Aufregendste, das es über ihn zu berichten gab, war, dass er einmal als Darsteller in einem billigen Porno-Video mitgewirkt hatte. Er hatte sich für diesen Job nicht aufgedrängt, ein Mann hatte ihn auf der Straße angesprochen. Der Streifen hieß „Du kleiner Kellner, du“ und handelte sinnigerweise von einem Kellner, der seine weiblichen Gäste in einer Pizzeria vernaschte. Die Szenen folgten alle dem gleichen Muster. Eine Frau betrat um die Mittagszeit eine Pizzeria. Sie war zufällig der einzige Gast. Die Frau bestellte etwas und beschwerte sich dann zickigerweise über irgendeine Kleinigkeit, die ihr nicht passte. Daraufhin riss er der Frau die Kleider vom Leib und unter wilden Protesten ihrerseits hatten sie Sex beiderseits. Gerade wurde in einem Rückblick eine solche Szene eingespielt. Die Frau rief: „Du kleiner Kellner, du. Was erlaubst du dir! Hör sofort damit auf! Jeden Augenblick kann jemand kommen. Mein Mann wird dich umbringen.“ Daraufhin erwiderte der kleine Kellner: „Das einzige was jetzt kommt bin ich.“ Bei den Dreharbeiten wurden den Darstellern in Bezug auf den Dialog freie Hand gelassen. Später stellte sich heraus, dass die eben beschriebene Szene bei den Zuschauern besonders gut ankam. Ja man kann sagen, Carlotti war in seiner kleinen Heimatstadt eine Berühmtheit geworden. Wann immer er einen Raum betrat witzelte irgendjemand: „Es ist nur Carlotti, der kommt.“ Jahrelang ging das nun so und er wurde diesen Scherz, der über ihn gemacht wurde, nie wieder los. Einmal hatte er aushilfsweise für einen erkrankten Kollegen Essen an einen Kindergarten geliefert. Als er den Raum betrat rief ein kleines Mädchen, das auf dem Fußboden mit einer Puppe spielte: „Es ist nur Carlotti, der kommt.“ Und alle Kinder begannen ein schallendes Gelächter, in das auch die Kindergärtnerin mit einstimmte. Mit der Warmhaltebox in der Hand stand er dummlächelnd da, bis er sich wieder fing und zur Normalität überging. Das war noch die beste Art damit umzugehen, einfach zur Normalität übergehen. Doch seitdem bekam er das Gefühl nicht mehr los, dass alle Welt es wusste. Selbst wenn er in einer fremden Stadt fremde Menschen sah, hatte er das Gefühl, alle wussten, dass er als Darsteller bei einem billigen Porno mitgewirkt hatte. Er hatte das Gefühl, dass alle mit dem Finger auf ihn zeigten und hinter seinem Rücken über ihn tuschelten. Er wollte diese Einbildung loswerden, er wollte sie am liebsten einfach abwaschen. Doch das ging nicht. Seine Einbildung hatte sich irgendwo tief in seinem Kopf eingepflanzt. Er hatte einmal kurz in Erwägung gezogen deswegen einen Psychiater aufzusuchen, doch sein Stolz hatte ihn davon abgehalten. Er war der Meinung, ein Mann müsse in der Lage sein, seine Probleme selbst zu lösen. Er hatte weitere Angebote aus der Branche erhalten, erst als Pornodarsteller, dann als Kellner im Rotlichtmilieu. All diese Angebote hatte er jedoch strikt abgelehnt. „Ein Mann soll sich sein Geld auf anständige Weise verdienen“, hatte er als Begründung angegeben. Carlotti hatte einen übertriebenen Sinn für Gerechtigkeit. Das Trinkgeld, das er bekam, teilte er stets redlich mit der Köchin und dem Spüler. Einmal hatte er sogar eine neue Kollegin geohrfeigt, weil sie ihr Trinkgeld mit niemandem teilen wollte. Noch nie war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

In seinem bisherigen Leben waren ihm zwei schwerwiegende Fehler unterlaufen. Dabei hatte er noch Glück gehabt, dass es nicht mehr waren. Die Fehler, die er gemacht hatte, waren so gravierend, dass sie ihn weit zurückgeworfen hatten. Welche Fehler es waren, darüber redete er nie. Er hatte die folgenden 20 Jahre seines Lebens damit verbracht „hinterherzurennen“, um irgendwann dort anzukommen, wo er schon längst sein müsste. Im Grunde hatte er mit vielem innerlich abgeschlossen und war bereit, klaglos auf vieles zu verzichten. Mit der Zeit war er immer desillusionierter geworden. Der Elan der frühen Jahre war nur noch selten zu spüren und er konnte sich nur noch selten wirklich für etwas begeistern. Aufgrund seiner Lebenserfahrungen hatte er den Schluss gezogen, dass die meisten Menschen bekloppt sind. Und je höher jemand in einer Hierarchie aufsteigt, desto bekloppter wird er. Carlotti lebte in einer Welt, in der jeder nur noch versuchte, das Maximalste für sich herauszuholen. Und jeder ging dabei so weit, wie er gehen konnte. Und um die eigene „Ausbeute“ zu maximieren lief es fast immer auf Verarschung oder Missbrauch hinaus. Verarschen oder verarscht werden, das war das würdelose Spiel, das alle gegeneinander spielten. Die Sprache der Vernunft verstanden sie nicht mehr, sie verstanden leider nur noch die Sprache der Gewalt. Carlotti war der Meinung, dass man zuweilen Gewalt anwenden müsse, um sich wirksam zu wehren. Das empfand er als völlig legitim. Hätte ihn jemand gefragt, welche weiteren Konsequenzen für das Überleben in einer rücksichtslosen Gesellschaft notwendig seien, hätte er wahrscheinlich nur geantwortet: „Zieht wenigstens die Kinder nicht mit rein.“

Frauen empfand er als „überteuerte Produkte“, wie er sich auszudrücken pflegte. Gegenüber einem Kollegen, der heiraten wollte, hatte er einmal geäußert, eine Frau habe einen naturgegebenen Auftrag. Sie müsse einen Mann finden und zum Zwecke der Arterhaltung Kinder zeugen. Dieser Auftrag müsse zudem innerhalb einer bestimmten Frist erfüllt werden. Im Idealfall unterstützt der Mann die Frau auch noch bei der Aufzucht der Brut. Oft wird man dabei enttäuscht feststellen müssen, dass Mann und Frau gar nicht zueinander passen und dass nur die gemeinsame Zweckverfolgung sie zeitweilig vereint hat.

Manchmal tat er jedoch Dinge, die seiner Grundeinstellung widersprachen. Carlotti wusste dann selbst nicht, warum und wie es so weit kommen konnte. Das Leben flackerte dann auf und nahm unaufhaltsam seinen Lauf, ohne ihn nach seiner Meinung zu fragen. An einsamen Abenden fragte er sich manchmal, ob das Schicksal sich über ihn lustig macht?

Jetzt saß er in einem schäbigen Gefängnis. Der Mafia-Boss hatte beschlossen ihn noch während der Untersuchungshaft umzubringen und alles wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Für diesen Auftrag hatte er einen Häftling engagiert, der im gleichen Gefängnis einsaß. Als Carlotti in seine Zelle gebracht wurde fiel ihm auf, dass der Wärter die Tür nicht zusperrte. Und so war er gewarnt, wieder einmal war er gewarnt. Es dauerte nur 5 Minuten. Mit einem Ruck öffnete sich die Tür und der Killer stürmte mit einem Strick bewaffnet in die Zelle. Doch er sah niemanden. Verdutzt blieb er stehen und suchte mit seinen Augen den Raum ab. Nichts. Man hatte ihm doch gesagt, dass ein Mann in der Zelle sei und dass es ein leichter Auftrag sei; leichtverdientes Geld. Die Gefahr kam von oben. Der gelernte Kellner sprang auf den Killer herab, riss ihn zu Boden und würgte ihn zu Tode. Dann nahm er den Strick, der eigentlich für ihn gedacht war und legte ihn dem toten Killer um den Hals. Er schleppte den leblosen Körper in den Flur und ließ es ein bisschen wie Selbstmord aussehen. Um die offene Zellentür machte er sich keine Sorgen mehr. Heute würde niemand mehr kommen. Die Sache würde nicht groß untersucht werden. Und Morgen mussten sie ihn freilassen.

Ich schaltete um und zappte durch die Sender. Dabei musste ich ständig an Carlottis Pornoszene denken. Was ich nicht verstand, war, warum die Frauen so bereitwillig Sex mit ihm hatten, während sie sich gleichzeitig dagegen wehrten. Das war doch unlogisch. Ich fand keine Antwort auf meine Fragen und zappte wieder zurück. Dadurch hatte ich eine spannende Szene größtenteils verpasst. Carlotti stand lange da. In der einen Hand hielt er eine Pistole und auf dem Boden lagen drei tote Polizisten. Er hätte fliehen müssen. Jeden Augenblick konnte jemand kommen. Hau ab, du Idiot! Doch er stand einfach so da als würde ihn das alles nichts angehen. Die Straßenkontrolle war von echten Polizisten durchgeführt worden, soviel war sicher. Und die Polizisten hatten erst ihre Waffen gezogen nachdem sie ihn erkannt hatten. Doch Carlotti war schneller. Nur knapp war er mit dem Leben davongekommen. Er verstand das alles nicht mehr; wollte es nicht mehr verstehen. Und als es ihm dämmerte, als ihm die Zusammenhänge klar wurden, schmerzte sein Kopf und das bloße Denken tat ihm weh. War es gestern noch die Mafia, so war heute die Polizei, die hinter ihm her war. Der kleine Kellner war zum Gejagten geworden. Und all das, nur weil er seinen linken Außenspiegel nicht eingeklappt hatte.

 

Jetzt saß der Gehetzte in der Falle. Eine Woche lang hatten sie ihn observiert, jetzt schlugen sie zu, fünf gegen einen. In einer heruntergekommen Werkhalle in einem verlassenen Industriegebiet vor den Toren der Stadt. Weit und breit war kein Wohnhaus zu sehen, überall nur ödes Land. Dies, so dachten sie, sei der ideale Ort ihr Opfer zur Strecke zu bringen. Doch es war Carlotti, der sie hier hergeführt hatte. Als er noch Industriearbeiter war, hatte er drei Jahre lang hier gearbeitet. Damals war es ein blühender Betrieb, der Lederwaren herstellte, heute war alles halb zerfallen. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er und fünf seiner ehemaligen Kollegen am letzten Arbeitstag direkt beim Verlassen des Betriebes von einem Mafiosi angesprochen wurden. Der Kerl hatte ihnen neue Arbeit im Ausland versprochen. Einreise, Arbeitsgenehmigung, Unterkunft: für alles war gesorgt. Als einzige Gegenleistung hatte der Mafiosi verlangt, dass sie als Zeichen des Respekts vor ihm niederknien sollten. Carlotti war der einzige, der sich geweigert hatte. Tja, deshalb war er jetzt hier in der Bredouille, während die andern gute Jobs in Deutschland hatten. Hier kannte er immer noch jeden Winkel. Auch den toten Winkel im 1. Stock, von wo aus sein damaliger Chef die Arbeiter heimlich zu beobachten pflegte. Er hatte diese Stelle einmal durch Zufall entdeckt. Von außen sah es aus wie ein Teil der Wand, von innen war es eine durchsichtige Glasscheibe. Von hier aus konnte der Verfolgte alles überblicken, doch niemand konnte ihn sehen. Er beschloss durch die Lüftungsschlitze zu schießen. Schon tauchte der erste Angreifer durch das alte Wasserbecken. Als er seine Nase prüfend aus dem Wasser hob, verpasste Carlotti dem Idioten einen Kopfschuss und sein lebloser Körper trieb nur noch tot umher. Drei andere gingen suchend durch die Halle und sicherten sich gegenseitig ab. Jeder deutete mit seiner Pistole in eine andere Richtung. Würde der kleine Kellner gegen diese Übermacht bestehen? Mit drei gezielten Schüssen streckte er sie nieder. Zwei in den Kopf und ein Lungendurchschuss. Der letzte verbliebene Angreifer rannte wild die Wendeltreppe hoch, die auch Carlotti vor kurzem hochgeeilt war. Hatte der Angreifer etwa sein Versteck bemerkt? Er konnte ihn nicht mehr fragen. Oben angekommen überraschte er den Angreifer, indem er durch die Holztüre schoss. Der Getroffene rollte zuerst die Augen und dann die Treppe hinunter. Der Sieger des tödlichen Duells stieg achtlos über ihn hinweg. In der Werkhalle stellte er sich in die Mitte der drei am Boden liegenden und stand lange da. Innerhalb von zwei Wochen hatte er nun zehn Menschen getötet und all das nur, weil er es versäumt hatte, seinen Außenspiegel einzuklappen. Er schüttelte, in sich versunken, ungläubig den Kopf. Da bemerkte er, dass einer der Angreifer noch lebte. Der Lungendurchschuss röchelte noch und glaubte mit der Geste des Kopfschüttelns wäre er gemeint. Der Röchelnde hielt seine letzte Stunde für gekommen. Angstschweiß lief ihm vom Gesicht und vermischte sich mit Blut. Da fragte Carlotti, immer noch in sich Versunken und mehr zu sich selbst gewandt: „Warum in aller Welt wollen die Leute mich erschießen, wenn ich ihnen sage, sie sollen sich anständig benehmen?“ Der Röchelnde dachte wieder er sei angesprochen und zuckte mit übermenschlicher Anstrengung die Schultern. Der über ihm stehende beugte sich weit nach vorne und betrachtete den am Boden liegenden Auge in Auge, wie ein Hai einen Schiffbrüchigen. Fünf Minuten später verließ er seelenruhig den Ort der Schlacht und überließ den Röchelnden seinem Schicksal. Draußen blendete ihn die Sonne und er ging zu einem der beiden Autos, mit dem das Killerkommando angerückt war. Da hörte er aus einem Funkgerät im inneren des Wagens eine Stimme. Die Stimme klang wütend und ungehalten. „Habt ihr den Auftrag ausgeführt? Ist die Sache endlich erledigt?“, hallte es aus dem Auto. Da setzte er sich in den Fahrersitz, drückte auf den Sprechen-Knopf und sagte: „Sie haben immer noch kein Benehmen. Man schießt nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen. Sie haben gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen.“ Auf der anderen Seite herrschte stummes Entsetzen. Carlotti wusste, mit wem er sprach. Jeder in der Stadt kannte den lokalen Mafia-Boss. Der Mann war ungefähr im gleichen Alter und hieß Luigi. Beide kannten sich sogar aus der Schule. Jetzt erinnerte er sich wieder. Als Jugendliche, als noch nicht abzusehen war in welche Richtung sich beide einmal entwickeln würden, hatten sie einmal gemeinsam einen Tanzkurs belegt. Anschließend hatten sie in den Dorfdiscotheken der Gegend Weiber aufgerissen. Sie waren oft zusammen losgezogen. Einen ganzen Sommer lang. Obwohl sie viel gemeinsam erlebt hatten, waren sie nie echte Freunde geworden. Irgendwann hatten sich ihre Wege wieder getrennt, ganz unspektakulär, und jeder hatte einen diametral entgegengesetzten Lebensweg eingeschlagen. Carlotti erinnerte sich nur selten an seine unbekümmerte Jugendzeit zurück. Er erlaubte es sich selber nicht. Er war stets der Meinung Nostalgie sei nur etwas für Menschen, die in der Vergangenheit lebten.

 

In der nächsten Szene stand er an einer Haltestelle und wartete auf die U-Bahn. Er befand sich in einem Außenbezirk der Stadt. Kein Mensch weit und breit; außer diesen drei Mädchen, die Arm in Arm auf ihn zugingen. Sie kicherten. Kurz fühlte er sich an seine eigene Jugend zurückerinnert. Die drei waren wohl auf dem Weg zu irgendeiner Party. „Jungfrauen“, dachte er. Sie werden sich verlieben, mal in den Falschen und irgendwann mal in den Richtigen. Und wenn sie sich mal ausweinen müssen, wartet zuhause bestimmt eine fürsorgliche Mutter auf sie, die sie in die Arme schließt. Der Wunsch, selbst eine Tochter zu haben, flackerte in ihm auf. Eine Tochter, die sich gut entwickelt und die man aufwachsen sieht. Genau in diesem Moment zogen die drei Mädchen ihre Schlagstöcke aus den Handtaschen und schlugen von verschiedenen Seiten brutal auf ihn ein. Ein gezielter Doppelschlag traf ihn am Kopf und er sank bewusstlos zu Boden. Noch zwei, drei weitere Schläge und er wäre verloren. Da ließen sie ihre Schlagstöcke sinken und mit vereinten Kräften versuchten sie, ihn auf die Gleise zu werfen. Ein schwacher Lufthauch und ein leises Geräusch aus der Ferne kündigte die einfahrende U-Bahn an. Später, als er wieder etwas Zeit zum Nachdenken hatte, kam Carlotti zu dem Schluss, dass seine kurze Bewusstlosigkeit ihm das Leben gerettet hatte. Die Mädchenbande hatte nicht damit gerechnet, dass ihr am Boden liegendes Opfer wieder aufstand und ebenso brutal zuschlug wie sie es bei ihm getan hatten. Diesmal hatten sie sich eindeutig mit dem Falschen angelegt. Der Ersten verpasste er einen Faustschlag in die Fresse, der sie mehrere Vorderzähne kostete. Der Zweiten verpasste er einen Tiefschlag, von dem Sie sich so schnell nicht erholte. Die Dritte packte er am Hals und hielt ihren Kopf vor die einfahrende U-Bahn. Dabei schaute er direkt in ihre von Todesangst erfüllten Augen. Im letzten Moment riss er ihren Kopf zurück. Er wollte sie am Leben lassen. Plötzlich fiel ein Schuss und die dritte Jungfrau sackte tot zu Boden. Aus den Augenwinkeln heraus sah Carlotti einen Polizisten wegrennen. Der Schuss hatte ihm gegolten. Später, als er wieder etwas Zeit zum Nachdenken hatte, kam er zu dem Schluss, dass der Verzicht auf Rache sein Leben gerettet hatte. Er drehte sich um und ging seelenruhig zum Ausgang. Auf der Treppe saß ein Bettler. Der Überlebende zückte seine Brieftasche und legte 50 Euro in den Hut. „Gott vergelt´s, guter Mann, sie werden Kinder haben“, versprach ihm der Penner. Als er in den nächsten Tagen die Zeitungen durchforstete wunderte er sich nicht einmal darüber, dass über den ganzen Vorfall nichts zu lesen war. In dieser schweren Zeit war er ganz auf sich alleine gestellt. Es gab niemanden auf der Welt, der zu ihm hielt. Überall lauerte der Feind. Er hatte die Höchststrafe erhalten. Ein Todesurteil, weil er seinen Außenspiegel nicht eingeklappt hatte.

 

Diesmal war es aussichtslos. Carlotti saß gefesselt auf einem Stuhl. Luigi fuchtelte drohend mit einer Pistole vor seinem Kopf herum. „Wenn ich gnädig bin bereite ich dir einen schmerzlosen Tod“, sagte er. Plötzlich kam der Sohn des Mafia-Bosses ins Zimmer gestürmt und stellte sich schützend vor den Gefangenen. Carlotti erinnerte sich an das Gesicht seines Beschützers, es war der Röchelnde; die Ärzte hatten ihn offenbar wieder hinbekommen. „Verschone ihn, denn er hat auch mich verschont“, bat er inständig. „Wenn du ihn erschießt, dann musst du auch mich erschießen.“ Der hartgesottene Mafiosi musste um Fassung ringen. Die Beziehung zu seinem eigenen Sohn stand auf dem Spiel. Minutenlang blieb er, die Pistole nun auf beide gerichtet, wie angewurzelt stehen. Dann sagte er: „Hau ab, verschwinde aus meiner Stadt und komm mir nie wieder unter die Augen.“ Er band ihn los und Carlotti durfte gehen, einfach so. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte der Mafia-Boss Gnade walten lassen. Und dazu war all das notwendig. An Carlotti war wirklich ein Erzieher verloren gegangen, doch er war nur ein kleiner Kellner mit einem seltsam übertriebenen Sinn für Gerechtigkeit. Er ließ sich in einer anderen Stadt nieder. Und er hat aus der Sache gelernt: Heute benutzt er nur noch die öffentlichen Verkehrsmittel. Seine Frau liegt ihm öfter damit in den Ohren: „Schatz, wir brauchen ein Auto, jede normale Familie hat ein Auto, du bist doch sonst nicht so.“ Dann pflegt er mit dem Kopf zu schütteln und zu sagen: „Ein Auto ist zu gefährlich.“ Carlotti hatte seine Frau zufällig beim Radfahren kennengelernt. Er hatte keinerlei Absichten gehegt, eine Frau kennenzulernen. Nur weil er gerade Hunger verspürte, war er nach einer Radtour in irgendeinen Imbiss-Laden gegangen. Und dort stand sie an der Kasse. An der Wand hing ein Zeitungsartikel, den ein Lokalreporter über den Laden geschrieben hatte. Anstatt etwas zu bestellen, hatte er den Artikel gelesen. Er handelte von ihren Eltern, die den Laden führten. Und es stand drin, dass die Besitzerin mit jedem Gast über das Wetter und über ihre Kinder zu reden pflegte. „Meine Mutter redet immer über das Wetter und über ihre Kinder“, hatte sie dann das Gespräch begonnen. Und er hatte geantwortet: „In einem Jahr reden auch wir über das Wetter.“ „Und über unsere Kinder“, hatte sie lächelnd hinzugefügt.

