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Von königlich zu bürgerlich




Mia 

 

Eilig lief ich noch einmal in mein Zimmer hinauf. Ich rannte durch die Tür und direkt auf meinen Schreibtisch zu. Von dort nahm ich noch schnell ein Familienfoto, aus der Zeit als ich noch klein war. Ich blieb noch kurz in der Mitte meines Zimmers stehen und schaute mich um: Das schöne große Himmelbett in der rechten Ecke, mein Schreibtisch aus dunklem Holz unter dem großem Fenster, die Regale an den Wänden, mein begehbarer Kleiderschrank und der Balkon Richtung Garten. Mein ach so geliebtes Zimmer. Jetzt würde ich es mehrere Monate nicht mehr sehen.

Mit dem Bild, in der Hand, lief ich die Treppe hinunter als gerade mein Butler rief: „Prinzessin Mia! Beilen Sie sich bitte!“

„Ich bin schon da. Ich hatte nur das Familienfoto vergessen“, antwortete ich, während ich die langen Stiegen hinunterlief.

„Ihre Limousine, die sie zum Flughafen bringt, wartet bereits.“, sagte Martin, ein Butler als ich bei ihm, an der riesigen Flügeltür, angekommen war. 

„Dankeschön. Kommen Sie noch mit zum Flughafen?“, fragte ich hoffnungsvoll, da ich ihn sehr mochte und er  mir schon ans Herz gewachsen war, da er schon seit ich ein kleines Kind war, bei unserer Familie arbeitete.

„Das hatte ich vor, außer Sie wollen nicht, dass ich mitkomme“, antwortete er gespielt enttäuscht.

„Ich würde mich sogar sehr freuen.“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Dann gingen wir gemeinsam zu der Limousine. Ich blieb noch stehen und drehte mich ein letztes Mal, zu dem riesigen Haus, in dem ich fast meine gesamte Kindheit verbracht hatte und von dem ich mich nun nur schwer trennen konnte, um. Martin hielt mir die Tür von dem Auto auf und setzte sich dann selber als ich saß, auf den Beifahrersitz.

Wir fuhren ungefähr eine halbe Stunde, da wir außerhalb Londons lebten. Als wir am Flughafen ankamen, gingen wir zu den Privatflugzeugen. Dort sah ich schon das Flugzeug. Es wird mich bis nach Los Angeles bringen, aber dann steige ich in ein normales Passagierflugzeug um, das mich dann zu dem Flughafen der Santa Rosa am nächsten war brachte. In Santa Rosa selber gab es keinen Flughafen, deswegen musste ich dann auch noch ein Taxi bis dorthin nehmen.

„Sind Sie wirklich sicher, Martin, dass mich die Menschen in Santa Rosa nicht erkennen werden?“, fragte ich sicher schon zum hundertsten Mal.

„Ja, Sie wissen doch, dass wir vor einem Jahr eine Umfrage, in dem Ort gemacht haben, ob jemand die Prinzessin von dem Vereinigten Königreich kennt. Niemand wusste die richtige Antwort.“, antwortete mir mein Butler mit einem leicht genervten Unterton in der Stimme. Naja, ich kann das auch nachvollziehen, wenn ihn das schon langsam nervte. Aber schließlich war ich total nervös. Ich werde nämlich für ein paar Monate in ein kleines Dorf - für mich war es zumindest ein kleines Dorf - ziehen. Wie lange ich bleibe hängt davon ab, wie es mir dort gefällt und ob es Probleme in meiner Heimat gab.

Ich werde deshalb dort, für eine Weile, hinziehen, weil ich einmal wissen wollte wie es war als “einfacher“ Mensch zu leben; in normalen Häusern zu wohnen, ohne Hausmädchen, ganz normal in die Schule zu gehen -  anstatt zu Hause unterrichtet zu werden - und Freunde zu haben die nicht nur mit dir befreundet waren, weil sie berühmt sein wollen. Ich hatte wirklich panische Angst davor, dass ich keine Freunde fand die zu mir stehen und mir helfen wenn ich mich nicht auskenne oder etwas falsch mache.

Als wir bei dem Flugzeug angekommen waren wurde ich traurig, denn nun hieß es Abschied nehmen. Von meinen liebenswürdigen Butler und vor allem von meiner Heimat. Ich konnte mir es nur schwer vorstellen, wie es war so lange nicht in England zu sein. Ich war noch nie in meinen 17 Jahren von hier weggekommen. Meine Eltern und ich waren früher, als sie noch lebten, öfters im Sommer ans Meer gefahren. Aber immer in England. Aber ich konnte ja jederzeit wieder abreisen, beruhigte ich mich in meine Gedanken.

Als mein Gepäck verstaut und ich kurz davor war in das Flugzeug einzusteigen drehte ich mich noch einmal zu meinen Butler Martin um.

„Ich werde Sie vermissen, Martin.“, sagte ich aufrichtig und schenkte ihm ein kleines Lächeln.

„Ich Sie auch, Prinzessin Mia.“, antwortete er, ebenfalls mit einem Lächeln im dem Gesicht.

Wir sahen uns noch einige Sekunden an und drehte ich mich dann schnell um und stieg in das Flugzeug ein, damit ich nicht zum Weinen begann. Dort setzte ich mich an ein Fenster und bestellte mir etwas zum Trinken. Danach schaute ich die ganze Zeit aus dem Fenster. Wir mussten eine halbe Stunde warten bis wir auf die Startbahn fahren durften, da wir keinen Vortritt bekamen weil die Leute vom Flughafen nicht wussten, dass ich in dem Flugzeug saß. Ich flog nämlich heimlich weg. Sonst würden wahrscheinlich etliche Reporter mir hinterher fliegen und so wüsste jeder, dass ich die Prinzessin von England war und ich könnte schon wieder nicht ausprobieren, wie ein normales Leben war.

Als wir dann endlich abhoben, konnte ich meinen Blick nicht von London abwenden. Ich sah solange hinaus bis man ganz England nicht mehr sehen konnte. Dass heißt so viel wie ich saß fast eine Stunde mit dem Gesicht an das Fenster gepresst da und sah zu wie mein Land langsam immer kleiner wurde. Die restliche Zeit sah ich mir Filme an, aß oder las in meinem Lieblingsbuch. Doch als wir wieder über Land flogen, über Amerika genauer gesagt, sah ich wieder hinaus, weil ich schon sehr aufgeregt war. Wir flogen über einige große Städte, die wunderschön aussahen, da es schon Nacht war und nun schon die ganzen Lichter leuchteten. Doch kurze Zeit später bin ich eingeschlafen. 

Ich hatte Alpträume. Ich träumte alles möglich, was mir in Santa Rosa passieren könnte und dass jeder mich auslacht. Immer wieder schwirrten  lauter grinsende Köpfe in meinen Kopf herum. Ich wollte weglaufen, aber ich konnte nicht. Ich blieb immer an derselben Stelle.

Mit einem kurzen, leisen Schrei wachte ich auf. Zum Glück hatte ich nur alles geträumt! Noch dazu hatte ich nun Kopfschmerzen. Ich rief eine Stewardess bestellte mir eine Cola und fragte sie wann wir landen würden, als sie da war.

„In einer viertel Stunde sind wir bereit zu landen, aber es könnte sein, dass wir noch ein paar Warteschleifen fliegen müssen.“, antwortete die Stewardess etwas zu höflich für meinen Geschmack. Ich bedankte mich leise und schaute wieder aus dem Fenster. Nach ungefähr zehn Minuten sah ich wie eine große Stadt auf uns zu kommt. Das musste L.A. sein. Gespannt saß ich da und schaute zu, wie die Stadt immer größer wurde. Nachdem wir ungefähr noch eine Viertelstunde Warteschleifen geflogen sind, landeten wir endlich. Ich packte schnell mein Gepäck zusammen, denn mein Anschlussflug ging in einer viertel Stunde und ich musste noch meine Sachen abgeben, einchecken und in das Flugzeug einsteigen. Ich rannte durch den Flughafen und stieß zwei Mal fast mit einem anderen Reisenden zusammen. Als ich mich dann schließlich völlig erschöpft in den Sitz fallen ließ, war ich kurz vor dem Einschlafen. Ich nahm mir vor zu schlafen, denn wenn ich in Santa Rosa ankam war es gerade einmal drei Uhr und ich wollte um diese Uhrzeit nicht schon schlafen gehen. Bevor wir losflogen sagte die Stewardess, wie in jedem Flug, die Sicherheitsvorkehrungen auf. Neben mir, am Fenster, saß ein kleines Mädchen. Sie musste um die acht Jahre alt sein. Sie schaute mit großen Augen ganz gespannt aus dem kleinen Fenster.

Ich lächelte und fragte sie: „Ist das dein erster Flug?“

„Ja. Ich bin schon total aufgeregt. Ich heiße Lena. Wie heißt du?“, antwortete mich das Mädchen freundlich und hielt mir ihre kleine Hand hin.

„Mia“, sagte ich und schüttelte die ausgestreckte Hand.

Dann drehte sich Lena wieder zum Fenster und sah hinaus. Ich lehnte mich zurück und schloss meine Augen. Ich wunderte mich, dass ich müde war denn eigentlich hatte ich schon im Flug von London nach L.A. geschlafen. Aber es war ja auch eine anstrengende Reise, da hatte ich mir ein Nickerchen verdient.

Einen Augenblick später war ich eingeschlafen.

Ich wachte wieder auf als der Essensservice kam. Ich aß eine Kleinigkeit und trank wieder eine Cola. Das Mädchen, das neben mir saß, las gerade ein Buch. Auf ein paar Seiten waren Bilder gedruckt und da auf einem dieser Bilder war eine Prinzessin abgebildet war, wurde ich neugierig.

„Worum geht es in diesem Buch?“, wollte ich von Lena im Flüsterton wissen.

„Um eine Prinzessin und um einem Prinzen. Sie verlieben sich ineinander, müssen sich dann aber trennen“, antwortete mir das Mädchen genauso leise wie ich.

„Und? Finden sie wieder zusammen?“, fragte ich.

„Sicher! Jedenfalls hoffe ich das, schließlich habe ich noch nicht zu Ende gelesen…  “, meinte Lena und strahlte mich an.

Ich lachte leise und lehnte mich wieder gemütlich in meinen Sessel.

Nach einer Ewigkeit, zumindest kam es mir so vor, landeten wir.  Als wir noch in der Luft waren hatte ich mir sogar noch Sorgen gemacht, dass ich mich am Flughafen verlaufen könnte. Diese waren jedoch sofort verflogen, als wir ausstiegen, denn er war sehr, sehr, sehr klein.

Ich brauchte nicht lange, bis ich meine Koffer hatte und hinaus gehen konnte. An der angrenzenden Straße standen sehr viele Taxis, aber nicht solche wie ich sie gewöhnt war, keine typischen englischen Taxis. Naja, ist ja auch logisch, schließlich war ich nicht mehr in England. 

Ich ging an den Anfang der Schlange und stieg in ein Taxi ein. Als ich saß sagte ich den Fahrer wohin er mich bringen solle.

Während der Fahrt sah ich aus dem Fenster. Draußen wuchsen keine Bäume nur ein paar Sträucher, da wir in einer Art Wüste waren. Nach fast einer Stunde sah ich dann endlich das Ortsschild: „Santa Rosa“ stand auf diesem.

„Also sind wir endlich da“, dachte ich mir und war erleichtert, da die Reise doch sehr anstrengen gewesen war.

Nachdem ich dem Fahrer noch ein paar Mal gesagt hatte, wo er abbiegen musste, hielten wir vor meinem neuen Haus an. Es sah ziemlich schön aus, doch im Vergleich zu den Häusern in denen ich sonst immer gelebt hatte, war es sehr klein.

Der Taxifahrer holte meine Koffer aus dem Auto und stellte sie am Straßenrand ab. Danach verabschiedete er sich kurz und ließ mich vor meinem neuen Zuhause alleine zurück.

Ich nahm zwei Koffer und ging langsam Richtung Haustür.  Jetzt musste ich diese wieder abstellen, da ich in meiner Handtasche nach den Schlüsseln suchen musste. Als ich sie gefunden hatte, steckte ich sie erwartungsvoll ins Schloss. Mit einem Ruck stieß ich die Tür auf und gelangte in einen schlichten, aber dennoch schönen Vorraum. Ohne Eile holte ich auch die anderen Koffer und packte diese auch gleich aus.

Als so ziemlich alles seinen Platz gefunden hatte, läutete es an der Tür. Zuerst beachtete ich es überhaupt nicht, da ich nicht gewohnt war die Tür selber aufzumachen. Doch nach ein paar Sekunden fiel es mir wieder ein und beeilte mich um die Person nicht warten zu lassen.

Vor meiner Haustür stand eine Frau mit braunen Haaren mittleren Alters. „Hallo, ich heiße Judith Enor und ich wohne auf der anderen Straßenseite. Ich habe gesehen, dass du hier hinein gegangen bist und wollte deswegen unsere neue Nachbarin begrüßen“, sagte sie höflich.

„Das ist sehr nett von Ihnen. Mein Name ist Mia“, antwortete ich fröhlich, da ich es total nett von dieser Frau fand, dass sie sofort auf mich zugekommen ist. Doch nun wusste ich nicht was ich noch sagen sollte und wartete darauf, dass sie etwas erwiderte, was sie dann auch tat sie auch.

„Willst du zu mir hinüber kommen? Ich habe nämlich gerade eben einen Kuchen gemacht und den könnten wir doch essen und ein bisschen tratschen“, fragte sie schon fast schüchtern. Da es sehr komisch aussah einen Erwachsenen schüchtern zu sehen musste ich mir das Lachen verkneifen.

„Natürlich, gerne“, antwortete ich und schloss hinter mir die Haustür und folgte Mrs. Enor zu ihrem Haus. Dieses war himmelblau gestrichen und hatte einen steinernen Zaun. Im Garten konnte ich sogar ein Pool und ein riesiges Blumenbeet erkennen. Sie zeigte mir auch noch das ganze Haus, bevor wir uns in die Küche setzten. Sie servierte den Erdbeerkuchen auf einem gläsernen Teller, was mich stark an zu Hause erinnerte. Mrs. Enor fragte mich natürlich alle möglichen Sachen, so wie jeder Erwachsene, wie: Wie alt bist du? Woher kommst du? Wo sind deine Eltern? Wirst du ganz allein im Haus wohnen? und so weiter.

Ich erzählte ihr, dass ich 17 Jahre alt bin und, dass ich aus London komme und meine Eltern schon gestorben sind als ich zehn Jahre alt war. Ich sagte  ihr auch, dass ich alleine  wohnen werde, was sie ziemlich erstaunte.

„Wie willst du denn dass alles alleine schaffen? Das Kochen, Putzen, Waschen und die Schule auch noch daneben“, fragte sie mich erstaunt.

Genau das hatte ich mir zu Hause auch schon überlegt und deswegen hatten die Dienstmädchen und Köche schon ein halbes Jahr vorher begonnen mir alles beizubringen.

„Oh doch, das schaffe ich schon“, antwortete ich zuversichtlich und widmete mich wieder meinen Kuchen. Er war einfach köstlich.

„Naja, wenn du etwas brauchst dann sag es mir einfach. Wo gehst du eigentlich in die Schule?“, wollte sie wissen.

Langsam nervten ihre ganzen Fragen. Typisch Erwachsene.

„In die Santa Rosa High School, in die vorletzte Klasse. Wissen Sie vielleicht zufällig wo da ein Bus stehen bleibt der zur Schule oder in die Nähe fährt?“, fragte ich sie gleich, da ich mich sonst selber informieren müsste.

„Ah, mein Sohn geht in denselben Jahrgang wie du, vielleicht seid ihr ja sogar in derselben Klasse. Der Bus bleibt am Ende unserer Straße an der Kreuzung stehen. Er fährt ab viertel acht alle 5 Minuten und bleibt genau vor der Schule stehen“, sagte sie.

Als ich mich gerade bedanken wollte, hörte ich wie die Haustür von jemand aufgemacht wurde. Da diese Person an der Küche vorbeimusste, sah ich, dass es ein Junge war der ungefähr genauso alt sein musste wie ich. Deshalb nahm ich an, dass er der Sohn von Mrs. Enor war von dem sie mir schon erzählt hatte. Zuerst warf er nur einen kurzen Blick in die Küche und ging weiter, doch dann schien ihm erst aufzufallen, dass ich in der Küche saß und kam wieder mit verwunderten Gesicht zurück.

„Hallo. Ähm… Mum kann ich dich kurz sprechen?“, fragte er noch immer verwirrt und fuhr sich dabei durch seine nassen, fast schwarzen Haare.

Seine Mutter entschuldigte sich bei mir und folgte ihm ein Stück weg von der Küchentür. Obwohl sie leise sprachen konnte ich sie hören. Eigentlich wollte ich nicht lauschen, aber es war schwer nicht zuzuhören.

„Wer ist das in unserer Küche, Mum?“, fragte der Junge.

„Mia. Sie ist heute gegenüber bei uns eingezogen und ich wollte nur höflich sein und sie auf einen Kuchen einladen. Ist das ein Problem für dich, Matthew?“

„Nein, nein. Wollte es nur wissen.“

„Setzt dich doch zu uns, das wäre sonst unhöflich“, bat Matthews Mutter ihn.

