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Prolog



Was wäre wenn die Kultur nicht durch ihre geografische Entfernung getrennt wurde, wie würde so eine Welt aussehen?

Kameshimaji wurde Zeuge einer solchen Entwicklung: Einst war es eine Insel, genau zwischen Asien und Europa. Der Handel blühte und die die Insel wurde reich. Nicht nur Reich an Gütern, sondern auch an Wissen.

Jedes Kind wurde mit mindestens 2 Muttersprachen geboren, je nachdem wo das Kind geboren wurde, hatte es auch 3 oder mehr Muttersprachen. Ein Soldat oder Bauer kannte weniger Sprachen als ein kommunikativer Handwerker, Händler oder Adliger.

Das alles ist ein Verdienst der aufkommenden Schifffahrt und dem Wunsch nach dem Exotischen.

Der zunehmende Handel machte es notwendig, dass die Insel auch an das Festland angegliedert wurde. Der Landweg war viel bequemer und praktischer als der Seeweg. Wo Schifffahrt ist, gibt es Piraten und weil die Gilden Kameshimajis keinen Verlust erdulden, und schneller liefern wollten als ihre Konkurrenz begann sehr bald die Ebnung eines Landgebietes vor den Küsten Kameshimajis.

Kameshimaji war sehr ursprünglich in der Kultur und im sozialen Umfeld.
Noch heute lebten die Mythen und Fabelwesen in der Religion der Kameshimajier fort. Magie wurde sehr geachtet. Die Familien werden in Häuser geteilt. Die Grundlage der Häusernamensgebung waren Fabeltiere, die gewisse Eigenschaften beherbergen. Diese Eigenschaften sollten sich auf die Mitglieder der Häuser übertragen. Es war also ein Identifikationsmittel wie der Familiennamen. Die Bediensteten wurden zwar einem Haus zugeordnet, aber sie durften sich nicht als Mitglied des Hauses identifizieren. Dies war nur durch Blutlinie möglich.

Das Haus der Königfamilie wurde als Phönixhaus bezeichnet: Es steht für Edelmut und Exzentrik, ebenso für Wissen, Freiheitsrausch, Weisheit und Barmherzigkeit. Im negativen Sinn steht es für Narzissmus und Egoismus.

Das Drachenhaus war die konkurrierende Familie: Es entstand einem alten Kriegergeschlechts und steht für Schutz, Aggressivität, Undurchsichtigkeit und Stärke. Die Oberhäupter sind die Zwillinge Nephita und Akuban. Sie zeichnen sich durch ihre Brutalität aus. Dieses Paar herrschte nachdem die regierende Königin Ayabe verschwand und die legalen Nachfolger beide die Thronfolge ablehnten. Für das Fortführen der Regierungsgeschäfte wurden testamentarisch nur 2 Personen auserkoren. Der Tradition und des Stammesbaumes nach, durften auch Nephita und Akuban regieren.

Die beiden Personen, die das Erbrecht von Ayabe hatten, waren Ayabes Tochter: Dayea Ratree Sumiko Fenghuang und
ihre Cousine: Sirenha Tamiko Kanya Suzaku.
Sirenha war in letzter Zeit sowieso kaum im Landgut der Familie, ihre Auswärtsunternehmungen wurden in letzter Zeit länger und keiner konnte sagen wo sie sich befand, da sie immer alleine loszog. Selbst den engsten Vertrauten war Sirenhas Verhalten ein Rätsel. Es hieß auf dem Hof der Suzakus, dass Sirenha einen Geliebten habe, der ihres Standes nicht würdig sei und, dass sie deswegen immer heimliche Treffen mit ihm machte.

Ab und zu kam Sirenha auch verletzt zurück, aber konnte nichts zu ihrem Zustand sagen - Sie erwiderte sämtliche Fragen mit einem geheimnisvollen Grinsen, das abwertend und kalt wirkte. Die Suzakus wollten sie durch die Krönung an das Haus und Familie binden. Sie fürchteten, dass sich Sirenha mehr und mehr von ihrer Familie entfremdete und ängstigten sich vor dem schweren Gesichtsverlust, wenn Sirenha das Haus endgültig verließ und freiwillig in die Verbannung geht. Dieser schwere Gesichtsverlust, würde zum Achtungsverlust führen und damit zur Degradierung des ganzes Hauses auch, des verschwägerten Hauses.

Was war nun eigentlich mit Dayea los? Was könnte sie für Gründe gehabt haben die Krönung abzulehnen. Auch bei ihr ist der Umgang schuld. Sie trieb sich den ganzen Tag auf Märkten herum und hörte den Spielleuten zu. Sie liebte das Leben der Spielleute: Spielleute waren frei, reisten in den Landen herum und lebten in einer Traumwelt, wo die einzigen Götter: die Musik und die Poesie waren. Selbst abends hatte Dayea nicht genug von den Spielleuten, sie setzte sich zu ihnen ans Feuer und feierte mit ihnen zusammen. Inzwischen kannte sie jeden Spielmann und Narren mit Namen. Sie lernte auch eine Menge von den Spielleuten. Sie konnte zwar noch kein Instrument spielen und war im Tanzen und in der Artistik talentfrei, aber sie konnte wunderschöne Geschichten ausdenken. Geschichten aus der Götterwelt, die die Götter in ihrer Menschlichkeit zeigten. Die Spielleute betrachteten sie schon längst als zu der Familie gehörig. Besonders mit Detinos, einem Barden, der in vielerlei Instrumenten bewandert war verstand sie sich wundervoll. Sein Lieblingsinstrument war die Laute, aus Nussbaumholz, die er schon als kleines Kind besaß.

Kapitel 1


So sieht im Moment die Gesamtsituation aus:
Die Zwillinge Nephita und Akuban herrschen, und alle die mit Sicherheit besser regieren würden, leben in ihren Traumwelten. So schön und reinlich Kameshimaji schien – So wohlständig und angesehen es in der Welt war. Eigentlich versifft das Land mehr und mehr… Keiner fühlt sich für diese Stadt verantwortlich und eigentlich ist es den Leuten auch egal. Aber kann das wirklich so weitergehen?

„Wieso kam es eigentlich zu dieser ausweglosen Situation? Schon wieder vergeht ein Tag wie jeder andere. Nephita und Akuban terrorisierten die Menschen, Sirenhas Verbleiben bleibt ein Rätsel, Dayea lebt in einer Welt wo sie nicht hingehört… Keiner hört das Klagen des Volkes.“ mäkelte ein Mädchen mit blonden Haaren und hellgrünen Augen herum. Sie sah auf die geschäftige Marktstraße. Sie betrachtete die unzufriedenen Gesichter der Händler, die keiner Gilde zugehören und Unmengen von Steuern schutzlos ausgeliefert waren.

Ein kleines Kind stolperte und leerte dabei ihren Korb mit gesammelten Essensresten auf der Straße in die Viehgülle aus. Sie fing an zu Schluchzen und sammelte alles wieder auf und wischte sich das Essen an ihren Lumpen wieder sauber. Die Blonde Frau schlug ihre Hände an die Stirn und wischte sich die Hände übers Gesicht: Sie eilte in die Küche und füllte einen halb kaputten Weidenkorb mit Brot, Schinken und Käse. Dann tat sie 2 Äpfel bei. Sie rannte auf die Straße und stellte sich vor das Mädchen, das ihre Lumpen nun sogar mit Gülle beschmutzte.
Das Mädchen blinzelte hoch und schaute gierig auf die frischen Nahrungsmittel. Die blonde Frau reichte dem Kind den Korb: „ Hier statt Dreck zu essen solltest du was Richtiges essen. Nimm das. Du brauchst es mit niemand zu teilen okay? Verspeise es einfach auf dem Weg nach Hause…“ sagte die Frau mit sanfter und doch sehr trauriger Stimme.
Das Mädchen lächelte die Blondine überglücklich an. Sie nahm den Korb an sich und rannte schnell weiter. Die blonde Frau konnte dem Kind ihre Dankbarkeit ansehen.
„Somilge… Wo bleibst du schon wieder. Komm ins Haus, sonst wirst du beraubt …. Ein schreckliches Land ist es hier geworden, seit Königin Ayabe verschollen ist.“ krächzte es aus dem Haus „Sei leise Großmutter, du weißt das A-Wort ist verboten zu sagen.“ rief Somilge zurück. Sie seufzte noch einmal und ging zurück ins Haus. Auf dem Weg baute sich hinter ihr ein Schatten auf. Somilge drehte sich erschrocken um und sah einen großgewachsen Barden vor sich, der ganz in schwarz gekleidet war. Sein wildes schwarzes Haar wehte im Wind. Einen kurzen Augenblick lang färbten sich Somilges Wangen rot und ihre Augen schimmerten auf übernatürliche Weise. Sie versank in seinen purpurnen Augen und ihr Herz schlug wie wild. In diesem Moment schloss sie die Augen und schüttelte sich.
Sie starrte ihn böse an: „Was fällt euch ein, eine fremde Maid so zu erschrecken, ungehobelter Barde!“ fauchte sie.
„Verzeiht, ich war nur eben sehr beeindruckt von eurer Mildtätigkeit, das mir die Sprache entfiel.“ erwiderte der Barde mit einer tiefen Verbeugung.
„ ihr habt die gleichen Augen wie ein Mädchen, dass ich kenne. Doch ihr seit so unterschiedlich im Charakter. Das Mädchen von dem ich spreche ist eine ziemliche Träumerin, verantwortungslos und laut. Meist gehen wichtige Dinge einfach so an ihr vorbei.“ Er grinste geheimnisvoll und ein wenig traurig zugleich.
„Ihr seit dagegen eine richtige Lady. Meine Hochachtung habt ihr. Und wenn es euch irgendwann mal nach Musik verlangt, dann lasst nach Detinos rufen. Ich komme und spiele einer meiner Weisen." erklärte Detinos, verbeugte sich abermals und drehte sich wieder um, um zu gehen.

„Halt wartet, ehrenvoller Barde!“ rief Somilge. Sie war eine ausgesprochen gute Menschenkennerin, deswegen entging ihr das Geheimnis hinter seinem Lächeln nicht.
Der Barde blickte über seine Schulter zu ihr und schaute sie erwartungsvoll an. Beide schwiegen sehr lange.
„ Ihr…. Habt das Mädchen ….mit den gleichen Augen wie ich … sehr gern …. Kann… könnte es vielleicht….“ stotterte sie. Unerwartet in ihrem Stammeln stand der Barde wieder vor ihr und hielt ihr seinen rechten Zeigefinger vor ihre Lippen. ER drückte sie sanft an seine warme Brust und beugte sich über ihr Ohr, eine seiner Strähnen kitzelte Somilge an der Nasenspitze. Sie atmete den sanften Geruch von Sandelholz ein, was ein ungewöhnlicher Geruch für einen Mann seines Standes war. „Scchhhhh…. Kein Wort weiter,Holde, solange es nicht ausgesprochen wird, gibt es noch ein Zurück …“ flüsterte er ihr ins Ohr. Wieder durchfuhr Somilge ein Gefühl das sie elektrisierte, gleichzeitig wurde sie aus irgendeinem Grund verdammt wütend auf das andere Mädchen. Sie schreckte zurück und drängte den Barden weg von ihr: „Verzeiht… Ich dachte nur, vielleicht mögt ihr euer Herz ausschütten.“ sagte sie zitternd. Der Barde schaute sie mit sanften Blicken an. Er hatte plötzlich einen Strohhalm, nach dem er greifen konnte. Er kicherte nur leise und senkte seinen Kopf: „So nett das auch sei, ich glaube kaum, dass ihr Erfahrung in solchen Dingen habt. Barden und Künstler, Geschichtenerzähler und Dichter leben ein wenig näher an solchen Dingen, als eine Händlerin, wie ihr.“ spöttelte er und griff dabei nervös an seiner Laute herum.

„Näherin…“ entfuhr es Somilge. „Ich bin eine Näherin und aufgrund des kreativen Anspruches meines Berufes schon ein Kandidat für die Feinstofflichkeit des menschlichen Gemüts.“ zickte sie ihn an. Sie wusste auch nicht, wieso sie ihn unbedingt noch mehr beeindrucken wollte, oder sich zumindest auf der gleichen Stufe stehen sehen wie ihn.
Der Barde grinste nur: „Nicht schlecht, ihr habt eine sehr gute Ausdrucksweise. Der Künstler erkennt einen Künstler an der Rhetorik des Lebens, nicht wahr? Nun denn, da habe ich keine Wahl. Sollte ich meine Geschichte erzählen wollen, komme ich gerne auf das Angebot von euch zurück.- Nur- ist es zu früh, einer Fremden soviel anzuvertrauen und letztendlich ist längst nicht alles so wie es zu sein scheint. Ihr wollt euch mit einem fremden Barden anfreunden, den ihr nicht kennt? Sehr naiv junge Dame, wer sagt, dass ich kein Schwerenöter bin und nach euren Busen trachtet…“ verspottete er Somilge und verschwand in die dunklen Gassen.
Somilge blieb verwirrt zurück und dachte lange über diese Begegnung nach. Vielleicht sollte sie ihn suchen um sich die Konkurrentin mal anzugucken. Obwohl Detinos so schlecht von ihr sprach, schien so eine Gelassenheit in seinen Worten, eine Gelassenheit, die man nur für jemanden empfinden kann der einem sehr wichtig ist. Andererseits, weiß sie von den vielen Geschichten, dass Barden auf sehr hübsche Frauen stehen, die meist sogar adelig ist und unerreichbar. Königin Nephita kann es schon mal nicht sein. Sie hat keine grünen Augen. Aber – Wer bringt sonst Detinos so ins Wanken?