 

 

Ich hatte einen Traum

 

Im Traum schrieben wir das Jahr 2050. Gerade wurde auf München-TV eine Rede übertragen zum Thema „Die Wies’n damals und heute.“ Der Wies’n-Manager sprach gerade vor japanischen Touristen. Der Sender übertrug die Rede in voller Länge: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Japaner. Die Wies’n hat sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte grundlegend – ja geradezu revolutionär - verändert. Wir feiern die Wies’n jetzt auf einem riesengroßen Gelände außerhalb der City. Heutzutage kann jede Brauerei ein Festzelt aufstellen. Voraussetzung dafür ist lediglich ein fristgemäßer Antrag unter Benutzung des amtlichen Vordrucks. Das war nicht immer so. Früher durften nur eine handvoll Wirte ihre Zelte aufstellen. Wir zählen mittlerweile 100 verschiedene Zelte. Der Trans Rapid führt direkt vom Bahnhof zur Wies’n. In 5 Minuten gelangen sie vom Bahnhof ins Festzelt. Seit 10 Jahren führen wir eine Alkoholkontrolle per Chip durch. Wie sie alle wissen, erhält jeder Wies’n-Besucher einen Chip unter die Haut transplantiert. Dieser Chip dient zum einen der bequemen Bezahlung. Am Ausgang streckt der Wies’n-Besucher nur noch seinen Arm hin und die Zeche wird automatisch von seinem Girokonto abgebucht. Seit einiger Zeit haben wir auch die Pre-Paid-Variante. Der Besucher bucht vorher den von ihm bestimmten Betrag auf sein Wies’n-Konto. Und wenn der Betrag ausgeschöpft ist, kriegt er nichts mehr. Das läuft alles per automatischer Datenverarbeitung. Das Problem von Taschendiebstahl gehört der Vergangenheit an. Doch ich schweife ab. Besonders stolz sind wir auf unsere einzigartige Alkoholkontrolle, die wir im Zusammenarbeit mit den Krankenkassen im Rahmen unserer Aktion ‚drink responsibly’ entwickelt haben. Der Chip liefert die Blutalkoholwerte seines Trägers direkt an unsere Gesundheitszentrale, im Volksmund ‚Alkoholpolizei’ genannt. Wenn der Grenzwert von 1,5 Promille erreicht ist, kann der Gast automatisch kein alkoholisches Getränk mehr bestellen und die Wies’n-Polizei bringt ihn zum Ausnüchtern in ein Sammellager. Vor einigen Jahren hatten wir den Grenzwert auf 1,0 Promille gesenkt, aber daraufhin sind sie Besucherzahlen rapide zurückgegangen. Ganz ohne Rausch bzw. ganz ohne Räuschlein kommen auch wir nicht aus. Die Wies’n-Polizei besteht, nebenbei bemerkt, zur Hälfte aus Frauen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Angetrunkene jeglichen Geschlechts von Frauen leichter zu Bett bringen lassen. Bei uns sind es Feldbetten. Dabei wird der Gast - auch im angetrunkenen Zustand ist der Wies’n-Besucher immer noch unser Gast - laufend von erfahrenen Ärzten auf seinen Zustand hin untersucht. Wir haben viel getan, um vom Image des kollektiven Dauerbesäufnisses loszukommen. Und die Sache wurde überraschend gut aufgenommen. Viele Menschen unterwerfen sich freiwillig unserer Kontrolle. Viele kommen nur deswegen zu uns, weil wir die Alkoholkontrolle als moderne Dienstleistung anbieten. Vor allem die Frauen sind uns sehr dankbar dafür. Immer wieder erhalten wir Dankesbriefe von Frauen, die darüber froh sind, dass ihr Mann während der Wies’n-Zeit nicht mehr als Schnapsleiche nach Hause kommt. Auch für die Sicherheit haben wir viel getan. Jeder Quadratmeter des Areals wird mit Kameras bewacht. Sobald eine Schlägerei beginnt, meldet unsere Erkennungssoftware den Vorgang innerhalb von wenigen Sekunden an unsere Jungs von der Security, die sofort anrücken und eingreifen. Die durchschnittliche Zugriffszeit beträgt nebenbei bemerkt 2,14 Minuten. Unser Sicherheitspersonal ist speziell für den Nahkampf ausgebildet und unterbindet die Gewalt, bevor sich das Ganze zu einer größeren Schlägerei ausweiten kann. Die Streithähne werden sofort zur nächsten Polizeistation verfrachtet und erhalten zwei Jahre Wies’n-Verbot. Auch dies wird auf dem Chip vermerkt. Damit kommen diese Unbelehrbaren nicht mehr durch den Eingang. Wir haben zwecks der Sicherheit überall im Freien Panzerglaswände aufgestellt. Ein bisschen sieht es aus wie ein Labyrinth. Dieses neuartige System bewirkt einen Sprengstoffschutz. Wenn eine Bombe explodieren sollte, Gott bewahre, dann sind maximal nur 25 qm davon betroffen. D. h. jeder Wies’n-Besucher, der mehr als 5-6 Meter vom Ort der Explosion entfernt steht, ist absolut geschützt. Zudem haben wir zur Entlastung des Verkehrs parallel zur Haupt-Wies’n sog. Stadtteil-Wies’n eingeführt. In einigen Stadtteilen findet zeitgleich eine kleine Wies’n statt. Diese wiederum sind auf besondere Zielgruppen spezialisiert, die wir mit der Haupt-Wies’n nicht erreichen. Dabei handelt es sich zum einen um die Bio- Wies’n. Dort gibt es Tofu-Hähnchen und Bio Bier. Die Maßkrüge sind aus Zuckerrohr hergestellt. Nachdem sie ausgetrunken haben, können sie ihre Maß gleich aufessen. Schmeckt süßlich, wie Zuckerwatte. Dann haben wir natürlich die Schwulen- und Lesben- Wies’n, damit jeder zu seinem Recht kommt. Wir haben sogar eine Hartz 4-Wies’n. Im Oettinger-Festzelt kostet die Maß nur 99 Cent. Ach, beinah hätte ich es ganz vergessen. Die herkömmliche Wies’n findet natürlich wie immer auf der Theresienwiese statt. Sie beginnt wie immer am Samstag nach dem 15. September. Dieser Termin ist auch bei der modernen Wies’n gleich geblieben. In diesem Punkt hat sich nichts geändert. Denn Tradition muss sein.“

Als ich aufwachte konnte ich mich genauestens an alles erinnern, was ich geträumt hatte. Ich schrieb es sofort auf.

 

 

 

 

Da liefen die Glatzen davon

 

Ich schaltete den Fernseher ein. Die Nachrichten zeigten gerade ein verwackeltes Video, das offenbar von einem Amateur mit Handy-Kamera aufgenommen worden war. Es zeigte eine Demonstration von Neonazis in Passau. Ein arabischer Austausch-Student stellte sich ihnen mitten in den Weg und rief: „Hitler scheiße.“ Schon bildete sich ein Ring von muskelstrotzenden Neonazis um ihn herum. Der Student wendete sich an einen der Glatzen und versuchte ihn mit Worten zu überzeugen: „Ich habe eure Geschichte studiert, Hitler war vom Typ her ein Selbstmörder, der es nur darauf abgesehen hatte möglichst viele andere mit in den Tod zu reißen.“ Trotz seiner überzeugenden Argumentation wurde der Ring um ihn herum immer enger. Da sprach er wie ein Lehrer zu seinen Schülern: „Dann muss ich es euch zeigen, damit ihr wisst wie das ist.“ Er zog seinen Mantel aus und zum Vorschein kam ein Sprengstoffgürtel. „Wenn ich auf diesen kleinen roten Knopf drücke, dann fliegen wir alle in die Luft“, rief er und bewegte langsam seinen Daumen in Richtung des Knopfes. Da liefen die Glatzen davon.

 

 

Machello, der vorbildliche Praktikant

 

Heute war Themenabend auf Arte. Alle Filme, Reportagen und Diskussionsrunden hatten das Thema „Praktikantenleben“ zum Inhalt. Bei dem nun folgenden Spielfilm ging es um einen Praktikanten in Sizilien. Er war Student der Rechte und sollte sein Praktikum bei einer Polizeistation in einer sizilianischen Provinzstadt absolvieren. Machello war ein Streber und hatte in fast allen Fächern eine Eins. Schon die erste Szene warf ein bezeichnendes Licht auf seinen Charakter. Seine Nachbarin im Studentenwohnheim fragte ihn, ob sie mal gemeinsam was unternehmen wollten? Machello, der die Welt der Frauen noch nicht entdeckt hatte und nur seine Bücher kannte, machte ihr den Vorschlag, man könne ja zusammen ein Jura-Buch lesen. Die Studentin gab zur Antwort: „Gehen wir zu dir oder zu mir?“ Zu seinem ersten Rendezvous mit einer Frau brachte Machello tatsächlich ein Lehrbuch mit. Als er in ihr Zimmer trat waren die Vorhänge zugezogen und Kerzen brannten auf dem Tisch. Der Kerzenschein warf ein romantisches Flackern an die Wand. Gleich nach dem Eintreten schaltete Machello das elektrische Licht wieder an mit der Bemerkung: „Bei der Dunkelheit kann man doch gar nicht lesen. Ich will mir doch nicht die Augen verderben.“ Im Laufe des Abends versuchte die Studentin mehrfach vergeblich das Thema von juristischen Fragestellungen wegzulenken. „Du, Machello. Gestern war dein Nachbar in meinem Zimmer und hat versucht mich anzubaggern. Er wollte mich ins Bett kriegen, doch ich hab ihn weggeschickt. Was sagst du dazu?“ „Ja, ja“, antwortete Machello, „es wird mehr über Sex geredet als praktiziert.“ Dann las er ungerührt weiter, las ihr laut aus seinem Jura-Buch vor.

 

In der nächsten Szene saß Machello in einem heruntergekommenen Büro der Polizeizentrale und tippte auf einem vorsintflutlichen Computer eine Liste ab. Der erste Tag seines Praktikums hatte begonnen. Das Büro lag in einem abgelegenen Teil des Gebäudes, direkt neben der Toilette. Immerhin hatte er einen eigenen Schreibtisch. Es war um die Mittagszeit. Am Vormittag hatte Machello zusammen mit zwei anderen Praktikanten in einem Kurzumlauf alle wesentlichen Abteilungen der Polizeizentrale kennengelernt. Er wunderte sich immer noch über die laschen Sicherheitsvorkehrungen, die hier herrschten. So ein Leichtsinn. Jede Sekretärin konnte sich mühelos Zugang zur Namensliste der geplanten Verhaftungen verschaffen. Selbst ihm, dem Praktikanten, hatten sie die Liste einfach so in die Hand gedrückt. Es hatte ein paar Änderungen gegeben, weshalb er die Liste noch einmal abtippen sollte. Sie enthielt 10 Namen von Mafiosi mit vollständiger Adresse. Selbst die Telefonnummern der Ganoven waren angegeben. Auf seinem Schreibtisch stand ein Telefon. Er hätte sie jederzeit anrufen und - gegen Geld - warnen können. Bei dem Praktikantengehalt keine schlechte Idee. So ein Leichtsinn. Nun wusste Machello, was zu tun war. Als erstes führte er einen Zugriffsschutz ein. Er dachte sich ein zehnstelliges Passwort aus, eine willkürliche Kombination aus Großbuchstaben, Kleinbuchstaben und Zahlen. Ein paar Eingaben an der richtigen Stelle des Betriebssystems genügten und die Namensliste konnte ab sofort nur noch mit Hilfe des Passworts geöffnet werden. Er wunderte sich, dass diese Änderung von seinem Computer aus, auch ohne Administratorenrechte, so einfach möglich war. Jetzt hatte kein anderer mehr Zugang zur Namensliste. Schließlich, so dachte Machello, hatte man ihm diese Aufgabe zur selbständigen Erledigung übertragen. Er hoffte, dass man in seinem Praktikantenzeugnis – und nur darum ging es ihm – seine selbständige und effektive Arbeitsweise lobend erwähnen würde. Es würde reichen den Polizeipräsidenten im Rahmen des täglichen Praktikumberichts über die von ihm vorgenommene Verbesserung zu informieren. Den Präsidenten wegen so einer Kleinigkeit gleich anzurufen hielt er für übertrieben. Auf einmal ging das Faxgerät an, das auf dem Fensterbrett stand. Machello stand sofort auf, nahm die vier bedruckten Seiten und setzte sich wieder auf seinen Platz. In dieser Sekunde öffnete sich die Tür, ein älterer Polizist schaute auf das leere Gerät und ging wieder. Machello beachtete ihn nicht. Er hatte zu arbeiten. Das Fax aus Rom enthielt 50 weitere Namen, die der Liste hinzugefügt werden mussten.

 

Um 17 Uhr begann der Großeinsatz. 60 Verhaftungen waren durchzuführen. Im Hof standen 20 bemannte Polizeiwagen mit laufendem Motor. Kurz bevor die Polizisten losfuhren, übergab Machello ihnen die Liste. Der Einsatzleiter wurde stutzig. Anstatt 10 Personen, die alle schon seit Monaten bekannt (und gewarnt) waren, sollten nun 60 Personen verhaftet werden? Bevor er Machello eine Frage stellen konnte, kam der Polizeichef persönlich und klopfte dem Praktikanten auf die Schulter: „Na du großer Datentypisti, immer voll im Einsatz, sehr gut, weitermachen.“ Da dachte der Einsatzleiter, dass alles seine Richtigkeit habe und es ging los. Der Polizeipräsident wusste jedoch nichts von der aktualisierten Liste. Für ihn waren diese jungen Praktikanten, die er von Gesetzes wegen betreuen musste, unnütze Zeitverschwendung. Listen abtippen und Blätter verteilen, das waren die Aufgaben, die man einem Praktikanten geben konnte. Wie oft schon hatte man ihm weltfremde Theoretiker zugeteilt, die glaubten, alles ändern zu müssen. In der praktischen Polizeiarbeit war mit ihnen meist nichts anzufangen. Er hatte Machello zufällig durch sein Bürofenster gesehen, wie er die Listen austeilte. Dabei dachte er sich: „Endlich mal ein Praktikant, der selbst erkennt, dass es hier für ihn nur Listen abzutippen und zu verteilen gibt.“ Nur deshalb war er aus seinem Büro getreten und hatte ihm zufrieden auf den Rücken geklopft. Nun ging er wieder in sein Büro zurück und arbeitete weiter. Auch Machello saß wieder in seinem Büro. Mittlerweile war es 19 Uhr. Keiner kümmerte sich mehr um ihn, alle hatten ihn vergessen. Da er sich nicht traute eigenmächtig nach Hause zu gehen, blieb er im Büro sitzen. Er hoffte darauf, dass man ihm die Überstunden vergüten würde. Er dacht sich: „Solange ich es bezahlt bekomme, kann ich ruhig noch etwas rumsitzen.“ Seinen Tagesbericht hatte er dem Polizeichef auf den Schreibtisch gelegt. Der Chef war amüsiert. „Da glaubt doch dieser kleine Praktikant tatsächlich ich hätte nichts Besseres zu tun als seinen Tagesbericht zu lesen. Was kann in einem solchen Bericht schon groß drinstehen?“ Lachend warf er den Bericht in den Papierkorb.

 

An diesem Tag gelang der sizilianischen Polizei einer ihrer größten Schläge gegen das organisierte Verbrechen. In den letzten 10 Jahren zusammengenommen hatte es nicht so viele Verhaftungen gegeben wie an diesem einen Tag.

 

 

Schnell gelöst

 

Anschließend lief auf Arte eine Abwandlung des Kriminalromans „Die fünfte Frau“. „Sehr frei nach Henning Mankell“, hieß es im Untertitel. Der Polizist Kurt Wallander befand sich gerade auf Kur, weshalb ein Praktikant zur Aushilfe eingestellt wurde. Gleich am ersten Tag wurde der junge Mann namens Heiner zu einem seltsamen Tatort gerufen. Es handelte sich offenbar um eine Bagatelle, weshalb man ihm diesen Fall übertrug. In einem Blumengeschäft war eingebrochen worden. Die Fenster auf der Rückseite waren eingeschlagen und es gab Blutflecken auf dem Boden. Das Seltsame an dem Fall war, dass offenbar nichts gestohlen wurde. Diese Auskunft konnte die Verkäuferin geben. Der Inhaber des Ladens war verreist. Der Praktikant war gänzlich unerfahren und er wusste gar nicht, dass jedes Verbrechen, abgesehen von den reinen Wahnsinnstaten, einer Art von Planmäßigkeit oder Vernunft folgte, die es herauszufinden galt. Der Praktikant ging einfach nur systematisch nach einem Schema vor, das er auf der Polizeischule auswendig gelernt hatte. Als erstes nahm er Blutproben und ließ sie untersuchen. Die Kollegen belächelten ihn deswegen; sie hielten diese Maßnahme für übertrieben. Bei dem routinemäßigen DNA-Vergleich wurde festgestellt, dass das Blut von dem angeblich verreisten Inhaber des Blumenladens stammte. Da es frisches Blut war, ging der Praktikant ohne Weiteres davon aus, dass der Inhaber in seinem Blumenladen überfallen und entführt worden war. Dann rief der Praktikant die Telefongesellschaft an und verlangte die Nachweise aller privaten Telefongespräche des Vermissten, die ihm auch prompt zugefaxt wurden. Gleich auf den ersten Blick fiel ihm auf, dass der Ladeninhaber kurz vor seinem Verschwinden einen Handy-Anruf von einer Telefonnummer bekommen hatte, von der er noch nie zuvor angerufen worden war. Sogleich vermutete er, dass der Anruf vom Täter stammen müsse, der das Opfer irgendwie in den Blumenladen gelockt haben musste, um ihn dort zu überfallen. Zehn Minuten später war auch schon der Inhaber der verdächtigen Telefonnummer identifiziert: Eine Frau, die als Zugbegleiterin bei der Bahn arbeitete. Noch am selben Abend wurde das Haus der Frau von einem Sondereinsatzkommando gestürmt, während der Praktikant im warmen Büro saß. In einem alten Ofen im Haus der verdächtigen Frau wurde der Ladenbesitzer gefesselt, aber noch lebend gefunden und befreit. Die Frau wurde festgenommen, so dass sie keine weiteren Morde mehr begehen konnte. Der Praktikant hatte alles richtig gemacht und der Fall war gelöst. Im Original-Roman benötigt Kommissar Wallander 563 Seiten, um den Fall abzuschließen.

 

Danach lief wieder ein Kurzfilm mit einem Praktikanten in der Hauptrolle. Es handelte sich dabei um eine Abwandlung des Action-Films „Inside Man“. Sie erinnern sich sicher an die Handlung des Originals. Es gibt einen spektakulären Banküberfall und der Täter narrt die Polizei, indem er sich im Gebäude unter dem Boden verschanzt, sich Wochen später selbst befreit und mit der Beute ganz einfach durch den Hauptausgang der Bank hinausspaziert. Der größte Teil des Films besteht aus Polizeiverhören mit den Menschen, die sich zum Zeitpunkt des Überfalls in der Bank aufhielten. Doch die Polizei kann niemandem die Tat nachweisen. Die Abwandlung dauerte erheblich kürzer. Nachdem alle das Gebäude verlassen hatten und kein Täter gefunden wurde, sagte der Praktikant zum Einsatzleiter: „Wenn der Täter nicht hier draußen ist, dann ist er vielleicht noch im Gebäude versteckt. Geben Sie mir eine Wärmebildkamera. Wozu haben wir denn das ganze Spezialgerät?“ Nach einigem hin und her bekam er die Kamera ausgehändigt und ging mit einer Gruppe von zehn Polizisten ins Gebäude. Dann fing er systematisch an zu suchen. An einer Stelle blieb er stehen und verkündete: „Hinter dieser Wand befindet sich ein Mensch. Die Signale sind eindeutig.“ Schon wurde ein Loch aufgebrochen und der Einsatzleiter kam herbeigeeilt. Er mahnte alle zu äußerster Vorsicht und meinte, dass man es mit einer Sprengstofffalle zu tun haben könnte. Völlig unbeeindruckt von den Worten seines Vorgesetzten stellte der Praktikant sich vor die Öffnung und rief: „Kommen Sie sofort mit erhobenen Händen heraus oder wir verwenden Giftgas.“ Nach drei Sekunden kam der Bankräuber mit erhobenen Händen heraus und ergab sich. Die Beute wurde sichergestellt und der Film war zuende.

 

 

Die unglaubliche Verfolgungsjagd

 

Polizist Robertson verfolgte gerade einen griechischen Ganoven. Sie befanden sich auf dem Dach eines Hochhauses und Robertson warf ihm einen kleinen Gegenstand hinterher, der auf dem Rücken des Flüchtigen hängen blieb. Im Hintergrund lief ein Musikstück mit dem Titel fugl fonix. Jetzt rannten sie vom 50. Stockwerk aus die Hintertreppe runter. Er war dem Griechen dicht auf den Fersen. Ihr Abstand betrug nur noch eine Treppenlänge. Um ihn zu verringern, sprang Robertson jeweils die letzten zehn Stufen auf einmal hinunter, mit dem Erfolg, dass der Abstand sich nicht verringerte. Beim nächsten Stockwerk nahm er gleich 15 Stufen auf einmal. Auch dies verringerte den Abstand nur unmerklich. Er war fest entschlossen den Täter zu ergreifen. Diesmal durfte er nicht entkommen. Robertson entschied sich für das Äußerste. Ab dem 30. Stockwerk sprang er alle 20 Stufen auf einmal hinunter, rappelte sich auf dem Treppenabsatz wieder auf und nahm die nächste Treppe auf gleiche Weise. Das Tempo war mörderisch. Ihr Abstand verringerte sich auf eine halbe Treppenlänge. Gleich war es soweit. Schätzungsweise noch zwei Stockwerke und er hätte ihn eingeholt. Ausgerechnet in diesem Moment erschien ein Greis mit Krückstock auf der Bildfläche. Er trug eine Tüte mit Apfelsinen. Der Alte lief direkt in Robertsons Flugbahn. Der Gesetzeshüter sah ihn zu spät. Er versuchte noch mit einem besonders kräftigen Sprung über das menschliche Hindernis hinwegzuspringen: vergebens. Im Flug rammte er mit seinem Hintern mit voller Wucht den Kopf des Opas. Dieser überschlug sich mehrmals und rollte die Treppe runter. Ebenso die Apfelsinen. Diesmal landete der Polizist weich, mit dem Arsch auf dem Gesicht des Unglücklichen. Aus Versehen ließ Robertson einen Furz. Dann rannte er weiter. Dabei zermatschte er auch noch eine Orange. Der Zusammenstoß war ärgerlich. Damit hatte er wertvolle Sekunden verloren. Stunden später erwachte der Alte in einem Krankenhaus aus dem Koma. Als der behandelnde Arzt ihn nach dem Grund für seinen Sturz fragte, gab er das an, was er gesehen hatte: „Ein fliegender Arsch hat mich angefurzt.“ Er wurde sofort für unzurechnungsfähig erklärt und in eine Anstalt eingewiesen.