„Ja, ja. Ich bring noch meine Sachen in mein Zimmer, dann komme ich runter.“

Da ich hörte, dass Mrs. Enor wieder zurück kam, tat ich so als hätte ich die ganze Zeit den Kuchen gegessen. Um ihr vorzutäuschen, dass ich nichts gehört hatte, fragte ich, ob das ihr Sohn gewesen war und wie er heiße.

„Ja, das war mein Sohn, Matthew. Er bringt nur schnell seine Sachen in sein Zimmer und kommt dann zu uns.“

 




Matthew

 

Meine Mum ging  wieder in die Küche zu unserer neuen Nachbarin. Ihr Name ist Mia … so ein schöner Name. Genauso wie sie selbst. Sie sieht aus wie ein Engel mit ihren nachtschwarzen Haaren, die ihr bis zur Taille gingen und den eisblauen Augen… reiß dich zusammen Matthew!

Da ich so in der Erinnerung an sie versunken war, lief ich gegen meinen Schreibtisch, der neben meinem Bett stand. Fluchend rieb ich meine Zehen, ließ mich auf mein Bett fallen und stellt meine Tasche daneben. Als ich wieder aufstehen konnte, ging ich ins Badezimmer um noch schnell das Wasser vom Bad, wo ich gerade mit meinen Freunden war, abzuduschen. Nach fünf Minuten war ich wieder angezogen und schlenderte hinunter in unsere Küche.

Dort saßen schon die zwei Frauen und unterhielten sich. Besser gesagt meine Mutter quetschte unsere neue Nachbarin aus. Ich versuchte ein Lachen unterdrücken, grinste aber dennoch. Immer dasselbe mit den Müttern. Sie müssen immer alles ganz genau wissen.

Ich sah mich nach dem Kuchen um, weil es so lecker duftete und nahm mir gleich ein Stück davon. Unsicher setzte ich mich zu ihnen zum Tisch, da ich nicht genau wusste, was ich jetzt machen sollte.

Gerade als ich von dem Kuchen abbiss, sagte meine Mutter: „ Stimmt doch Matthew. Du wirst wohl so freundlich sein Mia die Stadt zu zeigen, oder?“

Ich verschluckte mich am Bissen und ging hustend zum Wasserhahn, um etwas zu trinken.

„Nein, schon okay.  Du musst mich nicht herumführen, wirklich nicht“, meinte das Mädchen mit einem Lächeln im Gesicht das auch eine Spur Traurigkeit enthält.

 




Mia


Ich lächelte Matthew an, damit er sich nicht schlecht fühlte, aber in Wirklichkeit war es ein Stich ins Herz, das er sich verschluckt hatte als er es gehört hat.

„Okay, dann nicht“, sagte er und diese Antwort linderte den Schmerz in meinem Herz auch nicht gerade.

Ich bedankte mich für den Kuchen ging, mit der Ausrede noch etwas auspacken zu müssen, wieder in mein Haus. Eigentlich hatte ich schon alles an seinen Platz gestellt, aber ich wollte jetzt lieber alleine sein.

Ich suchte mir eine Beschäftigung, damit ich nicht die ganze Zeit über Matthews Reaktion nachdachte. Da im Haus nichts mehr zu tun war beschloss ich schon das Abendessen zu kochen, obwohl es erst fünf Uhr am Nachmittag war. Ich machte eine Lasagne, weil die mich lange beschäftigen würde.

Aber trotzdem schwirrten mir einige Fragen durch den Kopf. Warum hat Matthew so reagiert? Wieso ist für ihn die Vorstellung mit mir Zeit zu verbringen so schrecklich? Bin ich anders als seine Freunde?

Schließlich war die Lasagne im Backrohr und ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Erst dann merkte ich wie wenig Zeit ich in den letzten Jahren hatte. Immer war etwas, was noch zu unterschreiben oder zu besprechen war. Aber jetzt hatte ich endlich wieder einmal Zeit für mich und ich konnte machen was ich wollte.

Sogleich blendete ich alle schlechten Gedanken aus und sank tiefer in die Couch, wo ich gemütlich fern sah. Es war so entspannend, dass ich schließlich einschlief.

Ich wachte von einem schrecklichen Gestank auf der ich zuerst nur verwirrte, da ich noch nie etwas Verbranntes gerochen hatte. Doch dann war ich hellwach und rannte in die Küche. Schnell nahm ich ein Tuch und holte die Lasagne aus dem Backrohr.

Und dahin war mein gutes Essen.

Schon knurrte mein Bauch und ich entschied mich einfach eine Pizza zu bestellen. Doch auch das wird schwierig werden, da ich auch das noch nie getan hatte. Aber da ich nicht hungrig ins Bett gehen wollte, bleib mir nichts anderes über.

Ich suchte im Internet nach einer Pizzeria, die in der Nähe war und fand schließlich eine. Nachdem ich die Nummer im Telefon eintippte, hörte ich vorerst nur ein Piepen.  Dann sagte eine genervter junger Mann am anderen Ende: „Hallo, was kann ich für Sie tun?“ Ich bestellte mir eine mittlere Pizza mit Schinken und Mais und fragte noch, wie lange sie wohl brauchen werden. Als Antwort bekam ich nur eine unverständlich gemurmelte Erklärung.

Ich legte das Telefon wieder an seinen Platz zurück, als eine leichte Gänsehaut meine Arme überzog. Über meine Arme reibend ging ich zum Thermostat  und drehte die Heizung auf. Doch da es eine Weile dauern wird bis es warm ist, holte ich mir eine Decke aus dem Kasten und kauerte mich mit ihnen auf die Couch. Der Film war genau in diesem Moment zu Ende und deswegen sucht ich einen neuen Interessanten und wartete mit knurrenden Magen auf meine Pizza.

Ungefähr eine dreiviertel Stunde später läutete es endlich an meiner Tür und ein Mann mit meinem Essen stand davor. Ich gab ihm das Geld und noch ein bisschen Trinkgeld und ging wieder ins Haus. In der Küche schnitt ich die Pizza in achtel Stücke und schlenderte in das Wohnzimmer, wo ich dann endlich aß.

Nachdem ich aufgegessen hatte, war es schon beinahe Mitternacht und da  am nächsten Tag Schule war, beschloss ich ins Bett zu gehen. Schläfrig zog ich mich aus und sucht mir ein langes T-Shirt für die Nacht aus dem Kasten.

Vor lauter Aufregung vor dem morgigen Tag konnte ich lange nicht einschlafen, doch dann war die Müdigkeit stärker und ich glitt ins Reich der Träume.

 


Erster Schultag




Mia

 

Ich schreckte hoch als der Wecker plötzlich klingelte. Schläfrig schaltete ich ihn aus und wollte weiterschlafen, aber dann fiel mir ein, dass heute mein erster Schultag an der neunen Schule war.

Müde stand ich auf und bekam sofort eine Gänsehaut, als ich unter meiner warmen Decke hervorkroch. Schnell zog ich mir einen dicken Pullover und eine angenehme Jogginghose an und ging hinunter in die Küche.

Ich schaltete die Kaffeemaschine ein und schnitt mir während der Kaffee gemacht wurde ein Brot hinunter und  bestrich es mit Butter.  Als alles fertig war setzte ich mich an den Küchentisch und frühstückte gemütlich. Doch ein Blick auf die Uhr reichte um mich in Eile zu versetzten, denn ich hatte nur mehr 40 Minuten bis Schulbeginn und musste noch duschen.

Schnell sprang ich auf und eilte ins Badezimmer um mich fertig zu machen.

Nachdem ich fertig geduscht hatte zog ich mir noch eine dunkle Jeans und ein gelbes Top an.

Ich rannte die Stiegen hinunter und blieb noch einmal kurz vor dem Spiegel im Vorraum stehen und schaute ob eh alles passt. Ich nahm noch meine Sonnenbrille von der Garderobe, setzte sie auf und nahm meine Tasche. Während ich mit schnellen Schritten zur Bushaltestelle ging, setzte ich mein Sonnenbrille auf und sah mir meine neue Nachbarschaft an. Die Gärten waren im Gegensatz zu der Landschaft grün und mit vielen Pflanzen versehen. Damit ihre Wiesen nicht auch zu einer Halb-Wüste werden, müssen die Bewohner jeden Tag gießen. Auch jetzt gerade sind viele Sprenger eingeschaltet und die Kinder und auch Erwachsenen die das Haus verließen, rannten um nicht nass zu werden. Fast alle fuhren mit dem Auto und nur wenige gingen wie ich zur Bushaltestelle, die auf der anderen Straßenseite war.

Gerade als ich hinüber gehen wollte, kam ein Auto und blieb vor mir stehen. Die Autoscheibe wurde hinunter gefahren und das Gesicht von Matthew erschien und er fragte: „ Möchtest du mitfahren? Ich hab nämlich gehört, dass du auch an dieselbe Schule gehst wie ich, was in diesem Ort natürlich kein Wunder ist…“

„Ja, gerne!“, antwortete ich ihn und stieg in sein schwarzes Auto, das innen helle Sitze hatte und dadurch edel aussah.

Konzentriert sah Matthew auf die Straße und ich genehmigte mir ihn näher zu betrachten, während er es nicht bemerkte. Matthews dunkle Haare hingen ihm leicht in die Augen, doch es schien ihn nicht zu stören. Er trug eine schwarze Jean, die locker an seinen Hüften saß. Dazu ein einfaches dunkelblaues T-Shirt. Matthew spürte wohl meinen Blick, denn er sah kurz zu mir, bevor er sich wieder der Straße zuwandte.

Schüchtern blickte ich weg und sah aus dem Fenster während wir durch eine mir unbekannte Gegend fuhren. Es herrschte Stille im Wagen und ich überlegte fieberhaft was ich sagen könnte, um diese zu brechen.

Schließlich fragte er: „Weißt du schon in welche Klasse du kommst? Du gehst ja in denselben Jahrgang wie ich, hat mir meine Mutter gesagt.“

Ich meinte, dass ich es nicht weiß und dann wusste wir wieder nicht was wir sagen sollen. Irgendetwas musste es doch geben, worüber zwei normale Teenager reden können. Okay, er ist ein normaler Teenager und ich, ja was bin ich?

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das Auto anhielt und Matthew sich abschnallte. Hastig stieg ich aus und dachte schon, dass er gegangen war, doch Matthew stand da und wartete auf mich.

„Ähm, Matthew…“, wollte ich sagen, aber er unterbrach mich.

„Nenn mich einfach Matt.“

„Okay, Matt. Kannst du mir vielleicht zeigen wo das Sekretariat ist?“, fragte ich nun schließlich.

Zuerst wirkte er etwas verwirrt, doch dann antwortete er: „ Ahja, klar!“

Ich folgte ihm in das nicht sehr große Schulgebäude hinein und bemerkte sofort, wie klein dass alles hier ist. Bestimmt kennen sich fast alle untereinander und ich werde wahrscheinlich zuerst die Neue und Unbekannte sein.

Alle schauten mich interessiert an, doch zum Glück waren sie nicht so aufdringlich. Ein Teil von mir wartete nur darauf, dass irgendjemand mich als Prinzessim Mia erkennt, aber es passierte nichts. Martin hatte wohl Recht gehabt, als er sagte, dass keiner mich kennt. Größtenteils war ich erleichtert darüber, doch es versetzte mir auch einen kleinen Stich, dass ich Amerika nicht berühmt war. Naja, jetzt sollte meinen „normalen“ Leben nichts mehr im Wege stehen.

Matthew hielt mir die Tür zum Sekretariat auf und ging nach mir selbst in den Raum. Das Zimmer war in einen fast klinisch aussehenden weiß gestrichen, doch um das aufzulockern standen einige Pflanzen bei den Wartesesseln. Eine kleine etwas molligere Frau mit kurzen braun-roten Haaren saß hinter dem Schreibtisch und sah mich mit einen mütterlichen Lächeln an. Das Sekretariat war leer, weswegen ich gleich zu der Frau ging und sagte: „Hallo, mein Name ist Mia Pareo und ich bin die neue Schülerin.“

„Ja, ich habe dich schon erwartet und hoffe, dass es dir hier bei uns gefällt. Wie ich sehe hast du sogar schon einen deiner neuen Klassenkollegen kennenglernt“, erwiderte sie und drehte sich nun Matt zu, „Matthew, du wirst doch so freundlich sein und Mia  alles zeigen und helfen, wenn sie Hilfe braucht.“

„Klar mache ich das“,  antwortete er und warf mir einen kurzen Blick zu.

Ich nahm die Unterlagen, die mir die Sekretärin entgegen hielt, verabschiedete mich und ging wieder auf den Schulflur hinaus.

„Anscheinend muss ich jetzt auf dich aufpassen“, meinte Matt breit grinsend.

„Nein, du musst das wirklich nicht machen, wenn du nicht willst“, sagte ich ohne aufzublicken.

Auf einmal blieb Matthew stehen und drehte mich zu ihm hin: „Ach, Mia! Das war nur ein Scherz. Mir macht es nichts aus dir alles zu zeigen und ich will es sogar. Also stell dich nicht so an und komm mit, ich mache dich noch mit einigen meiner Freunden bekannt.“

Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln und folgte ihm in die Klasse, wo erst ungefähr die Hälfte der Stühle besetzt waren.  Matt ging auf eine Gruppe von Jungs zu, die sich in der letzten Reihe gesammelt haben. Sie waren zu viert und als sie ihren Freund kommen sahen, begrüßten sie ihn. Nachdem er alle abgeschlagen hatte, sagte er: “Das ist Mia. Sie ist neu in unserer Klasse und wohnt gegenüber von mir.“ Alle sagten kurz hallo und Matthew stellt mir seine Freunde vor: “Das sind Tim, Alex, Patrick und Sam, meine Kumpels.“

“Hey“, meinte ich und lächelte in die Runde. Kurz betrachteten die Jungs mich noch, aber dann redeten sie, was mich erleichterte, über irgendwelchen Männerkram. Ich hatte mich nicht wohl gefühlt dabei, wie sie mich ansahen.

 Nach zehn Minuten waren dann beinahe alle Schüler in der Klasse und ein noch ziemlich junger Lehrer kam hinein. Matt führte mich zu einem Platz in der vorletzten Reihe und sagte mir, dass wir Geschichte hatten. Die Stunde verging ziemlich schnell und ich kam auch mit dem Stoff mit, nur dass wir hier die amerikanische statt der englischen Geschichte lernten.

In der Pause kam ein blondes Mädchen zu mir. Sie sah freundlich aus und war nicht so eine typisch blonde Tussi.

“Hey, mein Name ist Summer und ich wollte dich einfach mal willkommen heißen“,  meinte das Mädchen schüchtern.

“Hi, danke. Ich bin Mia“, sagte ich und fügte mit einem Grinsen hinzu, “Ich bin neu hergezogen, aber ich nehme an, dass du das weißt.“

Summer nickte und sie erzählte mir einiges über unsere anderen Mitschüler.

Es gab zwei richtige Zicken, die ich auch ohne ihre Hilfe erkannt hätte. Sie hatten echt kurze Sachen an und ihr Gesicht war mit Make-Up zugekleistert und ihre Haarfarbe war natürlich blond. So ein richtig Wasserstoffblondes Haar habe ich bis jetzt nur im Fernsehen gesehen.

Dann erklärte sie mir wer dir Streber in der Klasse sind und mit einem Augenzwinkern sagte sie mir auch wen ich fragen konnte, wenn ich mal meine Hausübung vergessen hatte.

Dann drehte Summer sich zu Matthew und seinen Freunden und meinte, dass das die süßesten Typen der Schule sind. Aber sie versicherte mir, dass es bei ihnen an der Schule nicht so zugeht wie man sich es in einer typisch amerikanischen Schulen. “Klar sind diese Jungs der Traum aller Mädchen, aber niemand läuft ihnen nach als wären sie ein Superstar auf der Durchreise“, sagte sie und schaute dennoch verträumt zu ihnen.

“So sieht das aber nicht aus, so wie du sie gerade anschaust“, meinte ich und versetzte ihr einen kleinen Stoß. Sie kicherte und wandte sich wieder zu mir, dann fiel ihr etwas ein: “Wie hast du es eigentlich geschafft gleich am ersten Tag mit Matthew Enor in die Schule zu kommen?!“, sie wurde bei jedem Satz lauter und schaute mich verwundert an, “Viele Mädchen träumen davon, dass er nur mit ihnen spricht und er begleitet dich gleich am ersten Tag in die Klasse.“

“Ehrlich gesagt hat er mich auch in die Schule gefahren“, antwortete ich mit einem kleinen Lächeln.

“Oh mein Gott! Jetzt musst du mir aber alles erzählen!“

“Okay. Also, gestern bin ich hier angekommen und nachdem ich ausgepackt hatte, klingelte es an meiner Tür. Es war Matthews Mum, Mrs. Enor, und sie hat mich zu sich ins Haus eingeladen. Mrs. Enor hat mich natürlich ausgefragt über mein ganzes Leben und dann ist halt Matt gekommen. Seine Mum hat uns vorgestellt und heute in der Früh war ich grad am Weg zum Bus, da hielt er mit seinem Wagen und fragte mich, ob ich mitfahren wolle“, beendete ich meine Geschichte, als es gerade klingelte.

