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Dies ist eine Leseprobe meines Romanes "Kriegsträumer - Drittes Buch: Loyalität"

Mehr Informationen und die ganze Geschichte findet ihr auf

www.deadgirlwalking.de




Viel Spaß beim Lesen.


Daniel


[…] Endlich hatte Geist seine Zigaretten gefunden und steckte sich zufrieden eine in den Mund. Es klopfte an seiner Tür. Ruhig zündete er sich die Kippe an. Es klopfte wieder, doch dieses Mal energischer. Wie egal es ihm war. Er zog und inhalierte den Rauch, während er weitere Whiskeyflaschen auf den ein oder anderen letzten Schluck hin inspizierte. Und wieder klopfte es. Geist blickte hinüber zu einem seiner gewaltigen Revolver. Der Taurus lag dort und war, zumindest meinte er sich daran erinnern zu können, sogar geladen. Er könnte also einfach aufstehen, zur Tür gehen und auf der Kopfhöhe eines durchschnittlich großen Mannes die Waffe an sie halten. Dann würde er warten. Würde es wieder klopfen führte das unweigerlich zum Betätigen des Abzuges. Daraufhin würde sich das gewaltige Geschoss auf seinen kurzen Weg durch die Holztür in den Kopf des Störenfriedes machen und nach dem Mündungsknall für Ruhe sorgen. Ja, so würde er es machen. Das Loch in der Tür wäre groß genug, um anhand der Reste des Störenden auf dem Boden eine Aussage darüber treffen zu können, um wen es sich einst gehandelt hatte. Er würde die Tür also nicht einmal öffnen müssen.

Das Klopfen hatte mittlerweile aufgehört, was zur Konsequenz hatte, dass Geist sich wieder mit dem nicht mehr vorhandenen Inhalt der Flaschen auf seinem Schreibtisch auseinandersetzen konnte, ohne von Fremden gestört zu werden. Seine Hand ließ den Griff des Revolvers wieder los und er fuhr sich damit über das Gesicht, massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Schläfen und dachte darüber nach, dass der schwere Revolver eine wirkliche Alternative zu seinen Schmerzen darstellte.

Augenblicke später spürte er den kalten Stahl des Laufens an der Stelle seines Schädels, die er zuvor massiert hatte. Langsam spannte er den Hahn der Waffe. Mit einer Bewegung des Zeigefingers hätte alles ein Ende. Kein Leiden mehr, kein Erdulden und Ertragen. Er würde sich nicht mehr jede Sekunde seines Lebens fühlen wie eine Krankheit, als sei er Gefangen in einer Fieberfantasie.

Sein Zeigefinger glitt über den Abzug, rauf und runter, spürte die Kälte. Geist fürchtete sich nicht vor dem Ende. Er sehnte es herbei, jeden Tag, jeden Augenblick. Sein bulliger Oberkörper richtete sich auf und er drehte sich ein wenig, sodass sein Blut und die Reste seines Schädels nicht auf den letzten Ausdruck seines Buches spritzen würden. Ein für alle Mal wäre es zu Ende. Das Gelenk seines Zeigefingers ruhte nun auf dem Abzug, langsam Kraft aufbauend, um sich aus dieser Welt zu entfernen. Aus der Welt, in die er nicht gehörte. Eigentlich war das ganze eine einfache Sache. Das wusste er genau, weswegen es ihn auch in keinster Weise innerlich bewegte.

Absolut entspannt saß er da, ließ die Welt um sich herum verschwinden, den Lärm auf der Straße verstummen. Eine Entspannung, die so rein, so ehrlich war, fühlte er sonst nicht. Alles würde bald vorbei sein. Mittlerweile hatte sein Zeigefinger den Druckpunkt der Waffe erreicht. Hunderte Male hatte er diese Bewegung bereits durchgeführt. Hunderte Male bereits hatte er getötet. Dieses Mal jedoch würde das letzte Mal sein, dass er abdrückte. Wie er diese Welt doch verabscheute, dieses sinnlose Leben hasste. Geist fühlte sich fremd und überflüssig, als gehörte er nicht hier her, als dürfte es ihn eigentlich überhaupt nicht geben. Die Schmerzen in seinem Kopf waren das einzige, was ihm zeigte, dass er am Leben war. Doch bald, da würde er den ultimativen Schmerz erfahren, ihn ertragen für einen Augenblick und sich dann in die immerwährende Ruhe begeben, einen Platz, wo er sich nicht wie ein Fremdkörper fühlte. Einen Ort, den er geschaffen hatte und der darauf wartete, dass er dorthin kam und den Thron bestieg. Das Reich des Schmerzes. Ein Reich voll der armen Seelen, die er bereits vorab dorthin geschickt hatte.

Seine andere Hand wühlte auf dem Schreibtisch herum und suchte sein Polaroid, eine Art Glücksbringer, den Geist immer dabei hatte. In der Vergangenheit schwelgend blickte er das Foto an und drückte ab.

Der Hahn schnellte nach vorne, doch das zu erwartende apokalyptische Donnern blieb aus und lediglich ein leiser, mechanischer Klick entwich der Waffe. Geist legte das Polaroid mit der flachen Hand auf den Tisch und drückte noch einmal ab. Und wieder. Jedes Mal antwortete der schwere Revolver mit demselben resignierten Klicken. Wieder verengte sich seine Augen, die er in Anbetracht der nahenden Erlösung geöffnet hatte, zu Schlitzen.

„Das kann doch verdammt noch mal nicht wahr sein!“

Seine Stimme tobte lautstark durch die Wohnung, wie ein Wirbelsturm durch die Wüste. Er hätte sich selbst Ohrfeigen können. Schon wieder hatte er vergessen, die Waffen nachzuladen. Geist ließ den Revolver fallen. Es sollte wohl noch nicht sein. Seine Fehlerhaftigkeit hatte ihm das Leben verlängert. Innerlich weigerte er sich, von dem Begriff „gerettet“ Gebrauch zu machen. Langsam und träge schüttelte er den Kopf, während er die Patronen auf dem Tisch zusammensuchte, um die Waffe zu laden. Schimpfend und die Welt verfluchend zündete er sich eine Zigarette an und langsam kehrte die Welt zurück, speziell der Lärm vor dem Fenstern und das Klopfen an seiner Tür. Nachdem er eine Waffe fertiggeladen hatte, raffte er sich auf und erhob sich aus seinem schweren Stuhl. Sein Körper fühlte sich an, wie ein Schlachtfeld, alte Wunden meldeten sich lauthals zurück und Geist kam zu der Einsicht, dass auch die Stellen zu schmerzen begannen, an denen bald wunden sein würden. Mühevoll schleppte er sich zur Tür, den gewichtigen Revolver in seiner linken Pranke, bereit, denjenigen sofort umzubringen, der seine Ruhe störte. […]

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Tag der Veröffentlichung: 01.07.2010

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