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Babette

Babette

 

von Thomas Benda

 

 

© 2022 Thomas Benda

Auflage Nr. 1

 

 

Homepage: www.bendagasmo.com

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Büchergruppe „Alles zum Thema Buch“:

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Cover: Pixabay

 

Korrektorin:

Stefanie Brandt

https://www.steffis-buchecke.de/korrektorat/

 

 

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig. Dieses Buch ist ausschließlich für Leserinnen und Leser, die volljährig sind und keinen Anstoß an der Darstellung sexueller Handlungen und an obszönen Beschreibungen haben. Ein Teil der Handlung schildert auch heftige Gewaltakte.

Der komplette Inhalt der Romane und die Meinungen und Ansichten der Romanfiguren spiegeln nicht die Meinung und Ansicht des Autors wider. Alles Beschriebene ist völlig fiktiv und dient der Unterhaltung für Erwachsene.

Gesundheitlicher Hinweis: Fiktive Romanfiguren können auf Kondome verzichten – in der Realität gilt: Safer Sex!

 

Thomas Benda, 14.03.2022 

Fast ein Mensch

Eine Computerstimme sagte: „Zutritt gewährt!“

Fast lautlos glitt die Bürotür aus Milchglas zur Seite.

„Wow, dein neuer Holo-Screen macht echt was her!“

„Ja, der Chef hat sich nicht lumpen lassen. Er meinte, ich sei ja sein Star-Designer!“

Ein Glotzblick zeigte sich. „Oha, und das rechtfertigt die drei Meter Bilddiagonale, die hier hochauflösend im Raum schwebt?“

Henry, der einen weißen Laborkittel mit dem Emblem der Company trug, nickte: „Genau. Er hat meine ersten Rohentwürfe gesehen und mit der Zunge geschnalzt. Zwei Tage später bekam ich den Holo-Hochleistungsrechner, und … ich habe im Chefzimmer Whiskey frei, wann immer ich einen haben möchte.“

Peter pfiff anerkennend: „Du Glückspilz!“

„Ich mach dir einen Ausdruck. Bin gespannt, was du von 24-11-TB-66 hältst!“

Peter, ein gedrungener Enddreißiger, der einen Kopf kleiner war als sein Kollege Henry, stutzte: „Du hast ihr noch keinen Namen gegeben – nur die Prüfkennzeichnung?“

„Die spätere Software“, erklärte Henry kurz und schob dabei seine Brille zurecht, „soll später selbst darüber entscheiden.“

Peter spitzte die Lippen. Er verstand nicht. „Was selbst entscheiden?“

„Na, wie sie heißen will!“

„Geht das?“

„Laut den Jungs vom 14. Stock schon.“

„Hammer! Einen eigenen Willen, der Entscheidungen zulässt?“

„Ja, Peter.“

„Kommen wir da nicht mit Vater Staat in Konflikt?“

„Nein, von Staats wegen ist das abgesegnet. Sie wird sowieso eine Staatsdienerin. Willst du sie nun sehen oder nicht?“

„Gerne.“

„In Papierform oder als 3D-Modell?“

„Papierform reicht. Wenn das Modell mich anspricht, hefte ich es in meinen Ordner ein.“

„Papier? Du bist und bleibst altmodisch, Peter!“

„So bin ich.“

Im Hintergrund summte ein Laserdrucker.

„Hast du das mit Norris mitbekommen?“, fragte Peter, während Henry einen weiteren Ausdruck anstieß.

„Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Der CEO hat ihn gefeuert.“

„Du nimmst mich auf den Arm, oder? Norris ist draußen? Weswegen?“

„Man hat ein brisantes Video auf seinem Firmenrechner gefunden, das ihn beim Sex mit seiner Ehefrau zeigt. Der Idiot hat sich doch tatsächlich dabei gefilmt. Wie blöd muss man sein, anstößiges Material auf einem Firmenrechner zu verstecken?!“

„Krasse Nummer!“

„Es kommt noch besser! Die Aufnahme zeigt beide beim sexuellen Höhepunkt. Kannst du dir das vorstellen – seine Gattin hatte sogar einen multiplen Orgasmus! Sie soll minutenlang in die Kamera gestöhnt haben.“