“Wow. Naja, ich geh dann wieder auf meinen Platz, schließlich haben wir jetzt Mrs. Marei. Sie unterrichtet Englisch und ist echt streng“, meinte Summer und ging zu ihrem Platz. Ich setzte mich auch wieder hin und bemerkte, wie sich jemand auf den Sessel neben mich setzte. Ich schaute auf und war in einer Gewissen Art und Weise erleichtert, dass es Matt war. Nachdem ich erfahren hatte, dass er zu den Beliebten in der Schule gehört, war ich mir nicht mehr so sicher ob er mit mir befreundet sein will.

“Hey“, meinte ich und wandte mich ganz zu ihm als er saß, “Ich habe gerade erfahren, dass du hier ziemlich angesagt bist.“

Er lächelte und meinte: “Ach ja. Wer hat dir das denn erzählt?“

“Summer. Ich glaube sie ist nett und könnte sie mir gut als neue Freundin vorstellen.“

“Ja, ich kenn sie zwar nicht sonderlich gut, aber sie ist immer freundlich und hilfsbereit“, sagte er ehrlich.

“Also stimmt es, dass du beliebt bist?“, wollte ich wissen.

Aber Matthew meinte nur: “Kann schon sein“, und schaute zur Tür, wo gerade eine Frau mit strengen Gesichtszügen und streng zurückgebundenen Haaren herein kam. Ich lächelte nur und konzentrierte mich auf den Unterricht.

Als die Stunde endlich vorbei war, wusste ich was Summer damit gemeint hat, dass Mrs. Marei so streng war. Sie war wirklich eine Hexe. Sie stellte im Unterricht zwischendurch Fragen und wenn man die nicht sofort beantworten konnte, bekam man ein Minus. Ich hatte heute auch schon

eines kassiert und war wirklich froh, dass ich die Stunde halbwegs überstanden hatte.

Die nächsten zwei Stunden vergingen schnell. In den Pausen war ich bei Summer und kurz vor oder in der Stunde unterhielt ich mich mit Matt. Doch in der vierten Pause standen auf einmal alle auf und packten ihre Sachen zusammen. Nun kam der Moment auf den ich schon den ganzen Tag gewartet hatte: Ich kannte mich nicht aus. Schnell räumte ich auch meine Sachen ein und ging mit den anderen aus der Klasse. Ich schaute mich nach Matthew um, konnte ihn aber nirgendwo sehen. Als ich Summer sah, ging ich zu ihr, weil ich ja nicht wusste was los war.

“Ähm, Summer? Wo gehen wir jetzt alle hin?“, fragte ich und bemühte mich, dass es nur beiläufig klang.

“In die Cafeteria. Zum Mittagessen. Gibt es sowas nicht von dort wo du herkommst? Von wo bist du überhaupt?“, fragte sie mich mit einem verwunderten Blick.

“Also ich bin aus England und dort gibt es schon eine Cafeteria, aber… aber bei uns gab es das Essen erst später“, versuchte ich mich schnell herauszureden.

“Aha, komm gehen wir sonst verhungere ich hier noch.“

Ich war so froh darüber, dass ich gleich am ersten Tag eine Freundin gefunden habe, die mir alles erklärt. Ich wüsste sonst jetzt schon nicht mehr weiter. Wir stellten uns in der Schlange an und ich schaute Summer ganz genau zu was sie machte, um mir Peinlichkeiten zu ersparen. Als wir dann beide unser Mittagessen hatten, setzten wir uns nach draußen auf die Terrasse.

Summer und ich redeten über unsere Familie, wobei sie mehr zu erzählen hatte, als ich, da meine Eltern tot sind und ich ein Einzelkind bin. Bei ihr sah das schon anders aus: Ihre Eltern sind geschieden und beide haben wieder geheiratet, weswegen ihre Familie ziemlich groß ist. Summer lebt bei ihrer Mum mit deren neuen Mann und ihren kleinen Halbbruder Jan. Ihren Dad besucht sie auf hin und wieder, aber sie hat ihm niemals ganz verzeihen, dass er ihre Mum verlassen hat.

“Mein Dad hat auch eine neue Frau und die ist gerade schwanger mit Zwillingen, dass heißt unsere Familie wird bald noch größer“, sagte sie zum Abschluss und lächelte gedankenverloren.

“Wow!“, meinte ich nur und nahm den letzten Bissen von meinem Essen. Gemeinsam brachten wir unsere Tabletts weg und machten uns auf in den Chemiesaal, wo wir unsere nächste Stunde haben werden.

Kurz bevor es klingelte, kam Matthew in den Raum und sah sich um. Als er  mich entdeckte, setzte er sich neben mich, obwohl auch noch ein Platz bei seinen Freunden frei war. Sehr eigenartig, aber ich will mich ja nicht beschweren, dachte ich und musste schlagartig grinsen.

Ich nickte ihm zu als er sich setzte und wollte mich eigentlich wieder zu Summer drehen, als er sagte: “Wo warst du in der Pause? Ich hab dich schon gesucht.“

Perplex sah ich Matt an und meinte: “Ich war mit Summer auf der Terrasse. Du warst schließlich als wir aus der Klasse gingen plötzlich weg.“

“Genau, stimmt. Ich musste noch etwas mit unserem Lehrer klären. Entschuldigung, dass ich nichts gesagt habe“, sagte er mit einem typischen Es-tut-mir-leid-Lächeln.

“Macht nichts Matt, ich hatte ja immer noch Summer.“

Genau als es läutete, betrat eine kleine blonde Frau den Raum, die, wie Matthew mir zu flüsterte, Mrs. Right hieß. Ich konnte sie mir gut als Chemielehrerin vorstellen. Sie sah nicht verrückt aus oder so, sondern raffiniert und lustig. Ich hatte schon so eine Vorahnung, dass Chemie mein Lieblingsfach werden könnte. Zu Hause hatte ich eine Lehrerin für alle Fächer gehabt.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich hörte wie unsere Lehrerin sagte, dass jeder für sich etwas im Buch ausarbeiten sollten. Also fing ich an, doch da ich zu Hause den Stoff schon gemacht hatte, war ich nach fünf Minuten fertig. Ich schaute mich um und sah, dass alle noch mehr oder weniger fleißig arbeiteten. Nur Matthew war auch schon fertig und bemerkte meinen Blick. Wenige Augenblicke später wurde ein Zettel zu mir hinübergeschoben. Er kam von Matt. Gespannt öffnete ich ihn, schließlich hatte ich bis dahin noch mit niemanden Briefchen geschrieben.

 

Tut mir leid wegen gestern bei mir zu Hause, weil es so ausgesehen hatte als ob ich dir nicht die Stadt zeigen wollte. Ich hab mich nicht wegen dir verschluckt, sondern mich hat nur die Frage etwas überrascht. Wenn du willst kann ich dir heute alles zeigen :)

 

Ich war wirklich froh, dass das nicht wegen mir war. Ich schämte mich jetzt sogar ein bisschen, weil ich mir alles Mögliche zusammengereimt hatte und nichts war annähernd die Wahrheit. Schnell nahm ich meinen Stift und schrieb zurück.

 

Aso, okay. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich herumführst.

 

Er lächelte und wollte noch etwas sagen, als Mrs. Right in unsere Richtung kam. Schnell ließ Matthew den Zettel in seine Hosentasche gleiten und sah unschuldig zu unserer Lehrerin. Mrs. Right  sah, dass ich schon mit der Aufgabe fertig war und meinte dazu: “Wie ich sehe, hast du die Ausarbeit  geschafft, Mia. Habt ihr in deiner alten Schule diesen Stoff schon durchgemacht.“

“Ja. Ich war ein Kapitel weiter, daher fiel mir das nicht schwer.“

“Du meinst deine Klasse war weiter, oder hattest du Privatunterricht?“, fragte sie sichtlich verwirrt.

“Ja, tut mir leid. Ich meinte meine Klasse war schon weiter“, besserte ich mich schnell aus und verfluchte mich selber dafür, dass ich nicht nachgedacht hatte, bevor ich redete.

“Okay“, sagte sie und wandte sich überrascht zu Matt, “Du bist ja ebenfalls fertig! Hast du von Mia abgeschrieben oder bist du endlich auf die Idee gekommen zu lernen?“

“Ich habe nicht abgeschrieben und das muss dann wohl heißen, dass ich gelernt habe. Da stauen Sie, was?“, antwortete er. Ich dachte, dass Mrs. Right in ermahnen wird, aber stattdessen meinte sie nur: “In der Tat“, und ging weg.

“Ich hol dich dann um drei ab, okay?“, fragte Matthew.

“In Ordnung.“

Der restliche Schultag verlief ohne weiter Probleme oder Pannen. Vor der Schule wartete Matt schon auf mich und als er mich sah verabschiedete er sich von seinen Freunden und fuhr mich nach Hause. Vor meiner Tür ließ er mich aussteigen und sagte mir noch einmal, dass er mich um drei abholen wird.

Arztbesuch




Mia

 

Ich ging hinauf in mein Zimmer, um meine Hausübungen zu machen. Nach ungefähr einer halben Stunde war ich fertig. Es dauerte noch fast eine Stunde bis Matthew kommt. Ich beschloss die restlich Fotos an den Wänden aufzuhängen, zu denen ich gestern  nicht mehr gekommen bin. Danach packte ich die Sachen die ich heute Nachmittag brauchen könnte in meine Tasche und schmiss sie dann auf mein Bett.

Gerade in dem Augenblick läutete es unten an der Haustür. Ein Lächeln huschte mir übers Gesicht und ich lief hinunter, um Matt die Tür zu öffnen. Ich begrüßte ihn und bat ihn anschließend hinein. Mit der Erklärung noch meine Tasche holen zu müssen eilte ich noch einmal in mein Zimmer und nahm meine Tasche vom Bett. Mit einem letzten Blick in den Spiegel rannte ich wieder nach unten. Aber weil ich viel zu schnell dran war, übersah ich die letzte Stufe und knickt mit dem rechten Fuß um. Doch anstatt auf den Boden zu fallen, fand ich mich in zwei starken Armen wieder. Als ich aufsah, blickte ich in zwei smaragdgrüne Augen, die mit grauen Fasern durchzogen waren. Sie fesselten mich, sodass ich mich nicht bewegen und ihn nur anstarren konnte.

Plötzlich räusperte Matthew sich und befreite mich dadurch von meiner Starre. Er wollte mich aufrichten, doch sobald mein Gewicht auf die Füße verlagert wurde, zuckte ich zusammen und ließ mich wieder gegen Matt fallen. Er stützte mich und ich rieb mir mit schmerzverzerrtem Gesicht den verletzten Knöchel.

“Kannst du gehen?“, wollte Matthew besorgt wissen.

“Nein, ich glaube nicht. Es tut schrecklich weh, wenn ich drauf steigen will.“

Als auf einmal der Boden unter meinen Füßen verschwand, schnappte ich überrascht nach Luft. Matt hatte mich hochgehoben und hielt mich jetzt wie ein Baby in seinen Armen. Ich legte automatisch meine Arme um seinen Hals und sah in erschrocken an.

“Irgendwie muss ich dich ja zu meinem Autobringen“, er deutete auf meinen Fuß, “Das muss sich nämlich ein Arzt ansehen.“

Ich warf ihm einen dankbaren, aber auch schüchternen Blick zu und sah dann sofort weg.

Vorsichtig ging Matt nach draußen und musste aufpassen, dass er mit mir nicht stolperte, da er schließlich nicht sah wo er hintrat. Er hielt mich kurz nur mit einem Arm, wie ich bewundert feststellte, um die Beifahrertür seines Autos aufzumachen. Als ich auf den Sitz bugsiert wurde, fiel mir ein, dass meine Tasche noch bei der Stiege liegen musste, wo ich sie fallen gelassen hatte.

“Meine Tasche!“, sagte ich nur und sofort verstand Matthew und ging wieder in das Haus. Ich sah ihm nach als er nach drinnen verschwand. Kurze Zeit später kam er wieder heraus, blieb aber noch bei der Tür stehen und sucht etwas in meiner Tasche. Verwirrt sah ich ihn an. Nach kurzem brachte er meinen Schlüssel zum Vorschein, drehte sich um, sperrte zu und ging dann zu mir.

Ich versuchte meinen Fuß vorsichtig zu bewegen, währenddessen wir auf der Schnellstraße fuhren. In Santa Rosa gab es nämlich keinen Arzt und deswegen mussten wir ungefähr 20 Minuten zur nächsten Stadt fahren. Matthew fragte mich immer wieder wie es meinen Fuß geht. Ich fand das echt süß von ihm, dass er sich solche Sorgen machte.

Vor einem cremefarbenen, zweistöckigen Haus hielt er an und stieg aus. Er öffnete die Beifahrertür und hob mich, darauf bedacht meinen Kopf nicht anzuhauen, aus dem Auto.

Matthew setzte mich auf einen Sessel im Wartezimmer und ging zur Empfangsdame und erklärte ihr was passiert war. Er redete noch kurz mit ihr und kam dann zu mir zurück.

“In einer halben Stunde sollten wir an der Reihe sein.“

“Okay. Danke, dass du mich hierher gefahren hast.“

“Natürlich hab ich das getan. Hätte ich dich etwa mit deinem verletzten Fuß dort liegen lassen sollen?“, fragte er belustigt.

“Nein. Aber trotzdem danke.“

Ich nahm mir eine Zeitschrift von dem Couchtisch. Gelangweilt blätterte ich sie mir durch und sah mir nur die Bilder an. Matt wippte mit seinem rechten Fuß und warf mir zeitweise kurze Blicke zu.



Matthew

 

Das Wartezimmer war nett eingerichtet. Rote lederne Bänke und Sesseln standen in drei Gruppen im Raum verteilt, in dessen Mitte jeweils ein gläserner Tisch mit einem Rahmen aus dunklem Holz. 

Ich bemerkte, wie ich wieder einmal unbewusst angefangen hatte mit meinem Fuß zu wippen. Als mein Blick zu Mia wanderte, wurde mir bewusst wie schön sie wirklich war und welche Wirkung sie auf alle Männer hatte. Meine Freunde hatten mir in den ganzen Pausen wegen ihr Löcher in den Bauch gefragt. Sie waren an ihr interessiert und wieso sollten die Jungs an Mias alter Schule nicht auch versucht haben sie als Freundin zu bekommen. Sicher hatte es einer geschafft und wartete nun sehnsüchtig auf die Ferien, um sich mit ihr zu treffen. Wie sollte ich dann eine Chance bei ihr haben?

Meine Grübeleien wurden jäh durch die Empfangsdame unterbrochen, die Mias Namen aufrief. Ich hob Mia hoch und trug sie behutsam in ein geräumiges Zimmer, in welchem ein junger Mann saß, der wahrscheinlich gerade erst das Studium beendet hatte. Ich setzte das Mädchen in meinen Armen auf die Liege ab und machte es mir in einem der Sessel gemütlich.

Er tastete zuerst den Fuß ab und machte danach Sicherheitshalber noch einen Röntgen.

“Der Fuß ist nur verstaucht, aber da Sie anscheinend nicht gehen können, werden Sie Krücken brauchen.“

Der Arzt drückte Mia die Krücken in die Hand und verabschiedete sich von uns. Unsicher stakste Mia aus dem Zimmer und ich ging sicherheitshalber neben ihr, bereit sie sofort aufzufangen, sobald sie hinfiel.

Als wir dann im Auto saßen, was beinahe doppelt solange dauerte als sonst, fragte ich: “Wollen wir ein Eis essen gehen? Mit der Stadtbesichtigung wird es heute schließlich nichts mehr, oder?“

“Nein, glaub ich auch nicht. Aber ein Eis könnte ich jetzt ganz gut vertragen.“

“Ich kenne einen richtig guten Eissalon am anderen Ende der Stadt. Gleich daneben ist ein großer Park, wo man sich richtig entspannen kann.“

“Hört sich gut an!“

Nach kurzer Zeit blieben wir wieder stehen und Mia sah sich schon nach dem Eissalon um.

“Wir müssen noch ein Stückchen zu Fuß gehen. Ab hier ist es eine Fußgängerzone“, sagte ich entschuldigend, “Aber wenn du willst kann ich dich wieder tragen.“ Ich konnte mir die Bemerkung und mein Grinsen nicht verkneifen und erntete dafür einen bösen Blick. Ungelenkig stieg Mia aus dem Wagen und ging, so schnell sie eben konnte, weg - in die falsche Richtung.

“Ähm, Mia! Du weißt schon, dass du in die falsche Richtung gehst“, rief ich ihr hinterher und lachte leise.

Sofort drehte sie um und ignorierte mich, als sie an mir vorbei lief. Noch immer lachend sperrte ich das Auto zu und eilte ihr hinterher. Ich entschuldigte mich mehrmals, aber Mia beachtete mich nicht. Ich stellte mich vor sie hin und fragte mit britischen Akzent: “Mia Pareo, was kann ich tun damit Sie mir jemals wieder verzeihen?“

“Naja, Sie könnten mir ein Eis spendieren Matthew Enor“, antwortete Mia im selben Tonfall. Als sich unsere Blicke trafen, mussten wir beide anfangen zu lachen und konnten nicht mehr aufhören, denn sobald wir einander wieder ansahen begann die Lachattacke von Neunen.

“Okay. Aber nur ein Eis, sonst bin ich Pleite, bis ich meine Schuld beglichen habe.“

“Na gut“, sagte Mia mit einen Schmollmund.