Kapitel 2


Detinos hörte sich gerne Dayeas Geschichten an und fügte so manchen Reim dazu. Meist spielte er eine Melodie und Dayea erzählte eine Geschichte dazu. Das war für viele Studenten und Kinder auf dem Marktplatz das 05 Uhr Event. Die Spielleutemenge um Dayeas Geschichten, wurde immer größer. Sie sammelte Schauspieler, Tänzer und Artisten um sich, während Freunde von Detinos sich ihm anschlossen um ihm bei der musikalischen Untermalung zu unterstützen. Das Schöne für Dayea war, dass man sie inzwischen gar nicht mehr erkannte. Sie sah nicht wie eine Prinzessin aus, noch nicht mal wie jemand, der der Prinzessin ähnlich sah. Sie tauschte ihren Erstvornamen mit ihrem Zweitvornamen und kleidete sich wie einer der Spielleute. Mit einem weißen berüschten Kleid und um der Schulter einem roten Tuch mit Spitze. Die Haare hat sie mit Schleifenbändern in rot zu beiden Seiten Hochgesteckt. Sie wirkte zwischen den ganzen Männern um sich wie eine Marketenderin und nicht wie eine Prinzessin. Sie hob sich nur durch ihre jungfernhafte Kleidung von den älteren Spielleuten und Gauklern ab. Sie gingen ab und an tatsächlich den Geschäften einer Marketenderin nach.
Die Realität der Spielleute und Gaukler war nicht so rosig, wie es für außenstehende klang, nur wer die Poesie und Musik und das Lachen der Menschen innig liebte, konnte es als Gaukler aushalten, zwischen Hunger und Kälte, Krankheit und Armut zerrissen, waren diese Menschen wirklich bemüht, anderen Leidensgenossen ein Lächeln zu schenken, und so lange sie ihre positive Art nicht verloren, solange waren sie ihrem Berufsstand treu. Wer es schaffte zu einem Fest eingeladen zu werden hatte es weit gebracht. Nun wollen wir Dayea aber auch Ratree nennen und so ihrem Wunsch nach völliger Aufgabe des Hoflebens nachkommen: Ratree war in der Gauklergruppe um Detinos herum wirklich die einzige unberührte. Die Männer und besonders Detinos waren bemüht ihren körperlichen Zustand so beizubehalten.

Das Lagerfeuer knackte und alle versammelten sich um der neusten Geschichte von Ratree zu lauschen:

Einst gab es eine Königin, die sehr beliebt ward. Und gerne ein Fest zu Ehren gab.
Doch eines Festes mal Der Tückebolt von Edelmann nicht eingeladen ward, und eingeladen war sogar die Gard´ !

Das verhasste Blut, das Fest hat zerstört,

taucht mit tausend wild stinkenden Kühen und Schweinen auf.
Die teure Hofdame der Königin dem Herzschlag erlag, als ihr ne Kuh ans Gewand geschissen hat.

Schwere Trauer die Königin erfasst, war, das die liebste Dienerin

Sie verzweifelt und verschwand in ihren hohen Turm, Schloss sich ein Dort bitterlich weinte.
Dass derbe Blut sie ausgelacht und wieder verschwand.

Die Gäste verzweifelt versuchten, sie, aus dem Turm zu locken, ihre Herrscherin.
Sie zeigten, dass sie feiern konnten

Tagein, tagaus und sich freuten an dem Feste.
Mit Musik und Tanz und Wein. Doch die Königin nicht reagierte.

Selbst die Hilde sich im derben Tanz entblößt und alle lauthals lachten. Die Königin nicht rausgeguckt, Fand alles nicht zu lachen…
Als der König wohlbesorgt um seinen Schatz, heimkam aus der großen Schlacht.

Fand vor, angeheiterte Leut´, im Wahn des Met, fragt gleich, wie es seiner Gattin geht.

Die Leut erzählten die Geschicht´,

Darauf der König eilt den Turm hinauf.
Er brach die Tür, und suchte wild,
doch die Gattin, nicht mehr finden konnt.

Nur ihr Umhang, von Staub und Tränen getränkt, als einzigen Zeugen sich entsinnt.
Der König traurig und des Rates arm, die Treppen zum Volke niederstieg

Erwartungsvolle Blicke ihn befragten, wo die Gattin sei.

Entseelt schloss sich auch der König in seinem Schlafgemach ein,
Ohne Kraft, die Wunden zu heilen: Er verstarb.

Binnen Tage alterte er um Jahre. Gab sich den Göttern hin.

Sein letztes Wort, der Name seiner Frau Das Volk nur trauert um das Königspaar,
und hofft, es vereint in der besseren Welt



Die Tänzer tanzten die Geschichte nach: Die Königin und der König wurden von Elias und Pakpao getanzt. Elias und Pakpao waren schon seit einigen Monaten ein Paar, aber keiner der Gaukler war anstandslos genug um die Beiden auf ihre besondere Beziehung anzusprechen. Die Gerüchte um die neuesten Liebesbeziehungen waren schon immer der Brenner bei den Gauklern. Schließlich erwarteten sie von jedem bekannten Paar eine schöne heidnische Hochzeit mit viel Musik und Fröhlichkeit zu feiern, die Schulden die jeder für das Fest auf sich lüde wäre zwar immens, aber das tut man ja gerne für die eigenen. Ein paar Besonderheiten gab es schon beispielsweise wurde das Ritual von einem Hofnarren abgehalten. Er brachte mit viel Witz und dem nötigen poetischen Vermögen so manches unglaubliches Fest zu Stande.

Über Detinos und Ratree wurde auch gemunkelt, dass sie ein Paar wären. Sie haben wirklich viel Zeit miteinander verbracht. Viel eher trifft eine andere Zusage zu, auch wenn sie sich ein Zelt teilten und Detinos den Verehrern und den Minnen Ratrees immer wieder furchteinflößende Blicke zuwarf.
An dem Abend der Geschichte über die Königin, die viele Leute zu Tränen rührte, war untern den Zuhörern auch ein besonderer Gast: Somilge. Sie unterlag ihrer Sehnsucht nach Detinos und wollte sich mal ihre Konkurrenz anhören. Sie beneidete Ratree darum immer so nah an Detinos zu sein, immer seinen Duft um sich zu haben und seine sanfte Stimme zu hören. Andererseits, konnte sie sich bei dem Antlitz dieser Person, Ratree, kaum vorstellen, dass sie so eine verträumte und unreife Persönlichkeit hat. Ihrer Erzählkunst nach, war sie sehr reif und verantwortungsvoll.

Somilge näherte sich langsam dem paar Gauklern, die versunken in ihrer Geschichte waren. Insgeheim stellte sie sich vor, wie die Beiden die Geschichte nachspielen würden, im Amphitheater an einem Sommertag: In der Rollenverteilung war Detinos der König und Ratree die Königin. Somilge schämte sich ja für ihre Fantasien, aber der markerschütternde Satz: „Sei still, solange es nicht ausgesprochen wird, ist es nicht zu spät“ spukte ihr seit der ersten Begegnung mit Detinos im Kopfe herum. Sie verkleidete sich sogar mit einem dunkelbraunen Umhang um bloß nicht aufzufallen.

Als die Geschichte gerade zu verstummen begann, stürzte ein junger Mann auf die Bühne und bedrohte die Gaukler mit seinem Schwert: „Eine Schande seid ihr!“ schrie er. „Verführer und Hurenhelden!“ kreischte er mit Schaum vor dem Mund. Seine Augen zeigten eine Mischung aus Wahnsinn, blinder Wut, Rachelust und Abscheu für die wandernden Künstler. Die Luft erstickte vor Anspannung und Angst.
Der fremde Jüngling konnte so schöne strahlende blaue Augen haben, schöner, als die, die er hatte, mit seiner bleichen Haut wirkte er eher wie ein Untoter. Er schien abgesandt vom Teufel persönlich, um die Sippe der Gaukler zu verfluchen und zum Teufel zu führen.
Seine Klinge lechzte nach Rache und heulte mit jeder schnellen Bewegung seines Armes in Richtung eines Geräusches vor Schmerz auf. Er ließ seine Augen von einem Gaukler auf den anderen wandern, prüfend und trotzdem vorsichtig. Dann, plötzlich, ruhten seine Blicke auf Detinos.
„Fliederne Augen….. rabenschwarzes Haar…… du …..d-u……..DU HAST SIE MIR GENOMMEN. DU DÄMON!“ schrie er. Detinos wurde kreidebleich, er spürte, wie sein Puls vor Angst raste. Dann wich er ruckartig zurück und ließ seine Laute fallen. Der hellbrünette Fremde ging schweren Schrittes auf Detinos zu, die Klinge bereit vorzustechen.
Was sich in den folgenden Minuten ereignete, war besser, als jedes Theaterstück. - Es heißt die besten Geschichten schreibt das Leben, in diesem Fall ist es sogar auf dem Niveau eines aristotelischen Theaters.

Der Fremde zitterte und bewegte sich schwerfällig immer näher. Seine eisblauen Augen füllten sich mit Tränen. Er zitterte und seine Klinge blitzte blau wie seine Augen zwischen dem Lagerfeuerrauch hervor. Ratree hatte große Angst um Detinos. Es schien richtig ernst zu werden.
Somilge sah man ihre Angst sogar an. Es fehlte wohl nicht viel und sie würde in Ohnmacht fallen. Sie hatte noch nicht mal den Mut zu zittern, sie erstarrte. Ihr Brustkorb ging deutlich hoch und runter, immer schneller und schneller, wie ein Athlet seine Muskeln bewegt in einem olympischen Sprint.

„Kertes, sei still und beruhige dich!“ herrschte eine weibliche zierliche Stimme den blonden Mann an.
Der Mann reagierte nicht. Im Gegenteil er ergriff leise und drohend das Wort:
„Luna, verdammter Barde, gib mir meine Luna wieder. Gib sie mir zurück, auch wenn du zur Hölle fahren musst ….. Gib –sie- mir –zurück- …“keuchte er wutentbrannt.
„Ich ..ich weiß nicht…“ wimmerte Detinos im Angesicht seines baldigen Todes. Wenn er nun stirbt, wer würde sich dann um Ratree kümmern - oder besser um Prinzessin Dayea. Wer würde ihre Reinheit waren? Verängstigt schielte er zu Ratree rüber. Sie zuckte leicht zusammen, als sich beider Blicke trafen.
Detinos war trotz seiner vielen Weibergeschichten, ein Mann von Ehre. Er ahnte wozu ein Mann fähig war, wenn er wütend war. Nichts konnte ihn aufhalten. Als der blasse Jüngling aufstand und seine Klinge zog, in mitten von einer Menschenmasse, ging es um mehr als bloße Vergeltung: Es ging um seine Ehre als Mann. Ein richtiger Mann, bereit für seine Minne sogar sein Leben zu lassen. Diese Sorte Mann sollte man am meisten fürchten, denn sie ist zu allem fähig.

Ratree dagegen verstand den Blick von Detinos falsch. Sie dachte, er bat sie, etwas zu tun. Ratree war ja anmutig von Gestalt. Sie könnte mit genug Mut den Wahnsinnigen aufhalten. Die einzige Waffe gegen so eine blinde Kampfmaschine ist die zarte Berührung einer holden Maid und der Blick, der dem Ehrenmann sagen soll, dass er nicht den falschen Weg gehen soll. Vorsichtig nährte sie sich dem Bewaffneten und begann eine sanfte Melodie zu summen. Sie fixierte ihr Schultertuch fester an ihr Kleid und verschränkte vor ihrer Brust die Arme. Leisen Schrittes nährte sie sich und begann langsam eine Weise zu summen und später auch zu singen, die eigentlich nicht förderlich für die Situation war. Ein altes Märchen um die Entstehung der Welt. Die magische Symbologie, des Jahreswandels und der Entstehung der Herrscherhäuser: Phönix, Drache, Tiger und Schildkröte. Ihre Stimme erklang wie der Gesang einer Hohepriesterin, die das Julfest lobte: hell, klar und harmonisch, wie der leise Gesang eines Karyobinga: Ein Vogel aus der fremden Welt des westlichen Paradieses, das in den Sutren des Amithaba, besungen wird. Ihre Stimme war nicht die gleiche, wie die der Erzählerin Ratree. Ratree wirkte auf einmal wie ein anderer Mensch und für ein paar Sekunden, zeigte sie die Würde der Thronfolgerin, auf die sie erzogen worden ist. Das alles unbewusst. Eigentlich wollte Ratree nie wieder mit dem Phönixhaus in Verbindung gebracht werden:

Schon in alten Zeiten hatten die hohen Herren

So mache Wonne in der Weiberei.

Nur ein tapf´rer Held beließ es nicht dabei

Vier Ehefrauen hatte er, jede an einem anderen Ort;

Eine mit Augen so blau wie das Licht,
dass sich im ew´gen Eise bricht. Die Haut so weiß und rein wie frisch gefalln´e Flocken.

Von Gestalt so zierlich schmal.

Eine mit Augen von sanften grünen Licht,der frisch gesproß´nen Frühlingsknospen.
Die Wangen rot wie der Glanz des Haares, der schimmert
wie der Glanz von Spinnweben in der Morgenröte

Eine hatte schwarzes Haar wie die mondlose Sommernacht. Die Augen waren ein Lavendelfeld voll Blütenpracht

Die letzte im Bunde hatte blonde Locken, wie tanzendes Herbstlaub, ihre Augen waren braun wie reife, süße Nüsse, warm und sanft.

Jede von ihnen gebar ein Kind, und geboren waren die Herrscherhäuser.

Jede von ihnen liebte den Edelmann so, dass Sie ihm auch Untreu verzieh´n

Ihre Gatten in den fremden Ländern, viere, den Edelmann verzieh´n

Solang der Edelmann sie glücklich macht.



Ratree holte tief Luft und lenkte die Klinge hinunter. Der Fremde sah sie mit leeren Augen an: „Sie liebte ihn und er brach ihr das Herz, indem er sie ablehnte. Sie wurde krank vor Kummer. Ich dachte, vielleicht, würde sie mich auch lieben lernen, wenn ich mich um sie aufopfernd kümmerte… es half nichts, Luna war blind vor Begierde. Sie sah nicht, wie ich litt, wie ich empfand…. Ich wollte sie zur Braut. In ihrer schwächsten Stunde noch wollte ich sie ehelichen, sie mit Liebe heilen, aber …. Sie konnte den Barden nicht vergessen, der sie vor perversen Rüpeln errettete und ihr dann Geleit nach Hause gab… All ihre Anstrengungen lehnte der Barde ab, sogar ihr selbstgemachtes Essen und ihren selbstgenähten Umhang. Er küsste ihr die Hand und sagte, das würde ihm als Dank reichen. Dann verschwand er….“ erklärte der Fremde.