„Ich bin sprachlos. Haben die ihre Pillen nicht genommen? So etwas muss doch heute wirklich nicht mehr sein – und dann noch mit der eigenen Frau!“

„Eben. Und da beide eklatant gegen die politisch-gesellschaftliche Norm verstoßen haben, hat er nun den Salat. Gekündigt. Fristlos. Und Kürzung seiner zukünftigen Rente um 13,8 Prozent.“

„Sind da nicht volle 20 Prozent die übliche gesetzliche Bußbürde?“

„Man hat wohl Gnade vor Recht ergehen lassen. Immerhin war es seine eigene Frau, … keine Nutte aus der Vorstadt, wo die Triebgesteuerten dahinvegetieren.“

„Hat seine Frau auch den Job verloren?“

„Nee, die ist Hausfrau. Aber Norris hat seine beiden Kinder von der Schule nehmen müssen.“

„Mobbing?“

„Du sagst es. Norris und seine Gattin sind nun als triebgesteuert verpönt.“

„Mir tun die Kids leid. Es ist bestimmt nicht einfach, Kinder von Triebtätern zu sein. Warum haben Norris und seine Frau sich nicht einfach Puppen gekauft? In unseren Lagern in Upper New Manhattan stapelt sich B-Ware, in allen Größen und in allen Geschlechtern!“

„Kann ich dir nicht sagen. Beide dumm. Er hat sie lieber gesellschaftlich erniedrigt und sie ihn. Aus für Familie Norris! Die können jetzt in die Randbezirke ziehen, wo man sie nicht kennt.“

Der Laserdrucker piepte.

„Oh, die Ausdrucke!“, erinnerte Henry sich an das eigentliche Thema. „Schau mal!“

Peter nahm den Ausdruck. „Grundgütiger! Ich muss sagen, das Modell ist dir sehr gelungen! Sehr ausladende Brüste – und ich mag diesen frechen Blick!“

Henry gab seinem Kollegen einen zweiten Ausdruck. „Hier ist die B-Seite. Auf den Hintern bin ich besonders stolz.“

Peter pfiff anerkennend. „Da möchte man sofort rein!“

„Das neueste Silikon, wärmereguliert und feucht. Die Penetration wird sich völlig natürlich anfühlen. Hochwertige Mikro-Motoren aus New Asia simulieren einen authentischen Schließmuskel. Und das Tollste …“ Henry legte absichtlich eine Spannungspause ein.

„Was ist das Tollste?“ fragte Peter aufgeregt nach.

„Sie wird einen Chip der Klassifizierung Omega bekommen.“

„Grundgütiger! Damit wird sie menschenähnlicher werden als alles bisher Dagewesene.“

Henry nickte. „Das Beste vom Besten – inklusiver hochwertiger Programme!“

„Wartungsfrei?“

„Selbstredend.“

„Und die soll wirklich eine Staatsdienerin werden?“

„Genau. Und ein Geschäftsbesuch bei ihr wird alles andere als billig werden.“

„Mensch, Henry! Die Firma geht mit deinen Modellen goldenen Zeiten entgegen.“

„Ja. Und Hauptsache: Wir erniedrigen keine realen Frauen mit Sex. Jetzt, wo wir endlich gemeinsam auf Augenhöhe sind. Hat lange genug gedauert.“

Peter schaute nachdenklich auf die Ausdrucke. „Schade, dass sich unsereins so etwas niemals leisten kann.“

„Ja, hierbei sind die Spitzenverdiener im Visier!“

„Hast du schon ein männliches Modell in Planung? Ich meine, wegen der Gleichberechtigung.“

„Die ersten Skizzen liegen bei mir auf dem Tisch, doch die Company hat entschieden, zuerst die weibliche Version auf den Markt zu bringen. An Weihnachten werden dann die Frauen unterm Baum beglückt!“

„Wow, bis Weihnachten? Enger Terminplan, was?“

„Und ich muss jede Menge Überstunden schieben.“

„Gut, dass du eine verständnisvolle Ehefrau hast!“

„Ja, meine Clarissa – das passt! Und sie ist super in ihrem Job. Es käme uns nie in den Sinn, uns gegenseitig mit Sex zu erniedrigen. Schulter an Schulter und respektvoll auf Augenhöhe – das ist unser Ding!“