“Vielleicht gehen sich auch zwei aus.“

Strahlend, wie ein kleines Kind an Weihnachten, ging Mia weiter und ich musste schon wieder lachen. So viel habe ich schon seit langen nicht mehr gelacht, wie mit Mia innerhalb eines Tages.

Auf einmal hörte ich vertraute Stimmen und sah mich um. Mein bester Freund Sam und meine Kumpels Alex, Tim und Patrick kamen mit Jennifer und Amanda, den Tussis aus unserer Klasse, im Schlepptau auf uns zu. Ich machte Mia auf meine Freunde aufmerksam, worauf sie kurz das Gesicht verzog, aber dann sofort ein Lächeln aufsetzte.

Leicht verwirrt schaute ich wieder zu den anderen, die gerade eben vor uns zum Stehen kommen.

“Hi Leute! Was macht ihr hier?“

“Ach, wir waren gerade im Kino und habe uns diesen einen neunen Film angeschaut, von dem ich dir erzählt habe“, antwortete mir Sam.

“Und wie war´s?“

“Ganz okay. Ziemlich viel Action, wenig Handlung“, antwortete Amanda anstatt Sam und zeigte ihre strahlenden Zähne bei ihren typischen Amanda-Lächeln, “Was habt ihr gemacht?“

“Wir waren gerade beim Arzt, weil Mia sich den Knöchel verstaucht hat, wie ihr sehen könnt und jetzt wollen wir ein Eis essen gehen. Wollt ihr mitkommen?“

“Ich weiß nicht so...“, begann Sam, aber Amanda unterbrach ihn und sagte: “Klar wollen wir mitgehen!“

Sie drehte sich zu den anderen um und warf ihnen einen strengen Blick zu damit sie nichts dagegen sagten. So war Amanda eben. Immer muss alles nach ihr gehen.

Ich ertappte mich dabei, dass ich vollkommen vergessen habe Mia zu fragen, ob es ihr eh recht ist, wenn die anderen mitkommen und fragte sie deswegen schnell: “Stört es dich eh nicht, wenn sie mitkommen?“

“Nein. Kein Problem.“




Mia

 

Ich ahnte schon, dass der schöne Teil dieses Tagens zu Ende ist, als ich Matthews Freunde mit Amanda und Jennifer auf uns zukommen sah. Als wir zum Eissalon gingen und wir unser Eis bestellten, beachtete mich niemand. Nur Matt warf mir einmal einen Blick zu, war aber dann auch zu beschäftigt sich von Amanda anzubaggern zu lassen, als mit mir zu reden. Klar war es nicht Matthews Schuld, dass sie sich so an ihn ran warf, so wie Amanda ihm ihren Ausschnitt beinahe ins Gesicht drückt, trotzdem verfluchte ich ihn, dass er sie gefragt hatte, ob sie mitkommen wollen.

Ich beeilte mich mein Eis aufzuessen und sagte dann laut: “Ich glaub ich werde dann einmal nach Hause gehen.“

“Warte, ich fahre dich!“

“Nein, schon okay Matthew. Ich rufe mir ein Taxi“, sagte ich, obwohl ich in Wirklichkeit keine Ahnung hatte, wie man ein Taxi holte.

“Nein ich bestehe darauf. Ich habe dich hergebracht, als werde ich dich auch zurückfahren.“

“Lass sie doch ein Taxi nehmen, wenn sie will“, sagte Amanda und warf mir einen verächtlichen Blick zu. Was hatte ich ihr getan, dass sie mich so verachtet?

“Sei einfach still, Amanda. Wir sehen uns dann morgen in der Schule Leute“, meinte Matt nur und ging mit mir zu seinem Auto.

Während der Fahrt redeten wir nicht viel miteinander, was aber Keineswegs unangenehm war. Als wir vor meinem Gertenzaun zum Stehen kamen, blieb ich noch kurz sitzen.

“Dankeschön, dass du mich wieder nach Hause gefahren hast. Wir sehen uns dann ja sicher morgen in der Schule wieder.“

“Kein Problem Mia. Und ahja…, wenn du willst kann ich dich morgen wieder mit in die Schule nehmen. Ich hol dich dann ab, okay?“

“Das ist sehr nett von dir, Matthew. Bis morgen.“

“Bis morgen Mia“, flüsterte Matt beinahe und fuhr in die Auffahrt vor seinem Haus und winkte mir kurz bevor er hinein ging. Ich blieb noch eine Weile auf der Veranda vor meinem neuen Zuhause sitzen und ging erst hinein als es schon dunkler und kälter wurde.

Zusammen?




Mia

 

Ich wurde von einem schrillen Geräusch aus dem Schlaf gerissen, meinem Wecker. Müde setzte ich mich auf und musste ausgiebig gähnen. Gestern Abend, beziehungsweise heute in der Nacht konnte ich lange nicht einschlafen. Ich hatte über mein neues Leben hier und an mein Zuhause gedacht. Beim Gedanken an meine Heimat hatte ich starkes Heimweh bekommen und wünschte mir, dass ich mich einfach durch die Gegend beamen könnte, wodurch ich jederzeit einen kurzen Abstecher nach England machen könnte. Aber das ging nicht.

Ich humpelte mit meinen Krücken ins Badezimmer, wo ich mir meine Haare hochsteckte, damit sie beim Duschen nicht nass wurden, da sie noch ziemlich schön waren. Ich beeilte, weil ich schließlich mit meinem verstauchten Fuß ungefähr doppelt so lang die Treppen hinunter brauchte, als sonst. Es war generell richtig unpraktisch mit Krücken zu gehen, daher freute ich mich schon darauf, wenn ich sie nicht mehr brauchen würde.  

Ich zog mich an und schminkte mich  danach dezent. Als ich vor dem Haus ein Auto hupen hörte, schnappte ich mir meine Tasche und ging hinaus, wo ich mich in Matthews Auto setzte.

Wir redeten bei der Fahrt zur Schule über alles Mögliche und hatten dabei so viel Spaß, dass ich noch lachte als wir am Parkplatz ausstiegen. Einige Schüler starrten Matthew und mich an, als wir zur Schule gingen, doch ich beachtete sie nicht weiter. Aber als ich mich bei Matt anhalten musste, um vor Lachen nicht umzufallen, lagen sofort die Blicke aller Jugendlichen auf uns, was mir dann doch unangenehm war. Ich spürte wie ich rot wurde und löste mich schnell von Matthew.

Im Schulgebäude folgte ich ihm einfach, weil ich nicht wusste was wir jetzt hatten und selbst wenn ich es wüsste, würde ich keine Ahnung haben, zu welchem Raum wir müssen. In der Klasse angekommen, sah ich wie Summer mich hektisch zu sich winkte und sagte schnell zu Matthew: “Ich setzt mich zu Summer, okay?“

“Ja klar, geh nur“, antwortete er lächelnd.

Vorsichtig humpelte ich mit meinen Krücken zu dem Tisch an dem Summer saß und bemerkte ihren überraschten Blick, als ich mich vorsichtig, um meinen verletzten Fuß nicht wo an zu stoßen, auf den Platz neben sie setzte.

“Was hast du denn noch alles gestern erlebt?!“, wollte sie in einem neugierigen Tonfall wissen, “Ich mein du kommst wieder mit Matthew in die Schule und laut den Gerüchten schaute es sehr danach aus als wärt ihr ein Paar und dann humpelst du auch noch auf Krücken in die Klasse.“

“Warte mal! Matthew und ich ein Paar?! Nein, wir sind nur Freunde und wegen meinen Fuß. Matt wollte mir gestern die Stadt zeigen und da bin ich, wie ich die Stiegen hinuntergegangen bin umgeknickt. Deswegen waren wir dann beim Arzt und sind danach Eis essen gegangen.“

“Also doch ein Date?“, fragte sie mich und wollte anscheinend nicht verstehen, dass zwischen Matthew und mir nichts lief. Naja, gut aussehen tut er ja, aber nein wir sind nur Freunde, dachte ich mir und sagte zu Summer: “Nein, kein Date. Nur ein freundschaftliches Eis essen, was dann aber sowieso von seinen Freunden und Amanda und Jennifer gestört wurde. Deswegen sind wir dann auch ziemlich schnell wieder nach Hause gefahren.“

“Okay, okay, also nur Freunde“, meinte sie und zwinkerte mir schelmisch zu und kicherte.

Gleich darauf kam der Lehrer hinein. Er hieß Mr. Black und unterrichtete Mathematik, wie ich von Summer erfuhr. Er war klein und hatte einen ziemlich großen Bauch, doch er sah nett aus. Ich konnte mir ihn gut in einem Weihnachtsmannkostüm vorstellen, worin er wahrscheinlich sogar sehr realistisch aussehen würde.

Die Stunde verging überraschend schnell durch Mr. Blacks freundliche Art. Da wir jetzt in Physik im selben Raum hatten, konnten wir die Pause genießen. Summer nutzte da sogleich und stellte mich ein paar anderen Mädchen aus unserer Klasse vor. Sie sahen alle ziemlich nett aus und akzeptierten mich auch sofort.

Sie stellten sich alle der Reihe nach vor und ich versuchte mir alle Namen so gut wie es geht einzuprägen. Das musste ich sowieso gut können, denn als Prinzessin wird von einem verlangt, dass man die bedeutenden Leute und das Personal bei Namen kennt.

Unsicher, aber doch von der Neugier überwältigt, wandte sich ein etwas molligeres Mädchen, ich war mir ziemlich sicher, dass sie Denny hieß, zu mir und fragte mich: “Stimmt das Gerücht, das sich wie Lauffeuer in der Schule ausbreitet?“

"Was für ein Gerücht?", wollte ich unschuldig von ihr wissen und warf Summer einen kurzen Blick zu, mit dem ich ihr deuten wollte, dass sie nichts sagen sollte.

"Na, dass du mit Matthew zusammen bist und vor allen anderen damit angibst."

"Also erstes bin ich nicht mit Matt zusammen, sondern nur mit ihm befreundet. Außerdem würde ich, auch wenn mit ihm zusammen wäre, sicherlich nicht damit angeben!", gab ich Denny nun doch ein bisschen verärgert zu verstehen. Ich und angeben? Mit Matthew? Darauf würde ich nie kommen, denn bis jetzt wollten nur andere Leute mit mir angeben. Den

angeblichen guten Freunden, die nur auf Ansehen aus war. Das war ich schon gewöhnt, aber dass ich das nun selbst machen sollte?!

“Oh! Das wusste ich…“, begann Denny sich zu entschuldigen, wurde aber von Amanda unterbrochen, deren neues Hobby anscheinend war Leuten einfach dazwischen zu reden.

“Ich wusste es doch gleich, dass das nicht stimmt mit Matthew und dir. Ich mein, wer würde dich denn schon als Freundin nehmen? Vor allem nicht Matthew, der ja wie bekanntlich auf mich steht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir zusammenkommen.“

“Matthew hat sich aber schon ziemlich lange Zeit gelassen und wird sich wahrscheinlich auch noch viel länger Zeit nehmen, bis er mit DIR zusammen geht. Mich würde es wundern, wenn es auf der ganzen Welt überhaupt jemanden gibt der dich freiwillig als Freundin nimmt und den du nicht bestechen musst, damit er es doch tut“, sagte Summer nun angriffslustig und verpasste Amanda somit einen richtigen Dämpfer. Diese warf nur ihre Haare nach hinten und ging heftig mit ihren Hintern wackelnd und mit Jennifer im Schlepptau weg.




Matthew

 

Wir hatten jetzt Physik wieder mit Mr. Black, wodurch das Fach ganz erträglich wurde, obwohl ich es eigentlich hasste.

Zwei Reihen vor mir saß Mia, zu der ich immer wieder blickte, ohne dass es mir bewusst wurde. Ich hatte sie vorher in der Pause mit ein paar anderen Mädchen aus unserer Klasse reden sehen. Doch nachdem Denny zu ihr irgendetwas gesagt hatte, regte sie sich ein wenig auf und als dann auch noch Amanda kam, war sie vollkommen aufgebracht.

Ich konnte mir schon vorstellen, worüber sie geredet hatten. Über das Gerücht, dass Mia und ich zusammen waren. Aber das stimmte natürlich nicht, wie ich meinen Freunden gefühlte hunderttausendmal  sagen musste, bis sie mich endlich damit in Ruhe ließen. Doch eigentlich wäre es mir ja ganz recht, wenn sie wirklich meine Freundin wäre, dachte ich mir und versank in meinen Träumereien.

Ich wurde von Sam aus meinen Gedanken gerissen, als er mich anstieß und mit Blicken zu Mr. Black deutete, der mich erwartungsvoll ansah.

"Wie bitte?", fragte ich.

"Ich habe dich gerade gefragt, ob du mir die Formel für die Strecke sagen kannst, die wir bei dieser Rechnung brauchen. Das hättest du gewusst, wenn du ausgepasst hättest. Also weißt du es trotzdem?"

"Ähm... s=v*t?", riet ich.

"Ohne Fragezeichen, dann stimmt es."

Erleichtert atmete ich aus. Gerade noch einmal gut gegangen. Zum Glück hatten wir die Formel letztes Jahr so oft gebraucht, dass sie mir jetzt noch in Erinnerung war.

Ich sah zu Mia hinüber, die mich gerade ebenfalls anblickte und versank beinahe augenblicklich in ihren Augen. Nach ein paar Sekunden konnte sie scheinbar ihren Blick lösen und schaute schnell weg. Ihre eisblauen Augen hatten sich in meine gebohrt und ich hatte das Gefühl gehabt, dass sie direkt in mich hineinsehen konnte. Die restliche Stunde sah Mia nicht mehr zu mir.

Hängematte, oh Hängematte




Mia

 

Wir hatten an diesen Tag auch noch Biologie, Französisch, Geographie und Religion. Matthew hatte mich zu Hause abgesetzt und sich von mir verabschiedet. Ich machte mir etwas zum Essen und setzte mich damit hinaus auf meine Terrasse.

Noch immer schwirrte mir der Augenblick durch den Kopf, als Matt und ich uns in Physik in die Augen gesehen hatten. Nach einer kleinen Ewigkeit hatte ich erst meinen Blick abwenden können, was irritierend schwer war. Nach der Stunde haben wir so getan, als ob nichts gewesen hätte, doch ich bildete mir ein, dass Matthew manchmal kurz zu mir sah. Wir sprachen auch nicht im Auto darüber, obwohl wir alleine waren, aber das war mir nur Recht. Ich wollte ihm nicht erklären müssen, wieso ich ihn so angestarrt hatte.

Mit Blick auf den Garten aß ich mein Essen und überlegte, was ich heute noch machen könnte. Ich entschloss mich einfach einmal zu entspannen und mir vielleicht gegen Abend eine DVD anzuschauen. Filme hatte ich eine Menge im Haus gefunden, die wohl von meinem Butler Martin organisiert worden waren. Wahrscheinlich dachte er, dass jeder normale Teenager Unmengen an DVDs zu Hause hatte, wobei er möglicherweise sogar recht hatte.

Nach dem Essen, holte ich meine Tasche aus dem Flur und machte gemütlich auf der Terrasse meine Aufgaben. Als ich mit ihnen fertig war, wurde es schon wieder dunkel. Ich packte meine Hefte zusammen, steckte sie in die Tasche und ging in das Haus. Dort setzte ich mich auf die Couch und sah mir bis spät am Abend meinen Lieblingsfilm an, den ich im Regal gefunden hatte. Als die DVD schließlich zu Ende war, schleppte ich mich vor Müdigkeit in mein Bett. Kurz darauf war ich eingeschlafen.

 

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich seit langem wieder richtig ausgeschlafen. Ich schaute auf die Uhr und erschreckte mich kurz, da ich dachte, dass ich schon viel zu spät für die Schule war. Aber dann fiel mir wieder ein, dass heute Samstag war. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich schon nach zwei Tagen Schule so sehr über das Wochenende freute.

Fröhlich zog ich mich an und frühstückte erst einmal ausgiebig. Dann beschloss ich den Garten ein bisschen herzurichten, damit ich mich dort am Wochenende oder nach der Schule  vollkommen entspannen konnte. Als erstes steuerte ich das noch leere Blumenbeet an und setzte Samen ein, die ich in der kleinen Gartenhütte gefunden hatte. Es würde zwar einige Zeit dauern, bis sie zu blühen begannen, aber ich hatte das Gefühl, dass sich das Warten lohnen wird. Es dauerte fast eine Stunde, bis ich alle Samen eingesetzt hatte. Meine Hände waren beinahe schon schwarz vom Dreck, also wollte ich sie vorsichtig mit dem Gartenschlauch abspritzten. Anscheinend war ich nicht achtsam genug, denn nachdem ich meine Hände in den Strahl gehalten hatte, spritzte das Wasser in alle Richtungen. Ich war pitschnass.

