Erinnern Sie sich daran........ fast ein Jahrzehnt ist vergangen. Es war eine Nacht, eine magische Nacht, ich jedenfalls erinnere mich, und ich nenne die Nacht vielleicht allein deiner Anwesenheit wegen magisch, deinem Dasein (und der Anwesenheit der Sterne), ich erinnere mich an deine Augen, blau und klar (sternenklar die Nacht). Aus unseren Mündern strömte Zigarettenrauch, der verheißungsvoll war und der ebenso willkürlich aus unseren Mündern strömte, wie die Worte, mit denen wir uns die kalte Nacht versüßten. Wir liehen unseren Gedanken eine Stimme, die mutig war. Unsere Füße sind nicht so mutig gewesen. Wir sind achtlos gewesen und haben keine Spuren hinterlassen. Scheinbar fliegend, im Flug, haben wir die Zeit überbrückt und unsere Flügel bedeckten unsere Schuld und beschützten uns gegen die eigene Unwissenheit und Unschuld. Schwingende Buchstaben verzierten die Flügel. Wir bestimmten damit die Schwere und die Belastbarkeit, die Kraft und die Ausdauer, der Flügel, der Zeit, der Worte, die uns wie blubbernde Blasen, kultiviert artikuliert, von der Zunge gingen, mit der wir Rauchblasen formten, Blasen, Wolken, sechs, sieben oder ein verpatzter Ring oder sechs, sieben kunstvoll gestoßene Ringe; Ringe und Blasen, die sich sich mit dem Schein der Straßenlaternen vermählten. Die einzigen Zeugen und Träger unserer Worte lösten sich in Nichts auf. Und unsere Füße hatten nur eine scheinbare Bodenhaftung, kopfüber standen wir, hingen wir in einer Welt, die bereits erforscht war und auf der wir unser Unwesen treiben durften, wir trieben unser Unwesen, weil wir es durften, weil wir Spuren hinterlassen durften. Wir säten Sinnlosigkeit, Worte wie Samen, und hielten Ausschau nach der Ernte. Die Ernte, sollte ich feststellen, musste ich in meinem Inneren suchen. Mein Gehirn, es ist keine Erinnerung, sondern ein Verstehen im Nachhinein, schwamm in einem Strome, mit den Dingen, die ich gehört und gelesen hatte und wog sanft mit der kalten Nachtluft und die Kinder meines Hirns - die Gedanken - wagten sich Schritt um Schritt, wohl geformt in Worte, in menschliche Sprache, Menschensprache, in den Raum hinaus, der sich um uns auftat. Die Stimme, getragen von einer unbestimmten Macht, Gut oder Böse, das wussten wir nicht, die Stimme jedenfalls, bemühte sich um ein düstere Atmosphäre, das verursachte Spannung, Spannung, welche die Realität entbehrt und welche unsere Seelen zu tragen vermochten. Ob wir uns liebten, das vermag ich nicht zu sagen. Wir liebten uns gewiss nicht wie ein Liebespaar. Wir liebten uns wie zwei Wesen derselben Gattung, wir liebten uns eher wie zwei Wesen, die einander Verbundenheit bezeugten, in deren hellen Gesichtern die Augen klar strahlten, ebenso wie der sternenklare Himmel und unser Interesse am Schauen aufrecht erhielten. Wir liebten uns, um der Einsamkeit zu entfliehen. Zwei Wesen, die ein Wir kreierten - von Furcht getrieben und furchtlos zugleich - schritten wir voran, ohne uns zu bewegen. Heute bin ich bewegt, ist meine Seele zerrüttet von den Bewegungen, irgendwann haben mich die versäumten Schritte eingeholt, es sollte nicht ungestraft bleiben, nichts ist umsonst auf der Welt, nichts ist kostenlos, nichts ist gratis – nichts ist: umsonst. Wir teilten uns eine Droge an jenem Abend, eine Droge, die mehr bedeutete, als eine temporäre Bewusstseinsveränderung. Es war eine Erweiterung des Bewusstseins, die – in der Tat – eine Weite nach sich zog. Zug um Zug – in der Tat – öffneten sich unsere Münder, um Worte, Taten, Worte in das Dunkel und die hellen Gesichter zu senden an eine bekannt-unbekannt Adresse, Empfänger unheimlich-vertraut, Intention geheim und gesteuert von einer höheren Macht. Es bleibt mir nichts anderes übrig, ich habe keine Wahl, eine andere Bezeichnung zu wählen als dieses geflügelte Wort – höhere Macht, denn ich weiß tatsächlich nicht, wer es gewesen ist, kann weder