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Die Hinrichtung



»Warum hast du mir nicht geholfen? « fragte mich meine Mutter vorwurfsvoll. »Wieso?«. »Als ich geflohen bin und du mir ein Boot besorgen solltest, damit ich über den Fluss fliehen könnte, wieso hast du mir kein Boot hingebracht und mich im Stich gelassen? « Ihre Nasenflügel flatterten vor Wut und eine Ader pulsierte wie wild auf der flachen Stirn. Die Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen, und die Pupillen waren wegen dem spärlichen Licht erweitert. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen, die auch noch dadurch betont wurden, dass sie sehr dürr war und gebückt saß. Sie zog ihre Lippen zu schmalen Strichen zusammen und musterte ihren Sohn finster, der ebenfalls gebückt und mit einer sehr bedauernden Miene auf dem Metallsessel saß. Sie nahm den Plastiklöffel, der auf dem Metalltisch lag, in die Hand und stocherte in der Suppe, deren Geruch ihr in die Nase stieg. Als sie den ersten Löffel, der voll mit Suppe war, zum Mund führte, hielt sie kurz inne, sah ihren Sohn vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf, bevor der Löffel den Weg zum Mund wieder aufnahm. Sie zuckte zusammen als die Suppe ihren Mund erreichte, da die Suppe sehr versalzen war. Als der Suppenteller leer war, klopfte es an der Metalltür und ein uniformierter, großgewachsener Mann trat ein. Er sagte mit trauendem Unterton: »Es wird Zeit, das Urteil zu vollstrecken. « Die Frau stand mit gesengtem Kopf auf und ging. Als sie die Tür erreichte, kullerte dem jungen Mann, der noch immer auf dem Sessel saß, eine Träne über die Wange und er flüsterte: »Ich habe es für dich getan. «

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Tag der Veröffentlichung: 28.11.2010

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