Ich ging ins Haus hinein und zog mir etwas Trockenes an. Dann suchte ich in der kleinen Hütte, nach der nächsten Verschönerung meines Gartens. Im hintersten Winkel in einem Karton eingepackt, fand ich eine alte, aber trotzdem schöne Hängematte. Ich nahm sie heraus und sah mich um, wo ich sie hinhängen konnte. Ich entdeckte eine wirklich perfekte Stelle. Es war bei zwei Bäumen die zu Mittag Schatten warfen und am Nachmittag in der Sonne standen. Ich befestigte die Seile so gut ich konnte und hoffte, dass die Knoten halten konnten. Ich glaubte aber schon, schließlich ich hatte abertausende Knoten gemacht. Ich betrachtete mein Werk und war ganz zu frieden damit. Um die Hängematte zu testen, legte ich mich auch sofort hinein und machte eine kurze Pause. Aus der kurzen Pause wurde dann aber doch eine lange, lange Pause, weil ich einfach viel zu faul war aufzustehen. Außerdem war es so gemütlich! Ich liebte Hängematten! Ich hatte schon immer darauf bestanden, dass in meinem Garten eine davon war. Und wenn es zu kalt draußen war, wurde mir diese einfach in meinen persönlichen Wintergarten gestellt.

Ich war schon kurz davor einzuschlafen, als mich plötzlich jemand am Fuß antippte. Ich schrak hoch, hatte mich aber zu stark bewegt und flog aus der Hängematte. Mit einem lauten Plumps landete ich unsanft auf meinen Hintern und schaute geschockt zu dem lachenden Matthew auf.

"Aua! Das hat weh getan!", beschwerte ich mich verzögert.

Sofort wurde sein Gesicht ernst und er sagte: "Tut mir leid. Hast du dir eh nichts getan?"

"Nein, aber wenn ich auf meinen Fuß gefallen wäre müsste ich noch länger mit Krücken gehen", meinte ich aufgebracht und warf Matt einen strafenden Blick zu.

"Tut mir wirklich leid. Ich habe gehandelt ohne nach zu denken", sagte er leise und senkte den Kopf, wie ein kleiner Bub der gerade seiner Mutter gesteht, dass er mit seinem Fußball ein Fenster eingeschlagen hatte.

"Schon okay. Ist ja schließlich nichts passiert", versuchte ich ihn zu beruhigen und schenkte ihm ein Lächeln, um die Stimmung wieder ein wenig zu heben. Daraufhin war Matthew auch wieder entspannter.

Ich ging die paar Stufen hinauf zur Terrasse und deutete Matt mir zu folgen. Ich bot ihm auch gleich etwas zum Trinken an und beeilte mich dann einen Krug mit Wasser aus der Küche zu holen. Als ich wieder ins Freie trat, sah ich, dass es sich Matthew schon auf der Bank gemütlich gemacht hatte.

Ich stellte unsere Gläser auf den Tisch, schenkte gleich ein und schob eines davon in seine Richtung.

"Danke."

Eine Weile saßen wir einfach da, tranken und hingen beide unseren Gedanken nach. Dann durchbrach Matthew die Stille.

"Ahja. Eigentlich bin ich ja hier, weil meine Mutter dich morgen zum Mittagessen einladen will."

"Oh! Ja, klar. Ich komme gerne", antwortete ich überrascht, freute mich aber, dass ich schon so bald Anschluss fand. Auch wenn es nur eine nett gemeinte Einladung von Matts Mum war.

"Okay. Du kannst dann so um zwölf Uhr zu uns kommen."

"Passt. Und...danke."

"Nichts zu danken", lächelte Matthew mich an.

Dann saßen wir beide nur da und sahen uns die ganze Zeit in die Augen. Schließlich mussten wir beide anfangen zu lachen und Matt stand auf.

"Na dann werde ich wieder mal gehen... Bis morgen dann."

"Tschüss", rief ich ihm etwas verspätet hinterher, als er schon um die Hausecke gebogen war. Ich glaubte sein Lachen zu hören, war mir aber nicht sicher, ob ich nicht nur fantasiert hatte.

Den restlichen Tag sonnte ich mich in der Hängematte und genoss es, dass ich mich einfach wieder einmal entspannen konnte.

DVD-Abend




Mia

 

Stöhnend rappelte ich mich aus dem warmen, gemütlichen Bett. Es war erst acht Uhr, wie ich mit einem Blick auf meinen Wecker feststellte, doch es überraschte mich nicht sonderlich, da ich gestern ziemlich früh schlafen gegangen bin. Ich hatte noch vier Stunden bis ich zu Matthew hinüber musste. In dieser Zeit frühstückte ich erstmals entspannt. Dann ging ich duschen, wobei ich ziemlich lange brauchte und gegen Ende das Wasser eiskalt drehte und mich zwang mindestens zehn Sekunden darunter stehen zu bleiben. Zumindest wirkte der Kälteschock, sodass ich danach munter war.

Schnell trocknete ich mich ab und zog mir dann ein schwarze Jeans und ein rotes Top an. Ich nahm noch den passenden Schmuck und schminkte mich dezent. Danach föhnte ich meine schon beinahe trockenen Haare und schaute noch einmal auf die Uhr. In fünf Minuten war es zwölf.

Ich schlüpfte noch schnell in meine Schuhe und schloss hinter mir die Haustür ab. An der Straße schaute ich, ob eh nicht gerade ein Auto kommt und ging dann auf das himmelblaue Haus zu. Zögerlich drückte ich auf den Knopf neben der Tür, welcher anscheinend die Klingel war. Ich hörte ein polterndes Geräusch und kurze Zeit später wurde ich von einem leicht gehetzt aussehenden Matthew hinein gebeten. Ich folgte ihm in die Küche, wo Mrs. Enor mit unserem Mittagessen beschäftigt war.

“Hallo, Mrs. Enor“, begrüßte ich sie um nicht als unhöflich zu erscheinen.

“Oh! Hallo, Mia. Nenn mich doch bitte einfach Judith, sonst komme ich mir immer so alt vor.“

“Okay, mach ich“, versicherte ich ihr mit einem Grinsen.

Ich setzte mich an den Tisch und Matt lehnte sich an die Anrichte und so redeten wir alle drei miteinander, bis das Essen fertig war. Judith stellte die dampfenden Töpfe auf den Esstisch und setzte sich dann an das Kopfende. Ihr Sohn nahm mir gegenüber Platz und grinste mich an, was ich ein wenig verwirrt  erwiderte.

Während wir aßen sprachen wir kaum etwas, nur Matthews Mum fragte mich, ob ich mich schon eingelebt hatte und wie es mir bisher hier gefiel. Ich beantwortete ihre Fragen höflich, doch das war es dann auch wieder. Wir schafften es nicht ein ordentliches Gespräch anzufangen, daher schwiegen wir die restliche Zeit. Nach dem Essen wollte ich Judith helfen den Tisch abzuräumen, wurde jedoch von jemanden am Arm aus der Küche gezogen. Matthew schleifte mich hinter sich die Treppen hoch. Er drehte den Kopf zu mir nach hinten und sagte: “Meine Mum schafft das auch ohne unserer Hilfe. Komm wir gehen in mein Zimmer.“

Ich ließ es geschehen und stand kurze Zeit später in Matts Zimmer. Es sah sogar ziemlich ordentlich aus für einen Jungen. Klar lagen ein paar T-Shirts im Raum herum, aber es stank nicht und war auch nicht so stickig, als wäre seit Monaten das Fenster nicht geöffnet worden.

Ich setzte mich auf die Couch die gleich neben der Tür stand, währenddessen er sich auf seinem Bett niederließ.

“Wo ist eigentlich dein Vater?“, fragte ich als mir auffiel, dass er noch in keinster Weise in diesem Haus erwähnt worden ist. Ich dachte mir schon, dass es bei ihm wahrscheinlich genauso war wie bei Summer…, aber ich irrte mich.

“Mein Dad ist gerade geschäftlich unterwegs, irgendwo in Mexiko. Er kommt aber eh schon diese Woche wieder nach Hause.“

“Aso.“ Etwas besseres viel mir gerade nicht ein was ich darauf sagen könnte.

“Okay… Und was wollen wir jetzt machen?“, wollte Matthew von mir wissen, worauf ich nur ratlos schauen konnte. Sofort begann er zu lachen und schlug dann grinsend vor: “Wenn du willst kann ich dir Santa Rosa zeigen. Das wird auch mit deinen Krücken gehen. Unsere “Stadt“ ist nämlich sehr, sehr klein.“

Jetzt musste ich auch grinsen und bejahte sofort. Matthew ging wieder einmal voraus und ich folgte ihm. Während er noch seiner Mum Bescheid gab, dass wir weg gingen, zog ich mir schon mal meine Schuhe an und nachdem Matt auch in seine hinein geschlüpft war, gingen wir hinaus.

Wir machten eine Runde in dem Ort und ich musste Matthew Recht geben. Santa Rosa war wirklich winzig. Schlussendlich landeten wir in einem, ebenso wie der Ort selbst, kleinen Cafe. Wir bestellten uns etwas zu trinken zu redeten fast die ganze Zeit. Matthew fragte mich über mein bisheriges Leben in England aus, worauf ich ihn so ehrlich wie möglich antwortete. Und auch ich fragte ihn über die Leute aus der Schule aus und was er denn immer so machte nach der Schule und an Wochenenden. Dadurch fand ich heraus, dass sich in der Nachbarstadt - in der wir auch schon wegen meinem Fuß waren – im Black Phönix alles Jugendlichen trafen.  Nicht dass ich jetzt, sobald ich die königlichen Pflichten los war, mich zulaufen lassen will, aber es ist immer gut über so viel wie möglich zu wissen.

Wir redeten noch einige Zeit und als wir dann ausgetrunken hatten, holte Matthew eine Kellnerin zum Zahlen zu uns. Ich war schon dabei mein Geld herauszuholen, doch Matt winkte ab.

“Nichts da. Ich lade dich ein.“

“Danke“, sagte ich und strahlte ihn an. Ich fand das wirklich nett von ihm, dass er sich so um mich zu kümmern schien.

Da ich schon so ziemlich alles gesehen hatte, beschlossen wir wieder zu ihm nach Hause zu gehen. Auf den Weg musste ich daran denken wie viele Sorgen ich mir gemacht hatte, dass ich hier keine Freunde finden würde. Das kam mir nun einfach nur mehr lächerlich vor. Ich hatte Summer als gute, vielleicht sogar als beste Freundin gefunden und nicht zu vergessen ist Matthew. Er ist mir ebenso in dieser kurzen Zeit zu einem richtig guten Freund geworden. Bei ihm fühle ich mich ganz natürlich und als müsste ich mich überhaupt nicht verstellen. Daher viel es mir bei ihm auch besonders schwer nicht die Wahrheit über mein eigentliches Leben zu erzählen. Doch ich weiß, dass ich das nicht darf, denn sonst würde mein Leben hier den Bach runter gehen.

Als wir vor der Haustür der Familie Enor angekommen waren, holte Matthew seinen Schlüssel heraus und schloss auf. Wir wollten eigentlich gleich hinauf in sein Zimmer gehen, wurden jedoch von Mrs. Enor zurück gerufen.

“Wollt ihr auch einen Kaffee trinken? Ich habe mir gerade einen hingestellt.“

“Nein, danke. Wir waren vorher in dem Cafe und haben dort schon einen getrunken“, erklärte ihr Sohn.

“Aso, in Ordnung. Dann noch viel Spaß.“

Wir gingen hinauf in Matthews Zimmer und machten es uns dort gemütlich. Ich setzte mich wieder auf die Couch und Matt setzte sich dieses Mal auch zu mir. Doch als ich dann das riesige Regal neben seinem Bett sah, das randvoll mit DVDs war, stand ich wieder auf und ging zu diesem hinüber.

Bewundert betrachtete ich die Sammlung, drehte mich daraufhin zu Matthew um und wollte von ihm wissen: “Wie viele sind das?“

“Das letzte Mal, als ich sie gezählt habe, waren es ungefähr 180. Aber in der Zeit sind noch ein paar dazu gekommen.“

Erst als Matthew zu lachen begann, merkte ich, dass mir mein Mund offen stand. Schnell schloss ich ihn und spürte wie ich leicht rot anlief.

“Wenn du willst können wir eine davon anschauen“, schlug er noch immer grinsend vor.

Ich konnte nur zustimmend nicken, da mir sein wunderschönes Lachen noch immer in meinen Ohren nachklang.

“Okay. Dann such du eine DVD aus und ich geh in der Zwischenzeit mal schnell aufs Klo“, sagte Matt, als er schon auf den Weg aus seinem Zimmer raus war.

Gerade als er nach beinahe zehn Minuten wieder herein kam, hatte ich mich für einen Film entschieden. Es war eine Mischung von Action- und Liebesfilm. Ich zeigte ihm meine Auswahl und Matt nickte zustimmend. Damit wir es gemütlicher hatten drehte Matthew den Fernseher, der sonst in Richtung Couch stand, um und stellte ihn so, dass wir uns auf sein Bett legen konnten.

Nachdem Matthew alles eingestellt hatte, schaltete er das Licht aus und lehnte sich, genauso wie ich, an die Wand bei der Kopfseite seines Bettes an. Am Anfang saß ich ein wenig verkrampft da, weil es neu für mich war mit einem Jungen allein im Dunklen einen Film zu schauen, doch je länger wir so da saßen desto entspannter wurde ich.

Süßes Erwachen

 


Mia

 

Ich wurde wieder einmal von dem nerv tötenden Geräusch des Weckers aus dem Schlaf gerissen. Aber irgendwie klang dieses heute anders, aber ich war noch viel zu müde, um darüber nach zu denken. Ich seufzte tief und schmiegte mich, noch immer mit geschlossenen Augen, enger an den warmen Körper neben mir. Ich wollte jetzt wirklich nicht aufstehen.

Aber warte mal kurz! Warmer Körper?! Neben mir?! Anschmiegen?!  Panisch riss ich nun doch meine Augen auf und sah in das entspannte Gesicht von Matthew. Ich musste schon zugeben; schlecht sah er nun mal wirklich nicht aus  mit seinen beinahe schwarzen Haaren die ihn leicht ins Gesicht fielen.

Doch eine viel wichtigere Frage war, wie ich hierher zu ihm ins Bett gekommen war. Aber bevor ich darüber grübeln konnte, kamen die Erinnerungen an den gestrigen Tag wieder. Wir waren wohl beim Film schauen am Abend eingeschlafen. Deswegen kam mir das Klingeln des Weckers so anders vor. Klingeln?! Ach ja, genau! Heute war schon wieder Montag. Das heißt, wenn wir nicht bald aufstanden kamen wir zu spät in die Schule!

Sofort wollte ich mich aufsetzten, um den schlafenden Matthew neben mir zu wecken, doch ich wurde von zwei starken durchtrainierten Armen zurückgehalten. Ich folgte diesen und bemerkte, dass es wohl Matthew war der mich da festhielt. Matt hatte anscheinend im Schlaf seine Arme um mich gelegt und wollte mich nun nicht mehr loslassen.

Durch meine Bewegung gestört murrte Matthew im Schlaf auf und drückte mich noch mehr an seine Brust, während er undeutlich murmelte: “Geh noch nicht, Mia.“

Als ich diese Worte hörte, spürte ich eine Welle der Freude durch meinen Körper fahren. Kurz hielt ich inne und genoss das Gefühl, dass Matthew wollte, dass ich blieb, doch dann schlich sich wieder der Gedanke an die Schule in meinen Kopf. Ich schüttelte den Jungen neben mir zuerst sanft, aber nach und nach stärker, da er einfach nicht aufwachen wollte. Nach einer gefühlten Ewigkeit blinzelte Matt endlich. Er sah mich ziemlich verschlafen und verwirrt  an, was mich wieder zum Schmelzen brachte. Mit seinen verwunderten Blick und den verstrubelten Haaren sah er aus wie ein richtig süßer Teddybär, bei dem man den Zwang verspürt, ihn ganz fest zu drücken.

Ich schüttelte meinen Kopf um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dann erst fiel mir ein, dass ich Matthew auch noch da war und versuchte ihm die Situation zu erklären.

“Wir sind anscheinend gestern Abend beim Fernsehen eingeschlafen.“

“Oh Mann! Wie spät ist es?“

“Genau das ist das Problem; Wir müssen in 20 Minuten in der Schule sein“, sagte ich, während ich schon aus dem Bett stieg.

"Okay, das schaffen wir! Am besten gehst du schnell zu dir, ziehst dich um und ich warte dann schon im Auto auf dich", ratterte er hinunter, während er in seinem Kasten nach Kleidung suchte. Ich stimmte ihm zu und eilte dann schnell die Stiegen hinunter. In dem Moment war ich richtig froh, dass ich meine Krücken nicht mehr brauchte.

Im Haus traf ich niemanden, da Matthews Mum wahrscheinlich arbeiten war und uns deswegen nicht geweckt hatte. An der Straße wartete ich noch bis ein Auto vorüber gefahren war und lief dann hinüber. In meinen Zimmer angekommen, wandte ich mich sofort zu meinem Schrank und sucht mir etwas Passendes heraus, doch dabei durfte ich heute nicht wählerisch sein. Ich wählte eine Jeans und ein luftiges Shirt und machte mich dann auf zur nächten Station, dem Badezimmer. Als erstes klatschte ich mir eine Ladung Wasser ins Gesicht um wach zu werden. Nachdem ich wieder trocken war, bürstete ich meine Haare und machte mir schließlich einen Dutt. Zum Schminken hatte ich keine Zeit mehr, doch das war, wie ich mit einem Blick in den Spiegel erkannte, auch nicht nötig.