Gott oder den Teufel benennen. Was ich kann und was ich tun werde, ist eine Vermutung aufzustellen: Gott und Teufel wohnen in uns und sie dringen nach draußen durch unsere Worte. Ich rezitierte Songzeilen, irgendwelche Songzeilen, die ich liebte und die meine Liebe exportierten. Wir ließen unsere Stimmen tanzen, sie tanzten wie Marionetten, um eines Tages zu zerstören. Zerstören, sagte sie, sagte Margerite Duras, Der Liebhaber, Zerstören, sagte sie. Irgendwann fand ich heraus, dass „Inner Self“ von Sepultura und „Symphony of Destruction“ dieselben Akkorde haben. Lieber würde ich es anderen (?) überlassen, darin einen Sinn ausfindig zu machen. Ich verstehe mich besser auf Liebe als auf (Politik). Marionetten tanzen. Aus Liebe tanzen. Ist Tanzen intentional? Tanzende Worte, tanzende Seelen gaben unserer Hoffnung eine Stimme und unsere Stimme wiederum brachte Licht ins Dunkel. Ich setzte andere Spuren, religiöse Zeichen, ein simples Kreuz, althergebracht für den Fall, dass ich falle, eines Tages und um den Sturz halbwegs unbeschadet zu bestehen, auf eine bestimmte Anzahl von Menschen zählen zu können. Schweigend wie Lämmer warteten wir auf unseren Einsatz, um dann wie die Wölfe uns zu sammeln und die unliebsamen Gäste zu vertreiben. Die unliebsamen Gäste, das waren die, die nicht Helle in das Dunkel bringen wollten, die vielleicht sogar das Dunkel verursachten, durch ihre Gedanken, ihre Erwartungen und ihre Sprache, ihre Worte, die uns die Hoffnung stahlen und unsere Lider zumachen wollten. Mit geschlossenen Augen lebt es sich besser – to live is to die – und der Alkohol hilft, in dem dunklen Chaos zu überleben. Wir aber wollten unsere Augen offen halten. Wir hatten Angst, unseren objektiven Geist und unsere Wachsamkeit nicht verlieren. Unsere Angst ließ uns furchtlos voranschreiten. Wir wollten uns nicht verlieren, nicht in den Strudel uns hineinziehen lassen und hielten still, damit sie uns nicht finden und mitnehmen, nach unten. Viele Jahre später bin ich in den Strudel hineingezogen worden. Meine Hände hielt ich stets nach oben und ich bat euch, mir eure Hand zu reichen, meine Hände sind nicht schmutzig, sagte ich, ich habe sie herausgehalten aus dem Schmutz, mein Körper badete in Schmutz, meine Hände ragten oben heraus und flehten von den Rettern ergriffen zu werden. Die Retter waren von meinem Flehen, einem poetisches Gebet aus Menschenmund, ergriffen. Je bedrohlicher meine Lage wurde, desto besser und schöner und ergreifender dichtete ich, eine Poetin des Augenblickes. Augen und Blicke, die uns einst verbanden, vermochte in Erinnerung zu rufen. Zum lautlosen Heulen rief ich die Wölfe auf: zum Weinen. Eine Frau, die Männer zum Weinen zu bringen vermag, Tränen in der Brust, Brüste tragen, Schwere tragen, Kreuze tragen. Sie hatten endlich verstanden, sie hatte sie dazu gebracht, dass sie ihr die Schmerzen nehmen sollen, nein, müssen, darin liegt der Zweck ihres Daseins. Und sie hörten die Stimme und halfen ihr dabei, die Worte zu gebären aus ihrem Mund, wie aneinander geknotete Tücher, die man normalerweise gebraucht, um sich zu erhängen (seinem Leben ein Ende zu setzen) oder sich aus einem Fenster zu hangeln (sich aus der Gefangenschaft zu befreien). Ein und dasselbe. Sie befreite sich. Mit Knoten kann man sich an Dinge erinnern, ein Knoten im Taschentuch, eine Kreuzkette um den Hals, verknotete Laken, gekreuzt, gekreuzigt. Cross. Criss-cross. Kreuz und quer. Die Welt lag uns zu Füßen, liegt uns zu Füßen, wir betreten sie kreuz und quer. Wir treten sie mit Füßen. Um sie zu ebnen. Unsichtbare Fußspuren. Unsichtbare Fußspuren sind Spuren von Engeln. You´re the voice/ try and understanding/ make a noise and make it clear/ we´re not gonna sit in silence/ we´re not gonna live with fear.
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2009
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