Er fiel vor Ratree auf die Knie und fing an zu wimmern, bis er in einem Heulkrampf ausbrach. Er klammerte sich an ihren Rock und Ratree schaute hilflos und stocksteif in die Leere. Der Fremde ließ seine Klinge fallen.
„Wie war euer Name junger Edelmann?“ fragte Ratree leise und immer noch mit ihren Gedanken woanders. Nach dieser tragischen Geschichte, fühlte sie sich ebenso leer, wie der Schatten von einem Mann, der vor ihr kniete und wimmerte wie ein kleines Kind. „Kertes“ antwortete er.
Das war das Stichwort für die Frau, im dunklen Umhang, die vorhin schon versuchte Kertes aufzuhalten. Sie landete mit einem Hechtsprung auf der Bühne und zog den Jüngling fort. Sie versuchte ihr Gesicht so gut es ging unter der Kapuze zu verstecken.
Das Publikum raunte und unterhielt sich leise. Sie Frau verschwand mit einer Rauchbombe in die schwarze Nacht. Sie rempelte bei ihrer Flucht, Somilge an, die immer noch im Schockzustand war. Somilges Augen zitterten, als sie einen Blick auf das Gesicht der Fremden erhaschte: Die Fremde war entgegen ihrer straffen Stimmlage sehr jung, ein paar Jahre älter als sie selber. Sie hatte glattes rotes Haar und blaue Augen. Das Gesicht kannte Somilge auch, es war Prinzessin Sirenha Suzaku. Sie wusste das, weil Sirenha häufig bei den Paraden des verstorbenen Königs bei war.

Wieder tat sich vor der Jungen Näherin ein Rätsel auf. Sie hatte ein ungutes Gefühl im Herzen und fühlte sich überfordert. Im Moment wünschte sie sich nichts mehr, als die starken Arme von Detinos im ihre Schulten um sich auszuweinen. Ihr kullerten heiße Tränen über die Wangen – leise. Das Schluchzen unterdrückte sie. Wenn sie nun aus heiterem Himmel weinen würde, wäre es nicht gut. Nicht vor all den Leuten. Sie blickte hilfesuchend zur Bühne um wenigstens einen Blick ihres Angebeteten zu erhaschen. Sie war also nicht die erste, die er verzauberte… dieser Gedanke ließ sie sich minderwertig vorkommen... und einsam… Sie wusste nicht ob sie ein Opfer seiner „Zauberei“ war, oder ihre Gefühle echt. Das einzige, was sie sah, als sie zur Bühne blickte, war, wie Detinos, sich an Ratree klammerte, und wie eine Glucke sicherstellen wollte, dass Ratree nicht verletzt sei, oder anderen Schaden davontrug. Dieses Bild machte sie noch trauriger, auf einmal wimmelte es in ihren Gedanken vor Erinnerungen: Sie revidierte Erinnerungsfetzen von Gesprächen wie: „Solange es niemand ausspricht gibt es noch ein zurück. – Sie ist untalentiert im musikalischen, aber eine fantastische Erzählerin, wie Saga…. Er brach ihr das Herz und ich konnte sie noch nicht mal mit meiner aufrichtigen Liebe heilen. …. Wenn du sie auch aus der Hölle holen musst, gib sie mir zurück!..... er lehnte all ihre Mühen ab, und begab sich mit einem Handkuss zufrieden….“ All diese Gedanken und hässliche Fratzen wanderten in ihrem Kopf umher.
Erst Ratree dann Luna, wer noch außer sie.
Ist Detinos die Wiedergeburt dieses Edelmannes, dieses obersten Gottes und Gottvaters des Herrschergeschlechts? Sie verstand nicht und rannte immer schneller querfeldein nach Hause, mit Tränen, die flossen und nicht mehr aufhörten zu fließen.

Die Passanten sahen sie nur verwirrt und mitleidig an, oder ihr nach, wenn sie an ihnen vorbeieilte. Als sie in ihrem Zimmer ankam, wollte die Großmutter wissen was los ist. Sie antwortet nicht, sondern weinte und weinte, bis sie vor Erschöpfung einschlief.

Dieser Tag veränderte Somilge, und nicht nur sie, auch Kertes, Sirenha, Detinos und Ratree kamen an einen Punkt an, wo sie die Welt mit anderen Augen betrachten MUSSTEN:



Kapitel 3



„Erkläre es mir!“ forderte Ratree Detinos auf. Detinos reagierte nicht und stimmte weiterhin alle seine Zupfinstrumente. Ratree seufzte halb wütend und halb traurig, darüber, dass Detinos sie im Moment wie Luft behandelte. Sie kannte zwei Arten die Wut auszudrücken: Die eine war, die sich ausschweigende Art. Egal was man tut, man spricht gegen die Wand und ignorierte alles um einen herum. Die andere Art war, die Art, in der man die ganze Zeit redete und schimpfte. Sie gehörte eindeutig zu der zweiten Art, während Detinos zur ersten Art gehörte.

Schön, er ist sauer, dachte Ratree sich, trotzdem sollte er sich erklären! Was soll dieses kindische Verhalten? Wir wohnen schließlich schon seit drei Jahren im selben Zelt und haben bisher immer alle Gedanken geteilt, sinnierte sie vor sich her. Detinos starrte in den Himmel und zählte die Sterne.
Ratree wurde so langsam richtig sauer. „Was soll das!“ fauchte sie ihn an. „Ich rede mit dir!“ zischte sie, während sie ihn schüttelte.
„Der Mond scheint heute wunderschön…“ antwortete Detinos.
Ratree funkelte ihn an. Das was Detinos tat, war wohl das dreisteste, was sie je erlebt hatte. „Ich glaub´s nicht! Wenn was wichtig ist, dann fällt dir nichts weiter, als banaler Scheiß ein? Was glaubst du eigentlich wo du bist? Und Wer du bist?“ brüllte sie. Sie hob die Hand um ihn eine ordentliche Backpfeife zu geben. Sie kochte vor Wut. Sie konnte sein Verhalten einfach nicht nachvollziehen und akzeptieren schon gar nicht. Als sie Detinos dann allerdings in die leeren Augen schaute, die unberührt von ihrer erhobenen Hand schienen, holte sie tief Luft und zog die Hand langsam wieder runter.
„Ratree?“ sagte Detinos leise und Ratree zuckte zusammen. War er nun doch endlich Willens um ein ernstes Gespräch zu führen? Ratree wunderte sich schon immer, wieso er sich für den Ernst des Lebens nie interessierte aber hier ging es schließlich um sein eigenes Leben, trotzdem hat der nur Unsinn im Kopf. Ratree schaute ihn an: “Mnn?“ antwortete sie energisch und kreuzte bockig die Hände über die Brust. „Ich sehe deine Unterwäsche, wenn du so zur Laterne stehst..“ sagte er nur. Das langte Ratree nun. Sie stampfte auf und schubste ihn hart in eine Ecke gehen eine Truhe.

„Du bist so ein kindischer Vollidiot, wie kann man nur so total daneben sein und noch nicht mal merken, wenn neben einem ein Dorf abbrennt. Davon abgesehen, bist du so blöd oder tust du nur so. Weißt du nicht wie man Prioritäten setzt? Oder besser, wie man richtige Prioritäten setzt?! Offensichtlich war eben noch dein Leben in Gefahr und offensichtlich, ist das jetzt das Thema und nicht der Mond oder meine Unterwäsche! Weißt du eigentlich, dass ich eben mein Leben für dich riskieren musste, was wäre, wenn der wutentbrannte Fremde mich abgestochen hätte, bei dem Versuch ihn zu stoppen? Hast du darüber schon nachgedacht? Oder wäre es dir lieber, hätte man mich abgestochen? Ich glaub´s einfach nicht! Du bist unmöglich! Wie kann man nur so ignorant sein, bist du als Kind vom Schrank in heißes Wasser gefallen oder was? Haben die Götter vergessen dich mit Hirn zu segnen, oder liegt das einfach daran, dass du die Realität verabscheust! ICH HASSE DICH !!!!“ hielt das rothaarige Mädchen dem jungen Barden eine Predigt und rannte aus dem Zelt mit schweren Schritten.

So Sauer hatte Detinos, das sonst sehr ruhige junge Mädchen nie erlebt. „Wohin willst du Ratree?!“ rief er ihr hinterher. „SPAZIEREN!!“ brüllte sie zurück.
Benommen taumelte Detinos zur Zelttür und lehnte sich an den Eingangspfahl, weil ihm vom Schlag gegen die Truhe ein wenig komisch war. Er schaute in die Nacht um Ratree zu finden. Er fand sie nicht mehr, nur ihr rotes Schultertuch, dass sie bei der wutentbrannten Flucht fallen ließ – die anderen Gaukler in der Nachbarschaft hörten den Streit und schauten müde und schockiert raus.

„Hier gib´s nichts zu sehen!“ schnauzte Detinos sie an und hob das Schultertuch Ratrees auf
„Scheiße“ fluchte er. Er beschloss erst mal zu warten und setze sich vor das Zelt. Er konnte ihr sein Verhalten nicht erklären.
Es war einfach so, er hatte Angst vor dem Ernst des Lebens. Er wusste der Ernst des Lebens ist nicht so schön, deswegen liebte er Banalitäten mehr. Was er nicht wusste war, dass man eben mit dem Ernst des Lebens, leben muss und ihn nicht ignorieren kann. Weglaufen kann man davor auch nicht, denn die Realität holt einen schnell ein und wenn man dann die Augen verschließt und versucht, weiterhin auf weißen Wolken zu schweben, kann man Menschen verletzen, die einen was bedeuten, wie in seinem Fall, Ratree.

Nach einer guten Stunde kam Ratree immer noch nicht wieder. Detinos begann endlich sich zu sorgen. Er merkte, dass er Handeln muss und begann sie zu suchen.


Kapitel 4



Kertes saß im Innenhof, der alten Klosterruine mitten im Wald, die den Rebellen als sicheres Versteck diente. In diesen Teil des Waldes trauten sich die Menschen nicht, denn er galt als verflucht durch die Mönche, die ehemals in den Ruinen lebten. Über Kertes schimmerte ein sanftes grünliches Licht von einer Kugel hinunter, die in der Mitte der großen Kuppel hing. Die Steine waren Spinelle, die tagsüber das Sonnenlicht speicherten um es abends als Beleuchtung zu nutzen. Die Mönche, die hier lebten, waren die ersten mit solch einer Lichtquelle, da sie einen Sonnengott anbeteten.

Der Spinell war entsprechend, ein heiliger Stein, und überall da zu finden, wo die Sonne ihn aufladen konnte. Die Schattenspiele, die, die Steine in Kombination mit den verschieden Bruchstellen der Ruine zeigten, gaben Kertes immer einen inneren Frieden. An diesen Ort hatte er das Gefühl, endlich für sich alleine zu sein. Heute war viel geschehen und er musste erst mal den Tag reflektieren um zu wissen wie es in Zukunft weitergehen soll.

Der Grund, weswegen, er immer Kampfsport und Schwertkampf trainiert hat, war, dass er Rache an den Mann üben wollte, der seiner Luna das Herz gestohlen hatte. Nun da er vor ihm stand und es nicht schaffte, ihn zu töten, wozu soll er sich noch anstrengen? Er fühlte sich wieder wie ein Kind. Seit er denken konnte, fehlte ihm jede Perspektive, bis zu dem Tag, wo er ein Mädchen traf, das gerade ein paar Jahre älter als er selber war:

Eines Tages stand plötzlich ein wunderschönes Mädchen vor ihm, ihr rotes Haar schimmerte in der Mittagssonne feurig, und ihre dunkelblauen Augen ließen Kertes damals versinken in die unendlichen Tiefen des Meeres. Wie gebannt starrte er das Mädchen an, das geheimnisvoll lächelte. Mit einer sanften Bewegung streckte sie ihm ihre Faust entgegen und drehte das Handgelenk, um dann die Faust zu öffnen. In ihrer Hand hatte sie eine Menge geröstete Bucheckern, die sie ihm mit ihrem Lächeln angeboten hatte. Kertes nahm das Geschenk an, denn er hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen.

Zu seinem Erstaunen setzte sich das Mädchen zu ihm und unterhielt sich mit ihm. Sie sagte, dass er ein wunderschöner Junge sei und, dass sie nicht verstand, wieso keine Eltern ihn adoptieren wollten. Er erinnerte so, an die erste Frau des Vorvaters der Herrscherhäuser. Sie sang ihm das Lied über die vier Bräute des Edelmanns. Kertes lächelte unwillkürlich, denn das war das erste Mal, das jemand sagte, dass er so aussah, wie die Ahnin, des ersten Herrscherhauses.

Es schmeichelte ihm sehr. Das Mädchen errötete und erklärte, sie kenne einen, der so ähnlich war wie er: Dieser hatte eisblaue Augen aber schwarzes Haar. Er ist ein großer Mann, da wo sie herkommt und er heißt Alkibiades. Er würde immer mit einem dunklen Umhang durch die Gegend rennen und sei wie ein Vater für sie. Dann kicherte sie und versteckte ihr Gesicht hinter ihre Knie. Alkibiades habe nämlich noch einen Sohn, er hat schwarze wirre Haare und wunderschöne grüne Augen. Für sie war er wie ein Bruder, sie fühlte sich wundervoll in seiner Gegenwart. Sie fragte Kertes, ob er nicht mit ihr kommen wollte. Sie mag Kertes, deswegen soll er nicht mehr wie ein streunender Hund leben müssen. Ohne zu Zögern ging Kertes mit.

