About a Girl
Rückblende:
Der Himmel erscheint in einem einheitlichen Grau. Das Meer ist unruhig. Höhere Wellen, keine großen, brechen und hinterlassen ein angenehmes Geräusch. Mit meiner Freundin sitze ich Arm in Arm am Strand der Nordsee. “Ich möchte dich nie verlieren”, höre ich aus ihrem Mund. Wie sehr ich sie doch liebe. Dieser Moment soll niemals vergehen. Nachdem ich sie geküsst habe schaue wieder in den Himmel...
Heute:
Der Himmel interessiert mich nicht. Trinkend sitze ich in einer kleinen Kneipe. Wahrscheinlich schon seit Stunden. Mir ist übel. Ich schließe meine Augen und sehe sie vor mir! Ihr Haar weht im Wind. Sie lächelt. Unbehagen erfüllt meinen Körper und ich öffne wieder die Augen. Egal wohin ich sehe, sehe ich sie vor mir. Egal wer zu mir spricht, es ist ihre Stimme. Es ist so grauenvoll! Ich glaube, ich werde verrückt. Während ich ein Bier bestelle, nehme ich mir vor sie morgen zu besuchen. Der Typ hinter dem Tresen fragt mich, ob ich nicht schon genug hätte. Ich sage ihm, dass er mich mal kann. Das Bier steht vor mir und ich leere es zügig. Es ist Zeit nach Hause zu gehen. Schwankend verlasse ich die Kneipe. Nach zwanzig Minuten Fußweg stelle ich fest, dass ich in die falsche Richtung gegangen bin. Ich war schon auf den Weg zu ihr. Lautes Fluchen hallt durch die verregneten Straßen! Zuhause angekommen stolpere ich über meine Schmutzwäsche und stoße mir anschließend das Knie an der Tischkante. Total betrunken und fertig gleite ich in kompletter Kleidung aufs Bett. Mein Magen dreht sich. Auch das Bein auf dem Boden hilft nicht zum Anhalten. Auf dem Weg ins Bad fällt mir ein wie sehr ich kotzen hasse. Es ist einfach kein gutes Gefühl.
Irgendwann erwache ich, aber es ist noch viel zu früh für mich. Ein Blick zum Wecker. Zwei Minuten nach eins. Obwohl die Welt sich noch dreht stehe ich auf. An der Wand entlang ziehe ich mich zum Kühlschrank. Erst mal ein Bier, damit die Welt sich wieder langsamer dreht. Mein neuerworbener Mageninhalt versucht auf dem falschen Weg wieder meinen Körper zu verlassen, aber ich kann ihn daran hindern. Im Badezimmer erwartet mich das Grauen. Der Mann im Spiegel ist fast tot. Keine Schönheitsoperation kann mir noch helfen. Ich gehe duschen.Das ist die beste Idee, die ich seit Tagen hatte.
Nach dem Anziehen versuche ich etwas zu essen, aber mehr als einen Bissen bekomme ich nicht runter. Ich verlasse die Wohnung. Heute werde ich sie wieder besuchen...
Rückblende:
Mein Zimmer erscheint dunkel. Nur vereinzelte Sonnenstrahlen haben ihren Weg durch den dunkeln Vorhang gefunden. Ich blicke nach rechts. Dort liegt sie! Schön wie sie ist. Ein Sonnenstrahl tanzt auf ihrem nackten Rücken. Dieser Anblick erregt mich. Vorsichtig streiche ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie bewegt sich. Ihre müden Augen lächeln mich an. Sie richtet sich auf und küsst mich liebevoll. Die Küsse gehen in Leidenschaft über. Wir schlafen miteinander. Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Wir schlafen seit zwei Jahren regelmäßig miteinander.
Es war am sechzehnten Tag im wunderschönen Juni als wir uns das erste Mal küssten. Oh, ich kann nicht beschreiben, was ich für sie empfinde. Ein „Ich liebe dich“ reicht nicht aus. Vergötterung ist hier das Stichwort. Ich würde für sie töten, dessen bin ich mir sicher...
Heute:
Der Weg zu ihr plagt mich. Ungerne gehe ich diesen Weg, weil ich weiß, dass ich in den nächsten Tagen wieder alle Formen der Depression durchlaufen werde. Ich nehme mir vor so schnell wie möglich aus der Stadt zu verschwinden. In einer anderen Stadt werde ich sie vielleicht vergessen können. Obwohl „Vergessen“ das falsche Wort ist. Jede Minute werde ich schmerzhaft an sie erinnert. An manchen Tagen denke ich, ich zerbreche an diesem Schmerz. Dies sind die Tage an denen ich mich betrinke. Also, eigentlich immer...
Rückblende:
Die Musik dröhnt laut aus den Boxen. „Smells like teen spirit“ von Nirvana bringt die Masse zum hüpfen. Sie steht vor mir. In der einen Hand hält sie eine Zigarette und in der anderen ein Glas Bier. Diese Frau muss ich einfach lieben. Sie drückt ihren Körper fest an mich. Ich spüre ihre Brüste auf meiner Brust. Langsam und zärtlich erreichen drei Worte mein Ohr: „Ich liebe dich!“. Was soll ich darauf sagen? „Ich liebe dich auch“ wäre zu banal. Ein Kuss auf die Stirn und ich gebe ihr damit das Selbe zu verstehen. Wenn wir ausgehen sind wir für die anderen immer das perfekte Paar. Warum sollte ich glauben, dass sie es anders sehen könnte...
