"Willst du nicht mein Freund werden?" fragte einer, der aussah wie George Clooney, und sich als Wolfgang vorstellte.
Peter wirkte verwirrt.
"Na, dann eben nicht!" knurrte der Hungrige. Und aus dem schönen Wolfgang wurde der böse Wolf.
"Wir suchen Schneewittchen!" Lautstark probten sich sieben kleine Zipfelmützenträger, die wie die Ölgötzen dastanden, im Protestieren.
"Du bist der Meisterdetektiv, den wir per Brieftaube angefordert haben, um das verschwundene Schneewittchen zu finden!" fasste einer der Ölgötze seine Gedanken in Worte, und trat mutig vor die Gruppe. "Können wir dann gehen!" fragte er.
"Nein!" der schöne Wolfgang fletschte die Zähne. "Verzieht euch schleunigst hinter die sieben Berge, oder jeder erfährt, was für kleine Perverslinge ihr seid! Dann werden die sieben Zwerge aus jedem Märchenbuch gestrichen!" knurrte er. Und wie ein geölter Blitz sausten die Ölgötze davon.
Der böse Wolf wandte sich an Peter. "Da vorne steht das allseits bekannte Knusperhäuschen von Hänsel und Gretel. Die sind zwei Satansbraten, und ein Fall für die Supergranny! Die beiden haben zuviel kriminelle Energie im Kopf. Bei denen geht alles so schnell, dass es schon vorüber ist, bevor es überhaupt angefangen hat! Der Hänsel und die Gretel schießen nur auf jemand, um ihn durch die Luft fliegen zu sehen. Keinerlei Respekt, diese Jugend von heute! Aber nicht mit mir! Ich hab da meine eigene Methode ... Ich sag nur: Knüppel aus dem Sack ..." Er machte eine anschauliche Geste.
"Tja! Du bist in der Tat ein toller böser Wolf!" meldete sich Peter zu Wort, während er überall Fabelwesen sah.
Der schöne Wolfgang stieß Kehllaute aus. "Waldsterben mal anders!" brummte er. "Ein mörderisches Märchen, im wahrsten Sinne! - So etwas wie Ganovenehre gibt es nicht, das ist ein Mythos! - Allerdings brauchen wir keine von der Kripo, um einen Mordfall im Forst zu klären! Vor allem können wir keinen Burschen gebrauchen, der hier in Niemandsland für Aufruhr sorgt! Und um noch mehr Licht in deine Wissensdunkelheit zu bringen, sage ich es frei heraus: Fremde sind hier nicht gern gesehen! Fremde bringen nur schlechte Nachrichten! Nichts für ungut ... Aber Misstrauen ist mein zweiter Name und hält mich am Leben. Ich vermute schon eine Verschwörung, wenn ich den gestiefelten Kater an einer Würstchenbude stehen sehe! Ganz zu schweigen von Hans im Glück, der ist zwar ein Idiot, aber wenigstens ein glücklicher. Und ich ... Ein verschütteter Bergwerkarbeiter hat mehr Glücksgefühle ... Aber das ist eine andere Geschichte ... Und schließlich will ich nicht zum Märchenonkel mutieren!" Er fletschte die Zähne.
In dem Augenblick trat Schneewittchen, das hinter den sieben Bergen die Schönste war, neben ihren schönen Wolfgang, der aussah wie George Clooney, und schmiegte sich an ihn. Nach der geglückten Flucht vor den lüsternen sieben Zwergen und dem Märchenprinzen hatte sie in ihm endlich ihren Traummann gefunden. Peter war verlegen und gab Zeichen wie beim Pokern. Er war so geblendet von dem Antlitz Schneewittchens, dass er wie angewurzelt dastand und mit den Augen rollte, bis er Sterne sah.
"Dann will ich nicht länger stören!" stammelte er.
"Jederzeit gerne!" hauchte Schneewittchen und warf ihm Kälbchenaugen zu. Dann verschwand sie mit ihrem Wolfgang in der Bretterbude.
Peter zog einen Flunsch. Mit den Augen Blitze schießend murmelte er: "Ich könnt' ihn auf den Mond schießen!" -
"He! Dich kenne ich doch!" rief Peter verblüfft.
"Das halte ich für ein Gerücht!" konterte der kleine Antipathieträger.
"Dein Name liegt mir auf der Zunge ... wie nennt man dich gleich ..." Peter hatte Blut geleckt.
"Manchmal nennt man mich so, oder so!" Das Männlein ließ sich nicht aus der Reserve locken.
"Und wie nennt man dich meistens?" ereiferte sich Peter Pan.
"In der Märchenstunde, oder in der Menschenwelt?" entgegnete der Kleine schnodderig.
"Hier! Hier ... hinter den sieben Bergen, meine ich!" Peter wurde zum Berserker.
"Errate meinen Namen und du bist frei - fällt mir da nur ein!" der Zwerg war nicht zu beeindrucken. "Außerdem sind Namen Schall und Rauch! Ich bin inkognito unterwegs!"
"Müller-Wolkenscheid, Hasenfratz, Schneider!" Peter überlegte angestrengt.
"So heiß ich nicht!" triumphierte der kleine Antipathieträger.
"Vielleicht bist du das tapfere Schneiderlein ... Sieben auf einen Streich!" warf Peter Pan ein und rollte mit den Augen, als hätte er sich den Mund verbrannt an viel zu heißer und viel zu scharfer Chilisauce.
"Du bist doch wirklich der Abschaum der Menschheit!" schrie das Männlein hysterisch und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass es bis an den Leib hineinfuhr. "Von dem vielen Herumsitzen in der Dunkelheit fühle ich mich schon wie ein Maulwurf!" protestierte es lautstark.
"Ah! Jetzt weiß ich es!" war die kernige Reaktion von Peter Pan. "Ich weiß, dass du Rumpelstilzchen heißt!"
Das Männlein sah ihn gelangweilt an. "Ja, und?"
"Ich habe deinen Namen erraten!" antwortete Peter unerbittlich.
Es wiederholte: "Ja, und?"
"Du musst in deiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen packen und dich selbst mitten entzwei reißen!" forderte Peter begierig. "Und mir das Gold lassen!"
Das war der Punkt, an dem das gar zu lächerliche Männchen aufgab. "Verdammt nochmal!" stöhnte es genervt. "Wieder der selbe Mist!"
Es riss sich selbst entzwei und verschwand in einer Schwefelwolke.
Peter trat den Nachhauseweg an, mit einer Schubkarre voll Gold.
Und wenn er nicht gestorben ist - ist jemand anderes tot ...
Copyright Susanne Ulrike Maria Albrecht
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2011
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