Als Kertes das erste Mal diese alten Ruinen betrat, war ihm merkwürdig. Es schien bedrohlich und kalt. Später gewöhnte er sich daran. Er wurde in einen großen Saal geführt, der durch Spinelle in verschiedensten Farben erleuchtet wurde. Am Ende des Saales stand ein großer Holztisch, an dem düstere Gestalten saßen und sich unterhielten. Vor der Gruppe von Männern, lag eine Karte ausgebreitet. An der Mitte des Tisches, saß ein junger Mann mit blasser Haut und schwarzen Haaren. Er hatte eisblaue Augen wie Kertes selber. Das musste Alkibiades sein. Alkibiades schaute Kertes erstaunt an. Er ahnte wer Kertes war und das machte ihn Sorgen. Er hatte erwartet, das Kertes schon vor Jahren im verfluchten Wald ausgesetzt wurde und starb.

Nun stand er vor ihm und seine Vergangenheit drohte Alkibiades wieder einzuholen. Damals regierten die Eisnomaden das Land. Das war nicht lange her. Der Krieg zwischen den Häusern, Gilden und Kasten war schon seit Jahrzehnten entbrannt. Die Häuser stritten darum, wer das wahre Herrscherrecht habe.
Die Gilden sind der Meinung, die Herrscherhäuser vernichten zu müssen. So entstanden die Rebellen. Und, die Gaukler sind dafür, dass man sein Leben nicht von Herrschern, sondern sein Leben selbst bestimmen lassen sollte.

Damals war der Blauäugige noch ein Spion für das Haus des weißen Tigers, das seinen Hauptsitz im Westen des Landes hatte. Er bekam die zweite Tochter des Herrschers zur Frau, damit er immer loyal bleiben musste.

Schließlich würde er seine Arbeit dann nicht mehr für Geld machen, sondern, weil er zur Familie gehörte. Gefragt wurde er nicht und eine Ablehnung der Hochzeit, würde zu seiner Hinrichtung führen. Die Ehe ging ein paar Jahre gut, bis der König Pamahres Baihu von Alkibiades und seiner Tochter Kuntalapa ein Kind verlangte. Der Gedanke war dabei die Loyalität von Alkibiades zu prüfen und ihn endgültig an sein Haus zu binden. Kuntalapa, die Alkibiades wirklich liebte, wollte den Wunsch ihres Vaters erfüllen, um jeden Preis. Sie verbrachte Tag und Nacht damit, dass sie versuchte Alkibiades davon zu überzeugen, dass er ihr doch ein Kind schenken sollte. Alkibiades weigerte sich immer wieder.

Seine Pläne beinhalteten kein Kind. Kuntalapa beschloss deshalb, eines Tages Alkibiades ein betäubendes Aphrodisiakum in seinen Abendtee zu gießen.

Ein paar Monate später konnte sie ihr Geheimnis nicht mehr verbergen. Ihr Vater und sie waren nun glücklich, aber Alkibiades wurde zunehmend kälter und rücksichtloser gegenüber der jungen Mutter. Er verzieh ihr nicht für diesen Verrat. Er trank, und verwüstete regelmäßig die Wohnung, beschimpfte Kuntalapa und ging ihr mit jeder bekannten Kurtisane der Stadt fremd.

Am nächsten Tag war er immer gut erholt auf der Arbeit. Er pflegte sich immer noch gut und arbeitete sich so in die Materie, dass es schien, dass der Plan von Pamahres aufging. Im Hause von Pamahres Tochter aber, gab es nur Unglück. Kuntalapa weinte nur noch und suchte Trost bei dem Neugeborenen. Sie fürchtete sich, wenn sich Alkibiades ankündigte. Ihr bangte vor seinen Schlägen und Beschimpfungen. In den letzten Monaten vor Alkibiades Verschwinden, nahm er sogar Prostituierte mit nach Hause um sich an denen vor Kuntalapa zu vergehen.

Kuntalapa bekam als Folge ihrer Folter die Schwindsucht und Alkibiades überzeugte Pamahres davon, dass das alles nur die Schuld des Kindes sei. Er holte sich die Erlaubnis, zu einer Banshee zu gehen, um einen Handel abzuschließen, womit er Kuntalapa angeblich retten könnte. Der König willigte ein und Alkibiades ging den verfluchten Wald um eine der weißen Damen aufzusuchen.
Er fand eine noch relativ junge weißgekleidete Dame, die den Handel einging. Sie gab ihm ein Armband mit einem Schild, wo der Name Kertes eingraviert war.

Alkibiades Sohn, hatte keinen Namen erhalten, aber die Dame brauchte dringend einen, um das Kind zu holen. Sie dachte Kertes sei ein passender Name, da er von einem Krieger berichtet, der von dem Sonnengott getötet worden sei. Es sei also gleichseitig eine Götterstrafe, wenn sie den Jungen so zu sich holen würde. Kertes war nämlich ein, vom Klerus verbotener Name. Alkibiades nahm das Geschenk an und hing es um den Arm von seinem Sohn. In der gleichen Nacht um Mitternacht, holte die Banshee wie versprochen das Kind ab.

Als Preis für den Handel nahm sie Kuntalapa die Seele. Alkibiades heulte verzweifelt und tat vor dem König so, als würde er schrecklich unter diesen Verlust leiden. Er kündigte mit dem Argument der Trauer seine Stelle und war seit dem nie wieder gesehen worden.

Nun stand er seinem Sohn gegenüber, der lebendig war, wie nie zuvor. Anscheinend hatte die Banshee ihn damals reingelegt und nur ausgesetzt und nicht wie vereinbart, getötet. Sie wollte wohl nur die Seele Kuntalapas haben. Er überlegte, wie er nun aus dieser Misere rauskommen würde und beschloss seinen Sohn wieder als Zögling aufzunehmen. Er plante sich an Pamahres zu rächen, in dem er Kertes zu einen großen Krieger ausbildete und auf Pamahres hetzte.

All das wusste Kertes nicht.

Für ihn war Alkibiades ein Magister, trotz, dass Kertes innerlich wusste, dass ihn mit Alkibiades mehr verband, als, das Magister Schüler Verhältnis. Er wusste nur nicht was. Seine einzige Familie waren Sirenha, das Mädchen, das ihm damals Bucheckern schenkte und Luna, die er verloren hatte. Sirenha war, seit er bei den Rebellen war wie eine Schwester für Kertes. Obwohl sie auch sehr litt.

Der Sohn von Alkibiades, Haspe, schien sie immer in Verlegenheit zu bringen. Seit Kertes Luna kannte, wusste er was da vor sich ging. Das tiefe innere Feuer der Liebe, verband Sirenha mit dem Rebellensohn und das schon, seit sie klein war. Im Gegensatz zu ihrer Cousine, Dayea, kannte Sirenha ihre weiblichen Reize und spielte sie gerne für Spionagezwecke aus. Sie war unter den Assassinen-Corp die Mata Hari, die alle Infos bekommen konnte und dem kein Opfer entkommen konnte. Kertes wünschte sich schon irgendwie, so zu sein wie sie, aber er hatte ja Luna und wollte ihr über den Tod hinaus noch treu sein. Zumindest dachte er das, bis zum gestrigen Tag. Diese junge Gauklerin, Ratree, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er wollte sie wiedersehen und sich für sein Verhalten entschuldigen. Aber er wusste nicht wo er sie ohne ihre Wachhunde antreffen könnte.

Er erinnerte sich an die Geschichte, die Sirenha von sich erzählte. Damals war das Haus des weißen Tigers häufig zu Besuch bei Sirenhas Eltern. Ihr Vater und Pamahres Baihu hatten fast jeden Tag ein Gespräch in dem Lehrzimmer ihres Vaters. Das ärgerte Sirenha besonders, weil sie dort oft Stunden verbrachte um die Bücher zu studieren, und nur zum Baden oder Essen hinausging,. Das Zimmer war rund. Auf dem Boden war ein Kompassstern aus Mosaik ausgebreitet. Die Kuppel bestand aus gitterartigen Ebenholzgestell und Kristallglas, das nicht facettiert war. Eine Sitzgelegenheit aus Leder und ein kleiner runder Tisch mit einem Ahornbonsai waren in der Mitte des Saales angelegt. Die Wände der Kuppel waren über und über mit Büchern bestückt. Sirenhas Vater lud als Hobby einmal in der Woche Buchhändler von überall her ein, um von ihnen eine Wagenfuhre neues Lehrmaterial zu kaufen. Sirenha verbrachte seit sie lesen konnte jeden Tag in diesem Zimmer, aber sie hat es bis heute nicht geschafft alle Bücher des Saales zu lesen.

An diesem Abend war ihr Vater sehr sauer und schmiss König Baihu raus. Baihus Lakai Alkibiades folgte seinen Herren unauffällig. Als er das junge Mädchen mit einem Buch in der Hand sah, gab er ihr ein weiteres Buch in die Hand. Er sagte, sie solle das unbedingt lesen, weil es sehr interessant ist, aber sie dürfte niemanden dieses Buch zeigen. Das Buch war ein Manuskript, in Papyrus gebunden, zerknittert und abgewetzt. Sirenha, die auch die Ästhetik der Bücher von außen achtete, verzog angewidert die Nase und wollte das Buch zurückgeben - leider zu spät.

Alkibiades und Pamahres waren schon längst verschwunden. Schweren Herzens schaute sie einmal kurz hinein. Das Buch war in einer außergewöhnlichen Handschrift geschrieben, sehr fein und gut leserlich, die Anfangsbuchstaben jeder Seite begangen mit einem Buchstaben aus purem Gold: Das spürte die Rothaarige, als sie darüberstrich und sich ein feiner, elfenartiger Staub an ihren Fingerspitzen sammelte. Die Handschrift wirkte weise und dennoch leidenschaftlich. Es war ein politisches Buch, das darüber philosophierte, wie die Gilden versuchen würden den Adel zu stürzen. Auch wenn Sirenha klein war, wusste, sie, dass alles was in diesem Buch stand tatsächlich so sein könnte. Das würde den Streit ihres Vaters mit König Baihu erklären. Jede Seite dieses Buches war ein Diskurs über die Macht des Geldes und der Güter. Über Bestechung, Massenverschuldung des Adels, die Auswirkungen eines fehlenden Krieges usw. Sirenha war erschrocken. Sie wusste nicht, was sie mit dem Buch anfangen sollte. Sie sorgte sich um ihre Familie und tauschte mit einer Magd die Kleider, um sich die Händler persönlich anzusehen, die ihre Existenz mit Geld und Macht bedrohten. Sie fand in der Stadt keinen Hinweis. Nur kleinere Andeutungen, wie das Tragen von gewissen Farben und Stoffen, der dem Adel zugesprochen wurde.

So schaute sie eine halbe Stunde einer Gruppe junger 13- 16 jähriger Mädchen, die zu angesehenen Händlerfamilien gehörten, beim Tee zu, und lauschte. Die Art des Verhaltens,in den Gesprächen, kannte sie ebenfalls nur vom Adel. Im Buch stand: „Sie ahmen die Adeligen nach um ihnen näher zu sein, doch sie sind inzwischen zu nah, denn sie sind nun kaum mehr von höheren Töchtern und Söhnen zu unterscheiden.“ Sirenha erschrak. Sie wollte ihr Leben nicht ändern müssen, nicht wie die Bauern laben. Sie wollte ihr normales Leben weiterführen und nicht, dass ihr Vater sich bei diesen Halsabschneidern verschuldet.

Sie rannte ängstlich zum Fluss und hockte sich ans Ufer. Dort fing sie an weinen. Ein Junge kam auf sie zu und redete ihr tröstend zu. Er wollte wissen was mit Sirenha los ist und sie erzählte von dem Buch und Alkibiades und den Händlertöchtern, die wie Affen den Adel nachmachen würden. Der Junge fing an laut zu lachen.

Sirenha schmollte und funkelte ihn, mit ihren vom Weinen geschwollen Augen an. Der Junge war für sein Alter schon außergewöhnlich hübsch von Gestalt. Er hatte schwarzes kurzes Haar, das er zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden hatte und grüne Augen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken oder mich lustig machen über dich. Du klingst verzweifelt, aber es gibt eine Lösung. Dort wo es politische Differenzen gibt, gibt es Rebellen.“ sagte der Junge.

Sirenha schwieg und starrte auf ihr Spiegelbild am Wasser. „Mein Name ist übrigens Haspe.“ sagte er ruhig „Und ich möchte dir gerne was zeigen, was deine Tränen trocknen könnte.“ erklärte er weiter und zog Sirenha schon hinterher. Er brachte sie dorthin, wo in dieser Nacht nun Kertes saß, und das war auch der Beginn ihrer Ausbildung als Assassinen.

Kertes, der langsam wieder seine Gedanken sammelte, gähnte. Er war müde und lächelte. Er hoffte nun morgen seiner vielleicht neuen Göttin zu begegnen und wollte sich gerade auf den Weg ins Zimmer machen, als er von weiten, eine zierliche Frauengestalt sah: Ganz in Weiß. Sie schien orientierungslos, doch als er versuchte, sie einzuholen, verschwand sie wieder. in ihm kroch langsam die Angst hoch. Er hielt die Hand an seine Schwertscheide und machte sich zum Angriff bereit. Er hatte nun zwei Befürchtungen. Die eine war, dass es sich bei dieser Gestalt um eine Banshee handelte, dass bedeutet, dass jemand, den er liebte, in Gefahr war, oder dass jemand einen Handel machte um eine unschuldige Seele zu stehlen. Solche Geschichten kannte er zu Hauf von den Gauklern.

Er traute sich nicht näher an den dunklen Wald. Dann hörte er plötzlich eine verzweifelte Männerstimme markerschütternd schreien: „Ratree!! Ratree, wo bist du? Komm zurück!!!RAAATREEE?“
Kertes schreckte zusammen und versuchte sich zu verstecken. Er ging unter einen Holunder Busch in Deckung. Plötzlich sah er ihn: Denjenigen, den er so sehr verachtete. Den, der sogar sein Ziel zerstörte, ihn zu zerstören. Detinos, trug ein rotes Hemd und hielt Ratrees Schultertuch in den Händen. Es schien, als hätte er sich nicht die Mühe gemacht, seine Auftrittsgewandung zu wechseln. Er wirkte verwirrt und verzweifelt.