Ich rannte noch einmal schnell in mein Zimmer, holte meine Schultasche und machte mich dann auf den Weg nach draußen. Ich knallte die Haustür hinter mir zu und war schon fast bei Matthew in den Wagen eingestiegen, als mir einfiel, dass ich die Tür abschließen musste. Genervt von meiner Vergesslichkeit machte ich kehrt und schloss schnell ab. Dann huschte ich zurück zu Matts Auto und ließ mich nicht sehr damenhaft in den Sitz plumpsen.

Doch anstatt gleich loszufahren, hielt Matthew mir ein Brot unter die Nase und sagte: “Hier. Damit du nicht hungrig in die Schule gehen musst.“

Schweigend nahm ich es entgegen und Matt fuhr nun endlich los. Zehn Minuten später, als ich gerade den letzten Bissen hinunter schluckte, kamen wir vor der Schule zu stehen.

“Danke“, sagte ich an Matthew gewandt. Und damit meinte ich nicht nur “danke“ für das Brot, sondern einfach für alles. Dass er mir ein so guter Freund ist und sich um mich kümmert, damit ich mich schneller hier einlebte.

“Nichts zu danken“, antwortete er mir und schien zu verstehen was ich meinte.

Gleichzeitig stiegen wir aus dem Auto und beeilten uns in das Gebäude zu kommen. Doch bevor wir in die Klasse gingen, mussten wir noch unsere Bücher aus dem Spind holen. Als wir dann endlich vor der Tür des Klassenraums angekommen waren, klopfte ich an und Matthew öffnete die quietschende Tür. Jedes einzelne Augenpaar von unseren Mitschülern lag auf uns beiden. Dann sah ich zu Mrs. Marei die uns, mit ihrem grimmigen Blick, dazu drängte ihr zu erklären warum wir zu spät waren. Hilfesuchend sah ich zu Matthew hinüber.

"Ähm... Wir haben verschlafen", sagte er dann.

"Na gut. Setzt euch."

Matthew ging in die letzte Reihe zu seinen Freunden und ließ sich auf einem Sessel fallen. Ich hielt in der Zwischenzeit Ausschau nach Summer, die mich, wie ich bemerkte als ich sie fand, auch schon erwartungsvoll ansah. Ich ging schnell zu ihr, um nicht noch länger den Unterricht zu stören, was mir sowieso schon unangenehm war.

"Ihr habt verschlafen?! Zusammen?", fragte Summer mich schmunzelnd sobald ich mich gesetzt hatte.

"Woran denkst du nur immer! Aber eigentlich hast du recht... Ich bin gestern bei Matthew eingeschlafen und daher haben wir beide zu lange geschlafen."

"Also läuft da doch etwas zwischen euch?", wollte meine Freundin nun schon leicht verwirrt von mir wissen.

"Nein!", sagte ich bestimmend, fügte dann aber noch selber grinsend hinzu, "Aber es war ein wahnsinnig tolles Gefühl in seinen Armen aufzuwachen." Ich ließ meine Worte im Raum stehen und wandte mich demonstrativ wieder Mrs. Marei zu. Neben mir hörte ich wie Summer versuchte ihr Kichern zu ersticken.

Was nun?




Mia


Die Woche verlief ohne weitere größere Probleme. Natürlich gab es immer wieder einen Moment, wo ich falsch handelte oder etwas Komisches sagte, aber ich konnte mich jedes Mal herausreden. Matthew und Summer wurden zu meinen besten Freunden. In den Stunden saß ich meistens neben Matthew und die Pausen verbrachte ich mit Summer, da Matt schließlich auch noch andere Freunde hatte.

Am Donnerstag ging ich nach der Schule mit zu Summer nach Hause. Sie wohnte nur fünf Minuten von der Schule entfernt, also schlenderten wir gemütlich zu ihr.

Als erstes kochten wir uns etwas Gutes zu Essen und ich versuchte mir sogleich alle Schritte zu merken, damit ich es irgendwann einmal auch für mich kochen konnte.

Wir hatten einen richtig schönen Mädchen-Tag. Wir setzten uns nach dem Mittagessen in ihr Zimmer, redeten und holten uns dann noch ein Eis von Cafe.

Ich blieb noch auf den Wusch von Summers Mum zum Abendessen. Es war ein schönes Gefühl wieder mit so vielen Menschen am Tisch zu sitzen und sich zu unterhalten. Vor allem Summers Halbbruder Jan trug viel zur Unterhaltung bei. Er quasselte unaufhörlich über irgendetwas, wobei ich sowieso nur die Hälfte verstand.

Nach dem Essen ging ich jedoch gleich nach Hause, da morgen schließlich wieder Schule war.

 

Am nächsten Morgen fuhr Matthew mich wie jeden Tag in die Schule. Wir redeten während der Fahrt über lauter unnötige Sachen und hatten unseren Spaß.

Zusammen schlenderten wir in die Schule hinein, gingen dann aber getrennte Wege. Ich ging zu Summer, die schon auf mich wartete, und Matt begrüßte auch seine Kumpels.

Der Schultag verlief schleppend und je später wir es hatten, desto langsamer vergingen die Unterrichtsstunden. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit läutete es endlich zu Schulende. Mit einem erleichterten Seufzen packte ich meine Sachen zusammen und verließ mit Summer, Matthew und seinen Freunden das Gebäude.

Vor der Schule blieben wir stehen und redeten noch ein bisschen. Nach kurzer Zeit verabschiedete sich meine Freundin, da sie zum Mittagessen zu Hause sein musste. Matthew und ich beschlossen auch nach ungefähr weiteren 15 Minuten uns auf den Weg zu machen. Wie immer brachte er mich zu meinem Haus und ich stieg aus. Aber als ich gerade dabei war die Tür aufzuschließen, hörte ich Matthew meinen Namen rufen. Ich drehte mich, neugierig darauf was er wollte um, und sah das er aus auch dem Auto gestiegen war und zu mir kam. Vor den Stufen die zur Veranda hinaufführten blieb er stehen.

"Ähm... Ich wollte nur noch wissen, ob du vielleicht Lust hättest mit uns heute Abend ins Kino zu gehen", fragte Matthew zögernd, "Du kannst auch ruhig Summer mitnehmen, wenn du willst."

"Ja gerne. Wer ist denn aller mit "wir"?", antwortete ich ihm glücklich.

"Naja, das sind Sam, Tim Alex und Patrick."

"Okay klar. Dann werd ich auch noch Summer fragen. Und wann beginnt es?"

"So um viertel neun. Ich hol dich dann um halb ab, dann können wir auch noch Summer abholen."

"Super. Dann bis später", verabschiedete ich mich noch.

Nachdem auch Matt tschüss gesagt hatte, ging er zu sich hinüber, wo schon sein Auto parkte.

Kurze Zeit später brutzelte mein Mittagessen in der Pfanne vor sich hin und ich wartete gerade, mit dem Handy in der Hand, darauf, dass Summer abhob.

Ich wartete etliche Zeit, bis sie endlich an ihr Telefon ging.

"Hallo Summer! Störe ich gerade?"

"Naja wir essen gerade zu Mittag, aber es ist schon okay. Was gibt's?", antwortete mir meine Freundin.

"Oh tut mir leid! Das habe ich total vergessen! Ruf mich einfach später zurück, es ist nicht so dringend", entschuldigte ich mich schnell.

"Okay, dann bis später."

"Tschüss."

Nachdem ich aufgelegt hatte, schlug ich mir an die Stirn. Wie hatte ich das nur vergessen können. Ich wusste doch, wie wichtig ihrer Mutter das gemeinsame Essen ist.

Meines sollte nun auch schon fertig sein, deswegen nahm ich es aus der Pfanne und setzte mich mit dem Teller zu Tisch. Gerade als ich mir den letzten Bissen in den Mund schob, klingelte mein Handy. Summer rief mich zurück. Schnell schluckte ich hinunter und hob dann ab.

"Hallo Summer."

"Hi. Was brauchtest du vorhin?"

"Also es geht darum: Matt hat mich gefragt, ob ich mit ihm und seinen Kumpeln heute Abend ins Kino gehen möchte. Und er hat gesagt, dass du, wenn du möchtest auch mitkommen kannst", erklärte ich ihr.

"Klar. Ich komm' gerne mit. Wann geht ihr?"

"Es beginnt um viertel neun, aber Matthew und ich fahren um halb schon weg und da könnten wir dich gleich mitnehmen."

"Das ist echt nett von euch."

"Ach... Ist doch kein Problem", beschwichtigte ich sie.“

Okay... Dann bis später", verabschiedete sie sich grinsend. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass sie gerade lächelte.

"Bis nachher."

Dann drückte ich den roten Hörer und beendete dadurch unser Gespräch. Ich ging in mein Zimmer zu meinem Laptop und schaltete ihn ein. Ich wollte schauen, ob es irgendwelche Neuigkeit von meinen Beratern aus dem Vereinigten Königreich gibt. Doch es gab bisher keine größeren Probleme, die nicht auch ohne meine Hilfe gelöst werden konnten. Wie jeden Tag zuvor in dieser Woche las ich trotzdem den Bericht über die Geschehnisse.

Danach kontrollierte ich noch, ob es in den öffentlichen Nachrichten meiner Heimat, Spekulationen über meinen Verbleib gab. Doch anscheinend hatte noch niemand gemerkt, dass ich gar nicht da war. Erleichterung machte sich in mir breit, denn ich war eigentlich von Anfang an davon ausgegangen, dass ich nur kurze Zeit hier leben konnte.

Nun war es schon vier Uhr und ich hatte also noch drei eineinhalb Stunden, um mich fertig zu machen. Das war noch reichlich Zeit, also beschloss ich erst einmal gemütlich duschen zu gehen und mir dann mein Outfit auszusuchen.

Nachdem ich sauber war, ging ich mit einem Wickel um den Kopf in mein Zimmer zu meinem Kleiderschrank. Ungefähr zehn Minuten starrte ich einfach meine Kleidung an. Dann nahm ich das Outfit heraus, das ich in den letzten Minuten in meinem Kopf zusammen gestellt hatte und legte es auf mein Bett.

Nachdem ich einen Blick auf die Uhr geworfen hatte, beschloss ich noch ein bisschen zu lesen. Ich war so vertieft in das Buch, dass ich beinahe die Zeit übersehen hätte und mich nun schon beeilen musste. Ich zog mir die Kleidung an, die schon bereit lag und gab mir dann noch ein wenig Schuck hinauf. Dann flitzte ich ins Badezimmer und schminkte mich, bis ich zufrieden mit meinem Aussehen war.

Schlussendlich stand ich fertig vor dem großen Spiegel und betrachtete das Ergebnis. Ich hatte eine beige, enge Jeans und ein violettes, weiteres, seidenes Shirt an. Dazu trug ich eine lange silberne Kette und einen silbernen Armreifen.

Zufrieden mit dem Endergebnis nahm ich meine Tasche und ging hinunter. Gerade als ich in den Flur kam, hörte ich es draußen hupen, als Zeichen, dass Matthew fertig war. Ich schlüpfte noch schnell in meine, ebenfalls violetten, Ballerina und schloss hinter mir die Tür.

Dann ging ich zur Straße, wo Matt bereits in seinem Auto saß und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Gleich darauf fuhr er auch schon los.

“Hey. Wie geht’s?“, wollte er dann von mir wissen.

“Ganz gut. Dir?“

“Auch gut. Du siehst übrigens echt hübsch aus“, machte Matthew mir ein Kompliment, woraufhin ich wieder einmal rot anlief.

“Danke sehr “, sagte ich geschmeichelt und als ich sah wie er aus der Stadt heraus fahren wollte, setzte ich noch eilig nach: “Warte! Wir müssen noch Summer abholen. Sie kommt mit.“

“Oh! Tut mir Leid. Ich habe ganz vergessen zu fragen, ob sie nun mitkommt.“

Daraufhin drehte Matthew bei der nächsten Gelegenheit um und ich sagte ihn den Weg zu meiner Freundin an. Summer öffnete sofort die Tür, nachdem ich bei ihr angeläutet hatte und gemeinsam gingen wir zu Matts Wagen. Sie setzte sich auf den Rücksitz und ich nahm wieder vorne bei Matthew Platz.

20 Minuten später parkte Matt gerade in der Nähe des Kinos ein. Sobald wir ausgestiegen waren, wurden wir von seinen Freunden entdeckt. Sie liefen auf uns zu und wir begrüßten uns. Alle Jungs umarmten mich zur Begrüßung was mich zuerst etwas überraschte, aber schließlich hatte ich mich in der letzten Woche immer mehr mit Sam, Tim, Alex und Patrick angefreundet.

Alle zusammen begaben wir uns in das Kino und holten die Tickets für den Film. Was wir sehen würden, hatte ich nicht gewusst, da die Jungs den Film ausgesucht hatten. Sie hatten zwar gesagt wie er hieß, aber das vergaß ich sofort wieder.

Der Film dauerte um die zwei Stunden. Ich saß zwischen Matthew und Alex und versteckte mich bei gruseligen Stellen abwechselnd hinter den beiden. Obwohl Matt, wie ich zugeben muss, öfter hinhalten musste. Aber sie waren selbst Schuld, wenn sie so etwas mit uns Mädchen anschauen wollten. Denn Summer schien es nicht anders als mir zu ergehen, da ich sie manchmal entsetzt leise aufschreien hörte.

Da es nach dem Kino schon ziemlich spät und dunkel draußen war, beschlossen wir alle nach Hause zu fahren. Matthew setzte Summer vor ihrer Haustür ab und dann fuhren wir zu uns. Das Auto stellte er gleich bei sich in die Auffahrt, begleitete mich jedoch noch zu meiner Haustür. Ich blieb auf der Veranda stehen und wusste nicht was ich sagen sollte.

Schließlich sagte ich: “Naja, ich werde dann einmal hinein gehen.“

“Ja, das solltest du“, antwortete mir Matt.

Ich hatte mich schon umgedreht, um die Tür aufzuschließen, also Matthew meinen Namen noch einmal sagte. Ich wendete mich ihm wieder zu und stand plötzlich ganz nahe bei ihm, sodass Matt auf mich herabsehen musste.

“Träum was Schönes“, flüsterte er mir zu. Seine Augen funkelten dabei so schön, dass ich meinen Blick nicht mehr abwenden konnte.

“Du auch“, antwortete ich Matthew genauso leise wie er.

Doch weder Matt noch ich machten Anstalten zu gehen und starrten uns weiter an. Ich merkte wie Matthew sich langsam zu mir hinunter beugte, bis unsere Gesichter sich beinahe berührten. Einen Moment stockte er, dann lagen seine Lippen auf meinen.

Zuerst war ich etwas überrumpelt und stand stocksteif da, doch dann begann auch ich meine Lippen auf Matthews zu bewegen. Von da an wurde der Kuss immer leidenschaftlicher. Es entfachte ein regelrechtes Feuer in meinem Körper und ganz besonders auf meinen Lippen. Innerhalb des Kusses legte ich unbewusst meine Hände an seine Brust und konnte dadurch seine Muskeln durch das T-Shirt spüren. Erst als wir beide Luft brauchten lösten wir uns voneinander.

Jetzt schien uns beiden klar geworden zu sein, was wir da gerade gemacht hatten, denn wir wichen beiden den Blicken des anderen aus. Ich wusste nicht was ich nun tun oder sagen sollte. Ob es nur ein plötzlicher Drang von Matt war mich zu küssen, oder ob es doch mehr war. Aber das konnte ich mir nicht vorstellten. Matthew konnte jede haben, also wieso sollte er etwas von mir wollen.

Mit gesenkten Blick sagte ich noch zu ihm: “Schlaf gut, Matthew“, und ging dann schnell ins Haus. Als ich die Tür schloss hörte ich noch ein geflüstertes: “Gute Nacht“, von Matt. Dann ließ ich mich gegen die Tür fallen und schloss meine Augen.

Das ist uns beiden doch klar, oder?




Mia

 

Nach einer beinahe schlaflosen Nacht, wachte ich mit tiefen Augenringen auf. Lange war ich noch im Bett gelegen und hatte überlegt, welche Auswirkungen der Kuss auf Matthews und meine Freundschaft haben könnte. Doch ich hatte keine Antwort auf meine Frage gefunden.

Also stand ich müde und ziemlich schlecht gelaunt auf und ging hinunter in die Küche, um etwas zu essen. Essen war bei mir ein Wundermittel in Früh um munter zu werden. Deswegen konnte ich auch die Leute nicht verstehen, die in der Früh nichts aßen.

Nachdem ich schließlich mit Körper und Seele  wach war, setzte ich mich draußen auf der Terrasse an die vielen Hausaufgaben, die wir über das Wochenende bekommen hatten, da die Lehrer ja meinen, dass man den zwei einzigen freien Tagen in der Woche nichts besseres zu tun hatte, als Hausübungen zu machen.

Etliche Zahlen, Ergebnisse,  Wörter und Absätze später, hatte ich endlich für mein restliches Wochenende nichts mehr für die Schule zu tun.

Gerade als ich die Schulsachen in meine Tasche räumte, begann mein Handy in meiner Hosentasche zu läuten. Auf dem Touchscreen erschien der Name Martin.

"Hallo Martin! Wie geht es Ihnen denn?"

"Mir geht es ganz gut, Prinzessin Mia. Aber Sie müssen leider so schnell es geht nach England kommen", teilte mir mein treuer Butler drängend mit.

"Wieso? Ist etwas passiert?!"