 

Indes ging die Verfolgungsjagd auf der Straße weiter. Der Ganove hielt ein Auto an, warf mit vorgehaltener Pistole den Fahrer raus und raste mit Vollgas davon. Auch Robertson hielt ein zufällig vorbeikommendes Auto an. „Dringender Polizeieinsatz, ich beschlagnahme ihren Wagen“, sagte er mit vorgehaltener Dienstmarke. Kleinlaut setzte sich der Besitzer auf die Beifahrerseite und ließ ihn einsteigen. „Aber bitte gehen sie vorsichtig mit meinem Schmuckstück um“, bettelte er. „Der Wagen ist nagelneu, ich habe ihn heute erst gekauft.“ Robertson sagte nichts und gab Gas. Der Verfolgte hatte schätzungsweise 100 Meter Vorsprung.

 

An einer Straßenkreuzung reparierte ein Elektriker die Ampelanlage. Er stand ganz oben auf einer langen Doppelleiter, deren Beine weit auseinander ragten. Der Grieche fuhr direkt darauf zu. Der Techniker bekam große Augen und musste hilflos zusehen, wie der Wagen unter der Leiter hindurchfuhr. Das war gerade noch mal gut gegangen. Millimeterarbeit. Robertson wollte es ihm gleichtun, obwohl er leicht hätte ausweichen können. Dabei tuschierte er das rechte Bein der Leiter, die in hohem Bogen davonflog. Der Wagenbesitzer drehte sich auf dem Beifahrersitz um und sah, wie der Elektriker sich mit einem Arm an der Ampel festhielt und drei Meter über der Straße baumelte. Jetzt kam auch noch ein großer Truck mit überhöhter Geschwindigkeit auf ihn zu. Zu spät stieg der Fahrer auf die Bremsen. Um das Abrasieren seiner Beine zu verhindern, unternahm der Elektriker mit letzter Anstrengung einen Klimmzug. Da verließen ihn die Kräfte und er fiel mit beiden Beinen voran auf das Dach des Containers, verlor das Gleichgewicht und wurde 30 Meter durch die Luft geschleudert. Im Flug bewegte er seine Beine wie ein Radfahrer, der in die Pedalen tritt. Das sah so ulkig aus, dass ich lachen musste. Sie zeigten es in Zeitlupe. Bevor er auf den Boden prallte, blendeten sie aus und gingen zur nächsten Szene über.

 

Mit äußerster Vorsicht hoben die beiden Arbeiter von beiden Seiten die überdimensionale Glasscheibe an. Weit und breit war kein Wagen zu sehen und so konnten sie es wagen, am Zebrastreifen die Straße zu überqueren. Mit den beiden Autos, die plötzlich auftauchten und mit großer Geschwindigkeit näher kamen, hatten sie nicht gerechnet. Das Gewicht der zu tragenden Last verhinderte ein schnelles Ausweichen. In der Mitte des Fußgängerüberwegs blieben sie stehen und sahen mit Entsetzen die auf sie zukommenden Raser. Der erste wechselte geschickt die Spur. Das war gerade mal gutgegangen. Hoffnung keimte auf. Der zweite Wagen wechselte seine Spur nicht, obwohl er das leicht hätte tun können. Robertson wollte keine Sekunde verlieren. Er durchbrach die Scheibe, die in 1000 Splitter zersprang. Sein Beifahrer war von oben bis unten mit Glasscherben übersät.

 

An einer Großbaustelle bremste der Ganove und sprang aus dem Wagen. Kurz darauf legte Robertson eine Vollbremsung hin, konnte jedoch den Auffahrunfall nicht mehr verhindern. Er stieg eilig aus und ließ den Besitzer des Wagens achtlos sitzen.

Auf dem Boden lagen duzende Metallröhren von über 50 Meter Länge. Der Grieche kletterte in eine hinein, Robertson kroch hinterher. Am anderen Ende wurde es wieder hell. Das konnte nur bedeuten, dass der vor ihm kriechende Grieche die Röhre verlassen hatte. Plötzlich spürte er einen Ruck und er wurde mitsamt der Röhre in die Luft gehoben. Die Bauarbeiten gingen weiter. Der Kranführer staunte nicht schlecht als er sah, wie Robertson in 50 Meter Höhe aus dem Rohr gekrochen kam und sich draufsetzte. In luftiger Höhe zuckte der Gesetzeshüter sein Handy und rief das Team an. Kurze Zeit später erschienen zwölf bewaffnete Spezialkräfte und übernahmen die weitere Verfolgung. Aus der Vogelperspektive konnte er alles genauestens überblicken, bis der Schurke in die Kanalisation kletterte. Die Meute jagte ihm hinterher. Das Abwasser stank bestialisch, überall wimmelte es von Kanalratten. Die Verfolger rannten ohne mit der Wimper zu zucken weiter. Das Wasser spritzte zur Seite und traf die Ratten. Vom Griechen war nichts mehr zu sehn. „Was treibt diesen Mann nur voran?“, fragte der Gruppenführer. „Sein Urin-stinkt“, bemerkte ein Polizist. Jetzt spielte Robertson seinen letzten Trumpf aus, den er noch hatte. Immer noch saß er hoch oben auf der Röhre. Zu Beginn der Hetze war es ihm gelungen, einen Peilsender auf dem Rücken des Griechen anzubringen. Er drückte auf eine Taste seines Handys und auf dem Display erschien eine Landkarte, auf der ein roter Punkt blinkte. Der Punkt bewegte sich schnell in östliche Richtung. „Er befindet sich in einem roten Lieferwagen und fährt zur Autobahn“, rief er. „Sofort Verfolgung aufnehmen!“ Das Team sprang auf die bereitstehenden Motorräder und fuhr hinterher. „Helikopter, marsch!“, lautete der nächste Befehl. Sogleich erschien ein Militärhubschrauber. Der Pilot schoss aus allen Rohren und brachte den Wagen auf der Autobahn zum Stehen. Der Fahrer stieg mit erhobenen Händen aus. Es war nicht der Grieche. Der rote Punkt blinkte noch immer. Er musste sich im Laderaum befinden. Das Team sprengte die offene Hintertüre auf und sie richteten zwölf Gewehrläufe in den Wagen. Die Rauchschwaden verzogen sich, endlich wurde der Insasse sichtbar. Er stand auf zwei Beinen an der hinteren Wand und hatte den Peilsender um den Bauch geschnallt. Es war eine Kanalratte. Der Grieche hatte sie alle ausgetrickst und war wieder einmal entkommen.

 

 

Die Kettensägenfrau

 

Es lief wieder mal nur Nonsens. An einem sonnigen Tag ging eine dicke Frau mit einer furchterregenden Kettensäge durch den Stadtpark. Da entdeckte sie einen kleinen Jungen, der alleine auf einer Parkbank saß. Sie steuerte direkt auf ihn zu und forderte ihn auf aufzustehen. „Meine Mutter hat mir verboten aufzustehen“, gab er zur Antwort. Daraufhin zersägte die dicke Frau die Parkbank. Zuerst die rechte, dann die linke Seite. Die Bank fiel mitsamt dem Buben krachend zu Boden. Noch bevor er aufstehen konnte sagte sie durch den Lärm der Motorsäge hindurch: „Versprich mir, immer auf deine Mutter zur hören!“ Der Junge versprach es und rührte sich nicht vom Fleck. Dann drehte die Kettensägenfrau sich um und ging weiter. Eine Minute Später scheuchte sie eine Gruppe japanischer Touristen vor sich her, die vor ihr Reißaus nahmen.

 

 

Französischer Tatort

 

Im Rahmen eines deutsch-französischen Projekts zeigten sie einen französischen Tatort. Im 5-minütigen Vorspann sah man die schöne Kommissarin beim Duschen. Durch einen dünnen Vorhang hindurch konnte man die Konturen ihres Körpers erahnen. Plötzlich und unerwartet schob sie den störenden Vorhang zur Seite und duschte ungeniert weiter. Ihr makelloser Körper und ihre sexy Ausstrahlung raubten mir den Atem. In einer Szene voller Sinnlichkeit cremte sie ihren Körper mit Duschgel ein und strich sich mit beiden Händen über Busen, Bauch und Po. Wie zufällig wechselte sie dabei mehrmals ihre Position, so dass ich von allen Seiten ihre Schönheit betrachten konnte. Ich fragte mich, ob ich einen Softporno oder Tatort eingeschaltet hatte. Da war der Vorspann auch schon vorbei und die eigentliche Kriminalhandlung begann beziehungsweise das, was sich Franzosen darunter vorstellen. Die sexy Kommissarin sollte einen Mord in Paris aufklären. Die ganze Handlung war jedoch durchsetzt von verschiedensten Beziehungskisten. Die Frau war geschieden und ihr Ex-Mann, auch ein Polizist, arbeitete in einer benachbarten Abteilung. Ursprünglich hatten sie in derselben Abteilung gearbeitet. Ständig liefen sich die beiden über den Weg. Auf dem Flur vor der Registratur sagte er zu ihr: „Oh Cheri, ich habe lange über uns nachgedacht, ich habe so viel falsch gemacht.“ Und ausdrucksvoll sprach er weiter: „Eifersucht ist eine Eigenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Oh Cheri, ich hatte zu viel Leidenschaft. Eifersucht sollte der Wind sein, der das Segelboot der Liebe vorantreibt. Doch bei mir war es ein Sturm, der das ganze Schiff zum Kentern brachte. Oh Cheri, kannst du mir jemals verzeihen?“

In der nächsten Szene ging die hübsche Kommissarin den Flur entlang und ein Praktikant kam ihr entgegen. Dann ging alles in Zeitlupe über, ihre Brüste wippten, ihr Becken wogte rhythmisch hin und her, der Praktikant sah sie lüstern an und leckte sich in Zeitlupe lustvoll die Lippen. Im Untertitel wurden seine Gedanken eingeblendet: „Ich will dich, Mon Cheri.“ Dann fragte er, ob er den Bericht für sie kopieren solle. Und sie antwortete: „Wie üblich“ und ging an ihm vorbei, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken.

In der nächsten Szene saß sie gerade mit ihrem Chef in der Kantine und er sagte zu ihr: „Die Liebe ist eine Eisenbahn. Man muss schon selbst einsteigen. Und niemand weiß, wo sie dich hinbringt. Oh Cheri, bitte steig mit mir ein.“ Ich folgerte daraus, dass es bei der französischen Bahn anscheinend keine Fahrpläne gab. Auch das Verhältnis zwischen ihrem Ex-Ehemann und ihrem Chef war ein großes Thema. Der Chef hatte heimlich die Versetzung ihres Ex-Mannes bewirkt, um den Nebenbuhler ein stückweit loszuwerden. Doch der Exmann wusste es. Auch der Chef wusste, dass er es wusste. Aber der Exmann wusste nicht, dass der Chef wusste, dass er es wusste. Deshalb tat der Chef immer so als wisse er nicht, was er wusste. Das alles war sehr verwickelt. Alle Männer waren auf die eine oder andere Art hinter der Kommissarin her, doch nur ich, der Zuschauer, hatte die schöne Kommissarin nackt unter der Dusche gesehen. Dies erfüllte mich mit tiefer Befriedigung. Am Ende löste sie noch ihren Fall. Der Baguette-Verkäufer war der Mörder.

 

 

Vorsuppe Waldi

 

Als ich den Apparat einschaltete, lief gerade ein Scherz mit der versteckten Kamera. Diesmal wurde Waldemar Hartmann hinters Licht geführt. Ein (echter) Kollege hatte ihn mit viel Mühe dazu überredet, mit ihm ein chinesisches Restaurant zu besuchen. Gerade gingen sie hinein und nahmen Platz. Das Ambiente des Restaurants sah aus wie eine schlecht gelungene Mischung aus chinesischem Restaurant und deutscher Sportgaststätte. Auf dem Holztisch vor ihnen klebten duzende Hanuta-Abziehbildchen von deutschen Nationalspielern und an den Wänden hingen Poster von Bundesliga-Stars. Direkt hinter Waldemar Hartman hing ein Poster von Rudi Völler. Rudi trug eine Krone auf dem Kopf und einen Ball in der rechten Hand. Der beliebte Sportreporter schaute es sich kurz an und kratze sich am Hals. Als Erstes studierte er die Getränkekarte und war überrascht über die gute Auswahl an Weißbier. Sein Kollege begann die Unterhaltung: „Das ist das angesagteste Restaurant der ganzen Stadt. Prominente Fußballer gehen hier ein und aus. Auch das Essen ist köstlich. Und auf der Speisekarte gibt es eine Vorspeise, die wurde nach dir benannt: Vorsuppe Waldi. Deswegen hab ich dich ja hier hergeführt. Bestellen wir doch erst einmal die Suppe.“ Dann winkte er den Kellner her und bestellte zweimal „Vorsuppe Waldi“. Die Suppe wurde serviert, beide fingen an zu essen.

„Was sind denn das für Glocken auf den Tischen?“, fragte Waldemar fünf Minuten später und wie aufs Stichwort läutete der Gast am Nachbarstisch seine Glocke. Der Chinesische Kellner kam mit einem großen Staubsauger herbeigeeilt und saugte ein paar lästige Fliegen ein. Anschließend saugte er noch den Rücken und die Beine des Gastes. Der Staubsauger machte dabei einen ohrenbetäubenden Lärm. Keiner der Gäste schien sich daran zu stören, keiner schaute auf, alle taten so als sei das alles völlig normal. Nur Waldemar Hartmann beobachtete den ganzen Vorgang ganz genau und machte eine befremdliche Mine.

 

Nach kurzer Zeit setzte sich ein Mann mit grauem Arbeitskittel an den Nebentisch. Er kam gerade aus der Küche. Das war der Lockvogel, der den Mann von der Gewerbeaufsicht spielte. Er schüttelte andauernd den Kopf und fasste sich mit der Hand an die Stirn. Dabei sprach er mit sich selbst: „So etwas ist mir noch nie untergekommen, in zwanzig Jahren habe ich so etwas noch nicht erlebt.“ Er sprach dabei so laut, dass Waldemar am Nebentisch alles mithören musste. Dann kam der Besitzer des Restaurants und der Mann „von der Gewerbeaufsicht“ zischte ihn an: „Was ich soeben in der Küche gesehen habe, das ist zu viel. Ich muss ihr Restaurant schließen. Wenn es nicht so offensichtlich wäre, dann könnte ich vielleicht noch etwas machen, aber so sehe ich mich gezwungen ihr Restaurant schließen zu lassen. In ihrem Kühlschrank befindet sich ein Hundekadaver. Deutscher Dackel. Und sie Idiot schreiben es auch noch auf die Speisekarte: Vorsuppe Waldi.“ „Die Speisekarte hat unsere Tochter geschrieben“, verteidigte sich der Chinese, „sie kann am besten Deutsch.“ Dann rief er seine Tochter und ermahnte sie streng: „Du darfst Vorsuppe Waldi nicht auf die Speisekarte schreiben. Entschuldige dich beim Mann von der Gewerbeaufsicht.“ „Ich glaube sie verstehen die Lage nicht richtig“, fuhr der Lockvogel fort, „sie können nicht einfach ihre Tochter vorschicken und ihr die Schuld geben. Es geht nicht um das, was auf der Speisekarte steht, es geht um den Inhalt ihrer Suppe. Dackelfleisch darf in Deutschland nicht angeboten werden.“ Als Waldemar das hörte, schluckte er und legte entsetzt den Löffel zur Seite. „Mit unserer Suppe ist alles in Ordnung“, versicherte ihm der Kollege, „in unserer Suppe war eindeutig Hühnchenfleisch. Ich weiß doch wohl wie Hühnchen schmeckt.“ Jetzt kam der Koch hinzu und musste dem Mann „von der Gewerbeaufsicht“ Auskunft geben. „Wenn man Hund speziell zubereitet“, sagte der Koch in gebrochenem Deutsch, „dann schmeckt wie Huhn. Deutscher nicht merkt Unterschied. Bei uns in Heimat große Spezialität. Ich nicht verstehe ganze Aufregung.“ Nun schob Waldemar die Suppe beiseite und warf seinem Begleiter einen finsteren Blick zu. „Wir zahlen jetzt und dann gehen wir“, sagte er. Just in diesem Moment erschien auch schon ein Polizist auf der Bildfläche. „Herr Hartmann“, fing er an, „haben sie von dieser Suppe gegessen?“ Der Angesprochene nickte stumm. „Dann werde ich ihre Suppe beschlagnahmen und von der Gerichtsmedizin untersuchen lassen. Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass wir ihren Mageninhalt zu Beweiszwecken sicherstellen müssen.“ „Was soll das heißen?“, fragte Waldemar entsetzt.“ Die Antwort kam prompt: „Das soll heißen, dass wir sie sofort ins Krankenhaus bringen, wo ihnen der Magen ausgepumpt wird. Wenn wir dieses Restaurant schließen wollen, dann brauchen wir eindeutige Beweise, schließlich geht es um die Existenz des Inhabers.“ Als der Chinese das hörte rief er aufgeregt: „Wenn ein Gast kriegt Magen ausgepumpt, dann ich verlieren meine Ehre.“ „Ich als Prominenter habe auch viel zu verlieren, erwiderte Waldemar, „wenn Morgen in der Bildzeitung steht ‚Waldemar Hartmann bestellt beim Chinesen Dackel mit Weißbier’, dann gute Nacht.“ Genau in diesem Moment betrat Rudi Völler das Restaurant. Er war in Begleitung von Maradona und Van Gaal. Sie gingen an Waldemar Hartmann vorbei, ohne in zu bemerken und setzten sich an den Nebentisch, der durch eine Holzwand abgeschirmt war. Waldemar konnte aber noch hören wie Rudi laut „Vorsuppe Waldi“ bestellte. Daraufhin legte der prominente Sportreporter die Hand auf die Schulter des Polizisten und sprach in gedämpftem Ton: „Also wenn sie mich fragen, wäre es das Beste, wenn sie noch mal ein Auge zudrücken könnten und die Sache auf sich beruhen lassen. Schließlich geht es um die Existenz eines Restaurant-Besitzers.“ Nach einigem hin und her war der Polizist tatsächlich bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Waldemar Hartmann setzte sich wieder an seinen Tisch und zwar genau so, dass er durch einen kleinen Spalt in der Holzwand hindurch beobachten konnte, wie Rudi Völler „Vorsuppe Waldi“ serviert bekam.

 

 

Der Proleten-Prof

 

Es mag oft vorkommen, dass ein Mensch, der eine bestimmte Haupteigenschaft hat, auch die gegenteilige Eigenschaft in sich trägt. Meistens ist dann die eine Eigenschaft vorherrschend und die gegenteilige Eigenschaft ist zurückgedrängt, kaum sichtbar, kaum entwickelt. Im Laufe des Lebens entscheidet sich der Mensch meistens entweder für das eine oder das andere. Seltener kommt es vor, dass Eigenschaft und Gegeneigenschaft gleichstark ausgeprägt sind und, anstatt sich zu bekämpfen, in friedlicher Koexistenz miteinander leben. Von einem solchen Fall handelte dieser Fernsehfilm.

 

In der ersten Szene unterhielt sich ein Jura-Professor mit dem Rektor der Universität. Es war ein gepflegtes Gespräch beim Golfspielen. Meistens sprach der Professor, während der Rektor aufmerksam zuhörte und von Zeit zu Zeit zustimmend mit dem Kopf nickte. „Man sollte endlich den Gesetzgeber dazu verpflichten bei neuen Gesetzesvorhaben empirische Forschung zur Kenntnis zu nehmen“, sagte der Professor. „Wenn heutzutage ein neues Gesetz erlassen wird, dann muss anschließend jahrelang ein Reparaturgesetz nach dem andern hinterhergeschoben werden. Das ist doch alles nur Flickschusterei.“ Nachdem er sich über den Gesetzgeber ausgelassen hatte, ging er allgemein zum Thema Hochschulstudium über: „Viele meiner Studenten wählen den Studiengang nicht aus Neigung. Sie studieren Jura, weil sie nichts Besseres gefunden haben. Bei der Korrektur von Klausuren muss ich immer wieder das gleiche feststellen: ein breites Mittelfeld, aber kaum jemand mit herausragenden Leistungen.“ Dann erwähnte er stolz seine durchschnittliche Durchfallquote von 40-50 Prozent und empfahl strengere Eingangsprüfungen. Nebenbei empfahl er auch, dass Zeugnisverleihungen feierlicher gestaltet werden sollten. Man solle aus der ganzen Veranstaltung ein größeres Brimborium machen.

 

Die nächste Szene spielte vor einem Fußball-Stadion. Der Professor trug eine grüne Bomberjacke und war mit seinen Kumpanen auf dem Weg zum Stadion. Alle trugen grüne Bomberjacken und manche hatten kahlgeschorene Schädel. Jeder hatte eine Bierflasche in der Hand, jeder war angetrunken. Es war Samstag und sie besuchten ein Bundesliga-Spiel. Die Heimmannschaft hatte den FC Bayern München zu Gast. Zehn Meter vor ihnen in der Menschenmenge lief eine hübsche Frau. Da fing der Professor in Hipp-Hopp-Manier an zu reimen. „Vor mir seh ich eine Frau, der ich in die Augen schau. Gehn wir zu dir oder zu mir? Eins von beiden rat ich dir.“ Dann prosteten sich alle laut johlend zu.