So große Angst, hatte Kertes noch nicht mal in Detinos Augen gesehen, als er ihn bedroht hatte.
„Oh ihr Götter, bitte gebt mir meine Ratree zurück!“ jaulte er auf und sank ermüdet auf die Knie und vergrub sein Gesicht in das Schultertuch und weinte. So sehr, wie Kertes ihn am Nachmittag verachtete, es überkam ihm ein tiefes Mitleid. Vor sich sah der Blauäugige einen gebrochenen Mann. Er kämpfte mit sich, andererseits, verstand er ihn als Mann. Wenn Luna von ihm weggelaufen wäre, würde er sicherlich auch so wahnsinnig reagieren. Er fixierte Detinos. Das Lichtspiel der Spinelle ließ Kertes Blick verschwimmen und seine Wahrnehmung verändern. Auf einmal sah er sich selber anstatt Detinos gekrümmt hocken und weinen. Das Gefühl der Gleichheit mit seinem Konkurrenten beängstigte den Rebellen.

In ihm kroch langsam die Panik hoch. Er versuchte seinen Blick abzuwenden, doch es ging nicht. Er schwankte mit dem Bedürfnis Detinos einfach hinterrücks zu erstechen.

Plötzlich hörte er schönen Gesang aus den Wäldern. Die Tiere wurden still, nicht ein Insekt zirpte, nicht ein Windhauch erschien, und der Mond verdunkelte sich. Die Spinelle wurden blasser und blasser, bis ihr Licht verschwand. Ein Nebel kam aus dem Tiefen des Waldes und umkreiste den Barden. Detinos, schaute in den Nebel und schien etwas Erschreckendes zu erkennen. Er erstarrte wie tot. Kertes wurde nervös und wusste nicht, was er tun sollte. Sein Körper gehorchte ihm nicht. Aus dem Nebel wuchsen weiße Frauensilouetten - Banshees. Eine dieser Damen richtete den Finger auf Detinos Stirn und durchbohrte ihn mit einem weißen Lichtstrahl. Detinos fing an zu keuchen. Im Gegensatz zu heute Nachmittag, war er nun bereit zu sterben, denn er hatte verloren was ihm so wichtig erschien. Ratree war weg und er fühlte sich nach ihrer Ansprache nicht mehr fähig seine eigenen Ziele zu erreichen. Er schaute die Banshee traurig an und Tränen kullerten ihn von den Wangen.

Er wünschte sich Ratree wenigstens sagen zu können, dass er sie liebte. Plötzlich zerriss ein gellender Schrei die Meditation des Detinos. Es war Kertes, der sich zwischen ihn und den Banshees warf. Die Banshee wurde in ihrer Konzentration gestört, deswegen brach der weiße Strahl aus Licht ab. Detinos fiel in Ohnmacht und das letze was er sah, war Kertes mit gezogener Waffe. Er dachte, er hätte nach dem Grund gefragt, aber es schien, als wäre er plötzlich stumm.

Eine der Banshees fasste Kertes beruhigend auf die Schulter: „Wir wollen euch nichts tun…“ säuselte sie. „Du bist groß geworden Kertes…“ sagte sie weiter. „Woher kennst du meinen Namen, Banshee?“ fragte Kertes. „Ich bin Kuntalapa. Nimm dich vor Alkibiades in Acht. Er hasst dich…“ erklärte sie und gab den anderen Banshees ein Zeichen zum Rückzug. Kertes war verwirrt, er drehte sich in alle Richtungen um die Banshee aufzuhalten. „Woher weißt du wer ich bin?!" fragte er verzweifelt. „Was zum Teufel geht hier vor?“ schrie er. Die Banshee lächelte nur sanft: „Pass auf dich auf, und auf den hitzköpfigen Trottel von Barden, dessen Herz im Moment so trügerisch ist, dass er sich selbst uns als Opfer bat. Er soll dieses Gefühl was er gerade hat nicht vor Dayea Ratree Sumiko Fenghuang zeigen. Das wird ihm das Leben kosten.“ erklärte die Stimme aus der Dunkelheit. Kertes verstand nichts. Er ging zu Detinos um ihn aufzuheben und ins Rebellenlager zu tragen, damit Detinos wieder zur Besinnung kommt. Den ganzen Abend beschäftigte ihn die Begegnung mit den Banshees, doch er beschloss auf keinen Fall Detinos über alles zu informieren.


Kapitel 5



Währenddessen lag Ratree schlafend auf einem mit Moos bewachsenen Stein. Eine weiß gekleidete schlanke Frau kam auf sie zu. Sie hielt eine Hängelaterne mit einem eiförmigen Spinellstein als Leuchtquelle in ihrer rechten Hand in ihrer linken Hand hielt sie eine stumme Rassel, die bebändert war. Sie bückte sich so, das ihr dunkelblondes Haar über ihre Schulter hing und musterte die junge weiß gekleidete Frau. Schon seltsam was der Frühlingswind heutzutage zu uns weht, dachte die Dame. Sie beschloss das schlafende Mädchen mit in den nahegelegenen Tempel zu bringen. Sie konzentrierte sich und erstrahlte im Licht ihrer eigenen Energie. Dann öffnete sich ein drittes Auge zwischen ihren Liedern und sie hob graziös die Arme, ein paar Meter vor und streckte ihre rechte Hand zu Ratree, die ihr dann schwebend folgte. Sie gingen immer tiefer in den nebligen Wald, bis sie an einen alten versteckten Tempel ankamen. Dort ließ die Dame in Weiß Ratree auf einer Liege nieder und deckte sie zu.

Sie beschloss zum Abt zu gehen und ihn über den Fund zu informieren. „Und was gedenkst du nun mit dem Mädchen zu tun, Sise?“ fragte er mit freundlicher und dennoch strenger Stimmlage. „Sie könnte hier arbeiten, wenn sie nichts hat, wo sie zurückkehren könnte. Yoko braucht schon lange eine neue Magd unten in der Küche, werter Abt Kyonobelines.“ antwortete die dunkelblonde Priesterin. Kyonobelines überlegte eine Weile.

Eigentlich mag er ja nicht schon wieder jemanden in seine Gemeinde und Schule aufnehmen, aber Sise hatte Recht, Yoko lag ihm schon seit Monaten in den Ohren, dass sie dringend eine entlastende Hilfskraft brauchte. Zudem käme es billiger, jemanden bei sich leben und arbeiten zu lassen, als dass man eine Fachkraft aus der Hauptstadt holt. Ein Zimmer war immer frei, da es in letzter Zeit nicht viele Schüler gab, oder Waisen, die die Geheimnisse der Magie erlernen wollten. Er stimmte Sise zu und wies der neuen Tempelbewohnerin ein Zimmer zu. Sise bat den Abt die "Neue" auf magisches Potenzial zu testen und bekam auch dafür die Erlaubnis, da es wirklich nicht viele Schüler mehr gab, war dem Abt jeder Schüler recht auch wenn dieser im Wald aufgelesen wurde. Sollte es sich bei dem neuen Mädchen um eine Banshee handeln, die sein Kloster ausspionieren soll, so würde er es merken, wenn sie wach würde, und sie gleich wieder in Asche verwandeln und den Banshees vor die Tür werfen.
Er hasste diese Geisterwesen, die ihr Geld und ihr Wissen damit verdienen, dass sie Menschen übers Ohr hauen und Seelen stehlen.

Als die Tür zum Abtzimmer zuging, sprang Sise in die Höhe und klappte ihre Haken in der Luft gegeneinander. Sie freute sich endlich ein neues Gesicht im Tempel zu haben. Mit den neuen Schülern des Abtes kam sie nämlich gar nicht klar und wollte sich endlich wieder mit jemanden unterhalten können. Der Wettbewerb zwischen den Schülern des Abtes war riesig, aber sie interessierte sich ja nicht für Wettbewerbe, wie „Wer hat den größten…“, „Wer ist die Schönste…“ , „Wer ist die/der klügste und coolste…“ etc. Das war ihr langweilig, viele junge Menschen waren heutzutage echt nur damit beschäftigt, sich voneinander immer wieder exponentiell abzuheben. Sie war im Tempel, weil es ihr Spaß machte und nicht, weil sie sie besondere Auszeichnungen haben wollte. Ihrer Auffassung konnte man ein guter Magier sein, wenn man immer sein Bestes gibt und Menschen hilft, wie eben dem jungen Mädchen hier. Sise entstaubte das Zimmer der neuen Anwohnerin und legte ihr einen schönen Strauß Frangipiani auf den Nachttisch. Diese bunten jasminartigen Blüten rochen wunderbar und waren Sises Lieblingsblumen, neben den Gardenien. Sie würden das ungebrauchte Zimmer gleich mit Leben füllen. Als letztes hängte sie Gardinen auf, räumte den Schrank leer, bezog das Bett und legte Ratree da hinein um sie nicht länger schweben zu lassen, damit sie zur Küche konnte, um einen Tee aufzubrühen und Kekse und Kuchen auf den Tisch zu stellen. Alles sah nun aus, als ob Ratree schon als Besuch erwartet wurde. Sise nickte zufrieden und schloss die Tür.

Am nächsten Morgen wachte Ratree etwas verwirrt auf. Sie war eingekuschelt in ein himmlisch weiches Bett und es duftete zart nach Tee, Kuchen und Blumen. Sie schaute sich in dem Zimmer um, wo sie war und stellte fest, dass es hier erstaunlich gastlich war. Fast so wie in ihrer Kindheit, als noch ihr Vater und ihre Mutter lebten. Sogar Tee und Kuchen standen zum Frühstück bereit. Ratree lächelte von einem Ohr zum anderen. Sie fragte sich zwar langsam ob sie schon tot war, oder als Geisel gefangen gehalten wurde, aber, so ein bisschen vermisste sie ja schon den Wohlstand des Adels, den sie für ihre Liebe zum Geschichtenerzählen aufgegeben hatte. Sie fühlte sich wie im Märchen, wo die Heldin von einem gutherzigen Prinzen von der Straße geholt wurde um sie zu seiner Frau zu machen. Sie suchte sich schnell eine Papierrolle, ihre Schreibfeder und ihr Tintenfass aus den Taschen und begann ihre Ideen zu Papier zu bringen. Wie besessen schrieb und schrieb sie. Nebenher kaute sie am Kuchen und schlürfte den Tee. Der Kuchen war schön zitronig und saftig, während der Tee viele Gewürze enthielt. Sie schmeckte im Tee, Kardamon, Koriander, Anis , Mandel, Vanille, Rosinen und Reis. Das ganze Frühstück erinnerte sie an diese Tempelspezialitäten, die, die Magier hobbymässig zubereiten und verbessern. Teilweise wurden diese Dinge auch an reiche Menschen gegen einen Spende abgegeben. Sie erinnerte sich daran, dass ihre Mutter, solche Dinge immer wieder gerne zu ihren

Festlichkeiten besorgte und die nahegelegenen Tempel für ihre Arbeit, reich entlohnt wurden. Jeder Tempel hatte bestimmte Schwerpunkte bei den Lebensmitteln. Sei es Süßes, oder Herzhaftes, wenige kriegen beide Arten der Küche gleich gut hin. Sollte Ratree in einem Tempel sein, schien hier der Schwerpunkt auf Süßes zu liegen.

Nach den guten Frühstück beschloss Ratree runter in die Aula zu gehen um einige Bewohner zu treffen die ihr erklären würden, wo sie war und um sich zu bedanken, für ihre Gastlichkeit.

Sie kam nicht weit, den schon auf der Treppe kam ihr Yoko entgegen: “Du musst meine neue Küchenhilfe sein. Ausgeschlafen, Prinzesschen, du bist spät dran.“ meckerte sie Ratree an und gab ihr sowohl eine Magdhaube, als auch eine Bluse und einen Rock mit Schürze. „Zieh dich an und komm dann runter in die Küche, Mädchen. Ich habe keine Zeit dir eine Standpauke über dein Verhalten zu geben…“ sagte Yoko entnervt und eilte schnell wieder die Treppe runter . „Da muss ein Missverständnis vorliegen…“ brüllte Ratree runter. Doch Yoko winkte nur ab und brüllte wutentbrannt: „Das einzige Missverständnis ist, dass der Abt mir so eine faule Sau als Küchenhilfe aufgegabelt hat! Beeil dich, oder du kriegst Strafarbeit!“ Dann war sie weg. Ratree seufzte. Wem sie wohl diesen Ärger zu verdanken hatte? Sie ging in ihr Zimmer und zog sich schnell um. Vielleicht kann man ja nach Feierabend alles klären, dachte sie. Hausarbeit konnte sie ja sowieso schon. Seit sie nicht mehr im Schloss lebte, sondern bei Detinos, hatte sie vieles von den anderen Gauklern gelernt, und kochen und Wäsche waschen machte ihr auch Spaß, nur putzen hasste sie.

In den nächsten 5 Minuten stand sie wieder bei Yoko und musste den Abwasch machen. Zum Kochen war sie eh schon zu spät. Da hatte Yoko schon längst angefangen. Da Ratree das Menü nicht kannte, half es nichts, wenn sie auch noch mitmischen würde. Yoko war erstaunt, wie fleißig und schnell Ratree war. Einige Stunden später, fand die Neue schon selbst Arbeiten, die herumlagen und gemacht werden mussten. Obwohl Yoko, dachte, dass sie unzuverlässig war, ahnte sie langsam, dass die Transuse Sise, Ratree nichts erzählt habe.

