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4. November anno irgendwann



Sie starrte auf den Berg Bügelwäsche und war sich nicht sicher. War sie ein Exot oder einfach nur altmodisch.
Weder im Freundeskreis noch unter den Kollegen gab es viele, die schon so lange verheiratet waren. Zumindest nicht mit dem selben Mann. Die Wenigen, die nicht geschieden waren, fröhnten seit jeher ihrem Singeldasein oder waren uralt. Nach reiflicher Überlegung kam sie zu dem Schluss, sie sei wohl doch schlicht und ergreifend altmodisch. Und es mußte endlich etwas geschehen, so konnte es nicht weitergehen.

Diesmal war es nicht die ganz normale Winterdepri, diesmal war es ihr bitterernst.

Anfang Mai, im Jahr darauf




Wer sagt´s denn. Wenn man will kann man auch etwas ändern. Sogar sein ganzes langweiliges Leben.

Sehr zufrieden schaute sie aus dem Fenster, obwohl sie immer noch nicht ganz glauben konnten was sie hier tat. Eine ganz neue Erfahrung, spannend, schön und romantisch und ein bißchen verrucht. Gutgelaunt summte ihr Begleiter eine Meldoie, eins ihrer Lieblingslieder, und ein verschmitzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihren zärtlich verträumten Blick bemerkte. Sie sah wieder zum Fenster hinaus und träumte weiter. "10 Tage, mehr kann ich beim besten Willen nicht freischaufeln" hatte er gesagt. Aber 10 Tage mit ihm im Hotel auf der Insel. Bisher gab es ja nur Campingurlaub mit ihrem Ehemann.

Jäh wurde sie aus ihren Träumen gerissen als er in die kleine Seitenstraße einbog. Kopfsteinpflaster.
"Es ist nicht mehr weit" grinste er zu ihr hinüber. Na wie schön, im Moment war sie nicht wirklich in Grinsestimmung. Bei dem für sie unerwarteten Abbiegen war sie mit dem Kopf gegen die Seitenscheibe geschlagen.

Der schmale Weg schlängelte sich eine sanfte Anhöhe hinauf und nach der letzten Biegung wurde ihr Blick gefangen von einem wunderschönen Herrschaftshaus, das jetzt vor ihnen auftauchte. Der ehemalige Gutsbesitz war in eine Hotelanlage umfunktioniert worden. Er fuhr vor das Hauptportal und hüpfte behände aus dem Auto, hetzte um das Fahrzeug herum und, noch bevor sie die Hand am Türgriff hatte, hielt ihr galant die Tür auf. Sie stieg aus, räckelte und streckte sich genüßlich. Oh, tat das gut nach der langen Fahrt. Dann gingen sie händchenhaltend durch die große Pforte zur Rezeption. Ziemlich vornehm der Schuppen, fand sie, und ihr wurde etwas mulmig. Etwas murmelnd, von dem sie hoffte er würde es für eine Art Entschuldigung halten, blieb sie vor einer Vitrine mit Schmuckstücken einheimischer Künstler stehen und ließ ihn die Eincheckprozedur alleine erledigen.

Cool hatte sie sein wollen, aber dazu war sie wohl doch zu altmodisch.

Hotel




"Alles in Ordnung" hörte sie eine junge Männerstimme. "Ich wünsche ihnen und ihrer (räusper) Frau einen angenehmen Aufenthalt". Sie blickte in die Richtung, aus der sie die Stimme gehört hatte und sah einen pickelgesichtigen Frackträger, der sich ein dreckig breites Grinsen nicht verkneifen konnte. Ihr Begleiter nahm die Plastikkarten entgegen. "Den werden wir haben, sicherlich" erwiderte er mit nicht minder breitem Grinsen. Und sie fühlte, wie heiße Röte ihren Hals hoch in den Kopf schoß.
Er sammelte sie wieder ein und sie gingen zurück zum Auto. Zusammen fuhren sie um das stattliche Gebäude herum zum Parkplatz. Von hier aus ging es durch einen Seiteneingang direkt zum Aufzug. Ganz Gentleman trug er nicht nur seinen sondern auch ihren Koffer während sie beschwingt hinter ihm her in den Fahrstuhl trippelte. Kaum hatte sich die Tür geschlossen ging sie auch wieder auf und eine vierköpfige Familie quetschte sich mit Unmengen Gepäck in den kleinen Raum. "Oh, wir haben noch etwas im Auto vergessen." und ihr Begleiter drückte sie und sich wieder aus dem Fahrstuhl heraus. Keine Ahnung, was sie vergessen hatten, aber welch ein Glück. Lang lebe die Schussligkeit! Wie sich herausstellte war es eine nur Ausrede um den Aufzug wieder verlassen zu können. Diese Gedrängel konnte er ja so gar nicht leiden. Und da ihr Zimmer im ersten Stock lag nahmen sie die Treppe.


Sie gönnte der Einrichtung nur einen kurzen Blick, das letzte Stück Kopfsteinpflaster forderte seinen Tribut. Aber das breite Bett sah schonmal ausgesprochen einladend und gemütlich aus und sie war wild entschlossen sich zu beeilen.

Während sie sich erleichtert die Hände wusch fiel ihr Blick auf die Badewanne und ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf derweil ihre Phantasie begann Purzelbäume zu schlagen. Gigantisch. Kein Vergleich zu dem zweckmäßigen Teil in ihrer heimischen Wohnung. Sie hatte solche Luxuswannen in einer Badausstellung bewundert. Die Menge Spaß die man in so einer Wanne haben könnte war sicherlich nicht gerade wenig, aber sie hatte sich auch gefragt, wer die daraus resultierenden Wasserkosten wohl aufbringen könnte.

Sie bezwang ihren Wunsch jetzt auf der Stelle Wasser einzulassen und ging erstmal zu ihm zurück. Der Blick, mit dem er sie in dem kurzen Moment im Aufzug angesehen hatte, ließ sie vermuten, daß er sich in verführerischer Pose auf dem Bett räckeln würde.
Sie machte die Tür auf und tatsächlich, er war auf dem Bett, sein Blick war gierig ...

...




...
auf den Fernseher gerichtet, die Sportschau hatte gerade begonnen.

und die Moral von der Geschichte




Das hat man nun davon, wenn man mit dem eigenen Ehemann in Urlaub fährt

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Texte: alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2011

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