Im Stadion ging es heiß her. Als es einen Freistoß gab grölte der Professor: „Baut die Mauer wieder auf, baut die Mauer wieder auf“ und die Menge stimmte mit ein. Jetzt zog er einen Golfball aus seiner Jackentasche, spuckte drauf, zielte, warf und traf Oliver Kahn direkt am Kopf. „Volltreffer“, rief er, und hob in Siegespose, faustgeballt beide Hände in die Luft. Dabei wandte er sich völlig unverhohlen an die Umstehenden, die seinen Kunstwurf respektvoll bejubelten.

 

Nach dem Spiel ging der Professor mit seinen Kumpels noch zu einer Würstchenbude. Dort kauften sie Bier und belegte Semmel. Angetrunken vor der Bude stehend grölte er in rhythmischem Sprechgesang: „Es kam mir die Erkenntnis, als ich in mein Brötchen biss, das ist doch alles nur Geschiss, auf den ich Piss.“ Wobei er die letzten vier Worte besonders betonte und nach jedem Wort eine Kunstpause einlegte. Da rief die Verkäuferin: „Aber nicht vor meiner Bude.“ Und wieder prosteten sie sich laut johlend zu und jeder nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Dann reimte er halb singend weiter, immer noch vor der Bude stehend, wie auf einer Bühne:

„Den pseudo-Autoritäten

gehört in den Arsch getreten!

Mann, ihr solltet beten,

dass man euch verschont,

euch auch noch belohnt

für die Kriecherei

und den Einheitsbrei,

den ihr uns serviert,

ganz ungeniert

das System repräsentiert.“

Als weitere Zuschauer dazukamen, um seine Darbietung zu bewundern, stoppte er abrupt und verließ hastig den Ort des Geschehens.

Die nächste Szene spielte zwei Tage später. Der Professor hielt gerade eine Jura-Vorlesung in der Aula der Universität.

„Kommen wir nun zu § 241 a Bürgerliches Gesetzbuch. Wie ist die Rechtslage, wenn ein Verbraucher eine unbestellte Warenlieferung oder sonstige Leistung erhält, die von einem Unternehmer ausgeführt oder veranlasst worden ist? Absatz 1 ordnet für einen solchen Fall den Ausschluss von Ansprüchen gegen den Verbraucher an. Daher kommt weder ein Vertrag über den Leistungsbezug, noch ein Verwahrungsvertrag hinsichtlich der gelieferten Gegenstände zustande. Bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze wäre im Zusenden der Ware ein konkludentes Angebot zu einem Vertragsschluss zu erblicken. Ein Schweigen des Empfängers begründete keine Annahme. Jedoch begründet – nach allgemeinen Grundsätzen – die Ingebrauchnahme einer Sache eine konkludente Annahme. Dieses Ergebnis wird jedoch durch die Wertung des § 241 a verändert. Für das Vorliegen einer Annahme ist ein über die Gebrauchnahme, sogar über den Verbrauch einer Sache hinausgehendes Erklärungsverhalten des Verbrauchers erforderlich. Aus der systematischen Stellung des § 241 a ergibt sich, dass auch außervertragliche Ansprüche gegen den Verbraucher ausgeschlossen sind. Selbst bei Untergang und Vernichtung der unbestellten Sache ist der Verbraucher keinen Ersatzansprüchen ausgesetzt. Nach herrschender Meinung muss der Verbraucher eine ihm unverlangt zugesandte Sache auch nicht herausgeben. Dies ist jedoch strittig, weil der Normzweck des Paragraphen einen völligen Ausschluss von Herausgabeansprüchen nicht zwingend verlangt. Die Vorschrift dient übrigens der Umsetzung von Artikel 9 der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz. Ziel der Richtlinie ist eine präventive Einflussnahme auf das Marktverhalten von Leistungsanbietern, indem aufdringliches Marketing als unerwünschtes Marktverhalten unter die Sanktionsdrohung des Ausschlusses von Ansprüchen gestellt wird. Die systematische Einordnung des § 241 a, zwischen § 240 und § 242, hat im Schrifttum übrigens heftige Kritik hervorgerufen. Lesen sie dazu den Artikel von Flume in der Zeitschrift für Insolvenzpraxis aus dem Jahre 2000, Seite 1427 und die entsprechende Kommentierung im Nomos Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch.“

 

 

Tod eines Spanners

 

Die beiden Kommissare standen nachts am Rande eines Wäldchens. Die erhöhte Lage und zurückgeschnittene Büsche ließen einen versteckten Blick auf ein frei stehendes Haus zu. Als die Besitzerin des Hauses das Licht einschaltete, konnte man sie vom Versteck aus durch die Fensterscheiben gut sehen, ohne selbst gesehen zu werden. Der Kommissar stieß einen dritten Mann zur Seite und nahm seinen Platz ein, von wo aus er eine bessere Sicht hatte. Die Frau im Haus zog gerade ihr Oberteil aus und ging knapp bekleidet durch die Wohnung. Als die Frau auch noch ihren BH auszog, fing der Weggestoßene an zu protestieren: „Ich war zuerst da.“ „Und ich bin Hauptkommissar und führe gerade eine Kriminalermittlung durch“, sagte der andere und zeigte ihm seine Dienstmarke. „Geben sie mir mal ihr Fernglas.“ Der Angesprochene gab es ihm kleinlaut und der Kommissar schaute stumm durch das Glas. Die Frau betrachtete sich jetzt im Spiegel und streichelte sich dabei sanft über Brust und Bauch. Nach einer halben Stunde gab er das Fernglas zurück. „Wie lange kommen Sie schon hierher?“, fragte er den Fernglasbesitzer. „So gut ein Jahr.“ „Woher wissen Sie überhaupt, dass hier ein guter Beobachtungsplatz ist?“ „Aus dem Internet“, sagte er zögernd, „es gibt da spezielle Seiten für unsereins“, er versuchte krampfhaft das Wort Spanner zu vermeiden, „dort erhält man Tipps, wo sich lohnende Plätze befinden. Gerade darin liegt ja der Vorteil des Internets“, erklärte er, „dass man auch Erfahrungswissen austauschen kann. Gerade, wenn man neu in der Stadt ist oder nur zu Besuch, braucht man nicht mehr wie früher mühsam zu suchen, sondern man erfährt alles aus dem Internet. Es gibt da einen regelrechten Tourismus.“ Auch jetzt versuchte er sorgfältig das Wort Spanner zu vermeiden. Der Hauptkommissar führte das Verhör weiter. „Und zu welchen Zeiten halten sich hier auf?“ „Ich komme jeden Donnerstag, Punkt 18 Uhr, wenn die Dame von der Arbeit kommt.“ Dann sagte er zu dem Spanner: „Danke für ihre Mithilfe, sie können gehen.“ Minutenlang stand der Kommissar gedankenversunken vor einen Strauch, ab und zu griff er sich an die Stirn. Der Jüngere stand daneben und traute sich nicht, seinen Chef anzusprechen. Dann sagte der Hauptkommissar in die Stille hinein: „Ist es nicht seltsam, dass die Dame immer pünktlich um 18 Uhr ihre Hüllen fallen lässt? Ich glaube sie präsentiert sich wohl gerne. Ich werde ihr Morgen mal einen kleinen Besuch abstatten.“

 

In der nächsten Szene stand der Hauptkommissar in der Wohnung der Dame und unterhielt sich mit ihr.

„Frau Müller, ich bin hier, um ihnen mitzuteilen, dass sie regelmäßig heimlich beobachtet werden. Dort drüben“, und dabei zeigte er mit dem Finger in Richtung des Wäldchens, „ist ein Platz, wo man Sie abends beobachten kann, wenn sie das Licht eingeschaltet haben. Unsere Befragungen haben ergeben, dass etwa zehn Spanner sie regelmäßig beobachten.“ Als sie das hörte, setzte Frau Müller sich hin und schüttelte mit dem Kopf: „Unglaublich, dass es Menschen gibt, die nichts Besseres zu tun haben, als in meine Intimsphäre einzudringen. Ich bin empört. Gut, dass Sie mich aufklären, Herr Kommissar, ich werde sofort Jalousien anbringen lassen.“ Dann wandte der Kommissar sich zum Gehen, drehte sich aber im letzten Moment wieder um. „Und da ist noch etwas, dass ich ihnen sagen wollte. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie sich den Spannern absichtlich präsentieren.“ „Wie kommen Sie auf einen solch absurden Gedanken?“, widersprach Frau Müller. „Im Internet existiert eine Seite, da steht genau drin, an welchen Tagen und um wie viel Uhr sie nackt durch ihre Wohnung spazieren und sie halten sich auf die Minute genau an die angegebenen Zeiten. Deshalb vermute ich, dass sie selbst diese Informationen veröffentlicht haben.“ „Das ist doch reiner Unsinn“, widersprach die Frau, „ich habe einfach meine festen Gewohnheiten. Ich bin eben ein Gewohnheitsmensch. Und jetzt gehen sie. Verlassen Sie auf der Stelle meine Wohnung. Ich werde mir ihre impertinenten Theorien nicht länger anhören.“ Der Kommissar ging zur Tür und drehte sich erneut im letzten Moment um. „Vor fast genau einem Jahr, Frau Müller, ließen sie durch die Firma Eckel & Sohn alle Rollläden und die Jalousien ihrer Fenster entfernen. Ich habe hier den von ihnen unterschriebenen Auftrag.“ Dabei holte er ein Papier hervor, das er ihr, während er weitersprach, übergab. „Einen Tag später erschien im Internet die Information, dass ihr Haus ein lohnendes Objekt für Spanner darstellt.“ „Die Rollläden waren alt. Sie passten nicht zur Gesamtarchitektur des Hauses. Deshalb ließ ich sie entfernen. Das hat sich bei den Spannern anscheinend schnell rumgesprochen. Und jetzt verlassen Sie auf der Stelle mein Haus!“ Der Kommissar ging zur Tür und drehte sich im letzten Moment abermals um. „Was ich ihnen noch sagen wollte, wir haben die Aussage eines ihrer Nachbarn, er hat sie vor zwei Tagen genau an der Stelle gesehen, wo die Spanner sie beobachten. Dort haben wir auch Fußspuren von ihnen sichergestellt.“ „Na gut“, sagte Frau Müller, „ich gebe zu, dass ich dort war. Ich fühlte mich in letzter Zeit irgendwie beobachtet. Ich habe erst vor zwei Tagen herausgefunden, dass ich von Spannern beobachtet werde. Da hab ich mir die Stelle einmal näher angeschaut.“ „Und warum haben sie nichts dagegen unternommen?“ „Irgendwie habe ich mich daran gewöhnt, von fremden Männern beobachtet zu werden. Ich will den Spannern ihren Spaß nicht nehmen. Ist das etwa verboten?“ „Und was ich ihnen noch sagen wollte, Frau Müller, unser EDV-Experte hat herausgefunden, dass die Information im Internet von ihrem Computer aus übermittelt wurde. Wir haben ihre IP-Adresse überprüft.“ „O.K. Ich gebe zu, dass ich auf dieser Spanner-Website die Information veröffentlicht habe, wann und wo ich nackt durch mein Zimmer gehe. Es ist für mich ein aufregendes Gefühl, von fremden Männern dabei beobachtet zu werden, wie ich nackt durch mein Zimmer gehe. Da ist doch nichts dabei. Das ist meine Privatsache. Und jetzt gehen Sie bitte.“ „Was ich ihnen noch sagen wollte, Frau Müller, wir haben herausgefunden, dass die Stelle, an der die Spanner regelmäßig stehen, heimlich von einer Kamera überwacht wird. Und diese Kamera sendet die Film- und Tonaufnahmen, direkt an ihren Computer. Und vor drei Tagen, Frau Müller, wurde einer ihrer Spanner ermordet.“ „Damit habe ich nichts zu tun, protestierte sie. O.K. Ich gebe zu, dass ich die Information selbst ins Internet gestellt habe, dass ich mich beinahe täglich in meiner Wohnung ausgezogen habe, um Spanner anzulocken und dass ich die Spanner dabei heimlich gefilmt habe. Aber ich bin keine Mörderin!“ „Frau Müller, ich muss Sie bitten, die Stadt nicht zu verlassen und sich für ein eventuelles Verhör bereitzuhalten.“ Damit beendete der Kommissar die Unterhaltung und verließ die Wohnung, ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

Am nächsten Morgen hupte vor ihrem Haus ein Taxi. Frau Müller betrat die Straße, schaute sich kurz um, stieg in den Wagen und sprach kurz mit dem Chauffeur. Sie trug nur ein leichtes Sommerkleid. Die beiden Kommissare, die das Haus die ganze Nacht observiert hatten, starteten langsam und noch etwas verschlafen den Dienstwagen und folgten ihr unauffällig. Sie fuhren in die erste Seitenstraße, die das Taxi genommen hatte, um verdutzt festzustellen, dass es verschwunden war. Das Taxi, das so langsam losgefahren war, musste in der Seitenstraße, als es gerade außer Sicht war, Vollgas gegeben haben. „Die Alte hat uns verarscht“, rief der Kommissar entsetzt. „Wo iss sie hin?“ „Wahrscheinlich zum Flughafen“, antwortete der Jüngere und sofort rasten die Kommissare mit eingeschalteten Sirenen zum Flughafen. Dort angekommen stürzten sie aus dem Auto und rannten los. Vor einer riesigen Anzeigetafel blieben sie keuchend stehen. „Es ist der Flug nach Paraguay“, schrie der Hauptkommissar und schon rannten sie weiter. Jetzt zählte jede Sekunde. Der jüngere Kommissar sah sie zuerst. Frau Müller war gerade dabei einzuchecken. Er rannte im Stile eines Rugby-Spielers auf sie zu, setzte einen Hechtsprung an, flog drei Meter waagerecht durch die Luft, bekam ihre Hüften zu fassen und riss sie zu Boden, während er sie umklammert hielt.

 

Am nächsten Tag wurde Frau Müller zum Verhör ins Büro des Hauptkommissars gebracht. Sie hatte ein paar blaue Flecken abbekommen und sah mitgenommen aus. „Frau Müller, ich will gleich zur Sache kommen. Wir haben noch viel mehr über sie herausgefunden. Sie haben auch die Namen und Adressen der von ihnen angelockten Spanner herausgefunden. Sie haben – aus welchen Gründen auch immer - wie ein Detektiv das Leben ihrer Spanner ausgeforscht. Sie haben sich sogar in ihre privaten Computer eingehackt, um alles Mögliche über sie zu erfahren. Dabei ist ihnen vor einer Woche ein kleiner Fehler unterlaufen. Ihr Liebhaber, den sie bei ihrer letzten Urlaubsreise kennengelernt haben und einer ihrer Spanner haben eine ähnliche E-Mail-Adresse. Und sie haben letzte Woche aus Versehen eine E-Mail, die an ihren Liebhaber gerichtet war, an ihren Spanner gesendet. In der E-Mail stand, ich zitiere, ‚ich hatte mit dir den besten Sex meines Lebens, ich möchte dich wiedersehen, ich will, dass du ganz mir gehörst.’ Was sie nicht wussten, sie sendeten diese E-Mail an einen verheirateten Mann. Die Frau des Spanners bekam zufällig ihre Mail zu lesen und tötete ihren Mann aus Eifersucht. Das haben wir vor einer Stunde herausgefunden. Frau Müller, sie können gehen. Der Fall ist abgeschlossen.“

 

 

Der fliegende Gärtner

 

Sie zeigten wieder mal einen Scherz mit der versteckten Kamera. In der Eingangshalle eines Münchner Krankenhauses saß eine größere Gruppe von Patienten. Alle hatten eine Nummer gezogen und sie warteten darauf dranzukommen. Ihre Sitze waren so aufgestellt, dass man durch die Fensterscheiben hindurch direkten Blick auf einen kleinen Innengarten hatte, der von allen Seiten des Gebäudes eingeschlossen war. Und während die Patienten so dasaßen, kam vom Himmel ein Gärtner eingeflogen. Der Helikopter ließ ein Seil runter und der Gärtner kletterte vor ihren Augen in den Garten. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „24-Stunden Gärtner-Sofortdienst“. Unten angekommen begann er mit dem Jäten des Unkrauts, dem Schneiden der Hecken und sogar mit dem Putzen der Fensterscheiben. Von den Blicken der Leute ließ er sich nicht im Geringsten stören und er ging mit völliger Selbstverständlichkeit seiner Arbeit nach. Nach einer halben Stunde erschien wieder der Helikopter und ließ wieder ein Seil herunter. Der Gärtner hielt sich mit der linken Hand daran fest und schwebte vor den Augen der Menge davon. Manche sahen ihm noch hinterher, wie er in luftiger Höhe mit nur einer Hand am Seil hing und davonflog, dem nächsten Einsatzort entgegen. Der Gärtner war natürlich ein Stuntman, aber niemand wurde darüber aufgeklärt. Die glauben wohl noch heute an den fliegenden Gärtner.

 

 

Johny gibt Gas

 

Es war später Nachmittag und die Sonne schien wärmend vom Himmel herab. Nichtsahnend stieg Johny in seinen Porsche. Er war gerade aus dem Mountain-Saloon gekommen, mitten in den Bergen, und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, hatte er in den letzten zwei Stunden nur ein Bier getrunken und war früh gegangen. Schon war er auf dem Highway und gab Gas. Auf gerader Strecke überholt er einen Truck. Alles war wie immer. Noch befand er sich auf gerader Strecke mit ebener Wüste rechts und links. Entgegen seiner Gewohnheit schaute Johny beim Fahren in die Wüstenlandschaft hinein, als gäbe es dort irgendetwas zu entdecken. Gleich würde die Strecke kilometerweit nur noch steil bergab gehen. Der erste Teil der Abfahrt bestand aus einer langgezogenen S-Kurve. Die zweispurige Straße wurde enger und jenseits der Leitplanken, die auf der rechten Straßenseite errichtet waren, ging es 50 m in die Tiefe. Links bildete der Berg eine natürliche Wand. Johny raste auf einen Wagen zu, in dem eine Rentnerin langsam vor sich hin tuckerte. Im gleichen Moment kam Gegenverkehr auf ihn zu und Johny entschloss sich zu bremsen. Da bemerkte er, dass die Bremsen nicht reagierten. Überholen war jetzt nicht ratsam und wenn er so weiterfuhr, raste er ungebremst auf den vor ihm dahintuckernden Wagen. Das Blut schoss ihm in den Kopf. Wie verrückt trat er immer wieder auf die Bremse, immer näher auffahrend. Jetzt war er in der Zwickmühle. Jede falsche Entscheidung, die er jetzt traf, konnte den sicheren Tod bedeuten. Geistesgegenwärtig rammte er die rechten Leitplanken. Dies war ein waghalsiges Manöver. Ein paar Zentimeter zu weit rechts und er würde sie durchbrechen, durch die Luft fliegen und 50 m tiefer auf einem Felsen zerschellen. Die Funken sprühten nur so. Auf diese Weise gelang es ihm, seine Geschwindigkeit leicht zu reduzieren. Der Gegenverkehr fuhr vorbei und eine halbe Sekunde vor dem drohenden Auffahrunfall gelang es ihm, den Wagen auf die Gegenspur zu ziehen. Da kam auch schon erneuter Gegenverkehr auf ihn zu. Eine halbe Sekunde vor dem nun drohenden Frontalzusammenstoß konnte er seinen Wagen gerade noch zurück auf die rechte Spur lenken und hier raste er mit 100 km/h ungebremst weiter. Jetzt kam eine lange Gerade, hier gab es glücklicherweise wenig Verkehr und Johny konnte kurz aufatmen. Ein Sprung aus dem Wagen bei 100 km/h kam nicht in Betracht. Ständig trat er wie wild auf die Bremse. Sie gehorchte seinem Willen nicht, so oft er es auch versuchte. 500 m vor ihm überquerten Bahngleise den Highway. Rechts gab es eine Eisenbahnbrücke, die genau an dieser Stelle auf den Highway traf. Er sah wie die Ampel auf Rot sprang und er sah wie sich eine Autoschlange auf beiden Seiten bildete. Er sah ebenfalls, dass sich von rechts kommend ein Zug näherte. Johny fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Katastrophe zu. Er konnte weder bremsen noch ausweichen. Plötzlich schoss er wie ein Irrer auf die Gegenfahrbahn und gab Vollgas. Er wollte vor dem Zug schräg die Gleise überqueren und dabei auf die freie rechte Fahrbahn wechseln. Da wurden auch schon die Schranken runtergelassen, welche sich nun langsam zu senken begannen. Der Zug kam immer näher und Johny raste mitten drauf zu. Die Schranke touchierte noch sein Dach, der Zug erfasste noch seine hintere Stoßstange, die wie ein Propeller 100 m durch die Luft flog und beinahe eine fliegende Taube erschlagen hätte. Johny kam ganz knapp durch. Wäre er jetzt geradeaus weitergefahren, hätte er nur noch zwei Minuten zu leben gehabt, denn jetzt begannen die Serpentinen mit ihren 360 Grad-Kurven. Johny lenkte instinktiv nach rechts. Hier gab es einen See, der von sonnenhungrigen Badegästen besucht war. Johny schoss mitten drauf zu und wurde kräftig durchgerüttelt. Der Untergrund wurde sandiger und die Reifen drehten teilweise durch: Er verlor rasch an Geschwindigkeit, hatte aber immer noch 50 Sachen drauf. Unter den Badegästen entstand eine Panik. Schreiend rannten Sie davon. Jetzt reagierte auch die Lenkung nicht mehr und er raste mitten auf ein kleines Kind zu, das einfach stehen blieb. Ein Fremder schnappte sich das Kind und rettete es in letzter Sekunde. Unterdessen fuhr Johny in den See hinein und war bald nicht mehr zu sehen. Unter Wasser betätigte er die automatischen Fensteröffner. Die Technik funktionierte einwandfrei. Auch unter Wasser öffneten sich alle Seitenfenster, das Auto wurde geflutet, Johny holte noch einmal tief Luft und tauchte hinaus. Dann stellte er sich auf das Autodach. Nur sein Kopf ragte noch aus dem Wasser. Jetzt war er gerettet. Vor einem Monat hatte er schwimmen gelernt. Was war geschehen? Jemand hatte ihm an der gefährlichsten Stelle der Welt die Bremsschläuche durchgeschnitten. Erst jetzt erkannte ich, dass es sich gar nicht um einen amerikanischen Action-Film, sondern um Werbung handelte. Um Autowerbung. Zum Schluss lobten sie die automatische Fensteröffnung, die auch unter Wasser einwandfrei funktionierte.