Deswegen setzte Yoko sich zum Nachmittagstee neben Ratree und entschuldigte sich für ihr harsches Auftreten am Morgen. Sie versprach auch, dass sie der nichtsnutzigen Priesterin Sise, wegen der vergessenen Informationen, den Marsch blasen würde. Ratree lachte. Sie überlegte sich ernsthaft mal „Urlaub“ vom Gauklerleben zu nehmen und eine Weile da zu bleiben, bis Detinos seinen Verstand wiedergefunden hat.
Plötzlich hörten beide wildes Gepolter, das mit einem Wäscheberg hinunterkam. „Das ist ganz offensichtlich Sise.“ erklärte Yoko. Sie kannte die tollpatschige Hohepriesterin, die immer irgendwo beschäftigt war und sich nur selten Pause gönnte. „Wo kann ich die Wäsche hinlegen? Freitagswäsche der Schüler fürs Wochenende. Ich hasse diese `Wer ist die Schönste Wochenendaktionen`, haben die Bälger nichts Besseres zu tun?!“ motze Sise herum. Yoko kicherte: „Wenn du so weiterredest, wie eine Oma kriegst du früh Falten und es ist noch nicht mal lange her, da warst du selbst so alt wie die Bälger.“ erklärte sie Sise.

„Ein paar Schritte nach links, dann lass die Wäsche fallen“ ergänzte sie. Sise tat wie gesagt. Ratree schaute sich die Schuhe von Sise an, es waren weiße seidenschuhe, die mit Blumen bestickt waren. Für Ratrees Geschmack waren das viel zu gute Schuhe zum Arbeiten. Sie grinste schelmisch, denn seit eben fühlte sie sich, als ob da ihr Spiegelbild steht. Sowas hatte sie damals im Schloss auch gebracht, nur, dass ihre Gouvernante ihr wohl den Hintern versohlt hätte, würde sie das sehen. Wieder ein nostalgischer Moment, dachte sie und seufzte leise. Bis heute Morgen, vermisste sie ihr altes Leben nie. Ob das an Detinos Anwesenheit lag, das sie nie an früher dachte. Es ist wie ein Zauberspiegel, der sie in eine andere Welt versetzte, ohne Detinos, der ihr ein wenig zu Fehlen begann. Sie fragte sich, ob sie ihn je wiedersehen würde. Irgendwie empfand sie nie zuvor so für den Barden, der immer ihr bester Freund war. Wieso auf einmal?

Erleichtert ließ Sise die Wäsche fallen und holte Ratree aus ihren Gedanken zurück. Ratree schaute sie noch erstaunter an. Sise war ein paar Jahre älter als sie, und trug einen chinesischen Kimono, einen Hanfu, in Weiß und Rot aus verschieden dicker Seide und Spitze. Der Hauptkimono war weiß und seiden und wurde durch ein schulterfreies korsettartiges Oberteil unterbrochen, das schlicht war und hinten gebunden. Es hatte im Oberbrustbereich eine Borte aus rotem Brokat mit goldenem Ahornmuster. Um den Bauch trug Sise einen seidenen geschwungenen

Miedergürtel, der sowohl unten als auch oben mit einer passenden Borte abschloss. Dieser gürtel ließ sich mit einer seidenen Kordel vorne schnüren. Unter diesem Konstrukt an Kleidung, trug sie einen weißen Rock aus schwerer Seide und der Kimono, der oben unterbrochen wurde floss über diesen Rock, zu einer bespitzten Schleppe zusammen. Ratree öffnete vor Erstaunen den Mund. Sise sah viel zu edel aus für eine bescheidene Priesterin. Ihre Kleider waren außerdem viel schöner, weil sie viel schlichter als die ihren, am Hofe waren. Das einzig Merkwürdige war der Kopfschmuck. Sise trug nämlich ein Netz aus roten blumenranken zwischen zwei recht großen, weißen, flügelförmigen federartigen Gebilden. Es erinnerte irgendwie wie die Mischung aus Elfenartigen und Walkürentiara.

Sise schaute zu Ratree rüber und setzte sich resigniert hin: „Oh, ich wusste, dass ich was vergessen habe. Tut mir Leid, unbekannte Waldschläferin. Ich hoffe du bist keine Banshee, sonst würde der Abt mich den Drachen zum Frass vorwerfen….“ sagte Sise zu Ratree. Ratree schüttelte den Kopf. Sise stand auf und wischte sich den Staub vom Hanfu, als sie sich neben Ratree auf den Stuhl setzte: „Also, du bist hier im Tempel der Göttin Lalahon. Der Herrscherin über den Mond, der Medizin und der Magie. Der Verwalter dieses Tempel ist Abt Kyonobelines. Du hast bestimmt schon mal die Amulette mit den sieben Sternen gesehen. Das ist unser Wappen. Wir fragten uns, ob du nicht eine Weile hier arbeiten möchtest, womöglich können wir dir sogar Magie beibringen.“ erklärte Sise lang und breit. Es stimmt, Ratree war der Orden der Sterne nicht unbekannt.

Viele bedeutungsvolle Geschichtenschreiber entstammen diesem Orden. Allerdings sagte ihr Vater, der nicht viel von Schriftstellerei verstand, dass dieser Orden nur eine billige Ausrede für eine Schriftstellergilde wäre, die hinter der Maske von magischen Tricks, versucht sich vor neugierigen Menschen zu schützen. Sie überlegte lange dann fragte sie kleinlaut: „Ähm, stimmt es, das hier Schriftsteller ausgebildet werden? Ich meine, mein Vater erzählte vom Orden der Sterne immer, dass ihr eine Schriftstellergilde seid, die sich durch Tricks schützt…“ Yoko und Sise schauten Ratree wie die Ölgötzen an. Ratree schämte sich für die Frage und senkte den Kopf.
Unerwartet öffnete sich Sises 3. Auge und Ratree begann wieder zu schweben. „Sieht das für dich aus, wie ein billiger Zaubertrick?“ fragte sie leicht kichernd Ratree und ließ das verängstigte Mädchen wieder runter auf ihren Sitzplatz. „Wow… und du willst, dass ich das auch kann?“ fragte Ratree Sise atemlos. Sise nickte grinsend und spielte mit ihrem Hanfuärmeln.

Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und strahlte Ratree an: „Ok, morgen früh beginnt die Ausbildung.“ sagte sie zu Ratree. Ratree wurde blass. Anscheinend meint es Sise richtig ernst mit ihr und der Magierausbildung. Da hat sie noch mal Glück im Unglück gehabt, dachte sie. Was könnte ihr Besseres passieren, als Magie zu erlernen, um Detinos das nächste Mal vor sich selbst zu schützen, geschweige denn, SICH selbst zu schützen. Das war seit dem Anfang ihrer Gauklerkarriere schon immer ihr Traum. Sie konnte ihr Glück wirklich nicht fassen. Schon als sie ihre Leidenschaft zum Geschichtenerzählen entdeckte, war es ihr Traum, in der Gilde der Sieben Sterne aufgenommen zu werden.

Sise drehte sich um und lächelte Ratree an, an Ratrees ehrlichen Augen konnte Sise erkennen, dass es eine gute Entscheidung war, sie zu unterrichten. „Ich danke euch Meisterin... Wusstet ihr eigentlich ,dass…“ fragte Ratree Sise. „Dass du eine Gauklerin mit Namen Ratree bist, die für ihre Geschichten bekannt ist?... Ja.“ sagte Sise trocken und zog die Schultern dabei hoch. „Deine erste Aufgabe ist, eine Geschichte zur Vorstellung, vor der Klasse zu erzählen, die fesselnd und lebhaft ist. Morgen früh um 9:00 Uhr.“ sagte die Priesterin und verschwand wieder die Treppe hoch. „Wie…“ wollte die Gauklerin ansetzen. „Habe ich eben in deinen Gedanken gelesen.“ antwortete die Priesterin. „Aber….“ rief Yoko entsetzt, die nur ungern auf ihre fleißige Helferin verzichten wollte. „Yoko du bekommt ein paar Dienstgeister, ab morgen. Ich habe alles schon mit Papa geklärt.“ rief Sise ihr zurück.

Yoko setzte sich seufzende auf den Stuhl zurück. Dienstgeister… genau das, was sie nicht haben wollte. Sie gruselte sich vor Fuchs- und Dachsgeistern und vor Regenmädchen. Lieber hat sie was Lebendiges um sich, sonst würde sie sich bald auch wie eine Tote vorkommen.

Ratree sah die Sorgen in Yokos Augen und griff nach der, von Arbeit zerschundenen Hand der Magd. „Ich verspreche, dass ich immer helfe, wann ich kann. Hausarbeit macht mir Spaß. Vor allem mit dir Yoko…“ versuchte sie die Magd aufzumuntern. Yoko kamen fast die Tränen, endlich mal jemand, der sie als Mensch würdigen würde. Aber haben das Gaukler nicht an sich? Ist das nicht ihre Natur, sich Gedanken um das Glück der Menschen zu machen und immer dann einzugreifen, wenn sie gebraucht werden? Egal – sie gab Ratree die Hand und fragte: „Freunde?“ Ratree war überglücklich und nickte bestimmt. Beide Frauen genossen nun den Nachmittagstee noch mehr und feierten ihre neue Freundschaft und Ratrees Aufnahme in die Magierausbildung.
Im Laufe des kleinen Festes fragte Ratree neugierig: „Wieso sagte Sise überhaupt Papa?“
Yoko lachte und erklärte: „Papa ist Abt Kyonobelines.“
Ratree guckte verdutzt: So ein Laden war das hier also, dachte sie und sagte laut: “ a… ha….“

Yoko musste laut auflachen und ihr kamen sogar die Tränen. Es war lange her, dass sie so richtig vor Lachen weinen konnte: „Keine Angst, Ratree, Liebes. Nur Sise darf den Abt so nennen, denn er ist ihr leiblicher Vater.“ Ratree atmete erleichtert auf. Dann war sie beruhigt. "An was dachtest du denn…“ fragte Yoko. Aber im Prinzip wollte sie das auch gar nicht wissen. Die Gaukler haben wirklich eine sehr freizügige Art zu leben, dachte sie. Aber wenigstens gab es nun immer was zu Lachen. Detinos hatte Ratree für die nächste Zeit vergessen. Sie war im Begriff ihren Lebenstraum zu erfüllen. Einen Traum, den sie zwar als Gaukler leben konnte, weswegen sie dieses Leben liebte. Aber nun gehörte sie offiziell zu den Geschichtenschreibern von Kameshimaji und konnte die Ausbildung gar nicht abwarten.

Kapitel 6



„Detinos“ rief eine jungenstimme aus der Ferne. „ kehre zurück zu ihr. Es ist noch nicht soweit.“ schallte die Stimme. Detinos sah sich im Nebel um. Vor ihm und hinter ihm war niemand. Er war allein. Und doch hörte er die sanfte Jungenstimme, die ihm immer und immer wieder das gleiche sagte: "Es ist nicht so weit. Kehre zurück." erklang es. Detinos bekam Angst. Wieder die Realität, die er nicht sehen wollte. Aber diesmal wirkte sie eher wie ein Traum. „Wer bist du?“ wollte er fragen, aber seine Stimme war stumm. Er wollte aufschreien, aber bekam keinen Ton raus. Er wusste nur eins, dass er die Stimme, die rief kannte.

Aus einer längst vergessenen Zeit, so weit entfernt ,dass er sich gar nicht mehr an ein Gesicht erinnern konnte, das dazugehörte. Schweißgebadet schrak er auf. Seine Haare waren klitschnass geschwitzt und sein Puls raste. Wie ein gehetztes Tier keuchte er. Viele seltsame Dinge träumte er. Davon war vieles nicht schön. Als er sich umsah, wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr in seinem Zelt unter den Gauklern war. Ein junges Mädchen mit Fuchsohren starrte ihn an und legte ihm ein paar essbare gereinigte Wurzeln hin.

Als Detinos das Mädchen sah, schrie er auf und verkroch sich unter der Decke. Er fürchtete sich vor jede Art Geisterwesen. Das Mädchen, erschreckte ebenfalls und rannte aus dem Zimmer. Im Austausch für sie ging Kertes rein. Er musste breit grinsen, als er den verängstigen Barden so unter der Decke zittern sah. „Anscheinend hast du Bekanntschaft mit unserem Hausgeist geschlossen, Kitsune, einem Fuchsgeist. Sie wurde von ihrer Sippe ausgeschlossen, weil sie sie sich nicht richtig verwandeln konnte, wie du gesehen hast. Sirenha hat einen Handel mit dem Fuchs geschlossen, dass sie fortan bei uns leben könnte und dafür ihre geheimen Kräfte für die Ziele der Rebellen einsetzen müsste.“ erklärte Kertes, als er sanft die Decke wegzog und Detinos anlächelte.

Detinos schaute Kertes an ,als kenne er ihn nicht. Das fand Kertes sehr eigenartig und setzte sich neben Detinos hin. „An was erinnerst du dich alles?“ fragte er forsch. Detinos schüttelte den Kopf. Kertes Blick verdüsterte sich. Detinos schaute ihn erschrocken an: Was hat er bloß, dachte Detinos. Kertes entschuldigte sich bei ihm und verließ den Raum. Er musste unter diesen besonderen Umständen mit Alkibiades sprechen um abzustimmen was als nächstes passieren soll.
Kertes klopfte an der Tür und räusperte sich: „Darf ich eintreten?“ fragte er. Alkibiades erschrak. Er kippte sein Tintenfass um und fluchte leise. Er hasste es ,wenn sein Sohn mit ihm reden wollte. Es war ihm einfach unangenehm, da er ihn immer noch sehr verachtete. Murrend gewährte er Kertes den eintritt. Kertes erläuterte ihm die Situation mit Detinos und dem nicht mehr vorhanden Gedächtnis. Er erzählte auch von der Begegnung mit den Banshee, und dass ihm das nachdenklich machte und er nachforschen wollte. Alkibiades wurde bleich. Er ahnte, wer die Banshee war, die so vertraut mit Kertes sprach. Er erklärte nochmal die Gefahr, die Banshees mit sich bringen: „Mein Schüler. Du bist Opfer der Verführung dieser Wesen. Lass dich nicht darauf ein und vergiss das ganz schnell.“ erklärte Alkibiades, während er nervös im Zimmer auf und ab ging. Kertes wunderte sich über dieses Verhalten. Alkibiades interessierte sich sonst nie für die Interessen seines Schülers.