"Nein, nein nichts schreckliches. Nur die schwedische Königsfamilie hat angekündigt, dass sie bald zu Besuch kommen werden.“

“Wieso jetzt?!“, ich atmete einmal tief durch, “Wann wollen sie denn kommen?“

“Das haben sie nicht so genau gesagt. Sie meinten Sie sollen den genauen Termin ausmachen.“

“In Ordnung. Dann sag ihnen bitte, dass ich einen Flug am Mittwochabend nehme und dann ab Donnerstag für sie Zeit habe“, meinte ich in ruhige Ton. Eigentlich freute ich mich auch über den Besuch, wenn ich nicht gerade einmal erst zwei Wochen hier wäre. Die schwedische Königsfamilie  waren schon immer gute Freunde von meiner Familie.

“Gut. Ich werde Ihren Wunsch weiterleiten. Da ich anscheinend bei der Begrüßung verpasst habe, nach Ihrem Wohlbefinden zu fragen, werde ich das jetzt noch nachholen. Wie geht es Ihnen Prinzessin Mia?“

“Ach Martin. Mir geht es hier eigentlich richtig gut. Ich habe schon einen besten Freund und eine beste Freundin gefunden und auch noch ein paar andere gute Freunde. Aber trotzdem freue ich mich schon, wieder einmal nach Hause zu kommen. Vor allem vermisse ich unsere gemeinsame Zeit.“

“Es freut mich zu hören, dass Sie sich schon so gut dort eingelebt haben, aber natürlich freue ich mich auch auf Ihr Wiederkommen“, antwortete Martin.

“Ich auch, ich auch. In fünf Tagen bin ich dann wieder in England. Dann sehen wir uns wieder“, sagte ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

“In Ordnung. Dann sehen wir uns Mittwochabend.“

“Genau. Bis dann Martin“, verabschiedete ich mich und legte dann auf.

Ich konnte überhaupt nicht mehr aufhören zum Lächeln, so sehr freute ich mich darauf wieder einmal in meine Heimat zu kommen, auch wenn es nur für kurze Zeit wäre.




Matthew

 

Gestern Abend war die Hölle losgebrochen in meinen Gedanken. Etliche Stunden bin ich noch wach gelegen und hatte mir überlegt, wie ich mich jetzt bei Mia verhalten sollte. Waren wir jetzt zusammen oder auf den Weg dorthin? Das würde mir natürlich überhaupt nichts ausmachen, da sich dieser Kuss gestern einfach nur perfekt angefühlt hatte.

Oder vergessen wir einfach den Kuss und machen so weiter wie vorher? Oder aber wurde unsere Freundschaft durch diesen Kuss zerstört? Doch diese Möglichkeit möchte ich mir gar nicht vorstellen.

Nachdem ich jedoch festgestellt hatte, dass ich einfach das nächste Treffen mit ihr abwarten müsse, konnte ich endlich einschlafen.

Deswegen stand ich nun am späten Vormittag vor Mias Tür, zögerte aber dennoch noch immer damit anzuklopfen. Nachdem ich schon begann in meinem Kopf selbst mit mir zu sprechen und mich einen Feigling zu nennen, wurde mir die Sache zu blöd. Ich hob endlich meine Hand und klopfte an. Dann wartete ich. Ich wartete genauer gesagt ziemlich lange, denn Mia öffnete die Tür nicht. Ich klopfte sogar noch einmal an, dieses Mal lauter, aber trotzdem blieb alles still im Haus.

Kurz spielte ich mit den Gedanken mit der Ausrede, es habe niemand aufgemacht, wieder zu gehen. Doch dann fiel mir die Terrasse ein, die hinter dem Haus zu  Mias Garten führte und Mias Gewohnheit dort zu sitzen. Also stieg ich von der Veranda hinunter und ging langsam um das Haus herum. Schon bevor ich um die Ecke bog, hörte ich ihre Stimme.

“In Ordnung. Dann sag ihnen bitte, dass ich einen Flug am Mittwochabend nehme und dann ab Donnerstag für sie Zeit habe“, sagte Mia, die anscheinend gerade telefonierte.

Automatisch blieb ich stehen, obwohl ich wusste, dass ich nicht lauschen sollte. Aber dass sie am Mittwoch wegfliegen will, machte mich nun einmal neugierig.

“Ach Martin. Mir geht es hier eigentlich richtig gut. Ich habe schon einen besten Freund und eine beste Freundin gefunden und auch noch ein paar andere gute Freunde. Aber trotzdem freue ich mich schon, wieder einmal nach Hause zu kommen. Vor allem vermisse ich unsere gemeinsame Zeit“, hörte ich Mia als nächstes sagen.

Je länger ich zuhörte, desto weniger gefiel mir was ich hörte. Schließlich redete sie mit einem Jungen, vermisste ihn und freute sich ihn bald wieder zu sehen. Aber noch schlimmer fand ich, dass sie mich als ihren besten Freund vorstellte. Wie ich mir schon gedacht hatte, hatte ihr der Kuss gestern nichts bedeutet und das am Telefon war ihr Freund, der in England auf sie wartete.

Dann ertönte wieder Mias Stimme: “Ich auch, ich auch. In fünf Tagen bin ich dann wieder in England. Dann sehen wir uns wieder.“

Ihre Stimme tropfte nur so vor Sehnsucht, also drehte ich mich schnell mit einem tiefen Seufzer um und ging über die Straße, in mein Haus und in mein Zimmer hinein. Dort schmiss ich die Tür lautstark zu und ließ mich frustriert auf mein Bett fallen.

Schon wieder schwirrten mir tausende Fragen im Kopf herum. Was soll ich nun tun? Wird sie mich auslachen, weil ich sei geküsst habe, weil ich nicht gut genug für sie bin? Wie kann ich ihr je wieder unter die Augen treten? Ich habe sie schließlich geküsst, obwohl sie kein Interesse an mir hat und sie einen Freund hat.

Ich hielt es nicht mehr aus. So viele schreckliche Gedanken hausten in meinen Kopf. Ich wollte Mia nur mehr vergessen. Keine schmerzenden Gedanken, keine Unsicherheit vor ihrer möglichen Reaktion, kein verletzliches Weichei mehr sein. Ich wollte wieder der selbstbewusste Matthew sein.




Mia

 

Matthew, Matthew, Matthew. Ich konnte einfach nicht aufhören an ihn zu denken. Es wird mich noch wahnsinnig machen, wenn ich nicht bald etwas dagegen unternehme.

Auf einmal vollkommen entschlossen zu Matt zu gehen und mit ihm über gestern zu reden stand ich auf. Ich rannte schon beinahe über die Straße auf sein Haus zu, doch als ich kurz davor war anzuläuten, war ich wieder unsicher, ob das eine so gute Idee war. Aber ich riss mich zusammen und drückte auf die Klingel. Ich musste nicht lange warten, bis mir jemand die Tür öffnete. Mein Herzschlag beschleunigte sich vor Aufregung, dass es Matt sein könnte, der mir die Tür aufmacht. Doch er war es nicht. Seine Mutter Judith stand dort und sah mich neugierig an, da ich nach einer Minute noch immer nichts gesagt hatte.

Ich räusperte mich und begann: “Ähm… Ist Matthew da?“

“Nein tut mir Leid, Mia. Er ist zu Sam gegangen“. Erklärte mir daraufhin Judith.

“Oh, okay… Wissen Sie wann er wiederkommt?“

“Das hat er mir nicht gesagt. Er hat nur gesagt, dass er zu Sam geht“, sagte Matts Mutter entschuldigend.

“Aha. Naja, dann werde ich vielleicht später noch einmal vorbeischauen.“

“In Ordnung. Soll ich Matthew sagen, dass er bei dir vorbeischauen soll, wenn er nach Hause kommt?“

“Das wäre sehr nett von Ihnen, Judith“, bedankte ich mich lächelnd.

“Ist doch kein Problem. Bis irgendwann einmal, Mia.“

“Auf Wiedersehen“, verabschiedete ich mich und ging wieder in mein Haus.

Den restlichen Tag wartete ich darauf, dass Matthew sich endlich bei mir meldete. Als er sich um sechs Uhr abends immer noch nicht gemeldet hatte, ging ich noch einmal zu ihm nach Hause. Doch wieder war er nicht da.

Was machte er denn so lange bei Sam? Er war mir zwar keine Rechenschaft schuldig, aber dennoch sorgte ich mich um ihn.

 

Es war inzwischen ungefähr halb zwölf, als ich eine laute Stimme von der Straße hörte. Neugierig ging ich in die Küche, von wo aus ich aus dem Fenster direkt auf die Straße schauen konnte. Ich schob mit einer Hand vorsichtig den Vorhang ein kleines Stück zur Seite und lugte hinaus. So erblickte ich einen schwankenden, lauter unverständliches Zeug redenden Matthew, der auf dem Weg zu seinem Haus war.

Nun wusste ich, was er so lange bei Sam gemacht hatte. Er war trinken.

Doch irgendwie passte es nicht zu ihm, dass er sich sinnlos betrinkt. Ich kannte ihn zwar noch nicht so lange, dass ich das sicher sagen konnte, aber trotzdem hätte ich ihn anders eingeschätzt. Er war mir immer sehr vernünftig vorgekommen.

Ich drehte mich vom Fenster weg und überlegte, ob ich jetzt zu ihm hinaus gehen oder besser bis morgen warten sollte. Aber wie sagt man so schön; Betrunkene und Kinder sagen immer die Wahrheit. Also ging ich aus der Küche und hinaus auf die Straße. Als die Haustür hinter mir zufiel, drehte sich Matt schnell und ziemlich wankend zu mir um.

“Was willst du, Mia?“, fragte er mich daraufhin leicht lallend.

“Ich wollte nur nachsehen, ob alles okay ist… und ich wollte mit dir über gestern Abend reden“, sagte ich zögernd.

“Was willst du über gestern reden? Es war etwas Einmaliges und hat nichts bedeutet. Das ist uns beiden doch klar, oder?“, erklärte mir Matthew herablassend.

“O…Okay. Dann ist ja alles geklärt, nicht wahr?“, stotterte ich. Mein Herz zog sich unsanft zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals.

“Genau. War es das dann? Ich bin müde und würde gerne schlafen gehen.“

“Na…Natürlich. Wir sehen uns dann morgen…denk ich.“

“Sicher doch. Bye“, verabschiedete Matt sich kalt.

“Tschüss“, murmelte ich, doch er hatte sich schon wieder umgedreht und schien mich nicht mehr wahrzunehmen.

Was war das denn gewesen?! Ich hätte doch lieber bis morgen warten sollen, vielleicht wäre dann das Gespräch anders verlaufen. Es hatte sich angehört, als wollte Matthew nichts mehr von mir wissen und das nur wegen eines einzigen Kusses?! Hätte ich doch einfach meine Klappe gehalten.

Langsam ging über die Straße, in mein Haus und in mein Zimmer hinein. Dort schmiss ich die Tür lautstark zu und ließ mich frustriert auf mein Bett fallen. Ewig lag ich noch wach, bevor ich komplett angezogen einschlief.

Königlicher Besuch in England

 


Mia

 

 Am nächsten Tag um 2 Uhr klingelte mein Handy. Da ich damit rechnete, dass Martin anrief, um mir die Details über meinen Flug zu nennen, hob ich ohne auf den Bildschirm zu sehen ab.

“Guten Tag, Martin“, sagte ich.

“Hey Mia! Ich bin es… Summer“, lachte meine Freundin ins Telefon, “Wer ist denn Martin?“

“Oh! Hallo Summer. Martin ist ein… ein Freund aus England.“

“Aha… Soll ich dir glauben, dass es EIN Freund ist?“

“Ja, sollst du. Wann glaubst du es mir, dass ich keinen Freund habe und wenn es so weit wäre, werde ich es dir sagen, okay?“, versuchte ich sie endlich zu überzeugen.

“In Ordnung, in Ordnung. Mich wundert es nur so, dass du keinen Freund hast. Aber jetzt zum eigentlichen Grund, warum ich anrufen; Willst du heute etwas unternehmen?“

“Ja, gerne. Ich habe eh nichts zu tun. Willst du einmal zu mir kommen?“

“Okay. Dann sehe ich auch mal dein Haus.“

“Dann bis gleich“, verabschiedetet ich mich grinsend von Summer.

“Bis dann.“ Und schon hatte sie aufgelegt.

Eilig flitzte ich durch das Haus und räumte ein bisschen auf. Nach 20 Minuten hörte ich dann ein Auto auf der Straße anhalten. Kurz danach knallte eine Autotür zu und  ich hörte Schritte auf der Veranda.

Schnell rannte ich zur Tür, öffnete sie und musste sofort loslachen. Summer stand mit erhobener Faust vor mir und schaute verdutzt, als plötzlich nichts mehr da war zum Anklopfen.

“Komm herein“, sagte ich lachend.

“Du würdest genauso verwundert schauen, wenn alles so ruhig im Haus ist, dass man schon denkt, das niemand da ist und dann plötzlich, von einer Sekunde auf die anderer, die Tür aufgerissen wird“, hielt Summer mir einen kleinen Vortrag und marschierte dann einfach an mir vorbei.

Perplex ging ich ihr hinterher ins Wohnzimmer. Meine Freundin sah sich gerade alles an und meinte dann: “Ich muss sagen, Geschmack hast du. Dein Haus ist echt schön.“

“Danke. Aber sehr viel habe ich noch gar nicht eingerichtet. Ich bin ja noch nicht so lange hier“, erklärte ich Summer.

“Stimmt. Für mich fühlt es sich an, als ob du schon immer hier wohnen würdest“, sie begann zu kichern, “Ich weiß überhaupt nicht mehr wie es war, bevor du gekommen bist.“

Daraufhin musste ich auch Lachen und sagte: “Mir geht es genauso. Ich vergesse schon langsam mein altes Leben in England.“ Und das stimmte. Ich fühlte mich beinahe schon wie ein normaler Teenager. Das hatte ich alles Summer, Matthew und den anderen zu verdanken, die sich als so gute Freunde herausgestellt hatten. Obwohl… Ich glaube ich musste Matt wohl oder übel aus meiner Freunde- Liste streichen. Das hatte er mir gestern nur allzu deutlich zu verstehen gegeben. Ich ging ihm auf die Nerven.

Sofort schlug meine Laune von super auf deprimiert um. Mein lächeln erstarb und auch Summer wurde leiser.

“Was ist los? Ist etwas passiert?“, wollte meine neue beste Freundin daher wissen.

“Ach… Es ist nichts… Ich habe mich gestern nur ein wenig mit Matthew gestritten. Naja streiten kann man es auch nicht wirklich nennen. Er war nur eiskalt zu mir“, erzählte ich ihr und ließ mich auf das Sofa plumpsen.

“Ehrlich gesagt, habe ich mich eh gewundert, dass du heute nichts mit Matthew unternimmst. Willst du mir nicht die ganze Geschichte erzählen?“, fragte Summer ruhig und setzte sich zu mir.

So begann ich über alles zu reden, was seit dem Kino geschehen war. Nachdem ich geendet hatte, herrschte eine Zeit lang Stille. Die dann schließlich Summer unterbrach.

“Oha. Das muss ich erst einmal verdauen.“

Kurze Zeit sagte sie nichts weiter. Dann atmete sie einmal Lautstarks aus und sagte: “Eigentlich dachte ich von Anfang an, dass ihr zusammenkommt. Und dass Matthew so reagiert, das hätte ich niemals gedacht! Ich habe ihn zwar erst durch dich richtig kennen gelernt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er so gemein sein kann. Außerdem hatte ich angenommen, dass er etwas von dir will.“

Darauf wusste ich nichts zu sagen und schwieg einfach.

“Und was ist eigentlich mit dir? Willst du etwas von ihm?“, redete Summer weiter.

“Ich?! Ich… Keine Ahnung. Er ist echt toll und sieht super aus…, aber ich kann mir zurzeit keinen Freund leisten.“

“Was meinst du denn damit?“, fragte sie mich sofort verwundert.

Wie sollte ich ihr das nur erklären, ohne meine Deckung fallen zu lassen. Wie konnte ich es ihr erklären, dass ich nicht für immer hier blieb? Doch das konnte ich nun einmal nicht. Ich musste sie schon wieder anlügen, was mir schon langsam zu viel wurde, da Summer zu einer richtig guten Freundin geworden war.

“Ach, du weißt schon. Ich bin gerade erst hierher gezogen und muss mich erst ein wenig hier einleben und in der Schule schauen, dass ich mit dem Stoff mitkomme. Außerdem fliege ich am Mittwoch nach Groß Britannien, um familiäres zu klären. Also bis sich alles beruhigt hat, brauche ich sicher keinen Freund“, erklärte ich ihr und versuchte mich auch selber davon zu überzeugen, dass ich mir Matthew aus dem Kopf streichen sollte.

Daraufhin nickte Summer nur und schien das Thema als erledigt zu sehen.

“Wie lange wirst du denn in England bleiben?“, fragte sie dann noch.

“Nur bis Sonntag. Also werde ich Montag schon wieder in der Schule sein“, antwortete ich.

Summer nickte und lehnte sich zurück.

 

Es war regelrecht eine Erlösung für mich, als ich endlich in das Flugzeug nach London stieg. Obwohl es ein so langer Flug war, machte ich nicht viel. Am meisten hing ich einfach meinen Gedanken nach.