 

 

Der Wies’n Wirt im falschen Film

 

Es lief wieder mal ein Streich mit der versteckten Kamera. Es war gerade Wies’n-Zeit in München und sie zeigten eine großangelegte Diskussionsrunde zum Thema Wies’n. Es war eine bayerische Runde, alle trugen Lederhose beziehungsweise Dirndl. Als Ehrengast war ein Wies’n-Wirt eingeladen. Er stand vorne am Podium neben dem Moderator. Im Hintergrund gab es duzende Monitore, die Live-Bilder aus dem Zelt des eingeladenen Wirtes zeigten. Zunächst verlief alles ganz normal. Zuerst wurde das Publikum interviewt. Jeder sollte von seinem schönsten Wies’n-Erlebnis berichten. Einer sagte, dass sich einmal ein völlig Fremder zu ihm gesetzt hatte und dann hatten sie stundenlang ganz vertraut miteinander geredet. Er schloss mit den Worten: „Ich find dafür ist die Wies’n da. So was gibt es nur auf der Wies’n.“ Das Mikrofon wurde weitergereicht und eine Frau berichtete davon, wie sie ihren Mann auf der Wies’n kennengelernt hatte. „Und das in ihrem Zelt.“ Die Kamera schwenkte auf das Gesicht des Wirtes, der sich darüber freute. Im Hintergrund wurden wieder die Monitore eingeblendet. Was der Wirt nicht wusste: In die Live-Einblendung wurden jetzt Bilder eingespielt, die schon vor drei Monaten aufgenommen worden waren. Die Redaktion der Sendung hatte weder Kosten noch Mühen gescheut und vor drei Monaten das Original-Zelt aufgebaut mit Statisten und bezahlten Schauspielern. Die „gefakten“ Szenen waren von echten Live-Bildern kaum zu unterscheiden. Jetzt überschlugen sich die Ereignisse. Zehn hübsche bayerische Landfrauen zogen ihr Dirndl aus und tanzten unter dem Beifall der Menge nackt auf den Bänken und Tischen. Dies war natürlich eine eingespielte Szene. Alles war jedoch so gut eingefädelt, dass der Wirt glauben musste, dass sich diese Szene gerade jetzt in seinem Zelt abspielt. Die Diskussion wurde unterbrochen und alle starrten nur noch auf den Monitor. Dann kam die Wies’n-Polizei angestürmt, ein Team von 20 Polizisten, und die Frauen wurden unter heftigem Protest gewaltsam weggetragen. In dem Moment klingelte das Handy des Wies’n-Wirtes. Sein Assistent war dran. Der Wirt entschuldigte sich und ging für das Gespräch kurz hinter die Bühne. Sein Assistent war natürlich in den ganzen Spaß eingeweiht. Was der Wirt nicht wusste, auch dieses Gespräch wurde mitgeschnitten und für den Zuschauer am Bildschirm eingeblendet. „Du hast es bestimmt schon mitgekriegt, was los war. Du, die Sache ist ernster als gedacht. Der Polizeichef und der Oberbürgermeister waren bei mir. Das ganze kostet uns 10.000 EUR Ordnungsgeld.“ Der Wirt machte das Gespräch kurz und kam wieder zurück auf die Bühne. Schweiß stand auf seiner Stirn. Die Kamera zeigte es in Nahaufnahme. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Dann gingen alle wieder zur Tagesordnung über und man unterhielt sich über die historischen Veränderungen in der Geschichte der Wies’n. Alle gaben sich Mühe, ganz normal zu wirken. Gerade der krampfhafte Versuch, normal zu wirken und das eben gesehene partout nicht anzusprechen, wirkte auf lustige Weise anormal. Als sich alle wieder gefangen hatten, wurde die zweite gefakte Aufnahme eingespielt. Eine Schar Wildgänse gelangte ins Festzelt und sie vertrieben mit wütenden Schnabelattacken die Gäste. Immer mehr Gänse watschelten ins Zelt, immer mehr Gäste verließen fluchtartig ihre Sitze. Tumultartige Szenen spielten sich ab. Ein Mann kämpfte mit einem Regenschirm gegen eine Wildgans und brach sich dabei den Arm. Er wurde von den sofort herbeieilenden Sanitätern auf einer Bahre davongetragen. Der Wirt konnte ja nicht wissen, dass es sich dabei um einen Stuntman handelte, dem nichts passiert war. Die Szene war vor drei Monaten aufgenommen worden. Doch alles war so gut eingefädelt, dass der Wirt alles für echt hielt. Jetzt war er geschockt. Er starrte auf die Monitore und sprach kein Wort. Alle starrten wie gebannt auf die Monitore und sprachen kein Wort. Am Ende befand sich kein Mensch mehr im Festzelt und Gänse bevölkerten Tische und Bänke. Wieder klingelte das Handy. Wieder war der Assistent dran. „Du, die Viecher sind gefährlich.“ Dann schrie er laut auf und die Leitung war tot. Der Wirt hatte nun ein nervöses Zucken in den Augen. In die Stille hinein stand ein Mann auf, der wie ein Professor aussah und sagte: „Bei den gezeigten Wildgänsen handelt es sich um die afrikanische Nilgans. Die Nilgans steht unter Naturschutz und ist in ihrem Heimatland fast ausgestorben. Solch große Ansammlungen von afrikanischen Nilgänsen sind ein Phänomen, das unbedingt untersucht werden muss. Man darf die Nilgänse auf keinen Fall vertreiben. Sie sollten unbedingt bleiben, wo sie sind und gefüttert werden.“ Dem Wirt fiel die Kinnlade herunter. Der Moderator reagierte sofort und wies darauf hin, dass wirtschaftliche Interessen wohl wichtiger seien als die afrikanische Nilgans. Daraufhin protestierte das Publikum und jeder stellte sich auf die Seite der Nilgänse. „Sie sind doch in ihrer Heimat fast ausgestorben, wir müssen sie schützen“, rief eine Frau. Alle klatschten Beifall. Der Wirt verstand die Welt nicht mehr. Daraufhin wurde abgestimmt und 99 Prozent aller Anwesenden stimmten dafür, dass die Gänse im Festzelt bleiben sollten und gefüttert werden müssten. Spontan erklärten sich mehrere Zuschauer dazu bereit, die Fütterungskosten zu übernehmen. Der Wirt schüttelte wortlos den Kopf. „Ich glaub ich bin im falschen Film“, sagte er und wusste nicht, wie Recht er damit hatte. Dann schauten alle wieder auf die Monitore. Die Gänse wurden von der Wies’n-Polizei in Säcke gepackt und abtransportiert. Unterdessen protestierten die Zuschauer. „Sie müssen das verhindern, die armen Tiere“, rief ein Mann, von dem der Wirt wusste, dass er Metzger war. Der Wirt war wie gelähmt und schüttelte ständig den Kopf. Jetzt kam der letzte Streich. Man sah auf den Monitoren, wie eine Gruppe von Männern mit Fackeln das Zelt stürmte und alles in Brand setzte. Überall nur noch Ruß und Rauch. Die Kamera zeigte nun von außen, wie das Zelt lichterloh in Flammen stand und abbrannte. Die Mundwinkel des Wirtes zuckten nervös. Sofort war die Sache in einer „Sondersendung der Nachrichten“ und ein Sprecher verkündete: „Chaos auf der Wies’n. Nachdem ein bekannter Münchner Wies’n-Wirt unter Naturschutz stehende afrikanische Nilgänse, die sich in sein Zelt verirrt hatten, gewaltsam verjagen ließ, kam es zu einer Eskalation der Gewalt. Aufgebrachte Tierschützer zündeten das Zelt an, welches vollständig abbrannte. Menschen kamen nicht zu Schaden.“ Dann wurde dem Nachrichtensprecher ein Blatt mit einer Nachricht gereicht, die soeben hereingekommen war. „Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, handelt es sich bei dem Brandstifter um den militanten Tierschützer Frank Spatzler.“ Dann wurde ein Fahndungsfoto von „Frank Spatzler“ eingeblendet, welches große Ähnlichkeit mit Frank Elstner aufwies. „Für sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, ist eine Belohnung von 500 Euro ausgesetzt.“ Genau in diesem Moment erschien Frank Elstner mit einer Gans im Arm. Der Wirt rief wütend: „Das ist er, haltet ihn!“ Es dauerte eine halbe Stunde bis es Frank Elstner gelang, die ganze Sache aufzuklären und den Spaß aufzulösen. Der Wies’n Wirt musste anschließend zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht werden.

 

 

Nur ein kleines Versehen

 

Sie rasten in ihren altmodisch wirkenden Ford Ts die Straße entlang und lieferten sich ein spannendes Rennen. Sie johlten und jubelten laut in die menschenleere Landschaft hinein. Manchmal lag der eine vorne, manchmal war der andere in Front. Sie freuten sich wie kleine Kinder, wenn es einem von ihnen gelang mit waghalsigen Manövern, den anderen zu überholen. Dann folgte ein kurzer Blick in den Rückspiegel und schon ging es mit Vollgas weiter, um den Verfolger abzuschütteln. Was war das für ein herrlicher Spaß und was war das eigentlich für eine traumhafte Landschaft? Die Landstraße war, so weit das Auge reichte, von Sandbergen umgeben. Diese bildeten oft die bizarrsten Formen, die so aussahen als wären sie von einem Künstler gemalt. An der Stelle, an der sie jetzt angekommen waren, bedeckte eine Sanddüne die rechte Straßenseite. Der in Front liegende Fahrer fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit darauf zu. Sein Wagen geriet in eine Schräglage, da die beiden rechten Räder auf den höher liegenden Untergrund gerieten. Der andere Fahrer tat es ihm gleich und als sie die gefährliche Stelle unbeschadet passiert hatten, begannen sie wieder zu johlen und zu jubeln und rasten Vollgas weiter.

Vor ihnen, kurz vor der nächsten Ortschaft, war eine Straßensperre aufgebaut. Der Sheriff und seine beiden Helfer standen vor ihren Autos, um die beiden Raser abzufangen. Die legten eine Vollbremsung hin und ließen sich widerstandslos festnehmen. Und nun saßen sie in einer Zelle im Büro des Sheriffs. „Ich habe die Simulation so eingestellt, dass ein Tag Gefängnis die einzige Strafe ist, die diese Kultur kennt“, sagte Data zu Nummer eins. „Bei guter Bewirtung natürlich.“ Kaum hatte er ausgesprochen, erschien auch schon eine hübsche Frau und brachte den Gefangenen einen Korb mit Früchten, Hähnchenkeulen, Camembert, Brot und Rotwein. Am nächsten Tag wurden beide anstandslos freigelassen, mit der Auflage, in Zukunft nicht mehr gegen die hiesigen Straßenverkehrsregeln zu verstoßen.

Als sie davonfahren wollten, sprangen ihre Autos nicht mehr an. Eine nähere Inspektion durch Data ergab nichts. Rein gar nichts. Die Autos hatten nicht den geringsten Defekt und nach allen Regeln der Technik hätten sie funktionieren müssen. Seltsam war auch, dass es Fußspuren gab, die einen Meter vor den Autos aufhörten. Und so waren die beiden gezwungen erst einmal da zu bleiben und sie nahmen sich ein Zimmer im einzigen Hotel des Ortes. Die Simulation war so eingestellt, dass sie nach einer Woche automatisch stoppte. Ihren Abenteuerurlaub hatten sie sich anders vorgestellt. Anstatt wilde Straßenrennen in einer traumhaften Landschaft zu veranstalten und in jedem Ort eine Nacht bei bester Verpflegung in der Zelle des örtlichen Sheriffs zu verbringen, mussten sie nun ihre Zeit in einem billigen Hotelzimmer absitzen.

Und noch etwas war seltsam hier. Es war ihnen gleich am ersten Abend aufgefallen und sie hatten beschlossen, der Sache nachzugehen. Zwischen 23 und 24 Uhr war niemand im Ort anzutreffen! Die Rezeption war dann unbesetzt und die Straßen waren ebenso menschenleer wie die Häuser. Den zweiten Abend hatten sie damit verbracht, in der Stunde vor Mitternacht alle möglichen Häuser zu betreten. Sie alle waren menschenleer. Die Bewohner schienen wie vom Erdboden verschluckt. Lange hatten sie darüber diskutiert und alle möglichen Theorien aufgestellt, sogar einen Programmierungsfehler in Betracht gezogen. Heute, am dritten Abend, wollten sie der Sache auf den Grund gehen. Es war kurz vor 23 Uhr. Der Kontrollanruf eine Minute später ergab, dass der Hotelportier nicht mehr da war. Data und Nummer eins schlichen aus dem Zimmer und in sicherem Abstand schlichen sie dem Portier hinterher. Sie folgten ihm in ein nahe gelegenes Tal und versteckten sich hinter den Sträuchern. Was sie sahen, als sie vorsichtig einen Ast zur Seite schoben, verschlug ihnen die Sprache, sie trauten ihren Augen nicht. Da stand auf einem Podest eine originalgetreue Rekonstruktion des Raumschiffes Enterprise, von fünf Meter Länge, vollständig aus Gold gegossen. Es glänzte im Schein der Lagerfeuer. Alle tanzten um das goldene Raumschiff herum und sangen: „Waka, Waka.“ Und was noch verstörender war: Oben auf dem goldenen Raumschiff stand Shakira und tanzte ebenfalls. Sie trug einen sexy Bikini aus Leder - ein Hauch von Nichts - und in wilder Ekstase wackelte sie mit den Hüften und feuerte die tanzende Menge mit lauten Waka-Waka-Rufen an. Dann geschah, was geschehen musste. Nummer eins musste niesen. Gleich dreimal. Sofort hielt die Menge inne und starrte in seine Richtung. Nummer eins rannte davon, er rannte um sein Leben, verfolgt von einer wütenden Menschenmenge. Schnell hatten sie ihn eingeholt und es kam zu einer wüsten Keilerei, in deren Verlauf Nummer eins einem Angreifer einen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Der fiel unglücklich auf den Hinterkopf und war sofort tot. Erneut verstummte die Menge. Sie bildeten einen Kreis um Nummer eins, der immer enger und bedrohlicher wurde. Da trat der Sheriff nach vorne und sprach: „Ein Angehöriger unserer Gemeinschaft wurde getötet: von diesem Mann“ und dabei deutete er auf Nummer eins. „Er muss für seine Tat bestraft werden.“ „Und was ich schon immer sagen wollte und mich nie zu sagen traute“, dabei wandte er sich an die Umstehenden, „die Höchststrafe, die unser Gesetz vorsieht, ein Tag Gefängnis bei guter Verpflegung, ist viel zu gering. Es kann nicht sein, dass die Tötung eines Angehörigen unserer Gemeinschaft ebenso milde bestraft wird wie zu schnelles Fahren. Ich fordere Gerechtigkeit! Auge um Auge, Zahn um Zahn! Wer getötet hat, muss getötet werden.“ Und unter dem Jubel der Menge rief er: „Hängen wir ihn auf!“ Da rief Nummer eins in seiner Verzweiflung: „Auch ich fordere Gerechtigkeit. Die Todesstrafe ist für ein Fahrlässigkeitsdelikt nicht angemessen. Die Strafe ist zu hoch. Betrachtet doch das ganze einmal vom Standpunkt der Logik. Wenn ihr mich tötet, dann müsste anschließend auch der getötet werden, der mich getötet hat, getreu dem Motto Auge um Auge, Zahn um Zahn. Und dann müsste der getötet werden, der den getötet hat, der mich getötet hat. Bis am Ende nur noch einer übrig bleibt, der sich dann selbst töten müsste. Ihr solltet euer Rechtssystem gründlich überdenken.“ Da sprach der Sheriff: „Papperlapapp“ und legte ihm den Strick um den Hals.

In der nächsten Szene saß Nummer eins auf einem Pferd. Er hatte einen Strick um den Hals, der an einem Baum befestigt war. Der Sheriff nahm unter den Augen der zufriedenen Menge eine Peitsche in die Hand, um das Pferd davonzujagen. Im letzten Moment sprang Data aus der Baumkrone auf den Rücken des Pferdes, schnitt mit einem Messer das Seil durch und in wilder Flucht ritten sie davon.

Eine Verfolgergruppe war schnell zusammengestellt und sie jagten den Flüchtigen hinterher. Data und Nummer eins waren im Nachteil, weil sie zu zweit auf einem Pferd saßen. Irgendwann würde man sie einholen, egal wie sehr sie sich auch anstrengten. Die Zeit schien gegen sie zu laufen. Doch es gab eine Rettungsmöglichkeit. Der Programmierer dieser Simulation hatte eine besondere Sicherung eingebaut. Ab einer Höhe von 500 Metern verloren die Figuren dieser Simulation ihre künstliche Intelligenz und stellten keine Gefahr mehr dar. In dieser Höhenlage mussten sie nur noch den Rest der Woche abwarten, bis die Simulation automatisch zum Stillstand kam. Zum Glück hatte Data das Handbuch gelesen und er steuerte schnurstracks den nächsten Berg an. Als sie die 500 Höhenmeter überschritten hatten, stiegen sie vom Pferd und warteten gespannt auf ihre Verfolger. Als diese die Höhenmarke überschritten, stiegen auch sie vom Pferd. Die meisten fielen plump vom Pferd, keiner konnte mehr richtig reiten. Data und Nummer eins beobachteten alles aus sicherem Abstand, versteckt hinter einem Felsen. Nun begann ein seltsames Schauspiel. Die Verfolger sammelten sich im Kreis. Ihre Körper begannen zu zucken, ihre Augen liefen blutrot an. Speichel rann ihnen aus dem Mund. Sie hatten sich in Zombies verwandelt und gingen geradewegs auf das Versteck hinter dem Felsen zu. Sie umringten die beiden, sie berührten ihre Kleidung, sie rochen mit ihren Nasen an ihnen und grunzten sie an. Sie hatten einen stinkenden Atem und hielten sich immer in unmittelbarer Nähe auf. Sie begleiteten sie überall hin. So ging es tagelang. Selbst beim Scheißen ließen sie Nummer eins nicht in Ruhe, rochen an seinen Exkrementen, stocherten mit dem Finger darin herum und bewarfen sich gegenseitig damit. Nummer eins musste einige Male geschickt ausweichen, um nicht getroffen zu werden. Seinen Abenteuerurlaub hatte er sich wirklich anders vorgestellt.

Nur einer der Idiotenzombies, es schien ihr Anführer zu sein, blieb stets einige Meter abseits und beobachtete sie fortwährend. Eines Nachts, als alle schliefen, nahm er einen Stein und kroch lautlos zu Nummer eins hinüber. Dann richtete er sich auf, hob den Stein mit der rechten Hand nach oben, holte weit aus und dann war alles vorbei. Die Woche war vorüber und die Simulation stoppte automatisch. Nummer eins und Data fanden sich im Raumschiff wieder, wie aus einem bösen Traum erwacht.

Als erstes stattete Nummer eins dem Programmierer dieser verkorksten Simulation einen Besuch ab. Dabei kam heraus, dass es sich um eine Beta-Version handelte. Data hatte aus Versehen die falsche Simulation eingespielt.

 

 

Ein ganz normaler Sonntagsspaziergang durch München

 

Als ich heute den Apparat einschaltete lief eine Comedy-Show. Ein bekannter Münchner Humorist stand live auf der Bühne. Er war der Meister des Wort-Witzes und er brachte das Publikum zum Rasen. Er verwendete die Namen Münchner U-Bahn und S-Bahn Stationen und entwickelte daraus eine zusammenhängende Geschichte. Er sprach Bayrisch. Zum Glück kannte ich die Namen der Stationen, so dass ich seinen Humor verstehen konnte.

 

„Neulich ging ich im Englischen Garten spazieren und kam zu einer Stelle, wo ich einen Otter fing. Da kam der Besitzer des Otters wütend auf mich zu. Ich beruhigte ihn mit den Worten: ,Sie sollten nicht groß hadern. Sei nicht sauer, lach. Sei so frei, sing.‘ Dann ging ich weiter und kam zu einer Stelle, wo ich einen Dackel fing. Der Dackel hatte kurzes Haar. Da kam der Besitzer des Dackels wütend auf mich zu. Es war ein alter Chinese, den ich zufällig kannte: Herr Sching, der Onkel von Tut Zing. Er rief: ,Was fällt ihnen ein, meinen Dackel zu stehlen, haben sie denn keinen Anstand?‘ Ich antwortete: ,Nein‘, ich bin ein alter Heide.‘ Ich wusste nicht, was wir tun solln. Also ging ich furt. Da kam eine Nutte auf mich zu und sprach in gebrochenem Deutsch: ,Du wolle mitkomme? Ich Loch ham!‘ Ich gab zur Antwort: ,Gern‘ und ging mit. An ihrem Finger trug sie einen schönen Ring und ich fragte: ,Ist das ihr Ring?‘ Sie sagte nur: ,Trude Ring.‘ Da fiel mir ein, dass ich schon verabredet war und rief: ,Ich muss mit Johannes Kirchen besichtigen. In meinem Herzen ist nur für Marien Platz.‘ Außerdem wollte ich ihr nicht auf den Leim gehn. Doch sie ließ nicht locker. Da sagte ich: ,Lass mich in Ruh oder ich versohl dir deinen Hintern mit meinem Riem.‘ An der nächsten Straße sah ich einen Basler. Ich grub ein Loch, doch er fiel nicht hinein.