Plötzlich schien Alkibiades etwas einzufallen. Er näherte sich Kertes und legte seine Händen auf Kertes Schultern. Er schaute Kertes tief in die Augen und holte tief Luft: Wie viel Überwindung ihn Folgendes kostete, kann man kaum mit einer anderen Situation vergleichen. Er wollte Kertes von dieser Fährte wegkriegen, auch wenn er voller Ekel für diesen jungen Mann war und diesen noch nicht mal als Mensch, sondern als Tiyanak, einem Halbdämon, der den Vater das Leben zur Hölle machen soll sah: Ein Monster mit blutroter Haut und glühenden Augen.

All diese Gedanken musste er abschütteln, damit er diese einen Worte, die er gleich zu Kertes sagen würde von sich gab.
„Kertes, mein Sohn, du weißt doch ,dass ich mir nur Sorgen mache. Bitte vergiss diese Banshees. Für deinen Meister… Den Mann der von den Banshees angegriffen wurde, werden wir selbstverständlich zu einen von uns machen. Ich empfinde höchstes Mitleid für so einen armen Mann, der von den Banshees gejagt wird und möchte dieses Schicksal auch dir vermeiden, mein Junge.“ Voller Emotionen und Sorgen gab Alkibiades diese Worte von sich. Kertes war verwirrt. Im Moment wirkte sein Meister eher wie ein verschrobener alter Mann, der seine Gefühle normalerweise nie zeigen würde, außer vor seinem Sohn, auf dessen Stufe er nun, Kertes gestellt hatte. Es war eine große Ehre für den jungen Rebellen. Das erste Mal in seinem Leben fühlte er sich als Teil von der Rebellenfamilie und Alkibiades schien ihn für ein paar Sekunden in sein Herz geschlossen zu haben. Kertes schwor, die Banshees zu vergessen und sich aufopfernd um die Ausbildung von Detinos zu kümmern. Von nun an, fühlte er sich als besonderer Mensch in Alkibiades Augen. Er wurde endlich akzeptiert. Er verbeugte sich tief und verließ den Raum, um Detinos von der Entscheidung Alkibiades zu berichten.
Als Kertes die Kammer von Detinos betrat, stand dieser am Fenster und lehnte sein Kopf gegen den Arm, den er auf den oberen Rahmen des Fensters lag.-Er beobachtete, die Bediensteten der Rebellen, die geschäftig den Hof auf und ab gingen. Er fixierte Sirenha mit den Gedanken, sie irgendwo schon mal gesehen zu haben.
Kertes räusperte sich und Detinos drehte sich um. Er schaute Kertes fragend an: „Dein Name ist Detinos. Du bist ein neues Mitglied unserer Rebellengruppe und hast gestern beim Schwertkampfüben deinen Kopf angestoßen.“ log er Detinos an. Detinos schaute ihn weiter fragend an: „Ach so war das. Ich weiß nur eins: dass ich Rache für meinen kleinen Bruder haben will. Als unser Dorf angegriffen worden ist… und da ist etwas anderes….wirklich wichtiges, was ich verloren habe… ich weiß nur nicht was…“ murmelte er nachdenklich zu sich.
„Kertes… es wird Zeit für die nächste Mission…“ erklärte eine weibliche, sanfte Stimme. Detinos schaute hoch: Das Mädchen, verwandelte sich vor seinen Augen in ein junges Mädchen mit an den Seiten hochgesteckten Haaren, das ein Kleid in weiß und rot trug. Detinos Herz begann schnell zu schlagen, als er das Mädchen Lächeln sah. Sein Herz schien sich an etwas zu erinnern.

Sirenha errötet bei dem zärtlichen Blick des Barden. Ihr wurde auch unwohl bei den Gedanken, dass dieser Fremde sie so anstarrte. Sie hasste Männer…. Die einzigen Personen, die sie erduldete waren Kertes und Haspe. Sie nahm Kertes bei der Hand und zog ihn fort. So tat sie es schon immer, seit Kertes Denken konnte. Er deutete eine Verbeugung zum Abschied an und ging mit Sirenha weg.

Am Nachmittag kam ein anderer Rebell Detinos besuchen und erklärte, dass Alkibiades, der Anführer seine Fähigkeiten auszutesten gedenke und zwar morgen früh um 6 Uhr. Detinos sollte sich währenddessen ausruhen. Es wird ein harter Tag für ihn.

Kapitel 7



Sirenha und Kertes sollten den Tempel der 7 Sterne beobachten. Im Tempel gab es eine Person, die ein Mittelsmann zwischen den Rebellen und dem Tempel war. Ganz nebenbei wurde er in Magie ausgebildet, einem Fach das selten unter den Rebellen vertreten war: Die einzigen vom Fach waren bisher, Alkibiades selber, Sirenha und Haspe. Der Mittelsmann war ein angesehener Schüler der 7 Sterne. Bei Dämmerung traf er Sirenha und berichtete von der neuen Schülerin, die äußerst talentiert sei. Er zauberte eine Kristallkugel herbei und zeigte diese den beiden Verbündeten. Kertes begann breit zu Grinsen. Er wusste wie er sich besser an Detinos rächen konnte, als durch seinen Tod. Da Detinos ihm Luna nahm, wollte er Detinos Ratree nehmen. Er erklärte seinen verruchten Plan den beiden anderen und diese stimmten ihm zu. inwirklichkeit war "Rache" nur ein vorgeschobenes Argument um nicht erklären zu müssen, dass er Ratree wirklich wollte. Sirenha fühlte sich ein wenig unwohl dabei ihre Cousine zu betrügen, aber sie dachte, dass das notwendig ist um ihre Identität zu wahren. Schließlich habe sie ihre Identität aufgegeben um sich den Rebellen anschließen zu können.
Sirenha suchte im Wald nach vielen magischen Kräutern und Wurzeln um einen Liebestrank zu mischen. Diesen gab sie Kertes mit und erklärte dem Mittelsmann ,dass er Kertes als Schüler vorstellen sollte. Der Mittelsmann tat, wie ihm gesagt wurde. Kertes wurde leicht als Schüler angenommen, denn Kyonobelines freute sich mehr über männliche Schüler als weibliche. In letzter Zeit war die Schule überlaufen mit weiblichen Schülern. Kyonobelines kam sich langsam vor wie ein Hahn im Korb vor und mochte dieses Gefühl nicht. Er ließ Kertes ein Zimmer herrichten. Kertes zog die alte Kleidung von Detinos an und schlich sich langsam in das Zimmer von Ratree. Sie schien kurz in die Bibliothek oder so gegangen zu sein, denn auf ihrem Nachttisch standen ein paar magische Bücher und eine Tasse heißem Tee.

Kertes lächelte. Nur noch wenige Schritte, dann würde eine gewisse Sehnsucht in ihm erfüllt. Eine Sehnsucht, die er seit der ersten Begegnung mit Luna nicht mehr hatte. Er schüttete den Trank in die Tasse und versteckte sich ganz in der Nähe des Zimmers. Zum Glück gab ihm Sirenha ein Amulett mit, dass ihm erlaubte, ihn unsichtbar zu machen. Das Goetia Kreuz. Ein Kreuz, dass jeweils in einer Sichel endete und dass am oberen Ende mit einer Königlilie verlängert war. In der Mitte befanden sich verschiedene magische Symbole. Er konzentrierte sich und verwandelte sich in Luft.

Ratree spürte eine eigenartige Präsenz und schaute sich im Zimmer um, als sie nichts entdeckte setzte sie sich wieder an ihren Schreibtisch und legte das neu gefundene Buch in die Mitte auf ein anderes Buch. Bald sollte der halbjährliche Test sein und die Gauklerin hatte beschlossen, als eine der Besten abzuschließen.

Kertes beobachtete Ratree in Ruhe. Er konnte so stundenlang verbringen. Dieses Gefühl was er im Moment hatte. Zudem fand er sie bezaubernd mit ihrem fließenden weißen Kimono, der durch rote Seide begürtet und bordiert war.

Der Test morgen ging über das Herstellen und Segnen von Amuletten, und Ratree wollte sich darüber informieren, was am besten zu ihrer derzeitigen Situation passt. Sie hatte sie Seite für ein Amulett mit Namen Guineveres Kreuz entschieden. Es unterstützt bei der Suche nach der wahren Liebe. In der Zeit, wo sie im Tempel war, schien ihr Stück für Stück was verloren gegangen zu sein und deswegen wollte sie dieses Amulett haben. Sie zweifelte stark an ihren Gefühlen für Detinos. Er hatte sie zu sehr mit seiner Charakterschwäche verletzt, dass sie nun nicht mehr sicher ist, jemals für ihn mehr empfunden zu haben.

Zudem war er ein ziemlicher Frauenheld und nicht bereit sich weiterzuentwickeln. Wie könnte sie so einen Kerl nur lieben? Anderseits, wusste sie nicht, was sie suchte … oder besser gesagt wen? Der Charme, der Detinos so oberflächlich hatte, bezauberte sie ja, aber das was er innerlich war, passte nicht zu dem Bild, was sie anfangs von ihm hatte. Sie suchte keinen typischen Helden, oder typischen Barden: Das was sie im Inneren berührte war jemand, der sie bis zum Grunde seines Herzens liebte und der auch genau wusste, wie man dieses Gefühl zeigt: Jemand der freiheitsliebend und doch verantwortungsbewusst ist, jemand der charmant und intelligent und sanftmütig ist.

Sie schaute zum Mond und erinnerte sich an einem Traum, den sie hatte. Sie schaukelte in einem Garten, weit über den niedrigen Dächern ihrer Heimstätte. Sie hatte wohl die höchste Schaukel im ganzen Königreich, die zwischen zwei Türmen gespannt war. Auf diese Schaukel kam man nur mit Magie, da unter ihr kein erreichbarer Boden lag. Es war im Frühling und auf einmal schwang sich ein junger Mann zu ihr und raubte ihr das Amulett vom Hals, das sie von ihrer verschollenen Mutter geschenkt bekommen hatte. Sie wurde wütend und nutzte ihre Magie um ihm zu folgen. Sie ließ sich zwei weiße Schwingen wachsen und flog ihm hinterher, so schnell sie konnte. Als Kind, hatte sie aber nicht genug Kräfte um die Verwandlung lange anzuhalten. Sie drohte abzustürzen und schrie. Der Dieb schwang sich zu ihrem Erstaunen zu ihr und setzte sie sicher auf einem Dachsims ab. Er drückte sie sanft an sich und sagte, dass sie gut auf sich aufpassen soll. Dann gab er ihr eine Kuss auf die Lippen. Dann erwachte Ratree, den ganzen Tag dachte sie an diesen Traum mit einer Sehnsucht, die sie bis heute noch in sich trug. Das einzige an was sie sich erinnerte war, dass der junge Dieb ein Bardengewand trug. Von diesem Tag an versuchte sie den Mann zu finden, der ihr seit diesem Traum keine Ruhe mehr gab. Sie träumte danach noch viele Dinge, aber in Manchen spürte sie ganz deutlich, das ihr gegenüber, der Mann von damals war. Sie kam ihm in ihren Träumen sogar näher. Als sie fragte, wer er sei, und dass, sie ihm unbedingt in der Realität sehen will, antwortete er nur, dass sie genau weiß wer er ist und lächelte still. Diese Begegnungen brachten Ratree immer mehr Schmerz. Sie war noch nicht mal fähig in der Realität, überhaupt sich für jemanden zu interessieren. Sie wollte nur ihn, und sie wusste, dass er irgendwo in der Welt zu finden war, nur nicht wo.

Sie wusste noch nicht mal, ob sie ihn außerhalb des Traumes jemals finden könnte, ob sie ihn erkennen würde. – karmische Liebe, murmelte sie-

Ratree vertraute Detinos einmal ihre Geschichte an und seitdem wirkte er distanzierter zu ihr. Immer wenn sie ihn sagte, dass ihn nie wieder alleine lasse würde, sagte er, dass es doch jemanden gab, für den sie ihn alleine lassen würde, und beschrieb ihr den Mann aus ihren Träumen. Damit war für Detinos die Sache gegessen und er ließ sie immer alleine zurück. Es machte Ratree ein wenig traurig, wenn er so mit ihr sprach, andererseits wusste sie, dass er Recht hatte.

Auch wenn sie immer viel Spaß mit Detinos hatte, der Mann aus ihren Träumen zog sie unaufhörlich in seinen Bann - Auch wenn sie sich mit dem Gedanken, wieso nicht bei Detinos bleiben, zu vertrösten versuchte. Immer wenn der Haussegen schief hing, dachte Ratree an ihren Prinzen, und war gefesselt an den Gedanken an ihn. So fehlt ihr ein wenig an Detinos …. Wenn sie alleine war und neue Geschichten ausdenken sollte, dann gab es vom Typ her auch immer jemanden, der ihrer Traumliebe ähnlich war, auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnerte wie er aussah.

Nachdenklich trank Ratree ihren Tee aus. Im nächsten Moment wurde ihr schummerig und sie wurde ohnmächtig. In diesem Moment machte sich Kertes wieder sichtbar und fing Ratree ab, bevor sie zu Boden fiel. Er blieb bei ihr und beobachte sie beim Schlafen. Es vergingen die Stunden. Um Mitternacht öffnete Ratree wieder die Augen und schaute Kertes in seine. Ihr Herz begann wild zu schlagen. Sie fühlte auf einmal dieses vertraute Gefühl zu den Mann, der sie in ihren Träumen heimsuchte und errötete. „Wahhh ich ..ich …ich….“ Stotterte sie. Sie war verwirrt und gleichzeitig glücklich. Sie schaute sich um, um festzustellen, ob dieser Mann wirklich existierte. Dann wandte sie schnell ihren Blick ab.