Heute:
Nun bin ich bei ihr. Viele Worte verlassen meinen Mund ohne im Gehirn auf ihre Richtigkeit geprüft worden zu sein. Mehrfach taucht ein „Ich liebe dich“ und ein „Ich kann nicht ohne dich“ auf. Tränen laufen über meine Wangen. Mir ist der Inhalt meiner Worte gar nicht bewusst. Ich will einfach nur bei ihr sein. An manchen Tagen kann ich mit ihr reden ohne zu weinen. Dann ist es so, als seien wir immer noch zusammen. Ich vermisse sie...
Rückblende:
Ich sitze auf dem Balkon. Die Sonne scheint herrlich warm und lässt meine Stimmung steigen. Mir geht es richtig gut. Der Kaffee schmeckt wie schon lange nicht mehr. Mein Blick starrt verträumt auf den morgendlichen Verkehr der Hauptstrasse. Ganz schön viele Autos für einen Sonntag. Wo die alle hin wollen? Wahrscheinlich sitzt in jedem zweiten Auto ein Opa und daneben sitzt seine Oma, die sich krampfhaft in den Sitz drückt, weil ihr Liebster wieder die 40km/h Grenze überschritten hat. Sie fahren vermutlich zu ihren Bekannten, die sie schon eine Ewigkeit kennen. Ich mache nichts. Ich lasse es mir nur gut gehen und genieße. Mein Blick fällt zur Balkontür. Sie steht da und beobachtet mich. Ihre Augen sehen immer noch müde aus. Heute habe ich sie schlafen lassen. Sie setzt sich zu mir und trinkt aus meiner Tasse. Sie ist der Grund, warum jeder Tag schön sein kann und muss...
Heute:
Ich bin wieder in meiner Wohnung. Total aufgelöst. Vom Kiosk habe ich mir eine Flasche Whiskey mitgebracht. Am Anfang verdünne ich ihn noch mit Cola. Aber wie konnte ich glauben, dass eine Dose Cola reicht. Nach dem zweiten Glas ist die Cola leer. Ohne trinke ich weiter. Im Radio läuft nur Mist. Eine Suche durch meine CDs beginnt. Soll ich Nirvana hören? Nein, das erinnert mich zu sehr. Type 0 Negative! Die werden meiner Stimmung gerecht. Ich lege die „October Rust“ ein und zünde drei Kerzen an. Für die Vergangenheit, die Gegenwart und für die Zukunft. Die Vorhänge werden geschlossen. Nichts von draußen soll in meine Wohnung dringen. Die Klingel habe ich schon vor Tagen abgestellt. Niemand soll mich stören. Das Telefon stelle ich lautlos. Der Whiskey macht müde. Auf der Couch schlafe ich ein und träume von ihr:
Wir laufen Hand in Hand über eine blühende Wiese. Doch dann reißt sie sich von mir los und läuft lachend fort. Ich versuche sie einzuholen, doch ich bewege mich nicht von der Stelle. Sie gewinnt immer mehr an Vorsprung. Als ich an mir herabschaue, um den Grund meiner Trägheit zu finden, sehe ich wie ich in einer Pfütze versinke. Das Umfeld verändert sich. Ein Wald hat sich um mich herum aufgebaut. Es ist dunkel, nur der Mond bringt etwas Licht. Meine Versuche aus der Pfütze zu steigen scheitern, denn ich stecke schon bis zur Hüfte drin und sinke immer tiefer. Plötzlich steht sie vor mir und schaut mich an. Ich kann nicht sprechen, versuche aber mit meinen Händen zu gestikulieren, dass sie mir helfen soll. „Nur du kannst dir selbst helfen“ als Antwort. Dann ist sie verschwunden. Ich gebe mich meinem Schicksal hin und kapituliere. Als mein Mund das Wasser der Pfütze berührt, stelle ich fest, dass es salzig schmeckt. Wie Tränen!
Ich wache auf. Ich weine...
Rückblende:
Wir sitzen uns in einem Cafe gegenüber. Ich würde gern mit ihr über den morgigen Tag sprechen, unseren dritten Jahrestag, aber sie sieht heute anders aus. Sie schweigt schon den ganzen Tag. mit meinen Witzen und blödsinnigen Kommentaren versuche ich sie zum Lachen zu bringen. Aber ich bin wohl völlig ohne Talent. Nur eine unbekannte Leere in ihrem Blick. Es macht mich verrückt. Ich weiß einfach nicht was in ihr vorgeht. Ihre Augen schauen mich kalt an, während ich ihre Hand halte. Ich bin verzweifelt...
Heute:
Ich sitze im Park und schaue auf den Teich. Es ist eigenartig mild für einen solchen Tag. Auf dem Teich schwimmen ein paar Enten. „Ob sie wohl den Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit kennen?” Es wird ihnen wohl egal sein. Heute geht es mir besser, obwohl ich gestern bei ihr war. Es war halt wie immer. Während ich redete, schwieg sie mich an. Ein Lächeln setzt sich auf meinem Gesicht fest und ich fasse den Entschluss aufs Land zu meinen Eltern zufahren. Einfach erstmal weg von hier. Es kann nicht so weiter gehen. Drei Monate lang habe ich in meiner eigenen, versoffenen Welt gelebt. Drei Monate ist das schon her? Heute ist der sechzehnte September. Ja, auf den Tag genau vor drei Monaten nahm sie sich das Leben...
Texte: Dennis Bernert
Tag der Veröffentlichung: 21.01.2012
Alle Rechte vorbehalten