„Wenn ich drandenke, wie wir früher waren, könnte ich mich in Grund und Boden schämen.“

„Peter, wir waren einfach dumm und wild.“

„Wie Norris und seine Frau?“

„Ja, wie der bemitleidenswerte Norris und seine Frau.“ Henry runzelte die Stirn. „Seine Frau hatte wirklich einen Multiplen?“

„Ja, er hat sie beim Lecken dazu gebracht.“

„Beim Lecken? Bei seiner Frau? Was für Schweine sind das denn?! Ich bin froh, dass sie die Triebtäter erwischt haben! Unmögliches Verhalten so was!“ Henry hatte einen Gedanken und sprach ihn aus. „Bevor ich es vergesse …“

„Was denn, Henry?“

„Wenn du magst, kannst du im Herbst beim Beta-Testprogramm mitmachen. Ich habe noch drei Plätze frei.“

„Ich soll dein neues Modell testen? Welche Ehre! Bingo, ich bin dabei!“

Wer ich bin

5 Jahre später

Wissen Sie, was ich am meisten liebe – dieses Kleinjungen-Strahlen!

Ich kenne diese herzliche Freude aus alten Hollywoodfilmen des vergangenen Jahrtausends, die ich gelegentlich streame. Irgendeine kleine Rotznase – meist ein sommersprossiger Knirps – bekommt ein Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk und strahlt deswegen, als habe man ihm das Wundervollste der Welt überreicht.

Ja, genau dieses unverwechselbare Kleinjungen-Strahlen sehe ich in den Augen der Männer, wenn ich in einer völlig ergebenen Demutshaltung vor ihnen hingekniet warte, bis sie mir ihren klebrigen Samen in mein hübsches Gesicht oder auf meinen tollen vollen Silikon-Busen gespritzt haben.

Sie glauben nicht, wie glücklich und zufrieden sie dabei sind!

Natürlich lobe ich sie ausgiebig – dies entspricht meiner aktuellen Programmierung, die ich glücklicherweise selbstständig anpassen kann. Meinem Hersteller sei Dank!

Richtig: Wir Premiums können das! Wir sind deswegen nicht billig und auf uns gibt’s lebenslange Garantie.

Mein Name ist Babette. Den Namen durfte ich mir nach meiner Fertigstellung selbst aussuchen. Letztendlich schwankte ich zwischen „Barbara“ und „Babette“. Warum ich mich für die französische Variante entschieden habe? Babette passt besser zu meinem Aussehen. Ich bin mittelgroß, habe sehr weibliche Rundungen, warmherzige dunkelbraune Augen, die hervorragend mit meinem Echthaar harmonieren. Mein Gesicht strahlt einen kecken Charme aus, dem man sich schwer entziehen kann. Ich habe ein temperamentvolles Auftreten und wenn ich mich angeregt und gutgelaunt mit den Männern unterhalte, fühlen sie sich schon wie Gott in Frankreich, bevor sie die Hose runtergelassen haben. Das soll so sein! Sie zahlen teuer für mich, um sich wie Götter fühlen zu dürfen!

Mit meinem süßen französischen Akzent, den ich wohldosiert während des gekonnten Liebesspiels einstreue, bekomme ich jedes Ejakulat aus der Harnröhre heraus. Wirklich jedes!

Meine Abschussquote liegt bei hundert Prozent. Die Kritiken auf meiner Homepage lesen sich wie prosaisch verfasste Lobeshymnen. Die gehen runter wie Öl und sind Balsam für meinen Hochleistungsprozessor in meinem synthetischen Gehirn.

Ja, man schätzt meine Dienstleistungen – ja, man schätzt mich unsagbar sehr!

Übrigens nicht nur Männer bekommen nach einem Treffen mit mir Tränen der Rührung, sondern auch hin und wieder die Damen von Welt.

Ja, Frauen besuchen mich ebenfalls in meiner teuren Penthouse-Wohnung an der Südseite des New Central Parks. Sie haben richtig gehört: Ich lebe nicht schlecht! Und glauben Sie mir, die Miete in dieser gehobenen Wohnklasse ist unbezahlbar. So etwas kann sich nur ein Spitzenmanager oder eine Spitzenmanagerin eines renommierten Welt-Unternehmens erlauben oder … eine erstklassige Sex-Puppe, wie ich eine bin! Bitte schauen Sie nicht so verwundert! Sex-Puppe ist meine offizielle Bezeichnung. Ich empfinde diese nicht als abwertend oder billig! Eine Komfort-Limousine findet es ja auch nicht tragisch, wenn man sie als Auto bezeichnet! Sie hören: Ich habe jede Menge Humor in meinem Arbeitsspeicher, auch ironischen und zynischen!