Bald ham mirs, gleich geh ich heim, dann könnt ihr nicht mehr auf Possen hoffen.“

 

 

Ihr letzter Coup

(Wer hat die Beute nur? Wer hat die Beute nur? Wer hat die Beute nur geklaut?)

 

Als ich heute den Apparat einschaltete, lief gerade ein amerikanischer Kriminalfilm mit Starbesetzung. Leider bekam ich nur noch das Ende des Filmes mit.

 

Sie hatten in der Schweiz eine Bank ausgeraubt und sich nach Süd-Afrika abgesetzt. Dies war nicht ihr erster gelungener Coup. Sie waren ein erfolgreiches Trio. Sie hatten in den letzten drei Jahren fünf Banken überfallen. Nun wollten sie sich vom „aktiven Geschäft“ zurückziehen und bis ans Ende ihrer Tage von der geraubten Beute leben. Es war genug für alle da. Sie saßen zu dritt in einem gemieteten Wagen und fuhren die Landstraße entlang, die sich durch den Urwald schlängelte. Dave saß am Steuer. Die Stimmung war perfekt und alle unterhielten sich angeregt miteinander. „Hej Dave, was machst du mit deinen Millionen? Das ganze Geld kannst du doch alleine gar nicht ausgeben?“ „Ich lass mir von den geilsten Weibern der Welt meinen Schwanz lutschen. Mindestens eine Stunde pro Tag. Außer sonntags, denn am siebten Tage sollst du ruhen.“ „Und deswegen bist du das ganze Risiko eingegangen?“ „Nur deswegen hab ich das alles gemacht.“ „Und ich hab gedacht ich hätte es mit einem anständigen Kriminellen zu tun. Da arbeitet man jahrelang zusammen, verlässt sich blind auf den andern, vertraut ihm mehr als einmal das eigene Leben an, um am Ende festzustellen, dass man den andern gar nicht richtig kennt. Und du Sally, was stellst du mit deinen Millionen an?“ „Ich kauf mir ein nettes Häuschen auf dem Land. Dann les ich den ganzen Tag nur noch spannende Krimis und baue Tomaten an. Ich hab mal im Fernsehen eine Sendung über Tomaten gesehen. Seitdem bin ich von Tomaten fasziniert. Hast du gewusst, dass man Tomaten anfangs nur für Zierpflanzen hielt? Die Tomate hat der Menschheit gezeigt, dass sie zu mehr taugt als zur bloßen Zierde.“ „Schon gut, schon gut, verschon uns mit deinen Abhandlungen. Und du Joe, was machst du mit deinen Millionen?“ „Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich glaube ich werde irgendwo bescheiden zur Miete wohnen und nur so viel Geld ausgeben, wie ich zum Leben brauche. Ich möchte eine Frau kennen lernen und mit ihr glücklich werden. Damit ich sicher sein kann, dass sie mich liebt und nicht mein Geld, darf sie nichts von meinem Reichtum erfahren.“ „Apropos Reichtum, hast du die Beute auch gut versteckt? Ich meine, falls wir mal angehalten werden oder so.“ „Diesmal hab ich es ganz schlau gemacht. Die Beute befindet sich in der Einkaufstasche direkt neben dir auf dem Beifahrersitz. Ich hab noch ein paar Pfund Bananen oben drauf gelegt. Niemand würde in dieser billigen alten Tasche Geld und Diamanten vermuten.“ „Was? Da hab ich stundenlang neben der Beute gesessen und nichts davon bemerkt? Bei der letzten Rast hätte ich die hässliche Tasche beinahe in den Mülleimer geworfen.“ Da fingen sie alle an zu lachen, sie lachten lauthals in die südafrikanische Abenddämmerung hinein. Am nächsten Rastplatz hielten sie an, um sich die Beine zu vertreten. Weit und breit war niemand zu sehen und so diskutierten sie ungestört weiter über ihr neues, zukünftiges Leben und darüber, was sie mit dem Geld noch so alles anstellen wollten. Dabei waren sie so in ihr Gespräch vertieft, dass sie den Affen nicht sahen, der sich an ihren Wagen schlich. Niemand sah, wie der Affe sich aufrichtete und seinen Arm durch das offene Fenster der Beifahrertür streckte. Niemand sah, wie der Affe die Tasche mit den Bananen und der Beute ergriff und mit ihr davonrannte. Erst als er schon 20 m zurückgelegt hatte, bemerkten sie den davoneilenden Affen mit der Tasche in der Hand. Sally blieb mit offenem Mund wie angewurzelt stehen. Joe sah dem Affen hinterher, so als würde er gerade einen Kinofilm betrachten. Dave reagierte wie immer am schnellsten. Sofort zog er seine Pistole und schoss wütend das ganze Magazin leer. Ein Meter vor dem rettenden Wald sank der Affe, von mehreren Schüssen getroffen, tot zu Boden. Sofort rannten alle hin. Da kroch aus dem Wald ein zweiter Affe hervor, schnappte sich die Tasche und ergriff die Flucht. Daves Pistole war schon leer. Die andern beiden Pistolen befanden sich noch im Wagen. Da nützte es auch nichts, dass Dave seine Pistole dem Affen hinterher warf und noch dessen Rücken traf. Die andern holten schnell ihre Waffen aus dem Wagen und eine wilde Verfolgungsjagd begann, ein Wettlauf zwischen Mensch und Tier. Dabei stellte sich heraus, dass die Affenbande erstaunlich gut organisiert war. Auf dem Gebiet des Diebstahls und des Sicherns ihrer Beute hatten sie mindestens ebenso viel Erfahrung wie Sally, Joe und Dave. Sie vollzogen eine Art Staffellauf. Alle 200 Meter übergab ein Affe die Tasche an einen anderen Affen, der an der festgelegten Stelle auf die Übergabe wartete. Insgesamt gab es fünf solcher Übergabepunkte. Der Unterste aus der Affenhierarchie, der jetzt tot am Rastplatz lag, war ganz vorne an der gefährlichsten Stelle eingesetzt worden. Am Ende der Kette saß der Oberaffe, dem immer der größte Teil der Beute zukam. So hatten sie schon dutzende von Menschen bestohlen. Immer ging es um Essbares, immer war es gut gegangen, noch nie hatten sie so hartnäckige Verfolger. Diese Menschen ließen sich einfach nicht abschütteln. Endlich wurde die Tasche an den Oberaffen übergeben. Zum ersten Mal musste auch das Alpha-Tierchen mit der Beute fliehen, anstatt sich nur den größten Anteil rauszunehmen und genüsslich zu verspeisen. Sie waren ihm dicht auf den Fersen. Das ganze gab ein bizarres Bild ab. Wäre jetzt ein Fotograf da gewesen und hätte den Affen mit der Tasche und die hinter ihm her rennenden Verfolger fotografiert, es wäre das Bild des Jahres geworden. Von außen betrachtet sah es so aus wie eine neue Sportart, bei der Tiere gegen Menschen antreten. Wie auch immer, es war kein Fotograf anwesend, um das Bild einzufangen. Ist es nicht schade, dass die schönsten Bilder meistens gar nicht erst entstehen, weil kein Fotograf in der Nähe ist? Und stellt sich darüber hinaus nicht die generelle Frage, wie man es schaffen kann, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein und dort das Richtige zu tun? Ich glaube in diesem Moment hatte niemand die Muße über diese Frage näher nachzudenken. Alle rannten auf einen Abgrund zu. Nur noch zehn Meter trennten die ungleichen Kontrahenten voneinander. Plötzlich war der Affe wie vom Erdboden verschluckt. Er war mit einem geschickten Schwung in eine kleine Höhle geklettert, die sich direkt unter dem Abgrund befand. Eine Kleinigkeit für einen Affen, lebensgefährlich für einen Menschen. Es kam zu einer hitzigen Diskussion. „Wir können uns doch nicht von einem Affen unsere Beute abjagen lassen. Warum musstest du ausgerechnet Bananen in die Tasche legen. Ganz schlau gemacht, wirklich ganz schlau gemacht.“ Wer von ihnen sollte dem Affen hinterher klettern? Sie einigten sich auf das Los und das Los fiel auf Dave. Er nahm die Waffe zwischen die Zähne und kletterte hinunter. Die kleine Höhle hatte keinen Ausgang und so saß der Affe in der Falle. Der stand aufrecht am hinteren Ende der Höhle und hielt trotzig die Tasche in der Hand. Unten angekommen machte Dave kurzen Prozess. Es glich einer Hinrichtung. Noch angesichts des Todes hatte der Affe die Tasche festgehalten und nicht freiwillig herausgerückt. Dave nahm die Tasche an sich und ließ den Kadaver achtlos liegen. Mit der Tasche in der Hand war die Kletterei doppelt gefährlich. Auf dem letzten Meter reichte Joe ihm die Hand und zog ihn nach oben. Hätte Joe jetzt losgelassen, Dave wäre in die Tiefe gestürzt. Doch Joe war ein Mann, dem man hundertprozentig vertrauen konnte. Das war sein Fehler, deswegen musste Joe fünf Sekunden später sterben. Oben angekommen, sah Dave - einer plötzlichen Eingebung folgend - seine Chance gekommen, die Beute nicht teilen zu müssen. Er tat so, als wolle er Joe dankbar auf die Schulter klopfen und stieß ihn mit einer überraschenden Bewegung den steilen Abhang hinunter. Nun war es nur noch ein Duell zwischen Dave und Sally, die alles mit angesehen hatte. Diesmal reagierte sie schnell. Beide griffen gleichzeitig nach ihren Pistolen und drückten ab. Zwei Schüsse fielen. Der eine Schuss tötete Sally auf der Stelle. Der andere traf Dave in den Bauch. Er sank zu Boden, fiel auf den toten Frauenkörper und verblutete qualvoll im Verlauf der nächsten halben Stunde. Im Sterben liegend nahm Dave die Welt um sich herum nur noch nebulös war. Er erinnerte sich noch einmal daran, wie sie sich einmal geliebt hatten und ein heftiger Anflug von Reue überkam ihn. Jetzt erkannte er, dass er die Frau, die er soeben erschossen hatte, immer noch liebte und bittere Tränen mischten sich in sein herabfließendes Blut. Er hatte immer nur sie gewollt und kein geiles Weib, das ihm stundenlang den Schwanz lutscht. Doch jetzt war es zu spät. Da lag ein halbtoter Mann auf einer toten Frau. Das letzte, was er sah, war ein Affe, der vor seinen Augen die Tasche ergriff und genüsslich die Bananen verspeiste. Die Beute liegt heute immer noch irgendwo im Urwald. Der Affe hat sie mitgenommen. Der Fall wurde nie richtig aufgeklärt. Im Polizeibericht hieß es lapidar, dass es sich offenbar um Tierquäler handelte, die in Streit geraten und sich dann gegenseitig umgebracht hatten.

 

 

Wetten, dass?

 

Als ich heute den TV-Apparat einschaltete lief „Wetten, dass ...?“ Gerade wurde Karel Gott interviewt. Der Showmaster sagte: „Ich habe gehört, dass sie mit über 100 Frauen geschlafen haben, Herr Gott?“ „Das ist richtig“, lautete die prompte Antwort. „Ich habe auch gehört“, insistierte Gottschalk, „dass sie ein bestimmtes Verfahren anwenden, um der Frau zu zeigen, ob es ihnen gefallen hat?“ Die Antwort seines Stargastes kam ohne zu zögern: „Nur wenn der Sex gut war, darf die Frau zum Frühstück bleiben.“ Das Publikum lachte laut auf. „Und wie“, fragte er weiter, „wie haben sie ihre Ehefrau kennengelernt?“ „Meine Frau war so gut, dass sie bis zum Abendessen bleiben durfte.“ Auch das brachte einen Lacherfolg. Die nächste Frage lautete: „Aber heute, wo sie in festen Händen sind, wenden sie dieses Verfahren nicht mehr an?“ „Nicht bei meiner Frau“, sagte der berühmte Sänger aus Prag. Das Publikum lachte noch lauter als zuvor. Dann kamen sie auf die Wette zu sprechen. „Ich wette, dass Alfred Müller 100 Frauen mit verbundenen Augen alleine durch Betasten ihrer Brüste erkennen kann.“ Kaum hatte er ausgesprochen, fing das Publikum an, freudig zu toben. Der Moderator ging schon durch die Reihen und wählte genüsslich die Frauen aus. 100 Freiwillige Damen waren schnell gefunden. Sie stellten sich hinter einer blickgeschützten Wand auf und der Kandidat begann mit dem Betasten ihrer Brüste, wobei er für jede Frau fünf Sekunden Zeit hatte. Beim Erstbetasten verzichtete er auf die Augenbinde. „Die kommt erst später ins Spiel“, erklärte er. Eine zusätzliche Schwierigkeit bestand darin, dass er sich auch die Namen der Frauen merken musste. Als er mit dem Betasten fertig war, wurden per Zufallsprinzip fünf Frauen ausgewählt, die er nun mit verbundenen Augen durch Ertasten der Brüste erkennen sollte. Der Kandidat tastete lange, aber erriet keinen einzigen richtigen Namen. Karel Gott verlor seine Wette, das Publikum buhte.

 

Als nächstes wurde ein hoher geistlicher Würdenträger interviewt, der neben Gott saß. Gottschalk fragte überhöflich: „Herr Würdenträger, kann ich sie so ansprechen?“ „Herr Würdenträger ist O.K.“, antwortete dieser. „Als wir sie eingeladen hatten gab es noch nicht diese Schlagzeilen in der Presse, darüber wollen wir heute Abend auch gar nicht reden.“ „Ich kann ihnen versichern“, unterbrach ihn der Geistliche“, dass es in meinem Bistum keine solche Vorkommnisse gibt.“ Das Publikum klatschte. Da sagte einer der anderen prominenten Gäste laut und deutlich: „Würden sie ihre Hand dafür ins Feuer legen, Herr Würdenträger, dass es in ihrem Bistum keine Fälle sexuellen Missbrauchs durch Übergriffe pädophilier Geistlicher gibt?“ Der Showmaster sah ihn entgeistert an. Im Saal war es still geworden. „Wenn so etwas passiert wäre, wäre es mir zu Ohren gekommen“, verteidigte sich der Geistliche. „Sie haben es also nicht wirklich überprüft“, begann der Prominente seine Rede. „Sie behaupten also ins Blaue hinein, dass es bei ihnen so etwas nicht gibt. Ich aber sage ihnen, kirchliche Gemeinschaften leben davon, dass bestimmte Wahrheiten unter den Teppich gekehrt werden. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Sie verdecken die Sünden in ihren eigenen Reihen und schaffen dadurch einen Raum, in dem der Missbrauch ungestraft und wiederholt stattfinden kann. Doch Kirche ist kein rechtsfreier Raum“, redete er sich in Rage. „Wissen sie nicht wer ich bin?“, unterbrach ihn der Geistliche beleidigt. Da mischte sich der Showmaster wieder ein und versuchte die Wogen zu glätten. „Wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen. Das ist doch hier nicht die richtige Plattform dafür.“ Mit seiner Bemerkung erreichte er nur das Gegenteil, der prominente wurde noch aufgebrachter. „Auch die Kirche im Dorf ist kein rechtsfreier Raum. Und wem geben sie hier eine Plattform? Etwa einem moralisch korrupten Berufschristen wie dem da? Dem sie auch noch in den Arsch kriechen.“ „Wissen sie denn nicht wer ich bin?“, wiederholte der Geistliche im tadelnden Tone. „Ich kenne ihre Sorte. Ihr mit euren nutzlosen Pseudo-Antworten. Stets darauf bedacht, die öffentliche Meinung auf eure Seite zu ziehen, darin seid ihr gut. Ich kenne eure Reaktionsmuster nur zu genau. Erst alles abstreiten und wenn der Skandal kurz vor der Entdeckung steht, werden ein paar kleine Fehler zugegeben. Ohne Druck von außen findet bei euresgleichen keinerlei Selbstreinigung statt. Deshalb muss dieser Druck von außen aufgebaut werden. Sie sind doch nur ein Papagei, sie plappern ein paar leere Phrasen nach und das nennen sie dann Religion. Mit Leuten wie ihnen kann man nicht wirklich reden, da kann man nur draufhauen.“ Und dann geschah das Ungeheuerliche Der Prominente holte aus und verpasste dem Würdenträger eine schallende Ohrfeige. Alle waren sprachlos. Jetzt wandte der schlagfreudige Prominente sich an das Publikum im Saal und forderte alle auf, es ihm gleichzutun und den Geistlichen ebenfalls zu ohrfeigen. „Und wenn ihr diesen Mann“, schrie er, „morgen in der Fußgängerzone seht, dann verpasst ihm eine Ohrfeige. Kurz bevor er alle Anständigen dieser Erde dazu auffordern konnte, dem Kirchenmann eine Ohrfeige zu verpassen, wurde dem Prominenten, dessen Name ich nicht nennen will, der Ton abgedreht und drei Sicherheitsleute führten ihn ab.

 

Nun kam die Reihe zu einem weiteren prominenten Gast, der neben Schäuble saß. Der Showmaster versuchte krampfhaft einen Übergang zu finden. „Mit Gewalt“, sagte er, „kann man die Probleme der Welt bestimmt nicht lösen.“ Der Angesprochene antwortete: „Also ich sehe im Öko-Terrorismus die derzeit einzige Möglichkeit, die Welt zu retten.“ Schäuble verschluckte sich und konnte einen Hustenanfall nicht unterdrücken. Gottschalk wischte sich den Schweiß von der Stirn. Waren denn heute alle Gäste völlig unberechenbar? Der Showmaster versuchte nun das Gespräch abzuwürgen und kam sofort auf die Wette zu sprechen. Mit einem charmanten Lächeln fragte er: „Welche Wette haben sie uns denn mitgebracht?“ Doch heute lief nichts wie geplant.

 

Der Angesprochene wandte sich direkt ans Publikum: „Aus gegebenem Anlass habe ich mich entschlossen, meine Wette kurzfristig zu ändern. In diesem Moment, während wir hier sitzen und uns vergnügen, wird in einem südamerikanischen Land ein ganzer Indianerstamm mit Gewalt aus seinem angestammten Lebensgebiet vertrieben. Auf dem Gebiet, um das es geht, wurde Öl gefunden. Während wir hier reden rücken schon die Bohrtrupps an. Während wir hier reden erschießt das dortige Militär jeden Indianer, der sich ihnen in den Weg stellt. Ich wette, dass wir, das Publikum zuhause am Bildschirm mit eingeschlossen, ich wette, dass wir es schaffen, dieses Unrecht zu verhindern. Ich glaube daran, dass wir das schaffen können.“

Der Showmaster saß mit offenem Mund auf seinem Sitz und brauchte Minuten bis er wieder etwas sagen konnte. Darauf war er nicht vorbereitet. Es gibt Dinge im Leben, auf die kann man sich nicht vorbereiten. „Ich glaube, für eine solche Aktion fehlen uns die Mittel“, sagte er „und ich bezweifle, dass das die richtige Plattform dafür ist. Wir sind eine Unterhaltungsshow.“ Da meldete sich ein Zuschauer zu Wort. Es war ein reicher, schwäbischer Bauunternehmer, der sich spontan bereit erklärte, für den guten Zweck eine Millionen Euro zu spenden. Jetzt meldete sich Schäuble zu Wort, der bisher noch nicht gesprochen hatte: „Also, wenn der Bauunternehmer eine Millionen Euro für spendet, dann werde ich auch meinen Beitrag leisten.“ Er zückte sein Handy und sagte: „Mit diesem Handy kann ich jeden Staats-Chef der Welt zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen.“ Dann rollte er hinter die Bühne, um ungestört zu telefonieren. Der Showmaster sagte die nächste Musik an. Anschließend kam Schäuble wieder zurück und alle warteten gespannt auf seinen Bericht: „Ich habe mit dem Regierungs-Chef des betreffenden südamerikanischen Landes gesprochen, der hat sich wenig einsichtig gezeigt. Ich habe auch mit Obama geredet. Und der Präsident der Vereinigten Staaten hat zugesagt, Filmaufnahmen des ganzen Geschehens live ins Wetten, dass-Studio zu senden.“ Das Publikum klatschte. Nach 15 Minuten stand die Leitung und alle starrten gespannt auf die Bilder, die auf Monitoren im Hintergrund eingespielt wurden. Es waren schreckliche Bilder von Blut und Gewalt. Die Militärs standen nur noch wenige hundert Meter vor dem Indianerdorf. Ein Reporter vor Ort kommentierte Die Lage. Die nachfolgenden Sendungen verschoben sich um drei Stunden. Der Sender spendierte den Zuschauern kalte Getränke und Schnittchen.

