Dies ist eine Leseprobe meines Romanes "Kriegsträumer - Zweites Buch: Stolz"
Mehr Informationen und die ganze Geschichte findet ihr auf
www.deadgirlwalking.de
Viel Spaß beim Lesen.
Daniel
[…] Es nieselte schon wieder. Das war neu für ihn. In seinem ereignisreichen Leben hatte er nie erlebt das es um diese Jahreszeit so feucht war. Ein dunkles Gefühl zog sich durch seinen trainierten Körper und er hatte einige Probleme damit dieses zu deuten. Er verbannte es schließlich aus seinem Bewusstsein und wandte sich nun wieder dem Problem zu, das auf seiner Prioritätenliste ganz oben stand: Auf diese Entfernung und bei dem Nieselregen würde es schwierig werden den erwünschten Herzschuss zu vollster Zufriedenheit zu setzen. Er hasste diese Aufträge. Er war besser als das. Die Waffe in seiner Hand, wie hochentwickelt und präzise sie auch war, kam ihm in seinen starken, ruhigen Händen wie ein primitives Schlachtwerkzeug vor. Doch auf dem Weg seiner Vervollkommnung verlangten selbst ausgeprägte Fähigkeiten nach steter Verbesserung und Verfeinerung. Kein Ende der lebenslangen Übung, das war es, was er gelernt hatte und daran hielt er sich.
Sein Gewehr hatte schon zu lange in seinem Schrank gestanden, es wurde Zeit ihm eine erneute Prüfung zu unterziehen. Er hatte heute schon viel trainiert und bis zu seinem Treffen waren es noch beinahe zwei Stunden. Er hatte den Auftrag kurzfristig angenommen und er war froh der Stadt wieder einmal entfliehen zu können. Wenn nur der bedrückende Regen nicht wäre. Dem Schuss kam die mit Feuchtigkeit vollgesogene Luft zugute, die Kugel hatte es so wesentlich einfacher ihren Weg ruhig zurückzulegen da in kühlem und feuchtem Klima die Luft deutlich weniger dicht war. Ein großer Vorteil gegenüber den sonst so trockenen Spätsommernächten.
[…]
Er nahm die Schutzkappe ab und sah seit langem wieder ein Ziel über eine solche Entfernung. Ein merkwürdiges Gefühl. Die große Entfernung ließ die Situation fremd erscheinen und nahm jedwede Ehre aus dem Auftrag. Er legte die weißfiltrige Zigarette auf den Boden und sog ruhig die feuchte Luft in seine Lungen. Seine Muskeln entspannten sich und sein Blick wurde schärfer. Sanft legte er den Zeigefinger seiner rechten Hand auf den Skelettabzug seines Werkzeuges.
Ein perfektes Ziel: groß, breit und dumm. Nach dem zu urteilen, was in der Akte stand; war ein Zweiflügelfenster das letzte, wo es sich aufhalten durfte. Das Ziel hatte es sich verdient, erledigt zu werden.
Für einen Moment huschte ein Ausdruck des Unverständnisses über sein Gesicht. Er sah sich in letzter Zeit immer öfter Zielen gegenüber, die quasi darum gebettelt hatten, dass man ihrem Leben ein Ende setzte. Das Unverständnis wich und wurde durch Entschlossenheit ersetzt. Er atmete ruhig ein und betätigte den Abzug. Ein 8,5 mm breiter Körper aus Blei und Tombak zerriss die feuchte Luft und bahnte sich, begleitet von einem stark gedämpften Knall, seinen Weg von der Lichtung, auf der der Schütze lag, über den kleinen See, den Steg und die Veranda. Er durchschlug die dünne Fensterscheibe und fand schließlich seinen Weg in die linke Brust des Ziels, zwei Finger breit vom Solarplexus entfernt. Ein perfekter Schuss. Er war immer wieder erstaunt, wie gut er war. Und das war er. Er hatte ein beinahe unnatürliches Talent für diese Arbeit. Der geborene Krieger. Nach einer kurzen Welle des Triumphes verstaute er das zerlegte Gewehr mitsamt der mächtigen Visierung in dem schwarzen, mit Leder bezogenem Koffer, sammelte die leere Hülse ein und ließ seinen Zigarettenfilter verschwinden, steckte sich eine neue Zigarette an und verschwand zügig in der Dunkelheit. Er hatte einen weiten Weg vor sich, die Waffe wollte noch gesäubert werden und schließlich hatte er noch eine weitere Pflicht zu erfüllen. […]
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2010
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