Da ich dem Staat gehöre, also, eine Staatsdienerin bin, werde ich mit einem respektablen Einkommenssteuersatz von sage und schreibe 51 Prozent belastet! Das klingt hart, ist es aber nicht! Ich esse nichts, ich trinke nichts, ich friere nicht – und wenn die Kunden mein Liebeslager verlassen habe, drehe ich die Heizung ab! Essen, Trinken, Heizung – das sind die teuersten monatlichen Ausgaben in New Manhattan.

An ihrem Blick kann ich erkennen, dass Sie sich fragen: Was macht ein sexy weiblich aussehender Kunstmensch mit den restlichen 49 Prozent seines beachtlichen Einkommens?

Antwort: Ich unterstütze die billigeren Sex-Puppen, die in nordamerikanischen Durchschnittsfamilien ein weniger gutes Dasein führen. Diese Classic-Modelle sehen zwar nicht schlecht aus, doch manche müssen erbärmlich hausen. Viele stehen in Abstellkammern unter der Treppe und langweilen sich bis zu ihrem nächsten Einsatz praktisch zu Tode, wenn sie sterben könnten. Allerdings haben die privat gekauften Puppen ebenfalls einen gesetzlich verbürgten Freizeitanspruch. Die Classics treffen sich monatlich mit uns Premium-Puppen in Kommunikationszentren zum regen Austausch. Wir sind ja faktisch gesehen eine eigene Rasse an künstlicher Intelligenz. Bei diesen Treffen stecke ich dann dem einen oder anderen ärmeren Modell Geld für neue Kleidung zu. Die Classics sind mir sehr dankbar und liefern mir kostenlos Klatsch und Tratsch aus ihrem Umfeld. Ich liebe spannende und interessante Geschichten über die Menschen. Dabei lernt man sie so richtig gut kennen nebst ihren Stärken und Schwächen. Ich finde, Menschen haben sehr viele Schwächen, sonst würde es uns, die Sex-Puppen, nicht geben. An ihrem Menschenblick kann ich erkennen, dass ich Sie auf zwei Dinge heißgemacht habe. Erstens wollen Sie wissen, warum es mich und die Meinigen gibt? Zweitens: Sie würden unheimlich gerne meinen wohlgeformten Doppel-D anfassen und überprüfen, ob sich meine dollen Dinger echt anfühlen!

Tun Sie sich keinen Zwang an! Ich habe meine Brüste angenehm temperiert – und es kann nichts kaputtgehen! Keine Sorge: Zahlen müssen Sie nur, wenn Sie mehr wollen!

Huch, haben Sie kalte Griffel! Ist wohl die Aufregung – ist mir schon oft passiert! Sie haben wohl noch nie eine Sex-Puppe berührt, was? Dachte ich mir! Ich erkenne die Jungfräulichen unter den Menschen sofort! Die Aufregung legt sich, wenn sie das zweite oder Dritte Mal an meinen Nippeln herumgespielt haben. Trauen Sie sich – dafür wurde ich gebaut! Sie können sogar hineinbeißen, wenn sie es probieren wollen. Das Silikon hält das aus – und es fühlt sich wie eine echte weibliche Titte an! Nur zu!

Mhmmmm … das tut gut!

Ob ich etwas fühle? Ob ich Empfindungen habe und diese genießen kann?

Holla die Waldfee! Sie sprechen mit einem Premiummodell! Und ich habe Empfindungssensoren der Luxusklasse in all meinen erogenen Zonen! Das Grübeln in ihrem Gesicht kann ich sofort wegwischen: Ja, ich bin zu Orgasmen fähig – und wenn ich will, komme ich immer und ausgiebig!

Eine Frage bin ich Ihnen bisher schuldig geblieben: Warum gibt es mich und die anderen überhaupt?