Dann geschah das Ungeheure. Nach einem Anruf wandte sich Schäuble an das Publikum. Was er sagte klang wie eine Regierungsansprache: „Es liegen uns gesicherte geheimdienstliche Informationen vor, dass eine bisher noch nicht in Erscheinung getretene terroristische Organisation in die Sache eingreift. Sie haben in Südamerika Schläfer, die nun aktiviert wurden.“ In dem Moment erschienen auf den Monitoren Helikopter, die in die Kampfzone einflogen. Fallschirmspringer sprangen ab. Ein lauter Knall und die Verbindung wurde unterbrochen. Jetzt war nur noch die Stimme des kommentierenden Reporters vor Ort zu hören: „In der Nähe des Dorfes sind Fallschirmspringer gelandet. Sie scheinen nicht den Regierungstruppen anzugehören. Sie bilden einen Ring um das Dorf. Ich gehe in ihre Richtung. Wir hören Explosionen“. Darauf folgte ein langes Schweigen bis die aufgeregte Stimme des Reporters wieder einsetzte. „Explosionen, an vielen Stellen gleichzeitig. Die Wucht reißt ganze Waldstücke nieder. Es ist schwierig in diesem Chaos den Überblick zu behalten. Viele Soldaten wurden getötet. Die Formationen lösen sich auf. Das Militär zieht sich zurück, sie rennen um ihr Leben. Das Dorf wird nicht mehr angegriffen.“

 

 

Kirchentag in München

 

Das Kamera-Team von München-TV besuchte den Kirchentag. Mit der Kamera filmten sie ein von Laien aufgeführtes kirchenkritisches Theaterstück. Die Bühne war in drei Teile geteilt, die jeweils einen separaten Handlungsort darstellten. Immer wenn eine Szene fertiggespielt war, blieben die Schauspieler reglos stehen und die Schauspieler der nächsten „Drittelbühne“ begannen zu spielen. Es ging immer reihum. Auf der ersten Bühne missbrauchte gerade ein pädophiler katholischer Geistlicher seinen Ministranten. Die Szene spielte in einem Arbeitszimmer. Der Junge rief noch: „Bitte nicht in den Arsch, Herr Pfarrer.“ Die Szene fror ein und die Aktivität wechselte auf die zweite Bühne. Dort unterhielten sich zwei Priester über das Pädophilenthema. Einer von beiden sagte: „Immer diese Einmischungen von außen. Als ob es bei uns keine Warner gäbe. Wir sind die Religion der Propheten.“ Die dritte Bühne stellte ein bayerisches Bauernzimmer dar. Ein Ministrant hatte Angst davor, zur Kirche zu gehen. „Mami, ich will nicht, ich hab ein schlechtes Gefühl dabei.“ „Du gehst hin“, sagte die Mutter streng. „Was sollen denn die Nachbarn von uns denken.“ Jetzt wurden die Szenenwechsel immer schneller und alle drei Handlungen verschmolzen zu einem einzigen, zusammengehörenden Dialog. Während der Priester auf der einen Bühne nachdenklich fragte: „Wohin geht es mit der Kirche? Quo vadis Kirche?“, kam auch schon von der anderen Bühne her die passende Antwort: „In den Arsch, immer in den Arsch.“ Das Kamera-Team ging und filmte an einer anderen Stelle weiter.

 

Ein Künstler hatte ein Kunstwerk ausgestellt mit dem Titel Kirche 1.0. Es handelte sich dabei um eine Gefängniszelle mit Gitterstäben. Ein Mann lag auf einer kargen Pritsche. Ansonsten gab es nur ein Waschbecken und eine Toilette. Da lag er nun in seiner Gefängniszelle und schien die Besucher, die ihn beobachteten gar nicht zu bemerken. Nach acht Stunden betrat der Künstler die Szene. Er trug eine graue Kutte und Vollbart. Mit dem kleinen Finger seiner rechten Hand tippte er gegen die Gefängnistüre und öffnete sie. Zum Erstaunen aller war die Türe offen. Dann hielt der Künstler eine Rede an das Publikum: „Liebe Freunde der guten Kunst. Es gibt eine primitive Art des Glaubens, die eher einem Eingesperrtsein gleicht und zwar einem freiwilligen Eingesperrtsein im selbstgewählten Gefängnis. Der Eingesperrte kann jederzeit rausgehen und sich befreien.“ Dann wandte er sich zu dem auf der Pritsche liegenden und fragte: „Warum verlässt du deine Zelle nicht? Aus Bequemlichkeit? Hast du Angst vor dem, was draußen ist? Kennst du es nicht anders?“ Dann hielt er eine Art Predigt: „Die Tage vergehen, Wasser fließt die Isar hinunter und es gibt immer wieder etwas Neues. Neue Herausforderungen wollen bewältigt werden. Manches war nur für die Dauer einer Lebensphase gut, anderes erweist sich als Sackgasse. Wiederum anderes erhält Kraft für die Ewigkeit. Durchtrenne die schleimige Trennwand deiner geistigen Isolation! Tritt heraus aus deinem selbstgewählten Gefängnis und Gott zeigt dir neues Land. So geh nun hin und durchlaufe die neue Ebene.“ Dann kam ein Rikscha-Fahrer. Der Künstler kletterte obendrauf, stellte sich auf das Dach und winkte allen zu. Der Fahrer trat in die Pedale und bald verschwand der bärtige Mann in der Ferne. Am Ende war er nur noch ein winkender kleiner Punkt. München-TV nahm alles auf, damit das wertvolle Zeitgeschehen auch den Menschen zugänglich gemacht wird, die nicht dabei waren.

 

 

Der Mann, dem niemand glaubte

 

Es war Viertel nach acht. Ich schaltete den Apparat ein. Der Film fing gerade an. Die erste Szene zeigte Lars als Jüngling im Kreise seiner Spielkameraden. Er spielte mit den Nachbarskindern Fußball. In der Pause saßen alle um den Ball herum und unterhielten sich. Da nahm einer der Halbwüchsigen all seinen Mut zusammen und sprach zum ersten Mal das Thema „Frauen“ an. „Also, in letzter Zeit, wenn ich auf der Straße ne schöne Frau seh, dann wird auf einmal mein Glied so steif. Geht es euch genauso?“ „Ja“, rief einer „seit ein paar Wochen krieg ich auch nen Ständer, wenn ich eine hübsche Frau seh. Das funktioniert aber nicht bei jeder.“ Er wusste sogar das Fachwort dafür: Ständer. Dieser Grad an Aufklärung war kaum noch zu toppen. Doch es kam noch besser. Ein anderer rief in die Runde: „Und ich weiß wie Kinder gemacht werden. Ich habs im Fernsehn gesehn.“ Alle schauten ihn gespannt an als er verkündete: „Der Mann pisst in die Frau.“ Aufgrund seiner mangelnden körperlichen Reife und dem was er im Fernseh gesehen hatte war dies für ihn die einzige logische Schlussfolgerung und alle glaubten ihm. Alle bis auf Lars. „Das kann nicht richtig sein“, gab er zu bedenken. Die andern sahen ihn vorwurfsvoll an. Gerade hatten sie das Geheimnis des Lebens entdeckt und dann kommt der kleine Lars daher und zweifelt ihr sicheres Wissen an. „Wie denn sonst? Du Besserwisser? Wie denn?“ Lars wusste es selber nicht genau. Das einzige, was er sagen konnte war: „Es muss da noch etwas anderes geben.“ Alle lachten ihn aus, sie zeigten mit dem Finger auf ihn und lachten ihn aus. An diesem Tag wurde er zum Außenseiter der Gruppe.

Im Alter von 19 Jahren beschloss Lars zu studieren. Zu diesem Zweck verließ er sein Elternhaus und zog in eine andere Stadt. Ein Zimmer war schon angemietet als er eintraf. Er kannte niemanden hier. An seinem ersten Tag in der Fremde beschloss er, sich erst einmal die Stadt anzuschauen und einen Spaziergang entlang des Ufers zu machen. Der Fluss hatte Hochwasser. In seiner Heimatstadt gab es nur einen kleinen Bach, hier gab es einen richtigen Fluss. Diesen galt es zu erkunden. Er wollte möglichst nahe am Ufer bleiben. Die Neugier trieb ihn voran. Da geschah es. Ein unbedachter Schritt und Lars fiel ins Wasser. Er wurde von der Strömung unter Wasser gedrückt und drohte zu ertrinken. In wilder Panik ruderte er mit den Armen hin und her. Im letzten Moment fühlte er wieder Boden unter den Füßen und eine Welle spülte ihn auf eine kleine Insel in der Mitte des Flusses. Mit letzter Kraft kroch er den Sandstrand nach oben und blieb erschöpft liegen. Gerettet. Dann wurde es Dunkel und Lars verbrachte die ganze Nacht mit nasser Kleidung in einem Gebüsch. Seinen ersten Tag als Student hatte er sich anders vorgestellt. Er hatte sich an einer deutschen Universität eingeschrieben und nicht bei der Fremdenlegion. Immerhin lebte er noch und bei Tage würde ihn sicher jemand entdecken. Doch keine Sau kam vorbei, kein Schwein vermisste ihn. Niemand half ihm aus seiner misslichen Lage heraus. So verging der erste Tag. Am zweiten Tag überkam ihn Selbstmitleid. War er dem Tod durch Ertrinken nur entronnen, um auf einer kleinen Insel mitten in Deutschland zu verhungern? Seine letzte Hoffnung war das Handy. Bei den ersten Versuchen hatte es nicht mehr funktioniert. Mittlerweile war es ihm gelungen, es aufzuschrauben, trocknen zu lassen und wieder zusammenzubauen. Jetzt war der spannende Augenblick gekommen. Es ging um Leben und Tod. Mit zitternden Fingern tippte Lars auf die Tasten und wählte die Nummer seiner Eltern. Es läutete dreimal und seine Mutter meldete sich auf der anderen Seite der Leitung. Vor lauter Aufregung hatte Lars sich nicht genau überlegt, was er sagen würde und rief: „Ich bin auf einer Insel und habe seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Ich brauche deine Hilfe.“ „Dann solltest du dich endlich an das Mensa-Essen gewöhnen. Glaubst du etwa ich koch für dich und schick es dir per Post? Du bist mir lustig.“ Mit dem letzten Satz würgte sie seine Einsprüche ab und legte auf. Danach war der Akku des Handys endgültig leer. Der Telefonjoker hatte versagt. Lars hatte seine Rettung einen Tag später einem bellenden Hund zu verdanken.

Er war ein guter Student. Die verpassten Vorlesungen holte er im Nu wieder auf und er machte einen hervorragenden Abschluss als Diplom-Ingenieur. Auch im Beruf war er tüchtig. Seine Firma setzte ihn oft im Ausland ein. Einer seiner Einsätze führte ihn nach Tschernobyl. Es war eine politisch heikle Angelegenheit. Niemand durfte erfahren, dass die Russen deutsche Beratung in Anspruch nahmen. Bei der Besichtigung der technischen Anlagen waren neben Lars noch ein Übersetzer und zwei russische Kollegen dabei. Am Ende der Besichtigungstour sagte Lars, mehr zu sich selbst: „Die Anlage kann dir ja jederzeit um die Ohren fliegen.“ Was Lars nicht wusste war, dass einer der anwesenden Russen auch Deutsch verstand und die Aussage seinem russischen Vorgesetzten meldete. Dieser wiederum meldete es dem deutschen Vorgesetzten und Lars wurde verhaltensbedingt gekündigt. In einem Vier-Augengespräch warf ihm der Geschäftsführer vor, er habe in verantwortungsloser Weise das Projekt gefährdet. Ein halbes Jahr später geschah der Super-GAU.

Besser ich erzähle ihnen nicht, dass Lars auch an einer Machbarkeitsstudie beim Projekt Stuttgart 21 beteiligt war. Besser ich erzähle ihnen nicht, was Lars dazu gesagt hat. Sie werden es mir sowieso nicht glauben. Seine genauen Worte lauteten: „Ich bin zwar Ingenieur und kein Politiker, aber wenn die Bevölkerung beim Entscheidungsprozess nicht stärker eingebunden wird, dann kann es später ungeahnte Proteste geben.“ Eine Woche nach dieser Stellungnahme wurde Lars aus einem fadenscheinigen Grund heraus woanders hin versetzt.

Und ein Vorfahre von Lars stand damals vor der Titanic und flehte alle ankommenden Passagiere an, nicht einzusteigen: „Bitte gehen sie nicht an Bord, es gibt nicht genügend Rettungsboote.“ Er wurde dafür drei Tage ins Gefängnis gesperrt. Ungelogen.

 

 

Botschaft aus der Zukunft

 

Karl war Bauer und stolz darauf. Er bezeichnete sich auch selbst als Bauer und nicht als Landwirt, wie es viele seiner Kollegen taten. Hier auf dem Hof war er sein eigener Herr. Harte Arbeit und lange Arbeitstage prägten sein Leben. Doch er hätte nie mit einem Fabrikarbeiter oder einem Angestellten aus der Stadt getauscht. Dies war freie Arbeit, die ihm Freude bereitete. Außerdem stand er in der Tradition seiner Väter und Vorväter, die alle denselben Grund und Boden beackert hatten. Sollte ausgerechnet er der erste sein, der diese Tradition beenden würde? Nein, niemals! Auch wenn es schwere Zeiten waren und er mit der EU-Agrarpolitik haderte, er würde weitermachen, immer weitermachen. Seine Vorfahren hatten es doch auch irgendwie geschafft. Und so saß er, vor sich hin grübelnd, auf seinem Traktor und pflügte das Feld. Sein letzter Gedanke hatte ihn wieder aufgemuntert. Da sah er vor ihm auf dem Acker eine kleine, glitzernde Scheibe liegen. Beinahe wär er drüber gefahren. Im letzten Moment besann er sich eines anderen. Er hielt an und stieg fluchend vom Traktor. Es war eine Schande, was die Leute alles auf sein Feld abluden. Ein Acker ist keine Müllkippe. Wütend hob er die Scheibe auf. Es war eine DVD mit der Aufschrift „Botschaft aus der Zukunft“.

Am Abend hatte er die DVD längst vergessen. Sie lag immer noch im Traktor. Kurz vor dem Einschlafen fiel es ihm wieder ein und aus einer seltsamen, plötzlichen Neugier heraus beschloss er, sie sich einmal anzuschauen, bevor er sie wegwarf.

Zuerst erschien ein Sprecher, der felsenfest behauptete, aus der Zukunft zu stammen. Dazu legte er mehrere Beweise vor, wie z.B. die Lottozahlen der nächsten Woche. Alle folgenden Aufnahmen seien Original-Berichte aus der Zukunft, hieß es. „So ein Schmarren“, dachte Karl. „Die Leute aus der Unterhaltungsindustrie haben wirklich verrückte Ideen. Dass man mit so was Geld verdienen kann.“ Was nun folgte, war eine Gerichtsverhandlung aus dem Jahre 2222. Eine Frau machte gerade ihre Aussage vor dem Richter. „Er hat mich brutal vergewaltigt.“ Ihre Rede wurde von Weinkrämpfen unterbrochen. Ihre Stimme klang schwach und vorwurfsvoll. Dass man es ihr überhaupt zumutete vor fremden Menschen und im Beisein des Täters von ihren Qualen reden zu müssen, die sie nun ein zweites Mal durchleben musste. Sie beendete ihre Aussage mit dem Satz: „Am Ende ließ er von mir ab und zog seine Hose wieder an. Dabei sah er mich an wie ein Stück Vieh.“ Die Aussage der Polizistin, die den Notruf entgegengenommen hatte, bestätigte es: „Ich habe schon hunderte solcher Anrufe entgegengenommen. Als erfahrene Polizistin kann ich sagen, diese Frau hatte definitiv Todesangst.“ Für den Angeklagten sah es nicht gut aus. Dieser hatte von Anfang an seine Unschuld beteuert, aber niemand schenkte ihm Glauben. Jetzt hielt der Richter eine förmliche Rede: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sie sicher schon aus der Presse erfahren haben, arbeitet das europäische Gerechtigkeitsministerium seit geraumer Zeit an dem Projekt ‚Welt aus Glas’. Ziel dieses ehrgeizigen Projekts ist die totale Raumüberwachung. Dabei geht es nicht nur um Außenräume, deren Überwachung schon seit vielen Jahren durch Kameras und Sateliten sichergestellt ist. Es geht auch um die Überwachung aller Innenräume. Meine Damen und Herren, an dieser Stelle darf ich stolz verkünden, dass es Deutschland als erstes EU-Land gelungen ist, jedes Haus, jedes Zimmer, jede Abstellkammer im Lande mit Kameras auszustatten. Damit ist Deutschland weit über die Forderungen der EU-Überwachungsrichtlinie hinausgegangen und Vorreiter in Europa. Heute ist es soweit, heute ist die totale Raumüberwachung in Deutschland vollendet. Ein Raunen ging durch die Menge. Die Presseleute sahen sich gegenseitig an und zuckten mit den Schultern. Keiner wusste mehr als der andere, denn jeder wusste nichts. Die Geheimhaltung war perfekt gelungen. Als das Raunen im Saal wieder abgeklungen war, sagte der Richter: „Ich lade sie ein, Zeuge eines historischen Momentes zu werden. Das jahrtausend alte Problem der Menschheitsgeschichte, den wahren Schuldigen zu ermitteln, gehört ab jetzt der Vergangenheit an.“ Er drückte auf einen Knopf und ließ die Leinwand runter. Er dämpfte das Licht. Dann öffnete er einen versiegelten Umschlag und gab das darin enthaltene Codewort in den Computer ein. Dann gab er die Zielkoordinaten des Tatorts ein nebst Uhrzeit der mutmaßlichen Tathandlung. Und das unglaubliche geschah. Das Original-Geschehen wurde eingeblendet. Alle starrten wie gebannt auf die Leinwand. Sie konnten sehen, wie der Angeklagte an der Tür der Frau klingelte. Das Ganze war erst gestern geschehen. Die Frau öffnet ihm. Ihm Wohnzimmer kommt es zu einem heftigen Streit. Die Frau geht in die Küche. Der Mann folgt ihr. Er versetzt ihr eine heftige Ohrfeige, sie sieht in entsetzt an, der Mann schaut ihr minutenlang direkt in die Augen, dann dreht er sich um und verlässt die Wohnung.

Die behauptete Vergewaltigung hatte es nicht gegeben. Der Richter sprach den Angeklagten sofort frei und entschuldigte sich für die eintägige Untersuchungshaft. Es stellte sich heraus, so der Sprecher, dass der Angeklagte in der Frau etwas ausgelöst hatte, das sie in der Vergangenheit einmal erlebt hatte. Ja sie wurde vergewaltigt, aber nicht vom Angeklagten, sondern von einem anderen Mann. Dieses Erlebnis war schon viele Jahre her und sie ließ den wahren Täter straffrei ausgehen, weil sie ihn liebte. Sie hatte die gestrige Gelegenheit dazu genutzt, sich einfach an einem anderen Mann zu rächen. Und hätte der Fortschritt der Technik sie nicht aufgehalten, dann wär es ihr gelungen, einen anderen dafür büßen zu lassen.

Karl fand den Film interessant und mit Neugier erwartete er die nächste Episode aus der Zukunft. Auch hier war das Video teilweise verwackelt; es wirkte so als wäre es heimlich aufgenommen worden. Ein Mann und eine Frau saßen in einem Café. Er versuchte mit ihr zu flirten. Die Frau ging nicht besonders darauf ein und blockte ab. Langsam gingen dem Mann die Gesprächsthemen aus und die Beziehung gelangte an einen toten Punkt. „Wenigstens das ist gleich geblieben“, dachte sich Karl, der diese Situation aus eigener Erfahrung gut kannte. „Die Weiber verändern sich nie.“ Auf dem Tisch lag ein Haar der Frau, das zufällig dort gelandet war. Der Mann drückte mit dem Zeigefinger auf das Haar und schob es demonstrativ in seine Richtung. Die Frau beobachtete ihn dabei. Dann sagte er: „Wenn ich dich schon nicht haben kann, dann überlass mir wenigstens deinen Klon.“ Die Frau willigte ein. Beim Abschied sagte sie nur: „Dass du das nötig hast!“ Anschließend ging der Mann in ein Klonarium. Wieder waren die Aufnahmen verwackelt. Nach einer Stunde verließ er das Klonarium mit einer perfekten Kopie der Frau, mit der er vorhin am Tisch gesessen hatte. Sie hielten Händchen und er küsste sie. „Das ist nicht die Zwillingsschwester“, sagte der Sprecher, „es ist auch nicht die Doppelgängerin, es ist ein Klon, hergestellt innerhalb einer Stunde aus der DNA eines Menschen.“ Die Stimme des Sprechers klang aufgeregt: „In der Zukunft ist Klonen so selbstverständlich wie der Besuch eines Solariums. Die Klone besitzen aber nicht die gleiche Persönlichkeit und Intelligenz wie ihr Original. Sie sind willenlose Sklaven, die ihrem Besitzer gehorchen. Kein Mann geht mehr in ein Bordell. Jeder Mann hält sich zu Hause eine Klonfrau. Und die Frauen haben geklonte Männer. Die Ehe, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr.“

Karl gähnte. Es war spät geworden. Morgen musste er wieder früh raus. Er nahm die DVD und stellte sie ins Regal, wo sie verstaubte. Wie die seltsame DVD auf seinen Acker gelangt war würde Karl nie erfahren. Es handelte sich um ein Geheimprojekt der Regierung. Sie hatten die besten Wissenschaftler der Welt zusammengetrommelt und eine Maschine gebaut, mit der man in die Zukunft reisen konnte. Das ganze basierte auf der Relativitätstheorie und Lichtgeschwindigkeit. Die Maschine hatte nur einen Haken, eine Rückreise in die Gegenwart war nicht möglich. Immerhin konnte man Botschaften aus der Zukunft in die Gegenwart senden. Der Sprecher auf der DVD, die Karl gefunden hatte, war in Wahrheit ein Zukunftsforscher, der im Dienste der Wissenschaft in die Zukunft gereist war. Aufgrund technischer Probleme landeten seine Botschaften zwar zum festgelegten Zeitpunkt in der Gegenwart, nicht jedoch am festgelegten Ort. Es gab da unerklärliche Abweichungen. Die DVD, die heute noch in Karls Regal verstaubt, war kein billiges Video, es war tatsächlich eine Botschaft aus der Zukunft. Die wenigen, die in das Geheimprojekt eingeweiht waren, suchten vergeblich. Sie weiteten den Radius ihrer Suchaktion aus. Am nächsten Tag stand ein Zukunftsforscher auf Karls Acker. Er hielt ihn für einen EU-Kontrolleur und jagte ihn fort.