„Ist alles in Ordnung holde Maid? Ihr seid plötzlich ohnmächtig geworden, hätte ich euch nicht aufgefangen wer weiß, was passeiert wäre.“ erklärte Kertes mit sanfter Stimme. Er kam Ratree näher und strich ihr sanft über das Haar, dann flüsterte er ihr in Ohr: „Ihr habt euch wohl beim Lernen überanstrengt.“ Er ließ seine Lippen über den Rand ihres Ohres gleiten und stand auf.

Das Gefühl der Bekanntheit zu diesem Mann wurde immer stärker. Ratree zitterte. Sie hat in den Jahren fast aufgegeben ihren Traumprinzen zu suchen. Nur unterbewusst war sie voller Leidenschaft für diese Suche und nun schien er so nah. Seine Stimme, seine Hände, seine Lippen, alles erinnerte sie an ihre Träume. Sie starrte nur in die Luft. Sie wusste nicht was sie sagen soll, oder wieso er sie nicht erkannte. Die Wahrheit ist, dass Kertes als er ihr nachspionierte, alles über ihre sogenannte Traumliebe herausfand. Ratree, die in Gedanken versunken war, schrieb nämlich alles auf. Er las sich ihre Notizen durch, und brachte sie in seinem Besitz. Er wollte dieses Spiel mitspielen. Je mehr er ihre Notizen auswendig lernte, umso mehr bekam er das Berüfnis für Ratree dieser Mann zu werden, den sie so innig liebte. Er ängstigte sich ,dass der Leibestrank irgendwann in Detinos Gegenwart seine Wirkung verlor und das stachelte ihn noch mehr an um seine Rolle perfekt spielen zu wollen. Es wird ein Tanz am Abgrund für ihn werden, denn er begab sich in die Gefahr seine Rolle so intensiv zu spielen, dass er sich selber in dieser Rolle verliert. Es war ihm egal, dieses Opfer wollte er wagen. Würden die Rebellen Ratree in irgendeine Weise in Gefahr bringen, so würde er versuchen mit ihr zu fliehen irgendwohin, wo sie niemand kennen würde. In der nächsten Zeit wollte Kertes das Verhalten, die Sprache und das Auftreten der Barden studieren, immer heimlich, bis er sich als Barde einen kleinen Ruf machte um die Illusion zu perfektionieren. Das Lautenspiel hat er zum Glück schon als Kind von den Spielleuten erlernt und er hat während Detinos Ohnmacht aufgrund des Bansheeangriffes sogar eine Laute einstecken können. Dieser nicht ganz so saubere Plan war das anscheinend der einzige Weg Ratree von Detinos wegzureißen. Andererseits, hätte Kertes wohl auch so gehandelt, wenn er gewusst hätte, wie Ratree wirklich empfand. Schließlich wollte er nicht genauso enden wie Detinos, der sich immer in Konkurenz mit ihrem „Seelenpartner“ verstand. Er kannte die Thematik genau, denn er hörte vielen Gelehrten bei diversen Disputen über dieses Phänomen zu. Er wollte mehr über dieses Thema wissen, weil er einst dachte, dass Luna seine Seelenpartnerin war. Er lächelte in sich hinein, weil er seine Gefühle für Luna auf einmal so lächerlich fand.
Er stand auf und ging. Ratree, die sich wieder an ihren Geliebten durch Kertes Bewegungen erinnert fühlte, rief ihm hinterher: „Warte - Wer bist du ?“ Nach diesem Satz errötete sie noch mehr und sie dachte, sie würde gleich in Ohnmacht fallen.

Kertes drehte sich lächelnd um und ging zu ihr. Er half ihr hoch und schmiegte sie zärtlich an sich. Er atmete tief ihren Duft ein. Nicht nur ihr Traum sollte erfüllt werden, jetzt wo er weiß, wonach sie suchte. Auch sein Traum, sollte erfüllt werden. Die anderen Rebellen versuchten ihn immer darüber zu belehren, dass man den Schmerz über eine Liebe mit einer neuen Liebe heilen sollte: Eine die viel stärker ist als die davor. So wird das menschliche Herz stark. Seine Auserwählte war nun die Frau, die ihn, vor der Bürde eines Menschenlebens auf dem Gewissen zu haben, errettete. „Du weißt genau wer ich bin… aber meinen Namen kennst du nicht, Dayea Ratree Sumiko Fenghuang. Man nennt mich Kertes. Lange nicht mehr gesehen, stimmts?“ flüsterte er ihr sanft ins Ohr. Ratree wusste es. ER WAR ES, ABER WIESO JETZT? UND WIESO HIER? Sie wusste nicht was sie von all dem halten sollte. Sie ließ geistesabwesend die Arme schlapp neben sich sinken und war sprachlos. Sie schaute ihm tief in die Augen um wirklich sicher zu gehen, dass er es ist. Kertes schloss seine Augen und presste seine Lippen auf ihre. „Ich liebe dich..“ hauchte er ihr ins Ohr „Ich habe mich so nach dir gesehnt..“ sagte er weiter. „Aber…. Wie?" fragte Ratree verängstigt und schaute ihn mit Tränen in den Augen an.

Nichts destotrotz, stahl ihr der „Fremde“ eben einen Kuss. Oder besser gesagt ihren ersten Kuss. Sie befühlte ihre Lippen um das Gefühl und den Geschmack von seinen Lippen mit dem, aus ihren Träumen zu vergleichen. Kertes lächelte nur. Während ihrer Ohnmacht hatte er alle Zeit der Welt um alle zweifelnden Fragen auszuschließen. „Seit ich klein war, habe ich die Fähigkeit in Träume anderer Menschen einzudringen, deswegen sind wir uns begegnet. Leider kann ich die Fähigkeit nicht kontrollieren, so dass wir uns leider nicht so häufig sahen. Seit heute bin ich Schüler dieses Tempels um zu Lernen mit meiner Fähigkeit besser umzugehen. Ich habe nicht gerechnet, dich hier zu treffen. Das ist wohl Schicksal.“ sagte er. Das war ihm die einzige Erklärung um Ratree in ihrer Vermutung zu bestetigen. Er mochte es eigentlich nicht sie anzuschwindeln. Er hoffte eine bessere Erklärung zu finden. Er bat die Göttin Freya ihm wenigstens diesmal den richtigen Wink zu geben.

Seine Worte waren Beweis genug für Ratree und sie klammerte sich weinend an Kertes. „Ich habe dich gesucht, ich habe mich nach dir gesehnt. Kein Anderer konnte mein Herz erreichen, außer du. Ich liebe dich, ich liebe dich ja so sehr.“ heulte Ratree Kertes an. „Lass mich nie mehr los, Kertes mein Liebster.“ schluchzte sie ihn an. Sie fühlte sich wie erlöst, ihre Sehnsucht wurde endlich gestillt. Es gab sogar Zeiten, in denen sie diesen Mann aus ihren Träumen verfluchte, dass er ihr überhaupt begegnete. Sie könnte so unvoreingenommen gegenüber Detinos gewesen sein. Andererseits verstand sie nicht, wieso er ihr sich zeigte, wenn er ihr doch jahrelang nie wirklich begegnete.

Kertes schmiegte sich noch mehr an Ratree. Er wurde ganz rot und sein Herz schlug wie wild. Er dachte plötzlich an Luna und erklärte im Gedanken, dass sie ihm verzeihen sollte, schließlich wollte sie ihn damals nicht. Das war auch der letzte Gedanke für immer, den er an Luna verschwand. Er war Detinos noch nicht mal mehr sauer und erklärte alles, so, dass wohl bei den Vieren die Partner verwechselt wurden, und dass das wohl nur ein ziemliches Unglück war. Die Wahrheit war, dass sich Kertes in vielerlei Hinsicht mit Ratrees Traumprinzen vergleichen konnte. Vom Verhalten und vom Charakter, aber dass er sich an keine Träume erinnert, wo er Ratree gesehen haben könnte. Er malte sich aus, wie schön es wäre, wenn er doch der Gesuchte ist und das nur nicht weißt. wie unnütz war die Aktion dann mit dem Liebestrank. Es tat ihn Leid. Er hoffte, selbst, wenn er es nicht ist, wollte er alles geben umso zu werden. Ratree wollte Kertes gar nicht mehr loslassen und beide schliefen Arm in Arm unter Ratrees Bett ein.
Kapitel 8


Kapitel 8


Kertes plagten mehr und mehr Albträume. 2 Jahre ist es her, dass er die Sünde an Ratrees Herzen beging. Er wünschte sich je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, umso mehr dass es ihr nie diesen Trank gegeben hatte. Er liebte sie aufrichtig. Schlaflose Nacht für schlaflose Nacht verbrachte er in der Bibliothek um ein Gegenmittel zu finden. Er betete jeden Tag stündlich die Götter an, ihm zu vergeben und alles rückgängig zu machen.
Ratree machte sich ernsthafte Sorgen um ihren Märchenprinzen. Sie spionierte ihm nach, wurde aber aus seinen Unterlagen nicht so richtig schlau. Es machte sie traurig zu wissen, dass er litt und sie nichts tun konnte. Wenn sie schon nicht den Grund seiner Auffälligkeiten kannte, so wollte sie zumindest ihm was Gutes tun und brachte ihm immer was zu essen, zu Trinken und brachte ihn abends in sein Bett. Sie was inzwischen auf dem Niveau von ihrer Lehrmeisterin Sise. Leider war Sise in letzter Zeit wirklich verdammt häufig krank. Yoko war sehr besorgt. Sie liebte die junge Magierin wie ihre eigene Tochter und es gibt keinen Erben für die Schule wenn Sise verstirbt.
„Die Felder Elysiums scheinen ihre Tochter wieder haben zu wollen. Was soll nur aus den sieben Sternen werden, was?“
Murmelte Sie immer wieder den ganzen Tag.

„Die Wolken ziehen sich zusammen. Es graut. Das Paradies der Magie scheint mehr und mehr wie eine Fatamorgana zu verschwinden. Mit jeden schwachen Atemzug von dir…“ Ratree drehte sich zu Sise um und schaute ihr tief in die Augen. Sie war ausgemergelt und leichenbleich. Sie versuchte sich ein Lächeln zu erzwingen.
„ Ratree, als ich dich fand wusste ich, dass du eine sehr gute Magierin wärst. Du weißt wie die Welt fühlt. Ich bin sicher, dass du auch jetzt spürst, wieso der Himmel ergraut und dass das nicht nur an mir liegt. Du warst die beste Schülerin, die ich hatte… ich beneide dich sogar um das was du mit Kertes hast. Meine Verantwortung ließ sowas nie zu. Ich wollte so gerne lieben… und sitze ich hier und müsste um zu lieben, Leben was mir unmöglich scheint. Ich wollte von Anfang an, dass du meine Nachfolgerin wirst, deswegen musstest du so hart arbeiten. Aber… wegen Kertes, frage ich mich, ob nicht lieber er der Leiter der Schule werden sollte, damit du deine Liebe zu ihm genießen kannst und freie Erzählerin wirst…. Wie denkst du darüber… „ Sises Worte wurden immer wieder von trockenem Husten unterbrochen, wobei sie am Ende des Gesagten sich blutig über das Laken übergabt. Ratree spürte wie sie sich veränderte in dieser harten Zeit. Kertes manisches und zurückzeihendes Verhalten belastete sie. Wie jede Frau erhoffte sie sich Trost von seiner Zärtlichkeit in dieser Zeit. Sise war wie eine große Schwester für sie. Sie hatte nie Geschwister. Neben Detinos waren Kertes und Sise und alle an der Schule ihre Familie. Die einzige, die Sie hatte. Sie verkrampfte ihre Hände ineinander und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Ratree zitterte, sie wollte was sagen, aber ihre Worte blieben in ihrer Kehle stecken. Sie ging stockend zur Tür und verkrampfte ihre Hände vor die Brust. In Anbetracht dessen, dass Kertes sich von ihr abzuwenden schien es die beste Lösung nach Abschluss der Schule sinnlos durch die Welt zu wandern und Geschichten zu erzählen. Wie könnte sie bei jemand bleiben, der sich von ihr in so schlechten Zeiten distanziert? Sie nickte zitternd. Sie hatte Angst vor ihren eigenen Entscheidungen. Dann verließ sie den Raum und rannte in den Garten unter dem Apfelbaum, der ihr immer Trost spendete und brach heulend zusammen. Es donnerte und regnete in Strömen. Warum musste sie so sehr Leiden? Ist das der Preis für 2 Jahre unendliches Glück? Sie fühlte sich nirgendwo mehr zugehörig und einsam. Ist das das Los einer Geschichtenerzählerin, die ein Lächeln auf die Lippen der Menschen zaubern möchte. Zieht sie Trauer von den Menschen, die sie beglückte ab und reflektierte sie auf ihr eigenes Leben? War das alles wirklich das was sie wollte?
Sie hörte in dem Wispern der Bäume die Stimme Detinos und sah seinen Augen in den violetten Flieder, der in den regelmäßigen Blitzen wiederfunkelte. Sie begann sich an Detinos zu erinnern und wie sie überhaupt zu den sieben Sternen kam. Es spielte sich vor ihrem geistigen Auge alles ab. Sie erkannte in den Mann, der Detinos damals töten wollte Kertes wieder… Ihren Kertes.
Das rothaarige Mädchen dachte, dass ihr der Kopf platzt und hielt ihn sich fest. Sie brüllte laut in die Nacht hinein. Es schallte wie der Donner bis in jede Ecke des Landes.
Sie war verzweifelt, wütend und traurig zu gleich. Ihr Kopf sehnte nach Rache. Sie wusste nicht für was, aber sie wusste, dass es Kertes war, an den sie sich rächen wollte. Ihre weiße Kimonorobe war verdreckt von Schlamm und umher wehenden Blätter. Völlig wahnsinnig rannte sie in die Übungskammer für Magischen Kampfsport und holte ihr gesegnetes Shaolin-Schwert aus der Kammer.

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Tag der Veröffentlichung: 26.09.2009

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