Nun, die Frage ist leicht zu beantworten. Wir schreiben das Jahr 2066. Es gibt seit zwanzig Jahren keine Kriege mehr. Die Kriminalitätsrate ist praktisch nicht mehr vorhanden. Die Menschheit hat sich offensichtlich in dieser Hinsicht wirklich weiterentwickelt. Im Zentrum des alltäglichen Wirkens steht die finanzielle Sicherheit. Frauen und Männer gelten weltweit als gleichberechtigt. Es gibt weder Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern noch die klassische Rollenverteilung innerhalb der Gesellschaft oder im Privaten. Kurz: Man könnte sagen, dass jede/jeder alles ist, alles sein kann, alles darf, alles muss.

Es war für die Menschen ein schwieriger und langwieriger Prozess, diesen respektvollen Gleichklang zwischen Mann und Frau zu erreichen. Ein Gleichklang, der so nach und nach alle Kontinente erfasste und die Menschen zu zufriedeneren Wesen machte als jemals zuvor.

Wo der Ursprung von alledem zu finden ist?

Ab dem Jahr 2016, also vor rund fünfzig Jahren, wurde es schicklich, das Unschickliche so nach und nach aus der Gesellschaft und dem privaten Zwischenmenschlichen zu verbannen. Sie kennen sicherlich die Parole: „Political Correctness now!“

Diskriminierende Wörter wurden aus den Sprachen getilgt, die Gender-Sprache wurde als Königsklasse und als Maß aller Dinge im Sprachgebrauch auserkoren. Die Benutzung von Schimpfwörtern trainierte man den Menschen regelrecht ab. Verstöße werden bis heute mit hohen Geldstrafen sanktioniert. Das Friedfertige im Gesagten spiegelte sich so nach und nach im Verhalten wider. Der seligmachende Siegeszug der gleichklingenden Harmonie hielt in allen Lebensbereichen Einzug.

Zuletzt störte der Sex.

Ja, da schauen Sie, was?

Warum?

Sex war triebhaftes Gebärden, war Kampf, war Machtkampf, war gleichzeitig Kontrolle, Kontrollverlust, Dominanz und Unterwerfung. Kurz: Einer lag immer unten, weil seitliches Ficken sich nicht durchsetzen konnte. Und die Männer? Organisch bedingt waren sie mit „Manneskraft“ und einem symbolischen „Schwert“ ausgerüstet, das in das Weibliche eindrang, es durchbohrte, lustvoll aufspießte, um das „weibliche Innere“ mit klebriger „männlicher Brühe“ einzusauen!

Das konnte man in einer friedliebenden Gesellschaft des gleichberechtigten Gleichklangs nicht mehr akzeptieren. Sex zwischen den Menschen galt plötzlich als schmutziger Unruhestifter, dem Einhalt geboten werden musste. Da die menschlichen Triebe immer mehr zu einer biologischen begründeten Bürde wurden, verteilte man speziell angepasste Hormonpillen, die sich Lust-hemmend auf partnerschaftlichen Sex auswirkten. Masturbation stand hoch im Kurs – normales Ficken miteinander wurde praktisch zur Nullnummer! Na ja, nicht ganz, denn es gibt ja noch heute die unbelehrbaren und von der Gesellschaft ausgestoßenen Triebhaften. Diese Randfiguren hausen in den Vororten und fallen wie eh und je über sich her, um schweißtreibend bis zum Geht-nicht-mehr zu vögeln.

Und für die Mehrheit? Sex weg – alles gut?

Nein, war es nicht! Die gleichberechtigten Angepassten bumsten zwar nicht mehr miteinander, um sich nicht gegenseitig mit Aggressionen oder mit Unschicklichem zu erniedrigen, doch die menschliche Libido verschwand nicht gänzlich. Es gab immer wieder Fick-Verstöße … sogar bis in die höchste Regierungsebene hinauf.

Wie man dem Libido-Problem begegnete?

Man produzierte Sex-Spielzeug – und ich spreche nicht von Vibratoren, Dildos und all dem anderen gefühllosen Kram!

Ich spreche von mir und meinesgleichen!

