Cover

Zuckend, sich ein letztes Mal aufbäumend, fiel die kolossale Gestalt schließlich zu Boden.
Noch einmal hob und senkte sich der mächtige Brustkorb, als wolle er auch wirklich alle Lebensenergie aushauchen.
Bolder sank langsam in sich zusammen, geplagt und gezeichnet von den Anstrengungen dieses Kampfes. Nicht immer war er sich in den vergangenen Minuten sicher gewesen, dies alles zu überstehen.
Wie oft hatte er sich damit abgefunden, keinen neuen Sonnenaufgang geniessen zu können?
Schier übermächtig, wenn nicht sogar unverwundbar war ihm sein Kontrahent erschienen.
Und nun das: Wie ein Häufchen Elend kauerte er neben dem monströsen Körper des Angreifers.
Aber er war es der atmete, wenn auch schwer und nur unter Schmerzen.
Aber, er atmete!
Während er den leblosen Körper des Afrikaners betrachtete, liefen die Ereignisse der letzten Woche wie ein Film in seinem Kopf ab.




I



Sie hat mich angerufen, ich fasse es nicht, waren seine ersten Gedanken, als er, nach beendetem Telefonat, das Handy wieder in seine Jackentasche steckte.
Seit über zwei Monaten hatte er sich nun schon darum bemüht Kontakt herzustellen.
Die dunkle Schönheit war ihm sofort aufgefallen an jenem Abend in diesem kleinen Restaurant unweit der Carnaby Street.
Eine unvergleichliche Aura umgab sie, als sie an ihm vorbei zu ihrem Tisch zu schweben schien.
Bolder hatte noch am selben Abend versucht Näheres über das exotische Geschöpf herauszufinden.
Doch es bedurfte jeweils eines üppigen Trinkgeldes bei jedem seiner fünf weiteren Besuche, ehe sich Angelo, der gelackte, vor Selbstzufriedenheit triefende Kellner und vermeintliche Hobby-Gigolo, ein paar Informationen aus der Nase ziehen ließ. Tagesmutter und Dienstmädchen in Sandubas Botschaft sei sie.
Seit über einem Jahr komme sie einmal im Monat, an jedem ersten Donnerstag, ins Restaurant und esse Pesce al Giorgio, „übrigens die Empfehlung des Tages“ und generell eine „köstliche Spezialität des Hauses“.
Bolder winkte ab, nach Essen war ihm nicht zumute. Vielmehr überdachte er sein weiteres Vorgehen. Sanduba, Sanduba, der Name dieses westafrikanischen Staates schien ihm irgendwie geläufig, obgleich er damit nichts Weiteres in Verbindung bringen konnte.
Also beschloß er, noch einmal in die Redaktion zu fahren und sich das Archiv zunutze zu machen.
Unter dem üblichen Kopfschütteln Angelos über das viel zu spärliche Trinkgeld beglich Bolder seine Rechnung, verließ das Restaurant und hielt nach einem Taxi Ausschau.
Erst jetzt fiel ihm der regengetränkte Asphalt auf – das stakkatoartige Hämmern der Regentropfen auf seiner Glatze, die zunehmende Schwere der mittlerweile durchtränkten Jacke.
So viel zum Thema Sommer dachte er sich und machte sich im Laufschritt Richtung Osten auf, wo sich die Redaktion des Heralds befindet.
Er nahm den Weg über die Grünanlage an deren Ende der sich noch eine Underground-Station befindet.
Sollte sich kein Taxifahrer erbarmen, könnte er zumindest den Großteil der Strecke trockenen Fußes bestreiten.
Wenn ich nur wüsste, in welchem Zusammenhang ich Sanduba schon mal gehört habe, zermarterte Bolder sich das Hirn während seine Füße im Zwei-Viertel-
Takt monotonen Dump-Dumps eines erfahrenen Läufers das Wasser vom Asphalt drückten.
Bolder, so fand er selbst, befand sich auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Leistungsfähigkeit. Ende 30, nicht der Standard-Typus eines Womanizers, aber ein attraktiver Charakterkopf, ließ er keine Möglichkeit ungenutzt, seinen Körper zu trainieren. Viele hatte er nicht, dazu war sein job zu einnehmend, zu unvorhersehbar. Daher hatte er im Laufe der Jahte sein eigenes Trainingsprogramm entwickelt.
Sobald er eine freie Minute hatte, nutzte er was immer sich ihm auch bot, um sich zu ertüchtigen. Schlag- und Trittechniken an Bäumen im Park. Ausdauerläufe von der Redaktion nach Hause, Klimmzüge auf der Herrentoilette.
Waren die Kollegen ihm anfangs skeptisch begegnet, so hatten sich zunehmend mit seinen Eigenarten abgefunden.
Mittlerweile fragte ihn sogar der eine andere um Rat, bat um die Erstellung eines individuellen Büro-Trainingprogramms.
Und spätestens seit der Bürofeier im Soho-Beachclub vergangenen Sommer war er eines der Top-Themen der weiblichen Redaktionsmitglieder…


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Tag der Veröffentlichung: 27.10.2010

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