 

 

Alles für einen Job

 

Wieder einmal lief ein Scherz mit der versteckten Kamera. Das Opfer war ein Absolvent der Betriebswirtschaftslehre, der bei einer renommierten Bank zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Nun saß Herr Maier auf einem Klappstuhl im Korridor und wurde „zufällig“ Zeuge eines lautstarken Streits zwischen einem Vorgesetzten und einem Angestellten. „Was? Sie haben das schwarze Buch weggeworfen?“ „Nein, nicht weggeworfen, entsorgt.“ „Sie mit ihrer ständigen Begriffsklauberei. Das Buch ist also weg. Wissen sie, was sie damit angerichtet haben? Sie haben die Firma ruiniert!“ „Aber ich hab doch nur aufgeräumt.“ „Im schwarzen Buch stehen alle illegalen Transaktionen. Jetzt hab ich überhaupt keinen Überblick mehr. Ich bin aufgeschmissen, ich bin ruiniert. Das schwarze Buch dürfen sie nicht einmal anfassen. Wer hat ihnen den Auftrag erteilt, das schwarze Buch wegzuwerfen?“ „Niemand, ich dachte ...“ „Sie sind nicht hier, um zu denken. Wenn ihnen niemand den Auftrag dazu erteilt, dann dürfen sie das schwarze Buch nicht wegwerfen. Unglaublich! Das ist ihr Fehler. Wer ersetzt mir den Schaden?“ Die beiden Streithähne gingen an Herrn Maier vorbei und ignorierten ihn völlig. Sie traten in ein Büro und schlossen die Tür hinter sich. Er hörte noch lange Zeit ihr Schreien und Brüllen, begleitet von dumpfen Schlägen und dem Wackeln der Tür. Im Flur saßen noch 20 weitere Bewerber. Niemand störte sich an der Szene. Nach einer halben Stunde erschien der Personalchef und verkündete: „Alle mitkommen.“ Alle standen auf und folgten ihm. Sie bestiegen einen Bus und in einer zweistündigen Fahrt ging es zu einem Firmengebäude außerhalb der Stadt. Alle schienen zu wissen, worum es ging und wo sie hinfuhren. Nur Herr Maier wurde im Unklaren gelassen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung zu welchem Zweck diese Busfahrt unternommen wurde. Doch er ließ sich nichts anmerken. Er wusste auch nicht, dass es sich bei allen anderen „Bewerbern“ um Schauspieler handelte. Im Bus versuchte er durch geschicktes Fragen herauszufinden, ob die anderen mehr wussten. Niemand gab ihm eine konkrete Antwort. Alle redeten immer nur um den heißen Brei herum. Er lauschte aufmerksam den Gesprächen der anderen. „Wie viele haben sie schon mitgemacht?“ „Fünf.“ „Bei mir sind es schon sieben.“ „Es sind doch alle ähnlich strukturiert.“ „Einige unterscheiden sich aber voneinander.“ Er konnte sich auf die Sätze, die er aufschnappte, keinen Reim machen, doch er ließ sich weiterhin nichts anmerken. Endlich angekommen, löste sich das Rätsel. Auf einem Schild vor dem Gebäude war zu lesen „Assessment-Center“. Der dreitägige Bewerbertest wurde von einer seriösen Firma durchgeführt. Herr Maier machte alles standhaft mit. Die Redaktion der „versteckten Kamera“ war offenbar dazu übergegangen, länger andauernde Scherze zu machen, die aufeinander aufbauten. Eine Woche später bekam er einen Brief. Darin hieß es, er habe den Test als Bester bestanden. „Wir freuen uns, Sie als neuen Mitarbeiter einstellen zu dürfen.“ Das überraschte ihn. Seiner Selbsteinschätzung zufolge hatte er nicht so gut abgeschnitten.

Die nächste Szene, eine Woche später, spielte vor beeindruckender Kulisse. Ein modernes Hochhaus in bester Großstadtlage: Die Zentrale der Bank. Hier werden Entscheidungen getroffen mit Auswirkungen auf Finanzmärkte in aller Welt. Der Konzernchef persönlich stand am Eingang und begrüßte den Absolventen. Der Abteilungsleiter führte ihn zu seinem neuen Arbeitsplatz im obersten Stockwerk. Dort bekam er ein eigenes Büro. Sein Namensschild war schon angebracht. Durch Zufall erfuhr er, dass er als Berater für den internationalen Aktienmarkt eingesetzt werden sollte. Im Studium hatte er dieses Thema als Nebenfach belegt. Es schien wohl zum Stil der Firma zu gehören, dass man vorab kaum informiert wurde und alles nur durch Zufall erfuhr. Durch „Zufall“ erfuhr er auch, dass die Sekretärin ein Jahresgehalt von 80.000 Euro verdiente. Nach einer kurzen Führung durch alle Räume sagte der Abteilungsleiter: „Dies ist ihre persönliche Sekretärin, dort drüben steht ihr Schreibtisch und der Affe kommt gleich.“ Bevor der Angesprochene noch irgendetwas sagen konnte, klingelte das Handy des Abteilungsleiters. Er verabschiedete sich hastig wegen eines dringenden Termins und ließ ihn in seinem Designerbüro allein. Der zum Aktienberater avancierte Student setzte sich erst einmal. Auf dem Schreibtisch bemerkte er einen billigen Aufkleber mit der Aufschrift „Bekleben verboten“. Lose Zeitungsblätter mit den aktuellen Aktienkursen lagen herum. Und dann kam auch schon der Schimpanse. Herr Maier schaute wie ein begossener Pudel. Sie zeigten seinen Gesichtsausdruck in Nahaufnahme. Eine Tierpflegerin gab dem Affen einen Stock und der Schimpanse deutete damit auf ein Zeitungsblatt. Die Frau notierte sich den Namen der Aktie, auf die der Affe zufällig gedeutet hatte. Dieser Vorgang wiederholte sich ein duzend mal. Jedes Mal bekam der Affe zur Belohnung ein Stück Banane. Herr Maier saß die ganze Zeit schweigend auf dem viel zu großen Chefsessel und beobachtete die Szene. Am Ende übergab sie ihm den Zettel mit den Namen der Aktien und sagte: „Kaufen.“ Sie verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war. Wieder einmal ließ man ihn allein. Auf dem Zettel war auch noch die Telefonnummer des Konzernchefs vermerkt. Allmählich schien er zu bemerken, dass es nicht mit rechten Dingen zuging. Da stürmte Frank Elstner als Affe verkleidet ins Büro, riss sich die Maske vom Kopf und löste den Scherz auf. 20 Schauspieler und ein echter Konzernchef kamen in den Raum und fingen lauthals an zu lachen. Sie lachten und lachten und hörten gar nicht mehr auf zu lachen.

Das Opfer des Scherzes und der echte Konzernchef wurden natürlich in die anschließende Fernseh-Show eingeladen. Auf eine Anspielung des Show-Masters hin sagte der Firmenchef: „Der junge Mann hat Durchhaltevermögen bewiesen. Ich verspreche ihm eine feste Anstellung in meinem Unternehmen, ich weiß nur noch nicht als was.“ Das Publikum applaudierte.

 

 

Mein Gott Walther

 

Es fing an wie ein Künstlerfilm. Sie wissen schon, so Künstlerfilme, die immer auf Arte laufen. Die Eingangsszene des Films zeigte gehende Menschen von hinten. Dabei gelang es dem Kameramann, die typische Gangart der Menschen einzufangen. Jeder Mensch hat eine andere Art zu gehen. Eben zeigten sie eine Frau, die geradezu militärisch stolzierte. In langen, geraden Schritten, fast ohne die Knie anzuwinkeln, stolzierte sie nach vorne. Diese Gangart machte auf mich den Eindruck eines Menschen, der schnell auf sein Ziel zusteuerte und dabei die Zwischenschritte unterließ. Dann zeigte die Kamera einen Mann, der so entlangschlurfte. Bei jedem seiner kleinen Schritte rieb die hintere Schuhsohle gegen den Boden. Auf mich wirkte es wie der permanente Versuch abzubremsen. Es handelte sich wohl um einen Menschen, der nichts überstürzte. Oder war diese Gangart ganz anders zu interpretieren? Fünf Minuten lang wurden nur gehende Menschen von hinten gezeigt. Endlich schwenkte die Kamera auf einen Mann, der so dahinwatschelte. Er ging wie jemand, der gerade in die Hose geschissen hatte. Das war Walthers ganz normale Gangart. Er konnte gar nicht anders. Walther war, wie sich herausstellen sollte, die Hauptfigur des Films.

 

Walther ging gerade die Straße entlang als er ganz plötzlich ein Kribbeln im linken Hosenbein verspürte. Dann ein Stechen. Walther glaubte, dass eine Spinne sein Hosenbein hoch krabbelte. Von Panik ergriffen begann er wie wild mit der Faust auf die Stelle am Unterschenkel zu schlagen, wo er die Spinne vermutete. Nun war das Stechen am Oberschenkel angelangt. Walther reagierte sofort und zog die Hose aus. Aufmerksam prüfte er seine Beine, es war nichts. Er musst sich die Sache mit der Spinne irgendwie eingebildet haben. Als er wieder auf die Gehsteig sah, erblickte er eine Kindergärtnerin mit einer Gruppe von Mädchen, die händchenhaltend in Zweierreihen auf ihn zugingen. Die Kindergärtnerin war empört und rief sofort die Polizei. Walther hatte sich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses vor Gericht zu verantworten.

Eines schönen Tages sah Walther im englischen Garten einen Aushang, der an einem Baum befestigt war: „Hund entführt“, hieß es dort. Der Aushang enthielt eine genaue Beschreibung des Hundes und endete mit dem Satz: „Der Täter kennt den Namen des Hundes nicht.“ Fünf Minuten später sah er zufällig in Begleitung einer Frau einen Hund, auf den die Beschreibung genauestens zutraf. Vorsichtig näherte Walther sich der Frau. „Einen schönen Hund haben sie da“, sagte er. Wie heißt er denn?“ „Cäsar“, lautete die zögerliche Antwort. Sofort sprach Walther den Hund mit Namen an. „Schau her, Cäsar, so ist gut, Cäsar, brav Cäsar.“ Der Hund reagierte nicht auf diesen Namen. Da wusste Walther Bescheid und stellte die Frau zur Rede. Die Frau verteidigte sich mit dem Argument, dass der Hund nicht auf Fremde reagiere. Walther erkannte, dass sie log und versuchte der Diebin den Hund zu entreißen. Die Frau kratzte ihm mit scharfen Fingernägeln ins Gesicht. Dann rief sie: „Polizei, Polizei, dieser Mann belästigt mich.“ Die Polizei war auch schnell zur Stelle und brachte Walther, Frau und Hund ins Revier. Und Walther hatte Glück. Es gelang ihm die ganze Sache aufzuklären und die Frau gestand die Tat. Als er das Polizeipräsidium verlassen wollte, wurde er höflich gebeten, den Hund seinem Herrchen zurückzubringen, da man chronisch unterbesetzt sei und nicht für jede Bagatelle Zeit habe. Walther war einverstanden. Insgeheim hoffte er auf eine kleine Belohnung. Und so suchte er die Adresse des Herrchens auf. Auf dem Plakat war sie ja angegeben. Es handelte sich um ein zwanzigstöckiges Hochhaus am Rande der Stadt. Als Walther das Haus betrat, musste er feststellen, dass der Aufzug defekt war. Auch der Hund weigerte sich plötzlich weiterzugehen und so musste Walther den Hund 20 Stockwerke die Treppen hoch tragen. Oben angekommen war er ganz schön aus der Puste. Er klingelte und eine Frau öffnete die Tür. „Ach, da bist du ja“, sagte sie zu ihrem Hund, ließ ihn rein und schloss sofort wieder die Tür. Walther musste draußen bleiben. Er bekam für seine Hilfe nicht einmal einen feuchten Händedruck.

Die nächste Szene aus Walthers leben spielte Jahre später. Walther war jetzt verheiratet und lebte mit seiner Frau in einer kleinen Eigentumswohnung. Eines Nachts bekam er Hunger und ging im Schlafanzug vom Schlafzimmer in die Küche. Um niemanden zu stören, machte er kein Licht an. Die Rollladen waren runtergelassen und es war stockdunkel. Die zehn Schritte bis zum Kühlschrank wollte er im Dunkeln gehen. Er war den Weg schon tausend Mal gegangen und kannte ihn auswendig. Mit der rechten Hand tastete er sich im Dunkeln vorsichtig an der Wand entlang. Doch was war das? Plötzlich hörte die Wand an einer Stelle auf, wo Walther es nicht vermutet hätte. Das konnte gar nicht sein. Das war doch unmöglich. Walther stand da und überlegte. Er tastete jetzt die Wand an der Stelle ab, wo er den Lichtschalter vermutete, fand ihn aber nicht. Dann beschloss er den gleichen Weg zurückzugehen, den er gekommen war. Er ging los und stieß in der Dunkelheit mit dem Kopf gegen eine Wand. Wo kam denn diese Wand her? Walther hatte im Dunkeln in seiner eigenen kleinen Wohnung völlig die Orientierung verloren. Nervös fing er an, überall herumzutasten, nichts kam ihm bekannt vor und es beschlich ihn das mulmige Gefühl, in einer völlig fremden Wohnung zu sein. Nun bekam er es mit der Angst zu tun und er setzte sich auf den Boden. Zunächst hatte er vor zu warten, bis es hell wird; doch nach einer Stunde griff er zum letzten Mittel: Er fing an zu schreien und weckte seine Frau auf. Mit einer einfachen Handbewegung schaltete sie im Dunkeln völlig problemlos das Licht an. Jetzt sah sie ihren Mann, wie er armselig in der Mitte des Wohnzimmers auf dem Boden kauerte. Seine Frau sagte nur: „Mein Gott, Walther.“

Eines Tages wollte Walther die automatische Lichtschaltung vor dem Haus optimieren. „Ich bin mal kurz draußen, um die Lichtschaltung zu optimieren“, das waren seine Worte: optimieren. Es ging ihm vor allem darum, Strom zu sparen und das Außenlicht so einzustellen, dass es möglichst kurz brannte. Er hatte alles genauestens geplant. Er war den Weg vom Gartentor bis zur Haustür mehrmals mit der Stoppuhr abgegangen, hatte die optimale Brenndauer des Lichts ermittelt und die Anlage neu eingestellt. Seiner Frau sagte er stolz: „Sobald man durch den Garten gegangen ist und die Haustür öffnet, geht auch schon das Licht aus. Es darf keine Sekunde zu lange brennen.“ Am Abend als Walther von seiner Stammkneipe heim kam, öffnete er das Gartentor, ging ein paar Schritte in Richtung Haus und stellte verblüfft fest, dass das Licht nicht funktionierte. In der Dunkelheit stolperte er über einen Stein und knallte mit voller Wucht auf den Boden. Als er so dalag und sich vor Schmerzen krümmte, ging das Licht an und brannte fünf Minuten, wie um ihn zu verhöhnen, damit ihn auch ja alle in seinem Elend sehen konnten. Seine Frau sagte nur: „Mein Gott, Walther.“

An das erste Date mit seiner Frau konnte Walther sich noch lebhaft erinnern. Er hatte sie zum Frühstück eingeladen. Sie saß ihm gegenüber und fragte noch, ob sie das Brot schneiden dürfe. Doch Walther hatte vehement abgelehnt. Heute wollte er alles für sie machen, sie sollte einfach nur dasitzen und sich von ihm verwöhnen lassen. Zum Brotschneiden hatte er extra ein neues Messer gekauft. Und als Walther eine Scheibe abschnitt, hielt er den Ringfinger seiner linken Hand ungeschickt in den Schneideweg des Messers. Und so kam es, dass er sich vor den Augen seiner Frau die Fingerkuppe abschnitt und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Seine Frau, damals war sie ja noch nicht seine Frau, hatte es kommen sehen, sie hatte versucht ihn zu warnen, doch Walther hatte nur geantwortet: „Bleib schön sitzen und schau mir zu.“ Das Ganze war ein Unfall, aber von außen betrachtet sah es so aus als hätte Walther sich absichtlich die Fingerkuppe abgeschnitten, um ihr zu imponieren.

Die nächste Szene spielte wieder in Walthers Wohnung. Mittlerweile hatte Walther zwei Kinder. Eines Tages musste Walther dringend aufs Klo, um ein großes Bedürfnis zu erledigen. Er hatte wohl irgendetwas Falsches gegessen. Zu seinem Leidwesen musste er jedoch feststellen, dass die Toilette für längere Zeit besetzt war. Plötzlich steigerte sich der Druck in seinem Magen dermaßen, dass man an seinem Gesicht ablesen konnte, dass er es nicht mehr lange aushalten würde. Zunächst begann er in seinem Zimmer von einem Bein auf das andere zu hüpfen. Nach weiter zunehmendem Druck legte er sich mit dem Bauch auf sein Bett, presste mit aller Gewalt die Pobacken zusammen und trommelte mit beiden Fäusten auf die Matratze. Walthers Gesicht war nun ganz rot und schmerzverzerrt, seine Anstrengungen waren übermenschlich. Die Toilette war immer noch besetzt und er suchte fieberhaft nach einer sauberen Lösung. Da erinnerte er sich an eine Plastiktüte und einer Packung Taschentücher im Reisekoffer, der in seinem Zimmer stand. Mit zusammengepetztem Po arbeitete er sich mühsam zum Koffer vor, holte die Plastiktüte raus und schiss hinein. Der Druck der entweichenden Masse war so groß, dass ihm beim Aufprall die Plastiktüte aus den Händen glitt und auf den Boden plumpste. Dabei passierte jedoch nichts Schlimmes. Alles blieb sauber. Anschließend band Walther die Tüte mit einem Knoten zu. Dann stellte er sie auf seinen Schreibtisch. Der Knoten sollte ihn daran erinnern, dass er heute noch seinen Zahnarzt anrufen wollte. Nein, natürlich nicht. In Wirklichkeit war es Walther äußerst peinlich und er beschloss die verräterische Tüte unverzüglich in einem öffentlichen Papierkorb zu entsorgen und die ganze Sache vor seiner Familie geheim zu halten. Er schlich also mit der Tüte in der Hand in den Flur und verließ unbemerkt die Wohnung. Was für ein Glück, dass niemand etwas bemerkt hatte. Dann setzte er sich in seinen VW Golf und stellte die Tüte auf dem Beifahrersitz ab. Er ging deshalb nicht zu Fuß, weil er nicht wollte, dass die Nachbarn ihn mit der Tüte in der Hand zu Gesicht bekammen. Er fuhr los und kam an einem öffentlichen Papierkorb vorbei. Dieser war jedoch 20 m von der Straße entfernt. Aus purer Faulheit fuhr er weiter, in Sichtweite gab es ja noch einen anderen Papierkorb, der näher an der Straße stand. Da geriet Walther in eine Polizeistreife. Was er nicht wusste: es hatte einen Banküberfall gegeben und die Polizei fahndete nach dem flüchtigen Täter. Der Polizist öffnete die Beifahrertüre und wollte wissen, was denn in der Plastiktüte drin sei. Als Walther nervös wurde und keine rechte Antwort gab, bestand der Polizist darauf, er solle ihm sofort den Inhalt der Plastiktüte aushändigen. Da wurde Walther panisch und gab Gas. Die Polizeistreife fuhr ihm sofort hinterher und leitete über Funk eine groß angelegte Verfolgungsjagd ein. Walther gab immer nur Vollgas. Er befand sich jetzt auf der A8 München Richtung Salzburg und wurde von fünf Polizeiautos und drei Hubschraubern verfolgt, die ständig über ihm kreisten. Im Fernsehen kam eine Sondersendung und alles wurde live übertragen. In diesem Moment schaltete Walthers Frau den Fernseher ein und verfolgte aufmerksam die Szene. Sofort rief sie die Kinder herbei, die sich vor dem Gerät versammelten und gebannt auf die Mattscheibe starrten. Sie rief auch nach Walther, von dem sie annahm er befände sich immer noch in seinem Zimmer: „Schatz, komm doch mal, da läuft gerade etwas, das du nicht verpassen solltest.“ Seine Frau war es von ihm gewohnt, dass er oft in sein Zimmer verschwand und erst nach Stunden wieder rauskam. Sie dachte sich nichts dabei als keine Antwort von ihm kam. Mittlerweile war eine Straßensperre errichtet worden. Panzer und Armeefahrzeuge versperrten die Weiterfahrt. Als Walther die Übermacht sah, bremste er seinen Wagen und gab auf. Mit erhobenen Händen stieg er aus, umringt von Scharfschützen, und übergab einem Polizisten des Sondereinsatzkommandos die Plastiktüte mit Scheiße, wegen der die Polizei ihn 20 km weit verfolgt hatte. Seine Familie sah alles live im Fernsehen. Seine Frau sagte nur: „Mein Gott, das ist doch Walther.“

 

 

Inhaltsverzeichnis

Was sie wollen

Angriff der Killer-Heuschrecken

Blind Date

Das Jahrestreffen der investigativen Journalisten

Heidelberg unter Wasser

Oh Ted, what have you done

Die Rache des Hühnergottes

Komm her, du Schuft

Hai an der Angel

Schicksal über den Wolken

Die afrikanische Braut

Klogespräche eines Ausscheiders

Hoffnungen

Unlauterer Wettbewerb

Beim Chinesen

Der Sherpa

Der zwölfte Klon

Einsteigen und losfliegen

Kandi, der Außerirdische

Die mutige Putzfrau

Gewusst wie

Carlotti, der Furchtlose

Ich hatte einen Traum

Da liefen die Glatzen davon

Machello, der vorbildliche Praktikant

Schnell gelöst

Die unglaubliche Verfolgungsjagd

Die Kettensägenfrau

Französischer Tatort

Vorsuppe Waldi

Der Proleten-Prof

Tod eines Spanners

Der fliegende Gärtner

Johny gibt Gas

Der Wies’n Wirt im falschen Film

Nur ein kleines Versehen

Ein ganz normaler Sonntagsspaziergang durch München

Ihr letzter Coup

Wetten, dass?

Kirchentag in München

Der Mann, dem niemand glaubte

Botschaft aus der Zukunft

Alles für einen Job

Mein Gott Walther

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.05.2012

Alle Rechte vorbehalten

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