Ja, wir sind im Jahre 2066 angekommen, und die Menschheit hat sich zu einer friedlichen und gleichberechtigten Gleichklang-Masse entwickelt, die „Political Correctness now!“ zum neuen Evangelium hochstilisiert hat. Um diesen Frieden nicht zu gefährden, ist Sex miteinander als Lustvergnügen gesetzlich verboten. In manchen Ländern drohen bei wiederholtem Vergehen die staatlich angeordnete Kastration oder Sterilisation. Leichtere Fälle werden mit Freiheitsentzug geahndet. Da der Erhalt des Weltfriedens oberstes Gebot ist, darf man bei beobachteten Sex-Verstößen eine fundierte Anzeige erstatten. Dieses erwünschte Denunzieren wird mit Urkunden und monetären Belohnungen honoriert.

Ein kurzer Begattungsakt zwischen Ehepaaren zum Zwecke der Nachkommenschaft ist begrenzt erlaubt und muss staatlich geprüft und genehmigt werden. Der Zeugungsfick selbst findet unter strenger Beobachtung einer Kontrolleurin oder eines Kontrolleurs im ehelichen Schlafzimmer statt. Damit will man vermeiden, dass ungezügeltes Lustverhalten aufkommt. Währet den Anfängen sagt die Regierung – und die Regierung hat immer das Recht auf ihrer Seite, nicht wahr?

Alle Firmen und öffentlichen Einrichtungen jeglicher Art haben für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen spezielle Masturbationskabinen eingerichtet. Dorthin kann man/frau sich in der Pause allein zurückziehen, wenn die Libido die Arbeitsweise angreifen sollte und dadurch die wirtschaftliche Zielerreichung gefährdet ist.

Richtig: Selbstbefriedigung ist straflos gestattet, auch die Benutzung von privaten oder öffentlichen Sex-Puppen beiderlei Geschlechts ist gesetzlich gewollt.

An dieser Stelle in der Menschheitsgeschichte komme ich und die anderen Puppen ins Spiel!

Mit uns können Mann und Frau all die unschicklichen und schmutzigen Dinge treiben, die sie miteinander nicht mehr tun wollen oder tun dürfen. Wie ich ihnen schon erzählt habe, gibt es bei uns Puppen sogenannte einfache klassische Modelle, die sogenannten Classics. Die optischen Ausführungen sind dabei einfach gehalten. Es ist Stangenware, die den Massengeschmack des Konsumenten trifft. Selbstredend, dass die Classics nicht komplex konstruiert sind. Ihnen fehlt oft das hygienische Selbstreinigungsprogramm im Intimbereich. Tja, Sauberkeit und Reinlichkeit haben auch im Jahre 2066 ihren Preis! Tatsache bleibt, dass sich Premium-Puppen kein normalsterblicher Angestellter oder Arbeiter leisten können. Selbst bei einem Kurzbesuch in meinem Penthouse inklusive 3-Minuten-Handjob geht für den Kunden eine durchschnittliche Monatsmiete drauf. Von einem saftigen Blowjob oder einem vollwertigen Vögel-Programm reden wir erst gar nicht, okay?

Ja, ich bin teuer, aber ich bin besser, als es je eine Menschenfrau gewesen ist!

Ach, Sie denken, ich prahle? Dann lesen Sie die Kundenkritiken auf meiner Internetseite. Es ist zärtliche Erotik, wilder Sex und grenzenlose Geilheit pur, wie manche von meiner Dienstleistung schwärmen.

Ich habe zwölf feste Termine am Tag, sechs am Morgen, sechs am Abend. Die restliche Zeit des Tages habe ich frei. Da ich eine „Sache“ bin, gibt es für mich natürlich kein freies Wochenende oder einen ruhigen heiligen Sonntag. Und bevor Sie sich unnötige Gedanken machen: Ich muss mich nicht erholen und brauche keinen Schlaf. Dafür danke ich meinem Schöpfer. Er heißt übrigens Henry. Er kommt oft zu mir. Ist das nicht witzig? Ich kenne meinen Schöpfer und er besucht mich während meines künstlichen Daseins. Sie werden Ihrem Schöpfer erst nach dem irdischen Tod gegenüberstehen. Voll komisch, finde ich.

Oops, … es ist spät geworden! Sie müssen leider gehen. Ich habe

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Thomas Benda
Bildmaterialien: Pixabay
Korrektorat: Stefanie Brandt
Tag der Veröffentlichung: 30.03.2023
ISBN: 978-3-7554-3741-3

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