Mitten in der Nacht kam ich am Heathrow Flughafen an, wo Martin auch schon auf mich wartete. Die Begrüßung war kurz, aber herzlich, was sicher an der späten Uhrzeit lag, obwohl es für mich ja noch gar nicht so spät war, doch die Reise war schließlich auch anstrengend.

Mein Butler Martin war mit einem normalen Wagen gekommen, wahrscheinlich sein privates Auto, damit niemand bemerkt, dass ich weg war. Es fühlte sich schon etwas eigenartig an, dass ich nicht in einer Limousine saß und hinter und vor mir duzende Wachen fuhren, aber es war sehr entspannend.

Komischer Weise hatte ich mich automatisch, als ich gelandet war, wieder auf mein eigentliches Leben eingestellt, als ob es nur daran liegen würde, auf welchen Kontinent ich mich aufhielt.

Sobald wir in der Residenz angekommen waren, machte ich mich auf den Weg in mein Schlafzimmer. Martin brachte meinen Koffer noch dorthin und wünschte mir eine wohltuende Nacht.

Erledigt ließ ich mich auf mein weiches Bett fallen und bevor ich auch nur daran denken konnte mich auszuziehen, war ich schon eingeschlafen.

 

Am nächsten Morgen wachte ich durch die Sonnenstrahlen, die auf mein Gesicht schienen, auf. Ich war schon fast bei der Tür raus, als mir auffiel, dass ich noch meine alten Sachen trug. Also ging ich erstmal ins Badezimmer und dann suchte ich mir ein Kleid für den Alltag heraus. So machte ich mich dann auf den Weg zum Frühstück. Um dorthin zu kommen musste ich ein bisschen gehen. Erst den langen Korridor zum Hauptgebäude, durch die Eingangshalle, in den großen Festsaal, zum kleineren Speiseraum.

Dort war schon all meine Lieblingsspeisen aufgetischt und warteten nur darauf, dass ich sie aufaß. Genug Hunger hatte ich schließlich nach einem so langen Flug, wo man nur Kleinigkeiten zu essen bekam.

Nachdem ich mich mit vollem Bauch zurückgelehnt hatte, wurde sofort alles weggeräumt. Dann kam Henry, mein Manager und Berater, herein und informierte mich über meine Termine. Es stand eigentlich nur ein kurzer Besuch in einem neu eröffneten Waisenhaus und natürlich, um ungefähr vier Uhr, der Empfang des schwedischen Königshauses am Plan. Am Abend sollte dann noch ein Ball zu Ehren der Königsfamilie stattfinden.

Ich versuchte mir den Zeitplan einzuprägen und begab mich dann auf mein Zimmer, um mich für den ersten Termin umzuziehen. Als Prinzessin musste ich immer schön angezogen sein, egal ob zu Hause, wo ich aber natürlich angenehmere Kleidung trug, oder bei einem wichtigen Treffen. Die Schwierigkeit war jedoch für den Anlass das Richtige zu finden.

Für diesen Besuch, zum Beispiel, suchte ich mir ein hübsches, aber auch bequemes Kostüm heraus, mit dem ich auch ein bisschen mit den Kindern spielen konnte.

Pünktlich um 11 Uhr wurde ich gerufen und zu dem Waisenhaus gebracht. Schon durch das Fenster konnte ich all die Journalisten und Fotographen sehen, doch als ich ausstieg, kam es mir so vor als würden sie sich verdreifachen.

In diesem Moment vermisste ich mein neues Leben in Santa Rosa sehr. Keine Presse die nur darauf wartete irgendetwas Interessantes oder sogar ein Missgeschick aufzuschnappen.

Empfangen wurde ich von vielen Kindern, die nicht wie sonst spielend und schreiend herumrannten, sondern in einer Reihe, auf den Stufen vor dem Eingang, standen. Sobald ich vor ihnen stand begangen sie zu singen. Erst war es ganz leise und stockend, doch bald wurden sie immer sicherer und sangen lauter. Fast keiner von ihnen traf einen Ton und alle, ohne Ausnahme, begannen beim Refrain plötzlich ganz laut zu singen, dass man fast schon meinen konnte, sie schrien.

Es war so herzergreifend, dass ich nicht wusste, ob ich vor Freude lachen oder weinen sollte. Als das Lied zu Ende war, stürmten die Kinder, wie auf Kommando, auf mich zu und bildeten eine Traube um mich. Doch wie nicht anders zu erwarten, war die Luft sofort voll von Blitzen der Fotographen. So schön der Moment auch war, sie hatten ihn zerstört.

Daraufhin machte ich mich auf den Weg ins Innere des Hauses, wohin die Reporter nicht gehen durften. Nur zwei Fotographen durften mich begleiten und weitere Fotos machen.

Der restliche Aufenthalt im Waisenhaus war wirklich toll. Die Kinder spielten im Haus oder in dem großen Garten, welcher gleich hinter dem Wohnheim lag, und ich ging von einem zum nächsten redete und spielt mit ihnen. Ich hatte so viel Spaß, wie schon lange nicht mehr und freute mich über die Ablenkung, die die Kinder gegenüber meinen Gedanken über Matthew boten.

 

Als ich wieder in der Residenz ankam, war schon das Mittagessen aufgetischt. Ich begab mich in den Speisesaal zum Essen. Danach machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer und bat ein Dienstmädchen, welches ich am Weg traf, mir ein Bad einzulassen. Fünfzehn Minuten später saß ich in der Badewanne, umgeben von herrlich duftendem Schaum. Zufrieden seufzte ich und ließ mich tiefer in das warme Wasser der Wanne gleiten.

Kaum das ich aus der Badewanne gestiegen war, eilte schon wieder ein Dienstmädchen herbei und begann mir meine Haare zu machen. Für diesen großen Anlass wurden meine Haare gelockt und die vordersten Strähnen nach hinten gebunden. Am Abend vor dem Ball würde ich aber trotzdem wohl wieder eine neue und noch komplexere Frisur bekommen.

Danach ging ich in mein Zimmer und von dort in meinen Ankleideraum. Vor dem Schrank mit den Kleidern für große öffentliche Anlässe blieb ich stehen und machte ihn auf. Dutzende verschieden farbige Kleidungsstücke blitzten mir entgegen. Da es sich hierbei um einen erfreulichen Anlass handelte, hatte ich eine ziemlich große Auswahl an Kleidern. Natürlich durfte ich trotzdem nicht mit einem knallbunten Kleidchen herumlaufen.

Ich entschied mich für ein Azurblaues. Es war ungefähr knielang, schulterfrei und ziemlich flatternd. Dazu suchte ich noch passende Schuhe heraus und schon war ich auf den Weg hinunter in die Empfangshalle.

Kurze Zeit später berichtet mir Henry: „Die Königsfamilie ist gerade vorgefahren, Prinzessin Mia.“

„In Ordnung. Ich komme“, antwortete ich und machte mich auf den Weg vor die Tür.

Vor dem Eingang erwarteten, ebenso wie ich, tausende von Schaulustigen die Ankunft der schwedischen Familie. Kurz darauf stiegen aus der schwarzen hochpolierten Limousine Königin Amélie und König Alexander, mit deren Tochter Prinzessin Linnea und ihrem Verlobten Raphael.

An die Schulter seines Vaters gelehnt schlief der kleine Prinz Lucas. Er sah wie immer zuckersüß aus und ich war mir sicher, dass er einmal ein richtiger Frauenschwarm werden würde.

Nachdem ich alle lächelnd begrüßt hatte, stellten wir uns noch vor dem Eingang zusammen auf, damit Fotos für die Zeitung geschossen werden konnten. In dem ganzen Tumult wachte irgendwann Prinz Lucas auf und blickte sich mit verschlafenen Augen um. Als er mich entdeckte, begann er zu zappeln, damit sein Vater ihn hinunter ließ. Sobald König Alexander ihn auf den Boden abgesetzt hatte, lief Prinz Lucas zu mir und umarmte mich mit seinen kurzen Ärmchen. Ich fuhr ihm durch sein kurzes strohblondes Haar, welches er von seinem Vater geerbt hatte, und begrüßte nun auch ihn. Ich wusste nicht so genau, wieso er mich so in sein Herz geschlossen hatte, aber er freute sich jedes Mal wie verrückt, wenn er mich sah.

Nach kurzer Zeit begaben wir uns schließlich ins Innere der Residenz. Die Dienstmädchen bat ich, im Garten für den Tee zu decken und ging schon einmal mit der Königsfamilie im Schlepptau nach draußen. Dort spazierten wir eine Weile herum, setzten uns dann zu Tische, tranken Tee und aßen Kuchen. Die Atmosphäre am Tische war sehr angenehm und entspannt. Wir tauschten uns  über private Neuigkeiten, aber auch über politische oder internationale Angelegenheiten aus.

Auch wenn dieser Besuch, der mir wahnsinnig viel bedeutete, da sie wie eine zweite Familie für mich waren, mich eigentlich voll und ganz von meinen Sorgen ablenken sollte, tat er das nicht. Immer wieder fragte ich mich was Matthew in Santa Rosa zurzeit machte. Ob er gerade alleine war oder ob Amanda bei ihm war. Vielleicht knutschten sie ja auch in einer Ecke herum. Sofort hatte ich einen Kloß im Hals und versuchte schnell an etwas anderes zu denken.

Nachdem wir mit dem Tee fertig waren, sagte König Alexander: „Ist es Ihnen recht, Mia, wenn Amélie, Lucas und ich einen Spaziergang durch ihren Garten machen?“

„Natürlich nicht, Alexander. Ihr könnt, wenn ihr wollt, auch zu dem kleinen See schauen am Ende der Wiese. Dort ist es zu dieser Jahreszeit besonders schön.“

König Alexander nickte und machte sich dann mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn auf den Weg. Zurück blieben Prinzessin Linnea, Raphael und ich. Nach kurzer Zeit entschuldigte sich auch der Verlobte der schwedischen Prinzessin mit der Erklärung, dass er einen Freund in London besuchen wollte. Es wäre nämlich gerade eine perfekte Gelegenheit seinen alten Studienkollegen zu besuchen, wenn er schon einmal hier in Groß Britannien war.

Linnea und ich saßen noch eine Weile still nebeneinander, wobei ich ihren bohrenden Blick auf mir spürte. Als ich diesen nicht mehr stand hielt, drehte ich mich zu ihr und fragte ergebend: „Was willst du wissen, Linnea?“

„Ich weiß doch, dass dich etwas belastet. Sag es mir einfach“, forderte sie.

Ich musste ihr wohl der übel alles erzählen, damit würde sie mich nie durchkommen lassen. Sie merkte immer sofort, wenn es mir nicht gut ging. Linnea war so etwas wie meine große Schwester, die ich nicht hatte. Sie war immer für mich da, als ich ohne meine Mutter aufwuchs und den Rat einer Frau brauchte. Also hatte ich jetzt auch keine Wahl, wobei ich ihr jedoch nicht alles erzählen musste.

 

„In Ordnung. Also eigentlich geht es um das Problem einer Freundin…“, fing ich an.

„Einer Freundin?“, unterbrach mich Prinzessin Linnea zweifelnd.

„Ja, von einer Freundin“, wiederholte ich etwas unwirsch, wobei wir beide wussten, dass ich log. Doch auf diese Art fiel es mir leichter zu erzählen.

„Also sie hatte einen guten, eigentlich besten Freund“, begann ich zu erklären: „Doch einmal haben sie sich geküsst, was dann ein riesiges Desaster war. Sie wollte irgendwie darüber reden und vielleicht auch, dass mehr daraus wird. Aber er meint, dass es eine einmalige Sache war und hat sich von ihr und seinen anderen Freunden abgewandt. Und nun ist er immer mit den Mädchen beisammen, die er vorher nicht ausstehen konnte und redet nicht mehr mit ihr.“

Nachdem ich geendet hatte, schwieg meine Beinahe-Schwester. Sie musste das wohl alles erst verdauen.

Als sie dann sprach, wählte sie ihre Worte umsichtig: „Nun ja… Das ist wirklich kompliziert. Einerseits könnte es wirklich sein, dass er nichts von „deiner Freundin“ will und sich deswegen zurückgezogen hat. Aber vielleicht ist es auch genau andersherum. Möglicherweise war er nach dem Kuss verwirrt und wusste nicht wie er darauf reagieren sollte und hat sich deswegen abgewendet.“

„Aber man kann ja auch einfach darüber reden und muss nicht gleich abweisend zu allen sein. Wieso muss das alles so kompliziert sein?“, regte ich mich auf.

Bedrückt ließ ich meinen Kopf hängen, woraufhin ich sogleich in eine mitfühlende Umarmung gezogen wurde.

 

???




Mia

 

Entspannt lehnte ich mich in den weichen Ledersessel zurück und schloss kurz meine Augen. Meine Gedanken schossen zu den restlichen Tagen in meiner Heimat, während der Pilot alles für den Abflug vorbereitete.

Am Abend nach meinem Gespräch mit Linnea fand der Ball statt. Es war ein wirklich schönes Fest und ich genoss es. Ich genoss es schön gekleidet zu sein und durch den prunkvollen Ballsaal zu spazieren.

Den Freitag hatte ich größtenteils mit meinem Besuch verbracht, doch gegen Abend hatten sie sich wieder auf den Weg nach Schweden gemacht und ließen mich alleine zurück.

Für meine Pflichten als Prinzessin von Groß Britannien musste ich den gesamten Samstag opfern. Auch wenn ich, da ich noch nicht volljährig war, nicht viel zu machen hatte und das meiste von Beratern oder anderen Politikern übernommen wird, musste ich mir trotzdem sämtliche Berichte anhören. So saß ich also mit duzenden Beratern in einem stickigen Raum und durfte mir deren ewige Monologe über die wirtschaftliche Lage des Königreiches anhören.

Und nun saß ich hier am frühen Sonntagnachmittag im Flugzeug und stellte mich gerade wieder auf mein „anderes Leben“ ein. Das bestand darin, dass ich heute noch den restlichen Tag Aufgaben für die Schule zu erledigen und für einen Vokabeltest zu lernen hatte.

 

Als ich aus dem Fenster des Schulbusses blickte, sah ich Summer an der Haltestelle schon warten. Sobald ich aus dem Bus gestiegen war, kam sie mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

„Hallo, meine allerbeste Freundin! Ich habe dich so vermisst!“, sagte sie, wobei sie das „so“ in die Länge zog, und riss mich in eine Umarmung.

„Hey, Summer! Du tust ja so als wäre ich Wochen weg gewesen, dabei waren es ja nur vier Tage. Oder hast du hier beim Warten einen Hitzschlag bekommen?“, kicherte ich in ihren Armen liegend.

„Mir doch egal, was du denkst, Mia. Ich bin froh, dass du wieder da bist.“

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu unseren Spinden. Während wir gingen, erzählte Summer mir was ich hier verpasst hatte, was anscheinend nicht sehr viel war.

„Ich weiß mein Wochenende war nicht sonderlich aufregend. Bei dir war sicher mehr los. Also erzähl mal bisschen, was du die ganze Zeit so gemacht hast.“

Summer blickte mich neugierig an und strich sich eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht.

Ich machte eine abweisende Geste und meinte kurz angebunden: „Ach, du weißt schon. Besuch von Bekannten, Essen gehen, Angelegenheiten regeln und so ein Zeug.“

Zustimmend nickte meine beste Freundin und wollte gerade noch etwas sagen, als Sam unsere Namen quer durch den Flur rief und sich mit Tim und Patrick zu uns gesellte.

„Mia, hey! Wie geht es dir?“, fragte Sam mich und umarmte mich fest. Perplex erwiderte ich die Umarmung. Ich war zwar schon mit Sam befreundet, da er ja ein Freund von Matthew war und er und seine Freunde in den letzten Wochen auch total nett zu mir gewesen ist, aber das wir so gut befreundet waren?

„Mir geht es ganz gut soweit. Und dir?“

„Mir geht es auch super. Wie war dein Wochenende so? Wir hätten und eigentlich alle einmal treffen können.“

„Ja, stimmt. Das hätten wir wirklich tun können. Vielleicht verschieben wir das einfach auf nächstes Wochenende?“, schlug ich Sam freundlich vor, wobei ich ihm absichtlich nicht erzählte, dass ich in England war. Es musste schließlich nicht jeder wissen. So war das Risiko einfach geringer.

„Okay, ja. Das können wir machen. Wir könnten um Beispiel alle ins Black Phönix gehen“, Sam wandte sich zu den anderen, wobei Alex nun auch in der Runde stand, „Ihr seid doch auch dabei, oder?“

Alle gaben einen zustimmenden Laut von sich, bis auf Summer, welche betrübt den Kopf schüttelte.

„Tut mir leid, aber da werdet ihr wahrscheinlich nicht mit mir rechnen können. Meine Mum hat irgend so ein Familienpflichtprogramm für das Wochenende geplant.“

Sam drehte sich zu mir, grinste breit und sagte: „Dann musst du dich wohl mit uns Jungs zufrieden geben.“

„Sieht wohl so aus“, antwortete ich frech und grinste ihn an.

Impressum

Texte: Die Geschichte ist von mir frei erfunden und bitte daher nicht meine Ideen zu stehlen.
Lektorat: jockelina
Tag der Veröffentlichung: 22.05.2012

Alle Rechte vorbehalten

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